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Philippe Herreweghe IV/2007

harmonia mundi MAGAZIN IV-07.pdf · 2 harmonia mundi magazin Zum 60. die 80. Philippe Herreweghe feiert Geburtstag Kaum zu glauben – Philippe Herre-weghe wird 60 Jahre alt! Und

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Philippe Herreweghe

IV/2007

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2 harmonia mundi magazin

Zum 60. die 80.Philippe Herreweghe feiert GeburtstagKaum zu glauben – Philippe Herre-weghe wird 60 Jahre alt! Und eben so imponierend: Die beiden hier ver-öffentlichten Neuaufnahmen sind schon die 79. und 80. Einspielung von Philippe Herreweghe bei har-monia mundi. Seit 1981 besteht die Verbindung zwischen dem Künst -ler und seiner Plattenfirma, Herre-weghes Diskographie bei harmo-nia mundi ist also so etwas wie eine musikalische Biographie des am 2. Mai 1947 in Gent geborenen Musikers.

Musik spielte von Kinderzeiten an eine bestimmende Rolle in Philippe Herreweghes Leben: „Wir hatten täg-lich eine Stunde Chorgesang“, erin-nert er sich an seine zwölf Jahre auf der Jesuitenschule. Daneben gab es ein alljährlich unter der Leitung Bernard Haitinks in der Kathedrale St. Bavo stattfindendes Bruckner-Fest. „Ich war damals auf Anhieb in diese Musik verliebt. Bach und Bruckner waren die Heroen meiner Kindheit.“Herreweghes eigener musikalischer Werdegang verlief einzigartig: Er stu-dierte Klavier am Konservatorium sei-ner Heimatstadt, nahm dann aber auf Anraten seines Vaters ein Studium der Medizin und Psychiatrie auf. Doch die Musik ließ ihn nicht los: Schon während seiner Studienzeit gründete er 1970 in seiner Heimatstadt das Collegium Vocale Gent. Nikolaus Har-noncourt und Gustav Leonhardt wur-den auf ihn aufmerksam und luden

Heinrich SCHÜTZ (1585-1672)Opus ultimum – SchwanengesangCollegium Vocale Gent & Concerto Palatino, Leitung: Philippe HerrewegheHMC 901895.6 (P02)

ihn ein, an der von den beiden gemein-sam realisierten Gesamt einspielung von Bachs Kantatenwerk mitzuwir-ken. So zog Herreweghe den wei-ßen Kittel aus und wurde Musiker – einer der beiden Heroen seiner Kind-heit hatte ihn eingeholt.1977 wurde man in Paris auf Herre-weghes außerordentliche Begabung aufmerksam. Aus der Einladung, in der französischen Hauptstadt künst-lerisch tätig zu werden, erwuchs schnell die Gründung seines fran-zösischen Ensembles, der Chapelle

Royale. Diese war indes nicht allein dafür bestimmt, die großartige Barock-musik der ‚Grande nation‘ von Lully, Rameau und anderen aufzuführen. Ge meinsam mit dem Genter Colle-gium Vocale entstanden Aufnahmen von Passio nen und Kantaten von Johann Se bastian Bach, die in ganz Europa Maßstäbe setzten. Herre -weghes interpretatorischer Ansatz, der gleichermaßen die dramatischen wie die innigen Akzente der Werke beton-te, wurde damals in der ganzen musikalischen Welt wie

Robert SCHUMANN (1810-1856)Sinfonien Nr. 1 B-Dur op. 38 „Frühlingssinfonie“ & Nr. 3 Es-Dur op. 97 „Rheinische“Orchestre des Champs Élysées, Leitung: Philippe HerrewegheHMC 901972 (T01)

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OHLEN VON

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OHLEN VON

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eine befreiende Botschaft aus der Welt musikalischer Ideologien empfunden, die sich seinerzeit in unversöhnlicher Gegen sätzlichkeit gegenüberstanden.Herreweghes vorurteilsfreie Haltung gegenüber der musikalischen Überlie-ferung drückt sich auch in der Breite seines musikalischen Repertoires aus: Von Palestrina bis Schönberg spannt sich der Bogen seiner Einspielungen und deckt so fünf überaus ereignisrei-che Jahrhunderte Musik geschichte ab. Die beiden Neuveröffentlichungen bezeugen die Aktualität von Herre-weghes breiter musikalischer Aus-richtung: Mit dem Schwanengesang erklingt das letzte Werk des größten deutschen Komponisten vor Bach,

gewissermaßen das musikalische Testament von Heinrich

Schütz, den der Drei-

ßigjährige Krieg persönlich schwer getroffen hat und der den Tod in dem für seine Zeit überaus hohen Alter von 87 Jahren gewiß als Freund begrüßt haben wird. Auf der zweiten Jubilä-umsveröffentlichung sind zwei Sinfo-nien Schumanns zu hören, die Herre-weghes Klangsinnlichkeit bestens ins Licht setzen; die Rheinische und die Frühlingssinfonie legen ein weiteres beredetes Zeugnis für Herreweghes intimes Verhältnis zur Musik der deut-schen Romantik ab.

harmonia mundi magazin

Philippe Herreweghe by himself2 CDs: 25 Jahre Schallplatten geschichte mit Philippe Herreweghe1 DVD: „Philippe Herreweghe – Das Wort macht den Gesang“ (Film von Sandrine Willems)HMX 2908226- (I03)

„Das, was Töne zu schaffen im stande sind, vermag Herreweghe zu ergründen.“LEIPZIGER VOLKSZEITUNG

tem Repertoire von Schütz bis Weill und bietet obendrein noch auf einer beiliegenden DVD eine filmische Dokumentation von Philippe Herre-weghes künstlerischem Wirken vom Anbe ginn bis in die heutige Zeit.

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Als besonderes Geburtstagsgeschenk für alle Herreweghe-Fans bringt harmonia mundi eine Retro -spek tive heraus, die der Künst-ler selbst zusammen ge stellt hat. Auf zwei CDs speist sich diese Auswahl aus Herreweghes gesam-

Paisajes del recuerdoLieder zeitgenössischer baskischer KomponistenCarlos Mena, Countertenor & Susana García de Salazar, KlavierHMI 987073 (T01)

derartige Schwierigkeiten, daß ein spanisches Sprichwort das Erlernen dieser Sprache unter die Höllenstrafen einordnet. In der Antike über weite Bereiche Südfrankreichs verbreitet, hat das Baskische und seine Kultur in dem kleinen Gebiet des spanischen und französischen Baskenlandes über-lebt und verfügt heute über 600.000 bis 800.000 Sprecher, die Baskisch als ihre Muttersprache bezeichnen. Abgesehen von wenigen gedruckten Veröffentlichungen hat die baskische Kultur lange im alltäglichen mündli-chen Gebrauch überlebt. In der Mitte des 19. Jahrhunderts begannen die Basken indessen, ihr eigenes kulturel-les Erbe zu entdecken; Sammlungen von Überlieferungen der Volkskultur wurden angelegt (aus einem ähnlichen romantisch-volkstümlichen Impuls, der in Deutschland die Sammlung Des Knaben Wunderhorn initiierte). Carlos Menas baskische Reise beginnt bei dem Priester und Komponisten

Landschaften der ErinnerungSeiner Heimat widmet der 1971 in der Hauptstadt des Baskenlandes Vitoria-Gasteiz geborene Carlos Mena seine neueste Einspielung. Die 32 Lieder der CD folgen den Spuren der baskischen Musik von den Anfängen des 20. Jahrhunderts bis in die neueste Zeit.

Das Baskenland ist durch die unseli -gen Terroraktivitäten einer kleinen radikalen Minderheit seit langem in unseren Nachrichtensendungen prä-sent. Kaum jemand weiß indes, daß es sich bei diesem kleinen Volk um die einzige Gemeinschaft in Europa handelt, die sich in ihrer Kultur noch vor die Einwanderung der ersten Indoeuropäer in den von ihnen seither geprägten Kontinent zurückverfolgen kann. Ihre Sprache ist die älteste Euro-pas und gilt in der Sprachwissenschaft als „isoliert“, also mit keiner ande-ren Sprache der Welt verwandt; und Baskisch stellt jeden Lernwilligen vor

Carlos MenaFoto: Luis Montesdeoca

4 harmonia mundi magazin

José Antonio de Donostia (1886-1956), der Klavierwerke, Orchester-musik und Chorsätze hinterließ und überdies ein herausragender Musik-wissenschaftler war. ‚Aita Donostia‘ (Vater Donostia) wird er im Basken-land genannt und wirkte in seiner Heimat wie Zoltán Kodály in Ungarn: Er sammelte Volkslieder, versah sie mit Klavierbegleitung und veröffent-lichte sie in gedruckten Sammlungen. Die Wirren des spanischen Bürger-krieges zwangen den unkriegerischen Vorkämpfer der baskischen Identität zur Emigration nach Frankreich, seine wichtige Stellung für die baskische Kultur blieb indessen ungebrochen. Zahlreiche Komponisten folgten dem Beispiel von Vater Donostia. Zusätz liche Bereicherung erfuhr das Lied schaffen von Pagola, Zubeldia, Uru ñuela und anderen durch folk-loristische Traditionen wie etwa der des Tanzes Zortziko mit seiner cha-rakteristischen Rhythmik. Von dem Repertoire aus der Zeit vor dem Bür-gerkrieg und der Franco-Diktatur führt eine direkte Linie zum wieder-erwachten baskischen Nationalbe-wußtsein, das in einem solchen kul-turellen Wiedererwachen einen Weg in eine friedliche Zukunft abseits terro ristischer Gewalt zeigt. In diesem Sinne möchte auch Carlos Mena seine baskische Reise verstanden wissen: Mit diesem Programm von Liedern, die noch nie auf CD erklungen sind, offenbart er eine bisher verborgen-gebliebene poetische Seite seiner Heimat.

mit Carlos Mena zuletzt erschienen:

LA CANTADA ESPAÑOLA EN AMÉRICAKompositionen von José de Nebra und José de TorresAl Ayre Español, Leitung: Eduardo López BanzoHMI 987064 (T01)

„Ein Glücksfall für

diese Musik“

TOCCATA„Eine brillante Aufnahme“

SÜDWESTRUNDFUNK„Ein reiner Genuß!“

CRESCENDO

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OHLEN VON

5harmonia mundi magazin

Versenkung in die Mysterien der Passion

Als Organist an der Marienkirche zu Lübeck bekleidete Buxtehude eines der am höchsten angesehenen kir-chenmusikalischen Ämter im nord-deutschen Raum. Schnell etablierte er sich als eine außergewöhnliche Erscheinung im damals musikalisch hochkarätigen Musikleben Nord-deutschlands. Reinken, Theile und Bruhns waren andere bedeutende norddeutsche Musiker, die in den letzten Jahren verstärkt in das musi-kalische Bewußtsein zurückkehrten, nicht zuletzt dank ihrer in Gustav Dübens Sammlung bewahrten Werke. Buxtehude indes muß auch unter ihnen als Ausnahmeerscheinung gel-ten: Das Publikum strömte in seine musikalischen Veranstaltungen in der monumentalen Marienkirche, die als „Abendmusiken“ an den fünf Sonnta-gen der Vorweihnachtszeit am späten

Nachmittag stattfanden. Abwechs-lungsreiche Programme prä-

sentierten eine reichhaltige Auswahl aller mög lichen Genres der geistlichen Musik von oratorischen Werken bis hin zu Kir-chenliedern, Psalm ver-tonungen, Kan taten und Instrumentalmusik.

Im Jahr 1680 widmete Dietrich Buxtehude, Organist an der Marien-kirche zu Lübeck, dem Hofkapell-meister des schwedischen Königs – seinem „verehrten Freund Gustav Düben“ – eine ungewöhnliche Pas -sionsmusik mit dem Titel Membra Jesu Nostri. In sieben Kantaten ver -einigt das Werk meditative Betrach-tungen von sieben Gliedmaßen des leidenden Jesus Christus.

Von der Empore der deutschen Kirche in Stockholm, die zu dieser Zeit auch Hofkirche war, sind die Membra Jesu Nostri vermutlich zum ersten Mal erklungen. Buxtehude stand zur Zeit ihrer Entstehung auf der Höhe seines Ruhms als Komponist. Der nordi-schen Sphäre war der im holstei-nischen Oldesloe geborene Buxtehude eng verbunden: Sein Vater bekleidete in Helsingør und Helsingborg musi-kalische Ämter, und auch für ihn selbst wurden die Städte erste Statio-nen seiner beruflichen Laufbahn. 1668 wurde Buxtehude auf die Stelle des Organisten der Lübecker Marien-kirche berufen, und er übte dieses Amt bis zu seinem Tod im Jahr 1707 aus.

Buxtehude gilt als der bedeutend ste Vertreter der norddeutschen Barock-musik vor Johann Sebastian Bach, der 1705, zwei Jahre vor dem Tod des Meisters, nach Lübeck pilgerte, um sich bei ihm zu vervollkommnen. Statt der ursprünglich beantragten vier Urlaubswochen dehnte Bach die Zeit in Lübeck auf vier Monate aus. Die Vorhaltungen seiner Vorgesetzten ob seiner Urlaubsüberschreitung fand er kaum einer Erwiderung wert: Wenn es darum ging, bei Buxtehude „ein oder anderes in seiner Kunst zu begrei-fen“ (so seine lakonische Erklärung), schien ihm seine Eigenmächtigkeit völlig berechtigt.Bereits 1990 hatte René Jacobs mit seinem Ensemble Concerto Vocale die Membra Jesu Nostri für harmonia mundi eingespielt; 2005, fünfzehn Jahre nach dieser Premiere, wurde mit nahezu der gleichen Besetzung diese DVD in der schweizerischen Abteikirche von Payerne aufgenom-men. Die ruhige Bildführung, die den geistlichen Raum in ein Licht setzt, das der geistlichen Atmosphäre dieser Werke bestmöglich dient, trägt ein übriges dazu bei, diese Aufführung der Membra Jesu Nostri zu einem außeror-dentlichen Erlebnis werden zu lassen.

Dietrich BUXTEHUDE (1637-1707)

Membra Jesu NostriMaría Cristina Kiehr &

Rosa Dominguez, Sopran – Andreas Scholl, Altus –

Gerd Türk, Tenor – Ulrich Messthaler, Baß –

Schola Cantorum Basiliensis – Chiara Banchini, Konzertmeister –

Leitung: René JacobsHMD 9909006 (U01)

René JacobsFoto: Eric Larrayadieu

6 harmonia mundi magazin

Ein Tanz über das Wesentliche des Lebens

beispielhafte Erfolge dieser Künstler-gemeinschaft, die mit der Urauffüh-rung von Signes am 27. Mai 1997 an der Pariser Bastille-Oper einen weite-ren Höhepunkt erreichte.René Aubry, der seinen Weg zur Musik als Autodidakt fand, ist über seine Erfolge im Ballett hinaus als Komponist auch in anderen Feldern erfolgreich: Eine intensive künstleri-

sche Gemeinschaft verbindet ihn mit dem Marionettentheater von Philippe Genty, überdies ist Aubry auch ein erfolgreicher Filmkomponist – die Musiken zu La Révolte des enfants (1991), Killer Kid (1994) und Mala-bar Princess (2003) entstammen seiner Feder.

Die Beziehungen zwischen den Lebe - wesen, Existenzen, deren Wege sich kreuzen, der unerwartete Tod und die wiedergeborene Natur sind die Themen, mit denen sich Signes aus -einandersetzt. Noch ehe die Cho-reographie zu entstehen begann, hatte

der Maler Olivier Debré dem Ballett mit dem Entwurf der Bühnenbilder be -reits einen szenischen Rahmen gegeben und

der Choreographin Caro -lyn Carlson vielfältige Ein-

gebungen zur Gestaltung des Stoffes vermittelt.Der Komponist der Musik zu

Signes, der 1956 geborene René Aubry, ist ein vertrauter Weg-

begleiter von Carolyn Carlson. Seit nahezu dreißig Jahren arbei-ten der Musiker und die ameri-

kanische Choreographin nun schon zusammen; die Ballette Steppe und Après la pluie sind

Raus aus dem MonsterkäfigEbenso wie Lessing mit seinem Stück Emilia Galotti (kürzlich bei BelAir als BAC 62192 erschienen) Schick-salsfragen seiner Zeit auf die Bühne brachte, widmet sich Andreas Veiel in seinem Film Der Kick bedrängen-

den Problemen der Gegenwart. Ein brutaler Mord unter rechtsradikalen Jugendlichen löste im Jahre 2002 lan-desweit Entsetzen aus: In Potzlow, einem Dorf in der Uckermark, miß-handelten und ermordeten drei junge Männer aus dem rechtsradikalen Milieu einen befreundeten 17jährigen nach dem Vorbild einer Szene aus

Signes (Ballett in 7 Bildern)

Choreographie: Carolyn Carlson, Musik: René Aubry

Marie-Agnès Gillot & Kader Belarbi, Étoiles –

Ballett der Opéra National de Paris

BAC 018 (W01)

Der KickEin Film von Andreas VeielDarsteller: Susanne-Marie Wrage & Markus LerchBAC 62193 (T01)

dem Spielfilm American History X. Nach der Tat stürzte sich ein Heer von Presseleuten auf die Dorfbewohner und die Freunde von Opfer und Tätern. Die Konsequenz: Verbitterung und Mauern des Schweigens. Andres Veiel und seine Co-Autorin Gesine Schmidt wollten im Dialog mit Beteiligten und Betroffenen etwas anderes erfahren als die medial ver-mittelte „Wahrheit“. In intensiven Gesprächen mit den Familien der Täter und den Freunden des Opfers rekonstruierten sie Hintergründe und Umstände der Tat.Diese Recherchen mündeten in das Theaterstück Kick, das auch dem preisgekrönten Film auf dieser DVD zugrunde liegt. „In den meisten Debatten wurden die Täter in einen Monsterkäfig gesperrt. Ich wollte sie da von Anfang an herausholen. Wir müssen uns die Täter als Menschen vorstellen. Wir geben ihnen eine Biographie. Das ist die eigentliche Provokation.“ (Andreas Veiel)

Männer aus dem rechtsradikalen Milieu einen befreundeten 17jährigen

Darsteller: Susanne-Marie Wrage

Carolyn CarlsonFoto: Laurent Philippe

harmonia mundi magazin 7

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts machte der Russe Sergej Diaghilew in Paris mit seinen Ballets russes Furore. In seinem Lebensstil zu unkonventionell und in seinen Kunstauffassungen zu avantgardi-stisch für das zaristische Rußland, hatte sich Diaghilew die franzö-sische Hauptstadt als Bühne für seine theatralischen Experimente erkoren.

1913 hatte die Uraufführung von Strawinskys Ballett Le sacre du print-emps einen Theaterskandal mit hand-greiflichen Auseinandersetzungen im Publikum provoziert; doch Diaghilew hielt unbeirrt an seinem Traum vom Gesamtkunstwerk fest, das im Ballett bildende Kunst, Musik, Tanz und Literatur miteinander verband. Als 1912 Richard Strauss und sein Lib -rettist, der Dichter Hugo von Hof-

Skandal und Betörung – Russisches Ballett in Paris

Richard STRAUSS (1864-1949)

Josephs Legende op. 63 (Ballettpantomime von Harry Graf Kessler und

Hugo von Hofmannsthal)Budapest Festival Orchester,

Leitung: Iván FischerCCS 24507 (T01)

mannsthal, begeistert einen Auftritt der Kompanie Diaghilews in Berlin erlebt hatten, entwarf Hofmannsthal mit seinem Freund Harry Graf Kessler ein Ballett über die alttestamentari-sche Geschichte des jungen Joseph und die vergeblichen Verführungs-künste von Potiphars Weib. Diaghilew willigte in das Projekt ein, Richard Strauss übernahm die Komposition, im Februar 1914 war die voluminöse Partitur abgeschlossen. Am 14. Mai 1914 fand an der Pariser Opéra die Uraufführung des Stücks unter der Leitung des Komponisten statt.„Hätte Nijinsky damals die Rolle des schönen, attraktiven Joseph getanzt, zählte man dieses Werk heute vielleicht zu den ganz großen Meisterwerken von Richard Strauss. Das Ballett war ja eindeutig für ihn komponiert und auf ihn, das Sexsymbol seiner Zeit, zuge-schnitten. Mit seinen unvergleichlichen

künstlerischen Fähigkeiten, seiner Tanz-technik und seinen der Schwerkraft sich entziehenden Sprüngen wirkte er auf Männer wie Frauen gleichermaßen unwiderstehlich.Man muß nicht abergläubisch sein, um zwischen der Geschichte des Joseph und der von Nijinsky eine mystische Verbindung zu erkennen. Unglaublich, aber wahr: Just als Strauss sich mit dem Vertonen der Verführungskünste von Potiphars Frau beschäftigte, ließ sich Nijinsky auf einem transatlantischen Schiff von der ungarischen Schönheit Romola de Pulsky verführen. Die Affäre und die darauffolgende Hochzeit hatten den Bruch mit Diaghilews Ballettkom-panie zur Folge sowie die traurige Tat-sache, daß Nijinsky die Rolle des Joseph nie tanzen sollte.Das Stück ist außerordentlich schwer. Mit dem Budapest Festival Orchester haben wir lange, mühevolle Proben-arbeit geleistet und bewußt viele Kon-zerte angesetzt, um die großen Schwie-rigkeiten einer Einspielung bewältigen zu können. Unserer Meinung nach ist die Josephs Legende ein wunderbares, reiches, besonders lyrisches Werk und verdient einen Platz unter den besten Kompositionen von Richard Strauss. Ich danke allen Musi kern, die sich mit ihrem Spiel dieser anspruchsvollen Auf gabe so hin gebungsvoll gewidmet haben.“ (Iván Fischer)

zuletzt mit Iván Fischer und dem Budapest Festival Orchestra erschienen:

Gustav MAHLERSinfonie Nr. 2 c-moll „Auferstehung“Lisa Milne, Sopran – Birgit Remmert, Alt – Ungarischer RundfunkchorCCS 23506 (M02)

„A version that goes right

to the top of the catalogue“

THE GRAMOPHONE„Wahrhaftes Hörvergnügen“

KLASSIK.COM

Iván Fischer

harmonia mundi magazin8

Anton BRUCKNER (1824-1896)

Sinfonie Nr. 2 c-moll (Erste Konzeptversion, 1872)

Philharmoniker Hamburg, Leitung: Simone Young

OC 614 (Q01)

mit der 2. Sinfonie Bruckners in der Urfassung von 1872 liegt nun vor. In frappierender Weise wird beim Hören der vorliegenden Version deut-lich, wie viel Bruckners Musik in den späteren, ‚angepaßsten‘ Fassungen in formaler Hinsicht an Ungestüm und Originalität verloren hat. Die Zweite in dieser Urfassung, von William Carragan 2005 herausgegeben, zeigt die ganze kreative Energie eines Sinfonikers, der im Begriff ist, die musikalische Welt zu erobern.

„Für spätere Zeiten, und zwar für einen Kreis von Freunden und Ken-nern“ bestimmte Bruckner die Ur -fassungen seiner Symphonien. Der Komponist ließ sich zwar von ‚wohl-meinenden‘ Ratgebern dazu bewegen, seine Sinfonien so zu revidieren, daß sie für das zeitgenössische Publikum leichter verständlich waren; sein Herz scheint indessen den ersten Konzep-tionen der Werke gehört zu haben.Simone Young, seit 2005 in Hamburg erfolgreiche Opernintendantin und Generalmusikdirektorin, hält mehr als 100 Jahre nach der Uraufführung der Sinfonien die Zeit für gekommen, die Werke endlich in ihren Urfassungen zu präsentieren. Somit bildet die Auf-führung von Bruckner-Sinfonien in ihrer jeweiligen Urfassung einen Schwerpunkt der sinfonischen Kon-zertprogramme von Simone Young mit den Philharmonikern Hamburg – OehmsClassics wird die Reihe auf SACD dokumentieren. Der Mit-schnitt des Konzerts vom März 2006

Zurück zu den Urfassungen

Alle Neune

Ludwig van BEETHOVEN (1770-1827)Die neun SinfonienRundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken, Leitung: Stanislaw SkrowaczewskiOC 526 (F06)

Nach dem Abschluß der Gesamtauf nahme von Beethovens neun Sinfo nien durch das Rundfunk-Sinfonie orchester Saarbrücken unter der Lei tung von Stanislaw Skrowaczewski erscheint die Gesamtaufnahme jetzt als Box mit 6 CDs zum Sonderpreis. Die Veröffentlichung dieses Zyklus war von Anfang an durch hymnische Pressestimmen begleitet:an durch hymnische Pressestimmen begleitet:

„Skrowaczewski und seine Mitstreiter können

sich mühelos gegen die Kon kurrenz der Zinman,

Abbado oder Rattle behaupten. Wenn irgendwo

eine Synthese von „klassizistischer“ Beethoven-

Auffassung und historischer Aufführungspraxis

gelungen ist, dann hier.“

KLASSIK.COM

„Eine impulsiv erregte Leseart

voller Leben und einer fein durch-

gestalteten Dramaturgie.“

MUSIK & THEATER

„Auf eindringliche Weise zeigt Skrowaczewski

nun mit seinem Beethoven, daß man für eine

durchaus zeitgemäße Interpretation nicht

zwangsläufig auf ein altes Instrumentarium und

eine wie auch immer historisch informierte

Auffühungspraxis zurückgreifen muß.“

FONO FORUM

„Dieser Zyklus bleibt großartig. Und

faszinierend unberechenbar. (...) Bitte

nicht lange warten: Hören und (sich)

schenken!“

HIFI & RECORDS

„This Ninth is superb - among the

best ever. (...) The Saarbrücken Radio

Symphony is a splendid orchestra.“

AMERICAN RECORD GUIDE

Simone Young

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harmonia mundi magazin 9

der Kirchenmusik ganz Besitz zu neh-men; sie liegt nämlich seit ungefähr zwanzig Jahren in den Händen mittel-mäßiger Musikschreiber, die mir frei-lich vorwerfen, keine religiöse Musik zu machen – womit sie nicht Unrecht haben, wenn man ihren Schund als Kirchenmusik bezeichnet.“ Liszt selbst beschreitet in seinem Spätwerk musi-kalisch nahezu avantgardistische Wege und geht oft an die Grenze der Tona-lität, dabei sind seine letzten Werke zutiefst von religiösem Gefühl durch -drungen. Die Atmosphäre des 1878/79 komponierten musikalischen Kreuz-wegs Via Crucis öffnet sich der Stille und der leuchtenden Nacht, der my sti-schen Nacht des Heiligen Johannes vom Kreuz.

„Ich kehre zu meinem Ausgangs-punkt zurück, dem Christentum. Die Zukunft der Welt liegt in dieser Ver-gangenheit und die letzte Weisheit im Wahnsinn des Kreuzes.“– „Mein Leben war eine einzige Verirrung der Liebe.“ Diese beiden Briefzitate beschreiben gut den Zwiespalt, der das innere Leben des Komponisten bestimmte. Beide Briefe waren an Frauen gerichtet, mit denen Liszt Jahre seines Lebens verbrachte: Marie d’Agoult, mit der er jahrelang in wil-der Ehe zusammenlebte und drei Kinder hatte (darunter Tochter Cosima, die Richard Wagner heira-tete), und Fürstin Caroline Sayn-Wittgenstein, der bestimmenden Frauen gestalt der letzten vier Jahr-zehnte seines Lebens.Hatte Liszt schon als Sechzehnjähriger mit dem Gedanken gespielt, Priester zu werden, so vollendete sich seine Hinwendung zum Christentum 1865, als er auf dem Höhepunkt seiner Karriere die niederen Weihen erhielt und sich fortan Abbé Liszt nannte. Der Pflege der Kirchenmusik galt fort-an seine besondere Aufmerksamkeit. Nach intensiver Auseinandersetzung mit den Werken von Palestrina, Lasso und Bach setzt er sich zum Ziel „von

Versenkung und Versuchung – Franz Liszt zwischen Religion und Eros

Franz LISZT (1811-1886)Via Crucis, Harmonies poétiques et religieuses (Auszüge)Kammerchor Accentus, Leitung: Laurence Equilbey – Brigitte Engerer, KlavierAV 5061 (T01)

„Auf eindringliche Weise zeigt Skrowaczewski

nun mit seinem Beethoven, daß man für eine

durchaus zeitgemäße Interpretation nicht

zwangsläufig auf ein altes Instrumentarium und

eine wie auch immer historisch informierte

Auffühungspraxis zurückgreifen muß.“

FONO FORUM

„This Ninth is superb - among the

best ever. (...) The Saarbrücken Radio

Symphony is a splendid orchestra.“

AMERICAN RECORD GUIDE

Der heilige Franz drängte seine Gefolgschaft „durch die Welt zu gehen, Gott zu preisen und sein Wort zu verkünden, …zuerst soll einer von

Das musikalische Vermächtnis des Franziskus von Assisi

denen, die es können, dem Volk pre-digen und danach sollen sie Gottes Lob als Spielleute Gottes singen.“ Bewußt setzte sich die neue Bewegung

vom Gregorianischen Gesang ab, der das weltabgewandte kontemplative Leben der Klöster widerspiegelte. Die Gefolgschaft des hl. Franz wollte die Bevölkerung in den aufblühen-den Städten des Mittelalters errei-chen und bediente sich musikalisch weltlicher Vorbilder wie beispielsweise der von Franziskus hochgeschätzten Troubadour-Lyrik. Die Stücke die-ser CD spiegeln 250 Jahre der Ent-wicklung dieser religiösen Volksmusik vom späten 13. Jahrhundert bis hin zu polyphonen Vertonungen des frühen 16. Jahrhunderts.

Joculatores Dei – Spielleute GottesDie Lauda im mittelalterlichen ItalienEnsemble Vox Resonat, Leitung: Eric MentzelRK MA 20012 (T01)

Laurence EquilbeyFoto: Laure Vasconi

10 harmonia mundi magazin

Reif für ein Streichquartett

haltlos für das Werk César Francks ein setzte.Die Musiker des Quatuor Ysaÿe empfinden das Plädoyer ihres Na -menspatrons für das Wirken des großen französischen Romantikers als Verpflichtung; es war ihnen ein Bedürfnis, „diese Werke, die den expressiven Höhepunkt der Epoche darstellen“, hier gemeinsam mit dem Pianisten Pascal Rogé für die CD einzuspielen.

Als Ludwig van Beethoven Anfang der 1790er Jahre nach Wien kam, um „Mozarts Geist aus Haydns Händen“ zu erhalten, wie ihm ein Bonner Freund ins Stammbuch geschrieben hatte, war er sich selbst möglicher-weise noch nicht im klaren darü-ber, welche revolutionierende Kraft in seinen kompositorischen Fähigkeiten steckte. Er wurde indes bald eines Besseren belehrt, da er schnell eine Popularität in der Kaiserstadt gewann, die nur mit dem heutigen Kult um Popstars zu vergleichen ist. Man kann sich gut vorstellen, daß ein kultur-beflissener Wiener zu einem Freund

Genie auf eigenen Wegen

César FRANCK (1822-1890)

Streichquartett D-Dur, Klavierquintett f-moll,

Violinsonate A-DurQuatuor Ysaÿe &

Pascal Rogé, KlavierYR 03 (Q02)

Das Programm dieser Doppel-CD spannt einen weiten Bogen über Francks Schaffen, ist sein Klavier-quintett doch eine Komposition des 12jährigen, während die 1886 ent-standene Violinsonate und das Streichquartett dem Spätwerk an -gehören. Sowohl die Violinsonate wie auch das Streichquartett sind eng verbunden mit dem Geiger Eugène Ysaÿe (1858-1931), der beide Werke uraufführte und sich überdies rück-

„Ich glaube, daß ich nun fähig bin, ein Streichquartett zu komponie-ren“, vertraute César Franck 1889 einem Schüler an. Der Komponist war damals 67 Jahre alt, ein Jahr später sollte er sterben. Die Kammermusik des 19. Jahrhunderts sprach deutsch, und auch Franck selbst hatte deut-sche Wurzeln: Seine Eltern stammten aus Aachen, zogen indes nach ihrer Hochzeit nach Lüttich, um sich dann, als die musikalische Begabung des Sohnes sich zeigte, in Paris nieder-zulassen. Hier empfing César Franck seine Ausbildung, hier wurde er der gefeierte Organist, hier erlangte er in zähem Ringen schließlich seine Anerkennung als Komponist. Ab 1872 unterrichtete César Franck am Pariser Konservatorium und zählte eine Elite der kommenden französi-schen Musik wie d‘Indy, Chausson, Duparc und Lekeu zu seinen Schü-lern.

Ludwig van BEETHOVEN (1770-1827)Streichquartette op. 18 Nr. 2 G-Dur & Nr. 3 D-DurQuatuor MosaïquesAV 8902 (T01)

über Beethoven hätte sagen können: „Meine Frau sagt, unsere Tochter fin-det ihn genial!“ Das Quatuor Mosaïques hat seine Annäherung an Beethovens Streich-quartettschaffen am Anfang begon-nen: Die Quartette op. 18 zeigen besonders die Verwurzelung der Gat-tung im Schaffen Joseph Haydns, des „Erfinders“ des Streichquartetts, die Beethoven sicher deutlich empfun-den hat und die er in einem für sein Schaffen ungewöhnlichen Maß respektiert, um doch auch schon in diesen ersten sechs Werken fortschrei-tend eigene Wege einzuschlagen.

von Beethovens Streichquartetten op. 18 mit dem Quatuor Mosaïques bereits erschienen:

Ludwig van BEETHOVEN (1770-1827)Streichquartette op. 18 Nr. 1 F-Dur & Nr. 4 c-mollAV 8899 (T01)

Streichquartette op. 18 Nr. 5 A-Dur & Nr. 6 B-DurAV 8901 (T01)

„Dieser Originalklang-Beethoven, sollte er

irgendwann einmal komplett vorliegen, wird

Maßstäbe setzen. Unter den ‚darmbesaiteten‘

Quartettformationen sind die Mosaïques

immer noch konkurrenzlos.“

PARTITUREN

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OHLEN VON

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11harmonia mundi magazin 11

„Dieser Originalklang-Beethoven, sollte er

irgendwann einmal komplett vorliegen, wird

Maßstäbe setzen. Unter den ‚darmbesaiteten‘

Quartettformationen sind die Mosaïques

immer noch konkurrenzlos.“

PARTITUREN

quartetts zu gehen, finden sich doch in den Werken Haydns die Funda-mente der Gattung und ihr stilisti-sches Prinzip, das auf einer absolu-ten Äquivalenz der vier Instrumente beruht,“ begründeten die Musiker damals ihre Entscheidung. Mit drei Streichquartetten Béla Bartóks wid-men sie sich auf ihrer zweiten Ein -spielung Marksteinen der Kammer-musik des 20. Jahrhunderts. Bartóks Quartettschaffen steht an Ausdrucks-kraft und Originalität Ludwig van Beethoven nahe, wie dieser hinterfrag-te Bartók unaufhörlich Bestehendes und erschloß mit der besonderen Originalität seiner Musiksprache neue Klangwelten.

„Das Quatuor Ebène ist, im besten Sinne des Wortes, ein Ensemble, das alle Qualitäten und erforderlichen Eigenschaften eines Streichquartetts beispielhaft in sich vereint [...]. Das Spiel der Franzosen war vom sympho-nischen Geist des gegenseitigen Zu -hörens, der Spontaneität der Gefühle und der rhythmischen Reak tions-fähigkeit geprägt [...]; sie behandeln so verschiedenartige Stilrichtungen wie Mozart, Beethoven oder Bartók mit derselben unfehlbaren Intelli-genz. Es war ein permanentes Ver-gnügen zu sehen, mit welcher Präsenz und Konzentration sich diese jun-gen Männer auf der Bühne des Herkulessaal behaupteten.“ Mit die -sen Worten erteilte Harald Egge-brecht 2004 dem Quatuor Ebène in der Süddeutschen Zeitung den Ritter-schlag. Dieses Reifezeugnis war um so erstaunlicher, als die Musiker zu diesem Zeitpunkt erst im fünften Jahr zusammen musizierten.Ihre im vorigen Jahr erschienende erste CD war Joseph Haydn gewid-met. „Haydn zu spielen bedeutet eigentlich, an die Quellen des Streich -

Präsenz und Konzentration

Béla BARTÓK (1881-1945)Streichquartette Nr. 1 Sz 40,

Nr. 2 Sz 67 & Nr. 3 Sz 85Quatuor ÉbèneMIR 029 (T01)

Der Sieg beim renommierten ARD-Wettbewerb in München öffnete dem Bratscher Antoine Tamestit im Sep-tember 2004 die Tore zu einer großen internationalen Karriere. Die gestren-gen Münchner Preisrichter sind dafür bekannt, daß sie erste Preise lieber einbehalten als sie zu vergeben – dem

Aufsteigender Stern am Bratschenhimmelenormen technischen Können und der hinreißenden Musikalität des jun-gen Franzosen konnten aber auch sie sich nicht entziehen. Der 1979 geborene Musiker studierte zunächst bei Jean Sulem am Pariser Conservatoire und ging danach als Stipendiat an die Yale University in

New Haven/USA. Er beschloß seine Studien bei Tabea Zimmermann an der Musikhochschule Hanns Eisler in Berlin. Der Künstler ist inzwischen erfolgreich auf den Konzertpodien der Welt aufgetreten. Zur Zeit ist er Artist in Residence 2006/07 der Duisburger Philharmoniker.

J. S. BACH (1685-1750)Partita Nr. 2 für Violine BWV 1004 (Transkription für Viola)

György LIGETI (1923-2006)Sonate für ViolaAntoine Tamestit, ViolaAMB 111 (T01)

mit dem Quatuor Ébène bereits erschienen:

Joseph HAYDNStreichquartette op. 33 Nr. 1, op. 64 Nr. 5 & op. 76 Nr. 1MIR 013 (T01)

„Superbe Quartettkunst“

STEREO

„Ein mitreißendes Haydn-Erlebnis“

STUTTGARTER ZEITUNG

Joseph HAYDN

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OHLEN VON

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OHLEN VON

harmonia mundi magazin12

Ludwig van BEETHOVEN (1770-1827)Klaviersonaten Nr. 7 D-Dur op. 10/3, Nr. 9 E-Dur op. 14/1, Nr. 14 cis-moll op. 27/2 „Mondscheinsonate“ & Nr. 23 f-moll op. 57 „Appassionata“Igor Kamenz, KlavierOC 587 (I01)

Wilhelm Friedemann BACH (1710-1784)Drei Fantasien, drei Fugen & drei SonatenAnthony Spiri, KlavierOC 569 (I01)

Georg Anton BENDA (1722-1795)Sämtliche CembalosonatenSylvia Georgieva, CembaloPRD 350027 (I04)

Mit der Generation der Bach-Söhne schlug die Musik neue Bahnen ein, und es bildeten sich die Gattungen heraus, die das Musikleben für 200 Jahre hindurch prägen sollten. In der Orchestermusik sind es besonders die Sinfonie und das Instrumentalkon-zert, die nicht zuletzt dank der Ent -stehung eines bürgerlichen Musik-lebens mit jedermann zugänglichen öffentlichen Konzerten sich aus baro-cken Anfängen zu den bestimmenden Formen der großen Instrumental-musik entwickelten.Parallel zum öffentlichen Konzert-leben blühte mit dem bürgerlichen Bildungsideal auch das häusliche Musizieren auf. Hier entstand ein Bedarf von Musik für Laien und für den privaten Raum, dem die Kompo-nisten mit Sammlungen nachkamen, die „für Kenner und Liebhaber“

Hundert Jahre Klaviermusikbestimmt waren. Die Adressaten die-ser Noten ausgaben waren also gebil-dete Privat leute, nicht mehr, wie noch eine Generation zuvor, Berufsmusiker. Carl Philipp Emanuel Bach, der vier Jahre jüngere Bruder des ältesten Bach-Sohnes Wilhelm Friedemann, hat als Herausgeber solcher Ausgaben sowie mit einem Lehrwerk für den Klavierunterricht eine weit über seine Epoche hinausreichende Berühmtheit erlangt. Doch auch die Kompositio-nen des vom Vater besonders geschätz-ten Wilhelm Friedemanns verdienen in diesem Zusammenhang Beach-tung.In engem Zusammenhang mit Carl Philipp Emanuel Bach steht auch der Böhme Georg Anton Benda, wirkte er doch ebenfalls am Hof Friedrichs des Großen, dem Carl Philipp über zwan-zig Jahre als Kammercembalist diente.

Benda hinterließ ein breites Werk, das für die nachfolgenden Generationen eines Mozart oder Haydn vorbildhafte Wirkung hatte.Ludwig van Beethoven, der in den 1790er Jahren in Wien als enfant terrible der Musikszene von sich reden machte, wurde zum maßstabsetzen-den Vorbild der Musik des 19. Jahr-hunderts – besonders das gewaltige Œuvre seiner 32 Klaviersonaten spie-gelt wie ein biographischer Leitfaden beispielhaft Beethovens eigenen künst lerischen Werdegang. Mit seiner Auswahl von vier Sonaten aus diesem „neuen Testament der Klavierlitera -tur“, wie Beethovens Sonaten im Vergleich mit Bachs Wohltemperierten Klavier immer wieder auch genannt werden, präsentiert der 1968 in Ruß-land geborene Pianist Igor Kamenz einen durchaus repräsentativen Quer-schnitt der Klaviersonaten Ludwig van Beethovens.

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Olga Neuwirth und Beat Furrer ge -hören zu den bedeutenden Gestal-ten der musikalischen Avantgarde. In Graz beziehungsweise in Schaff-hausen geboren stammen sie zwar aus benachbarten Ländern, doch sind sie über das Klangforum Wien miteinander verbunden. Das Label Kairos veröffentlicht in diesem Monat zwei Beiträge der beiden Komponisten zum zeitgenössischen Musiktheater.

„Lost Highway ist eine Komposition, die entscheidend von der Umsetzung psychischer Räume und diverser Innen- und Außenräume in Klang-räume lebt. Dies wird bei einer Auf-führung unter anderem durch ver-schiedenartige dreidimensionale Klangprojektionen erreicht, die das Publikum mit Zuspielungen, Live-Elektronik und virtueller Akustik um -fangen und damit verschiedene Bezie-hungsebenen zwischen Innen und

Reisen ins Innerste der Seele – Zeitgenössisches Musiktheater

Außen, zwischen Nähe und Distanz hervorruft. Die Abbildung dieser Klangräume auf Tonträger stellt natur-gemäß nur eine Annäherung dessen dar, was im Theater erlebbar war. Glücklicherweise kommen uns hier die Möglichkeiten der Surround-Technik zu Hilfe, die den Hörer ein-hüllt in die wechselseitige Überlage-rung der Klangschichten. Die vor-liegende Produktion wurde daher bewußt für 5.1-Surround gemischt.“ (Olga Neuwirth)Lost Highway handelt von der Hölle. Von der Hölle vor und nach dem Teufelspakt. Von der Hölle des Lebens in einer ‚alltäglichen‘ Unausweich-lichkeit, von der Trennung vom Leben, der Vergeblichkeit der Liebe und der Isolation. Die Einsamkeit eines Paares in seiner Partnerschaft, in seinem Haus, in dessen Dunkelheit es sich zu verlieren droht, das mit seinen dicken Mauern und schießschartenar-tigen Fenstern anscheinend Sicherheit geben soll, aber jede Lebendigkeit erstickt. Und nun der Faustruf nach Entgrenzung. Wie eine verzweifelte Beschwörung diabolischer Mächte

klingt Freds Saxophonsolo, und das Videoband belegt: Der Geladene ist schon da, ihm zu helfen – und ihn zu observieren. Aus dem Pudel ist eine Überwachungskamera geworden – Faust im Medienzeitalter.Beat Furrers Begehren knüpft an The-men des antiken Theaters an: „Zwei Figuren, ein Mann und eine Frau. Namenlose Protagonisten. Kein Paar, vielmehr Passanten in einer Passagen-welt der Gegenwart, an deren Hori-zonten mythische Bilder aus der Geschichte von Orpheus und Eury-dike durchschimmern. Der Hades-gang. Der verbotene Blick. Die fal-sche Bewegung. Zwei Figuren also: getrennt/vereint auf der Suche nach ihrer (gemeinsam?) verlorenen Zeit, Geschichte und Erfahrung. Zwei Ver-suche, hinter das Dasein zu blicken. Zwei Versuche, mittels Erinnerung und Wiederholung verschollene Uto-pien im Licht des Begehrens neu zu entdecken. Eine Hoffnung, die bis zuletzt unerfüllt bleibt. Vergebliche Parallelaktionen im Schatten der Ein-samkeit. (Selbst-)Begegnungen finden nicht statt. Was bleibt, ist das Dunkel der (un-)gelebten Augenblicke. Und die Gestalt der Frage: Gibt es ein Heraus, aus diesem einsamen Weg? Durch das Begehren?“ (Wolfgang Hofer)

Beat FURRER (*1954)Begehren

Petra Hoffmann, Sopran – Johann Leutgeb, Sprecher –

Vokalensemble NOVA – Ensemble Recherche – Leitung: Beat FurrerKAI 0012432 (Q02)

Olga NEUWIRTH (*1968)Lost HighwayConstance Hauman – Kai Wessel – Andrew Watts – Georg Nigl – Vincent Crowly – David Moss – IEM (Institut für Elektronische Musik und Akustik der Universität Graz) – Klangforum Wien, Leitung: Johannes KalitzkeKAI 0012542 (Q02)

Olga NeuwirthFoto: Beatrix Neiss

Beat Furrer

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OHLEN VON

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… weitere interessante NeuheitenRequiem(s)

Musik von Berlioz, Brahms, du Caurroy, Mozart, Saint-Saëns u. a.

Accentus – Doulce Mémoire – Chorus Musicus Köln u. a.

AV 5058 (T01)

Cristóbal de MORALES (1500-1553)

Missa de Beata Virgine & MotettenEnsemble Jachet de Mantoue

CALL 9363 (T01)

G. P. TELEMANN (1681-1767)Voyageur virtuose (Duo- und Triosonaten)Ensemble Amarillis

AMB 112 (T01)

SOUVENIRS D’ENFANCEWerke von Tschaikowsky, Rubinstein,

Schostakowitsch u. a. Brigitte Engerer, Klavier

MIR 022 (P01)

Heitor VILLA-LOBOS (1887-1959)Arien und Präludien aus den Bachianas BrasileirasLeila Guimaraès, Sopran – Nelson Freire, Klavier – Sinfonieorchester von Brasilien, Leitung: Isaac Karabtchewsky

IRIS 3001966 (R01)

Ensamble AmarillisFoto: D.R.

Francisco GUERRERO (1528-1599)Motetten, Canciones y VillanescasVokalensemble La Colombina

K 617196 (T01)

Brigitte EngererFoto: Karl Lagarfeld

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IMPRESSUMHerausgeber: harmonia mundi GmbHWernher-von-Braun-Straße 13 · D-69214 EppelheimRedaktion: Michael Blümke, Texte: Detmar HuchtingGraphik/Layout: globalmediaweb.de

Pierluigi BILLONE (*1960)1 + 1 = 1

Petra Stump & Heinz-Peter Linshalm, Baßklarinette

KAI 0012602 (T01)

Kurt WEILL (1900-1950)Konzert für Violine und Orchester op. 12

Leonard BERNSTEIN (1918-1990)Serenade für Violine & OrchesterRégis Pasquier, Violine – Orchestre de Picardie, Leitung: Edmon Colomer

CALL 9392 (T01)

John CAGE (1912-1992)Imaginary Landscapes

Maelström Percussion Ensemble, Leitung: Jan Williams

HAT CD 145 (T01)

Nikolaus BRASS (*1949)Streichquartette Vol. 1Auritus Quartett

COL 20238 (T01)

Morton FELDMAN (1926-1987)For Samuel BeckettEnsemble Modern, Leitung: Arturo Tamayo

HAT CD 142 (T01)

Nikolaus BrassFoto: G. Ricordi & Co.

Pierluigi Billone

Vladimir Válek

Béla BARTÓK (1881-1945)Konzert für Viola & Orchester

Bohuslav MARTINU (1890-1959)Rhapsodie-Concerto

Vladimír Bukac, Viola – Tschechisches Radiosinfonieorchester, Leitung: Vladimír Válek

CALL 9364 (T01)

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Unerbittliche Strenge im Dienst der Musik – George Szell und das Cleveland Orchestra

Yorker Philharmoniker. Von 1942 bis 1946 arbeitete er regelmäßig an der Met. 1946 übernahm Szell als Chefdirigent das Cleveland Orchestra, das er bis zu seinem Tod 1970 leitete und zu einem der besten Orchester der Welt formte. George Szell eilte der Ruf vor-aus, als Dirigent mit sich und seinen Musikern unerbittlich streng umzu-gehen. Seine autoritäre Art mag heute nicht mehr zeitgemäß erscheinen, führte aber nicht selten zu heraus-ragenden Ergebnissen, wie diese erst -malig auf CD veröffentlichten Auf-nahmen mit seinen Cleveländern, die nicht der großen CBS-Diskographie entstammen, eindrucksvoll belegen. Hervorragende Transfers machen diese teilweise noch aus den 1940er Jahren stammenden Dokumente zu einem Hörgenuß. Die Reihe wird fortge-setzt…

George Szell, 1897 als György Széll in Budapest geboren und 1970 in Cleveland gestorben, gehörte zu den maßgeblichen Dirigenten des 20. Jahrhunderts. Seit 1946 bis zu seinem Lebensende dem Cleveland Orchestra als Chefdirigent verbun-den, führte er den 1918 gegründe-ten Klangkörper in die musikalische Weltelite.

Früh begann Szell seine musikalische Laufbahn: Bereits 1908, mit elf Jah-ren, gab er seinen ersten öffentlichen Auftritt als Pianist. In Wien vertiefte er sein Wissen in Musiktheorie und Komposition. Seine weitere Karriere war eng mit Deutschland verbun-den: Als Siebzehnjähriger leitete er

selbst die Aufführung einer eigenen Komposition durch die Berliner Phil-harmoniker. Von 1914-1917 holte ihn Richard Strauss als Korrepetitor an die Berliner Oper. Anschließend wurde Szell als Nachfolger Otto Klemperers für zwei Jahre Chefdirigent der Straß-burger Oper. Es folgten Stationen beim Deutschen Theater in Prag, in Darmstadt und in Düsseldorf, bevor er 1924 als Erster Kapellmeister an die Staatsoper Berlin engagiert wurde. Gleichzeitig leitete er das Rund-funksinfonie-Orchester Berlin und unterrichtete an der Berliner Hoch-schule für Musik.Während der 1930er Jahre verlagerten sich Szells Aktivitäten ins Ausland, 1940 dirigierte er erstmals die New

Joseph HAYDN (1732-1809)Sinfonien Nr. 88 G-Dur, Nr. 92 G-Dur & Nr. 104 D-DurCleveland Orchestra, Leitung: George SzellUAR 009 (I01)

Hörgenuß. Die Reihe wird fortge-setzt…

Joseph HAYDN (1732-1809)

Ludwig van BEETHOVEN (1770-1827)Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 „Pastorale“New York Philharmonic, Leitung: George SzellUAR 010 (I01)

Johannes BRAHMS (1833-1897)Sinfonie Nr. 1 c-moll op. 68, Haydn-Variationen op. 56aCleveland Orchestra, Leitung: George SzellUAR 011 (I01)

Robert SCHUMANN (1810-1856)Sinfonien Nr. 2 C-Dur op. 61 & Nr. 4 d-moll op. 120Cleveland Orchestra, Leitung: George SzellUAR 012 (I01)