8
1 nummer 153 dezember 2016 Im Frühjahr 1901 entdeckte Heinrich Hansja- kob im Holzschopf des Haslacher Bäcker- meisters Max Haas die Backmulde sei- nes Urgroßvaters Tobias Hansjakob (1730–1808). Auf der Mulde aus Buchenholz stand eingeschnitzt „Tobias Hansjakob 1755“. Hansjakob erwarb die Back- mulde und ließ sie nach Frei- burg schicken. Dort beauftragte er den Bildhauer Josef Dettlinger (1865–1938), aus der Backmulde eine Madonna zu fertigen. Dett- linger schnitt die Mulde in Strei- fen und leimte sie zu einem Klotz zusammen, aus dem er eine spät- gotische Madonna schuf. Die Freiburger Maler Otto und Franz Endres mussten die Madonna farblich fassen. 1 1902 stellte sie Hansjakob in seinem „Dichter- heim“ in der Kartaus in Freiburg auf und verfügte, dass sie später in seiner Grabkapelle in Hofstetten ihren Platz finden sollte. 1913 än- derte er diesen Plan: Die Madon- na kam in die Hauskapelle seines Alterssitzes „Freihof“, wo sie sich heute noch befindet. Wie die Hausiererkiste sei- nes Großvaters mütterlicherseits Franz Xaver Kaltenbach (1776–1834) in seinem Erzählband „Erinnerungen einer Schwarzwäl- derin“ 2 , so benutzt Heinrich Hansjakob die spätgotische Madonna als literarisches Medi- um und lässt sie erzählen. Ihre Erzählungen finden wir in dem Buch „Meine Madonna“, das vor 113 Jahren im Jahre 1903 erschien und von dem österreichischen Maler Hugo Engl illustriert wurde. Und die Backmulden- Madonna erzählt die Geschichte seiner männlichen Vorfahren, der großen Familie Hansjakob, vom 17. Jahrhundert an, als der erste Hansjakob, der Schreiner Matthias Hansjakob, in Ober- kirch auftauchte und um 1630 in Gengenbach als Blumenwirt durch sein loses Mundwerk be- kannt wurde. Sein Sohn, der Schwarzfärber Johannes Hansjakob, kam 1667 nach Haslach. 3 Ausführlich wird das Leben und Wirken von Hein- rich Hansjakobs Urgroßvater, des Bäckers Tobias Hansjakob, genannt Toweis, beschrieben. 4 Hansjakob hatte offensichtlich die Akten und Protokollbücher im Stadtarchiv Haslach genau studiert; denn es entsteht ein aus- führliches Kultur- und Sittenge- mälde von Haslach im 18. Jahr- hundert. Wir erfahren vom Zunftwesen der Stadt, von ihrer Verwaltung, von ihren Gebräu- chen, Verordnungen und Stra- fen, von den vielfältigen Steuern und Abgaben, vom Bergbau und den verschiedenen Gewerben und von den drei Revolten, welche die Haslacher Bürger gegen die fürstenbergische Standesherrschaft vom Zaune brachen. 5 Tobias Hansjakob bekleidete in Haslach hohe städtische Ämter, war Ratsherr und Stadtbaumeister. 6 Für seine Backstube er- Hansjakobs Familienchronik »Meine Madonna« neu herausgegeben in der reihe »kleine hansjakob-edition« Heinrich-Hansjakob-Brief 153.indd 1 23.11.2016 21:04:04

Hansjakobs Familienchronik »Meine Madonna«€¦ · „Meine Madonna“ ist aber auch ein Buch des Antisemitismus, den Anfang des 20. Jahr hunderts viele katholische und evangelische

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

1

nummer 153 dezember 2016

Im Frühjahr 1901 entdeckte Heinrich Hansja­kob im Holzschopf des Haslacher Bäcker­meisters Max Haas die Backmulde sei­nes Urgroßvaters Tobias Hansjakob (1730–1808). Auf der Mulde aus Buchenholz stand eingeschnitzt „Tobias Hansjakob 1755“.

Hansjakob erwarb die Back­mulde und ließ sie nach Frei­burg schicken. Dort beauftragte er den Bildhauer Josef Dettlinger (1865–1938), aus der Backmulde eine Madonna zu fertigen. Dett­linger schnitt die Mulde in Strei­fen und leimte sie zu einem Klotz zusammen, aus dem er eine spät­gotische Madonna schuf. Die Freiburger Maler Otto und Franz Endres mussten die Madonna farblich fassen. 1 1902 stellte sie Hansjakob in seinem „Dichter­heim“ in der Kartaus in Freiburg auf und verfügte, dass sie später in seiner Grabkapelle in Hofstetten ihren Platz fi nden sollte. 1913 än­derte er diesen Plan: Die Madon­na kam in die Hauskapelle seines Alterssitzes „Freihof“, wo sie sich heute noch befi ndet.

Wie die Hausiererkiste sei­nes Großvaters mütterlicherseits Franz Xaver Kaltenbach (1776–1834) in seinem Erzählband „Erinnerungen einer Schwarzwäl­derin“ 2, so benutzt Heinrich Hansjakob die spätgotische Madonna als literarisches Medi­um und lässt sie erzählen. Ihre Erzählungen fi nden wir in dem Buch „Meine Madonna“, das vor 113 Jahren im Jahre 1903 erschien und

von dem österreichischen Maler Hugo Engl illustriert wurde. Und die Backmulden­

Madonna erzählt die Geschichte seiner männlichen Vorfahren, der großen Familie Hansjakob, vom 17. Jahrhundert an, als der erste Hansjakob, der Schreiner Matthias Hansjakob, in Ober­kirch auftauchte und um 1630 in Gengenbach als Blumenwirt durch sein loses Mundwerk be­kannt wurde.

Sein Sohn, der Schwarzfärber Johannes Hansjakob, kam 1667 nach Haslach. 3 Ausführlich wird das Leben und Wirken von Hein­rich Hansjakobs Urgroßvater, des Bäckers Tobias Hansjakob, genannt Toweis, beschrieben. 4 Hansjakob hatte off ensichtlich die Akten und Protokollbücher im Stadtarchiv Haslach genau studiert; denn es entsteht ein aus­führliches Kultur­ und Sittenge­mälde von Haslach im 18.  Jahr­hundert. Wir erfahren vom Zunftwesen der Stadt, von ihrer Verwaltung, von ihren Gebräu­chen, Verordnungen und Stra­fen, von den vielfältigen Steuern und Abgaben, vom Bergbau und

den verschiedenen Gewerben und von den drei Revolten, welche die Haslacher Bürger gegen die fürstenbergische Standesherrschaft vom Zaune brachen. 5

Tobias Hansjakob bekleidete in Haslach hohe städtische Ämter, war Ratsherr und Stadtbaumeister. 6 Für seine Backstube er­

Hansjakobs Familienchronik »Meine Madonna«neu herausgegeben in der re ihe »kle ine hansjakob­edit ion«

Im Frühjahr 1901 entdeckte Heinrich Hansja­kob im Holzschopf des Haslacher Bäcker­meisters Max Haas die Backmulde sei­nes Urgroßvaters Tobias Hansjakob (1730–1808). Auf der Mulde aus Buchenholz stand eingeschnitzt

Hansjakob erwarb die Back­mulde und ließ sie nach Frei­burg schicken. Dort beauftragte er den Bildhauer Josef Dettlinger (1865–1938), aus der Backmulde eine Madonna zu fertigen. Dett­linger schnitt die Mulde in Strei­fen und leimte sie zu einem Klotz zusammen, aus dem er eine spät­gotische Madonna schuf. Die Freiburger Maler Otto und Franz Endres mussten die Madonna

1902 stellte sie Hansjakob in seinem „Dichter­heim“ in der Kartaus in Freiburg auf und verfügte, dass sie später in seiner Grabkapelle in Hofstetten ihren Platz fi nden sollte. 1913 än­derte er diesen Plan: Die Madon­na kam in die Hauskapelle seines Alterssitzes „Freihof“, wo sie sich

Wie die Hausiererkiste sei­nes Großvaters mütterlicherseits

von dem österreichischen Maler Hugo Engl illustriert wurde. Und die Backmulden­

Madonna erzählt die Geschichte seiner männlichen Vorfahren, der großen Familie Hansjakob, vom 17. Jahrhundert an, als der erste Hansjakob, der Schreiner Matthias Hansjakob, in Ober­kirch auftauchte und um 1630 in Gengenbach als Blumenwirt durch sein loses Mundwerk be­kannt wurde.

Johannes Hansjakob, kam 1667 nach Haslach. das Leben und Wirken von Hein­rich Hansjakobs Urgroßvater, des Bäckers Tobias Hansjakob, genannt Toweis, beschrieben. Hansjakob hatte off ensichtlich die Akten und Protokollbücher im Stadtarchiv Haslach genau studiert; denn es entsteht ein aus­führliches Kultur­ und Sittenge­mälde von Haslach im 18.  Jahr­hundert. Wir erfahren vom Zunftwesen der Stadt, von ihrer Verwaltung, von ihren Gebräu­chen, Verordnungen und Stra­fen, von den vielfältigen Steuern und Abgaben, vom Bergbau und

Heinrich-Hansjakob-Brief 153.indd 1 23.11.2016 21:04:04

2

warb er das Recht des Schnapsausschankes. 7 Und so wurde sie zum Treff punkt der Kin­zigtäler Bauern, aber auch eine willkommene Zufl uchtstätte für alle Nörgler, Raunzer und Unzufriedenen. In den neunziger Jahren des 18. Jahrhundert hielten sich in der Backstube von Heinrich Hansjakob Urgroßvater auch Revolutionäre aus Frankreich auf, welche die Ideen der französischen Revolution verbrei­teten.

So manche historische Persönlichkeit Has­lachs wird in dem Buch ausführlich charak­terisiert, so beispielsweise Franz Joachim von Kleyle (1775–1854), der Hofkriegssekretär des österreichischen Erzherzogs Karl sowie sei­ne Tochter Sophie, verehelichte Löwenthal (1810–1889), die Geliebte des Dichters Niko­laus Lenau (1802–1850) 8, oder Tobias Hans­jakobs dritter Sohn, Josef Alois Hansjakob (1759–1832), der katholischer Priester wurde und Pfarrer in Wolfach war. 9

„Meine Madonna“ ist aber auch ein Buch des Antisemitismus, den Anfang des 20. Jahr­hunderts viele katholische und evangelische Th eologen propagierten. Heinrich Hansjakob zieht über die jüdischen Händler her, die im 18. Jahrhundert das Kinzigtal bevölkerten.

anmerkungen1 Heinrich Hansjakob, Meine Madonna, Stutt­

gart 1903, S. 2 ff .2 Heinrich Hansjakob, Erinnerungen einer alten

Schwarzwälderin, Stuttgart 1898.3 Hansjakob, Meine Madonna, a. a. O., S. 31.4 Ebenda, S. 51 ff .5 Ebenda, S. 79 ff .6 Ebenda, S. 305 ff ., 334 ff .7 Ebenda, S. 161 ff .8 Ebenda, S. 321 ff .9 Ebenda, S. 372 f.10 Ebenda, S. 194.11 Ebenda, S. 196. Vgl. auch das Kapitel „Der

Antisemit“, in: Manfred Hildenbrand, Heinrich Hansjakob – Rebell im Priesterrock, 5. Aufl age, Haslach 2012, S. 180 ff .

Hansjakob – Meine Madonna. Eine Familienchronik. Mit Illustrationen von Hugo Engl.Hrsg. von Man­fred Hildenbrand und Peter Schäfer. Kleine Hansjakob­Edition Band 9. Freiburg i. Br. 2016. 271 S. isbn 978­3­946254­09­6. eur 19,50.

Bei schönstem Spätsommerwetter fand die 18. literarische Hansjakob­Wanderwoche vom 3.  bis 9. September im Gastlichen Kinzigtal statt. Eine große Schar von Wanderern aus fast allen Bundesländern besuchte wieder bekannte Orte aus den Erzählungen Heinrich Hansja­kobs.

Den Auftakt machte am Samstag ein Be­such mit anschließendem Empfang der Stadt Haslach in Hansjakobs Alterssitz, dem „Frei­hof“, wo Martin Schwendemann als Wilhelm Engelberg, ein Freund Hansjakobs, durch des­sen Haus und heutiges Museum führte. Nach einem Rundgang durch Hansjakobs Kinder­himmel mit Alois Krafczyk, führte Martin Lietzau die Wanderer am Sonntag nach Hof­stetten. Dort besuchte man die Begräbniska­pelle von Heinrich Hansjakob.

In das Reich der Bauernfürsten und Tag­löhner führte am Montag Alois Krafczyk in die sagenumwobene Karfunkelstadt, auf den Barberast und über den Dierlisberg in die Hei­mat von ,,Martin dem Knecht‘‘ sowie über das geheimnisvolle Felsengebilde des Katzensteins hinunter nach Unterentersbach.

Zur Kniesteinkapelle in Schweighausen mit Aufstieg zum Hünersedel und seinem Turm mit herrlichem Ausblick gings am Dienstag mit Wanderführer Martin Lietzau entlang alter Grenzlinien zu den Höhenhäuser und in das Welschensteinacher Tal.

Hansjakob-Wanderwoche 2016martin l ietzau hat wanderstab von alois krafczyk übernommen

Links: Auftakt zur 18. Hansjakob-Wanderwoche vor dem „Freihof« in Haslach mit Bewirtung durch die Hasla-cher Bürgerinnen. Rechts: Wandergruppe mit Martin Lietzau (2.v.l.) auf dem Dierlisberg. Fotos: Alois Krafczyk

Wir lesen hier wörtlich von „der Ausrottung der Juden“ 10, wobei Hansjakob natürlich nicht die Ermordung der Juden vertrat, wie sie Hitler durchführte. Er meinte mit diesem bösen Wort die völlige Vertreibung der Ju­den aus dem Fürstentum Fürstenberg. „All diese Verordnungen (zur Vertreibung der Juden) wären auch in unseren Tagen mehr denn je am Platz …“, meint Heinrich Hans­jakob in seinem Buch „Meine Madonna“ im Jahre 1903. 11 Manfred Hildenbrand

Zur Neuherausgabe In diesem Jahr wurde des 100. Todestages von Heinrich Hansjakob gedacht, der am 23. Juni 1916 in seinem geliebten Alterssitz, dem „Frei-hof“ in Haslach, verstorben ist. Neben den aus-führlichen Würdigungen, die insbesondere in der lokalen badischen Presse publiziert worden sind, fanden auch zahlreiche Gedenkveranstaltungen an den ehemaligen Lebens- und Wirkungsstätten Heinrich Hansjakobs statt.

Zum Abschluss des Gedenkjahres gibt die Heinrich-Hansjakob-Gesellschaft als neunten Band in der Reihe „Kleine Hansjakob-Edition“ das schon lange vergriff ene Buch „Meine Ma-donna“ neu heraus. Diese Familienchronik er-zählt die Geschichte von Heinrich Hansjakobs männlichen Vorfahren ab dem 17. Jahrhundert. Ausführlich wird das Leben und Wirken seines Urgroßvaters, des Bäckers Tobias Hansjakob, ge-nannt Toweis, beschrieben. Mit über 300 Anmer-kungen wird der Text erläutert und für den heu-tigen Leser verständlich gemacht. Die Textfassung

entspricht der Volksausgabe von 1907, welche Heinrich Hansjakob selber letztmals durchgese-hen hat. Beigegeben wurden die Illustrationen von Hugo Engl, welche schon in der ersten bis fünften Aufl age enthalten sind.

Unsere Mitglieder erhalten dieses Buch wieder als kostenlose Jahresgabe. Peter Schäfer

Heinrich-Hansjakob-Brief 153.indd 2 23.11.2016 21:04:04

3

anmerkungen1 Heinrich Hansjakob, Meine Madonna, Stutt­

gart 1903, S. 2 ff.2 Heinrich Hansjakob, Erinnerungen einer alten

Schwarzwälderin, Stuttgart 1898.3 Hansjakob, Meine Madonna, a. a. O., S. 31.4 Ebenda, S. 51 ff.5 Ebenda, S. 79 ff.6 Ebenda, S. 305 ff., 334 ff.7 Ebenda, S. 161 ff.8 Ebenda, S. 321 ff.9 Ebenda, S. 372 f.10 Ebenda, S. 194.11 Ebenda, S. 196. Vgl. auch das Kapitel „Der

Antisemit“, in: Manfred Hildenbrand, Heinrich Hansjakob – Rebell im Priesterrock, 5. Auflage, Haslach 2012, S. 180 ff.

Hansjakob – Meine Madonna. Eine Familienchronik. Mit Illustrationen von Hugo Engl.Hrsg. von Man­fred Hildenbrand und Peter Schäfer. Kleine Hansjakob­Edition Band 9. Freiburg i. Br. 2016. 271 S. isbn 978­3­946254­09­6. eur 19,50.

Bei schönstem Spätsommerwetter fand die 18. literarische Hansjakob­Wanderwoche vom 3.  bis 9. September im Gastlichen Kinzigtal statt. Eine große Schar von Wanderern aus fast allen Bundesländern besuchte wieder bekannte Orte aus den Erzählungen Heinrich Hansja­kobs.

Den Auftakt machte am Samstag ein Be­such mit anschließendem Empfang der Stadt Haslach in Hansjakobs Alterssitz, dem „Frei­hof“, wo Martin Schwendemann als Wilhelm Engelberg, ein Freund Hansjakobs, durch des­sen Haus und heutiges Museum führte. Nach einem Rundgang durch Hansjakobs Kinder­himmel mit Alois Krafczyk, führte Martin Lietzau die Wanderer am Sonntag nach Hof­stetten. Dort besuchte man die Begräbniska­pelle von Heinrich Hansjakob.

In das Reich der Bauernfürsten und Tag­löhner führte am Montag Alois Krafczyk in die sagenumwobene Karfunkelstadt, auf den Barberast und über den Dierlisberg in die Hei­mat von ,,Martin dem Knecht‘‘ sowie über das geheimnisvolle Felsengebilde des Katzensteins hinunter nach Unterentersbach.

Zur Kniesteinkapelle in Schweighausen mit Aufstieg zum Hünersedel und seinem Turm mit herrlichem Ausblick gings am Dienstag mit Wanderführer Martin Lietzau entlang alter Grenzlinien zu den Höhenhäuser und in das Welschensteinacher Tal.

Hansjakob-Wanderwoche 2016martin l ietzau hat wanderstab von alois krafczyk übernommen

Mit der Fahrt am Mittwoch in den Schwarz­wald, beschrieben in den ,,Dürren Blättern‘‘, zu Hansjakobs Pfarrkirche St. Martin in Frei­burg und dem Besuch der ehemaligen Bene­diktinerabtei in St. Peter, ging es mit dem Bus der Firma Messmer aus Mühlenbach zur größten Kuppelkirche nördlich der Alpen, dem ,,weißen Dom“ in St. Blasien. Nach einer in­teressanten Besichtigung des Domes und einer aussichtsreichen Fahrt vorbei an Titisee und Schluchsee, durch Furtwangen und Triberg den Schwarzwald hinunter, fand ein langer Tag sein schönes Ende.

Bedingt durch eine Straßensperrung muss­te die Wanderung am Donnerstag zum ,,Vogt auf den Mühlestein‘‘ kurzfristig anders ge­führt werden als vorgesehen. Nach einer aus­führlichen Stärkung und der bitter­schönen Geschichte von Hans und der Magdalene, dem unglücklichen Liebespaar, sowie einem schönen Abstieg nach Zell a. H., besuchte man noch das Grab der Magdalene.

Der letzte Tag der Wanderwoche verlangte nochmals alle Kräfte, denn der Weg führte auf den König der Schwarzwaldberge, den Bran­denkopf. Der Abstieg über den Ballen in den Andersbach mit Einkehr in der Waldstein­schänke brachte Erfrischung. Über den Hin­teren und Vorderen Butzenberg und vorbei an den Turmhöfen fand eine erlebnisreiche Wan­derwoche ihren Abschluss. Martin Lietzau

Links: Auftakt zur 18. Hansjakob-Wanderwoche vor dem „Freihof« in Haslach mit Bewirtung durch die Hasla-cher Bürgerinnen. Rechts: Wandergruppe mit Martin Lietzau (2.v.l.) auf dem Dierlisberg. Fotos: Alois Krafczyk

Wir lesen hier wörtlich von „der Ausrottung der Juden“ 10, wobei Hansjakob natürlich nicht die Ermordung der Juden vertrat, wie sie Hitler durchführte. Er meinte mit diesem bösen Wort die völlige Vertreibung der Ju­den aus dem Fürstentum Fürstenberg. „All diese Verordnungen (zur Vertreibung der Juden) wären auch in unseren Tagen mehr denn je am Platz …“, meint Heinrich Hans­jakob in seinem Buch „Meine Madonna“ im Jahre 1903. 11 Manfred Hildenbrand

entspricht der Volksausgabe von 1907, welche Heinrich Hansjakob selber letztmals durchgese-hen hat. Beigegeben wurden die Illustrationen von Hugo Engl, welche schon in der ersten bis fünften Auflage enthalten sind.

Unsere Mitglieder erhalten dieses Buch wieder als kostenlose Jahresgabe. Peter Schäfer

Heinrich-Hansjakob-Brief 153.indd 3 23.11.2016 21:04:04

4

verwaist. Erst unter dem katholischen Grafen Friedrich Rudolf von Fürstenberg kehrten die zerstreut lebenden Nonnen wieder nach Wit­tichen zurück.

Ein wunderbares Ereignis, das bei der Er­hebung der Gebeine der seligen Luitgard sich ereignet hatte war, dass in Anwesenheit katho­lischer und nicht katholischer Ärzte das unver­west gebliebene Gehirn der Klostergründerin und das nach über 280 Jahren geborgen wer­den konnte. Und dieses Wunder bewirkte ein erneutes Aufblühen der darnieder liegenden Wallfahrt. Noch zwei weitere Brände im Klos­ter zerstören wiederholt Teile der Anlage und mit dem Tod der letzten Klosterfrau M. An­tonia Schmid vom Roßberger Hof begann 1855 – 1857 der Abriß der Klosterbauten mit Ausnahme der Kirche und des Langen Baues, um so die hohen Kosten der Instandhaltung so niedrig wie möglich zu halten. Im Jahre 1979 überträgt das Fürstenhaus in Donaueschingen den Langen Bau der Pfarrgemeinde.

Gleich zweimal besuchte Heinrich Hans­jakob während Aufenthalten in Hofstetten diesen stillen Ort, so an einem Maientag des Jahres 1890, worüber er in seinem Buch „Waldleute“ berichtete und dann erneut im September 1896, also vor 120 Jahren, wo er in „Abendläuten“ schreibt:

„In Schenkenzell stieg ich aus und trank bei der Ochsenwirtin einen Wein, der gar nicht schön, aber dafür umso besser und echter war. Die Ochsenwirtin gehört noch zu jenen

Das ehemalige Kloster Wittichenheinrich hansjakob besuchte wiederholt diesen heil igen ort

„Im Schwarzwald liegt in tiefem Frieden, ein Heilig Grab, dem Volk vertraut, es ruhet dort vom Kampf hienieden, Luitgard die reine Gottesbraut …“. So stimmt das gläubige Volk alljährlich dann gemeinsam an, wenn im Wit­ticher Tal der großen Frau gedacht wird, die zu der seligen Schar zählt. Doch nicht nur im Oktober, wo am Todestag der Seligen Ordens­frau besonders gedacht wird, ziehen die Pilger zu ihrem Grab, auch das ganze Jahr hindurch wird ihre letzte Ruhestätte aufgesucht in der Hoffnung, ihre Hilfe und ihren Beistand zu erfahren.

Wer kennt das Tal der „Kleinen Kinzig“? Wer war schon mal unterwegs in Wittichen und im Kaltbrunner Tälchen? Wer hat schon gehört von der Seligen Luitgard von Wittich­en? Weit abseits der Hektik des Alltages, liegt in einem kleinen engen Seitental die Kirche des ehemaligen Klarissenklosters von Wittich­en und nur Kirche und Langer Bau sind heute noch die sichtbaren Reste einer einst mäch­tigen Klosteranlage. Das allermeiste an ein­

stiger Bausubstanz fiel der Zeit der Aufklärung, der Zeit des klösterlichen Niedergangs im beginnenden 19. Jahrhundert zum Opfer. Ein Besuch von Wittichen allerdings ist auch heute noch ein Erlebnis, auch für Geist und Seele.

Wer mit dem Wagen unterwegs ist und bei Schenkenzell das Tal der Kinzig verlässt, der kommt auf vielen Windungen entlang der Kleinen Kinzig in das Vordertal, dort wo in

unmittelbarer Nähe an der Stelle, wo einst die Burg Wittichenstein das Tal beherrscht hatte, sich zwei Täler auftun, das eine zum Kloster Wittichen, das andere in den Kaltbrunn, der einstigen Heimat des Andreas Harter, des in Heinrich Hansjakobs Buch „Erzbauern“ le­bendig beschriebenem „Bauernfürsten“. Dort im Vordertal soll um das Jahr 1290 die Luit­gard das Licht der Welt erblickt haben, sie, die später, so ist überliefert, fast zwanzig Jahre in einem „Schwester­Hauß“ des dritten Ordens vom Heiligen Franziskus in Oberwolfach ge­lebt hatte.

An einem Christi Himmelfahrtstag soll sie eine Stimme vernommen haben, die ihr sagte „Du sollst mir ein Haus bauen und sollst zu dir nehmen vier und dreysigg Schwestern, in Gedächtnuß, dass ich 34 Jahre auf Erden gewe­sen“. Damit gemeint war auch das Jahr im Leib der Mutter Jesu. Und sie erfährt auch genau, wo sie das Kloster bauen soll und machte sich auf den Weg gen Wolfach und gen Schiltach, in die Nähe ihres Elternhauses. So fand sie schließlich den Ort, in engem Tal und an einem Wildfluß, den der Herr ihr gezeigt hatte. Im Jahre 1325, am Lukastag (18.10.) soll die Stifte­rin in feierlicher Prozession mit 34 Schwestern in das neue Kloster gezogen sein, für welches sie zuvor zahlreiche Bettelgänge unternommen hatte, so auch nach dem schweizerischen Kö­nigsfelden, wo sich Königin Agnes von Ungarn aufgehalten hatte. Bereits zwei Jahre später war das Kloster durch eine Brandkatastrophe zer­stört und danach wieder aufgebaut worden. Als im Jahre 1330 das Kloster wieder aufgebaut und geweiht wurde, da war der Konvent auf siebzig Nonnen angewachsen. Im Jahre 1347 wird am Gallustag, dem 16. Oktober, der Tod der Klo­sterstifterin gemeldet und seitdem wird dieser Tag als ihr Sterbedatum festgehalten. Bald da­nach wird schon von Wundern berichtet, die der Seligen Luitgard zugeschrieben werden.

Von nun an erlebte das Klarissinenkloster zu Wittichen ein Auf und Ab, kam schließlich von den Geroldseckern an die Fürstenberger und war zur Zeit des „Wilden Grafen“, wie Wilhelm von Fürstenberg genannt wurde, fast

Klosterkirche und Langer Bau des Klosters Wittichen.

Links: Grabesstätte der Seligen Luitgard, auf der linken Seite an der Wand das Kopfreliquiar. Rechts: In Stein gemeißelt – Die Darstellung der Seligen Luitgard ziert ihre Grabesstätte. Fotos: Alois Krafczyk

Heinrich-Hansjakob-Brief 153.indd 4 23.11.2016 21:04:04

5

verwaist. Erst unter dem katholischen Grafen Friedrich Rudolf von Fürstenberg kehrten die zerstreut lebenden Nonnen wieder nach Wit­tichen zurück.

Ein wunderbares Ereignis, das bei der Er­hebung der Gebeine der seligen Luitgard sich ereignet hatte war, dass in Anwesenheit katho­lischer und nicht katholischer Ärzte das unver­west gebliebene Gehirn der Klostergründerin und das nach über 280 Jahren geborgen wer­den konnte. Und dieses Wunder bewirkte ein erneutes Aufblühen der darnieder liegenden Wallfahrt. Noch zwei weitere Brände im Klos­ter zerstören wiederholt Teile der Anlage und mit dem Tod der letzten Klosterfrau M. An­tonia Schmid vom Roßberger Hof begann 1855 – 1857 der Abriß der Klosterbauten mit Ausnahme der Kirche und des Langen Baues, um so die hohen Kosten der Instandhaltung so niedrig wie möglich zu halten. Im Jahre 1979 überträgt das Fürstenhaus in Donaueschingen den Langen Bau der Pfarrgemeinde.

Gleich zweimal besuchte Heinrich Hans­jakob während Aufenthalten in Hofstetten diesen stillen Ort, so an einem Maientag des Jahres 1890, worüber er in seinem Buch „Waldleute“ berichtete und dann erneut im September 1896, also vor 120 Jahren, wo er in „Abendläuten“ schreibt:

„In Schenkenzell stieg ich aus und trank bei der Ochsenwirtin einen Wein, der gar nicht schön, aber dafür umso besser und echter war. Die Ochsenwirtin gehört noch zu jenen

ziehmlich seltenen Wirts­leuten im Kinzigtal, die im Herbst ins Weinland fahren, hinab ins untere Kinzigtal, und den Trau­bensaft vom Stock wegho­len. Ihr Sohn führte mich alsdann das enge Waldtäl­chen hinauf gen Wittich­en, dessen wunderbare Klostereinsamkeit mich vor sechs Jahren schon so angezogen hatte. Ich fand das alte Klosterkirchlein schön restauriert und be­malt; aber das Bergwas­ser, welches von Südosten

her in die Kirchenmauern sickert, lief an den Wänden herunter und wird bald alle und jede Malerei zerstört haben. Am Grab der heiligen Luitgard, der einzigen bekannten Heiligen, welches das Kinzigtal hervorgebracht hat, be­tete ich einige Augenblicke. Die Landleute von Wittichen glauben, daß die heilige Beguine, von der ich in dem Buch ‚Waldleute‘ erzählt habe, durch ihre Fürbitte besonders helfen könne gegen Kopfleiden. Und da mein Kopf oft auch nicht in Ordnung ist, bat ich sie um Ruhe für meinen unruhigen Geist und um jene Klugheit und Überlegung, die den schwä­bischen Priestern eigen ist, mir aber gänzlich abgeht. Ich wollte den Pfarrer besuchen, der im ehemaligen Kloster in zerfallenen Räumen wohnt; aber er war schon über den Berg ge­gangen, hinüber ins Schapbacher Tal. Wenn ich die Klosterwälder Wittichens so billig be­kommen hätte wie das Haus Fürstenberg bei der Aufhebung des altehrwürdigen Frauen­stifts, dann dürfte der Pfarrer von Wittichen nicht in einer so trostlosen Ruine wohnen. Ich ließ mich nun noch in das Kaltbrunner Thal fahren, um das Grab des Erzbauern Andreas Harter zu besuchen. Bei der Rückkehr aber zeigten die langen Schatten an den Berghalden hin, daß Frau Sonne doch noch wußte, was sie um diese Jahreszeit zu thun habe, nämlich früh zu Bett zu gehen. In Hasle läutete es eben Betzeit, da ich mit Jörg, dem Gerechten, der mich am Bahnhof abgeholt, hinter dem Städtle durchfuhr dem Paradies zu“. Alois Krafczyk

Das ehemalige Kloster Wittichenheinrich hansjakob besuchte wiederholt diesen heil igen ort

unmittelbarer Nähe an der Stelle, wo einst die Burg Wittichenstein das Tal beherrscht hatte, sich zwei Täler auftun, das eine zum Kloster Wittichen, das andere in den Kaltbrunn, der einstigen Heimat des Andreas Harter, des in Heinrich Hansjakobs Buch „Erzbauern“ le­bendig beschriebenem „Bauernfürsten“. Dort im Vordertal soll um das Jahr 1290 die Luit­gard das Licht der Welt erblickt haben, sie, die später, so ist überliefert, fast zwanzig Jahre in einem „Schwester­Hauß“ des dritten Ordens vom Heiligen Franziskus in Oberwolfach ge­lebt hatte.

An einem Christi Himmelfahrtstag soll sie eine Stimme vernommen haben, die ihr sagte „Du sollst mir ein Haus bauen und sollst zu dir nehmen vier und dreysigg Schwestern, in Gedächtnuß, dass ich 34 Jahre auf Erden gewe­sen“. Damit gemeint war auch das Jahr im Leib der Mutter Jesu. Und sie erfährt auch genau, wo sie das Kloster bauen soll und machte sich auf den Weg gen Wolfach und gen Schiltach, in die Nähe ihres Elternhauses. So fand sie schließlich den Ort, in engem Tal und an einem Wildfluß, den der Herr ihr gezeigt hatte. Im Jahre 1325, am Lukastag (18.10.) soll die Stifte­rin in feierlicher Prozession mit 34 Schwestern in das neue Kloster gezogen sein, für welches sie zuvor zahlreiche Bettelgänge unternommen hatte, so auch nach dem schweizerischen Kö­nigsfelden, wo sich Königin Agnes von Ungarn aufgehalten hatte. Bereits zwei Jahre später war das Kloster durch eine Brandkatastrophe zer­stört und danach wieder aufgebaut worden. Als im Jahre 1330 das Kloster wieder aufgebaut und geweiht wurde, da war der Konvent auf siebzig Nonnen angewachsen. Im Jahre 1347 wird am Gallustag, dem 16. Oktober, der Tod der Klo­sterstifterin gemeldet und seitdem wird dieser Tag als ihr Sterbedatum festgehalten. Bald da­nach wird schon von Wundern berichtet, die der Seligen Luitgard zugeschrieben werden.

Von nun an erlebte das Klarissinenkloster zu Wittichen ein Auf und Ab, kam schließlich von den Geroldseckern an die Fürstenberger und war zur Zeit des „Wilden Grafen“, wie Wilhelm von Fürstenberg genannt wurde, fast

Links: Grabesstätte der Seligen Luitgard, auf der linken Seite an der Wand das Kopfreliquiar. Rechts: In Stein gemeißelt – Die Darstellung der Seligen Luitgard ziert ihre Grabesstätte. Fotos: Alois Krafczyk

Heinrich-Hansjakob-Brief 153.indd 5 23.11.2016 21:04:04

6

chenblut“, aber umso besser munde er dem wackeren, furchtlosen Zecher, der ihn trotz­dem trinke. Allmählich verwandle sich der herbe Seewein dann in die Milde der „Lieb­frauenmilch“. Ohne berauscht zu werden, könne man Unmengen von dem herben Hag­nauer Wein vertilgen.

Als Hansjakob 1884 Pfarrer von St. Martin in Freiburg wurde, lernte er einen anderen Wein schätzen, der fortan sein Lieblingswein wurde: den Markgräfler Wein. Seine zahlreichen Gä­ste im Pfarrhaus von St. Martin wurden stets mit einem alten Markgräfler bewirtet.

Hansjakob litt zeit seines Lebens unter ner­vösen Störungen, unter Schlaflosigkeit, unter Schwermut, Depressionen, die bis zu Selbst­mordgedanken reichten. Bekanntlich ging er deshalb 1894 für drei Monate freiwillig in die Nervenheilanstalt Illenau bei Achern, um sich dort von seinen Zwangsvorstellungen und „Nerventeufeleien“, wie er seine psychischen Probleme nannte, kurieren zu lassen. Jedoch die Therapie in der Illenau brachte keine Hei­lung, nicht einmal Linderung seiner psychi­schen Leiden. 4

Immer häufiger benutzte er den Wein nun als „Seelentröster“. Der Markgräfler als „See­lentröster“ war für Hansjakob bis zu seinem Lebensende wichtig. 1901 bekannte er in sei­nem Buch „Stille Stunden“: „Wenn ich von Zwangsvorstellungen geplagt und gepeinigt werde, mittags zwei Gläser alten Markgräfler trinke, so bin ich bald für kurze Zeit absolut

Ein guter Tropfen gegen die »Nerventeufeleien«heinrich hansjak0b als l iebhaber des weins

Heinrich Hansjakobs Lieblingsgetränk war ein guter Wein. Er hat den Wein erst schätzen ge­lernt, als er Pfarrer in Hagnau am Bodensee wurde. In seinem Alterssitz „Freihof“ ließ er ei­

nen großen gewölbten Weinkeller einbauen, in dem er einige gefüllte Weinfässer aufbewahrte.

In seiner Jugendzeit, vor allem als Schüler am Lyceum in Rastatt und als Student an der Universität Freiburg trank Heinrich Hansja­kob nur Bier – und das in riesigen Mengen. In seinen Erinnerungen „Aus meiner Studienzeit“ bekennt er, daß er als Mitglied einer Schüler­verbindung in Rastatt oft täglich 18 Schoppen, das heißt 18 halbe Liter Bier getrunken habe. 1

Ab und zu erwähnt er in seinen Jugend­erinnerungen „Aus meiner Jugendzeit“ den Herrenberger, den Hauswein der Haslacher 2, der an den Hängen des Herrenbergs wuchs. Er war aber nach Hansjakob ein ziemlich sau­reres Gewächs, das einem die Gedärme zusam­menzog.

Das Biertrinken gab Hansjakob endgültig auf, als er 1869 Pfarrer von Hagnau am Boden­see wurde. Die Bewohner dieses idyllischen Dorfes waren fast alle Winzer. Zu Hansjakobs Pfründe gehörte ein Weinberg, der direkt hin­ter dem Pfarrhaus begann. Als Pfarrer von Hag nau musste er ihn kultivieren und den

daraus gewonnenen Wein verkaufen; denn der Erlös des Weinverkaufs gehörte zu seinen Ein­nahmen als Pfarrer. 3

Während der Lesezeit der Trauben ver­brachte er Tag für Tag bei den Hagnauer Winzern, ging von Torkel zu Torkel, kelterte mit seinen Hagnauern die Trauben und ver­kaufte seinen eigenen Wein nach Gelegenheit an die gerissenen schwäbischen Weinhändler. Weil er es nicht mehr mit ansehen konnte, wie die schwäbischen Weinhändler die Hagnauer Winzer übers Ohr hauten, gründete er 1881 für die Hagnauer „Rebleute“ einen Winzerverein, die erste Winzergenossenschaft in Baden.

Nach Gründung des Winzervereins wurden die Weinvorräte von Hagnau und Umgebung in geeignete Kellereien oft in Tausenden von Hektolitern aufgespeichert, um in späterer Zeit mit größerem Gewinn verkauft zu wer­den. Durch die Gründung des Winzervereins in Hagnau hatte sich Hansjakob einen un­vergänglichen Verdienst um den Wohlstand der Winzer in der ganzen Bodenseegegend erworben.

Hansjakob war begeistert vom Seewein der Hagnauer. Der Seewein müsse auf dem Bo­den, der ihn erzeugt hat und in der Luft des Bodensees getrunken werden. Bei den ersten Proben schmecke er allerdings sauer wie „Dra­

Heinrich Hansjakob als neu er-nannter Pfarrer von Hagnau 1869.

Blick vom Weinberghäuschen in Hagnau. Zeichnung von Curt Liebich. Repros: Manfred Hildenbrand

Erinnerungskarte zum 75. Jubiläum des Winzervereins Hagnau, der 1881 von Heinrich Hansjakob gegründet wurde. Repro: Peter Schäfer

Heinrich-Hansjakob-Brief 153.indd 6 23.11.2016 21:04:04

7

chenblut“, aber umso besser munde er dem wackeren, furchtlosen Zecher, der ihn trotz­dem trinke. Allmählich verwandle sich der herbe Seewein dann in die Milde der „Lieb­frauenmilch“. Ohne berauscht zu werden, könne man Unmengen von dem herben Hag­nauer Wein vertilgen.

Als Hansjakob 1884 Pfarrer von St. Martin in Freiburg wurde, lernte er einen anderen Wein schätzen, der fortan sein Lieblingswein wurde: den Markgräfler Wein. Seine zahlreichen Gä­ste im Pfarrhaus von St. Martin wurden stets mit einem alten Markgräfler bewirtet.

Hansjakob litt zeit seines Lebens unter ner­vösen Störungen, unter Schlaflosigkeit, unter Schwermut, Depressionen, die bis zu Selbst­mordgedanken reichten. Bekanntlich ging er deshalb 1894 für drei Monate freiwillig in die Nervenheilanstalt Illenau bei Achern, um sich dort von seinen Zwangsvorstellungen und „Nerventeufeleien“, wie er seine psychischen Probleme nannte, kurieren zu lassen. Jedoch die Therapie in der Illenau brachte keine Hei­lung, nicht einmal Linderung seiner psychi­schen Leiden. 4

Immer häufiger benutzte er den Wein nun als „Seelentröster“. Der Markgräfler als „See­lentröster“ war für Hansjakob bis zu seinem Lebensende wichtig. 1901 bekannte er in sei­nem Buch „Stille Stunden“: „Wenn ich von Zwangsvorstellungen geplagt und gepeinigt werde, mittags zwei Gläser alten Markgräfler trinke, so bin ich bald für kurze Zeit absolut

frei von diesen Furien. Wenn ich aber einige Gläser Cham­pagner trinke, so weichen die Zwangsvorstellungen noch viel schneller.“ 5 In seinen Alterserin­nerungen „Feierabend“ lesen wir, dass einer seiner Lieblingsweine ein französischer Bordeaux sei.

In seinem Weinkeller im „Frei­hof“ bewahrte Hansjakob meh­rere Fässer des von ihm so gelieb­ten Markgräfler und Bordeaux auf. „Zum Mittagessen trinke ich gerne einen alten Wein“, so lesen wir in seinen Alterserinnerungen „Feierabend“ unter dem Tage­bucheintrag 28. November 1913.

„Mehr trinke ich nur, wenn ich an meinen al­ten Bordeaux komme …“ Und er bekräftigte: „Solange der Wein wirkt, verschwinden die Zwangsvorstellungen.“ 6 Für Hansjakob war der Wein nach all dem, was wir wissen, so et­was wie eine Droge, die er brauchte, um seine kranken Nerven zu besänftigen.

Die Hagnauer halten den Gründer ihrer Winzergenossenschaft hoch in Ehren. Das Konterfei Hansjakobs schmückt immer noch die Hagnauer Weinflaschen.

Manfred Hildenbrand

Ein guter Tropfen gegen die »Nerventeufeleien«heinrich hansjak0b als l iebhaber des weins

daraus gewonnenen Wein verkaufen; denn der Erlös des Weinverkaufs gehörte zu seinen Ein­nahmen als Pfarrer. 3

Während der Lesezeit der Trauben ver­brachte er Tag für Tag bei den Hagnauer Winzern, ging von Torkel zu Torkel, kelterte mit seinen Hagnauern die Trauben und ver­kaufte seinen eigenen Wein nach Gelegenheit an die gerissenen schwäbischen Weinhändler. Weil er es nicht mehr mit ansehen konnte, wie die schwäbischen Weinhändler die Hagnauer Winzer übers Ohr hauten, gründete er 1881 für die Hagnauer „Rebleute“ einen Winzerverein, die erste Winzergenossenschaft in Baden.

Nach Gründung des Winzervereins wurden die Weinvorräte von Hagnau und Umgebung in geeignete Kellereien oft in Tausenden von Hektolitern aufgespeichert, um in späterer Zeit mit größerem Gewinn verkauft zu wer­den. Durch die Gründung des Winzervereins in Hagnau hatte sich Hansjakob einen un­vergänglichen Verdienst um den Wohlstand der Winzer in der ganzen Bodenseegegend erworben.

Hansjakob war begeistert vom Seewein der Hagnauer. Der Seewein müsse auf dem Bo­den, der ihn erzeugt hat und in der Luft des Bodensees getrunken werden. Bei den ersten Proben schmecke er allerdings sauer wie „Dra­

anmerkungen1 Heinrich Hansjakob, Aus meiner Studienzeit,

10. Auflage, Freiburg 1966, S. 145 ff.2 Heinrich Hansjakob, Aus meiner Jugendzeit,

16. Auflage, Haslach 1986, S. 59.3 Vgl. Manfred Hildenbrand, Die Anfänge des

Rebells im Priesterrock – Heinrich Hansjakob am Bodensee, in: Manfred Bosch u. a. (Hrsg.), Schwabenspiegel, Literatur vom Neckar bis Bodensee, Band 2.1, Biberach/Riß 2006, S. 603. Vgl. auch Heinrich Hansjakob, Schneeballen, Dritte Reihe, Erzählungen vom Bodensee, 9. Auflage, Freiburg 1969. Heinrich Hansjakob, Aus meinem Tagebuch 1878, Kleine Hansjakob­Edition 5, Jahresgabe der Heinrich­Hansjakob­Gesellschaft, Freiburg 2011.

4 Vgl. Heinrich Hansjakob, Aus kranken Tagen, 2., erweiterte Auflage, Heidelberg 1897. Neu­druck mit vielen Beilagen, Achern 1992.

5 Heinrich Hansjakob, Stille Stunden, Tagebuch­blätter, Stuttgart 1904, S. 322 f.

6 Heinrich Hansjakob, Feierabend, Stuttgart 1918, S. 72 f.

Blick vom Weinberghäuschen in Hagnau. Zeichnung von Curt Liebich. Repros: Manfred Hildenbrand

Erinnerungskarte zum 75. Jubiläum des Winzervereins Hagnau, der 1881 von Heinrich Hansjakob gegründet wurde. Repro: Peter Schäfer

Heinrich-Hansjakob-Brief 153.indd 7 23.11.2016 21:04:05

8

heinrich-hansjakob-briefRedaktion: Peter Schäfer

Heinrich-Hansjakob-Gesellschaft e. V. Sitz: Freiburg im Breisgau | 1. Vorsitzender: Dr. Thomas M. Bauer, Postfach 1269, 79012 Freiburg i. Br. | Bankverbindung: Sparkas-se Haslach-Zell, IBAN: DE85 6645 1548 0000 0382 33, BIC: SOLADES1HAL | Unser Mitgliedsbeitrag beträgt eur 10,– | E-Mail: [email protected] Internet: www.heinrich-hansjakob-gesellschaft.de

Wir begrüßen neue Mitglieder

Peter Müller, Kartäuserstraße 15, FreiburgHelmut Ullrich, Hauptstraße 17, Eppelheim

Freiburger »Hansjakobstraße«

Nach einer mehrjährigen, wissenschaftlichen Überprüfung der ca. 1300 Freiburger Straßen­namen legte die damit von der Stadt Freiburg beauftragte Kommission ihren Abschluss­bericht vor. Als Ergebnis einer Vorauswahl wurden ca. 200 Straßen bzw. deren historisch belastete Namensgeber intensiver untersucht und in Kategorien eingeteilt. Die Empfehlung lautet, dass die 12 Straßen der Kategorie A um­benannt, die 15 Straßen der Kategorie B trotz dunkler Flecken in den jeweiligen Biographien ihren Namen beibehalten sollen, jedoch mit einem Zusatzschild mit kurzer Erläuterung zur geschichtlichen Einordnung versehen werden.

Zu den Straßen der Kategorie A gehören z. B. die Alban­Stolz­Straße, die Hindenburg­straße und der Martin­Heidegger­Weg. Zu den Straßen der Kategorie B gehört z. B. die Con­rad­Gröber­Straße und die Hansjakobstraße, welche lt. Stadtratsbeschluss vom 28. Mai 1913, also noch zu Lebzeiten von Heinrich Hansja­kob, benannt wurde. Die Begründung für die damalige Benennung ist nicht überliefert.

Die Erklärung für die Zuordnung der Hansjakobstraße zur Kategorie B lautet un­ter anderem: …  Nicht zuletzt durch seinen Lehrer Alban Stolz beeinflusst, sah er in den Juden eine treibende Kraft des kapitalistischen Wirtschaftssystems, das er so vehement ab­lehnte. Vor allem in seinen Tagebuchblättern finden sich mehrfach Invektiven gegen die „Geld­, Börsen­ und Wucherjuden“. Er selbst bezeichnete sich denn auch als Antisemit, wo­bei allerdings der Antisemitismus in seinen Schriften bei weitem nicht den Stellenwert wie bei Alban Stolz einnahm. So „schätzte“ er die „Handelsjuden“ auf dem Land, und wenn er auf die jüdische Religiosität zu sprechen kam, dann waren die Juden für ihn ein „wunder­bares Volk“. …

Daraus resultiert folgernder Textvorschlag für das Ergänzungsschild: Heinrich Hans­jakob (1837–1916). Priester und badischer Volksschriftsteller, polemisierte gegen den „jü­dischen Kapitalismus“.

Mit großer Mehrheit hat der Freiburger Gemeinderat inzwischen der Empfehlung der Kommission zugestimmt. Die aufwendige Bü­

Waltraut Beier †

Anfang September verstarb Waltraud Beier wenig Wochen vor ihrem 94. Geburtstag. Von 1984 bis 1999 gehörte sie dem Gemeinderat in Haslach an und war im Vorfeld des Stadtfests zum 150. Geburtstag Heinrich Hansjakobs die Initiatorin der Haslacher Bürgerinnen, welche damals erstmals öffentlich in Erscheinung tra­ten. Anlässlich ihres 80. Geburtstags wurde sie zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt. psch

»Drei-Wege-Stein« in St. Roman

Nachdem der „Drei­Wege­Stein“ in St. Roman im Januar 2015 durch einen Langholztrans­porter zerstört worden ist ( HHB 148, S. 8), konnte im Juli 2016 eine neue, von Hubert Benz aus einem Sandsteinrohling gehauene Stele eingeweiht werden. Sie zeigt die Reliefs von St. Jakobus, St. Romanus sowie Heinrich Hansjakob, die Rücken an Rücken zueinander stehen und damit jeder sozusagen in Richtung „seines“ Wegs schaut. Eine große liegende Ja­kobsmuschel dient als Brunnentrog. psch

rokratie für die Stadt bei der Umbenennung der Straßen sowie die Kosten für Änderungen wie z. B. in den Anschriften oder Ausweispa­pieren der Anwohner will die Stadt tragen.

Von der Arbeit der Kommission könnten auch andere Einrichtungen wie das Studenten­wohnheim Alban­Stolz­Haus oder die Hansja­kob­Schule betroffen sein. pschPeter Schäfer, Kritik an Hansjakob­Gesellschaft,

in: HHB 149 v. August 2015, S. 8

Heinrich-Hansjakob-Brief 153.indd 8 23.11.2016 21:04:05