16
Philippe Herreweghe III/2006

harmonia mundi MAGAZIN · 2010. 5. 17. · harmonia mundi magazin 3 der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen

  • Upload
    others

  • View
    4

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: harmonia mundi MAGAZIN · 2010. 5. 17. · harmonia mundi magazin 3 der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen

Philippe Herreweghe

III/2006

���������������������

Page 2: harmonia mundi MAGAZIN · 2010. 5. 17. · harmonia mundi magazin 3 der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen

2

Von Bach zu Bruckner

harmonia mundi magazin

Obwohl das Spektrum der Einspie-lungen Philippe Herreweghes von Josquin Desprez bis Arnold Schön-berg und Kurt Weill reicht, haben seine Aufnahmen der geistlichen Musik von Johann Sebastian Bach ihm den Ruf eingetragen, ein Spe -zialist für die Musik des Thomas-kantors zu sein. Jetzt verkündet der Künstler selbst einen Wandel und bekennt seine Liebe zur Musik Anton Bruckners.

Mit seiner Hinwendung zu dem öster-reichischen Spätromantiker erfüllt sich Herreweghe einen langgehegten Traum. Schon als Kind verfolgte er in seiner Heimatstadt Gent begeistert das alljährlich unter der Leitung Bernard Haitinks in der Kathedrale St. Bavo stattfindende Bruckner-Fest. „…ich war damals auf Anhieb in diese Musik verliebt. Bach und Bruckner waren die Heroen meiner Kindheit.“Herreweghes eigener musikalischer Werdegang verlief einzigartig: Er stu-dierte Klavier am Konservatorium sei -ner Heimatstadt und nahm dann ein Studium der Medizin und Psychatrie auf. Schon während seiner Studienzeit gründete er das Collegium Vocale. Nikolaus Harnoncourt und Gustav Leonhardt wurden auf ihn aufmerk-sam und luden ihn ein, an der Gesamteinspielung von Bachs Kan-tatenwerk mitzuwirken. So zog Herre-weghe den weißen Kittel aus und wurde Musiker – einer der beiden Heroen seiner Kindheit hatte ihn ein-geholt.

Orlando di LASSO (1532-1594)Psalmi Davidis pœnitentialesCollegium Vocale Gent, Leitung: Philippe HerrewegheHMC 901831.2 (P02)

Doch die Liebe zu Anton Bruckner war nicht vergangen, und da Philippe Herreweghe besonders in der geist-lichen Musik beheimatet war, lieferte Bruckners eigene tiefe Gläubigkeit ein Motiv, den Meister nicht aus dem Blick zu verlieren, wie eine 1992 veröffentlichte Einspielung seiner Messe e-moll bezeugt. Vor zwei Jahren begann mit der Einspie-lung der siebten Sinfonie die geplante Gesamtaufnahme von Bruckners sinfonischem Œuvre, die in Kürze mit der Veröffentlichung der vierten Sinfonie fortgesetzt wird.Der Eintritt in die Welt der romantischen Orchester mu-sik bedeutete für Herreweghe auch die Konfronta tion mit festgefügten Tradi tionen, vor denen er allerdings keine fal-sche Scheu an den Tag legt: „Ich fand mich vor Orche-stern wieder, die das Werk wie ihre Westentasche kann-ten. In solchen Augenblicken zeigt man am besten keine Zweifel und darf nicht zögern, seine Unbefangenheit und Entschlossenheit ange-sichts angeblich heiliger Traditionen unter Beweis zu stel len. Sonst hat man gleich verloren.“ Und über die Tra -dition der Bruckner-Inter-pre tation sagt Herreweghe: „Früher waren diese Sinfo-nien oft nur der Schauplatz einer gigantischen Ego-Show

Philippe HerrewegheFotos: Eric Larrayadieu

EMPF

OHLEN VON

Page 3: harmonia mundi MAGAZIN · 2010. 5. 17. · harmonia mundi magazin 3 der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen

3harmonia mundi magazin

der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen gibt. Tatsäch-lich glaube ich, man dient dieser Musik am besten, wenn man gar nichts macht. Früher wurde Bruckner oft Gewalt angetan. Für mich ist diese Musik gar nicht so monumental und martialisch, ich sehe Bruckner eher als den unglücklichen Romantiker in der direkten Nachfolge Schuberts.“Natürlich bedeutet der neue Schwer-punkt in Philippe Herreweghes Künstlerleben nicht, daß er sich in Zukunft von der Alten Musik abwen-det. Das zeigt schon die gegenwär-tige Veröffentlichung der Bußpsal-men von Orlando di Lasso. Als das Werk 1584 in München im Druck erschien, war Lasso der berühmteste Komponist Europas, und obwohl er die Bußpsalmen schon 25 Jahre früher komponiert hatte, waren sie nicht im geringsten veraltet und haben auch heute nichts von ihrem Rang als eine der bedeutendsten Kompositionen der geistlichen Renaissancemusik einge-büßt. Herreweghe selbst schlägt die Brücke zwischen Lasso und Bruckner: „Dazu kommt meine Leidenschaft für den Kontrapunkt – ich bin Flame und habe seit jeher eine starke Beziehung zur Vokalpolyphonie der flämischen Renaissance gehabt. Und Bruckner verbindet beides: Tiefe und Kontra-punkt.“

mit Philippe Herreweghe bereits erschienen:

Orlando di LASSOLagrime di San PietroEnsemble Vocal EuropéenHMC 901483 (T01)

„Sowohl gesanglich wie auch

gestalterisch maßstabsetzend“

FONO FORUM

„Eine Aufnahme, die jeder

Bruckner-Freund im Regal

haben muß.“

RHEINISCHE POST

Orlando di LASSOHieremiae Prophetae Lamentationes

Ensemble Vocal EuropéenHMC 901299 (T01)

„Highly recommended“THE GRAMOPHONE

Collegium Vocale Gent

Anton BRUCKNERSinfonie Nr. 7 E-DurOrchestre des Champs Élysées, Leitung: Philippe HerrewegheHMC 901857 (T01)

Page 4: harmonia mundi MAGAZIN · 2010. 5. 17. · harmonia mundi magazin 3 der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen

HARMONIA MUNDI – ZUM DRITTEN MAL „LABEL DES JAHRES“

4

Zum dritten Mal erhält harmonia mundi in diesem Jahr die Auszeichnung LABEL DES JAHRES. 2003 wurde der Firma durch die britische Fachzeitschrift The Gramophone erstmalig dieser Ehrentitel verliehen, Ende 2005 entschied sich auch die Jury des Classical Internet Award für har-monia mundi als LABEL DES JAHRES, und kürzlich folgte mit dem Midem Classical Award in Cannes die dritte Auszeichnung in dieser Kategorie, die dem Label seine internationale Bedeutung erneut eindrucksvoll bestätigte.

MIDEM Classical AwardDie Jury des MIDEM Classical Award setzt sich aus internationalen Klassik maga -zinen, Rundfunksendern und Musik pro-fessionellen zusammen, die alljährlich in Cannes zusammentreffen, um die besten Einspielungen des Jahres auszuzeichnen. Für das Jahr 2006 traf die Entscheidung der Jury gleich zweimal harmonia mundi: Zum Label des Jahres gekürt, darf sich harmonia mundi darüber hinaus auch über die Beste Barock-Einspielung des Jahres freuen, Händels Saul unter der Leitung von René Jacobs. Da René Jacobs 2005 bereits auf der MIDEM als Künst-ler des Jahres ausgezeichnet worden war, konnte er jetzt im zweiten Jahr in Folge einen Preis auf der weltweit größten Musikmesse entgegennehmen.

harmonia mundi magazin

Henry PURCELL (1659-1695)Dido und Aeneas (Oper in drei Akten)

Lynne Dawson (Dido) – Rosemary Joshua (Belinda) –

Gerald Finley (Aeneas) u. a. – Clare College Chapel Choir –

Orchestra of the Age of Enlightenment, Leitung: René JacobsHMX 2991683 (098)

„Lebendig, unterhaltsam, spritzig,

auch meditativ“BAYERISCHER RUNDFUNK

„Eine bis in die Neben rollen exzellent besetzte Aufnahme“RONDO

Andrew Lawrence-KingFoto: Simon Warren

René JacobsFoto: Alvaro Yañez

MISSA MEXICANAJuan GUTIÉRREZ DE PADILLA: Missa „Ego flos campi“,Lateinamerikanische und afrikanische VolkstänzeThe Harp Consort, Leitung: Andrew Lawrence-KingHMX 2907293 (098)

„Lebendig, unterhaltsam, spritzig,

auch meditativ“

Auch 2006 hat harmonia mundi

wieder in seine Schatztruhe gegriffen und

zwei besonders eindrucksvolle Aufnahmen

als Katalog-CDs zum Sonderpreis

ausgesucht.

Page 5: harmonia mundi MAGAZIN · 2010. 5. 17. · harmonia mundi magazin 3 der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen

Dietrich BUXTEHUDE (1637-1707)

Membra Jesu NostriCantus Cölln,

Leitung: Konrad JunghänelHMC 901912 (T01)

5harmonia mundi magazin

Dietrich Buxtehude – Eine musikalische Ausnahmeerscheinung

die in den letzten Jahren verstärkt in das musikalische Bewußtsein zurück -kehren, nicht zuletzt dank ihrer in Gustav Dübens Sammlung bewahrten Werke. Buxtehude indes muß auch unter ihnen als Ausnahmeerscheinung gelten: Das Publikum strömte in seine musikalischen Veranstaltungen in der monumentalen Lübecker Marienkir-che, die als „Abendmusiken“ an den fünf Sonntagen der Vorweihnachtszeit am späten Nachmittag stattfanden. Abwechslungsreiche Programme prä-sentierten eine reichhaltige Auswahl aller möglichen Genres der geistlichen Musik von oratorischen Werken bis hin zu Kirchenliedern, Psalmverto-nungen, Kantaten und Instrumental-musik.Dieses weitgespannte Schaffen quali-fizierte Buxtehude offensichtlich für den schwedischen Hof, ein außeror-dentliches Werk für die Passionszeit zu schreiben, und das sind die Membra Jesu Nostri ohne jeden Zweifel gewor-den. In sieben Kantaten werden die

einzelnen Gliedmaßen des gekreuzig-ten Jesus betrachtet, so wird in einer Meditiation der leidende Christus als Quelle des Heils der erlösten Chri st en-heit offenbar.

Auf ihrer neuesten CD widmen sich Konrad Junghänel und sein Ensem-ble Cantus Cölln einem überaus bedeutenden und wahrlich außer-gewöhnlichen Werk der geistlichen Musik vor Johann Sebastian Bach: Dietrich Buxtehudes meditativer Pas sionsmusik Membra Jesu Nostri.

1680, auf der Höhe seiner Schaf-fenskraft, schrieb Buxtehude seinen Passions-Zyklus offenbar im Auftrag des schwedischen Hofkapellmeisters Gustav Düben, der in Stockholm eine sorgfältig redigierte Musikalien-sammlung hinterlassen hat, die heute zu den wichtigsten Quellen der nord-deutschen Barockmusik gehört. Der im damals unter dänischer Herrschaft stehenden Oldesloe geborene Buxte-hude selbst stand mit Dänemark in naher Verbindung, hatte doch sein Vater als Musiker sowohl in den damals noch zum dänischen König-reich gehörigen Städten Helsingør und Helsingborg gewirkt.Ab 1668 wirkte Buxtehude als Orga-nist an der Marienkirche zu Lübeck und bekleidete hier eines der angese-hendsten kirchenmusikalischen Ämter im norddeutschen Raum. Schnell etablierte er sich als eine außerge-wöhnliche Erscheinung im damals musikalisch hochkarätigen Musik -leben Nord deutschlands. Reinken, Theile und Bruhns waren andere bedeutende norddeutsche Musiker,

„Eine bis in die Neben rollen exzellent besetzte Aufnahme“RONDO

Konzerttermine CANTUS CÖLLN

02.04. Lintgen (Luxemburg)

04.04. Berlin – ZEITFENSTER, Biennale Alter Musik

07.04. Lörrach

08.04. Schaach (Liechtenstein)

09.04. Luzern (Schweiz)

von Dietrich Buxtehude mit Cantus Cölln bereits erscheinen:

Geistliche KantatenHMC 901629 (T01)

„Die Aufnahmen kommen einer Ehren-

rettung dieser Musik gleich und sind

den bisherigen (nicht allzu zahlreichen)

Einspielungen haushoch überlegen.“

FONO FORUM

Konrad JunghänelFoto: Wolf Nolting

Page 6: harmonia mundi MAGAZIN · 2010. 5. 17. · harmonia mundi magazin 3 der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen

6

Ein musikalischer Weltbürger

harmonia mundi magazin

Olivier GREIF (1950-2000)Sonate de Requiem, KlaviertrioEmmanuelle Bertrand, Violoncello – Pascal Amoyel, Klavier – Antje Weithaas, ViolineHMC 901900 (T01)

ein, unbeeindruckt von den ästhe-tischen Auseinandersetzungen, von denen das halbe Jahrhundert geprägt war, in dem es entstand. Olivier Greif wollte nie etwas zu tun haben mit dem Darmstädter Kreis der seriellen Musik, ebensowenig mit der Technologie des IRCAM, er ließ sich aber auch nicht von der Postmoderne des ausgehen-den 20. Jahrhunderts vereinnahmen. Er legte stets großen Wert darauf, unabhängig zu sein und hielt sich aus dem Gerangel der Musikrichtungen heraus. Er, der aus einer ursprüng-lich in Polen ansässigen jüdischen Familie stammte, die sich in Paris niedergelassen hatte, der selbst eine Schwäche für die anglo-amerikanische Sprache hatte und ein Anhänger der Glaubenslehren des tausendjähri-gen Indien war, fühlte sich als Weltbürger.“

(Brigitte François-Sappey)

„Die Sonate de Requiem ist eine Meditation über den Tod, der im wesentlichen unter drei Aspekten betrach-tet wird. Zum einen der Tod als Verlust … zum anderen der Tod als Reise … schließ -lich der Tod als Kontempla-tion… Das Werk hat die Ge stalt einer gigantischen Fantaisie in einem Stück, die aber in drei unterschiedlich lange Abschnitte unterteilt werden kann, die jeweils einem der oben genannten Aspekte gewidmet sind.“

„Auch wenn der Titel De Profundis nur die Bezeichnung des ersten Satzes ist, ist der Stimmungsgehalt des gesamten Werkes von ihm gefärbt: Es ist eine Stimmung der tiefsten Verzweiflung, die sich gegen Ende kaum merklich aufhellt. Dennoch ist es keine Verzweiflung um ihrer selbst willen, sondern – in Übereinstim -mung mit Psalm 130 – eine Möglich-keit der Hinwendung zu Gott und ein Weg, auf dem man zu ihm gelangt. So unheilvoll sie auch sein mag, diese Verzweiflung ist etwas Absolutes. In diesem Zusammenhang würde ich gern den bekannten Satz von Albert Camus aus L’Enigme für mich in An -spruch nehmen: ‚Im Innersten unseres Werkes, sei es auch noch so düster, strahlt eine unversiegliche Sonne.’“

(Olivier Greif )

„Nie in meinem Leben habe ich so viel komponiert. Wenn ich mich frage, woher dieser Schaffensdrang kommt, wird mir klar, daß ich außer meiner Musik sonst nichts im Leben habe. Wenn ich aufhöre zu komponieren, sterbe ich“, schrieb Olivier Greif, als er 1998 sein Trio vollendet hatte.

„Der in vieler Hisicht schmerzliche, viel zu frühe Tod von Olivier Greif brachte es mit sich, daß sein Werk mit der Jahrtausendwende in die Geschichte eingegangen ist. Es ist damit dem 3. Jahrtausend zugehörig. Hocherhobenen Hauptes tritt es dort

Foto

: Eri

c M

anas

Emmanuelle Bertrand & Pascal Amoyel

Foto

: Hel

ge S

trau

ss

Antje Weithaas

EMPF

OHLEN VON

Page 7: harmonia mundi MAGAZIN · 2010. 5. 17. · harmonia mundi magazin 3 der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen

duktiv, zwischen 1890 und 1893 ent-standen die Opern Pique Dame und Jolanta, das Ballett Der Nußknacker, an Orchesterwerken die sinfonische Ballade Wojewoda und die sechste Sinfonie, sein letztes vollendetes Werk. Tschaikowsky selbst charakterisierte sie in einer Notiz: „Inhalt der Sinfonie ist das LEBEN. Erster Satz – ganz spontane Begeisterung, Zuversicht, Tätigkeitsdrang … Zweiter Satz – Liebe; dritter – Enttäuschung; der vierte endet ersterbend“. Die Thema-tik des Lebens in seinen Wechselfällen und mit dem Tod als natürlichem Ende wird künstlerisch in bewegter Weise gestaltet. Man sollte die Pathé-tique wohl eher als eine überaus subtil gestaltete künstlerische Aussage über das Leben betrachten, als von ihr den Blick durch das Schlüsselloch auf die zerklüfteten Landschaften von Tschaikowskys zweifellos zerrissener Seele zu erwarten, deren Geheimnisse der Komponist aber offensichtlich für sich behalten wollte.

harmonia mundi magazin 7

„Daniele Gatti‘s Tchaikovsky has

every thing: passion, precision, and a real inter-

pretive point of view. … A remarkable release

in just about every way possible.“

CLASSICS TODAY

Tschaikowskys sechste Sinfonie ist in seinem letzten Lebensjahr ent-standen, und neun Tage nach ihrer Uraufführung war er tot. Sie ist das letzte vollendete Werk des Kom-ponisten – dieser Umstand und ihr Beiname Pathétique waren Anlaß zu umfangreicher Legendenbildung. Die These, die Sinfonie sei ein inti mes Seelenprotokoll ihres von vielfältigen Problemen bedrängten Schöpfers, kann heute nicht mehr unwidersprochen bleiben.

Tschaikowsky selbst hat zu der Aura des Geheimnisvollen, die seine sechste Sinfonie umgibt, selbst beigetragen. In der Zeit, als er sich mit Plänen zu dieser Sinfonie trug, schrieb er: „Wäh-rend meines Aufenthaltes in Paris im Dezember letzten Jahres kam mir der Gedanke, eine Programmsinfonie zu schreiben, aber auf ein Programm,

das für alle außer mir selbst ein Rätsel bleiben sollte; sollen sie doch versu -chen, es zu erraten! Ich für meinen Teil habe vor, sie schlicht „Programm-sinfonie“ zu nennen.“Sein Bruder Modest, nicht Peter Tschaikowsky selbst, hat dem Werk seinen heutigen Titel gegeben, und die gängige Vorstellung, die Pathétique schildere Tschaikowskys Seelenqualen und sei in der Vorahnung seines nahen Todes geschrieben, verdient durchaus eine kritische Betrachtung.Das äußere Leben des Komponisten verlief in seinen letzten Lebensjahren erfolgreich: 1892 wurde er in die Académie Française aufgenommen, die Universität Cambridge verlieh ihm die Würde eines doctor musicae ehren-halber. Seine Werke erklangen überall auf dem Kontinent in Konzerten, und auch als Dirigent war Tschaikowsky gefragt. Als Komponist war er pro-

Wider die Legende

mit Daniele Gatti und dem Royal Philharmonic Orchestra bereits erschienen:

Peter TSCHAIKOWSKYSinfonie Nr. 4 f-moll op. 36, Capriccio Italien op. 45HMU 807393 (U01)

„Imponierend die glühende Emphase dieses

Musizierens, imponierend gleichzeitig die absolute Konzentration der Orchestermusiker

(klangschöne Holzbläser, sattes, aber nie dickes Blech). Mitreißend!“FONO FORUM

„Überhaupt überzeugt das Royal Philhar-

monic Orchestra auf ganzer Linie. Ob nun

die gewaltigen Ausbrüche oder die farbigen

Pianissimi, alles wird mit hoher Spielkultur

und großem Engage ment dargeboten.“

CRESCENDO

Peter TSCHAIKOWSKYSinfonie Nr. 5 e-moll op. 64

& Romeo und Julia (Fantasieouvertüre)

SACD: HMU 807381 (U01)

CD: HMU 907381 (T01)

Dan

iele

Gat

ti

Peter TSCHAIKOWSKY (1840-1893)Sinfonie Nr. 6 h-moll op. 74 „Pathétique“,

Serenade für Streicher C-Dur op. 48Royal Philharmonic Orchestra,

Leitung: Daniele GattiHMU 807394 (U01)

Page 8: harmonia mundi MAGAZIN · 2010. 5. 17. · harmonia mundi magazin 3 der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen

harmonia mundi magazin8

Die neun Klagelieder des Propheten Jeremias aus dem Alten Testament gehören zu den eindrucksvollsten Tex-ten der Bibel. In bildhafter, schmerz-erfüllter Sprache trauert Jeremias über die Besetzung und den Untergang der Stadt Jerusalem, die Zerstörung des Tempels und die Vertreibung der Juden. In der römisch-katholischen Kirche erklangen diese Klagelieder im Stundengebet der Mönche während der Karwoche ursprünglich in Gre-gor ianischem Gesang. Seit dem 15. Jahrhundert entstanden viele Verto-nungen, unter denen die hochexpres-siven Kompositionen von Thomas Tallis und Orlando di Lasso hervor-stechen.

Biblische Klage

François Couperin, seit 1685 Organist an der Pariser Kirche St. Gervaise und an der königlichen Kapelle Ludwigs XIV., gestaltet die Trauergesänge in ergreifender Schlichtheit als kunst vol -len Rezitativgesang für eine oder zwei hohe Stimmen mit Instrumental-begleitung. Den einzelnen Versen sind als Zählung hebräische Buchstaben voran gestellt, sie erklingen in reich ornamentiertem Gesang ebenso wie der Aufruf an das Gottesvolk: „Jerusa-lem, bekehre dich zu dem Herrn, Dei -nem Gott!“, der jede Leçon mit großer Eindringlichkeit beschließt. Vermut-lich hat Couperin alle neun Klagelie-der des Jeremias vertont, leider sind nur drei von ihnen erhalten geblieben.

sien und etliche Motetten. Gemessen an der Qualität dieser Werke setzten wir voraus, daß die bis heute nicht in moderner Edition veröffentlich-ten Meslanges nicht mittelmäßig sein konnten. Das Niveau dieser Musik hat unsere Erwartungen weit über-troffen, und es war nicht einfach, aus den 63 Stücken der Sammlung eine

„Eine der größten Freuden im Leben eines Musikers besteht darin, verges-sene Musik wiederzuentdecken und zu spielen. Neuentdeckungen bieten allerdings nicht per se eine Quali-tätsgarantie, und viele Werke blei-ben zu recht in den Regalen der Bibliotheken liegen. Ein Teil des Œuvres von Eustache de Caurroy ist heute bekannt und erklingt im Konzert, so das Requiem, die Fanta-

Letzter Glanz der Renaissance

François COUPERIN (1668-1733)Leçons de TénèbresJohannette Zomer & Anne Grimm, Sopran – La Sfera Armonica, Leitung: Mike FentrossCCS 20306 (T01)

Auswahl zu treffen. … Die Musik von Caurroy ist von ganz besonderer Eigenart: Außerordentlich ergreifend, von tiefem Ernst erfüllt und ohne das geringste Zugeständnis an den modi-schen Geschmack, erstrahlt sie für die Nachwelt als ein letzter Glanz der Renaissance.“

Denis Raisin Dadre

Eustache du CAURROY (1549-1609)Les Meslanges

Doulce Mémoire, Leitung: Denis Raisin Dadre

AV 8900 (T01)

mit Johannette Zomer zuletzt erschienen:

Giulio CACCININuove Musiche

Fred Jacobs, TheorbeCCS 21305 (T01)

„Johannette Zomer und Fred

Jacobs ergän zen und beflügeln

sich, ein ideales Paar.“

TOCCATA

Anne Grimm, Menno van Delft, Johan nette Zomer,

Mike Fentross & Paulina van Laarhoven (von links)

Denis Raisin DadreFoto: Jean-Marc Anglès

Page 9: harmonia mundi MAGAZIN · 2010. 5. 17. · harmonia mundi magazin 3 der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen

harmonia mundi magazin 9

Seit einem Vierteljahrhundert ist Ambronay mit der herrlichen Akustik seiner tausend Jahre alten Abteikirche eine Heimstätte passionierter Musiker. Um die einzigartige Stimmung der Konzerte einzufangen und einem grö ßeren Publikum zugänglich zu machen, hat die Kulturelle Begeg-nungsstätte Ambronay ein eigenes CD-Label gegründet. Die erste Veröf -fentlichung des neuen Labels ist Clau-

dio Monteverdi und dem argentini-schen Musiker Gabriel Garrido gewid-met, der sich mit seinem Ensemble Elyma im Laufe der letzten Jahre als einer seiner bedeutendsten Interpreten profilieren konnte.Monteverdis 1640/41 erschienene Samm lung Selva morale e spirituale stellt einen Höhepunkt im Werk die-ses einzigartigen Komponisten dar. Mit über siebzig Jahren für dama-

lige Verhältnisse hochbetagt, scheint Monteverdi keinen Gedanken daran verwendet zu haben, sich zur Ruhe zu setzen. Er überwachte vielmehr sorg-fältig die Drucklegung des umfangrei-chen Buches und arbeitete gleichzeitig an seiner Oper Le nozze d’Enea con Lavinia, die den Erfolg von Il ritorno d’Ulisse in patria aus dem Vorjahr wie-derholen sollte.

Claudio MONTEVERDI (1567-1643)Selva morale e spirituale

Rosa Domínguez & Adriana Fernandez, Sopran –

Philippe Jaroussky, Countertenor u. a. – Ensemble Elyma,

Leitung: Gabriel GarridoAMY 001 (I04)

ERA LA NOTTELamenti von Monteverdi, Strozzi und GiramoAnna Caterina Antonacci, Sopran – Modo Antiquo, Leitung: Federico Maria SardelliAV 5050 (T01)

Geheimnisse der NachtVerbrechen. Vor allem: Nachts nimmt man Musik anders wahr. Also habe ich den Titel Era la notte gewählt … Ich habe mir Szenen aus dem Leben einer Frau vorgestellt, die ganz offen-sichtlich für immer verloren ist. Aus Liebe, daran kann kein Zweifel beste-hen. Sie berichtet uns mit eleganter Unverblümtheit, in einer gleichzei-tig gewählten und derben Sprache Episoden ihrer Existenz, die von

„Man muß die Überraschungen der Nacht lieben, ihre leisen Geräusche, alles was sie umschließt und selten preisgibt. Im Dunkel ertastet man sich seinen Weg, wird vom Halbdunkel in die Irre geführt, verfängt sich im Spiel von Verwandlung und Zweideutig-keit. Schließlich rühmt man ihre Ver-schwiegenheit und liebt man, was sie verbirgt. Die Nacht ist das Theater aller Lüste, aller Geständnisse, aller

Liebesträumen und Leiden an der Liebe geprägt ist.“ schreibt Juliette Deschamps, die gemeinsam mit Anna Caterina Antonacci dieses Programm entworfen hat. Juliette Deschamps entwickelte auch eine Regie für Era la notte. So wurde aus einem Konzert-abend eine Theatervorstellung, die See lenzustände im Grenzbereich zwi-schen Liebe und Wahnsinn auf die Bühne bringt.

Ambronay – Eine tausendjährige Abtei als Kulturzentrum

Gabriel GarridoFoto: Hervé Nègre

Anna Caterina AntonacciFoto: Serge Derossi

Page 10: harmonia mundi MAGAZIN · 2010. 5. 17. · harmonia mundi magazin 3 der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen

10 harmonia mundi magazin

Jungfrau über den Tod Jesu Christi.Ebenfalls vom Kino, und hier beson-ders von Pasolinis Film Das 1. Evange-lium nach Matthäus von Pier Paolo Pasolini, habe ich gelernt, daß das Zusammentreffen sehr unterschied-licher musikalischer Universen zum „Universellen“ führen kann. Folglich kann sich der Schmerzensschrei dieser Mutter in den Stimmen von Marie Kobayashi, von Aischa Reduan ebenso

Das Heilige im Alltäglichen suchenausdrücken wie in den verwunde-ten Stimmen von Robert Wyat und Guillaume Depardieu oder auch im leuchtenden Gesang des Kammer -chors Mikrokosmos.“ So erläutert Bruno Coulais, der berühmte Kompo-nist von Filmmusik, sein Stabat Mater, das als Auftragskomposition des Festi vals von Saint Denis am 28. Juni 2005 seine Uraufführung in der Basilika des Ortes erlebte.

Komponisten (Nino Rota, Enjott Schneider), die speziell für Orgel komponiert wurden, neben ein Werk zu stellen, das abseits der Intention des Komponisten (J. S. Bach) wegen seiner eindrucksvollen Wirkung in Filmen Verwendung fand. … Mit der Goll-Orgel der Kirche St. Martin in Memmingen stand ein hervorragen -

„Die Idee für die ungewöhnliche Prog rammgestaltung der vorlie gen den Ein spielung war, einerseits Orgelbear-beitungen von großer Opernmusik (Rossini) und einer berühmten Film-musik unserer Tage (J. Williams) gegen überzustellen, andererseits Ori-ginalkompositionen von zwei beson-ders für ihre Filmmusik bekannten

Großer Auftritt für die Königin der Instrumente

Bruno COULAIS (*1954)Stabat MaterAïcha Redouane & Guillaume Depardieu, Gesang – Laurent Korcia, Violine – Claire Désert, Cembalo & Klavier u. a. – Kammerchor Mikrokosmos, Leitung: Loïc PierreAV 5038 (T01)

des, an dem Klangbild der großen fran zösisch-symphonischen Kathe dral -orgeln orientiertes Instrument zur Ver fügung, das eine gute Vorausset-zung bot, dieses ungewöhnliche reiz -volle Programm klanglich zu bewälti-gen.“ schreibt Harald Feller in sei-nem Begleittext zu dieser CD, die genauso gut unter dem Titel stehen könnte ”And the Oscar goes to…“. Hier ist die Orgel – auch in Bachs groß artiger Toccata – kein Andachts-instrument für die Kir che, hier ent-faltet sie alle ihre Klang möglichkeiten zu einem virtuosen Feuerwerk der Sonderklasse!

„Das „Heilige“ in den kleinen Dingen des Alltags zu suchen, ist die Lehre, die ich vom Kino empfangen habe, und das ist eine Vorstellung, die mich wäh-rend der gesamten Arbeit am Stabat Mater begeitet hat. In diesem ebenso schönen wie ergreifenden Text aus dem 13. Jahrhundert war es mir wichtiger, das Gewicht eher auf den Schmerz einer Mutter über den Verlust ihres Kindes zu legen als auf die Klage der

PHANTOMES – An Organ SpectacularBach: Toccata und Fuge d-moll BWV 565, Rossini: Ouvertüre zu „Wilhelm Tell“, Vierne: Phantômes, Rota: Orgelsonate, Williams: Star-Wars-Suite, Schneider: Toccata „Schlafes Bruder“Harald Feller, OrgelOC 606 (Q01)

Bruno CoulaisFoto: Gérard Monico

Page 11: harmonia mundi MAGAZIN · 2010. 5. 17. · harmonia mundi magazin 3 der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen

harmonia mundi magazin 11harmonia mundi magazin 11

dem Tod Jesu darstellt. Die Urauf-führung am Karfreitag 1787 bescher -te dem Werk einen derartigen Erfolg, daß Haydn noch im selben Jahr eine Bear beitung für Streichquartett anfer-tigte, die der Komposition eine weite Ver breitung sicherte. Ebenfalls 1787 er schien beim Wiener Musikverlag Arta ria eine Klavierfassung, die zwar nicht von Haydn stammte, aber von ihm autorisiert worden war.Neun Jahre später erinnerte sich

Joseph HAYDN (1732-1809)Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz

Sandrine Piau, Sopran – Ruth Sandhoff, Alt – Robert Getchell, Tenor –

Harry van der Kamp, Baß – Kammerchor Accentus –

Akademie für Alte Musik Berlin, Leitung: Laurence Equilbey

AV 5045 (T01)

Wie man einer gelungenen Kompo-sition zu vielfachem Erfolg verhelfen kann, zeigen exemplarisch Joseph Haydns Die sieben letzten Worte unse-res Erlösers am Kreuz. Die Domherren der Kathedrale von Cádiz hatten bei Haydn für die Karfreitagsliturgie sie -ben geistliche Sonaten für Streich-orchester in Auftrag gegeben. Er selbst fügte noch ein Vorspiel und einen abschließenden dramatischen Satz hinzu, der das Erdbeben nach

Frommer Christ und guter Geschäftsmann

len Musikern sicher nicht gerecht geworden. Philippe Pierlot hingegen hat hier ein Treffen von Bach und Händel organisiert, bei dem sich jeder in einem Instrumentalwerk und einer Vokalkomposition von seiner besten Seite zeigen kann.Bachs Konzert für Oboe d’amore ist die Urversion des berühmten Cembalokonzerts BWV 1055, und seine Kantate Weichet nur, betrübte

Haydn seiner erfolgreichen Medita-tions musik zum Karfreitag und schuf daraus das Oratorium der vorliegen -den Einspielung. Die triumphale Ur -auf führung am 26. März 1796 unter Haydns Leitung im Wiener Palais Schwarzenberg wurde der Auf takt zur Erfolgsserie der beiden Orato rien Die Jahreszeiten und Die Schöpf ung, die Haydns letzte Lebensjahre krönte.

Das Treffen zwischen Bach und Händel

J. S. BACH (1685-1750)Oboenkonzert A-Dur BWV 1005a,

Kantate „Weichet nur, betrübte Schatten“ BWV 202

G. F. HÄNDEL (1685-1759)Harfenkonzert B-Dur op. 4/6, Kantate „Tra le fiamme“

Núria Rial, Sopran – Giovanna Pessi, Barockharfe – Patrick Beaugiraud, Oboe d’amore –

Ricercar Consort, Leitung: Philippe PierlotMIR 009 (P01)

Obwohl sie immer wieder Anläufe dazu nahmen, sind sich Bach und Händel im wirklichen Leben zu ihrer beider Bedauern nie begegnet. Peter Shaffer hat in einem Theaterstück über eine imaginäre Begegnung der beiden Jahrgangsgenossen einen ver-soffenen und polternden Händel und einen provinziellen und schnell beleidigten Bach auf die Bühne gebracht und ist damit den genia-

Schatten zeigt ihn von einer ebenso stimmungsvollen wie kunstfertigen Seite. Händels Harfenkonzert ist im Jahr 1736 entstanden, als er seit lan-gem in England ansässig und ein welt-weit berühmter Komponist war. Seine Kantate Tra le fiamme führt dagegen in die Zeit des jungen Meisters, der in einem mehrjährigen Italienaufenthalt Erfahrungen in seinem Metier sam-melte und ersten Ruhm erntete.

Akademie für Alte Musik BerlinFoto: Peter Witt

EMPF

OHLEN VON

Page 12: harmonia mundi MAGAZIN · 2010. 5. 17. · harmonia mundi magazin 3 der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen

harmonia mundi magazin12

W. A. MOZART (1756-1791)Streichquartette G-Dur KV 80, d-moll KV 421 & C-Dur KV 465

„Dissonanzenquartett“Mozarteum Quartett

OC 549 (I01)

Die „Harmonie“, ein aus Oboen, Kla -rinetten, Fagott bestehendes Ensem-ble – gelegentlich durch Bassetthörner und Kontrabaß ergänzt, lieferte mit Serenaden stimmungsvolle Freiluft-musiken; ebenso unterhielten die „Har monie“-Bearbeitungen beliebter Opernmelodien in Wirtshäusern die Gäste mit den gängigen Hits der Sai -son. Mit seinen drei großen Bläser-serenaden, darunter die „Gran Partita“

für 13 Bläser und Kontrabaß, hat Mozart dieses populäre Genre zu großartiger Kammermusik geadelt.Das Streichquartett war zu Mozarts Lebzeiten noch eine junge Gattung, die ihren Aufschwung während der letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhun-derts hauptsächlich der Pionierarbeit Joseph Haydns verdankt. Die CD des Mozarteum Quartetts vereint Mozarts erstes Streichquartett mit zwei jener

Von der Freiluftmusik zum sublimen Kammermusikereignis

Katalog-CD zum Sonderpreis mit CALLIOPE-Katalog 2006

sechs Quartette, die dem Vorbild und väterlichen Freund Haydn gewidmet waren, und spiegelt so diese überaus fruchtbare Entwicklung. Seit Haydn und Mozart gilt das Streichquartett als die Königsdisziplin der Kammermusik, und so vertrau-te auch Leoš Janácek in den letzten fünf Jahren seines Lebens den vier Streichsolisten Bekenntnisse an, die seine beiden Quartette zu Höhepunk-ten der Kammermusik des 20. Jahr-hunderts machten.

ˇ

Leoš JANACEK (1854-1928)Streichquartette Nr. 1 „Kreutzersonate“ & Nr. 2 „Intime Briefe“Talich QuartettCALL 9333 (T01)

ˇ

EMPF

OHLEN VON

W. A. MOZART (1756-1791)Serenade B-Dur KV 361 „Gran Partita“Ensemble PhilidorCALL 3317 (I01)

Page 13: harmonia mundi MAGAZIN · 2010. 5. 17. · harmonia mundi magazin 3 der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen

in Klavier und Kammermusik. Inter -na tionale Preise und die Förderung durch die Menuhin-Stiftung schlos-sen sich an, als entscheidend erwies sich indes die Begegnung mit György Cziffra, der zu einer bestimmenden Größe für das künstlerische Univer-

Pascal Amoyel, 1971 geboren, kam schon in früher Kindheit durch sein Talent für Improvisation zum Kla-vier. Mit zehn Jahren erhielt er Unter-richt an der Pariser École Normale de Musique, 1992 graduierte er am Pari-ser Konservatorium mit ersten Preisen

harmonia mundi magazin 13

Sergej RACHMANINOFF (1873-1943)Corelli-Variationen op. 42, Klaviersonate Nr. 2 b-moll op. 36, Morceaux de fantaisie op. 3Bernd Glemser, KlavierOC 558 (I01)

Saarbrücken berufen worden. Eine weltweite Konzertkarriere führte Bernd Glemser von Chile bis nach China, wo er 1996 als erster Künstler aus dem Westen live im Fernsehen auftrat. Darüber hinaus spielte er eine umfangreiche Diskographie ein, die dank einer außerordentlichen Sym -biose von atemberaubender Virtuosi-tät und poetischer Sensibilität bei Publikum und Fachpresse gleicherma-ßen enthusiatische Aufnahme fand.Angesichts seiner vielfältigen künstle -rischen Verpflichtungen nimmt es fast

Mit diesem Satz beschloß Bernd Glemser im Jahr 2000 ein Interview in der Zeitschrift Klassik heute, in dem der damals 37jährige Pianist seinen künstlerischen Horizont angesichts sei ner ungewöhnlich steilen Karriere verortete. Nach einem seit 1890 in der Musikgeschichte nicht mehr dagewe-senen Erfolgsmarathon, das ihm jahre-lang weltweit 17 Wettbewerbsgewinne und Spezialpreise in ununterbroche-ner Folge beschert hatte, war Glemser 1989 zum jüngsten Klavierprofessor Deutschlands an die Musikhochschule

„Ich glaube fest an die Kraft der Musik“

sum von Pascal Amoyel werden sollte. „Pascal Amoyel … besitzt eine extrem abwechslungsreiche Palette von Klangfarben. Mit seinen Klangbildern stellt der Interpret nicht seine techni-sche Meisterschaft heraus, seine tech-nische Virtuosität stellt vielmehr seine meisterhafte musikalische Gestaltung heraus.“ (Petersburg Klassika)

Alexander SCRIABIN (1872-1915)Sämtliche Poèmes und andere Klavierstücke

Pascal Amoyel, KlavierCALL 9353 (T01)

Der Klangfarbenzeichner

Wunder, daß Glemser immer wieder Zeit und Kraft für seine Aufgaben als vierfacher Familienvater findet. Doch gerade das könnte auch das Geheim -nis sein, das hinter der fast unbe -zwingbaren Energie dieses Ausnahme-künst lers steht, der auf der vorlie-genden CD sei ne besonders innige Bezie hung zu Ser gej Rachmaninoff doku mentiert, der als Pianist und als Komponist gleicher maßen einen legen dären Ruf eroberte.

Frédéric CHOPIN (1810-1849)Sämtliche Nocturnes, Berceuse op. 57Pascal Amoyel, KlavierCALL 9351.2 (M02)

Bernd GlemserFoto: Oli Rust

Page 14: harmonia mundi MAGAZIN · 2010. 5. 17. · harmonia mundi magazin 3 der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen

harmonia mundi magazin14

… weitere interessante Neuheiten

G. P. TELEMANN (1681-1767)Suite „Die Dirne“, Tafelmusik Nr. 1,

Oboenkonzert c-moll, Konzert für Violine und Trompete D-DurEnsemble Stradivaria,

Leitung: Daniel Cuiller

MIR 011 (T01)

Domenico SCARLATTI (1685-1757)

18 SonatenAline Zylberajch, Fortepiano

AMY 002 (T01)

G. F. HÄNDEL (1685-1759)Suiten HWV 430, 431, 433 & 436, Chaconne G-Dur HWV 435 u. a.Anne Queffélec, Klavier

MIR 010 (T01)

Deutsche Volksliederin Sätzen von Brahms, Reger und SilcherDie Singphoniker

OC 548 (I01)

Page 15: harmonia mundi MAGAZIN · 2010. 5. 17. · harmonia mundi magazin 3 der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen

harmonia mundi magazin 15

Möchten Sie unser harmonia mundi magazin regelmäßig lesen? Wir schicken es Ihnen gerne kostenlos zu.Kurze Mitteilung an [email protected] oder die im Impressum genannte Adresse genügt!

IMPRESSUMHerausgeber: helikon harmonia mundi GmbHWernher-von-Braun-Straße 13 · D-69214 EppelheimRedaktion: Michael Blümke, Texte: Detmar HuchtingGraphik/Layout: Global Media

J. S. BACH (1685-1750)Brandenburgische Konzerte

BWV 1046-1051 u. a.The Boyd Neel String Orchestra,

Leitung: Boyd Neel

CDEA 9759 (E02)

THE ART OF CONSTANT LAMBERTWerke von Arthur Bliss, Gavin Gordon, William Walton und Constant Lambert

Verschiedene Orchester, Leitung: Constant Lambert

CDEA 9761 (E01)

Tom SORA (*1958)Music for mechanical and electronic instruments: 20 Töne, Destillation, Drei AngriffeTom Sora, Klavier, Kurbelspieluhr & Stimmen

COL 40001 (T01)

ORCHESTRAL JEWELSOrchestermusik von Ermanno Wolf-Ferrari, Oscar Straus, George Scott-Wood und Charles WildmanVerschiedene Orchester unter Leitung der Komponisten

CDEA 9760 (E01)

Fabián PANISELLO (*1963)Trio II, Moods II, Fulgurar, I don’t feel low, Cuatro Poemas de Alejandra Pizarnik u. a.

Plural Ensemble & Ensemble Varianti, Leitung: Fabián Panisello

COL 20209 (T01)

Page 16: harmonia mundi MAGAZIN · 2010. 5. 17. · harmonia mundi magazin 3 der Dirigenten, was auch dadurch begünstigt wurde, daß Bruckner im Gegensatz zu Mahler nur sehr unge-naue Spielanweisungen

harmonia mundi magazin16

Leidenschaftlich und stürmisch„Einem volkstümlichen und ziem-lich verbreiteten Glauben in Italien zufolge sind Rothaarige leidenschaft-liche und stürmische Persönlichkeiten: Die Instrumental- und Vokalwerke von Antonio Vivaldi – prete rosso genannt wegen seiner roten Haare – zeugen ohne Zweifel von einem sol-chen Cha rakter; und der schnelle, nervöse, geradezu chaotische Ein-druck, den der Blick auf sein e Noten-handschrift vermittelt, bestätigt diese Erkenntnis zu sätzlich. Seine Musik jedoch – in ihrer offenkundigen Leichtigkeit und ihrer oft als Selbst-zweck aufgefaßten Virtuosität – ist häufig mißverstanden worden. Sie ist nämlich durchaus fähig, eine un end-liche Vielfalt von Seelenzustän den auszu drücken.“So charakterisiert Enrico Onofri Vivaldis Komponistenpersönlichkeit und führt weiter aus, daß der Kom-ponist abseits jedes Stereotyps der zu Beginn des 18. Jahrhunderts moder-nen Affektenlehre als Meister der Schilderung menschlicher Leiden-schaften brillierte. Der 1678 geborene Künstler fühlte sich noch besonders den Maximen des 17. Jahrhunderts verbunden, das sich der Schilderung der menschlichen Leidenschaften ver-schrieben hatte.Der Bassist Lorenzo Regazzo, Venezia-ner wie Vivaldi, spürt der gemeinsa-men Heimat nach und sieht „inmitten der Menschenmenge einen atemlo-sen Antonio Vivaldi zum Ospedale della Pietà eilen, um pünktlich den Unterricht seiner Schüler zu errei-chen“, oder er schildert den prete rosso als stets in Zeitnot befindlichen Impresario des Teatro Sant’Angelo. „Ich stelle mir allerdings auch vor, wie er sich neugierig umsieht, um keinen Augenblick zu verlieren, der die Inspiration nähren könnte: Ein baufälliger Campanile, eine besondere Lichtbrechung über dem Wasser der Kanäle – sinnliche oder „naturalisti-sche“ Inspirationen, die eine unbe-zwingbare Schaffenslust nähren.“

Antonio VIVALDI (1678-1741)

Violinkonzerte „Grosso Mogul“ RV 208, „L‘Inquietudine“ RV 234,

„Il Sospetto“ RV 199, „La Caccia“ RV 362, „Il Riposo“ RV 270

& g-moll RV 332Academia Montis Regalis,

Violine und Leitung: Enrico OnofriOPS 30-417 (T01)

Lorenzo RegazzoFoto: DR

Antonio VIVALDI (1678-1741)Arie per basso (Arien aus Armida, Tito Manlio, Orlando furioso, Semiramide, Il Farnace, La Silvia, L‘Adelaide und L’Olimpiade)Lorenzo Regazzo, Baß – Concerto Italiano, Leitung: Rinaldo AlessandriniOPS 30-415 (T01)

EMPF

OHLEN VON