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  • DEUTSCHLANDS WIRTSCHAFTS- UND FINANZZEITUNG

    THEMEN DES TAGES

    Die Revolution beim Datenschutz Die Daten der EU-Brger sollen endlich sicherer werden. Mit der Reform rcken auch drastische Bugelder fr Unternehmen nher, die die neuen Regeln missachten. Ganze Branchen frchten, dass ihre Geschftsmodelle beschnitten werden. Seite 11

    Der heie Kampf um den HausmllDie Energiewende macht die von Umweltschtzern heftig kritisierte Mllverbrennung berraschend at-traktiv und bringt die Branche damit in Aufruhr. Die Mllkonzerne frchten Fehlinvestitionen, denn sie haben viel Geld in die konkur-rierende Recyclingtechnik ge-steckt. Seiten 16, 28

    Clemens: T-Systems wird nicht verkauftTelekom-Vorstand Reinhard Clemens tritt den Gerchten ber eine Trennung von der seit Jahren mit Ertragsproblemen kmpfenden Konzerntochter im Handelsblatt-Interview entgegen. Er sieht den in T-Systems gebndelten Geschftskundenbereich als eines der Wachstumsfelder des Kon-zerns, und dafr brauche die Tele-kom den IT-Dienstleister. Seite 20

    Deutsche Bank im Visier der BafinDie Finanzaufsicht wirft mehreren Topmanagern der Deutschen Bank im Skandal um die Manipulation des Liborzinses organisatorische Mngel und laxe Kontrollen vor. Die Kritik richtet sich an fnf Per-sonen, darunter amtierende und ehemalige Vorstnde des grten deutschen Geldhauses. Seite 34

    Dax11196.49-1.20%

    E-Stoxx 503502.77-1.38%

    Dow Jones17898.84-0.78%

    S&P 5002094.11-0.70%

    Euro/Dollar1.1266$+0.07%

    Euro/Yen139.02+0.06%

    Brentl62.69$-1.71%

    Gold1181.65$-0.03%

    Bund 10J.0.834%-0.050PP

    US Staat2.392%+0.015PP Sc

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    G 02531 NR. 111 / PREIS 2,60 MONTAG, 15. JUNI 2015

    1

    Griechischer Bankrott rckt nher

    Ruth BerschensBrssel

    L ast Exit Grexit? Eine Staatspleite Grie-chenlands wird immer wahrscheinli-cher. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker brach am Sonntagabend einen Vermittlungsversuch im Schulden-streit ab. Es gebe bei den diskutierten Re-formen fr Griechenland einen deutlichen Unterschied zwischen den Plnen der Geldgeber und Athens, teilte ein Kommis-sionssprecher mit.

    Die Staatssekretre der Euro-Finanzmi-

    nisterien hatten sich bei einem Treffen in Bratislava erstmals intensiv mit dem Sze-nario einer Staatspleite Griechenlands be-schftigt, besttigten hochrangige Beamte. Die EU-Behrde fr Bankenabwicklung (SRB) bereitet sich auf den Zusammen-bruch der griechischen Geldhuser vor. Und SRB-Direktorin Elke Knig kritisiert die Finanzierung griechischer Banken mit Ela-Notkrediten. Die Grenze zwischen Ela und Konkursverschleppung ist flie-end, warnt Knig im Handelsblatt-Inter-view.

    Die EU-Kommission schlug zuletzt fr

    2016 Einsparungen im griechischen Vertei-digungsetat von 200 Millionen Euro vor, sagten EU-Diplomaten. Auf diese Weise knne man die von der Regierung in Athen strikt abgelehnten Rentenkrzungen ver-meiden. Vorbehalte dagegen gebe es beim Internationalen Whrungsfonds (IWF), der vergangene Woche die Verhandlungen abgebrochen hatte. An diesem Donnerstag beraten die Finanzminister der Euro-Zone ber Griechenland, Ende Juni luft das Hilfsprogramm der Euro-Zone aus.

    Berichte Seiten 12, 30

    Bankenabwicklerin Elke Knig warnt vor Konkursverschleppung.

    M. Fasse, M. Murphy, C. SchnellMnchen, Le Mans, Frankfurt

    Traditionell fhrt Martin Winterkorn die Fahr-zeugparade in Le Mans an. Als Audi am Samstag kurz vor Beginn des

    24-Stunden-Rennens seine Boli-den prsentierte, steuerte der VW-Chef einen roten R 8. Dass am En-de Porsche gewann und nicht Au-di, war ihm einerlei. Beides sind Konzernmarken. Hauptsache: VW gewinnt.

    Und ums Gewinnen dreht sich nach dem jhen Abgang des VW-Patriarchen Ferdinand Pich so ziemlich alles im Denken des Mar-tin Winterkorn. Am Freitag hatte er das Prsidium des VW-Aufsichts-rats am Flughafen Braunschweig zusammengerufen, um seine Um-bauplne darzulegen: Seine zwlf Marken will er knftig in vier Hol-dings zusammenfassen. Das erfuhr das Handelsblatt aus Unterneh-menskreisen.

    Die Gruppen sollen unabhngi-ger von der Wolfsburger Zentrale entscheiden drfen, in welchen Lndern sie welche Autos verkau-fen. Winterkorn will Macht abge-ben, um seine eigene zugleich zu sichern. Denn VW nach Pich, das bedeutet auch: Alle werden selbst-bewusster: Aufsichtsrte, Betriebs-rte, Marken-Manager.

    Im VW-Vorstand sollen knftig nur noch die Chefs der Holdings vertreten sein. Querschnittsberei-che wie etwa der Vertrieb fallen

    auf oberster Ebene weg und werden von den Marken selbst dirigiert. Der VW-Vorstand wrde schlanker.

    Volkswagen will das Szenario offi-ziell nicht kommentieren. Die ber-

    legungen sind nach Han-delsblatt-Informationen aber schon weit gediehen. Die neue Struktur soll im Groben stehen, wenn der designierte VW-Markenchef Herbert Diess seinen Job im Juli antritt. Der frhere BMW-Manager wird die Holding mit den Marken VW, Skoda und Seat fhren.

    Whrend bei den Kon-zern-Gewinnbringern Audi und Porsche nach dem Um-bau vieles beim Alten blei-ben wird, sieht man in

    Diess knftigem Bereich den gr-ten nderungsbedarf. Die hohen Kosten der deutschen VW-Werke drften jedenfalls bald Thema wer-den, heit es aus Konzernkreisen.

    Tatschlich hufen sich im Kern-geschft die Probleme. Zu der Er-tragsschwche der Hauptmarke VW und den mauen Verkufen in Nord- und Sdamerika kommt nun noch ein Problem in China. Auch dort brckeln die Verkufe.

    Winterkorn will sich mit seinem Umbauplan zugleich das eigene Kar-riereende ebnen: Wenn sein Plan gelingt, drfte ihm der Aufsichtsrat kaum verwehren, was Pich noch verhindern wollte: den Wechsel an die Spitze des Kontrollgremiums.

    Volkswagen-Chef Martin Winterkorn will seine Macht festigen, indem er sie teilt: Die zwlf Einzelmarken des Konzerns sollen zu vier Gruppen zusammengefasst werden und mehr Selbststndigkeit bekommen.

    Sein Plan fr Wolfsburg

    Fahrzeugabsatz VW-KonzernVernd. zum Vorjahr in Prozent

    Quelle: UnternehmenHandelsblatt

    Ausgebremst

    Juni 2014 Mai 2015

    -2,6 %+8

    +4

    0

    -4

    Konzernchef Martin Winterkorn: Zwlf Automarken

    sollen in vier Gruppen geordnet werden.

    Der groe VW-Umbau Seiten 4 bis 7

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  • GASTKOMMENTAR

    Kristalina Georgieva (Bild)

    und Vera Jourov sind Mit-

    glieder der EU-Kommission

    Seite 48

    10

    Eiserne Lady

    der Demokraten

    Mit mehr sozialer

    Gerechtigkeitwill Hillary

    Clinton insWeie Haus.

    32

    Leipzig, das

    neue Berlin

    Die Messestadt bietet

    Immobilien-Anlegern

    attraktive

    Renditechancen.

    WIRTSCHAFT

    & POLITIK

    UNTERNEHMEN

    &MRKTE

    Der betrogene Kunde

    Eine Studie zeigt: Die Energiepreise

    sind gesunken, aber die Verbraucher

    profitieren nurwenig davon. Seite 8

    Bankenmessen

    mit zweierlei Ma

    Die Schere zwischen Spar- und Kre-

    ditzinsen klafft immerweiter ausei-

    nander. Seite 8

    Athen riskiert die Staatspleite

    DieVerhandlungen mit den interna-

    tionalen Geldgebern kommen kaum

    voran. Seite 9

    US-Kongress bringt

    TTIP inGefahr

    Debakel fr Prsident Obama: Par-

    teifreunde blockieren seineWirt-

    schaftsbndnisse. Seite 10

    Die Datenschutz-Revolution

    Die EU-Staatenwollen sich auf ein

    neues Recht einigen nach mehr

    als einjhriger Verzgerung. Bei

    Versten drohen hohe Strafzah-

    lungen. Seite 11

    Telekom soll

    Merkel schtzen

    Der Ex-Staatskonzern drfte vom

    Hackerangriff aufs Parlament pro-

    fitieren. Seite 11

    Griechenlands

    fehlende Flotte

    Mit einer korrekten Handelsstatistik

    wren Athenwomglich einige De-

    batten erspart geblieben. In der in-

    ternationalen Leistungsbilanz des

    Landes klafft an einer ganz be-

    stimmten Stelle ein Loch. Seite 12

    Die Diagnosewar falsch

    Der Schweizer Finanzexperte Micha-

    el Bernegger spricht mit dem Han-

    delsblatt ber fehlerhafteWirt-

    schaftsdaten und die fatalen Folgen

    fr Griechenland. Interview Seite 12

    ENTSORGUNG

    Der heie Kampf

    umden Hausmll

    Ist eine Zukunft ohne Abfall mg-

    lich? Die Energiewende macht die

    verfemte Mllverbrennung berra-

    schend attraktiv und bringt die

    Branche damit in Aufruhr. fen gel-

    ten als saubere Stromlieferanten.

    Manch ein Abfallkonzern befrchtet

    Fehlinvestitionen. Seite 16

    HANDEL

    Richard Bakers nchster Coup

    Ein Milliardr peilt sein Meisterstck

    an: Der Eigner der kanadischen

    Handelsgruppe HBC steht vor der

    bernahme von Kaufhof. Kaufhof-

    Eigentmer Metro verhandelt zur-

    zeit exklusiv mit HBC ber die De-

    tails eines Kaufvertrags. Seite 17

    Aldi pflegt eine neue Heimat

    Der Discounter nimmt knftig re-

    gionale Produkte ins Programm.

    Die Herkunft schlgt Bio als Ver-

    kaufsargument. 61 Hfe sind im

    Aldi-Programm. Mit Hilfe eines

    QR-Codes knnen die Kunden den

    Weg der Milch nachvollziehen

    und sehen, vonwelchen der Bau-

    ernhfe sie kommt. Die Landwirte

    sollen von hheren Erlsen profi-

    tieren. Seite 18

    KOLUMNE

    DerWerber-Rat

    Rockt Apple eigentlich noch? Mit sei-

    nem Musik-Streamingdienst setzt

    der iPhone-Konzern erstmals keinen

    Trend, sondernwird zum Follower.

    Seite 20

    Spielmacher

    Niemand braucht Baku: Ein korrup-

    ter Familienclan betreibt bei den

    Europaspielen Imagepflege und

    mehrt seinVermgen. Da ist es fast

    egal, dass in vielen Disziplinen nicht

    die besten Athleten von Europa an

    den Start gehen. Seite 22

    MITTELSTAND

    Sturmber

    Cuxhaven

    Eine Luxus-Dienstreise nach Kap-

    stadt und Schadensersatzforderun-

    gen in Millionenhhe gegen einen

    Groaktionr: Dem Projektentwick-

    ler PNEWind steht an diesem Diens-

    tag eine turbulente Hauptversamm-

    lung bevor. Seiten 24 und 25

    Wachsende Kluft

    Vergebliche Bitten um Aufschub und

    Nachbessern: Die Plne fr die neue

    Erbschaftsteuer treiben einen Keil

    zwischen Politik und Familienunter-

    nehmer. Seiten 26 und 27

    SPORT

    Das kleineWimbledon

    Roger Federer als Zugpferd: Die

    bertragung in 150 Lnder sichert

    der Marke GerryWeber eine hohe

    TV-Prsenz.Wie sie ein Tennistur-

    nier nutzt, um neue Absatzmrkte

    zu erobern. Seite 22

    Prunkstck in der

    westflischen Provinz

    GerryWeberWorld: Die Firmen-

    grnder investierten Millionen in

    den Bau einer Multifunktionsarena

    in Halle. Seite 22

    Fifa-Chef Blatter lsst

    sich nichtvertreiben

    DerWeltfuballverband ist seitWo-

    chen in schweren Turbulenzen. Jetzt

    denkt der Schweizer angeblich an

    den Rcktritt vom Rcktritt. Ihm

    kommt zugute, dass sich bislang

    kein Nachfolger aufdrngt. Seite 23

    TELEKOMMUNIKATION

    DenTanker ber

    Wasser gehalten

    Der Telekom-Vorstand und Chef

    von T-Systems, Reinhard Clemens,

    spricht ber den Umbau seiner

    Konzern-Dauerbaustelle und mgli-

    cheWachstumsfelder der Zukunft.

    Interview Seiten 20 und 21

    Bisher hat die

    EuropischeUnion

    keine Befugnisse,

    Straftaten, die sich

    gegen den

    EU-Haushalt richten,

    strafrechtlich zu

    verfolgen. Daher

    bedarf es auch einer

    europischen

    Lsung, nmlich

    einer Europischen

    Staatsanwaltschaft

    mit einem klaren

    Mandat.

    MEINUNG & DEBATTE NAMEN

    Die belste EhevonGeorgetown

    ChristophWaltz verfilmt Leben und

    Sterben der frheren Handelsblatt-

    KorrespondentinViola Herms-

    Drath. Seite 46

    Diktatoren zu Diensten

    Kasachstan-Klub: Ex-Innenminister

    Otto Schily soll sich fr kleptokrati-

    sche Regime in der Ex-Sowjetunion

    verwandt haben. Seite 47

    Leitartikel

    Die aktuelle Twitter-Fhrungskrise

    zeigt: Auch im SiliconValley stellen

    sich Erfolge nicht automatisch ein.

    Gastkommentar

    Ein Aufsichtsrat sollte finanziell

    unabhngig sein. Kontrolle muss

    kosten.

    Leitartikel

    Auch die Neuordnung des Finanz-

    ausgleichs muss faire Regeln fr alle

    Lnder finden.

    Gastkommentar

    Dezentral ist klger. Der Bund kann

    aber beim Straenbau auchweiter-

    hin Prioritten setzen.

    14

    WIRTSCHAFT

    & POLITIK 28

    UNTERNEHMEN

    &MRKTE

    PR[M],actionpress,Imago

    2 INHALT

    1

    NAMENSINDEX

    Ackermann, Josef....................................................34

    Baker, Richard A. ......................................................17

    Bnziger, Hugo.........................................................34

    Benko, Ren ...............................................................17

    Bernegger, Michael ..................................................12

    Billhardt, Martin........................................................24

    Blatter, Joseph..........................................................23

    Bohndorf, Michael ...................................................34

    Clemens, Reinhard..................................................20

    Cloete, Alan...............................................................34

    Dinandt, Pepyn.........................................................39

    Friedrichsen, Volker ................................................24

    Genscher, Hans-Dietrich........................................47

    Gerlinger, Christoph................................................24

    Hardieck, Udo ...........................................................22

    Hennerkes, Brun-Hagen ........................................26

    Ismaik, Hasan............................................................23

    Jain, Anshu................................................................34

    Kuprian, Dieter .........................................................24

    Leithner, Stephan ....................................................34

    Maisch, Nicole .............................................................9

    Mller, Klaus.................................................................8

    Platini, Michel............................................................23

    Scala, Domenico ......................................................23

    Schily, Otto ................................................................47

    Schweitzer, Axel........................................................16

    Sevelda, Karl .............................................................30

    Soros, George ...........................................................37

    Wanka, Johanna .......................................................16

    Weber, Gerhard ........................................................22

    Weber, Ralf ................................................................22

    Fischer, Peter ............................................................25

    UNTERNEHMENSINDEX

    Actelion ......................................................................36

    Adidas .........................................................................25

    Affimed.......................................................................37

    Airbus .........................................................................20

    Alba ..............................................................................16

    Aldi ...............................................................................18

    Boeing ........................................................................20

    Borussia Dortmund.................................................23

    Braas Monier .............................................................39

    Deutsche Bank .........................................................34

    Deutsche Telekom...................................................39

    In dieser Ausgabe

    MONTAG, 15. JUNI 2015, NR. 111

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    [email protected] oder Handelsblatt GmbH, Handelsblatt-Leserbrief,

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    Wir behalten uns vor, Leserbriefe gekrzt und multimedial zu verbreiten.

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    hilft

    3

    Hillary Clinton:

    Die eiserne Lady der

    Umverteilung

    FINANZEN

    & BRSEN

    FlieendeGrenze zur

    Konkursverschleppung

    Das Pokerspiel um Griechenland

    geht in die heie Phase. Elke K-

    nig, Chefin der neuen Abwicklungs-

    behrde fr Banken, erklrt, welche

    Folgen ein Grexit htte und

    wie es um die Banken des Landes

    steht. Interview Seiten 30 und 31

    Die nchste Rge

    fr Anshu Jain

    Die Finanzaufsicht wirft Topmana-

    gern der Deutschen Bank organisa-

    torische Mngel und laxe Kontrollen

    vor. Die Kritik richtet sich auch ge-

    gen Leithner, Ackermann und Bnzi-

    ger. Jain arbeitet knftig kostenlos

    fr das Geldhaus. Seite 34

    Justiz prftVerdacht

    aufUntreue

    Ermittlungenwegen des 925 Millio-

    nen schwerenVergleichs der Deut-

    schen Bank mit den Erben von Leo

    Kirch: Ein kritischer Aktionr hetzt

    dem Geldhaus erneut Ermittler auf

    den Hals. Seite 34

    PRIVATE GELDANLAGE

    Wetten auf dieWunderpille

    In fnf Jahren haben sich die Kurse

    von Biotechnologieaktien im Schnitt

    fast vervierfacht. Experten sehen

    weiter Potenzial. Die Innovations-

    kraft der Branche berzeugt viele In-

    vestoren. Seite 36

    Etappensieg gegen Athen

    Nach demUrteil des Europischen

    Gerichtshofs sehen Anwlte mehr

    Chancen fr Besitzer von Griechen-

    Bonds. Der Schuldenschnitt kostete

    Anleger Milliarden. Noch bis Jahres-

    ende sind Klagen mglich. Seite 38

    Topmanager in Kauflaune

    Mehrere Transaktionen in Millionen-

    hhe lassen das Insiderbarometer

    auf 121 Punkte steigen. Seite 38

    DIE NEUESTEN ARTIKEL

    VAKANTER LINKE-CHEFPOSTEN

    Gysis Erbe gesucht

    Wer steuert knftig das Schiff

    der Linken, womglich in eine

    rot-rot-grne Koalition? Die

    Linke-Spitze will einen Vor-

    schlag fr die Nachfolge von

    Gregor Gysi machen. Der

    Bundestagsfraktionschef will

    bei der Wahl des neuen Frak-

    tionsvorstands am 13. Okto-

    ber nicht wieder kandidieren.

    Als Favoriten fr seine Nach-

    folge gelten seine Stellvertre-

    ter Sahra Wagenknecht und

    Dietmar Bartsch.

    NIEDRIGZINSEN, WACKEL-BRSEN

    Wohin mit dem Geld?

    Immer mehr Anleihen mit ho-

    hen Kupons werden fllig, die

    Tausender sammeln sich auf

    den Konten der Anleger. Ei-

    nen adquaten Ersatz fr die

    Hochprozenter gibt es nicht

    mehr. Wo es noch fnf Pro-

    zent Rendite gibt und wie

    viel Risiko Anleger dafr ein-

    gehen mssen.

    JEB BUSH

    Wie hltst dus mit dem

    Weien Haus?

    ber die mgliche Kandida-

    tur des Ex-Gouverneurs von

    Florida wird seit Monaten

    spekuliert. Jetzt will Jeb

    Bush, Bruder und Sohn von

    zwei Ex-Prsidenten der USA,

    seine Kandidatur fr das Amt

    des mchtigsten Mannes der

    Welt bekanntgeben und in

    Miami ber seine Visionen fr

    sein Land sprechen.

    VERSICHERUNGEN

    Sicher in den Urlaub

    Viele Policen sind sinnlos.

    Welche Policen Reisende

    wirklich brauchen.

    Alle genannten Beitrge finden

    Sie im Verlauf des Tages unter

    www.handelsblatt.com/thema

    INHALT 3

    1

    MONTAG, 15. JUNI 2015, NR. 111

    Deutschen Telekom ................................................20

    Edeka ...........................................................................18

    EEW..............................................................................16

    Fifa ...............................................................................23

    German Startups Group ........................................24

    Gerry Weber..............................................................22

    Gilead Sciences ........................................................37

    Gropper .......................................................................18

    Hudsons Bay .............................................................17

    Incyte...........................................................................37

    Infineon.......................................................................25

    Kaufhof ........................................................................17

    Lidl ................................................................................18

    Lord & Taylor..............................................................17

    Lufthansa ....................................................................16

    Merck...........................................................................39

    Metro ............................................................................17

    Petrobras....................................................................37

    PNE Wind AG ...........................................................24

    Raiffeisen Bank International ..............................30

    Real...............................................................................18

    Remondis ....................................................................17

    Rewe.............................................................................18

    Saks Fifth Avenue.....................................................17

    SC Freiburg................................................................23

    Shire ............................................................................36

    Stiftung Familienunternehmen ...........................26

    Thyssen.......................................................................25

    T-Systems ..................................................................20

    Varta Micobattery ....................................................16

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  • Bei Porsche und

    Audi luft das

    Geschft, diesen

    Erfolg drfenwir

    nicht riskieren.

    Ein VW-Insider

    VW-Chef Winterkorn will den Konzern schlanker aufstellen.

    Die zwlf Marken werden zu vier Gruppen zusammengefasst.

    In Le Mans machen zwei Konzerntchter das Rennen.

    M

    artin Winterkorn htte es

    sich einfach machen kn-

    nen. Noch bevorVW-Patri-

    arch Ferdinand Pich im

    April seine Attacke auf ihn

    startete, htte er seinen Posten als Vor-

    standsvorsitzender aufgeben knnen. Im

    Jahr 2014war seineMission jaeigentlicher-

    fllt:VWerzielte nicht nureinenneuenRe-

    kordgewinn, sondern verkaufte erstmals

    auch mehr als zehn Millionen Autos.

    DerVW-Boss, immerhin schon 68 Jahre

    alt, htte sich mit einer sauberen Bilanz

    verabschieden knnen.

    Tat er aber nicht auchweil sich hinter

    der glnzenden Fassade Probleme aufta-

    ten. Und die bekommt der Konzern mit

    seinen komplexen Strukturen nicht gelst.

    Das Unternehmen bedarf dringend einer

    Reform, daswusste auchWinterkorn.

    Ein Anfang dafr ist jetzt gemacht. Vor

    dem Abflug zum Autorennen nach Le

    Mans am Freitag batWinterkorn die Spit-

    zen des Aufsichtsrats zusammenmit eini-

    gen seinerVertrauten zu einem informel-

    len Treffen am Flughafen Braunschweig.

    Eine Tagungsordnung gab es nicht, aber

    ein beherrschendes Thema: die Zukunft.

    Im Kern ist die Marschrichtung klar: In

    Wolfsburg konzentriert sich zuviel Macht.

    Weniger zentralistisch, dafr schlanker

    und effizienter soll VWwerden.

    DerWandelwirdmit einer neueTonlage

    eingelutet: NochvorwenigenWochen, als

    Pich Aufsichtsratschefwar,wre die Ent-

    scheidung ber die neue Struktur im klei-

    nen Kreis gefllt worden. Pich, Winter-

    korn und einige wenige Eingeweihte ht-

    ten den Plan vorbereitet und das

    Kontrollgremium irgendwann informiert.

    Doch Pich ist nichtmehr dasGravitati-

    onszentrum imVW-Reich. Die Macht, die

    er frher alleine hatte, verteilt sich heute

    aufviele Schultern. Nebenden traditionell

    starkem Betriebsratwollen nun das Land

    NiedersachsenunddieVertreter der Fami-

    lien Porscheund Pich strker in die Bera-

    tung eingebundenwerden. ImKonfliktmit

    demEx-Patriarchen sei das Selbstvertrau-

    en gewachsen, heit es in deren Umfeld.

    Sie verlangen Mitsprache bei den anste-

    henden Entscheidungen.

    In demabgeschirmten Konferenzraumdes

    Braunschweiger Flughafens prsentierte

    WinterkornOptionen frdenUmbau.Als si-

    cher gilt, dass BefugnissevomVorstand auf

    vierHoldingsbertragenwerden.DerenBe-

    reichsvorstnde sollen in grerer Eigen-

    stndigkeit ber Produktion, Vertrieb und

    Verkaufsstrategie entscheiden. Vorbild ist

    dieneueLkw-Holding,dieunter ihremDach

    Scania, MANundVW Lastwagenvereint.

    Neu geordnetwerden sollen auchdie Lu-

    xusmarken. Erste berlegungen, Porsche

    undAudi ineinerGruppe zubndeln, sind

    aberwohlvomTisch. Die beiden Edeltch-

    ter sind diewichtigstenGewinnbringer fr

    VW. Bei Porsche und Audi luft das Ge-

    schft, diesenErfolgdrfenwir nicht riskie-

    ren, heit es im Konzern. Den jngsten

    berlegungenzufolge soll Audi-ChefRupert

    Stadler weiterhin die Marken Ducati und

    Lamborghini fhren. Porsche-ChefMatthias

    Mller wrde knftig auch die Kontrolle

    ber Bentley und Bugatti bernehmen.

    Die grteVernderung kommt auf die

    Massenmarken zu. Knftig sollenVW, Seat

    und Skoda unter der Leitungvon Herbert

    Diess zu einer Gruppe zusammengefasst

    werden. Und auch er erhlt mehr Eigen-

    stndigkeit. Das Kompetenzgerangel mit

    dem Konzernvorstand soll so enden.

    Der Vorstand mit Winterkorn an der

    Spitzewrde damit auf acht Ressorts ver-

    kleinert. Knftig soll sich das Gremium

    mehr um Strategie und Kontrolle km-

    mern, heit es. Die RollevonWinterkorn,

    der bislang stark in das operativeGeschft

    vor allem der Kernmarke VW eingebun-

    den ist, wird sich ebenfalls ndern.

    In den kommendenWochenwollen die

    SpitzenvonVorstandund Aufsichtsrat die

    Details des Umbaus ausarbeiten. Im Sep-

    tember soll dann entschiedenwerden. Bis

    die neue Strukturvollends umgesetzt sei,

    werde es aber dauern, sagte einManager.

    Mit der Neuordnungwird auch die Grund-

    lage fr die Zeit nachWinterkorn geschaf-

    fen. Bislang istVWkomplett auf ihn ausge-

    richtet. DieseMachtflle kann nicht in ei-

    ne Hand bergebenwerden, heit es im

    Aufsichtsrat. Mit der Dezentralisierung er-

    leichtert esWinterkorn also auch seinem

    Nachfolger, leichter Tritt zu fassen.

    Wann der aber kommt, ist offen. Wo-

    mglich bleibt der 68-Jhrige dem Unter-

    nehmen erhalten. Die Aufsichtsrte Hans

    Michel PichundWolfgang Porsche haben

    noch keine Entscheidung gefllt,wer letzt-

    lich neuer Aufsichtsratschef wird.

    Die beiden Vertreter ihrer Familien-

    stmme haben selbst wenig Interesse an

    dem Posten, heit es in ihrem Umfeld.

    SchafftWinterkorndenUmbau, danndrf-

    te ihmdieseTr offen stehen.Markus Fasse,

    Martin Murphy, Christian Schnell

    Sein Plan fr

    Wolfsburg

    Quelle: Eigene RechercheHandelsblatt

    Die mgliche neue Konzernstruktur des VW-Konzerns

    mit Lamborghini und Ducati

    bestehend aus:

    Vorstandschef, CFO, Einkauf, Personal, Gruppenvorstnde von Audi, Porsche, Lkw, VW-Volumen

    Neu sortiert

    Konzernvorstand

    Vier Gruppen, je mit eigenen Vorstnden

    Audi

    mit Skoda und Seat

    Volkswagen

    mit Scania, MAN und VWLkw

    Lkw

    mit Bugatti und Bentley

    Porsche

    Citypress24

    Fortsetzung von Seite 1

    1

    4 TITELTHEMA

    MONTAG, 15. JUNI 2015, NR. 111

    Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. 600043070-13046

  • Vorne Porsche, dahinter

    Audi: Rivalen nicht nur auf

    der Rennstrecke in Le Mans.

    Porsche gewinnt das Bruder-Duell

    Lukas Bay

    Le Mans

    I

    rgendwann endet jede Serie: Erstmals

    seit 1967warEx-FirmenpatriarchFerdi-

    nandPich nicht nach LeMans gekom-

    men, um das legendre 24-Stunden-Ren-

    nen persnlich mitzuerleben.

    Es war nicht die einzige Serie, die am

    Sonntag riss. Um 15 Uhr berquerte der

    Porsche 919 Hybrid nach 395 Runden die

    Ziellinie mit mehr als einer Runde Vor-

    sprung. Porsche lst damit den Seriensie-

    ger Audi ab nur ein Jahr nach der Rck-

    kehr auf die Langstrecke. In den letzten 15

    Jahren hatte Audi 13-mal gesiegt.

    Auf den Tag genau 45 Jahre nachdem

    Porsche das ersteMal denGesamtsiegvon

    Le Mans einfahren konnte, gewinnt also

    wieder ein Sportwagen aus Zuffenhausen.

    Geschafft hat den Triumph ber die Br-

    der aus Ingolstadt der deutsche Formel-

    1-Fahrer und Le-Mans-Debtant Nico Hl-

    kenberg, der sich mit dem Neuseelnder

    Earl Bamby und dem Briten Nick Tandy

    am Steuer abgewechselt hatte.

    Porsche-Chef Matthias Mller hatte die

    ganze Nacht nicht geschlafen, sa aber

    morgens bester Laune im Porsche-Pavil-

    lon hinter der Boxengasse. Fr ihn ist das

    Ergebniswichtig: Auf dieviel gestellte Fra-

    ge, wer die Technologiefhrerschaft im

    VW-Konzern innehat, ist dieser Sieg die

    passende Antwort.

    Dabei ist die Distanz zwischen den

    Renn-Brdern auf die ganze Dauer des

    Rennens betrachtet hauchdnn. Auch

    nachmehreren Stunden lagendie Rivalen

    kaummehr als ein paarMinuten auseinan-

    der. Gemeinsam beherrschten die VW-

    Markendas Rennen und belegten amEn-

    de die ersten fnf Pltze. DieWeltmeister

    von Toyota und die Herausforderer von

    Nissan hatten im Kampf um den Sieg

    nichts zu melden.

    Schon inderQualifikation hatte Porsche

    die Konkurrenz deklassiert.Trotzdemhat-

    te man sich vor dem Start zurckhaltend

    gegeben, LeMans gilt als unberechenbar.

    24 Stunden, also auch die ganze Nacht,

    jagten die 55 Autos danach ber die Piste,

    mit bis zu 340 Stundenkilometern.

    Geschlafenwird in LeMans nicht. Auch

    nicht nebender Rennstrecke. 260000Be-

    sucher campen auf jedem freien Fleck-

    chen Erde, beschallt vom Drhnen der

    Motoren. Kein Autorennen derWelt ist so

    reich an Legendenwie das hier. Le Mans

    ist auch eine Materialschlacht. ber die

    Gesamtkosten schweigen die Hersteller.

    Audi soll das Rennen rund 180Millionen

    Euro gekostet haben, heit es aus Bran-

    chenkreisen, bei Porsche drften die Kos-

    ten nicht wesentlich darunter liegen. Al-

    lein die Kosten fr jeden Reifenwechsel

    werden auf 40000 Euro geschtzt. Laut

    Reglement drfen bis zu zwlf Reifenstze

    verwendet werden.

    Franzsische Hersteller knnen sich

    den groen Auftritt in ihrer eigenen Hei-

    mat schlicht nichtmehr leisten. Der einzi-

    geWagendes grten franzsischen Auto-

    bauers PSA, der an diesemWochenende

    in LeMansvorbeischaut, ist der Citron

    von Staatsprsident Franois Hollande.

    In Le Mans dominieren jetzt die Deut-

    schen. Das ist unser Wohnzimmer,

    hatte Porsche-SportvorstandWolfgang

    Hatz schon vor dem Rennen verkndet.

    Die Entscheidung, dass ausge-

    rechnet Porsche die Konzern-

    schwester vom Thron stoen

    durfte, geht auch aufdas Kon-

    to des mittlerweile abgetre-

    tenen Patriarchen Ferdi-

    nand Pich. Er selbst hatte

    eine groeVergangenheit in

    LeMans,war er doch einer

    der Kpfe hinter dem Por-

    sche 917, jenem legendren

    Rennwagen, der 1970 den

    ersten Sieg fr Porscheein-

    fuhr. Und der jngste Er-

    folg in LeMans ist auch ei-

    neMeisterleistung der In-

    genieure: Nur vier Jahre

    hat man fr die Entwick-

    lung des neuen Sportwagens im schwbi-

    schenWeissach gebraucht.

    Beeindruckend ist zugleich das Duell,

    das sich die Deutschen neben der Renn-

    strecke liefern. Direkt gegenber von

    Konzernschwester Audi hat Porsche in

    zehnMonaten ein zweistckiges Expe-

    rience Center mit 2 900 Quadratme-

    tern errichtet, eines von vier seiner Art

    weltweit. Pnktlich zum Rennen ist es

    fertig geworden.

    Platzhirsch Audi mag es sogar

    noch etwas grer.Whrend

    der Konzern ber Sparma-

    nahmen diskutiert, wird in

    Le Mans noch geklotzt:

    TausendeGste haben die

    Hersteller eingeladen. Es

    gibt eine Liegewiese vor

    der Riesenleinwand. Zi-

    garren, Champagner und

    Filetsteak sind inklusive.

    Selbst der Pizzabcker

    wurde extra aus Rimini

    eingeflogen. Der VW-Kon-

    zern gnnt es seinen bei-

    den rentabelsten Marken,

    die eigene Strke angemes-

    sen protzig zu zelebrieren.

    Doch einer fehlte, fr den

    die Dominanz der Deutschen

    sicher eine Genugtuung gewesen

    wre. Ferdinand Pich blieb auch

    diesemVW-Ereignis fern.

    ZweiMarkendesVW-Konzerns dominierendasTraditionsrennen und lassen sich das Spektakel einiges kosten.

    24 STUNDEN VON LE MANS

    Ferdinand Pich: Seit 1967

    war er immer in Le Mans

    dabei, dieses Mal nicht.

    438 229

    265 097

    108 217

    102 745

    51 102

    22 050

    17 500

    2 232

    884

    10

    Gesamt:

    2 487 427

    Fahrzeuge

    Handelsblatt|Quellen:Bloomberg,Unternehmen

    Auslieferung an Kunden im 1. Quartal 2015,

    Zahl der Fahrzeuge nach Marken

    Pkw-Auslieferung von VW

    nach Regionen im

    1. Quartal 2015

    Umsatz von Volkswagen in Mrd. Euro

    Nettoergebnis von Volkswagen in Mrd. Euro

    Von edel bis billig

    38,3%

    China

    12,0%

    Deutschland

    49,7%

    Sonstige

    Volkswagen Pkw

    Audi

    Skoda

    VW Nutzfahrzeuge

    Seat

    Porsche

    MAN

    Scania

    Bentley

    Lamborghini

    Bugatti

    1 479 361

    1. Q. 2010 1. Q. 2015

    52,74

    55

    40

    25

    1. Q. 2010 1. Q. 2015

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    DER GROSSE VW-UMBAU 5

    MONTAG, 15. JUNI 2015, NR. 111

    Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. 600043070-13046

  • Wirwerden die

    Suche nach

    einem neuen

    Aufsichtsratschef

    nicht endlos in die

    Lnge ziehen.

    StephanWeil

    Ministerprsident von Niedersachsen

    Martin Murphy

    Hannover

    S

    tephanWeil tut sich schwer, mit

    der Vergangenheit zu brechen.

    Auch und besonders, wenn es

    um denVW-Granden Ferdinand

    Pich geht. Professor Pich hat

    sich fr die deutsche Autoindustrie allge-

    meinund frVW insbesondere groeVer-

    dienste erworben, sagte der niedersch-

    sische Ministerprsident dem Handels-

    blatt. Deshalbwill er Pich auch noch ein-

    mal ehren undwrdigen.Wann undwie

    dies aber geschehen kann, lieder Sozial-

    demokrat erst einmal offen.

    WeilsWort hat Gewicht in derVolkswa-

    gen-Welt. Er vertritt nicht nur das Land

    Niedersachsen als den zweitgrten Ak-

    tionr des Fahrzeugbauers, der Politiker

    sitzt auch noch im Prsidium des Auf-

    sichtsrats. Das sechskpfige Gremium

    war es, das Pich im Konflikt um die Ab-

    lsungvonVorstandschef MartinWinter-

    korn in die Schranken verwies. Pich

    musste sich Gegenwehr gefallen lassen,

    das kannte er bis dahin nicht. Auf Druck

    der anderen Prsidiumsmitglieder legte

    der Patriarch schlielich brsk den Auf-

    sichtsratsvorsitz nieder.

    Bei der Suche nach einem Nachfolger an

    der Aufsichtsratsspitze siehtWeil nun die

    Familien Porsche und Pich in der Pflicht.

    Als grte Aktionre htten diese ja das

    Vorschlagsrecht, sagte er. Fr eine hastige

    Lsung sieht er keine Not, da derGewerk-

    schafter Berthold Huber als Interims-Auf-

    sichtsratschef sehr souvern agiere.

    Wirwerden die Suche nicht endlos in die

    Lnge ziehen, betonteWeil zwar. Im Pr-

    sidium solle dasThema aber in aller Ruhe

    besprochen werden mit dem Ziel, eine

    einvernehmliche Lsung zu finden, mit

    der alle Seiten gut leben knnen.

    Wer als Kandidat fr den Posten infrage

    kommt, sagteWeil nicht. Da dieVertreter

    des Landes Niedersachsen und des ande-

    renGroaktionrs Katar kein Interesse an

    dem Amt haben, ist neben einem exter-

    nen Kandidaten auch ein Pich-Nachfol-

    ger denkbar, der direkt aus den Reihen

    der Familien kommt.

    Fr die gerade erst im Mai in das Gre-

    mium berufenen Louise Kiesling und Ju-

    lia Kuhn-Pichwre die Aufgabe aber im

    Moment wohl noch zu gro.

    Der Kandidatenkreis innerhalb der Fa-

    milie engt sich damit auf Hans Michel

    Pich,Wolfgang Porsche und Ferdinand

    Oliver Porsche ein. Da die ersten beiden

    nach Einschtzung aus dem Umfeld des

    Clans aber keine Ambitionen hegen, k-

    me Letzterer als Option infrage.

    Mglich ist indes dieWahl eines Kandi-

    daten, der nicht imGremium sitzt. So hal-

    ten es Insider frmglich, dassVorstands-

    chef MartinWinterkorn selbst auf Pichs

    vakantemPosten Platz nimmt.Mit derUn-

    tersttzung der Familien und des Landes

    Niedersachsen htte er die ntige Rcken-

    deckung fr den direk-

    ten Sprung vom Vor-

    stand in den Aufsichts-

    rat auch wenn solche

    Wechsel eigentlich ver-

    pnt sind, weil Ex-Chefs

    wenig Neigung haben, ihre

    eigenen Strategien aus der

    Vergangenheit zu ndern.

    Bevor indes die Wahl ei-

    nes neuen Aufsichtsratschefs ansteht,will

    Winterkorn Handelsblatt-Informationen

    zufolge die Fhrung des weltweit zweit-

    grten Fahrzeugherstellers neu ordnen.

    Nochvor Erffnung der Frankfurter Auto-

    mobilmesse IAAMitte Septembermchte

    er seine konkreten Plne vorstellen.

    Die Rckendeckung des Landes Nie-

    dersachsen hat er: VW ist einWeltkon-

    zern. In einemUnternehmen dieser Gr-

    enordnung ist die Balance zwischen

    zentraler und dezentraler Steuerung im-

    mer wieder neu auszugleichen, sagte

    Weil.

    Mit der Neuordnung der Fhrungs-

    struktur des Konzerns wird voraussicht-

    lich Macht aus der Zentrale inWolfsburg

    in die einzelnen Markengruppen verla-

    gert. Audi hat seinen Sitz in Ingolstadt

    und Porsche in Stuttgart. In Niedersach-

    senverbliebe damit die Fhrung ber die

    Massenmarken also VW, Skoda, Seat ,

    ebensowohl auch die der Nutzfahrzeuge-

    sparte. Deren Zentrale wird voraussicht-

    lich in Hannover angesiedelt.

    Fr Ministerprsident Weil wre die

    Verlagerungvon Machtbefugnissen nach

    Sddeutschland verkraftbar, schlielich

    drfte dies dieWirtschaftlichkeit des Ge-

    samtkonzerns steigern: Niedersachsen

    ist ein strategisch agierender Investor mit

    spezifischen Landesinteressen. Diese

    knnenwir aber nur umsetzen, wenn es

    dem Unternehmen gutgeht, sagte der

    SPD-Politiker.

    Dass die VW-Spitze Pich noch ehren

    will, spricht fr sie. Denn dass es demAu-

    tokonzern in der Vergangenheit so gut-

    ging, ist auch PichsWerk.

    Seine strategische Weitsicht hat er in

    der Vergangenheit immer wieder unter

    Beweis gestellt: Sich auftuende Probleme

    sah er oft als Erster.

    Noch gibt es keinen Kandidaten fr

    den Aufsichtsratschef beiVW.

    Der niederschsische

    MinisterprsidentWeil sieht die

    Familien Pich und Porsche in

    der Pflicht. Die Errungenschaften

    Ferdinand Pichswill er

    nachtrglichwrdigen lassen.

    Auf der Suche nach einem

    Niedersachsen ist ein

    strategischer Investor mit

    spezifischen Interessen. Diese

    knnenwir aber nur

    umsetzen,wenn es dem

    Unternehmen gutgeht.

    StephanWeil

    Ministerprsident von Niedersachsen

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    Volkswagens Pr

    Markus Fasse, Martin Murphy

    Le Mans, Mnchen

    D

    as Reich der Mitte ist inzwischen

    zumErfolgsgarantenderdeutschen

    Autoindustrie geworden: Fast ein

    Drittel ihres Absatzes verdanken die Kon-

    zerne inzwischen China. Vor allem der

    Volkswagen-Konzern lebt von dem Auto-

    boom in Fernost. Allein im vergangenen

    Jahr stammte fastdieHlftedesVorsteuer-

    gewinnsvon 14,8MilliardenEuro ausdem

    China-Geschft. Das jedenfalls schtzen

    die Experten von JP Morgan.

    Doch derWind dreht sich, die Politik in

    Peking drngt darauf, die heimischen An-

    bieter zu strken. Die Folgen sind schon

    sprbar und das merken vor allem die

    Wolfsburger. Im erstenQuartal des Jahres

    2015 lagen die Verkufe der Kernmarke

    VW erstmals leicht unter denWerten des

    Vorjahres,whrend einheimischeMarken

    wie Geely oder Great Wall mit zweistelli-

    gen Wachstumsraten auftrumpften. Ein

    Novum in der Autobranche.

    An sich knntedie Zentrale inWolfsburg

    die Entwicklung gelassen sehen.VW ist ge-

    meinsammitGeneral Motors die Nummer

    eins im grten Automarkt derWelt. Doch

    auf den zweiten Blick zeigen sich empfind-

    liche Schwchen: So hatVW bei kompak-

    tenund sportlichenGelndewagen (SUVs)

    dem derzeit grten Wachstumsseg-

    ment kein Modell im Angebot. Die Ge-

    winner sind eindeutig die lokalen Herstel-

    ler, die sehrwettbewerbsfhige Produkte

    auf den Markt gebracht haben, urteilt

    man bei JP Morgan.

    Zwei Millionen kompakte SUV werden

    mittlerweile pro Jahr in China ver-

    Ausgerechnet im Boomland China

    AUSLANDSMRKTE

    6 TITELTHEMA

    MONTAG, 15. JUNI 2015, NR. 111

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  • m Pich-Nachfolger

    Die mchtigsten

    VW-Aufsichtsrte

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    Berthold Huber

    Interimsvorsitzender VW-Aufsichtsrat

    Ex-Vorsitzender der IG Metall

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    Handelsblatt | Fotos: J. Giribas/SZ Photo/laif, B. Weissbrod/dpa, J. Schicke/Imago, T. Lohnes/ddp, Imago, O. Spata/dpa, Sepp Spiegl

    ens Probleme in derVolksrepublik

    kauft. Ganzvorne in derGunst der chine-

    sischen Kunden ist GreatWall mit seinem

    Modell Havas.VW-ChefMartinWinterkorn

    muss nun frchten, dass eine jungeGene-

    ration heranwchst, die bei der Suche

    nach einem Statussymbol nicht automa-

    tisch anVW denkt.

    Und es knnte noch dicker kommen.

    GreatWall unddie anderen lokalen Produ-

    zenten beginnen, ihre Fahrzeuge auch zu

    exportieren. Als Zielmrkte kommen da-

    fr Sdostasien, LateinamerikaundAfrika

    infrage, wo die preisgnstigen Chinesen

    bereits erste Ausrufezeichen setzen. VW

    muss sich in diesen Regionen auf deutlich

    mehr Konkurrenz einstellen.

    In derWolfsburger Konzernzentrale ist

    die Gefahr lngst ausgemacht, gehandelt

    wurde bislang nicht. Mgliche Kooperatio-

    nen fr ein Billigauto, mit dem neue Ku-

    ferschichten fr den Konzern gewonnen

    werden sollen, haben die Niedersachsen

    bislang nicht abschlieen knnen. Die

    Mannschaft umWinterkorn war mit der

    Qualitt eines bereits geplanten Low-Bud-

    get-Cars nicht zufrieden. Nachwievor gilt

    der deutscheQualittsmastab, denman

    nicht aufgeben will. Auch nicht, wenn es

    um Mrkte in Schwellen- und Entwick-

    lungslndern geht.

    Es soll auch dieses Zaudern gewesen

    sein, dass Ferdinand Pich auf Distanz

    zu seinemZiehsohnMartinWinterkorn ge-

    bracht hatte. Intern habe der sich fr eine

    Zusammenarbeit mit Great Wall ausge-

    sprochen, sagt ein Konzerninsider.Winter-

    korn dagegen habe an der traditionellen

    Kooperation mit FAW festgehalten, mit

    demVW bereits seit drei Jahrzehnten zu-

    sammenarbeitet.

    Mit der neuen Struktur wird der Vor-

    stand nun beweisen mssen, dass er die

    ProblemfelderChinaund Billigauto in den

    Griff bekommen kann. Der brckelnde

    Absatz in derVolksrepublik knnte sonst

    einen Flchenbrand provozieren, der den

    Handlungsdruck inWolfsburg schlagartig

    erhhenwrde.

    China schwchelt der Absatz. Ein Billigauto fehltVW ebensowie ein sportlicher Gelndewagen.

    DER GROSSE VW-UMBAU 7

    MONTAG, 15. JUNI 2015, NR. 111

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  • Silke Kersting

    Berlin

    P

    er Smartphone kann

    der Autofahrer schnell

    herausfinden, wo Tan-

    ken gerade am billigs-

    ten ist. Seit das Bundes-

    kartellamt eine Markttranspa-

    renzstelle fr Kraftstoffe geschaf-

    fen hat und alle 14 500 Tankstel-

    len in Deutschland ihre Preise

    dort melden mssen, leiten Ver-

    braucher-Informationsdienste die

    Daten per Appweiter.

    Das ist gut fr denVerbraucher.

    Schlielich steigt durch mehr

    Transparenz der Druck auf die

    Minerallkonzerne, sinkendel-

    preise mehr als bisher an den

    Endkundenweiterzugeben. Denn

    der profitiert bislang branchen-

    bergreifend nur unterdurch-

    schnittlichvonden stark gesunke-

    nen l- und Gaspreisen.

    Ein durchschnittlicher Haus-

    halt htte allein an derTankstelle

    und beimHeizen etwa 15 Euro im

    Monat sparen knnen, wenn die

    gesunkenen Rohstoffpreise voll-

    stndig weitergegeben worden

    wren, kritisiert Klaus Mller,

    Vorstand Verbraucherzentrale

    Bundesverband (vzbv).

    Deutschlands oberster Verbrau-

    cherschtzer beruft sich auf eine

    beimHamburger Forschungsbro

    EnergyComment in Auftrag gege-

    bene Studie lpreissturzundVer-

    braucherpreise. Deren Recher-

    chen zufolge htte die Entlastung

    allein im Januar bei Dieselkraft-

    stoff zwei Cent pro Liter hher

    ausfallen knnen, bei Benzin ein

    Cent. Kleine Betrge, die addiert

    eine stolze Summe ergeben, er-

    mittelte EnergyComment: Da im

    Januar landesweit etwa fnfMilli-

    arden Liter Kraftstoffe getankt

    wurden, schlgt sich eine Preisdif-

    ferenz von einem Cent pro Liter

    bereits mit 50 Millionen Euro in

    den Haushaltskassen nieder.

    Nicht nur Autofahrer sind be-

    troffen. Erdl oder Erdgas findet

    sich in einerVielzahlvon Produk-

    ten und Dienstleistungen des tg-

    lichen Bedarfs entweder als di-

    rekter Bestandteil oder indirekt

    als Treibstoff fr den Transport.

    Die niedrige Inflation in Deutsch-

    land, so Mller, ndere nichts an

    dem Befund: viele Produkte

    knnten preiswerter sein, als sie

    sind. Dadurch werde am Ende

    Kaufkraft fr andere Anschaffun-

    Eine Studie zeigt: Die Energiepreise

    sind zwar gesunken, doch davon

    profitierenVerbraucher nurwenig.

    Der

    betrogene

    Kunde

    Banken messen mit zweierlei Ma

    A. Rezmer, L. de la Motte

    Frankfurt

    E

    in enormer Unterschied:

    Fr Erspartes gibt es bei

    Banken kaum noch Zinsen,

    bei Kreditzinsen langendieGeld-

    huser dagegen noch ordentlich

    hin. Die Schere zwischen Zinsen

    fr kurzfristig angelegtes Sparka-

    pital und dem,was klamme Kon-

    toinhaber fr einen Minus-Saldo

    auf ihremGirokonto zahlenms-

    sen, hat sich in denvergangenen

    Jahren massiv geffnet.

    So sind die Zinsen fr das bei

    den Deutschen beliebte, tglich

    verfgbare Tagesgeld in den ver-

    gangenen sechs Jahren imDurch-

    schnitt um 85 Prozent gesunken -

    eine Folge der Niedrigzinspolitik

    der Europischen Zentralbank.

    Gab es Anfang 2009 im Mittel

    noch 3,2 Prozent im Jahr fr Ta-

    gesgeld, sind es heute gerademal

    0,48 Prozent,wie der Frankfurter

    Finanzdienst FMH Finanzbera-

    tung feststellt. NichtwenigeGeld-

    huser zahlen gar keine Zinsen

    fr kurzfristiges Spargeld mehr.

    Manche Banken und Sparkassen

    bieten berhaupt keine Konten

    mehr fr die kurzfristige Geldan-

    lage an. Ein Haus, die genossen-

    schaftliche Direktbank Skatbank

    aus Thringen, verlangt sogar

    Strafzinsen frTagesgeld, fr ex-

    trem hohe Summen.

    Bei Kreditzinsen dagegen ha-

    ben dieGeldhuser nicht so stark

    reduziert. So sind seit Anfang

    2009die Zinsen fr Dispositions-

    kredite, also Soll-Salden auf dem

    Girokonto, gerade mal um ein

    Fnftel gesunken. Noch immer

    kosten diese Soll-Zinsen FMH zu-

    folge im Schnitt knapp zehn Pro-

    zent im Jahr.Undmanche Banken

    zwacken ihren Kunden noch

    deutlich mehr ab: Dispo-Zinsen

    von ber elf Prozent gehren

    noch immer zum Banken-Alltag.

    Die Schere zwischen Spar- und Kreditzinsen klafft immerweiter auseinander.

    KREDITINSTITUTE

    EZB-Zentrale in Frankfurt:

    Kaum noch Zinsen frs Sparen.

    dpa

    Die Kreditwirtschaft argumen-

    tiert, dass Dispokredite ein be-

    sonders teures Geschftsfeld fr

    Banken sind. Allein einen Dispo

    zu gewhren, wrde Kosten ver-

    ursachen,weil dafr Sicherheiten

    hinterlegt werden mssten

    selbstwenn ein Kunde den Dispo

    gar nicht in Anspruch nimmt.

    Diese Flexibilitt koste eben. Au-

    erdem sei das Risiko, dass ein

    Dispokredit ausfallen wrde, im

    Vergleich zu klassischen Krediten

    viel hher, behaupten die Ban-

    ken, obwohl es Studien gibt, die

    dem widersprechen. Auch das

    mache diese Art kurzfristige Kre-

    dite teurer als andere Darlehen.

    In einer Sache habenviele Ban-

    ken immerhin eingelenkt: Seit die

    Bundespolitiker breit diskutieren,

    wie die Brger vor unverhltnis-

    migen Kreditzinsen geschtzt

    werden knnen, haben zahlrei-

    che Huserwenigstens denber-

    ziehungszins abgeschafft. Dieser

    Zins fr nicht abgesprochene

    Soll-Salden liegt um bis zu fnf

    Prozentpunkteber Dispozinsen.

    Sparern wie Kreditnehmern

    bleibt also, Konditionen zu ver-

    gleichen undwenigstens eine re-

    lativ gnstige Bank zu finden.

    Handelsblatt | Quelle: eigene Recherche

    Mgliche Kostensenkungen durch

    niedrigen lpreis in Euro

    Gefallener lpreis

    Tanken

    in Monat

    15,00

    Langstreckenug

    Frankfurt - Sydney

    Flugtickets

    und heizen

    pro Passagier

    260,00

    Hamburg-Karibik

    28 Tage

    Kreuzfahrt

    pro Passagier

    266,00

    BERLIN INTERN

    Gemeinsam

    in die dritte

    Halbzeit

    D

    ie Bundestagsabgeordne-

    ten haben natrlich noch

    ein Leben neben Frakti-

    onssitzungen, Arbeitsgruppen-

    treffen, Ausschussarbeiten,

    Bundestagsdebatten. Mancher

    Politiker sorgt per Miniaturei-

    senbahn im Keller fr Zerstreu-

    ung, anderen ist der Sport wich-

    tig. Selbstverstndlich gibt es ei-

    ne Sportgemeinschaft Deut-

    scher Bundestag, 1951 gegrn-

    det, mit heute rund 700 Mitglie-

    dern. 19 Sportartenwerden in

    Berlin betrieben, in Bonn im-

    merhin noch zehn. Bestimmt

    trainieren die Abgeordneten

    ganz fleiig, denn ab und zu lie-

    fern sie eine Kostprobe ihres

    Knnens. So auch am Dienstag,

    beim 12. Benefiz-Fuballturnier

    auf dem Berliner Olympia-Ge-

    lnde. Da tritt der FC Bundes-

    tag gegen acht Teams ausWirt-

    schaft, Sport und Medien an

    mit auf der Liste etwa der SPD-

    Fraktionsvorsitzende Thomas

    Oppermann, 61. Insgesamt ge-

    hren dem FC Bundestag 44 ak-

    tive Bundestagsabgeordnete an,

    natrlich fraktionsbergrei-

    fend. Sogar der frhere Bundes-

    kanzler Helmut Kohl war einst

    mit von der Partie. Aber nur auf

    dem Papier er absolvierte nie

    ein Spiel. Eine Besonderheit

    prgt den FC Bundestag neben

    einem Mindestalter von 40 Jah-

    ren noch: das anschlieende

    Zusammensein, auch dritte

    Halbzeit genannt. Das, so heit

    es auf derWebsite, schweie

    die Mitglieder noch strker zu-

    sammen. sk

    WASHINGTON.DieUSA erwgen

    Regierungskreisen zufolge die

    Verlagerung von schwerem Mili-

    trgert in mehrere Lnder Ost-

    europas und des Baltikums. Es

    gehe um umfangreiche Ausrs-

    tung, sagte ein hochrangiger Re-

    gierungsvertretermit Blick auf ei-

    nen Bericht der New York

    Times. Der Zeitung zufolge sol-

    len Kampfpanzer und anderes

    schweres Gert fr bis zu 5000

    Soldaten in die Lnder amRande

    des Nato-Gebiets gebracht wer-

    den. Ziel sei es, Russland von ei-

    nerweiteren Aggression in Euro-

    pa abzuschrecken. InderUkraine

    kam es amWochenende unter-

    dessenwieder zu Gefechten, bei

    denen dem ukrainischen Militr

    zufolge mehrere Regierungssol-

    daten gettet wurden. Reuters

    USAwollen

    Russland

    abschrecken

    Die niedrigenl- und

    Gaspreise mssen

    sich strker im

    Geldbeutel der

    Verbraucher

    bemerkbar machen.

    Klaus Mller

    Vorstand Verbraucherzentrale

    Bundesverband (vzbv)

    1

    8 WIRTSCHAFT & POLITIK

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  • Datenschutz

    Die EU will sich auf ein

    neues Recht einigen. Bei

    Versten drohen

    Strafzahlungen. Seite 11

    Griechenland

    Mit einer korrekten

    Handelsstatistik wren

    dem Land viele Debatten

    erspart worden. Seite 12

    dpa

    laif

    gen freigesetzt unddie Konjunk-

    tur stimuliert. Die Studie zeigt,

    dass gerade bei Heiz- und Kraft-

    stoffen noch mehr drin gewesen

    wre.

    Im Flugverkehr seien die Ticket-

    preise sogar leicht gestiegen,ob-

    wohl die gesunkenen Treibstoff-

    kosten eigentlich zu Preissenkun-

    gen htten fhren mssen.

    hnlichdie Situation bei Bier: Die

    Herstellung eines Liters ist laut

    EnergyCommentwegen geringe-

    rer Energiekosten zwischen Janu-

    ar 2014 und Januar 2015 14 Cent

    preiswerter geworden, der Preis

    laut Statistischem Bundesamt

    aber um 1,3 Prozent gestiegen.

    Die niedrigeren l- und Gas-

    preise mssten auch beim End-

    kunden ankommen, fordert Ml-

    ler. Es ist ein Unding, dass sich

    nur Preissteigerungen auf dem

    KontovonVerbrauchern bemerk-

    bar machen, sinkende Einkaufs-

    preise aber nicht weitergegeben

    werden, kritisiert auch Nicole

    Maisch, verbraucherpolitische

    Sprecherin der Grnen-Bundes-

    tagsfraktion. Schon 2014 sind

    dadurch ungerechtfertigte Mehr-

    kosten von rund 100 Euro pro

    Haushalt entstanden.

    Fotos: Corbis Super RF/F1online, dapd, Getty Images (2), Craft/Masterfile

    Teelichter

    pro 1,5 Kg-Packung

    0,29

    Reis

    pro Kilogramm

    aus Thailand

    0,18

    Wirtschaftsforscher schtzen,

    dass unter dem Strich maximal

    die Hlfte des lpreisverfalls

    beim Endverbraucher ankommt,

    je nach Position in der Wert-

    schpfungskette und demWett-

    bewerbsdruck in der Branche.

    Selbstwenn es ber den gesam-

    ten Wertschpfungsprozess zu

    Preissenkungen kommt, trpfelt

    es amEnde aus, sagt Simon Jun-

    ker, Konjunkturexperte beim

    Deutschen Institut fr Wirt-

    schaftsforschung. Bei Produkten

    ohne langeWertschpfungskette

    ist dieChancemithin am grten,

    dass Kostenvorteile beim Ver-

    braucher landen.

    Unternehmen warten lieber ab,

    bevor sie dielpreisentwicklung

    bei ihrer Preissetzung berck-

    sichtigen, denn Preisanpassun-

    gen sind meist mit Kosten ver-

    bunden, meint Galina Kolev

    vom Institut der deutschenWirt-

    schaft Kln. Zudem wrden

    Preissenkungen von den Konsu-

    menten zwar geschtzt, aller-

    dings ist im Falle einer darauffol-

    genden Preiserhhung die Frus-

    tration umso grer. Daher

    wrden Preise tendenziell eher

    langsam angepasst unddieUnter-

    nehmen seienvorsichtig,wenn es

    sich um eine aktuelle Entwick-

    lung wie bei den lpreisen han-

    dele, die mglicherweise nicht

    von Dauer ist.

    Der Deutsche Industrie- und

    Handelskammertag (DIHK) sieht

    dagegen keine groen Spielru-

    me frUnternehmen, Kostenvor-

    teile fr sich zu behalten vllig

    unabhngig vom l- oder Gas-

    preis. Der Druck, Preisvorteile

    weiterzugeben, ist gestiegen,

    sagt DIHK-Chefvolkswirt Alexan-

    der Schumann, egal, wodurch

    sie entstehen.

    Athen riskiert

    die Staatspleite

    Ruth Berschens, Jan Hildebrand

    Brssel, Berlin

    K

    urz vor Toresschluss ist im-

    mer noch unklar, ob Grie-

    chenlandvorder Staatspleite

    gerettetwerden kann. AmSonntag

    kamen griechische Regierungsver-

    treter in Brssel erneut mit hohen

    Beamten der Euro-Zone zusam-

    men.AmAbendbrachEU-Kommis-

    sionsprsident Jean-Claude Juncker

    dieVerhandlungen ab. Es habe kei-

    ne Annherung gegeben.

    Eine Staatspleite wird deshalb

    nach Einschtzung von EU-Diplo-

    maten immerwahrscheinlicher. Die

    EU-Kommission sei sehr besorgt,

    sagte ein ranghoher Beamter dem

    Handelsblatt. Die Gefahr wachse,

    dassman sich nicht mehr rechtzei-

    tig mit Griechenland einige.

    Griechenlandmuss Ende Juni 1,6

    Milliarden Euro an den Internatio-

    nalen Whrungsfonds (IWF) zu-

    rckzahlen.ber dieMittelverfgt

    die Regierung in Athen nach allge-

    meiner Einschtzung nicht mehr.

    Hinzu kommt, dass das Hilfspro-

    gramm der Euro-Zone Ende Juni

    ausluft.Wenn bis dahin keine An-

    schlusslsung gefunden ist, gibt es

    keine Rechtsgrundlage mehr fr

    weitere Kredite der Euro-Zone an

    Athen. Ein Staatsbankrott wrde

    unausweichlich, da Griechenland

    im Sommerweitere Milliardenzah-

    lungen an den IWF leisten muss.

    Die Euro-Zone macht daher nun

    keinen Hehl mehr daraus, dass sie

    sich erstmals in ihrer Geschichte

    auf einen Staatsbankrott vorberei-

    tet. Die Staatssekretre der Finanz-

    ministerien in den 19 Euro-Staaten

    httendasThema bei einemTreffen

    in Bratislava EndevergangenerWo-

    che errtert, besttigten hochrangi-

    ge EU-Diplomaten.

    berGriechenlands Schicksal ent-

    scheiden drften am Ende aller-

    dings nicht die Finanzminister, son-

    derndieRegierungschefs. Sie stehen

    massivunterDruckderAmerikaner.

    Die US-Regierung dringe darauf,

    Griechenland aus geopolitischen

    Grnden in der Euro-Zone zu hal-

    ten, hie es in Brssel und Berlin.

    Deshalb gilt es auch als mgliche

    Option, dass die Euro-Zone das

    Hilfsprogramm fr Hellas unter be-

    stimmten Bedingungen doch noch

    einmal verlngert.

    Verhandlungen mit den internationalen

    Geldgebern kommen kaumvoran.

    1,6 Mrd.

    Euro muss Griechenland

    bis Ende Juni an den

    Internationalen

    Whrungsfonds

    zurckzahlen.

    1

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  • Die Demokratin rckt

    Sozialthemen ins Zentrum.

    ObamasWhler sollen

    auch ihr zum Sieg verhelfen.

    Moritz Koch

    New York

    U

    m sich dem Volk zu

    prsentieren, hatHilla-

    ryClintoneineFestung

    imNewYorker East Ri-

    ver errichten lassen.

    Polizisten bewachendenEingangs-

    zaun, Patrouillenboote das Ufer.

    Welcome toHillaryland, einemOrt

    derWidersprche.

    Es ist frherMorgen auf Roosevelt

    Island, einemLandstreifen zwischen

    Manhattan und Queens. Erst in ein

    paar Stunden wird hier der Start-

    schuss fr Clintons Wahlkampagne

    fallen. Doch schon jetzt treten sich

    die Hillary-Fansvor den Sicherheits-

    schleusen die Beine in den Bauch.

    Casey Penk wartet unter einem

    Kirschbaum. Er ist 23, sucht einen

    Job in NewYorks Start-up-Szene.Vor

    vier Jahren hat er fr Obama ge-

    kmpft, dieses Mal kannClinton auf

    ihn zhlen. Das Landverndere sich,

    sagt Penk, die soziale Ungleichheit

    treibe dieMenschenum: Thats the

    Zeitgeist. In seinemRcken schiebt

    sich eine Superjacht flussaufwrts.

    Als htte der Zeitgeist sie geschickt.

    Die Demokratenwollendie Prsi-

    dentschaftswahlen 2016 zumRefe-

    rendumber soziale Gerechtigkeit

    erheben, ein Wahlkampf der Kon-

    traste soll eswerden. Rechtsversus

    links. Steuersenkungen fr Gro-

    verdienerversus Hilfen fr die Mit-

    telschicht. Die letzten Zweifel daran

    schwinden, als Clinton sich den

    Weg ans Podium bahnt, ihr Blazer

    so blau wie der Himmel. Wohl-

    stand darf nicht Firmenchefs und

    Hedgefonds-Managernvorbehalten

    sein, ruft sie. So klingt eine Politi-

    kerin, die dem Zeitgeist folgt.

    Die Demokraten rcken nach

    links, so wie die Republikaner

    schon vor Jahren nach rechts ge-

    rckt sind. Clinton kann sich den

    Strmungsverhltnissen nicht ent-

    ziehen.Vergessen ist der dritteWeg,

    die neuen Demokraten, derenmo-

    derates Profil ihr Ehemann Bill in

    den 90ern schrfte. Hillarys Strate-

    gen sind sich sicher: Der Weg ins

    WeieHaus fhrt nichtmehr durch

    die Mitte, das Land ist zu stark po-

    larisiert. Allein die Mobilisierung

    des eigenen Lagers verspricht Er-

    folg. Clinton braucht Frauen, Min-

    derheitenund Jungwhler. DieOba-

    ma-Koalition. Leutewie Penk.

    Clinton sieht sich in einer pro-

    gressiven Ahnenreihe.Von Obama

    schlgt sie den Bogen ber Bill bis

    zurck zu Prsident Franklin D.

    Roosevelt, dem Grndervater des

    amerikanischen Sozialstaats. Fr

    dieses Erbe will die Kandidatin

    streiten, fr die uramerikanische

    berzeugung, dass echter Wohl-

    standvon allen errichtet undvon al-

    len geteilt werden muss.

    Eigentlich hat der Wahlkampf

    lngst begonnen, seitWochen tourt

    Clinton durchs Land, um so for-

    muliert sie es mit Alltagsamerika-

    nern insGesprch zu kommen. Al-

    lerdings fanden sich weniger All-

    tagsamerikaner zu sorgsam

    inszenierten Treffen ein als hand-

    verlesene Imagefilmstatisten. f-

    fentliche Auftritte mied Clinton,

    Pressekonferenzen gab es nicht.

    Die Nachrichtenlcke flltenDebat-

    tenberdie Prferenzder Ex-Minis-

    terin fr private E-Mail-Server, das

    Spendengebaren der Familienstif-

    tung und die sthetik ihres Logos.

    Nun der erste groe Auftritt, das

    erste Menschenbad. Alles ist per-

    fekt in Szene gesetzt.Von der Bh-

    ne schweift der Blick auf die

    Machtsymbole aus Glas und Stahl-

    beton, die Hochhauslandschaftvon

    Manhattan. Hillary schttelt Hn-

    de, winkt und strahlt. Der nachge-

    schobeneWahlkampfauftakt ist der

    Versuch, die Kontrolle ber ihrMar-

    kenbild zurckzuerlangen. Eswird

    hchste Zeit: Clintons Beliebtheits-

    werte brckeln. Zwarwird ihr kein

    parteiinterner Rivale gefhrlich.

    Wohl aber die Republikaner. Auf

    konservativer Seite konkurrieren

    fast zwei Dutzendumdie Nominie-

    rung ihrer Partei. Sie alle spren,

    dass Clinton verwundbar ist.

    DieDemokratin schlgt zurck: Es

    mag ein paar neue Stimmen im re-

    publikanischen Chor geben. Aber

    sie singen das alte Lied. Dieses Lied

    heit gestern.Clinton karikiert die

    Republikaner als Kahlschlagspartei:

    weg mit der Krankenversicherung,

    runter mit den Spitzensteuern.

    Die Rckbesinnung auf Gerech-

    tigkeitsfragen ist ein bemerkenswer-

    ter Wandel fr Amerika, wo alles,

    was nach Klassenkampf-Rhetorik

    klang, bisvor kurzemnochverpnt

    war. Umfragen zeigen, dass viele

    Whler den Glauben an das ameri-

    kanische Aufstiegsversprechenver-

    loren haben. An diesen Zweifeln

    richtet Clinton ihren Wahlkampf

    aus. Doch gibt es Bedenken,dass sie

    die richtige Kandidatin dafr ist.

    Roosevelt schleuderte Oligarchen

    entgegen: Ich begre ihren

    Hass. Clinton bittet sie um Spen-

    den, hlt enge Verbindungen zur

    Wall Street. ZumErbe ihresMannes

    gehrt die Finanzliberalisierung.

    Die Frage ist, ob Hillaryland ge-

    nugManvrierflche fr die Exkur-

    sion nach links bietet.Oder anders:

    Wieweit kannClintondemZeitgeist

    folgen, ohne imEast River baden zu

    gehen?

    Vergessen ist die neue Mitte: Hillary Clintonwill mit sozialer Gerechtigkeit insWeie Haus.

    Eiserne Lady der Linken

    Wahlkmpferin Hillary Clinton in New York: Allein die Mobilisierung des eigenen demokratischen Lagers verspricht Erfolg.

    US-Kongress bringtTTIP in Gefahr

    Moritz Koch

    Washington

    B

    is zuletzt hatte der Prsident

    um Stimmen gekmpft. Am

    Ende war es vergebens: Ba-

    rack Obamas Freihandelsagenda

    hat amFreitageinenRckschlager-

    litten, von dem sie sichwomglich

    nichtmehr erholt. Das Abgeordne-

    tenhaus hat ein Gesetzespaket auf-

    gehalten, das Obamas Regierung

    einMandat zur Liberalisierungvon

    Handelsstrmenerteilen sollte. Das

    transatlantische Wirtschaftsbnd-

    nis TTIP ist damit in Gefahr.

    FastTrack nennt sichdasumstrit-

    teneMandat. Es bedeutet, dass die

    Parlamentarier darauf verzichten,

    einen Freihandelspaktvor der Rati-

    fikation umzuformulieren. Obama

    bentigt Fast Track, um sich inter-

    national als verlsslicher Verhand-

    lungspartner zuprsentieren. Doch

    ausgerechnet seine Parteifreunde,

    die Demokraten, lehnen sich dage-

    gen auf. Frvielevon ihnen ist Frei-

    handel zu einem anderenWort fr

    Standortschlieung geworden.

    Selbst Hillary Clinton, deren Ehe-

    mannder Architekt der nordameri-

    kanischen Freihandelszone Nafta

    ist, meidet es, sich zu offenen

    Grenzen zu bekennen zu

    stark ist ihr der linke Flgel.

    Es ist nicht ausgeschlossen,

    dass die Regierung in

    den nchstenTagen

    noch eineMehrheit

    findet. Doch die

    Zeit luft ab,

    der Vorwahl-

    kampf hat be-

    gonnen.

    Obamas Ziel ist es, gleich zwei

    historische Freihandelsabkom-

    men zu schlieen. TTIP ist in

    den USA derzeit kaum ein The-

    ma, der Streit dreht sich um

    TPP, einen Pakt, den die

    Regierung impazifischen

    Raum schlieen will. Zu

    denWendungendes Frei-

    handelsdramas zhlt es,

    dass die Demokraten

    nicht Fast Track selbst

    aufhielten dafr fehl-

    ten ihnen die Stim-

    men. Stattdessen

    stoppten sie ein Sozial-

    programm, das sie eigentlich un-

    tersttzen: Hilfen fr Arbeitneh-

    mer, deren Jobs derGlobalisierung

    zumOpfer gefallen sind. Da beide

    Initiativen verknpft sind, steckt

    nun die gesamte Agenda fest.

    Ohne FastTrackwerdendieTPP-

    Staaten kein finales Angebot vorle-

    gen.Und auchdie Europerwerden

    keinemFreihandelsvertrag zustim-

    men, in dem der amerikanische

    Kongress spter nacheigenemGut-

    dnken herumdoktern kann.TTIP

    wre damit zwar nicht tot wrde

    aber auf unbestimmte Zeit ins Ko-

    ma fallen.

    Debakel fr Prsident Obama: Parteifreunde blockieren seine geplantenWirtschaftsbndnisse.

    FREIHANDELSABKOMMEN

    Barack Obama:

    Die Zeit luft

    langsam ab. Bloomberg

    Es mag ein paar neue

    Stimmen im

    republikanischen

    Chor geben. Aber sie

    singen das alte Lied.

    Dieses Lied heit

    gestern.

    Hillary Clinton

    Prsidentschaftskandidatin

    AFP

    1

    10 WIRTSCHAFT & POLITIK

    MONTAG, 15. JUNI 2015, NR. 111

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  • Till Hoppe, Ina Karabasz

    Berlin, Dsseldorf

    F

    r die Abgeordneten ist der

    Datenklau mindestens unan-

    genehm,derDeutschenTele-

    kom drfte der Hackerangriff auf

    den Bundestag hingegen einen

    prestigetrchtigenAuftragbringen.

    Die KonzerntochterT-Systems,die

    bereits das Regierungsnetz IVBB

    (Informationsverbund Berlin-

    Bonn) betreibt, habe guteAussich-

    ten, knftig auchdas Netz des Par-

    laments zu betreuen, heit es in

    Koalitions- und Branchenkreisen.

    Die IT-Infrastruktur des Bundes-

    tagesmuss teilweise neu aufgesetzt

    werden, nachdemunbekannte Ha-

    cker diesemit einer Schadsoftware

    unterwandert haben.ObT-Systems

    auch die Aufgabe bernehmen

    wird, die Daten von den alten auf

    die neuen Server zubertragen, ist

    aber noch fraglich. Dieser Auftrag

    ist uerst heikel und erfordert

    hochspezialisiertes Expertenwis-

    sen schlielich muss unbedingt

    verhindert werden, dass mit den

    Daten auchderVirus ins neue Netz

    wandern kann. Um diesen Job be-

    werben sich demVernehmen nach

    auch kleinere Spezialfirmen.

    Der Telekom kme der Auftrag

    sehr gelegen der Konzern ver-

    sucht sich seit der NSA-Affre als

    Anbieter von Sicherheitslsungen

    zu positionieren. Dafr zieht der

    Ex-Staatskonzern gerade 1500Mit-

    arbeiter zusammen und bndelt

    sie in einem neuen Geschftsbe-

    reich.

    Weniger erfreulich ist der Angriff

    fr die betroffenen Abgeordneten

    darunter offenbar auch Bundes-

    kanzlerin Angela Merkel. Laut

    Bild am Sonntag fanden die IT-

    Expertenvon Bundestag und Bun-

    desamt fr Sicherheit in der Infor-

    mationstechnik den Trojaner auf

    dem Computer in ihrem Bundes-

    tagsbro. Dieserverschickte sogar

    infizierte E-Mails in Merkels Na-

    men.Ob die Angreifer dort beson-

    ders sensible Informationenerbeu-

    teten, scheint fraglich schlielich

    arbeitet die Regierungschefinmeis-

    tens in ihremBro imKanzleramt.

    Ebenfalls betroffen sind unter

    anderemder SPD-Verkehrsexperte

    Martin Burkert unddie Linken-Par-

    lamentarierin Inge Hger.Worauf

    es die Angreifer genau abgesehen

    hatten, ist noch unklar. Was laut

    Bundestagskreisen feststeht: Von

    den infizierten Rechnern wurden

    vor allemWord-Dokumente, Excel-

    Tabellen und E-Mails gestohlen.

    ber welchen Zeitraum das ge-

    schah, knnen die IT-Experten

    nicht genau nachvollziehen: Die

    vorliegenden Protokolldateien, die

    darber Auskunft geben knnten,

    reichen nur bis AnfangMai zurck.

    Kommentar Seite 14

    Der Ex-Staatskonzern drfte vom

    Hackerangriff aufs Parlament profitieren.

    Telekom soll

    Merkel schtzen

    Till Hoppe, Thomas Ludwig

    Berlin, Brssel

    I

    n die Reform des europischen

    Datenschutzrechts kommtBewe-

    gung: Nachmehr als einjhriger

    Verzgerungwerden sichdie 28EU-

    Mitgliedstaaten nach Angabenvon

    Diplomatenwohl auf eine gemein-

    same Position einigen. Damit r-

    ckendrastische Strafen fr Internet-

    unternehmennher,diedie Regeln

    zum Datenschutz missachten. Die

    Verordnung bereitet aber auchvie-

    len anderen Firmen groe Sorgen.

    Mit der gemeinsamen Haltung,

    die die EU-Innenminister an die-

    semMontagverabschiedenwollen,

    knnten am 24. Juni die Verhand-

    lungen mit der Kommission und

    dem Europaparlament ber die

    neue Datenschutzgrundverord-

    nung anlaufen.Gelingt es, die Neu-

    regelung bis Ende 2015 unter Dach

    und Fach zu bringen, soll die Ver-

    ordnung nach zwei Jahren ber-

    gangszeit in allen Mitgliedstaaten

    gelten allein in Deutschlandmss-

    zerne wie Google, Facebook & Co.

    lieen sich deshalb in Lndernmit

    eher schwachem Datenschutz nie-

    der, in Irland etwa.

    Die Unternehmen untersttzen

    dieModernisierungundVereinheit-

    lichung des Datenschutzrechts

    grundstzlich: DieWirtschaft digi-

    talisiert sich rasant, dafr braucht

    es Vertrauen in den Umgang mit

    den Daten, sagt Iris Plger, Leite-

    rin der Abteilung Digitalisierung

    beim Industrieverband BDI.

    In mehreren Fragen schiee die

    EU aber weit ber das Ziel hinaus,

    kritisierenWirtschaftsvertreter. So

    bereiten die angedrohten Bugel-

    der Sorgen. Kommission und Mit-

    gliedstaaten pldieren fr Strafen,

    die bis zu zwei Prozent des Jahres-

    umsatzes betragen knnen, das

    Parlament pldiert sogar fr bis zu

    fnf Prozent, damit Unternehmen

    Datenschutzverletzungen nicht ein-

    fach einkalkulierten. Plgerwarnt,

    die Strafen knnten zu einer extre-

    men Belastungwerden.

    Teuer zu stehen kommen drf-

    ten den Unternehmen auch die

    neuen Informationspflichten, die

    weit ber das bisherige deutsche

    Recht hinausgehen. Die Nutzer

    mssen knftig stets darber infor-

    miertwerden,wasmit ihren Daten

    passiert, damit sie bewusst einer

    Datenverarbeitung zustimmen kn-

    nen oder sie ablehnen. Das Statis-

    tische Bundesamt schtzt die zu-

    stzlichen Kosten fr die deutsche

    Wirtschaft auf jhrlich rund eine

    Milliarde Euro.

    SusanneDehmelvom IT-Verband

    Bitkom fordert deshalb einen risi-

    kobasierten Ansatz: Wenn die er-

    fassten Daten wenig sensibel sind,

    sollten auchdie Brokratiepflichten

    gering sein. Sie bezweifelt ohne-

    hin, dass die Zustimmungspflicht

    stets den besten Schutz gewhrleis-

    tet. Nutzer willigen zum Beispiel

    auch bei sozialenNetzwerkenmeist

    problemlos in alle mglichen Da-

    tennutzungen ein, sagt sie. Jan-

    Philipp Albrecht, Experte der Gr-

    nen im EU-Parlament, setzt sich

    hingegen fr leichterverstndliche

    Nutzungsbedingungen ein.

    Ganze Branchen frchten, dass

    ihreGeschftsmodelle beschnitten

    werden. Da die Kunden knftig der

    Datennutzung explizit zustimmen

    mssen, knnten auchviele bislang

    erlaubte Formen des Direktmarke-

    tingsverbotenwerden,warntChris-

    toph Fiedler vom Verband deut-

    scher Zeitschriftenverleger.

    Die EU-Staatenwollen sich auf ein neues Recht einigen. BeiVersten drohen hohe Strafzahlungen.

    Die Datenschutz-Revolution

    actionpress

    ten dazu rund 300 Bundes- und

    Landesgesetze angepasst werden.

    Die Reform des 20 Jahre alten

    EU-Datenschutzrechts gilt als Vo-

    raussetzung fr dieVollendung des

    digitalen Binnenmarkts. Unter-

    schiedliche nationale Auslegungen

    der Richtlinie sorgen bislang fr ei-

    nen Flickenteppich ungleicher Da-

    tenschutzniveaus in der EU. Kon-

    Google-Rechenzentrum: Neue Informationspflichten sind vorgesehen.

    1500

    Sicherheitsspezialisten

    zieht die Telekom in

    einem neuen

    Geschftsbereich

    zusammen.

    WIRTSCHAFT & POLITIK 11

    1

    MONTAG, 15. JUNI 2015, NR. 111

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  • Norbert Hring

    Frankfurt

    E

    igentlich ist das Phno-

    men seit Jahrzehnten be-

    kannt,und zwar als Mis-

    singFleet, als Fehlende

    Flotte. Es beschreibtdie

    Tatsache, dass in der internationa-

    len Leistungsbilanz an einer ganz

    bestimmten Stelle ein Loch klafft.

    Die Leistungsbilanz erfasst alle

    Exporte und Importe sowie grenz-

    berschreitende Kapitalvergtun-

    genundunentgeltliche Zahlungen.

    Global mssten sich Einnahmen

    und Ausgaben zu null addieren.

    Tatschlich gibt es ein riesiges Defi-

    zit in der Seefracht-Bilanz.

    EinwichtigerGrund dafr ist die

    fehlende FlotteGriechenlands. Das

    Land hat die grte Handelsflotte

    derWelt, aber ein groerTeil ihrer

    Einnahmen taucht nicht in der Sta-

    tistik auf. Das geht aus einer Analy-

    se des Schweizer Finanzexperten

    Michael Bernegger hervor, die als

    Occassional Paper in Social Euro-

    pe erscheint und dem Handels-

    blattvorliegt. Der selbststndige Be-

    raterwarMitarbeiter der Schweize-

    rischen Nationalbank und in

    leitenden Funktionen im schweize-

    rischen Finanzsektor ttig.

    DieUntererfassung der Handels-

    flotte verzerrt die griechischen

    Wirtschaftsstatistiken. Das Brutto-

    inlandsprodukt (BIP)wre deutlich

    grer,wenndieHandelsschifffahrt

    hnlich umfassend erfasst wrde

    wie in anderen Lndern. Bernegger

    schtzt den Fehler fr 2008 auf

    mindestens 15 Prozent. Heute sei er

    wohl geringer,weil es der Handels-

    schifffahrt nicht mehr so gutgehe.

    Ein Rechenbeispiel: Wrde das

    griechische BIP zehn Prozent hher

    ausgewiesen, snke die Schulden-

    quote im Verhltnis zum BIP um

    ber 15 Prozentpunkte auf rund 160

    Prozent. Die Schuldenquote ist ein

    Ma fr die Schuldentragfhigkeit.

    Der Internationale Whrungs-

    fonds (IWF) kenntdas Problem. Be-

    reits im sogenanntenEsteva-Bericht

    von 1987 stellte er fest, dass die feh-

    lenden Flotten Griechenlands und

    Hongkongs einen groen Teil des

    Welt-Leistungsbilanzdefizits erkl-

    ren; er drngte darauf, die Erfas-

    sungsdefizite abzustellen. Ein Be-

    richtvon 2002 stellt fest, dassHong-

    kong nun einen groen Teil seiner

    Flotteneinnahmen melde, nicht

    aber Griechenland. Daran scheint

    sichwenig gendert zu haben.

    Die statistisch erfassten Einnah-

    men der griechischen Flotte waren

    2011 umber 40 Prozent kleiner als

    diederdeutschenFlotte,obwohldie-

    se gemessen an der Tonnage der

    Schiffe nur etwas mehr als halb so

    gro ist. SelbstdiebritischeFlotte soll

    miteinemZehntelderLadekapazitt

    der griechischen inden 2000er-Jah-

    renmehr alsdieseumgesetzt haben.

    Die fr die Zahlungsbilanzstatistik

    zustndige griechische Notenbank

    sagte zu diesem Missverhltnis auf

    Anfrage: Soweitwirwissen,werden

    die Einnahmender inGriechenland

    ansssigen Firmen korrekt ver-

    bucht. Sie besttigt, dassdieDaten

    hauptschlich von den heimischen

    Bankenkommen,beidenendieRee-

    der Konten haben. Siewrden so-

    weit mglich mit anderen Daten-

    quellen gegengecheckt.

    Das Problem: Die Einnahmen in

    der Reederei gehen zu einem gro-

    enTeil direkt aufDollar-Kontenbei

    auslndischen Banken, von denen

    die griechische Zentralbank keine

    Datenerhlt. Der griechischeReede-

    reiverbandverkndet zwar regelm-

    ig stolz den Grenzuwachs der

    weltgrten Flotte, aber ber Um-

    satzzahlen schweigt er beharrlich.

    Auch Steuerdaten gibt es nicht, da

    die griechischen Reeder eine reine

    Tonnagesteuer bezahlen und von

    der Einkommensteuer befreit sind.

    Auf die griechische Leistungsbilanz

    wrde sich eineUntererfassung der

    Reedereieinnahmenmassiv auswir-

    ken, mit Folgen fr die Krisendiag-

    nose. Die gngige Diagnose ist, dass

    Griechenland ein Exportschwch-

    ling ist, der relativ zu den Importen

    viel zu wenig exportiert habe. Da-

    durch habe sich das Land berm-

    ig imAuslandverschuldet. Zumin-

    dest knnte man angesichts der

    Zahlen mutmaen, dass diese An-

    nahme falsch ist.

    Fr das Vorkrisenjahr 2008

    schtzt Bernegger den Fehler beim

    Umsatz der Handelsschifffahrt auf

    mindestens 70Milliarden Euro,was

    die Exportquote des Landesvon 20

    Prozent des BIP auf 50 Prozent

    nach oben schnellen liee. Zieht

    man eineVorleistungsquotevon 30

    bis 40 Prozent ab, wrde das die

    Leistungsbilanz um 40 bis 45Milli-

    arden Euro verbessern. Statt eines

    Defizits in der Leistungsbilanz von

    30 Milliarden Euro im Jahr 2008

    wredanneinberschussvon zehn

    bis 15 Milliarden Euro verzeichnet

    worden. Bezeichnend ist, dass der

    IWF 2008 in einerWettbewerbsf-

    higkeitsanalyseGriechenland posi-

    tiv hervorhob,weil dort das starke

    Wachstum durch hohe Produktivi-

    ttszunahmen gespeist werde.

    Eineweitere Untererfassung ver-

    mutet der Finanzexperte auch beim

    Tourismus.Von 2003 bis 2010 habe

    es eine Vervierfachung der ber-

    nachtungen in Fnf-Sterne-Hotels

    gegeben.Trotzdem zeige die Statis-

    tik stagnierende Einnahmen. Das

    wrde zumindest nicht verwun-

    dern, denn den Zahlen liegt ledig-

    lich eine Stichprobenbefragungvon

    Touristen zugrunde.Unddieunter-

    schtzen ihre Ausgaben gern mal.

    Mit einer korrekten Handelsstatistikwren Athenwomglich einige Debatten erspart geblieben.

    Griechenlands fehlende Flotte

    Hafen von Pirus:

    Was verdienen

    griechische Reeder?

    Bloomberg

    Die Diagnosewar falsch

    Herr Bernegger, Sie haben ermit-

    telt, dass die griechischen Export-

    einnahmen viel zu niedrig ausge-

    wiesen wurden, vor allem vor

    Ausbruch der Finanzkrise.Welche

    Bedeutung hat das heute noch?

    Die Problemdiagnose htte ganz

    anders ausfallenmssen.Manwre

    nie auf die Idee gekommen, dass

    das Land eine strukturelle Export-

    schwche hat, ber seine Verhlt-

    nisse lebt und gesundgeschrumpft

    werden muss.

    Aber die Regierung hat zuviel aus-

    gegeben und sichverschuldet?

    Wenn man genau auf die Zahlen

    schaut, sieht man, dass nicht so

    sehr die Ausgabenseite sich unge-

    whnlich ungnstig entwickelt hat,

    wohl aber die Einnahmenseite.

    Dort htte man von Beginn an an-

    setzen mssen, als die Krise aus-

    brach. Man htte auf die Offshore-

    Konten im Ausland gehenmssen,

    sofern sie nicht korrekt versteuert

    sind. Eine intelligente Steuer-

    amnestie htte rasch viel Geld ge-

    bracht, dazu natrlich eine rasche

    Reform der Steuerverwaltung.

    Wrde ein Austritt aus der Wh-

    rungsuniondieWettbewerbsfhig-

    keitwiederherstellen?

    Griechenland ist mit seinen beiden

    wichtigsten Exportbranchen, Ree-

    derei und Tourismus, jetzt schon

    uerstwettbewerbsfhig. Die Ree-

    derei ist auerdem Dollar-basiert,

    einnahmen- und ausgabenseitig.

    Ein Austritt und eine Abwertung

    schaden nur, genausowie die inter-

    ne Abwertung, weil sie diese kapi-

    talintensiven Sektoren mit hohen

    Zinsen und einer Kreditsperre be-

    lasten.

    Was sehen Sie als Prioritt?

    Griechenland steht wirtschaftlich

    vor dem Zusammenbruch,weil die

    Deflation die Banken durch notlei-

    Der Schweizer Finanzexperte ber fehlerhafteWirtschaftsdaten und die fatalen Folgen fr Griechenland.

    MICHAEL BERNEGGER

    dende Kredite enorm schwcht.

    Der Bankensektormsste sofort ge-

    rettetwerden. Dies setzt ein Bndel

    vonManahmenvoraus.Verstrkte

    Eigenmittel, bertrag der faulen

    Kredite in eine intelligent konzipier-

    te Bad Bank. Griechische Gelder

    aus dem Ausland mssen wieder

    ins Land gelocktwerden, unter an-

    deremdurch Abschaffungder Steu-

    er auf Ertrge von Bankdepositen,

    die in der Praxis nur auf inlndi-

    scheGuthaben gezahltwerden.Oh-

    ne funktionierende Bankenverliert

    Griechenland seine Exportbasis.

    Die Fragen stellte Norbert Hring.

    30Mrd.

    Euro betrug nach

    offiziellen Daten 2008

    das Defizit der

    Leistungsbilanz.

    Quelle: Eurostat

    Michael Bernegger: Der

    frhere Spitzenmanager

    von Swiss Life publizier-

    te mehrere Bcher.

    MichaelBernegger

    12 WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTEN

    MONTAG, 15. JUNI 2015, NR. 111

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  • Wenn etwas

    grndlich

    schiefge-

    gangen ist, braucht

    es einen Schuldi-

    gen, und zwar so-

    fort. Dieser Reflex

    ist menschlich, und

    er entspricht den

    Gepflogenheiten

    des