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Leben und Wirken[Bearbeiten]

Gedenktafel in Breslau fr Johannes Gadamer,1902-1919 Direktor des Pharmazeutischen Institutes der Universitt Breslau, Professor frToxykologiean der Breslauer Universitt und Hans-Georg Gadamer,bedeutender Philosoph des XX. Jh., 1993 Verleihung desDoctor Honoris Causader Universitt von Breslau, Breslau 2003Familirer Rahmen und Promotion[Bearbeiten]Hans-Georg Gadamers VaterJohannes GadamerwarPharmazeutundChemiker. 1902 folgte er einem Ruf alsOrdinariusfrpharmazeutische Chemiean dieUniversitt Breslauund blieb dort bis 1919. Er war in erster Ehe (1897-1904) verheiratet mit Johanna Gadamer geborene Gewiese, Tochter des Maurer- undZimmermeistersHugo Gewiese und seiner Ehefrau Adele Becker. 1904 verstarb Johanna Gadamer, die Mutter von Hans-Georg Gadamer und seinem Bruder. Ab 1905 war Johannes Gadamer in zweiter Ehe verheiratet mit Hedwig Gadamer geb. Hellich, Tochter desGrubenbaudirektorsErich Hellich und seiner Ehefrau Ida Ehlert.[1]Hans-Georg Gadamer wuchs in Breslau auf und erlangte dort 1918 dieHochschulreife. Gadamer nahm anschlieend sein Studium der Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte, Philosophie und Pdagogik an den Universitten Breslau, Marburg und Mnchen auf, und studierte unter anderem beiRichard Hnigswald. 1919 setzte er sein Studium an der Universitt Marburg fort. Dort wurde er 1922 beiPaul NatorpundNicolai Hartmann, mit seinerDissertationsschriftberDas Wesen der Lust nach den platonischen Dialogen, zumDr. phil.promoviert.[2]Edmund Husserl, Martin Heidegger, Paul Friedlnder[Bearbeiten]

Heideggers Htte oberhalb von TodtnaubergAb 1923 besuchte Gadamer Vorlesungen vonEdmund HusserlundMartin Heideggeran derAlbert-Ludwigs-Universitt Freiburgund whrend des Sommers, bei Heidegger in dessen Htte inTodtnauberg. Diese Begegnung mit Heidegger wurde fr Gadamer eine vllige Erschtterung allzu frher Selbstsicherheit.[3]Ein Jahr spter, 1924, nahm Gadamer sein Studium der klassischen Philologie beiPaul Friedlnderauf, weil er das Gefhl hatte, von der berlegenheit dieses Denkers [Heidegger] einfach erdrckt zu werden, wenn ich nicht einen eigenen Boden gewann, auf dem ich vielleicht fester stnde als dieser gewaltige Denker selber.[4]1927 absolvierte Gadamer sein Staatsexamen fr das Hhere Lehramt.Habilitation an der Universitt Marburg[Bearbeiten]1929 habilitierte sich Gadamer bei Heidegger und Friedlnder fr Philosophie an der Universitt Marburg. Titel der Habilitationsschrift:Platos dialektische Ethik. Interpretationen zum "Philebos"., und wurde Privatdozent in Marburg. Zwei Jahre spter wurde seine SchriftPlatos dialektische Ethikverffentlicht. Nach einem Aufenthalt in Paris 1933 verffentlichte er 1934 seine SchriftPlato und die Dichter, die einen Durchbruch im Hinblick auf PlatonsPoliteiadarstellt, erste sehr deutliche Anstze der Gadamerschen Hermeneutik aufweist, und seine teils unkritische Haltung gegenber demNationalsozialismusbelegt.[5]NSDDBVertretungen vakanter Lehrsthle[Bearbeiten]Am 11. November 1933 unterzeichnete Gadamer dasBekenntnis der Professoren an den deutschen Universitten und Hochschulen zu Adolf Hitlerund dem nationalsozialistischen Staat.[6]1934/35 vertrat Gadamer an derUniversitt KieldenvakantenLehrstuhlvonRichard Kroner, der wegen seiner jdischen Abstammung von derLehrbefugnissuspendiertworden war. Im Oktober 1935 nahm Gadamer freiwillig am Dozentenlager desNS-Dozentenbundes, demNSDDB, in Weichselmnde bei Danzig teil. Daraufhin wurde ihm 1937 in Marburg der Titel eines nichtbeamtetenauerordentlichen Professorsverliehen, der ihm zunchst verweigert worden war, obwohl er die blicherweise sechs Jahre whrende Zeit einerPrivatdozenturschon absolviert hatte. Gadamer erhielt weiterhin die Vertretung des vakanten Lehrstuhls vonErich Frankan derUniversitt Marburg, dem ebenfalls wegen seiner jdischen Abstammung die Lehrbefugnis entzogen worden war. Zwei Jahre spter erhielt Gadamer einen Ruf an dieUniversitt Leipzig, wo er nach Lehrstuhlvertretungen 1938/39 als NachfolgerArnold Gehlens1939 zumordentlichen Professorund Direktor des Philosophischen Instituts der Universitt Leipzig berufen wurde.[7]Whrend der Zeit desZweiten Weltkriegswar Gadamer Mitarbeiter amNS-ProjektKriegseinsatz der Geisteswissenschaften.[6]Erste Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg[Bearbeiten]Nach dem Krieg wurde Hans-Georg Gadamer 1945Dekander Philosophischen Fakultt und spter bis 1947 Rektor der Universitt Leipzig. Nachdem sich die Hoffnungen auf eine demokratische Entwicklung in dersowjetischen Besatzungszonezerschlagen hatten, bemhte sich Gadamer aktiv um eine Stelle in der Westzone. Am 14. August erklrte er seinen Rcktritt vom Rektorat zum 1. Oktober und erhielt an diesem Tag eine Anstellung an der Universitt Frankfurt, zunchst vertretungsweise, vom 1. Juli 1948 als ordentlicher Professor, nachdem er bei der Rckkehr nach Leipzig zur Amtsbergabe aufgrund einer Denunziation verhaftet und von einem russischen Offizier verhrt, aber wieder auf freien Fu gesetzt worden war. 1949 folgte er einer Berufung an dieUniversitt Heidelbergals Nachfolger vonKarl Jaspers.[8]Rckkehr von Helmut Kuhn und Karl Lwith nach Deutschland[Bearbeiten]Gadamer begrndete 1953 mitHelmut Kuhndie Philosophische Rundschau. Im selben Jahr kehrteKarl Lwith, der 1934 wegen seiner jdischen Herkunft aus Deutschland emigriert war, durch Vermittlung Gadamers zurck und folgte einem Ruf der Universitt Heidelberg. Im Jahr 1951 wurde Gadamer Mitglied derHeidelberger Akademie der Wissenschaften. Im Jahr 1960 erfolgte die Verffentlichung von "Wahrheit und Methode", 1962 wurde Gadamer Prsident derAllgemeinen Gesellschaft fr Philosophie in Deutschland. Eine Bewerbung um das Rektorat der Universitt Heidelberg scheitert dagegen. Es folgte die Grndung derInternationalen Vereinigung zur Frderung der Hegel-Studien, deren Prsident er wurde. Im Jahr 1966 organisierte er als Prsident der Allgemeinen Gesellschaft fr Philosophie in Heidelberg einen Kongress ber Sprache.Gadamer und Jrgen Habermas[Bearbeiten]Von 1967 bis 1971 debattierten Gadamer undHabermas, bis 1977 schrieb erKleine Schriften in vier Bnden. Im Jahr 1968 wurde er in Heidelberg emeritiert, lehrte jedoch weiter. Von 1969 bis 1972 war er Prsident derHeidelberger Akademie der Wissenschaften. Im Jahr 1971 wurde er Ritter des OrdensPour le merite, erhielt den Reuchlin-Preis der Stadt Pforzheim und das GroeBundesverdienstkreuz. In den achtziger und neunziger Jahren lehrte er regelmig amIstituto Italiano per gli Studi Filosoficiin Neapel.[9]Gadamers philosophischer Ansatz:Begrnder der universalen Hermeneutik[Bearbeiten]Hans-Georg Gadamer war einer der prominentesten deutschen Philosophen des 20. Jahrhunderts. Er gilt als Begrnder einer universalenHermeneutik, die sich sowohl gegen den einseitigenMethodologismusder traditionellen Hermeneutik vonFriedrich SchleiermacherundWilhelm Diltheyals auch gegen denIdealismusGeorg Wilhelm Friedrich Hegelswendet.Fr Gadamer ist jeglichesVerstehen, gleichgltig, ob es sich um Texte, Kunst- und Bauwerke oder das Gegenber in einem Gesprch handelt, an die Sprachlichkeit desSeinsvor dem Horizont der Zeit gebunden. Dies setzt beim Interpretieren von Werken Offenheit, das Bewusstmachen der eigenenVorurteilsstruktursowie die Bereitschaft zum Gesprch bzw. zu reflexivem Auseinandersetzen voraus. Die philosophische Hermeneutik wurde von Gadamer so allgemein fundiert, dass sie auf prinzipiell alleethisch-sthetischenAspekte und Fragen des Lebens Anwendung finden kann. Er schuf eine Theorie der auf dem Denken des 19. Jahrhunderts fuenden Geisteswissenschaft, welche fr sich beansprucht, dass sie die umwlzenden Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften nicht zu scheuen braucht.Einordnung in die geisteswissenschaftlichen Strmungen[Bearbeiten]Neukantianismusund diePhnomenologie des Geistes[Bearbeiten]Zunchst gehrte Gadamer zur Umgebung des MarburgerNeukantianismusdes ausgehenden 19. Jahrhunderts, welcher berwiegend an den mathematischen Wissenschaften und ihren Methoden orientiert war und seinen Schwerpunkt auf die Erkenntnisart von Gegenstnden legte. Auch die Arbeiten vonPaul NatorpundNicolai Hartmannwaren diesem Ansatz anfnglich verpflichtet. Danach wandte er sich derPhnomenologieHusserls(1859-1938) zu, die auch seine Habilitationsschrift prgte. Zu dieser Zeit begegnete er Heidegger, von dessenExistenzphilosophieer viele Elemente bernahm. In ihr fand er nach eigenen Angaben die gesuchte Gegenkraft zuPlaton.HegelsPhnomenologie des Geisteshat ihn fasziniert.Wahrheit und Methode[Bearbeiten]Seine Positionen hat er Ende der 1950er Jahre in seinem HauptwerkWahrheit und Methodeausformuliert. Gadamer versteht die Hermeneutik nicht nur als Kunstlehre, sondern hlt Verstehen fr eine der Grundlagen des menschlichen Lebens. In der Debatte mit Habermas undKarl-Otto Apelkommt es zu einer Umakzentuierung seiner Haltung. Auch der Hauptvertreter der philosophischenDekonstruktion,Jacques Derrida,[10]kritisierte seine Hermeneutik. Etliche Zge in Gadamers Denken brachten ihm den Ruf eines liberalen Konservativen ein.[11]Sein Werk ist durchzogen von einer an Heidegger angelehnten Technologieskepsis.In seinem vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs des Neukantianismus nach demErsten Weltkriegentstandenem Werk versucht er die Frage zu beantworten, was Philosophie angesichts der Dominanz der Naturwissenschaften ausmacht.Spte Jahre[Bearbeiten]Hans-Georg Gadamer lebte bis zu seinem Tode in dem Heidelberger StadtteilZiegelhausenund fand auf dem dortigen Friedhof, auf einer Anhhe ber dem Neckartal gelegen, seine letzte Ruhesttte.[12]Hans-Georg Gadamer istEhrenbrgerder Stadt Heidelberg sowie der Stadt Neapel.[13]DieGadamer-Stiftungsprofessur[Bearbeiten]DieGadamer-Stiftungsprofessurist eine nach Hans-Georg Gadamer benannte Stiftungsprofessur an derRuprecht-Karls-Universitt Heidelberg. Sie wurde 2001 am Philosophischen Seminar der Universitt Heidelberg eingerichtet mit dem Ziel der Auseinandersetzung bedeutender internationaler Geisteswissenschaftler mit derHermeneutik. Die Gadamer-Professur wurde vom Stiftungsfonds Deutsche Bank, dem Ministerium fr Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Wrttemberg, der Universitt Heidelberg sowie dem Fonds der Ehrenbrger der Universitt Heidelberg untersttzt. Bisherige Preistrger warenKarl Heinz Bohrer,Peter Burke,Jan Assmann,Horst Bredekamp,Wolfram HogrebeundEberhard Jngel. Seit 2007 sind die Mittel des Fonds ausgeschpft, weitere Professuren wurden nicht vergeben.[14]