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Fach: Pädagogik-Psychologie Kurs: PA1L2A Datum: Lehrkraft: N. Mönke Lerngebiet 9 – Handlungsansätze in der sozialen Arbeit vergleichen Fallbeschreibung „Dennis“ 1 5 10 15 20 25 30 35 40 Der 15jährige Dennis B. besucht die 8. Klasse der Realschule. Während des Sprechtages im November erfahren die Eltern vom Klassenlehrer ihres Sohnes, dass das Erreichen des Klassenzieles aufgrund schlechter bzw. nicht erbrachter Leistungen gefährdet ist. Als besonders problematisch beurteilt der Lehrer die hohen Fehlzeiten. Der Klassenlehrer äußert sich auch besorgt darüber, dass Dennis, obwohl mittlerweile eineinhalb Jahre in der Klasse, immer noch keinen Anschluss an die Klassengemeinschaft gefunden hat. Die Mutter des Jungen bittet daraufhin um einen Termin bei einer Erziehungsberatungsstelle. Zum ersten Termin dort erscheint sie allein und schildert die Situation aus ihrer Sicht: Die Probleme seien erstmals in der 6. Klasse des Gymnasiums aufgetreten. Damals habe Dennis einen sehr strengen Klassenlehrer bekommen, der die Schüler immer wieder angebrüllt habe, wenn sie Fehler gemacht hätten. Da Dennis noch nie ein sehr guter Schüler gewesen sei, habe er besonders unter dieser Situation gelitten. Er habe sich die Vorwürfe immer sehr zu Herzen genommen und wurde damals schon häufig krank, wenn der Unterricht bei diesem Klassenlehrer auf dem Stundenplan stand. Die Folge war, dass er oft zu Hause blieb, viel Unterricht versäumte und die geforderten Leistungen nicht erbringen konnte. Die Angst zu versagen übertrug er mit der Zeit auch auf die anderen Fächer, so dass er am Ende des Schuljahres auf die Realschule wechseln musste. Auch in der Realschule traten die Probleme des Jungen wieder auf. Seine Leistungen wurden stetig schlechter, was aus Sicht der Mutter, seine Angst vor der Schule und erneutem Versagen immer weiter gesteigert habe. In diesem Zusammenhang erwähnt Frau B., dass Dennis schon immer ein Einzelgänger gewesen sei. Er erzähle nie etwas von Mitschülern und kenne so auch niemanden, der ihn in der Schule unterstützen würde. Sie könne sich auch nicht daran erinnern, dass er über längere Zeit Freundschaften zu Gleichaltrigen gepflegt hätte. Wenn er draußen sei, beschäftige er sich vorwiegend mit den zwei, drei Jahre jüngeren Kindern aus der Nachbarschaft. In letzter Zeit wären aber auch vereinzelt Beschwerden von deren Eltern an sie heran getragen worden, dass Dennis ihre Kinder tyrannisieren würde. Frau B. bedauert, dass sie mit ihrem Mann über die schlechten Leistungen des Sohnes nicht sprechen könne, weil sie befürchte, dass der kein Verständnis habe und den Jungen - wie so oft - übertrieben hart bestrafen würde. Sie dagegen sorge sich immer sehr, wenn Dennis morgens vor Angst ganz blass und kaum ansprechbar sei oder wenn er über Magenschmerzen klage und sogar weine. Sie rufe dann in der Schule an, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen könne. Frau B. gesteht ein, dass sie sich in gewisser Weise schuldig fühle, da sie 1 Zentralabitur Niedersachsen Pädagogik-Psychologie 2006, Nachschreibklausur, Aufgabe 2

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Fach: Pädagogik-Psychologie Kurs: PA1L2A Datum:Lehrkraft: N. Mönke

Lerngebiet 9 – Handlungsansätze in der sozialen Arbeit vergleichen

Fallbeschreibung „Dennis“1

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Der 15jährige Dennis B. besucht die 8. Klasse der Realschule. Während des Sprechtages im November erfahren die Eltern vom Klassenlehrer ihres Sohnes, dass das Erreichen des Klassenzieles aufgrund schlechter bzw. nicht erbrachter Leistungen gefährdet ist. Als besonders problematisch beurteilt der Lehrer die hohen Fehlzeiten. Der Klassenlehrer äußert sich auch besorgt darüber, dass Dennis, obwohl mittlerweile eineinhalb Jahre in der Klasse, immer noch keinen Anschluss an die Klassengemeinschaft gefunden hat.

Die Mutter des Jungen bittet daraufhin um einen Termin bei einer Erziehungsberatungsstelle. Zum ersten Termin dort erscheint sie allein und schildert die Situation aus ihrer Sicht:

Die Probleme seien erstmals in der 6. Klasse des Gymnasiums aufgetreten. Damals habe Dennis einen sehr strengen Klassenlehrer bekommen, der die Schüler immer wieder angebrüllt habe, wenn sie Fehler gemacht hätten. Da Dennis noch nie ein sehr guter Schüler gewesen sei, habe er besonders unter dieser Situation gelitten. Er habe sich die Vorwürfe immer sehr zu Herzen genommen und wurde damals schon häufig krank, wenn der Unterricht bei diesem Klassenlehrer auf dem Stundenplan stand. Die Folge war, dass er oft zu Hause blieb, viel Unterricht versäumte und die geforderten Leistungen nicht erbringen konnte. Die Angst zu versagen übertrug er mit der Zeit auch auf die anderen Fächer, so dass er am Ende des Schuljahres auf die Realschule wechseln musste.

Auch in der Realschule traten die Probleme des Jungen wieder auf. Seine Leistungen wurden stetig schlechter, was aus Sicht der Mutter, seine Angst vor der Schule und erneutem Versagen immer weiter gesteigert habe. In diesem Zusammenhang erwähnt Frau B., dass Dennis schon immer ein Einzelgänger gewesen sei. Er erzähle nie etwas von Mitschülern und kenne so auch niemanden, der ihn in der Schule unterstützen würde. Sie könne sich auch nicht daran erinnern, dass er über längere Zeit Freundschaften zu Gleichaltrigen gepflegt hätte. Wenn er draußen sei, beschäftige er sich vorwiegend mit den zwei, drei Jahre jüngeren Kindern aus der Nachbarschaft. In letzter Zeit wären aber auch vereinzelt Beschwerden von deren Eltern an sie heran getragen worden, dass Dennis ihre Kinder tyrannisieren würde.

Frau B. bedauert, dass sie mit ihrem Mann über die schlechten Leistungen des Sohnes nicht sprechen könne, weil sie befürchte, dass der kein Verständnis habe und den Jungen - wie so oft - übertrieben hart bestrafen würde. Sie dagegen sorge sich immer sehr, wenn Dennis morgens vor Angst ganz blass und kaum ansprechbar sei oder wenn er über Magenschmerzen klage und sogar weine. Sie rufe dann in der Schule an, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen könne. Frau B. gesteht ein, dass sie sich in gewisser Weise schuldig fühle, da sie Dennis so oft von der Schule daheim lasse.

Früher habe Dennis sich an solchen freien Vormittagen immer ausdauernd mit seinem Modellbau beschäftigt. Dabei habe er sich beruhigt und erholt und er sei nachmittags auch bereit gewesen, zumindest seine Hausaufgaben nachzuholen. In den letzten Monaten nutze er seine freie Zeit und auch solche Vormittage jedoch nur noch zum Computerspielen. Er lasse sich auch von ihr nur noch wenig sagen und schon gar nicht zu Schulaufgaben oder zusätzlichem Lernen motivieren. Durch die häufigen Unterrichtsversäumnisse seien deshalb seine Leistungen immer weiter abgesunken.

Frau B. erzählt weiter, ihr Mann sei der Überzeugung, dass Dennis das Abitur machen und studieren müsse. Er habe von seinem Sohn schon immer sehr viel erwartet; so sollte der Junge sich immer mit „lehrreichen“ Spielsachen (z.B. technischem Spielzeug) beschäftigen, die eigentlich für ein bis zwei Jahre ältere

1 Zentralabitur Niedersachsen Pädagogik-Psychologie 2006, Nachschreibklausur, Aufgabe 2

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Kinder empfohlen werden. Der Vater habe früher auch immer wieder mit seinem Sohn gespielt und dabei regelrecht überprüft, ob Dennis die Spiele auch „beherrsche“. Sei das nicht so gewesen, habe der Vater deutlich seine Enttäuschung gezeigt. Manchmal habe er den Jungen auch angebrüllt und einmal sogar geohrfeigt. Dennis zucke heute noch oft zusammen, wenn er den Vater abends nach Hause kommen höre.

Frau B. meint, dass er noch immer Angst vor seinem Vater habe. Ihr Mann liebe seinen Sohn über alles, aber er bringe kein Verständnis für dessen Probleme auf. Im Gegenteil würde die schulische Situation immer häufiger zu Spannungen und Streit in der Familie führen.

So sei auch nach dem letzten Elternsprechtag die Situation wieder eskaliert. Dennis war der Meinung, dass die Lehrer etwas gegen ihn hätten und dass es für ihn sowieso keinen Sinn machen würde, in die zu Schule gehen. Er bekäme sowieso nur schlechte Noten. Ihr Mann habe sehr wütend reagiert und lautstark ankündigt, dass er sich diese „Faulenzerei“ nicht länger anschauen würde und dass er in Zukunft jeden Tag die Hausaufgaben persönlich kontrollieren würde. Dennis könne sich in derartigen Situationen gegen seinen aufgebrachten Vater nicht wehren und würde sich dann meistens weinend in sein Zimmer zurückziehen.

Diesmal sei Dennis jedoch wütend aus dem Haus gelaufen und habe die Tür laut hinter sich zugeschlagen. Er sei erst spät nach Hause gekommen, angeblich von einem Freund, und er habe nach Alkohol gerochen. Nach eigener Auskunft kann Frau B. Konflikte dieser Art nur schwer ertragen. Sie fühle sich dann immer aufgefordert, Dennis zu trösten, finde jedoch immer weniger einen Zugang zu ihm, denn mit ihr rede er auch kaum noch. Er schließe jetzt auch immer häufiger sein Zimmer ab, um allein zu sein und nicht gestört zu werden. An gemeinsamen Unternehmungen der Familie wie z.B. Besuche bei den Großeltern nehme er immer seltener und wenn, nur nach langem Zureden teil.

Besonders besorgt zeigt sich die Mutter über Äußerungen von Dennis, er sei sowieso nichts wert und kein Mensch würde ihn vermissen, wenn er mal nicht mehr da sei.

Aufgabenstellung:

Sie sind Mitarbeiterin oder Mitarbeiter in der im Fallbeispiel genannten Erziehungsberatungsstelle und setzen sich mit der Problematik von Dennis auseinander. Im Team der Beratungsstelle wird diskutiert, ob die Störung von Dennis besser mit einem verhaltensorientierten Handlungskonzept der sozialen Gruppenarbeit oder durch ein klientenzentriertes Beratungskonzept im Rahmen der sozialen Einzelfallhilfe bearbeitet werden soll.

Skizzieren Sie die Grundprinzipien, Methoden und Ziele des klientenzentrierten Konzepts und beurteilen Sie dieses Handlungskonzept der sozialen Arbeit im Hinblick auf seine Bedeutung und Wirksamkeit für das vorliegende Störungsbild. Entwickeln Sie einen möglichen Beratungs-ansatz.