Hammerflügel Traugott Berndt 1848 (Prof. Andreas E. Beurmann)

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  • Nr. 162 Berndt, Hammerflgel 1848 225

    Nr. 162 Der Flgel von Traugott Berndt im Ambiente

    (in einer 1864 von Martin Haller erbauten Stadt-Villa am Rothenbaum in Hamburg beim Autor)

  • 226 Nr. 162 Berndt, Hammerflgel 1848

    Nr. 162 HAMMERFLGEL

    Traugott Berndt, Breslau 1848

    Strahlende Helligkeit, Geflligkeit, Leichtigkeit prgen das uere dieses Flgels. Leuchtkraft zeichnet auch seinen Klangcharakter aus.

    Signatur Auf dem Kmpfer befindet sich das von einer Messingleiste umrandete Firmen-Schild (162b). Zwei Wappen flankieren den Namen, das linke ist das sogenannte mittlere Preuische Staats-wappen, das rechte vereint die Wappen Preuens und der Niederlande. (Letzteres zeigt den gekrnten Lwen des Hauses Nassau-Oranien mit Schwert und einem Bndel von sieben Pfeilen in den Pranken. Prinzessin Marianne der Niederlande war Gemahlin von Prinz Albrecht von Preuen.)

    162a Hammerflgel von Traugott Berndt

    162b Firmen-Schild

  • Nr. 162 Berndt, Hammerflgel 1848 227

    Bei der im Namensschild genannten Majestt handelt es sich um Knig Friedrich Wilhelm IV. von Preuen, der von 1840-1861 regierte (Sohn von Knig Friedrich Wilhelm III. [1770-1840] und Knigin Luise [1776-1810] ). Die auerdem genannte Prinze Albrecht von Preuen war ab 1830 die Gemahlin des Prinzen Albrecht Friedrich Heinrich Prinz von Preuen (1809-1872), des vierten Sohns von Friedrich Wilhelm III., also des Bruders vom regierenden Knig.

    Die erwhnte Prinze Albrecht von Preuen war die Tochter von Knig Willem I. der Niederlande und Schwester des Nach-folgers Willem II. Die Ehe von Prinz Albrecht und der Prinze Marianne wurde 1849 getrennt. Wohl nach der erfolgten Schei-dung vernderte Berndt den Wortlaut im Namensschild seiner spteren Flgel in Ihre Knigliche Hoheit Prinzessin Marianne der Niederlande .

    JOHANN KARL TRAUGOTT BERNDT, geboren 1797 in Kleinzschocher bei Leipzig als Sohn eines Jgers, arbeitet zunchst bei dem Klavierbauer IGNAZ LEICHT in Leipzig. 1837 erffnet er eine eigene Werkstatt in der Altberstrae in Breslau. 1842 bezieht Berndt grere Rume am Ring 8, da seine erstklassigen Flgel sich gut verkaufen lassen.

    1844 prsentiert er einen Hammerflgel in der Gewerbeausstellung in Berlin.

    1845 wird er zum Hof-Instrumentmacher der Prinzessin Marianne der Niederlande ernannt. 1847 erhlt er den Titel Hof-Instrumentmacher des Knigs von Preuen. Ein Jahr danach entsteht der dargestellte Flgel.

    Eine neu errichtete Fabrik in der Leipziger Garvestrae brennt 1857 nieder. Der tchtige Klavierbauer errichtet daraufhin einen Neubau in der Paradiesstrae 11. 1867 bergibt er die Firma seinem Neffen KELLNER, der sie erfolgreich weiterfhrt. (Henkel 1994, S.164-165; Henkel 2000, S.53f.)

    Von Traugott Berndt sind derzeit neun Hammerflgel bekannt, sie stehen in:

    1) Mnchen DMM 2) Leipzig MIM-L (Kat.-Nr. 4573) 3) Halle HH 4) Granitz auf Rgen, Jagdschlo 5) Sddeutschland, Privatbesitz 6) Berlin, Privatbesitz 7) Klagenfurt, Privatbesitz 8) Polen, Privatbesitz 9) Hamburg, Sammlung Beurmann

    Aufbau Das Instrument mit seinem goldgelben Farbton zeigt durchaus noch Zge des spten Bieder-meier. Es steht ganz in der Tradition der leicht gebauten geradsaitigen Wiener Flgel mit abge-winkelter linearer Bawand (162c) und senkrechten Wnden bei der Klaviatur (162a).

    Ein signifikantes Konstruktionsmerkmal Berndts bildet eine schmiedeeiserne, plattenartige Strebe, die mit dem Damm, dem Stimmstock und dem Unterboden fest verschraubt ist und dominierend in der Mitte des Klaviaturraums zwischen den Tnen f 1 und f#1 liegt (162d). Sehr effektiv trgt diese Einrichtung dazu bei, den starken Zugkrften der Saiten wirksam zu begegnen.

    Bedingt durch die ungewhnliche Machart dieser Strebe ergibt sich die ebenso signifikante, fast vllige Zweiteilung des Klaviaturrahmens (162e,), der letzt-lich nur noch im vorderen Bereich zusammen gehalten wird.

    Auer der genannten Strebe sorgt eine Eisen-spreize im Hammerschacht, zwischen A und B befind-lich, fr zustzliche Stabilitt. Jeweils ein Blindbezug berdeckt die genannten Spreizen.

    Der Flgel hat einen geteilten Steg (162c). ber den kurzen Ba-Steg laufen alle umsponnenen Saiten C 1 - D#, ber den langen Steg die blanken Eisensaiten E - a4. Der Ba-Steg ist beim bergang von der Zweichrigkeit zur Dreichrigkeit, zwischen G#1 und A 1, abgewinkelt (162c).

    Die Stege sind durchgehend in Schrnkung doppel-bestiftet. Auf dem Resonanzboden-Steg stehen die Saitenfhrungs-Stifte geradlinig pro Unison-Chor, auf dem Stimmstock-Steg hingegen folgen sie noch einzeln der Kurvung.

    162c Draufsicht. Die weie Einfrbung des Stimm- stocks und der Anhngungsleiste sind original.

  • 228 Nr. 162 Berndt, Hammerflgel 1848

    Der Klaviaturrahmen ruht auf einem Schlitten (162e), der sich aus einem Lngsholm und drei Querleisten zusammensetzt (162f).

    162e Klaviaturrahmen

    Der Deckelstnder ist im Deckel befestigt (162a). Das Notenpult in Leisten-Bauart besteht aus heller Kirsche (162a).

    Die Lyra enthlt zwei Pedale, das linke dient der Verschiebung, das rechte der Dmpfungsaufhebung.

    Der Flgel steht auf drei sechskantigen Beinen mit Laufrollen aus Messing. Er ist unten offen und gewhrt somit einen Einblick in die Berippung und auf die Anordnung der Rasten (162k).

    162f Schlitten, halb heraus gezogen

    Mechanik Prellzungenmechanik mit Messing-kapseln und Nadelgelenk (162 i,j). Einzelfnger.

    Die Dmpfer lagern in einem Rahmen (162c,g) nach Art von ANTON WALTER in Wien (siehe Seite 158, 137g,h). Diese Art der Dmpfung wird allgemein als Deutsche Dmpfung bezeichnet. Hierbei handelt es sich um einen hochklappbaren Rahmen, in dem an der hinteren Rahmenleiste waagerecht liegende Dmpferglieder angehngt sind. Bei Bettigung des Pedaltritts wird der vordere Bereich des Klapprahmens angehoben, wodurch sich zugleich alle Dmpfer von den Saiten abheben.

    In die Dmpferglieder sind senkrechte Drahtstifte mit einer Holzpuppe eingeschraubt, die zwischen den Saitenchren nach unten auf die Dmpferheber der Tasten fhren. Eine Fein-Regulierung jedes Dmpfers erfolgt von oben durch eine Einstell-se.

    Von C1-d 1 werden Keildmpfer verwendet (C1 - G#1 einfacher Keil, A1 - d 1 zweigeteilter Keil) und von d#1 - d#3 Flachdmpfer. Die Saiten ab e 3 bleiben ungedmpft. Der gesamte Dmpfungsrahmen lagert mit Achsen links in einem Winkeleisen und rechts in einer mit Loch versehenen Stahlfeder.

    162d Plattenartige Verstrebung im Klaviaturraum mit Eisenstrebe zum Stuhlboden

    162g Die deutsche Dmpfung. Sie befindet sich in einem schwenkbaren Rahmen.

    162h Die Dmpfer von unten gesehen

  • Nr. 162 Berndt, Hammerflgel 1848 229

    162 i Teilansicht der Mechanik (Ba)

    Klaviatur (162 ) C1 - a4 (82 Tne, 6 Oktaven). Untertastenbelge aus Elfenbein. Obertastenblckchen aus Ebenholz.

    Tastenfhrung mit Vorderstiften in ledergarnierten Schlitzen. Der Holzkern der Hammerkpfe ist mit Filz belegt und auen mit einer Lederlage umhllt.

    162k Rastenwerk, von 162 Klaviaturrahmen mit Tastatur und Mechanik. Man beachte unten gesehen den Einschnitt in der Mitte fr die Eisenspreize.

    Bemerkungen Auf dem inneren Resonanzboden stehen ein Name und das Baudatum R. Steeg den 17ten April 1848 (162m).

    Von 1938 stammt ein Eintrag 13.6.38. / Michaelis .

    162m Eintrag auf dem Resonanzboden

    Auffallend ist die betrchtliche Spielhhe von 780 mm im Ver-gleich mit anderen Hammerflgeln der Zeit, z.B. Broadwood 720 mm (Seite 197), Blthner 720 mm (Seite 278), Bsendorfer 730 mm (Seite 287).

    Henkel 1994, S.164-165; Henkel 2000, S.53f.

    Mensuren

    C 1 F 1 C F c f c1 f 1 c 2 f 2 c 3 f 3 c 4 f 4 a 4 1624 1587 1403 1406 1053 809 569 436 285 209 138 101 66 50 43

    Besaitung

    Umsponnene Saiten, Kern-Durchmesser: Eisensaiten

    C 1 F 1 A 1 C# D D# E F G A# d# f a# a1 d#2 c#3 a#3 90 86 82 80 75 73 106 104 100 98 96 90 87 82 79 76 74

    Alle Saiten sind einzeln angehngt. Die Tne C 1-G#1 sind zweichrig, die Tne A 1-a 4 dreichrig besaitet.

    Abmessungen Gehuse 2347L x 1344B x 353 (940)H Stowand 620 Bawand 565

    Klaviatur Umfang C 1 - a 4 Stichma 478 Klaviaturbreite 1095 Spielhhe 780

    Tasten Untertastenbelag 144L x 21.5-22 Vorderplttchenlnge 45 Obertastenblckchen 11.4L x 90B

    162n Deckelverschluhaken

    162 j Hammerkpfe a 4 a 3, a 2, A, A 1

  • Autor: Andreas E. Beurmann.

    Verwendet mit freundlicher Genehmigung von Herrn Prof. Beurmann.