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Hausarbeit im Studienfach Innovationsmanagement an der HWR Berlin über das Thema Wachstumsneutrale Unternehmen als innovative Unternehmensform im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung Hausarbeit Eingereicht im konsekutiven Master-Studiengang Wirtschaftsingenieur/in – Energie und Umweltres- sourcen (M.Sc.) des Fachbereichs I der HWR Berlin vorgelegt von: Xenia Miheeva Kay Dröge Felix Heinecke Betreuerin: Prof. Dr. Anja Grothe Sarah Hause Abgabetermin: 20. Juli 2015

hausarbeit wachstumsneutrale unternehmen · Parallel dazu ist das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ist im 21. Jahrhundert zu einem bestimmenden Thema in Politik und Gesellschaft

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Hausarbeit im Studienfach Innovationsmanagement an der HWR Berlin

über das Thema

Wachstumsneutrale Unternehmen

als innovative Unternehmensform

im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung

Hausarbeit

Eingereicht im konsekutiven Master-Studiengang Wirtschaftsingenieur/in – Energie und Umweltres-

sourcen (M.Sc.) des Fachbereichs I der HWR Berlin

vorgelegt von: Xenia Miheeva

Kay Dröge

Felix Heinecke

Betreuerin: Prof. Dr. Anja Grothe

Sarah Hause

Abgabetermin: 20. Juli 2015

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Hausarbeit I

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung .................................................................................................. 1

1.1 Problemaufriss .......................................................................................... 1 1.2 Untersuchungsziele .................................................................................. 1 1.3 Untersuchungsgegenstand ....................................................................... 1 1.4 Abgrenzung .............................................................................................. 2

2. Wirtschaft und Wachstum ......................................................................... 2

2.1 Wachstumsparadigma und -dilemma ........................................................ 2 2.2 Nachhaltige Entwicklung ........................................................................... 5 2.3 Wirtschaftsakteure und Wachstum ........................................................... 6 2.3.1 Motive für unternehmerische Wachstumsneutralität .................................. 9 2.3.2 Hürden für unternehmerische Wachstumsneutralität ................................ 9 2.4 Alternativen zur Wachstumsökonomie .................................................... 10

3. Eltviller Modell ........................................................................................ 13

4. Beispiele wachstumsneutraler Unternehmen .......................................... 14

4.1 Geschichtlicher Hintergrund .................................................................... 14 4.1.1 Entstehung von Genossenschaften ........................................................ 14 4.1.2 Grundgedanke und Ziele einer Genossenschaft ..................................... 15 4.2 Genossenschaften 2.0 am Beispiel von Fairmondo ................................ 17 4.2.1 Grundgedanke ........................................................................................ 17 4.2.2 Genossenschaft 2.0 ................................................................................ 17 4.2.3 Tätigkeitsbereich .................................................................................... 19 4.2.4 Ziele 19 4.2.5 Aussichten .............................................................................................. 20 4.2.6 Innovation aus Sicht der ‚grünen Brille‘ ................................................... 21 4.3 Premium: Internet-Kollektiv nach dem Prinzip der Konsensdemokratie .. 23 4.3.1 Gründung und Entstehung von Premium ................................................ 23 4.3.2 Das Betriebssystem Premium ................................................................. 25 4.3.3 Betrachtung im Hinblick auf Innovation ................................................... 27

5. Schlussbetrachtung ................................................................................ 32

5.1 Zusammenfassung ................................................................................. 32 5.2 Fazit und Empfehlungen ......................................................................... 34

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Hausarbeit II

Abkürzungsverzeichnis

BIP Bruttoinlandsprodukt

EROEI energy returned on energy invested

GenG Genossenschaftsgesetz

GWÖ Gemeinwohlökonomie

KMU Kleine und mittlere Unternehmen

OSI Open Source Initiative

UNEP United Nations Environment Programme

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Hausarbeit III

Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen

Tabelle 1: Externe Faktoren für Wachstumszwang 10

Abbildung 1: Dimensionen der Nachhaltigkeit auf Unternehmensebene 6 Abbildung 2: Wachstumsstabile Geschäftsmodelle 8 Abbildung 3: Solidarische Ökonomie 12 Abbildung 4: Module für nachhaltiges Wirtschaften 25

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Hausarbeit 1

1. Einleitung

1.1 Problemaufriss

Die derzeitigen ökologischen, sozialen und ökonomischen Problemfelder der Erde sind so

präsent wie nie: Folgen des Klimawandels, soziale Unruhen und Finanzkrisen sind bei-

spielhaft für jene Herausforderungen, die die Weltgesellschaft aktuell bewältigen muss.

Teile der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft fordern seit Jahrzehnten eine stetige Steige-

rung des Wirtschaftswachstums, um die Symptome der Problemfelder zu verringern und

Wohlstand und Lebensqualität zu erhöhen. Parallel wird die Diskussion einer nachhaltigen

Entwicklung immer lauter. Inwiefern eine nachhaltige Entwicklung mit einer kontinuierli-

chen Steigerung des Wirtschaftswachstums vereinbar sein kann, darüber herrscht jedoch

noch kein Konsens. Ebenso wenig, welche Rolle Unternehmen in diesem Spannungsfeld

einnehmen können.

1.2 Untersuchungsziele

Nicht nur in Deutschland wird derzeit über die Notwendigkeit bzw. Möglichkeit einer Wirt-

schaftsweise fernab vom Wachstumsparadigma diskutiert. Allerdings bleibt dabei oft

außen vor, welche Rolle Unternehmen in diesem Transformationsprozess einnehmen

könnten oder müssten. In dieser Arbeit soll der Fokus der Diskussion der „Wachstums-

wende“ auf die Unternehmensebene gelegt werden. Die Kernfrage besteht darin, wie

Unternehmen mit ökologischen und volkswirtschaftlichen Wachstumsbegrenzungen um-

gehen können.

1.3 Untersuchungsgegenstand

Das Leitbild wachstumsneutraler Unternehmensführung mit seinen Motiven und Bedin-

gungen soll anhand konkreter Fallbeispiele erläutert werden. Weiterhin soll analysiert

werden, welche Unternehmensformen geeignet sind, einen proaktiven Umgang mit

Wachstumsbegrenzungen herzustellen. Nicht zuletzt sollen Chancen und Hemmnisse

wachstumsneutraler Unternehmen aufgezeigt werden.

Arbeitsmethoden und Aufbau der Arbeit

Nach der Einleitung wird sich im Kapitel 2 zunächst mit den Grundlagen der derzeitigen

Wachstumsökonomie und möglicher Alternativen auseinandergesetzt. Hier findet die

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Hausarbeit 2

Betrachtung auf makroökonomischer sowie die Übertragung auf Unternehmensebene

statt. Anhand einer Literaturrecherche und Auswertung aktueller Studien werden die

Grundlagen dieser Arbeit aufgearbeitet.

Anschließend werden in Kapitel 4 zwei Fallbeispiele wachstumsneutraler Unternehmen

analysiert. Hier wird ein Interview mit einem Geschäftsführer ausgewertet und ein Unter-

nehmen unter Anwendung des Eltviller Modells ausgewertet.

Abschließend erfolgt im Kapitel 5 eine Schlussbetrachtung, welche die Ergebnisse der

Arbeit zusammenfassend darstellt und in Form eines Ausblicks weitere Handlungsemp-

fehlungen gibt.

1.4 Abgrenzung

Die Behandlung der Thematik Wachstumsneutralität auf volkswirtschaftlicher– und Unter-

nehmensebene bezieht sich ausschließlich auf die sogenannten Industrieländer mit mate-

riell überversorgten Gesellschaftsmilieus. Eine ausführliche Analyse der Übertragbarkeit

des Konzeptes wachstumsneutraler Unternehmen bezüglich von Indikatoren wie Unter-

nehmensgröße, Rechtsform oder Branchenzugehörigkeit kann aufgrund des begrenzten

Umfangs dieser Arbeit nicht im Detail erfolgen und wird lediglich allgemein beurteilt.

2. Wirtschaft und Wachstum

2.1 Wachstumsparadigma und -dilemma

Das wirtschaftliche Wachstum1 der westlichen Industrieländer war nach dem zweiten

Weltkrieg von den sogenannten Wirtschaftswunderjahren geprägt. Das immense Wirt-

schaftswachstum verhalf den vom Krieg zerstörten Ländern im Laufe der Jahrzehnte zu

einer Wiedererlangung und Erhöhung ihres Lebensstandards. Seit den Nachkriegsjahren

ist Wachstum zum maßgeblichen Stellenwert in der modernen Wirtschaft und Gesell-

schaft geworden. In der Öffentlichkeit wird das Schlagwort „Wachstum“ weiterhin häufig

1Wachstum einer Volkswirtschaft bezieht sich in der Regel auf das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das BIP

misst den Wert der Produktion, also des Angebots an Gütern, bestehend aus Waren und Dienstleistungen, die im

In- oder Ausland nachgefragt werden.

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Hausarbeit 3

als Synonym bzw. Voraussetzung für Wohlstand angesehen. Allerdings werden schon

seit dem Bericht an den Club of Rome2 über die Grenzen des Wachstums von 1972

existentielle Fragen über die Zukunft der Weltwirtschaft diskutiert. Schon damals waren

die negativen Auswirkungen der Industrialisierung wie Ausbeutung von Rohstoffreserven,

Zerstörung von Lebensraum sowie der mit dem Bevölkerungswachstum verbundenen

Ungleichentwicklungen (z.B. Unterernährung) ersichtlich und ein Gegensteuern vom

damaligen Status Quo wurde gefordert.3

Nach über 40 Jahren lässt die darin geübte Wachstumskritik nicht nach. Im Gegenteil: Im

Bericht vom Mai 2013 der Enquete-Kommission4 „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität-

Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen

Marktwirtschaft“ werden die aktuellen Herausforderungen dargelegt und Empfehlungen

darüber ausgesprochen, vor welchen Problemen (vgl. auch Abb.1) die derzeitige Wirt-

schafts- und Lebenswelt steht und welche Chancen sich daraus ergeben können. Vor

dem Hintergrund, dass das wirtschaftliche Handeln des Menschen die ökologischen

Grenzen der Erde in vielen Bereichen überschreitet, wird darin beispielsweise nicht nur

eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch gefordert, sondern

auch für eine absolute Reduktion des Umweltverbrauches plädiert.5

Da immer mehr Menschen sich am Wohlstandsverständnis der Industrieländer orientie-

ren, das auf einem riesigen Ressourcen- und Energieverbrauch basiert, ist dieses Be-

kenntnis zwar eine immense Herausforderung; es wird aber auch klar, dass ein Weiter-

machen in der gegenwärtigen Form für zukünftige Generationen nicht tragfähig ist.

Neben der Diskussion um die ökologischen Grenzen des Wirtschaftswachstums zeigen

aktuelle Studien, dass die mit Wirtschaftswachstum verbundenen Hoffnungen wie Vollbe-

schäftigung, oder Einkommensgerechtigkeit oft nicht erfüllt werden. Weiterhin lautet eine

wichtige Erkenntnis der sogenannten „Science of Happiness“, dass eine Steigerung des

über Geld vermittelten materiellen Reichtums ab einem bestimmten Niveau das subjektive

Wohlbefinden nicht weiter erhöht.6

2 Der Club of Rome ist eine Vereinigung von Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik, der seit 1972 durch den viel diskutierten Bericht Limits to Growth (Die Grenzen des Wachstums) hohe Bekanntheit erlang-te. Seitdem folgten weitere 30 „Berichte an den Club of Rome“ zu unterschiedlichen Zukunftsfragen der Mensch-heit. Vgl. (Deutsche Gesellschaft Des CLUB OF ROME n.d.).

3 Vgl. Meadows, Meadows, and Zahn (1972), S. 17 ff. 4 „Auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder muss der Deutsche Bundestag Enquete-Kommissionen einsetzen. Sie

sollen Entscheidungen über umfangreiche, bedeutsame Sachkomplexe vorbereiten. Enquete-Kommissionen set-zen sich aus Bundestagsabgeordneten und externen Sachverständigen zusammen.“ (Deutscher Bundestag n.d.).

5 Vgl. Enquete-Kommission (2013), S. 25. 6 Vgl. Paech(2009), S.2.

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Hausarbeit 4

Trotz hohem Wohlstandsniveau, zahlreichen negativen Wirkungen von Wirtschaftswachs-

tum und fundierter wissenschaftlicher Kritik halten Politik, Wirtschaft und Gesellschaft am

Ziel des Wirtschaftswachstums fest. Seidl und Zahrnt (2012) begründen dies damit, dass

ausbleibendes Wirtschaftswachstum zentrale gesellschaftliche und ökonomische Subsys-

teme (Gesundheitswesen, Alterssicherung, Arbeitsmarkt, Konsum, Verteilungsgerechtig-

keit, AGs, Banken und Finanzmärkte sowie Staatsfinanzen) in Bedrängnis bringen würde,

weil diese Bereiche – so wie sie heute gestaltet sind – existenziell auf Wirtschaftswachs-

tum angewiesen sind. Durch die enge Verbindung der Subsysteme würden sich Wachs-

tumsabhängigkeiten und -effekte verstärken. Eine Gefährdung der genannten Subsyste-

me würde politische, ökonomische und soziale Unzufriedenheit und Unruhe auslösen,

was seitens der Politik vermieden werden will.7

Parallel dazu ist das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ist im 21. Jahrhundert zu einem

bestimmenden Thema in Politik und Gesellschaft geworden. Immer mehr Menschen

sehen den Mythos des unabdingbaren Wachstums als notwendigen Wohlstandsindikator

kritisch und fordern angesichts tiefgreifender ökologischer und sozialer Krisen eine Ab-

kehr von der wachstumsfixierten Wirtschafts- und Gesellschaftsform.8

Dass auch die Wirtschaft sich nicht vor der Notwendigkeit einer zukunftsfähigen Wirt-

schaftsweise verschließen kann, wird durch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, die

rasante Entwicklung der Ressourcenpreise und die bis heute mangelhaften Fortschritte im

Kampf gegen den Klimawandel deutlich. Unternehmen sind als zentrale Akteure in der

sozialen Marktwirtschaft mitverantwortlich für die Entwicklung von Wohlstand und Le-

bensqualität in der Gesellschaft. Allerdings stehen Unternehmen in diesem Zusammen-

hang oftmals vor folgendem Dilemma: Das Streben nach Unternehmenswachstum mits-

amt seiner sozio-ökologischen Folgen versus dem Verzicht auf Unternehmenswachstum,

der den Fortbestand des Unternehmens gefährden kann.9

Einführend dazu erfolgt im nächsten Kapitel eine kurze Einordnung des Begriffes „nach-

haltige Entwicklung“.

7 Seidl und Zahrnd in: Woynowski, Becker, and Bertram (2012), S. 20. 8 Im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung ergab eine Umfrage von TNS-EMNID aus dem Jahr 2012, dass 80 Prozent der

Befragten Bundesbürger sich unter dem Eindruck der Wirtschafts- und Finanzkrise eine neue Wirtschaftsordnung wünschen. Vgl. TNS Emnid (2012), S. 6.

9 Vgl. Posse (2014), S. 1.

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Hausarbeit 5

2.2 Nachhaltige Entwicklung

Der Ursprung des Wortes nachhaltig liegt in der Forstwirtschaft. Erstmals tauchte es in

einem Werk von Hans Carl von Carlowitz 171310 auf, in dem er die Frage stellt, wie das

Bewirtschaften von Wäldern sichergestellt werden soll, wenn mehr Bäume gefällt werden

als nachwachsen. Demnach liegt der ursprüngliche Wortsinn in einer länger anhaltenden

Wirkung.11

In den letzten Jahrzehnten hat sich die ressourcenökonomische Interpretation von

Nachhaltigkeit hin zu einem mehr und mehr interdisziplinärem Leitkonzept verändert.

Nachhaltigkeit bewertet im übergreifenden Sinne das gegenwärtige Denken und Han-

deln unter dem Gesichtspunkt, die Lebenssituation der heutigen Generationen zu

verbessern, ohne die Zukunftsperspektiven der kommenden Generation zu verschlech-

tern. In den 1990er Jahren wurde begonnen, aus dem Leitbild der Nachhaltigkeit ein

Konzept für Unternehmen abzuleiten. Dabei bezieht sich nachhaltiges Wirtschaften auf

den allgemein gültigen Grundsatz, dass Menschen von den erwirtschafteten Erträgen

leben, nicht aber von der Substanz.12 Seit dem UN-Weltgipfel von Rio de Janeiro 1992,

bzw. der Brundtland-Kommission 13 von 1987, hat sich das Drei-Säulen-Modell der

Nachhaltigkeit (vgl. Abb.1) mit den drei Säulen bzw. Dimensionen Ökologie, Ökonomie

und Soziales verbreitet. Dieses Modell basiert auf der Einsicht, dass ökonomische,

soziale und ökologische Entwicklungen nicht voneinander abgespalten und gegenei-

nander ausgespielt werden dürfen. Um eine auf Dauer sichergestellte menschliche

Entwicklung zu sichern, müssen diese drei Komponenten als eine immer neu herzu-

stellende notwendige Einheit betrachtet werden.14

10 Hans Carl von Carlowitz war seiner Zeit Oberberghauptmann im sächsischen Freiberg und beschäftigte sich zeitle-bens mit der Reorganisation des Fortwesens. Durch zunehmenden Erzabbau prognostizierte er Holzmangel auf-grund der vielen Holzkohle-betriebenen Schmelzöfen.

11 Vgl. Grober (2009). 12 Vgl. Herkommer (2004). 13 Der als Brundtland-Bericht bekannt gewordene Zukunftsbericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ beeinflusste maßgeb-

lich die internationale Debatte über Entwicklungs- und Umweltpolitik. Er war der auslösende Hauptfaktor für die Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992. Vgl. Lexikon der Nachhaltigkeit (o.J.).

14 Vgl. Ludwinkowski (2010), S. 13 ff.

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Hausarbeit 6

Abbildung 1: Dimensionen der Nachhaltigkeit auf Unt ernehmensebene 15

Das ursprünglich auf der makroökonomischen Ebene angesiedelte Konzept der nachhal-

tigen Entwicklung wird zunehmend auch auf die Unternehmensebene übertragen. Auf

freiwilliger Basis können Unternehmen Standards von internationalen (UN Global Impact,

OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen) und nationalen Initiativen (Deutscher

Nachhaltigkeitskodex) anwenden, um die Transparenz, Verbindlichkeit und Vergleichbar-

keit der Nachhaltigkeitsleistungen der teilhabenden Unternehmen zu erhöhen. Aktuell

haben 24 börsennotierte Unternehmen (wie z.B. BASF SE, BMW AG, Siemens AG,

FRoSTA AG) eine Entsprechungserklärung zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex vorge-

legt.16

2.3 Wirtschaftsakteure und Wachstum

Wachstum stellt bislang überwiegend das übergeordnete Ziel in unterschiedlichen unter-

nehmerischen Rechtsformen dar. In der Finanztheorie weisen Unternehmen per Definition

immer entweder wachsenden oder schrumpfenden Gewinn auf. Das nicht-wachsende hat

hier kein Gewinnwachstum und wird lediglich als ein theoretischer Grenzfall diskutiert.17

15 Barthélemy et al. (2011), S. 88. 16 Vgl. Deutscher Nachhaltigkeitskodex (o. J.). 17 Vgl. Liesen, Dietsche, and Gebauer (2013), S. 13.

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Hausarbeit 7

Dabei ist der Zusammenhang zwischen unternehmerischem Handeln und Wachstum

zwar eng, aber nicht per Naturgesetz festgeschrieben. In seiner Ausprägung kann Wachs-

tum sehr unterschiedlich gehandhabt werden. Genossenschaften stehen zum Beispiel

unter einem geringeren Wachstumsdruck als Kapitalgesellschaften, da Genossenschaften

im Gegensatz zu Aktiengesellschaften erzielte Gewinne nicht an die Eigentümer aus-

schütten müssen. Hier ist es nicht der Gewinn, sondern primär die Kooperation, die wach-

sen soll. In Kapitalgesellschaften hat das Unternehmensziel der Gewinn- und Einkom-

menserzielung tendenziell eine Ausweitung des Geschäftsfeldes zur Folge. Daher werden

gewinnorientierte Unternehmen bestrebt sein Wachstum zu erzielen und dieses durch

Innovation zu steigern. Mit dem Wachstum der Geschäftstätigkeit wird auch die Nachfrage

nach externer Finanzierung zunehmen. Um Kredite und Kreditkosten zu bedienen, ist ein

Unternehmen auf weiteres Wachstum angewiesen.18

Einerseits scheint die Nachhaltigkeitsdebatte auf Unternehmensebene angekommen zu

sein – eine Umfrage der Unternehmensberatung McKinsey aus dem Jahr 2010 zeigt,

dass mehr als 50 Prozent der befragten Führungskräfte Nachhaltigkeitsmanagement für

extrem wichtig erachten19– andererseits wird Wachstumsneutralität bislang überwiegend

auf makroökonomischer Ebene diskutiert und eher selten auf Unternehmensebene über-

tragen, indem neue Geschäftsmodelle, Strategien oder Managementstile entwickelt wer-

den. Nach Reichel sollten wachstumsstabile Geschäftsmodelle sich an folgenden Leitfra-

gen orientieren (vgl. Abb. 2):

Welche ökologischen und sozialen Problemlagen werden durch die eigenen Aktivitäten

erzeugt und gelöst?

Wer sind die Kundinnen20 einer Lösung und welcher Nutzen kann damit gestiftet werden?

In welchen Wertschöpfungsstrukturen, verstanden als Problemlösungsstrukturen, können

die Problemlagen angegangen werden?

Wie sieht das Erlösmodell aus, das die ökonomischen Minimalanforderungen an ökono-

mische Nachhaltigkeit erfüllt? 21

18 Vgl. Enquete-Kommission (2013), S. 158. 19 Vgl. Bonini, Görner, and Jones (2010), S. 1. 20 Aus Gründen der Vereinfachung wird überwiegend die weibliche Form verwendet. Personen weiblichen wie männli-chen Geschlechts sind darin gleichermaßen eingeschlossen. 21 Vgl. Reichel (2014), S. 9.

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Hausarbeit 8

Abbildung 2: Wachstumsstabile Geschäftsmodelle 22

Bakker, Loske, and Schehorn (1999) liefern folgende Definition für wachstumsneutrale

Unternehmen: „Diese produzieren nicht, um Gewinn zu machen (der natürlich eine

Nebenbedingung bleibt), sondern um sinnvolle Produkte und Dienste zu liefern. Sie

produzieren nicht um zu wachsen; vielmehr betrachten sie ein maßvolles Unterneh-

menswachstum als willkommen, sorgen aber nach Möglichkeit dafür, dass es ihre

eigentlichen Ziele nicht vereitelt. In diesem Sinne sind sie wachstumsneutral.“23

Gemäß dieser Definition wurden in einer Studie von Bakker, Loske, und Schehorn

(1999)

52 KMU (kleine und mittlere Unternehmen) und 140 Großunternehmen nach ihrer

Wachstumsstrategie befragt. Für 82 Prozent der befragten KMU zählt Wachstum nicht

zu ihren wichtigsten Zielen; für 83 Prozent ist eine Entwicklung ohne Wirtschaftswachs-

tum für denkbar.24

Nach Jackson (2009) würden Unternehmen in einer wachstumsneutralen Volkswirt-

schaft aber immer noch das Ziel von Wachstum und klassischer Gewinnmaximierung

verfolgen. Diese Ziele könnten sie jedoch nur noch durch Produktivitätssteigerung und

22 Reichel (2014), S.8. 23 Bakker, Loske, andSchehorn(1999), S. 9. 24 Vgl. ebd. S. 53 ff.

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Hausarbeit 9

Verdrängung von Wettbewerbern erreichen.25Ebenso würden die von Schneidewind

und Palzkill-Vorbeck (2011) betrachteten suffizienzorientierten Unternehmen im klassi-

schen Sinne wachsen, auch wenn diese auf Produktebene Reduktion, Entschleuni-

gung und Regionalisierung als Strategie verfolgen.26

2.3.1 Motive für unternehmerische Wachstumsneutralität

Liesen, Dietsche, and Gebauer (2013) identifizieren in ihrer Pilotstudie zur Unterneh-

mensperspektive im Postwachstumsdiskurs zwei verschiedene Motivgruppen, warum

sich Unternehmen für eine wachstumsneutrale Unternehmensführung entscheiden: die

ethisch-normative und der strukturell-organisatorische. Bei ethisch-normativen Motiven

ist das zentrale Motiv vor allem die eigene Verantwortung für die nachfolgenden Gene-

rationen, für eine nachhaltige ökologische und gesellschaftliche Entwicklung. Neben

öko-sozialen Beweggründen sind folgende strukturell-organisatorische Motive relevant:

das Streben nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance, starke Verwurzelung in der

lokalen Gemeinde, enge Beziehungen mit Lieferanten und Kundinnen, besondere

Arbeitsatmosphäre, innovative Managementstrukturen und Unternehmensleitung von

einer Person, die sich stark mit dem Unternehmenszweck identifiziert.27

2.3.2 Hürden für unternehmerische Wachstumsneutralität

In der oben genannten Pilotstudie wurden Unternehmensbefragungen ausgewertet, die

verschiedene externe Faktoren für einen Wachstumszwang darlegen (siehe Tabelle 1).

Demnach ist für Großunternehmen der internationale Wettbewerb mit 68 Prozent der

wesentliche Treiber für den Zwang wachsen zu müssen. Weiterhin sieht sich die große

Mehrzahl der insgesamt befragten Unternehmen einem Wachstumszwang ausgesetzt,

der gleichermaßen für KMU und Großunternehmen vom Konkurrenzdruck bestimmt

wird. 28

25 Vgl.Jackson (2009), S. 60 ff. 26 Vgl. Schneidewind andPalzkill-Vorbeck(2011), S. 11. 27 Vgl. Liesen, Dietsche, and Gebauer (2013), S. 21 ff. 28 Vgl. ebd. S. 16.

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Hausarbeit 10

Tabelle 1: Externe Faktoren für Wachstumszwang 29

2.4 Alternativen zur Wachstumsökonomie

Wie die vorangegangenen Kapitel zeigen, läuft die Fokussierung auf eine kontinuierli-

che Steigerung des Wirtschaftswachstums Gefahr, zwar kurzfristig und lokal begrenzt

Teil einer Lösungsstrategie zu sein, andererseits die genannten Krisen und Problem-

felder auch mitverursacht und langfristig systemisch am Leben zu erhalten. In der

Literatur finden sich einige Ansätze hin zu einer sozial und ökologisch tragfähigen

Wirtschaftsweise und Lebensstilen. Diese sollen im Folgenden kurz skizziert werden.

In der angelsächsischen Literatur wird die Diskussion unter den Stichworten „Steady

State Economy “ oder „Degrowth“ geführt. Dort wo die klassische Ökonomie stetiges

Wirtschaftswachstum als Ziel fordert, lehrt sie Steady-State-Ökonomie ein Wirtschafts-

system des langfristigen Gleichgewichts. Das bedeutet, je mehr sich die Wirtschaft der

Größe der gesamten Erde annähert, desto stärker muss sie sich der physikalischen

Verhaltensweise der Erde fügen. Diese Verhaltensweise ist ein stabiler Zustand – ein

System, das qualitative Entwicklung erlaubt, aber kein endloses quantitatives Wachs-

tum vorsieht.30

Als förderlich für das Wirtschaftswachstum wurde in den letzten Jahren der Begriff

Green Economy dargestellt.

Der Kerngedanke dabei ist, dass durch eine kohlenstoffarme und ressourceneffiziente

Wirtschaftsweise eine Abkopplung des Ressourcenverbrauches vom Wirtschaftswachs-

29 Liesen, Dietsche, and Gebauer (2013), S. 16. 30 Vgl.Daly(2009), S.39 ff.

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Hausarbeit 11

tum erzielt werden soll. Nach UNEP-Definition (United Nation Environment Programme)

ist die Green Economy eine Wirtschaft, dessen Wachstum durch öffentliche und private

Investitionen geregelt wird, die klimawirksame Treibhausgase und Umweltverschmutzung

reduzieren, Energie- und Ressourceneffizienz ist, den Verlust von Biodiversität verhindert

und von Ökosystemdienstleistungen angetrieben wird 31 Kritisiert wird der Ansatz des

„grünen Wachstums“ dahingehend, dass zwar zahlreiche Ansätze (Effizienz, Vermeidung,

Konsistenz, Recycling, Up-cycling) bestehen, um Wirtschaftswachstum losgelöst von

intensiver Umweltbelastung zu erreichen, diese Strategien bis jetzt aber zu keiner nach-

haltigen Wirtschaftsweise oder einer absoluten Reduktion des ökologischen Fußabdrucks

der Wirtschaft führen konnten, insbesondere wegen materiellen, finanziellen und psycho-

logischen Rebound-Effekten.32

Das Konzept der Postwachstumsökonomie sieht eine Balance von sich ergänzenden

Versorgungssystemen vor. Diese sind ein deutlich verkleinertes Industriesystem, Regio-

nalökonomien, welche auf Komplementärwährungen und urbane Subsistenz basieren. Im

Gegensatz zur Green Economy sollen die ökonomischen und sozialen Folgen einer

Wachstumsrücknahme durch Strukturen der Nutzungsteilung (lose Nachbarschaften,

Selbsthilfe-Netzwerke, urbane Tauschringe/Verleihstationen oder Transition-Town-

Projekte) abgefedert werden. 33 Unternehmen sollten in einer Postwachstumsökonomie

nach Paech (2013) per Gesetz dazu verpflichtet werden, ihren Nachfragern die nötigen

Informationen zu den ökologischen Auswirkungen ihrer Produkte/Dienstleistungen (z. B.

über Ökobilanzierung und Lebenszykluskosten) bereitzustellen. Dadurch wäre es den

Konsumenten möglich, dem persönlichen Treibhausgas-Budgetansatz zu erfüllen, der vor

dem Hintergrund des Klimawandels jedem Erdbewohner bis 2050 einen jährlichen CO2-

Ausstoß von 2,7 Tonnen zugesteht.34

Der Begriff "Solidarische Ökonomie " kann als wirtschaftliche Selbsthilfe verstanden

werden. In Abb. 2 sind schematisch die Grundpfeiler einer Solidarischen Ökonomie dar-

gestellt.

31 Vgl. United Nations Environment Programme(o.J.). 32 Vgl.Paech(2013), S. 71 ff. 33 Vgl.Paechin:Theurl et al. (2015), S. 104 f. 34 Paech(2013), S. 97 ff.

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Hausarbeit 12

Abbildung 3: Solidarische Ökonomie 35

Geprägt wurde der Begriff vom chilenischen Wirtschaftswissenschaftler Luis Razeto

Migliaro. „Er untersuchte in den 1970er Jahren, wie es Menschen, die nach herkömmli-

chen betriebswirtschaftlichen Vorstellungen über keinerlei Voraussetzungen zu erfolgrei-

cher unternehmerischer Tätigkeit verfügten, trotzdem gelang, in Notzeiten die Versorgung

ihrer Familien und Gemeinschaften mit dem Lebensnotwendigen sicher zu stellen. Er

entdeckte einen bis dahin unbekannten Produktionsfaktor, den er Faktor C nannte, die

Kraft der Zusammenarbeit, deren sieben Bestandteile im Spanischen alle mit C beginnen:

Companerismo (Freundschaft), Cooperacion (Zusammenarbeit), Comunidad (Gemein-

schaft), ComUnion (Einheit in der Vielfalt), Colectividad (Kollektivität), Carisma (Charis-

ma), garniert mit der Kategorie des Compartir (Teilen).“36

35 Woynowski, Becker, and Bertram (2012), S. 184. 36 Voß in: Woynowski, Becker, and Bertram (2012), S. 179.

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Hausarbeit 13

3. Eltviller Modell

Die fünf Brillen – Eltviller Modell von Pero Micic – sollen die fünf urtypischen Betrach-

tungsweisen auf die Zukunft symbolisch darstellen.37 Für die Bedeutung dieses Modell

wird einerseits die Sicht und die Einschätzung allgemein auf die Zukunft gerichtet und

andererseits soll das zukünftige Handeln des Menschen analysiert und veranschaulicht

werden.38. Beginnend mit der Analyse der Zukunft und deren Veränderungen, wird das

Modell in sieben Phasen eingeteilt. Anschließend werden diese Prognosen durch die

verschiedenen Brillen betrachtet und daraus ein Zukunftsradar gebildet. Abschließend, in

Punkt sieben, werden die Ergebnisse in eine mögliche Strategie umgeformt und ange-

wandt.39 Die fünf verschiedenen Brillen stehen für folgende Sichtweisen:

„1. Blaue Sichtweise: Die wahrscheinliche Zukunft in Form von Annahmen,

2. Grüne Sichtweise: Die denkbare Zukunft in Form von Chancen,

3. Gelbe Sichtweise: Die gewünschte Zukunft in Form einer Vision,

4. Rote Sichtweise: Die unerwartete Zukunft in Form von Überraschungen,

5. Violette Sichtweise: Die geschaffene Zukunft in Form von Strategie“40.

Für diese Hausarbeit soll jedoch nur die grüne Brille als Untersuchungswerkzeug benutzt

werden. Diese Sichtweise beschäftigt sich mit den verschiedenen Gestaltungsmöglichkei-

ten bzw. –optionen der Zukunft. Dabei gilt es für das Untersuchungsziel herauszufinden,

welche Parameter bereits vorhanden sind und welche noch erbracht werden müssen, um

ein gewünschtes Ziel zu erreichen. Vorinformationen oder auch Ergebnismöglichkeiten

können hierbei durch Experten, verschiedenen Annahmen und unterschiedlichen Szena-

rien gezogen werden. Daraus sollen dann mögliche Handlungsalternativen abgeleitet und

umgesetzt werden. Somit wird mit der Sicht durch die grüne Brille ein aktives Engagement

gegenüber der Zukunft erarbeitet. Chancen, die beispielsweise am Markt eintreten könn-

ten, werden somit aufgewiesen.

Für die Durchführung einer solchen Untersuchungsmethode bzw. zum betrachten ver-

schiedener Szenarien benötigt es keine mehrtägigen Workshops. Der Zeitrahmen liegt

eher im kleinen Bereich (ca. einen halben Tag bis einen ganzen Tag). Voraussetzung

37 Vgl. Micic, Pero (2009), 3. Auflage, S. 296 ff. 38 Vgl. Bundesvereinigung Logistik (BVL) e. V. (2009). 39 Vgl. König, Andreas (2010). 40 Micic, Pero (2007), S. 10, 52 ff.

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Hausarbeit 14

sollten jedoch Grundkenntnisse im Bereich Strategie und Visionsentwicklung, strategic

foresight (strategische Frühaufklärung) und strategisches Management sein.41 Ziel ist es

die eigene Zukunft des Unternehmens aktiv mitzugestalten zu können.42

4. Beispiele wachstumsneutraler Unternehmen

Im nachfolgenden Kapitel wird das Unternehmen Fairmondo vorgestellt, welches sich

selbst als wachstumsneutral bezeichnet.43 Hierbei handelt es sich um eine Genossen-

schaft 2.0, die sich mit dem Verbreiten von Waren über das Internet beschäftigt. Dabei

verfolgt es einen neuen Ansatz der bisher geläufigen Form einer Genossenschaft. Ziel ist

es von Fairmondo, die veränderte Bewusstseinserweiterung der Gesellschaft, für ein

besseres Konsumverhalten zu nutzen.44 Welche Innovation sich hierbei definieren lässt,

soll mit dem unter Kapitel drei beschriebenen Eltviller Modell, von Pero Micic45, festgestellt

werden. Dabei wird Fairmondo durch die Sicht der grünen Brille betrachtet und bewertet.

4.1 Geschichtlicher Hintergrund

4.1.1 Entstehung von Genossenschaften

Die ersten Formen von Genossenschaft gehen bereits bis ins Mittelalter zurück. Jedoch

gab es damals den Begriff der ‚Genossenschaft‘ noch nicht. Hierbei handelte es sich um

eine ‚Eignung‘ oder ‚Knappschaft‘.

Der Ansatz bzw. der Hintergrund für eine solche Zusammenführung war jedoch früher

schon der Selbe wie heute: „das Erreichen eines Ziels durch eine gemeinsam aufgebrach-

te Leistung, wie beispielsweise die Finanzierung von Begräbnissen ärmlicher Arbeiter“.46

Mit der Industrialisierung Europas, wurde die Kritik an den zusehends schlechteren Arbeits-

bedingungen für die Arbeiter unterer Gesellschafsschichten lauter. Der Reformer Robert

Owen wagte sich 1844 an ein ‚Experiment‘, um die schlechten Arbeits- und Lebensbedin-

gungen zu bekämpfen und gründete die erste Genossenschaft47. Relativ zeitgleich (1847)

41 Vgl. König, Andreas (2010). 42 Vgl. Bundesvereinigung Logistik (BVL) e. V. (2009). 43 Vgl. Fairmondo, Anhang (2015). 44 Vgl. Fairmondo (o. J.), about us. 45 Vgl. Micic, Pero (2007). 46 Vgl. Abendroth, Wolfgang (1985), S.88 ff. 47 Vgl. Werner Hofmann (1974), S. 34-39.

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Hausarbeit 15

haben sich in Deutschland mehrere Unternehmer unabhängig voneinander mit der Frage

von Genossenschaften auseinander gesetzt. Zu den Mitbegründern zählen hierzulande:

Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888), Herman Schultz-Delitzsch (1808-1883) und Ferdi-

nand Lasalle (1825-1864)48. Auch hier waren die Hintergründe dieselben wie bei Robert

Owen. Im Vordergrund standen die ärmlichere Bevölkerung, welche sich aus eigenen finan-

ziellen Mitteln keine Anschaffungen jeglicher Art leisten konnten, sowie die Versorgungssi-

cherheit bei Krankheit oder Tod. Im weiteren Verlauf der Geschichte sollten diese Ansätze

fest in das Leitwesen der Gewerkschaften und in die Politik übernommen werden. Das führte

dazu, dass es aktuell in Deutschland bereits über 20,7 Mio. Genossenschaftsmitglieder gibt.49

4.1.2 Grundgedanke und Ziele einer Genossenschaft

Im Grunde unterscheiden sich die verschiedenen Genossenschaften nicht voneinander.

Alle sollten denselben Zweck verfolgen, welcher nach Dr. Norbert Dautzenberg (u. a.) wie

folgt definiert wird:

„Die Genossenschaft ist eine Gesellschaft von nicht geschlossener Mitglieder-

zahl mit dem Zweck, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren

soziale oder kulturelle Belange mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes zu

fördern (Legaldefinition des § 1 I GenG). Die Genossenschaft ist damit

[…]nicht mehr nur auf wirtschaftliche Aktivitäten beschränkt […].

(1) In der Gleichberechtigung der Mitglieder untereinander ohne Rücksicht auf

die Höhe ihrer Kapitalbeteiligung an der Genossenschaft sowie in der Selbst-

verwaltung durch die Genossenschaftsorgane;

(2) im gemeinschaftlich begründeten Geschäftsbetrieb, der - in Abhängigkeit

vom Einzelfall - im Sinn der Förderungsaufgabe nicht unbedingt gewinnorien-

tiert sein muss. Die dt. Genossenschaft als einer Form solidarischer Selbsthilfe

hat eine privatrechtliche Erscheinungsform; sie ist eingebunden in den markt-

wirtschaftlichen Prozess […]. Rechtsgrundlage: Genossenschaftsgesetz (GenG)

und HGB.“50

48 Vgl. Axel Kuhn (2004), S. 74-78. 49 Vgl. Schäfer, Michael(2014), S.185. 50 Dautzenberg, Nobert, u. a. (o. J.).

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Hausarbeit 16

Die Definition gibt somit an, dass einzelne Personen, welche sich Ziele setzten, die durch

beispielsweise schlechte finanzielle Möglichkeiten alleine nicht umsetzbar sind, durch eine

Mitgliedschaft in einer Genossenschaft erfüllbar sind. Dazu gehören nicht ausschließlich

materielle Dinge, sondern auch die Möglichkeit einen besseren Lebensstandard – bei-

spielsweise durch altersgerechtes Wohnen – zu erlangen. Zum Grundgedanken, gemein-

sam ein Ziel zu erreichen, gehört es zusätzlich, marktkonform zu sein. Damit ist insbe-

sondere gemeint, dass man sich nicht von Preisen Einzelner – Monopole oder Oligopole –

abhängig zu machen. Vielmehr sind Genossenschaften in der Lage eigene Preise am

Markt zu bilden, wettbewerbsfähig zu sein oder einfach nur unabhängig von Dritten han-

deln zu können. Dementsprechend verfolgen die Mitgliederinnen einer Genossenschaft

das sogenannte ‚Identitätsprinzip‘. Dieses sagt aus, dass die Mitgliederinnen Eigentüme-

rinnen und Kundinnen zugleich seinen können und sind51.

Um die Philosophie eine Genossenschaft und deren Grundprinzipien auch intern umzu-

setzen, verfolgen diese eine strikte, meist vorgeschriebene Hierarchie. Diese wird in drei,

vereinzelt auch in vier Ebenen unterteilt:

1. Geschäftsführung,

2. Aufsichtsrat,

3. Vertreter,

4. Mitglieder52.

Dabei haben diese einzelnen Personen jeweils nur eine Stimme. Das heißt, dass anders

als bei einer Aktiengesellschaft, wo die Anzahl der Aktien gleichzeitig die Anteile am

Unternehmen darstellen, die Mitglieder keine unterschiedlichen Stimmgewalten besitzen

und somit ein Missbrauch ausgeschlossen wird. Des Weiteren wird angestrebt, gemein-

sam Lösungen als Genossenschaft zu erzielen.53

51 Vgl. Kramer, Jost W. (2005), Heft 23. 52 Vgl. Kramer, JostW. (2005), Heft 23. 53 Vgl. Fairmondo (o. J.), Projekt 10000.

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Hausarbeit 17

4.2 Genossenschaften 2.0 am Beispiel von Fairmondo

In diesem Kapitel wird Fairmondo, welches 2012 als Fairnopoly in Berlin gegründet wur-

de, vorgestellt. Darüber hinaus wird ein Ausblick anhand einer neuen Idee aufgezeigt,

welche Fairmondo gerade im Begriff ist umzusetzen.54

4.2.1 Grundgedanke

Im Fokus soll eine bessere Verbindung zum Produkt und gleichwohl dem Konsumverhal-

ten sein. So ist es Fairmondo wichtig, dass sie nicht von Großinvestoren abhängig bzw.

gesteuert werden. Hierzu kommen die Mitglieder einer Genossenschaft ins Spiel. Fair-

mondo wird derzeit von ca. 1900 Privatpersonen und gewerblichen Händlern unterstützt.55

Das Unternehmen soll eins von Vielen für Viele sein. Dabei verfolgt Fairmondo das Prin-

zip des Crowdfunding. Fairmondo hat als Startup selbst diese Möglichkeit genutzt, um

ihre innovative Idee verwirklichen zu können. „Crowdfunding ist eine Form der Finanzie-

rung ("funding") durch eine Menge ("crowd") von Internetnutzern.

Zur Spende oder Beteiligung wird über persönliche Homepages, professionelle Websites

und spezielle Plattformen aufgerufen.“56

Somit entsteht ein Unternehmen für eine genau definierte Gruppe, in diesem Fall die

Nutzerinnen von Fairmondo, das durch demokratische Absprachen stetig verbessert

werde soll. Um an Entscheidungen mitwirken zu können, müssen die Crowdfunding-

Unternehmen jedoch Mitglieder der Genossenschaft 2.0 sein. Eine Mitgliedschaft kann

dabei mit einer Mindestanlage von 10,00 EUR getätigt werden.57

4.2.2 Genossenschaft 2.0

Fairmondo ist eine Genossenschaft, die als Vorbild die klassische deutsche Rechtsform

hat. Jedoch hat Fairmondo speziell für seine Idee eine neue Art der Genossenschaft

entwickelt: die Genossenschaft 2.0. Dieses Unternehmensmodell soll es vereinfachen,

beweglich an Märkten, bei Fairmondo dem eCommerce, und gegenüber anderen Unter-

nehmen konkurrenzfähig zu sein. Die Erweiterung „2.0“ ist zum Teil das Ziel eine Genos-

54 Vgl. Hasenheit, Marius (2015). 55 Vgl. Fairmondo (o. J.), about us. 56 Vgl.Bendel, Oliver (o. J.). 57 Vgl. Fairmondo (o. J.), about us.

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Hausarbeit 18

senschaft als ein dynamisches Unternehmensmodell für Startups zu sein und zum ande-

ren steht dafür das Web 2.0- Unternehmensmodell zu integrieren. Das Web 2.0 steht für

die soziale Verflechtung zwischen der Konsumentin, der Anbieterin und der Plattformbe-

treiberin. Hierbei wird nicht nur die einfache Nutzung des Internets verstanden, sondern

auch die weitere Zusatznutzung zur Kommunikation.58 Jedoch wird der Fokus auf eine

permanent faire Unternehmenspolitik gelegt und dieser soll zu jeder Zeit sichergestellt

werden. Bei Fairmondo wird dieses in den eigens 12 entwickelten Grundprinzipien explizit

niedergeschrieben. Dabei haben die Mitglieder ein demokratisches Mitspracherecht,

unabhängig von ihren Anteilen. Zusätzlich fordert Fairmondo mehr Transparenz für Inter-

netanbieter. Fairmondo selbst stellt dabei ein gutes Beispiel dar, weil alle Geschäftszah-

len für alle Nutzerinnen und Interessentinnen öffentlich gemacht werden. Somit sind alle

Geschäftsvorfälle und –zahlen für jedermann einsehbar.59

Nicht selten ist es bei Startup-Unternehmen, wie Fairmondo eines ist, der Fall, dass diese

von Großinvestoren unterstütz werden mit dem Hintergrund, mehr Einfluss auf die Ge-

schäftsvorfälle zu erlangen. Dementsprechend hat sich Fairmondo zum Ziel gesetzt, sich

nicht von der Profitgier einzelner Großinvestoren abhängig zu machen. Eine Begrenzung

wurde daher von Fairmondo auf 10.000 EUR und 200 Anteile pro Person begrenzt.60

Hintergrund soll es sein, dass es bei der Idee bleibt ein Unternehmen zu schaffen, wel-

ches sich unter der Führung von vielen verschiedenen Personen befindet und somit das

Gemeinwohl gestärkt wird. Auch spielt das Thema Geld im Bereich des Gehalts eine

wichtige Rolle. Um auch hier den Fokus auf die gemeinsame Sache zu richten, ist das

höchste Gehalt an das niedrigste gekoppelt. Demnach ist nach der Satzung von Fairmon-

do das höchste Gehalt maximal dreimal so hoch, wie das niedrigste61. Auch verweisen

Fairmondo darauf, dass sie nach dem Open Source Prinzip arbeiten. Open Source ist ein

„Konzept, nach dem Programme mit ihrem Quellcode ausgeliefert werden. Jeder darf den

Quellcode einsehen und verändern. Die Open Source Initiative (OSI) definiert Kriterien,

die Open Source Software erfüllen soll.“62 Vor allem im Bereich der Marktplatz-Software

wird seitens Fairmondo darauf Wert gelegt und allen zur Verfügung gestellt.63

58 Vgl. Hettler, Uwe (2010), S. 5ff. 59 Vgl. Fairmondo (o. J.), about us. 60 Vgl. Fairmondo (o. J.), geno20. 61 Vgl. Fairmondo (o. J.), about us. 62 Vgl. Siepermann Markus u. a. (o. J.). 63 Vgl. Fairmondo (o. J.), about us.

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Hausarbeit 19

4.2.3 Tätigkeitsbereich

Die Vision von Fairmondo ist es, eine ernstzunehmende Konkurrenz zu Amazon zu wer-

den. Dementsprechend werden alle Arten von Artikeln auf deren Plattform angeboten. Im

Vordergrund stehen hierbei besonders nachhaltige, qualitativ hochwertige und faire An-

forderungen an das Produkt, welches über die Fairmondo-Plattform angeboten wird. Ziel

soll es dabei sein, der Kundin eine möglichst große Produktpalette nachhaltiger Güter

anzubieten und gleichzeitig ihre Anbieterinnen ehrlich zu entlohnen.64

Um einen Artikel fair im Sinne von Fairmondo anbieten zu können, muss dieses vor allem

‚fair‘ bezahlt werden. Somit sind die Produkte häufig an höhere Marktpreise gekoppelt.

Damit für die Kundinnen die Waren trotzdem finanziell attraktiv bleiben, hat Fairmondo

ihre Verkaufsprovision gegenüber dem üblichen Marktanteil halbiert.

Hierzu werden, zudem das Fairmondo eine faire und nachhaltige Produktgewinnung

garantiert, die Anbieter auf Fairmondo angehalten bei ihren Produkten durch entspre-

chende Nachweise (Zertifikate usw.) für Transparenz zu sorgen.65 Für eine vereinfachte

Suche wird durch spezielle Filter ermöglicht, dass auch die Kundinnen sicherstellen kön-

nen, was genau sie für ein Produkt erwerben. Damit Fairmondo einen Kundinnenstamm

gewinnt, der informiert und produktorientiert einkauft, wird auf konsumorientierte Werbung

verzichtet. An dieser Stelle werden Informationen an die Kundin gebracht, die auf das

Wechselspiel zwischen nachhaltigen Erzeugnissen und fairen Konsum hinweisen. 66

4.2.4 Ziele

Um die Dimension dieser Hausarbeit nicht zu überschreiten, wird nur auf einige Ziele

etwas näher eingegangen. Die kurzfristigen und langfristigen Ziele werden von der Ge-

meinwohlökonomie (GWÖ) in Verbindung einer Bilanz zusammen getragen und aufgelis-

tet.67

Allgemeine stehen die Ziele in erster Linie für die bereits erwähnten Grundgedanken

(Kap.4.2.1) von Fairmondo. Jedoch muss erwähnt werden, dass Fairmondo nicht nur

darum bemüht ist, ihr Produkt unter nachgewiesenen Nachhaltigkeits-Standards an ihre

Konsumentinnen zu bringen, sondern auch grundsätzlich das Verhalten der Anbieterinnen

64 Vgl. Tillich, Martin (2014). 65 Vgl. Fairmondo Satzung (2015), §3 abs.6. 66 Vgl. Fairmondo, about us (o. J.). 67 Vgl. Töpfer, Urte und Wittke, Nils (2014).

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Hausarbeit 20

ändern wollen. Dementsprechend verkauft Fairmondo seine Produkte so, dass sie einen

Prozent von den Einnahmen an einen Fond spenden. Dieser Fond beschäftigt sich mit der

Bekämpfung von Korruption. Damit trägt Fairmondo proaktiv an der Bekämpfung von

Korruption bei.68 Dabei wird von jeder Transaktion das erwähnte eine Prozent an ‚Trans-

parency’ International Deutschland e.V. gespendet.69

Zudem, dass sich Fairmondo durch ein Spendenfond stark gegen Korruption macht,

haben sie als Unternehmen weitere Zielsetzungen, die sie angehen. Dabei sind sie ihrer

Unternehmerischen Verantwortung voll bewusst und setzten gerade diese ein.

Um das derzeitige Wirtschaftssystem, welches in vielen Fällen zu unfairen Ereignissen

führt, wie beispielsweise schlechte Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie70, nachhaltig

positiv zu beeinflussen, wollen sie ihre politischen Einfluss durch ihr Auftreten nutzen und

festigen.71 Um als gutes Beispiel voran zu gehen hat sich Fairmondo auf die „Fahnen“

geschrieben, dass sie auch steuerliche Transparenz an den Tag legen. Demnach zahlen

sie den staatsüblichen Steuersatz in dem Land, wo die entsprechende Filiale auch ihren

Sitz hat, ohne mögliche Steuervorteile über entsprechende Auslandskosten zu nutzen.72

Mit diesen Zielvorgaben und einem bewussten Konsumverhalten möchte Fairmondo

etwas bewirken. Denn nicht nur die Qualität des Produktes solle wieder im Vordergrund

stehen, sondern auch der Kampf gegen die Korruption, die weltweit mitverantwortlich für

gesellschaftliches Ungleichgewicht ist.73

4.2.5 Aussichten

Wie bereits im vorangegangenen Kapitel (Kap. 4.2.4) beschrieben, werden auch nachfol-

gend nicht alle Aussichten näher beschrieben. Der Fokus soll hierbei auf Fairmondos

„RundeSacheAbo“ gelegt werden.74

Im Vordergrund dieser gemeinsam durch Nutzerinnen und Fairmondo entwickelten Inno-

vation ist es, dass gute Produkte kenngelernt werden, ein nachhaltiger Versand aufgebaut

wird und faire Unternehmen – nach dem Vorbild und Vorstellungen von Fairmondo –

unterstützt werden. Hierzu ist 2015 das ‚RundeSacheAbo‘ als Pilot-Projekt in Berlin an

68 Vgl. ebd. 69 Vgl. Phillip, Ralf (2015). 70 Vgl. Kubitza, Michael (2012). 71 Vgl. Fairmondo (o. J.), about us. 72 Vgl. Fairmondo Satzung (2015), §3 abs.12. 73 Vgl. Fairmondo (o. J.), Geno 20. 74 Vgl. Fairmondo (o. J.), warumrund?.

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Hausarbeit 21

den Start gegangen. Dabei wurden und sollen nur lokale Partner – dezentraler Handel –

und der Versand per Lastenrad (Vilogista)75 sichergestellt werden. Dabei soll es sich um

den Versand von Lebensmitteln, wie Schokolade und Kaffee, Bücher und anderer Waren

handeln.

Grundvoraussetzung an die Produkte ist auch hier die Fairness, welche durch eine nach-

haltige Erzeugung sichergestellt werden muss. Als neue Idee bzw. Zukunftsaussicht will

Fairmondo ein Label entwickeln, mit dem es sicherstellt, dass alle Produkte, die über ihre

Online-Plattform verbreitet oder angeboten werden, strengen Auflagen unterliegen. Bei

Nichterfüllung dieser Auflagen wird dem Anbieter sofort gekündigt und das entsprechende

Produkt von der Produktpalette genommen. Die revolutionäre Idee dahinter ist, dass es

nicht auf die Umsatzmaximierung ankommt, sondern um den Erwerb hochwertig, fair

gehandelte und nachhaltig produzierter Produkte. 76 In diesem Zusammenhang wurde

auch die Logistik revolutioniert. Im Bereich der ‚grünen‘ Logistik – Auslieferung per Las-

tenrad – wurde dabei ebenfalls auf eine Genossenschaft zurückgegriffen. Hier soll aufge-

zeigt werden, dass auch durch ein Konzept, wie die Genossenschaft 2.0, einer Marktplatt-

form auf der man lokal Partner direkt ansprechen kann und eine dezentrale Versorgung

dafür sorgen, dass die Bedürfnisse der Kundinnen befriedigt werden können.77

4.2.6 Innovation aus Sicht der ‚grünen Brille‘

Im Folgenden wird Fairmondo durch das Eltviller Modell (Kap. 3) betrachtet und bewertet.

Wie bereits erwähnt wird hierfür die ‚grüne Brille‘ angewendet. Diese ist stark Zukunftsori-

entiert mit der Leitfrage: „Welche Zukunftschancen und Handlungsoptionen haben wir?“78.

Es wird nur auf die ‚grüne Brille‘ eingegangen, damit der Rahmen dieser Hausarbeit nicht

überschritten wird.

Aus den Aussichten (Kap. 4.2.5) sind bereits einige Zukunftsvarianten, die sich Fairmondo

vorstellt, zu entnehmen. Um die Leitfrage vom Eltviller Modell auf Fairmondo anzuwenden

bedarf es verschiedener Ansätze.

75 Vgl. ebd. 76 Vgl. Gemeinwohltätern (2015), RundeSache. 77 Vgl. Fairmondo (o. J.), warumrund?. 78 Micic, Pero (2010), S. 116.

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Hausarbeit 22

Aus politischer Sicht findet die innovative Entwicklung der Startups zusehends Anerken-

nung. So haben die Städte selbst das große Potential solcher Innovationsideen erkannt

und investieren deutlich mehr Geld in Startups.79

Das wachsende Bewusstsein der Kundinnen an ihr Kaufverhalten wird auch zukünftig

dafür sorgen, dass die Nachfrage an fairen und nachhaltigen Produkten wächst. Hinzu

kommt, dass durch die starke CO2-Belastung durch herkömmliche Lieferanten Grenzen,

wie das 2-Grad- Ziel nicht erreicht werden können, bzw. sich deutlich langsamer entwi-

ckeln als prognostiziert. Somit trägt Fairmondo durch die Lieferung der Waren per Lasten-

rad dazu bei, dass die Innenstädte weniger befahren werden und die Umwelt nachhaltig

geschont wird.80

Mit dieser Einstellung treffen sie zurzeit einen Trend, der stetig wächst und sich weiter

entwickelt. Jedoch zeigen auch die Geschäftszahlen, dass es Fairmondo noch nicht hun-

dertprozentig gelungen ist, sein Konzept zum sogenannten ‚Selbstläufer‘ zu machen.

Deutlich wird dieses, durch zu wenig Einlagen, um beispielsweise Personal voll zu entloh-

nen und ihre revolutionäre Idee der ‚RundeSacheAbos‘ durch Werbemaßnahmen voran

zu treiben.81 Gründe hierfür könnten Wagnisrisiken sein, die die potentiellen Mitglieder

nicht bereit sind einzugehen. Auf die Sicht der grünen Brille bezogen ist es fundamental

wichtig, dass es eine bessere Prognose für die nächste Zeit im Bereich des Online-

Handel gibt. Denn insbesondere dieser ist hart umkämpft und ist stetig am Wachsen und

unterliegt einem permanenten Wandel, wo es teilweise mit enormen Schwierigkeiten

verbunden sein kann zuverlässige Zukunftsaussichten zu stellen.82

Solange sich das Konsumverhalten in dieser Hinsicht nicht grundsätzlich verändert, wird

es Fairmondo schwerfallen, die Gesellschaft mit ihrer Idee zu erreichen.

79 Vgl. Wolff, Sebastian (2015). 80 Vgl. Fairmondo (o. J.), RundeSacheAbo. 81 Vgl. Fairmondo (o. J.), die Zukunft von Fairmondo. 82 Vgl. Stüber, Jürgen (2015).

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Hausarbeit 23

4.3 Premium: Internet-Kollektiv nach dem Prinzip der

Konsensdemokratie

In diesem Kapitel wird das Unternehmen Premium im Hinblick auf Wachstumsneutralität

untersucht und eine Einschätzung gegeben wie innovativ die Unternehmensform, nach

den 5 W-Fragen, im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung aufgebaut ist. Zu Beginn wird

auf die Entstehung und Gründung von Premium eingegangen. Im Folgenden wird das

Betriebssystem Premium erläutert. Anschließend werden die Innovationsarten bzw.-

Dimension eingegrenzt. Bei dem Unternehmen Premium handelt es sich um eine kollektiv

und konsensbewusste Gruppe welche unter dem Leitsatz: "Premium will ein faires, ökolo-

gisches und sozial tragfähiges Wirtschaftsmodell in hoher Qualität vorleben und verbrei-

ten“ Getränke produziert.83

Um die Innovationsarten und –dimensionen bei Premium näher untersuchen zu können,

wird sich der Inhalt des vorliegenden Kapitels im Wesentlichen auf empirisches Datenma-

terial beziehen, welches durch ein qualitatives Interview mit dem Geschäftsführer von

Premium gewonnen werden konnte. Der Verfasserin ist das Unternehmen Premium über

die Soziale Plattform Twitter aufgefallen. Über dieses Tool konnte ebenfalls ein Kontakt zu

Uwe Lübbermann (Geschäftsführer/Gründer von Premium) hergestellt werden. Die Unter-

haltung fand mit Hilfe des Programms Skype statt und wurde von einer Drittsoftware Call

Graph aufgezeichnet. Des Weiteren ist eine Diktiergerät-Smartphone-App, als Backup, im

Hintergrund mitgelaufen. Abschließend wurde der gesprochene Teil in einen Schriftlichen

überführt und ist in voller Länge im Anhang zu finden.

4.3.1 Gründung und Entstehung von Premium

Was „Premium“ genau bedeutet wird auf der Unternehmensseite http://www.premium-

cola.de/ wie folgend beschrieben: „Premium steht bei uns eher für die Abkehr von der

Markenlogo-Welt, für Inhalt und Substanz vor Image, und für laufend verbesserte Ar-

beitsweisen auch bei dem später hinzugekommenen Premium-Bier. Premium ist also

keine Auszeichnung und kein Zustand, sondern ein stetiger Prozess hin zu immer weiter

verbesserten Produkten und einer immer weiter entwickelten Arbeitsweise dahinter.“84

83 Vgl. Premium 01 Leitsatz, S.1. 84 Vgl. Premium 04 Geschichte, S. 2.

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Hausarbeit 24

Entstanden ist das Projekt im Jahr 1999, als begeisterte afri-cola Konsumenten feststell-

ten, dass ihr Getränk nicht mehr wie gewohnt schmeckte. Kurz darauf wurde bekannt,

dass die Zusammensetzung der Mixtur verändert wurde was den anderen Geschmack

erzeugte. Es erfolgte vorab keine Information der Konsumenten. Dies führte zur Gründung

der Interessensgruppe Premium im Dezember 1999 bis November 2001 durch afri-cola-

Fans die forderten, dass zur alten Rezeptur zurückkehrt wird.

Die Gruppe erfährt Medien-Resonanz und wächst auf 780 Mitglieder an, was jedoch die

Zusammensetzung des Getränkes nicht beeinflusste. Das nicht miteinbeziehen der End-

konsumenten ist besonders aufgefallen.85 Im November 2001 entstand Kontakt zu einem

ehemaligen afri-cola-Abfüller, welcher anbot 1000 Flaschen zu produzieren. Diese ersten

Flaschen wurden mit geliehenem Geld finanziert und umgehend abbezahlt.86 Daraufhin

wurden erneut 1000 Flaschen produziert. Im Weiteren steigern sich die Aufträge langsam

und der Gruppe wird bewusst, dass nun ein Getränk regelmäßig hergestellt und geliefert

werden muss, wenn man es weiterhin konsumieren möchte. Im Jahr 2002 bis 2003 wer-

den daher Recherchen bei Beteiligten der Getränkebranche durchgeführt und Wissen

gesammelt. Gleich zu Beginn der Gespräche wie und was Premium sein soll wird festge-

legt dass ein Gewinnstreben unerwünscht ist.87Im Jahr 2002 wurde auf digitale Kommu-

nikation umgestiegen da nun weitere Personen aus diversen Städten im Kollektiv tätig

wurden. Die ersten Weichen für ein nachhaltiges Konzept sind sozusagen nebenbei ge-

stellt worden. Zwischen dem Jahr läuft das Geschäft „schleppend“, was aber genauso

beabsichtigt ist, damit die Unternehmung in Ruhe und mit Zeit wachsen kann.88 Zum

Ende von 2004 trägt sich Premium selbst. Im Jahr darauf können sogar die ersten Anteile

ausgezahlt werden für Personen die bis dahin ehrenamtlich Aufträge und Prozesse an

neuen Orten koordiniert hatten. Dem Kollektiv wurde dann 2006 bewusst, dass es sich bei

dem Premium Konzept um einen völlig neuen Wirtschaftsansatz handelt. Daraufhin be-

richten mehrere Öffentlich Rechtliche über die Idee. Das Kollektiv organisierte sich nun

jetzt bewusster im Hintergrund inkl. Buchhaltung, organisierter Logistik, regelmäßigen

Abläufen, effektiver Vernetzung, Steuerberatung etc. 2007 ist auch das Jahr in dem die

Organisatoren das erste Mal einen Anteil erhalten. (laut Premium: „ sollte Organisatoren

als letzte dran sein, nach der Idee vom fairen Wirtschaften“). Bereits 2008 konnten der

Preis um 96 Cent je Kasten gesenkt werden und diese Senkungen wurden bis zum Gast-

ronom weitergegeben. Daraufhin steigerten sich die Mengen und es konnten weitere

85 Vgl. Interview mit Uwe Lübbermann am 18.07.2015, Zeile 304. 86 Vgl. Interview mit Uwe Lübbermann am 18.07.2015, Zeile 18. 87 Vgl. Premium 05 Modul Kein Gewinn, S. 1. 88 Vgl. Interview mit Uwe Lübbermann am 18.07.2015, Zeile 15 und Zeilen 52-61.

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Hausarbeit 25

Preissenkungen vollzogen werden. Schnell wurde an einer neuen Idee eines Premium

Bieres gefeilt. Als eine Neuerung bei diesem Produkt ist hervorzuheben, dass 10% des

Umsatzes in die Alkoholismusvorsorge gehen. Da parallel zu Premium Bier mit anderen

Partnern die Marke Mojo-Cola aufgebaut wurde, haben die Beteiligten schnell erkannt,

„dass das eigentliche Produkt nicht das Getränk ist […] sondern die Art zu wirtschaften.“

89 Ab diesem Zeitpunkt wurde Premium zum „Betriebssystem“, welches im nächsten

Kapitel dargestellt wird. 90

4.3.2 Das Betriebssystem Premium

Wie in Kapitel 2.2 gezeigt, besteht die Betrachtung einer nachhaltigen Entwicklung auf

dem 3-Säulen-Modell. Dies ist bei dem Betriebssystem von Premium gegeben. Alle drei

Säulen sind in dem „Betriebssystem“ von Premium wiederzufinden und setzen sich in

diesem Model aus den Haupt-Handlungsfeldern Ökologie, Soziales und Ökonomie (Ba-

sismodule) zusammen, hinzu kommen noch Schutz- und Transferfelder (Arbeitsmodule).

In allen Bereichen gibt es verschiedene Untermodule. Die Basismodule sollten Pflicht für

unternehmerisches Handeln sein, die Arbeitsmodule sind wenn möglich einzugliedern.

Die Vision bzw. das Oberziel der Unternehmung Premium ist die Vereinbarkeit von Wirt-

schaft und Moral. Faires Wirtschaften ist machbar und möchte von Premium bestmöglich

umgesetzt werden. Dieses Oberziel bedingt diverse Subziele, die sich daraus ergeben. 91

Abbildung 4: Module für nachhaltiges Wirtschaften92

89 Vgl. Premium 04 Geschichte, S. 1f. 90 Vgl. ebd. 91 Vgl. Premium 03 Betriebssystem, S. 1. 92 Vgl. Premium 02 KMU Projekt, S. 1.

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Hausarbeit 26

Der Säule Ökologie können folgende fünf Module zugeordnet werden: Modul „Verzicht“,

„Optimierung“, „CO2-Ausgleich“, „Bio/Bioland“ und „Transporte“. Verzicht wird z.B. geübt

bei der Nutzung der Ressource Papier (sprich dem Etikett auf der Flasche). Anstatt drei

Etiketten pro Flasche wird nur eins verwendet, was Gewicht und dadurch Energie ein-

spart. Unter dem Punkt Optimierung ist nicht nur das Getränk zu sehen, sondern vor

allem die Bestandteile wie Kisten, die Flaschen an sich, Deckel und diverse andere Ver-

packungsmöglichkeiten.93

Das Modul CO2-Ausgleich beinhaltet die Einstellung, dass eine Flasche Premium Getränk

nicht weit reisen sollte. Da es ganz ohne Transport aber auch nicht geht, wird zum Aus-

gleich der gefahrenen Kilometer, eine Streuobstwiese bei Kiel unterstützt. Mit Bio/ Bioland

ist der Standard gemeint, welcher den Zutaten der Getränke, eine Herkunft aus biologi-

schem Anbau bestätigt. Im letzten Modul des Haupt-Handlungsfeldes Ökologie sind die

„Transporte“ zu nennen. Bei diesen wird darauf geachtet, wie die Distributionspolitik ge-

staltet ist, um Umweltauswirkungen möglichst gering zu halten. 94

Die Säule Ökonomie besteht aus den Untermodulen „Kein Gewinn“, „Ist-Kalkulation“,

„Fest-Preise“, „Anti-Mengen-Rabatte“, „Sofortzahlung“, und den Modulen „Keine Zin-

sen/Skonto“. Aufgrund der Kürze der Hausarbeit wird nicht auf jedes Modul eingehend

eingegangen. Der Bereich Gewinn wurde bereits in der Darstellung der Entstehung von

Premium dargestellt. Bei der Ist-Kalkulation handelt es sich nur um eine transparente

Aufschlüsselung der Anteile von Kosten auf eine Flasche gerechnet. Für eine größere

Planungssicherheit haben wir, mit allen Beteiligten, Festpreise vereinbart. Zusätzliche

Leistungen können separat ausgewiesen werden und finden im Zusatzfeld „Transparenz“

Anwendung. Interessant ist das Konzept der „Sofortzahlung“ und den beiden Punkten

„Kein(e) Zinsen/Skonto“. Gleich nach Auftragserteilung kann aufgrund von der Ist-

Kalkulation, welche zu Beginn immer durchgeführt wird, gleich abgeschätzt werden wie

viel bezahlt werden muss, was dann auch i.d.R. am Tag eines Rechnungseingangs ge-

macht wird. Durch die Art des umgehenden Bezahlens muss in den meisten Fällen kein

Skonto in Anspruch genommen werden.95 Auf ausstehende Rechnungsbeträge werden

keine Zinsen erhoben und auch die Bankkonten des Unternehmens können nicht überzo-

gen werden bzw. erwirtschaften keine Zinsen. 96 Die letzte Säule aus dem Dreieck der

Nachhaltigkeit bildet das Haupt-Handlungsfeld Soziales welches sich bei Premium in

folgende Module unterteilt: „Mindeststandards“, „Kollektiv“, „Konsensdemokratie“, „Trans-

93 Vgl. Premium 10 Modul Optimierung, S. 1. 94 Vgl. Premium 07 Säule Ökologie, S.1f. 95 Vgl. Premium 09 Säule Ökonomie, S. 1f. 96 Vgl. Interview mit Uwe Lübbermann am 18.07.2015, Zeile 369 f.

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Hausarbeit 27

parenz“, „Datenschutz“, „Handschlag“, „Alkoholismusvorsorge“, „PR-Verzicht“, „Virtuelle

Firma“, „Treue“ und „keine Termine“. Laufend werden die Hauptmodule durch weitere

ergänzt. Als wichtigste Module sind hier „Kollektiv“, „Konsensdemokratie“, und „PR-

Verzicht“ zu nennen.

Zu aller erst wird bei allen Überlegungen und Entscheidungen davon ausgegangen dass

alle Mitstreiterinnen „gleich wert“ sind was sich auch in einem fairen gleichen Lohn von

16€/Stunde97 wiederspiegelt. Die Arbeitsweise eines Kollektivs lässt sich, wie auf der

Unternehmenshomepage dargestellt, beschreiben: „Premium arbeitet mit maximalem

Outsourcing, d.h. […] werden von selbständigen Partner-Unternehmen in einer relativ

hierarchischen Arbeitsweise erledigt. Zugleich erfolgt maximales Insourcing, weil alle

Beteiligten bei absolut allen Fragen der gesamten Organisation und der Konditionen

gleichberechtigt mitreden können […]. Die Summe der Beteiligten ergibt das „Premium-

Kollektiv“, durch das alle Entscheidungen in der Regel per Mail beschlossen werden.“ 98

Hier lässt sich nun sehr gut das Konzept von Konsensdemokratie einführen. Diese Form

wird häufig als beste Form von Demokratie gesehen. Die Konsensdemokratie stützt sich

auf die Diskussion der Beteiligten bei einer Entscheidungsfindung bis eine Lösung gefun-

den wurde, welcher man zustimmt oder mit der man leben kann. Zum Ende der Betrach-

tung der verschiedenen Module ist der Bereich von PR-Verzicht zu nennen. Für einen

Getränkeproduzenten ist es eher unüblich komplett auf Marketingtätigkeiten zu verzichten

da sich somit meistens Absatz und Nachfrage steuern lassen. Manipulationen sind also

zu erwarten, wo das Kollektiv von Premium nicht von der Partie sein wollte. 99

4.3.3 Betrachtung im Hinblick auf Innovation

Wie in der Vorlesung mit dem Thema „Innovationsarten und –Dimensionen“ auseinander

gesetzt, wird in diesem Kapitel der Grad der Innovation bzw. der Neuheit der Art des

Wirtschaftens betrachtet. Wörtlich bedeutet es „Neuerung/Erneuerung“ und kommt aus

dem Lateinischen von novus=neu und innovatio= etwas „neu Geschaffenes“. Das bedeu-

tet also, dass Innovationen „qualitativ neuartige Produkte oder Verfahren“ sind „und sich

gegenüber einem Vergleichszustand „merklich“ – wie auch immer das zu bestimmen ist,

unterscheiden“.100 Die Neuartigkeit der Innovation muss gegeben sein. Zum Beispiel un-

97 Vgl. Interview mit Uwe Lübbermann am 18.07.2015, Zeile 171. 98 Premium 08 Säule Soziales, S.1. 99 Vgl. Premium 11 Modul PR Verzicht, S.1. 100 Vgl. Hauschild, Salomo, Innovationsmanagement, 2011, S.4.

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Hausarbeit 28

terscheidet sich Innovation von Invention durch den Verkauf oder die Nutzung. Nicht jede

Erfindung findet in der Masse Absatz oder wird genutzt. Es kann also gesagt werden,

dass die Innovation geschäftsfähig am Markt sein kann.

Nach dem österreichisch-amerikanischen Ökonomen Joseph Schumpeter (1883-1950:

Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 1911) ist „Innovation (des Weiteren), die Durch-

setzung einer technischen oder organisatorischen Neuerung im Produktionsprozess“. 101

In diesem Kontext sollen daher in diesem Unterkapitel die Aspekte betrachtet werden, ob

und wie innovativ das Unternehmen Premium ist, wie nachhaltig der Aufbau bzw. das

Betriebssystem ist und welche Chancen und Hemmnisse entstehen könnten.

Oft entsteht aus einem Mangel heraus eine neue Idee, wie es auch bei Premium der Fall

war, als Endkunden nicht mitbestimmen konnten. Aufgrund von Neugier gekoppelt mit

Forscher-/Unternehmergeist, hat sich eine Gruppe von Menschen gefunden, um ein ähn-

liches Getränk (Koffein-haltiges Zuckergetränk) zu produzieren und zu konsumieren. Dies

hat zur Gründung von Premium geführt.

4.3.3.1 Inhaltliche Dimension – Was ist neu? Produkt-und Prozessinnovation

Neu bei Premium ist die Art des Wirtschaftens. Es ist dem immateriellen Innovationsbe-

reich (organisatorische Innovation) und zum kleineren Teil der physischen Innovation

(Prozessinnovation) zuzuordnen. Prozessinnovationen dienen dazu, dass Güter kosten-

günstiger, qualitativ hochwertiger, sicherer, weniger umweltbelastender und schneller

erfolgen. Das eigens entwickelte Betriebssystem wird nun auch seit Oktober 2014 stetig

weiterentwickelt und auf kleine und mittelständische Unternehmen ausgeweitet. Die Deut-

sche Bundesstiftung Umwelt fördert das Vorgehen finanziell.102

Innovation von Systemeigenschaften

Bei Premium handelt es sich um ein innovatives System da ein neuartiger Prozess, von

Grund auf entwickelt hier speziell auf die Getränkebranche konstruiert wurde. Des Weite-

101 Vgl. Hauschild, Salomo, Innovationsmanagement, 2011, S.4. 102 Vgl. Premium 2 KMU Projekt, 2015, S.1.

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ren ist es auch ein innovativer Systemverbund da die digitale Vernetzung extrem digital

über E-Mail-Kommunikation, Board103 und Wiki104 Funktionen verbunden ist.

Es lässt sich zu einem geringen Teil auch aussagen, dass es zu neuen Systemkompo-

nenten gekommen ist da das Betriebssystem modular aufgebaut ist und sich nach Not-

wendigkeit und belieben abändern lässt. Dies lässt des Weiteren ein flexibles Reagieren

auf Marktlage und Wirtschaftslage zu.

Jenseits der Technik

Der Modulartige Aufbau des Betriebssystems bzw. der Anleitung zum Wirtschaften ist im

Vergleich zu konventionellen Führungsstilen sehr neu. Des Weiteren sind die flachen,

eigentlich nicht vorhandenen Hierarchien sehr untypisch für eine Unternehmung. Premium

hat sich hier das Ziel gesetzt alle Entscheidungen in einer Konsensdemokratie zu fällen.

Das bedeutet, dass über jede Änderung bzw. Geschäftstätigkeit so lange gesprochen und

abgestimmt wird bis alle mit dem Ergebnis zufrieden sind. 105

In einem gewissen Sinne kann Premium auch als Soziale Innovation gesehen werden.

Kommend aus der IT-Branche ist Premium eher einem Nischengetränk zuzuordnen,

welches sehr von der Mentalität des Kollektivs lebt und dies auch nach außen (über so-

ziale Medienplattformen und Geschäftsbeziehungen) weitergibt. Premium Cola setzt

1,2 Mio. Flaschen um und ist damit im Promillebereich des Marktanteils vertreten.106

Postindustrielle Systeminnovationen

Es lässt sich auch sagen, dass das Modell von Open Franchise eine gewisse Neuerung

darstellt. Das Franchise System ist den meisten sehr gut bekannt. Open Franchise bietet

nun die Möglichkeit ein Konzept ohne extra-Bezahlung nutzen und anwenden zu können.

Ebenso ist das Verhaltung zu Geschäftsabschlüssen bzw. Auftragserteilungen gegensätz-

lich anders zur konservativer Vertragsgestaltung. Es werden zum Beispiel keine schriftli-

chen Verträge unterzeichnet. Unter Kollektivisten wird dies die Praxis des Handschlags

praktiziert.

103 Board: Eine Entität, ähnlich einer Plattform, für die interne Kommunikation im Kollektiv: https://www.premium-cola.de/board/. 104 Wiki: Eine Wikipedia für Begriffsdefinitionen und allem was Premium beinhaltet http://wiki.premium-cola.de. 105 Vgl. Premium06 Modul Kollektiv, S. 1. 106 Vgl. Interview mit Uwe Lübbermann am 18.07.2015, Zeile 15 und Zeilen 169f.

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4.3.3.2 Die Intensitätsdimension - Wie neu?

An sich kann das Konzept des Nachhaltigen Wirtschaftens nicht als wesentlich neu be-

zeichnet werden. Schon Bierbrauer in ländlichen Gebieten mussten auf ihre Ökologische

Arbeitsweise achten um in den draufkommenden Jahren Gerste ernten zu können oder

ihre Zutatengrundlange nicht zu gefährden.

Des Weiteren mussten diese auch darauf achten sozial verträglich das Bier zu verkaufen

und mit den Mitarbeitern umzugehen damit alle zufrieden das Endprodukt abnehmen.

Nicht zu allerletzt musste vor allem darauf geachtet werden ökonomisch nicht in einen

Engpass zu geraten, da Lebensunterhalt und Arbeitsmittel erwirtschaftet werden muss-

ten.107 Neu an Premium ist nun das vor längerer Zeit eingesetzte Wissen um Nachhaltig-

keit auf eine überregionale (fast globale) Ebene zu skalieren und mit Hilfe von digitaler

Kommunikation das alte Dorf zu modernisieren und neu zu verknüpfen. 108

Im Gespräch mit Uwe Lübbermann ist der Begriff von integrativer Innovation gefallen, im

Sinne von - andere wandeln und nicht kaputt machen (was es bei einer disruptiven Inno-

vation der Fall wäre). Premium geht diesen Weg bei Komplikationen mit z.B. Getränke-

händlern. Die Geschäftsbeziehungen werden nicht einfach aufgekündigt, sondern es wird

versucht im Gespräch Einsicht zu erzeugen, eine bessere Lösung zu finden oder in man-

chen Fällen festzustellen, dass der Händler von Beginn an Recht hatte und entsprechend

wird eine neue bessere Lösung gefunden.109

4.3.3.3 Intensitätsdimension - Neu für wen?

Für alle Beteiligte in dieser Branche ist im Ermessen der Verfasserin, diese Art (Modul-

weise des Betriebssystems) zu wirtschaften erstmalig und daher als neu einzuordnen.

Auch die Möglichkeit der Partizipation von vielen Beteiligten bei so vielen Geschäftsauf-

gaben ist als sehr positiv und „neu“ zu bewerten. Das Kollektiv Premium hat sich eben

durch dieses Merkmal, Mangel an Partizipation und Mitsprache bei afri-cola, gefunden

und gegründet. Viele Erfahrungen haben dazu geführt, dass vor allem bei Premium sehr

viel Wert auf soziale Aspekte von Arbeit gelegt wird um arbeiten möglichst druckfrei zu

organisieren.110 Des Weiteren ist das Betriebssystem von Premium als Marke für Open

Franchise anerkannt.

107 Vgl. Interview mit Uwe Lübbermann am 18.07.2015, Zeile 227ff. 108 Vgl. Interview mit Uwe Lübbermann am 18.07.2015, Zeile 245. 109 Vgl. Interview mit Uwe Lübbermann am 18.07.2015, Zeile 312ff. 110 Vgl. Interview mit Uwe Lübbermann am 18.07.2015, Zeile 23.

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Hausarbeit 31

4.3.3.4 Prozessuale Dimension – Wo beginnt, wo endet die Neuerung?

Bei einer Idee oder Initiative handelt es sich mehr oder weniger um einen bewussten

Entschluss, sich mit einem bisher nicht näher bekannten Gegenstand näher zu beschäfti-

gen. Dem damaligen Praktikanten Uwe Lübbermann ist in diesem Fall eben dies wieder-

fahren. Die Gründung des Kollektivs und daraufhin des Unternehmens Premium hat deut-

lich gezeigt, dass vor allem die Endkunden mehr mitbestimmen wollten.111 Die Phasen der

Entdeckung und Beobachtung, Forschung, Ggf. Erfindung und Entwicklung fand in der

Anfangsphase von Premium statt, als sich alle Prozesse erst finden mussten und die

Beteiligten an dem Projekt Fakten, Wissen und Funktion eines Getränkemarktes recher-

chierten.112 Die Punkte Entwicklung, Verwertungsanlauf und Laufende Verwertung können

in diesem Fall nicht konkret betrachtet werden, da Premium mit seinem Betriebssystem

und sehr langsamen Wachstum sich nicht im Sinne vom Innovationsmanagement-Begriff

erfassen lässt.

4.3.3.5 Normative Dimension: Neu=erfolgreich?

Oft wird vorgeschlagen, laut Hauschildt und Salomo, den Begriff Innovation nur zu ver-

wenden, wenn es „eine Verbesserung zum Status Quo ist“. Damit wird auf den Zielerfül-

lungsgrad hingedeutet.113 Nach Meinung der Verfasserin kann Premium in diesem Fall ein

Grad an Erfolg attestiert werden. Von 8 gemeinsam mit anderen Beteiligten neu gegrün-

deten Getränkemarken (nach dem Premium Betriebssystem) konnten 7 Unternehmen

bestehen bleiben, was in der Getränke-Start-Up-Branche ein sehr guter Schnitt ist. In

Berlin haben im Jahr 2012 von 140 neu gegründeten Getränkemarken nur 3 Unterneh-

mungen überlebt. 114

111 Vgl. Interview mit Uwe Lübbermann am 18.07.2015, Zeile 304. 112 Vgl. Interview mit Uwe Lübbermann am 18.07.2015, Zeile 27ff. 113 Vgl. Hauschildt, Salomo, S.21f. 114 Vgl. Interview mit Uwe Lübbermann am 18.07.2015, Zeile 59ff.

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5. Schlussbetrachtung

5.1 Zusammenfassung

Die westliche Wirtschafts- und Lebensweise stößt schon längst an die Grenzen des

Wachstums. Die sozialen und ökologischen Folgen der Übernutzung der natürlichen

Grundlagen der Erde werden immer präsenter. Daher wird zunehmend eine Abkehr vom

Wachstumsparadigma gefordert. Wie jedoch die sozial-ökologische Transformation der

Wirtschaft und Gesellschaft aussehen soll, darüber herrscht derzeit noch kein Konsens.

Auch nicht über die Frage, welche Rolle Unternehmen in diesem Transformationsprozess

einnehmen können. Kern dieser Arbeit ist gerade jenes Spannungsfeld, wie Unternehmen

mit ökologischen und ökonomischen Wachstumsbegrenzungen umgehen können. Es hat

sich gezeigt, dass dieses Thema in der wissenschaftlichen Literatur unterrepräsentiert ist.

Die Pilotstudie zur Unternehmensperspektive im Postwachstumsdiskurs „Wachstumsneut-

rale Unternehmen“ vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung aus dem Jahr 2013

versucht jedoch diese Lücke zu schließen. Basierend auf dieser Studie wurden in dieser

Arbeit zwei wachstumsneutrale Unternehmen untersucht, die nicht Bestandteil der Pilot-

studie waren. Es sollte analysiert werden, ob jene untersuchten Unternehmen innovative

Unternehmensformen darstellen, die einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung

leisten können. Weiterhin ob die dargestellten Beispiele wachstumsneutraler Unterneh-

men übertragbar auf andere Unternehmen bzw. Rechtsformen sind und welche Rolle die

Unternehmensgröße spielt.

Die Analyse von Premium zeigt, dass nach Meinung der Verfasserin die Unternehmens-

form von Premium in der Darstellung und in der Art zu wirtschaften innovativ im Sinne

einer nachhaltigen Entwicklung ist. Dies zeigt sich in den in Kapitel 4.3.3 gestellten W-

Fragen und lässt sich folgend zusammenfassen: Das Unternehmen Premium ist in seiner

Form in Deutschland als einzigartig und dahingehend als innovativ einzustufen. Wie in

Kapitel 4.3.3.1 erwähnt, ist dies auch der Deutschen Bundesstiftung Umwelt aufgefallen,

die finanziell Projekte unterstützt um das Betriebssystem von Premium weiter bekannt zu

machen und zu verbreiten. Hierbei wird mit verschiedenen kleineren und mittelständi-

schen Unternehmen zusammen gearbeitet. Durch dieses Transfer-Projekt soll zu einer

Übertragung der Grundsätze nachhaltiger Wirtschaftens auf Unternehmen anderer Bran-

chen kommen. Gleichzeitig soll so das Betriebssystem reflektiert und getestet werden, ob

es auf andere Branchen und Unternehmen in verschiedenen Rechtsformen übertragbar

ist, oder das Betriebssystem weiterentwickelt werden kann. Es kann also gesagt werden,

dass das durch Premium dargestellte Beispiel wachstumsneutraler Wirtschaftsunterneh-

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Hausarbeit 33

men übertragbar auf andere Sparten und Branchen ist.115 Wie im Interview mit dem Ge-

schäftsführer Uwe Lübbermann eruiert ist dafür noch keine konkrete Unternehmensgröße

auffällig geworden. Mit den Worten von Prof. Dr. Niko Paech wäre es vernünftig zu einer

Unternehmensgröße zurück zu kommen, die noch sozial verträglich ist.116

Die Analyse von Fairmondo zeigte, dass Fairmondo mit seinem neuen Geschäftsmodell

2.0 eine neue Ära im Online-Handel geschaffen hat. Anzumerken ist jedoch, dass ohne

das ’crowfunding’, Spenden oder genug Einlagen durch die Mitgliederinnen, ihre Idee

nicht weiter stattfinden kann. Grund hierfür ist, dass ihnen weiteres Kapital fehlt. Ein

Scheitern der Idee wäre ein negatives Zeichen für das Genossenschaftsmodell 2.0 und

würde somit zum ‚Begräbnis‘ des 2.0 Modells werden, bevor es sich überhaupt fest in die

Gesellschaft etablieren konnte.117

Aus innovationstechnischer Sicht ist hervorzuheben, dass sich Fairmondo auch intern

jederzeit dafür einsetzt, dass neue Ideen von den Mitgliederinnen Anerkennung und Be-

achtung finden. So verfolgt Fairmondo mit dem Open-Innovation-Ansatz die Idee, dass

Nutzerinnen mit eigenen Vorschlägen zur Verbesserung des Unternehmens beitragen

könnten. Diese werden anschließend in kleinen Arbeitsgruppen besprochen und ausgear-

beitet. Somit können die Nutzerinnen jederzeit an der Entwicklung und Umsetzung mitwir-

ken. Fairmondos „RundeSacheAbo“ ist ein gelungenes Beispiel für die erfolgreiche Um-

setzung einer solchen Innovationsidee. Mit diesen Beispielen zeigt Fairmondo, dass es

möglich und auch nötig ist die wachsende Bewusstseinsveränderung der Gesellschaft –

hin zu mehr Nachhaltigkeit gegenüber dem Produkt, den Mitbürgern und der Natur – in

der eigenen Unternehmenspolitik und –philosophie zu integrieren. Mit der Innovationsidee

‚Rund Sache Abo‘ wird die Notwendigkeit einer ‚Grünen Logistik‘ in großen Innenstädten

stark hervorgehoben und aktiv zur Verbesserung und Senkung von Schadeinwirkung auf

die Umwelt beigetragen.

115 Vgl. Premium 02 KMU Projekt, S. 1. 116 Vgl. Interview mit Uwe Lübbermann am 18.07.2015, Zeile 197. 117 Vgl. Fairmondo (o. J.).

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Hausarbeit 34

5.2 Fazit und Empfehlungen

Durch die Pionierarbeit von Fairmondo und Premium wurde aufgezeigt, dass Unterneh-

men im Kollektiv gleichermaßen Erfolg haben können, ohne dabei die Bedürfnisse ande-

rer zu vernachlässigen oder gegen Ethik zu verstoßen. Dabei ist jedoch gerade in den

Anfangszeiten zu beachten, dass der Wettbewerb auf nationaler und internationaler Ebe-

ne stark auf Kapitalismus geprägt ist. Ein erforderliches Maß an Grundkapital, einer sau-

beren durchdachten Kalkulation aller laufenden Kosten sowie die Ausarbeitung eines

ordentlichen Geschäftsmodells sind daher unverzichtbar. Nichtsdestotrotz gehört Fair-

mondo zu einem der erfolgreichsten Start-Ups Unternehmen der vergangenen Jahre.

Dieses Potential ist derzeit fundamental in und mit Berlin verankert. So ist der Berliner

Zeitung zu entnehmen, dass Berliner Start-Ups (zusammen mit London) die Vorreiter in

Europa sind, was ihre innovativen Ideen betrifft118. Um auch anderen Unternehmen oder

Start-Ups diesen Einstieg zu ermöglichen, bietet Fairmondo seine Unterstützung an.

Durch diese sollen weiteren Genossenschaften nach dem Fairmondo-Modell „2.0“ entste-

hen. Dazu will Fairmondo zukünftig andere Unternehmen animieren und sogar finanziell

unterstützen, um diese zu fördern. Sie werben damit, dass ihr Geschäftsmodell darauf

ausgelegt ist, ein korruptionsresistentes Geschäftsmodell aufzubauen.

Die Auseinandersetzung mit betrieblicher Wachstumsneutralität in dieser Arbeit zeigte,

dass besonders in kleinen und mittleren Unternehmen Inhaber oder Geschäftsführer auf

unterschiedliche „Entwicklungsstrategien und –modelle setzen, die nicht per se auf

Wachstum ausgerichtet sind, sondern darauf, dass Unternehmen und seine jeweiligen

Qualitäten langfristig zu erhalten“119. Solche wachstumsneutralen oder stabilitätsorientier-

ten Unternehmen, die sich erfolgreich am Markt behaupten, können Wege aufzeigen, wie

eine Loslösung vom Wachstumsparadigma in der Praxis aussehen könnte und somit

Brücken zu einer nachhaltigen Entwicklung bauen.

118 Vgl. Loke, Matthias (2013). S. 1. 119 Gebauer und Mewes (2015), S. 1.

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Hausarbeit VIII

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Hausarbeit IX

Premium 10 Modul Optimierung,

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Premium 11 Modul PR Verzicht,

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Reichel, André

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Schneidewind, Uwe, and Alexandra Palzkill-Vorbeck

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Stüber, Jürgen 2015 Berliner Morgenpost: Tech-Event. http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/startups/article205480443/Was-der-Zalando-Chef-Startup-Gruendern-raet.html, accessed July 12, 2015. Tillich, Martin. 2014 Alternativenzu Amazon. http://detektor.fm/wirtschaft/alternativ-einkaufen-die-plattform-fairmondo, accessed July 10, 2015.

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Hausarbeit X

Anhang

Interview mit Uwe Lübbermann von Premium am 18.07.2015 um 13:01 Uhr via Skype:

1 X: Hallo Uwe. Ich möchte mich jetzt schon mal bedanken mit mir darüber zu reden, obwohl 2 du viele Dinge zu tun hast. 3 U: Hallo Xenia. Wichtige kann man nicht sagen aber viele zu tun Dinge. Aber Gerne! 4 X: Großartig 5 X: Du hast bereits einen kleinen Teil schon mal lesen können den ich geschrieben habe und 6 meintest dass du zu manchen Bereichen noch ein paar Anmerkungen machen würdest. 7 U: Genau. Hast du die Aufzeichnung schon gestartet? 8 X: Ja. Die läuft ab jetzt. 9 U: Dann würde ich einfach mal erzählen was ich mir so gedacht hab. Danach kurz mit dir

10 durch die Arbeit gehen um noch ein paar kleine Anmerkungen zu machen. 11 X: Na klar. Gerne. 12 U: Ok was die Grundfragestellung angeht und innovativ, muss man bei uns denke ich 3 13 Phasen unterscheiden. Die erste Phase, so würde ich es nennen, also von den ersten 1000 14 Flaschen bis irgendwie 2012 oder sowas da hattest du geschrieben dass das Ganze eher 15 schleppend war, das war aber tatsächlich Absicht. 16 X:Genau. 17 U: Sprich bis auf die ersten 1000 Flaschen bis ein guter Freund André Fritz mir 18 2000 Mark geliehen hat, habe ich bewusst sozusagen alles ohne Kredite aufgebaut. Und 19 zwar genau aus der Argumentation heraus, die du ja auch in der Arbeit nennst… ich dachte 20 wenn ich auch Kredite habe habe ich den Druck … dann muss ich verkaufen, muss ich 21 vielleicht Druck auf die Lieferanten machen, dann muss ich auch schnell sein und mich 22 Vollzeit drum kümmern. Das sind alles so Muss – Faktoren die ich nicht haben wollte. 23 Sondern ich wollte es möglichst druckfrei, für mich und für alle anderen Beteiligten aufbauen. 24 Aus der Logik heraus also kein Kredit und dann auch gleich so diesen normalen 25 Gründungsverlauf nicht gemacht im Sinne von Businessplan schreiben, Geld leihen, Job 26 kündigen, volles Risiko Unternehmer sein. Weil ich da noch eine zweite Komponente 27 dachte… das war ja sozusagen am Anfang, zu einem Zeitpunkt wo ich noch keine Ahnung 28 hatte selber, keine Erfahrung, kein Netzwerk, keine Rücklagen, keine Übung usw. auch 29 selber gar nicht reif war sowas selber zu steuern und in der Situation wäre das sozusagen 30 das Dümmste was ich machen könnte dann das ganze Risiko da dranzuhängen und 31 meinen normalen Job zu kündigen und einen Kredit oben draufzusetzen und auf diese Art zu 32 gründen. Deswegen habe ich es ganz bewusst über die Jahre ganz langsam aufgebaut, 33 Stadt für Stadt, Schritt für Schritt und habe meine normalen Jobs die ich in der Zeit hatte 34 natürlich behalten um möglichst druckfrei das Ganze aufzubauen und auch dem ganzen 35 Konzept Zeit zu geben zu reifen, sag ich mal. Weil das sind viele Dinge dabei wo wir uns 36 anders Gedanken gemacht haben und viele Gedanken gemacht haben über normale 37 wirtschaftszusammenhänge und was wir davon eben nicht haben wollen und das geht glaub 38 ich nur wenn du dir Zeit nimmst um über die Sachen erst mal in Ruhe nachzudenken und mit 39 allen zu reden und eben auch so viel zeit zu investieren dass man zum Konsens kommt. Und 40 das dauert zu Anfang natürlich auch länger … wir haben mal 4 Monate gebraucht, das weiß 41 ich noch ganz genau, um uns auf 6 Worte zu einigen die auf das Etikett sollten Aber wenn

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Hausarbeit XI

42 man die dann hat dann waren die 6 Jahre stabil, also es lohnt sich schon am Anfang Zeit 43 und Gespräch und Gehirnschmalz reinzustecken aber sich halt auch bewusst die Zeit dafür 44 zu nehmen. Das ging soweit dass ich neue Getränkehändler die einsteigen wollten, warten 45 lassen habe, in einem Fall 3 Monate, bis ich mir die Fahrt zu ihnen leisten konnte. Weil zu 46 Anfang des Projekts war ich Azubi, ich hatte einfach nicht viel Geld und wusste ich muss mir 47 das Geld irgendwie leihen für die Fahrt, besuche dann 3 Händler und bin dann gezwungen 48 einen von diesen drei Händlern auch als Kunden zu gewinnen und wenn das nicht klappt bin 49 ich im Minus und hab ein Problem. Und weil ich das nicht haben wollte habe ich halt erst 50 dann die Fahrt gemacht als ich wusste ich hab jetzt die 200 Euro um dorthin zu fahren und 51 dann hätte ich theoretisch auch ohne Erfolg zurück kommen können, hätte aber keine 52 Schulden an der Backe gehabt. So und diese langsame Haltung, sozusagen, das würde ich 53 sagen, man könnte es auch Risikovermeidung oder Druckvermeidung nennen das ist 54 kennzeichnend für die Aufbauphase, das war jetzt aber nicht aus einer 55 großgesellschaftlichen Wachstumsbetrachtung heraus sondern einfach nur fürs 56 Unternehmen, dachte ich, ich will es irgendwie „gesund“ machen, ich will den Raum haben 57 Fehler zu machen, ich will den Raum haben druckfrei und in Ruhe mit allen das aufzubauen 58 und deswegen Aufbauphase bewusst langsam. 59 Ich habe ja neben den eigenen Gründungen noch ca. über 20 andere Gründungen 60 mittlerweile begleitet von denen haben 8 gegründet und von denen haben 7 wiederum 61 überlebt. Und ich glaub das liegt auch daran, dass sie alle langsam gemacht haben im 62 Gegensatz zu hundert… 63 X: WOW. Das ist ein ziemlich guter Schnitt für Neugründungen. 64 U: Im direkten Vergleich habe ich eine Zahl aus Berlin von 140 Getränkegründungen in 2012 65 (nur in Berlin!) und Ende 2013 gab es davon von drei. Ein Getränk gründen ist relativ leicht 66 aber es ist auch relativ leicht damit auf die Nase zu fallen wenn man es eben nicht bewusst 67 und langsam macht. 68 X: Ja. 69 U: So. In dieser Phase gab es dann natürlich auch Diskussionen ob wir jetzt irgendwie ein 70 Büro mieten sollen, ob wir Leute einstellen sollen die Außendienst machen um das 71 Wachstum zu beschleunigen, ob wir werben wollen, ob wir einen Firmenwagen brauchen 72 und all sowas und ich habe das alles mit Nein beantwortet, weil ich so ein Gefühl hatte das 73 ich eigentlich eine Weltwirtschaft gerne hätte wo es nicht immer mehr und immer größer und 74 immer fetter sein muss sondern wo wir oder auch ich insbesondere mit einem Beispiel voran 75 gehen obwohl das ist das falsche Wort, es gibt auch viele andere die es so machen, aber 76 vielleicht beispielhaft zeigen können, das man ein Unternehmen eben auch ohne diesen 77 ganzen Representationsbimbam machen kann und das man bis heute, also habe ich 78 immer noch nicht ohne Büro, ohne Firmenwagen, ohne Anzug, ohne Rumgeprotze sondern 79 mit den Arbeitsmitteln die man braucht also Rechner, hier ist ein Schreibtisch und ein 80 Telefon und das war’s … und ich kann mit der Bahn und mit dem Bus irgendwo hin fahren 81 und muss nicht irgendwie das Auto nehmen. Um so ein bisschen zu zeigen obwohl ich der 82 offizielle „Geschäftsführer“ bin, ich will gar nicht solche Ressourcen verschwenden sondern 83 ich will das für uns, sozusagen an Arbeitsmaterialien haben was wir brauchen, aber halt 84 möglichst wenig und möglichst reduziert. 85 X: Ja. 86 U: Und das spielt so ein bisschen mit rein, was viele Leute nicht verstehen, wenn ich dann 87 zum Vortrag komme und sie fragen ob ich abgeholt werden möchte oder ein Taxi brauche…

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Hausarbeit XII

88 Nee da gibt’s eine Busverbindung. Ich komme mit dem Bus und das ist völlig in Ordnung. Da 89 breche ich mir keinen Zacken aus der Krone. Das geht so weit das wir eben auch bewusst 90 Einheitslöhne haben damit zwei Ergänzungen, für jedes Kind gibt es mehr und bei 91 Behinderungen also je nach Behinderunsgrad mehr, aber ansonsten kriegen alle die gleich 92 16 € die Stunde. Auch ich natürlich und das ist auch wieder so ein Ausdruck von wir arbeiten 93 hier miteinander, es ist niemand wichtiger oder wertvoller als der andere sondern es wollen 94 alle das gemeinsam machen und daher wird das gleiche bezahlt 95 X: Ja. Und seit wann? Ich glaube ich hatte herausgearbeitet dass ab 2007 dann ungefähr 96 Anteile ausgezahlt werden konnten, an Organisatoren, Regler usw.… 97 U: Genau 2007 da war der letzte dran ... wir haben das konzentrisch gedacht. Je weiter 98 jemand von uns entfernt war desto früher hat er sein Geld bekommen. Die Produzenten zum 99 Beispiel ganz zu Anfang und die Logistiker ganz zu Anfang, auch die Händler und die

100 Sprecher zum Beispiel haben die ersten 3 Jahre, das hattest du richtig gesehen, haben zum 101 Beispiel ehrenamtlich gearbeitet weil wir noch einfach kein Geld für die hatten und ich habe 102 natürlich auch nichts gekriegt weil ich kann ja nicht mir selber Geld geben und den anderen 103 Leuten irgendwie nichts. Und deswegen war ich seit April 2007 der Letzte, also vorher war’s 104 so dass eben die anderen eben was gekriegt haben und ich war als „Letzter“ dran. So und 105 davon leben konnte ich dann seit April 2008, also hätte ich können, aber habe ich noch nicht 106 gemacht weil jetzt kommt sozusagen die zweite Phase, es gab nach der Aufbauphase, gab 107 es so was wie, man könnte da auch Konsolidierungsphase nennen oder Reifephase oder 108 wie auch immer man das ausdrücken will, wo das Unternehmen weiterhin gewachsen ist 109 obwohl wir das nicht irgendwie künstlich befeuert haben. Und wo wir uns erst mal finden 110 mussten, sag ich mal, also wo und wie genau entwickelt sich das, was ist das 111 Betriebssystem überhaupt, können wir das rausgeben… wie viele Leute wollen wir, brauchen 112 wir usw.. Und diese Phase im Prinzip von April 2008 bis April 2010 würd ich die so ungefähr 113 denken, in der Zeit hätte ich zwar schon knapp leben können habs aber immer noch nicht 114 gemacht weil ich das sozusagen noch abwarten wollte bis das reif genug ist dass es Sinn 115 macht den Wechsel zu machen und in dieser Zeit war sogar so dass wir zu schnell 116 gewachsen sind und praktisch Zahlungsunfähig waren weil wir es nicht auf dem Zettel 117 hatten, dass man das irgendwie beachten muss. Wir wussten es schlichtweg nicht und vieles 118 was ich dir jetzt so erzähle ist aus dem einfach mal Tun und dann merken wie man es 119 machen müsste entstanden. Also es gab jetzt keinen … 120

121 X: learningbydoing? 122

123 U: Genau. Es gab kein Wachstumskonzept das am Anfang irgendwer geschrieben hat und 124 dann haben wir das umgesetzt sondern das ist immer so man entwickelt sich und dann sieht 125 man ein neues Problem, dann überlegt man sich eine Lösung und dann macht man das 126 nächste und so es immer eins nach dem anderen 127 X: Ok. 128 U: So und in dieser Phase war dann eben auch klar, wir müssen auf jeden Fall die 129 Geschwindigkeit des Wachstums begrenzen und zwar bei maximal 30% pro Quartal bzw. 130 10% aufs Jahr das unterscheidet sich weil bei Getränken übers Jahr so eine Sinuskurve da 131 ist also im Frühjahr steigt es an da wird’s wärmer, die Leute trinken mehr, dann hast du im 132 Sommer ein Plateau wo es warm ist und es werden viele Getränke getrunken und im Herbst 133 wird es dann wieder weniger und so. Das heißt dieser Frühjahrsanstieg den hast du sowieso

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Hausarbeit XIII

134 immer, da musst du dich drauf vorbereiten da musst du Leergut kaufen und sowas alles und 135 wenn du dann zu viele neue Kunden dazugewinnst dann bist du halt zahlungsunfähig weil du 136 gar nicht mehr die Produzenten bezahlen kannst. 137 X: Aha ok. Daher habt ihr dieses Sofort-zahlen Konzept? 138 U: Genau und wir haben dann halt überlegt, zahlen wir die Lieferanten später, das wollten 139 wir nicht, holen wir uns einen Kredit von der Bank? Für irgendwie 3 Monate, wollten wir aber 140 auch nicht aus den gleich Gründen wie vorher, wir wollten keinen Druck im Nacken haben 141 und dann haben wir das Glück gehabt dass zwei unserer beiden größten Großhändler von 142 sich aus angerufen haben und freiwillig früher bezahlt haben d.h. die haben verstanden dass 143 wir nicht jetzt irgendwie nur um uns kümmern und die anderen sind irgendwie extern sondern 144 wir machen das als was gemeinsames, dieses Projekt. Und das war für uns im Prinzip die 145 Rettung und zugleich aber auch die Ermahnung …passt mal auf du hast hier zwei Partner, 146 ein Netzwerk auf das du zählen kannst in einer Krise aber warum willst du ohne Not so eine 147 Zahlungkrise herbeiführen bitte brems doch mal das Wachstum. … war für mich 148 zu mindestens die Antwort. Und seitdem haben wir das so dass wir einfach wenn es zu viel 149 wird dann bitten wir die Händler die neu dazu kommen wollen zu warten. Um nicht in diesen 150 Druck zu geraten. Und genauso bitten wir zu große Einzelkunden zu warten oder eben 151 kleinere Bestellungen zu machen z.B. das Fusion Festival, das hast du vielleicht über 152 Tweets mitgekriegt, da durften wir auch wieder Cola hin liefern und die wollten auch neben 153 einem LKW Cola wollten Sie auch 10 Paletten mit Bier…. 154 X: Ja genau. Das habe ich mitbekommen. 155 U: Ja. Das haben wir ganz höflich abgelehnt weil das für uns viel zu riskant wäre einfach 156 auch. 157 Und die dritte Ebene warum man das Wachstum begrenzen möchte. Ist, glaub ich die 158 Menschliche .. wir haben eine ganz spezielle, weiche Kollektiv-Arbeitsweise, kannst du dir 159 vorstellen und das braucht eine gewisse Zeit bis Leute die aus normalen Unternehmen 160 kommen bis sie sich dran gewöhnt/eingewöhnt haben. Und wenn wir jetzt aus dem Stand, 161 sag ich mal, bei 130 Leuten die aktuell mitreden, könnten noch viel mehr sein aber sind 130, 162 wenn wir da also aus dem Stand 30 Neue reinwerfen, dann könnte es sogar sein dass die so 163 eine Kultur kippen oder es eine Auseinandersetzung gibt, weil sie noch gar nicht das 164 Verfahren und die Arbeitsweise kennen. Das ist der dritte Grund warum wir das so bewusst 165 langsamer haben wollen nämlich der menschliche der psychologische Aspekt… man 166 braucht einfach eine bestimmte Zeit um sich an eine Kultur zu gewöhnen. 167 So mittlerweile befinden wir uns, glaub ich in der dritten Phase, ich weiß nicht ob ich das 168 Reifephase nenne würde ich würds eher so stabile Phase nennen, oder Stabilitätsphase. 169 Das Unternehmen liefert 1,2 Mio. Flaschen. Das klingt jetzt viel sind aber nur ein paar 170 Promille Marktanteil in 200 Städte in Deutschland, Österreich und die Schweiz. Es zahlt den 171 Leuten ausreichend Lohn also, 16€/Stunde, das sind 2600 im Monat brutto für mich, das reicht für eine 172 Einzelperson aus, da kann man hervorragend von leben. Es ist schuldenfrei, es zahlt den 173 Lieferanten ausreichend, alles ist Konsens, wir haben nicht einen einzigen Rechtsstreit 174 gehabt in 13,5 Jahren. Wir haben ein paar kleine Fehler gemacht aber die haben uns auch 175 nicht das Überleben gekostet und was wir jetzt tun müssen ist eigentlich nur im Prinzip so 176 weitermachen und uns parallel aber auch weiter entwickeln und deswegen bin ich da auch 177 immer so dankbar für wissenschaftliche Arbeiten weil da lern ich immer was draus. 178 Das heißt übersetzt dass wir im Moment keinen sachlichen Grund haben warum das 179 Unternehmen weiter wachsen sollte. Es ist ausreichend groß. Es gibt keinen Grund warum

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Hausarbeit XIV

180 es weiter wachsen sollte. Sachlich betrachtet. Der einzige Grund warum es doch schön wäre 181 ist, es gibt eigentlich zwei 182 Der erste Grund wäre das wir mit dem Wachstum vom Unternehmen Premium mehr Leute 183 erreichen könnten die wir ordentlich behandeln können und damit vielleicht aus anderen 184 zusammenhängen wo das vielleicht nicht so gut funktioniert raus lösen können teilweise… 185 das ist so der eine Grund… also ich würde gerne mehr Leuten unsere Arbeitsweise 186 angedeihen lassen, sag ich mal …. Druckfreies Arbeiten mit freier Wahl von Ort und Zeit es 187 gibt keine Stundenkontrollen es gibt das Geld weiter auch wenn du krank bist auch wenn du 188 Freiberufler bist es gibt das Geld weiter wenn du umziehen musst, weil z.B. der Vermieter 189 deine Hunde verboten hat (so einen Fall haben wir gerade) da könnte der normale 190 Arbeitgeber sagen du arbeitest nicht dann kriegst du auch kein Geld und wir sagen wir zahlen 191 dir das gleiche Geld weil du ja jetzt umziehen musst und da kannst du nichts für … so das 192 würde ich also gern mehr Leuten anbieten aber da gibt’s auch eine Grenze die wir bisher 193 noch nicht kennen. Wir haben derzeit 1680 gewerbliche Partner mit denen wir verbunden 194 sind und das ist noch relativ gut handle bar, wenn man das auf diese Art und Weise macht 195 aber vielleicht ist da irgendwo eine Grenze 1800 bei 2500 oder bei weiß ich nicht wo … also 196 wenn wir das feststellen spätestens dann werde ich mich dafür einsetzen dass wir aufhören 197 zu wachsen und es dabei belassen und da bin ich bei Niko Paech (Prof. Dr. Niko Paech) der 198 sagt nämlich wir müssen zurück kommen zu Unternehmensgrößen die noch sozial 199 Verträglich sind. Ab einer gewissen Größe verselbstständigen die sich manche Dinge, dann 200 brauchst du eine Bürokratieebenen brauchst vielleicht doch Führungsebenen und solche 201 Sachen und das möchte ich nicht und das möchte er auch nicht …. Ich war erst vor 3 Tagen 202 bei ihm in Oldenburg, also da sind wir uns mal wieder einig. 203 X: lacht ja 204 Der zweite Grund warum Wachstum vielleicht für uns doch nett wäre ist dass die Reichweite 205 der Idee sich dadurch verbreitet und das es attraktiv bleibt für andere Unternehmen so 206 ähnlich zu arbeiten, weil wenn das jetzt Jahrelang vor sich hin stagniert dann ist es vielleicht 207 für Andere Unternehmer nicht so reizvoll sich das genauer anzugucken und diese Ideen 208 vielleicht zum Teil zu übernehmen, aber gerade das wollen wir ja, dass die Ideen 209 übernommen werden deswegen ist es explizit Open Source (Open Franchise) das hast du ja 210 auch schön reingeschrieben und deswegen machen wir auch dieses DBU Projekt, damit sich 211 diese Arbeitsweise verbreitet. Und das ist also bei .. also neutral betrachtet ist es der 212 Versuch der Entkopplung, d.h. wir können die Ideen weiterverbreiten ohne als Unternehmen 213 weiter wachsen zu müssen. 214 X: Genau ja, das fand ich eben auch sehr schön gelöst das eben nicht das Unternehmen 215 selbst weiter wachsen muss damit es mega bekannt wird sondern dass es sich tatsächlich 216 um eine Prozessinnovation handelt sprich die Art des anderen Wirtschaftens was 217 weitergetragen wird. 218 U: Mhm…ob das jetzt so Prozessinnovation ist … wenn du das so siehst kann ich damit 219 leben aber wir kriegen ja immer alle möglichen Sachen attestiert, was wir alles so sind. 220 X: Genau. Das kann ich mir gut vorstellen. Da gibt es dann eine Label-Schublade aus der ihr 221 euch bedienen könnt 222 U: Jaja genau … ich finde das ganz lustig und hab da auch nichts dagegen. 223 X: Es ist einfach nur im Hinblick auf die Vorlesung und damit die Inhalte daraus in der 224 Hausarbeit mit aufgegriffen wurden. 225 U: Ich persönlich sehe das so dass wir eigentlich versuchen etwas sehr traditionelles und

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Hausarbeit XV

226 konservatives zu machen und ich ziehe da so ein bisschen den Vergleich zu unserem 227 Bierbrauer. Der lebt in so einem 1000 Seelen Dorf und arbeitet dort und muss sich dort 228 natürlich mit seiner Umwelt einigermaßen ordentlich verhalten sonst hat er seine eigene 229 Umwelt verdreckt im Prinzip und kann irgendwie übernächstes Jahr keine Gerste mehr ernten 230 wenn er es ganz hart macht um sein Bier zu brauen also langfristig gesehen sich ordentlich 231 um die Umwelt kümmern. Dann muss er sich natürlich auch sozial verträglich verhalten d.h. 232 er darf da nicht seine Leute prügeln und sonst was machen sonst hat er im Dorf einen 233 schlechten Ruf und wird sein Bier nicht los also darf er auch nicht machen, darf er sich gar 234 nicht leisten und er muss natürlich auch finanziell für sich ausreichend viel zu verdienen um 235 die nächste Kälteanlage und die nächsten Braukessel finanzieren zu können und sich zu 236 ernähren aber auch nicht zu viel, weil sonst wird er sein Bier auch nicht los wenn es sich 237 rumspricht, wenn er sich einen Palast hinstellt 238 So das sind aber auch schon die drei Bereiche der Nachhaltigkeit die für ihn, sag ich mal, 239 völlig altmodisch und selbstverständlich sind und für ihn logisch sind. So und wir bewegen 240 uns aber jetzt in einem überregionalisierten bis globalisierten Wirtschaftszusammenhang wo 241 es nicht mehr so ist wie in dem Dorf früher und es sich rumspricht sondern du kannst bis 242 zum gewissen Grad deine Umwelt sozial und finanziellen Wirkungen externalisieren und die 243 Effekte treten dann anders wo auf. Dann ist halt irgendwo ein anderes Land pleite… [Anm.: 244 gekürzt] 245 Was ich jetzt versuche ist eigentlich nichts anderes als die 1680 Partner die wir da haben 246 und die Endkunden auch in ein virtuelles Dorf einzuladen wo alles was die Leute dort machen 247 transparenter wird und sichtbarer wird, dass man sich bisschen besser benehmen muss weil 248 es andere Leute eben sehen werden und ihr Verhalten auch danach ausrichten werden. Und 249 das ist letztlich im Prinzip, also wenn man das ganz platt ausdrückt, nichts Neues. Es ist nur 250 virtualisiertes Dorf in dem man zusammen arbeitet. 251 X: Es ist dann sozusagen auf eine überschaubare Größe skaliert. 252 U: Genau. Das ist bei einem Dorf eben auch so. Bei 1000 Leuten sind das noch kurze Wege, 253 bei 2000 mag es auch noch gehen aber irgendwann wird es einfach zu groß und man kann 254 anfangen sich daneben zu benehmen ohne dass es Kunden mitbekommen. 255 X: Selbst wenn sie es mitbekommen ist es oft einfach “tobigtofail“ 256 U: Ja das könnte natürlich auch der Fall sein 257 X: Also ich meine wenn sich große Firmen etwas geleistet haben aber immer noch groß sind 258 und nicht komplett untergehen. 259 U: Genau … weil sie es sich leisten können. Weil es alle machen oder weil man angeblich im 260 gegeben Rahmen (Kapitalismus, Gesetze, Steuerrecht) nicht anders kann was ich auch 261 nicht glaube…. 262 Man kann anders. Da sind wir (Premium) ein Beispiel dafür und du hast auch eine Reihe 263 anderer Unternehmen aufgelistet und es gibt auch noch mehr mit Sicherheit die es auch 264 anders machen, also es ist Quatsch zu sagen dass der Rahmen dich zwingt dich daneben 265 zu benehmen. Das halte ich für Unfug 266 X: Ja das ist der leichteste Weg vermutlich. Mit den geringsten Widerständen. 267 U: Genau. 268 X: Du hattest vorhin schon gesagt dass es eben auch nie einen Businessplan gegeben hätte 269 weil die Idee aus dem Kollektiv aus der „Trotzgruppe“ afri-cola heraus entstanden ist. 270 U: Ja. 271 X: Zu Beginn habt ihr euch das Geld geliehen? Sprich um dieses mit dem Verkauf gleich

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Hausarbeit XVI

272 abzugelten? 273 U: Genau… da komme ich jetzt dazu weil ich habe mir das in der Arbeit und ein paar andere 274 Punkte markiert, ich kleine Anmerkungen zu hätte. Der erste ist genau der mit dem 275 geliehenen Geld finanziert, das ist richtig. [Anm.: gekürzt] Verweis 2000 Mark für die ersten 276 1000 Flaschen zu Beginn…Für die nächste Serie wurden das Geld angespart. Das war jetzt 277 sag ich mal auch Zufall dass ich zu diesem Zeitpunkt das Geld einfach nicht hatte, ich hätte 278 diesen Schritt auch einfach später machen können, ohne das geliehene Geld. Das ist aber 279 noch eine überschaubare Größe das kann man noch ansparen, sag ich mal. 280 So dann hast du geschrieben im Jahr 2004 seien wir auf digital umgestiegen ich glaube das 281 war früher weil wir haben 2001, Ende 2001 gegründet und wenn ich richtig im Bilde bin dann 282 kam Ende 2002 schon Magdeburg dazu als zweite Stadt also schon 2002. 283 X: Ok. Das kann ich einfach an den Anfang setzen und abändern. 284 U: Ich kann nochmal ganz sicher gehen. Weil ich hatte diese Frage letztens schon einmal 285 wann eigentlich die erste E-Mail über die Mailingliste ging, lass mich hier kurz gucken ich 286 habe hier nämlich ein Archiv. Da sind 19500 E-Mails drin. Und Tatsache 2002 war die erste 287 Mail. 288 So dann habe ich mir nochmal markiert die verschiedenen Phasen, die habe ich dir ja bereits 289 erläutert, zu mindestens so wie ich sie sehen, vielleicht siehst du sie ja anders und dann bin 290 ich in Gedanken auf Seite 22 da hast du geschrieben dass der Grund für die Gründung von 291 Premium war dass das Getränk also afri-cola einen anderen Geschmack aufwies und das ist nur 292 primär so. das war zwar der Anlass die haben das heimlich(!!) geändert … das hat mich gestört ich 293 wollte mitreden und dann ist daraus die ganze Geschichte geworden. Aber der Grund war 294 eigentlich der das die mich nicht haben mitreden lassen. „die haben einfach mein Getränk 295 geändert“ und das war sozusagen der Grund das ist dann sozusagen auch logisch dass ich 296 ein Unternehmen gründe wo alle mitreden können auch die Kunden. 297 X: ok dann arbeite ich das noch deutlicher heraus. 298 U: Also für mich ist es zu mindestens so, wenn die mich vorher informiert hätten, das ist so 299 ein Punkt, wenn sie gesagt hätten pass auf wir werden das Rezept ändern wir sehen keine 300 andere Möglichkeit wir wollen das tun. Dann hätte ich mich wahrscheinlich bisschen 301 aufgeregt und hätte was anderes getrunken und fertig 302 Kurze Nachfrage wg. Seite 22 – Navigationsschwierigkeiten 303 [Anm.: gekürzt] 304 U: Der entscheidende Mangel war dass wir nicht mitreden durften 305 [Anm.: Unterhaltung über Definition von Trend ist rausgenommen ] 306 U: zu deinem Stichpunkt Disruptive Innovation und das sagt man Unternehmern ja immer 307 gern nach dass sie irgendwas kaputt machen müssen um etwas Neues entstehen zu lassen 308 also Disruptive zu sein 309 X: Genau da erfolgt noch eine Einordnung wo Premium ungefähr einzuordnen ist. 310 U: Genau deshalb hatte ich mir das gleich markiert weil ich dazu noch was sagen kann wie 311 ich das zu mindestens gerne hätte. Ich hätte das sehr gerne integrativ. Also ich will gar nicht 312 andere kaputt machen, sondern ich will andere wandeln. Das heißt zum Beispiel wenn wir 313 mit Getränkehändlern zu tun haben die sich nicht an die Vereinbarungen halten mit 314 einheitliche Liefergebiete und einheitlichen Preisen dann will ich die nicht rauswerfen 315 sondern mit dem eine Lösung finden wie der das einsieht oder das wir lernen dass er doch 316 Recht hat und wir gemeinsam zu einer besseren Lösung kommen. Und wenn andere 317 Getränkehersteller mir angucke wie Unternehmer fritz, die mit negativen Methoden auffallen,

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Hausarbeit XVII

318 dann könnte ich die natürlich verklagen ich würde sogar Recht kriegen weil es laut dem 319 Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verboten ist was sie machen aber ich will ja nichts 320 kaputt machen ich will die wandeln… deswegen kommuniziere ich das immer öffentlich. 321 Damit sie das stört und sie damit aufhören. Und genauso mit anderen Getränkeherstellern, 322 wir kooperieren mit einer ganzen Reihe auch mit Cola und Bier-Anbietern könnte ich 323 konkurrieren oder wir würden uns versuchen gegenseitig kaputt zu machen oder was 324 wegzunehmen… aber ich will eigentlich diese wandeln. So dass sie merken, dass es 325 angenehm ist miteinander zu arbeiten statt gegeneinander. Daher versuche ich natürlich 326 möglichst nicht disruptiv zu sein, persönlich aber vielleicht kommst du auf ein anderes 327 Ergebnis bei der Analyse. 328 Ich persönlich versuche überhaupt nicht disruptiv zu sein oder sein zu lassen sondern integrativ 329 arbeiten zu lassen 330 X: Ok. Das kann ich gerne aufnehmen. Das hört sich sehr vernünftig an. 331 U: So. und ansonsten mit dem Begriff Innovation…[Internetverbindung abgebrochen] 332 U: Genau Innovation. Ich weiß gar nicht ob das so innovativ ist was wir da machen 333 wenn man da an das Dorfbeispiel zurück denkt, da ist glaube ich ganz viel nur gesunder 334 Menschenverstand der auf Wirtschaft angewendet wird und ein anderes Menschenbild 335 wo es um Gleichwertigkeit von Menschen geht. Und alles andere finde ich ist einfach nur 336 in Ruhe nachgedacht und überlegt wie kann man es machen, was ist die beste Lösung?, 337 und irgendwie so inkrementelle Optimierungsschritte 338 X: Hmh, aber ich würde vielleicht eure Betriebssystem, das Modulartig, sag ich mal aufgezogen habt 339 schon als innovativ in einem bestimmten Umfang sehen, weil es bei anderen Unternehmen bisher 340 noch nie wirklich so, konkret und bewusst durchgeführt wurde. Es wurde halt eben beim Dorf 341 bauern…. Es ist halt nebenbei passiert aus der Situation heraus weil es auch nicht anders ging. 342 U: Ja, da würde ich zwei Dinge unterscheiden: Das Ding an sich dass man sich aufschreibt wie man 343 arbeitet oder arbeiten möchte, dass ist sehr alt glaube ich. Also jeder Verein hat eine Satzung 344 jedes Unternehmen hat seinen Code ofConduct oder sowas, das an sich ist noch nicht die Innovation 345 glaube ich; was der schritt ist den andere nicht machen, dass wir es verschenken, dass wir es freiwillig 346 rausgeben.

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X: Ja. Dieses Open Franchise, dass es halt zum nachahmen, zum Wandel nicht zu Gegenteiligem an-regt.

348 U: Genau. Dass ist auf Werbe Englisch unsere USP also die Unique Selling Proposition und das Allein- 349 stellungsmerkmal, was wir anders und hoffentlich besser machen als andere. Das braucht schon 350 fast jedes Unternehmen. Aber die meisten schreiben es sich halt auf und schließen es weg

351 damit kein anderer das kopieren und es vielleicht sogar besser machen kann. Das ist dann schon 352 eher innovativer und mutiger Schritt (Open Franchise) und ich hab auch Sorge gehabt 353 dass das auch schief geht und auch gegen uns verwendet werden kann. 354 X: Ja, das habe ich auf der Homepage schon gelesen. 355 U: Aber der nächste Schritt war halt sich "nackt" zu machen und zu sagen" passt auf, hier … 356 öffentlich, so arbeiten wir. " gefällt euch das?" und bitte kopiert es" also ist schon ein gewisses 357 Risiko, sag ich jetzt mal weil uns das natürlich auch festlegt. Wir können jetzt nicht heimlich was.

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Sondern wir müssen uns natürlich auch dran halten. Aber auf der anderen Seite hat es dazu beigetragen, dass es

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z.B. Frolunder und Muntermate gibt. Und das es kollemate gibt. Und dass es eine ganz andere Reihe von

360 Getränkegründungen gibt. Und dass es immer wieder Getränkehersteller gibt, die sich an uns wenden 361 und um Tipps und Hinweise und alles Mögliche bitten. Ich habe jetzt eben wieder einen aus Kolumbien

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Hausarbeit XVIII

362 Im Postfach gehabt. Er möchte eine Bio-Limonade in Kolumbien gründen. 363 [gekürzt] 364 U: und dann habe ich plötzlich Einfluss in Kolumbien, ohne dass ich da irgendwas geplant hätte 365 [gekürzt] 366 [Absprache bzgl. Abzug vom Interview] 367 X: Vielen Dank Uwe für das aufschlussreiche Interview. Ich wünsche dir noch ein schönes Wochenen-

de.

U: Danke. Dir auch. Nachtrag per E-Mail am 19.7.2015 von Uwe Lübbermann: Alles unsere Bankkonten (bei der gls-bank.de, umweltbank.de, abs. ch für Schweizer Kunden) sind zinsfrei, weil Geld arbeitet nicht

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