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62 Biografien Steglitz KPD BEZIRKSVERORDNETE Hedwig Wollmann war von 1929 bis 1933 Bezirksver- ordnete der Steglitzer Bezirksversammlung. Die Kom- munistin stand seit 1933 unter Gestapo-Beobachtung. Sie unterstützte befreundete verfolgte Juden in ihrer Wohnung in der Fregestraße in Steglitz. 1965 ehrte der Berliner Senat sie für ihr mutiges Engagement. Die politische Arbeit Am 21. Oktober 1892 wurde Hedwig Wollmann in Berlin geboren. Nach dem Ersten Weltkrieg trat sie in die SPD ein und schloss sich 1920 der KPD an. Sie ar- beitete als Angestellte und leitende Funktionärin der kommunistischen Frauenbewegung in Leipzig. Seit 1928 war sie im Reichstag tätig. Mit ihrem Vater lebte sie in der Fregestraße 33. 1929 wurde die Kommunistin Hedwig Wollmann in die Steglitzer Bezirksversammlung gewählt. Sie enga- gierte sich sozialpolitisch und bezog Stellung gegen finanzielle Kürzungen im Wohlfahrtsbereich. Die lokale Presse erwähnte keine konkreten Argumente, 1892–1979 »Als dann die große Judenverfolgung einsetzte, habe ich trotzdem geholfen mit Quartier und Verpflegung. Es war schwer.« Hedwig Wollmann am 12. Oktober 1972 1 Hedwig Wollmann

Hedwig Wollmann - Dirk und Inge Jordan · 2018. 6. 15. · Hedwig Wollmanns und erhielt Essen und Trinken. Die Situation in ihrem Haus war riskant, sie schrieb rückblickend von »großer

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  • 62 Biografien Steglitz

    KPDBEZIRKSVERORDNETE

    Hedwig Wollmann war von 1929 bis 1933 Bezirks ver-ordnete der Steglitzer Bezirksversammlung. Die Kom-munistin stand seit 1933 unter Gestapo-Beobachtung. Sie unterstützte befreundete verfolgte Juden in ihrer Wohnung in der Fregestraße in Steglitz. 1965 ehrte der Berliner Senat sie für ihr mutiges Engagement.

    Die politische ArbeitAm 21. Oktober 1892 wurde Hedwig Wollmann in Berlin geboren. Nach dem Ersten Weltkrieg trat sie in die SPD ein und schloss sich 1920 der KPD an. Sie arbeitete als Angestellte und leitende Funktionärin der kommunistischen Frauenbewegung in Leipzig. Seit 1928 war sie im Reichstag tätig. Mit ihrem Vater lebte sie in der Fregestraße 33. 1929 wurde die Kommunistin Hedwig Wollmann in die Steglitzer Bezirksversammlung gewählt. Sie engagierte sich sozialpolitisch und bezog Stellung gegen finanzielle Kürzungen im Wohlfahrtsbereich. Die lokale Presse erwähnte keine konkreten Argumente,

    1892–1979

    »Als dann die große Judenverfolgung einsetzte, habe ich trotzdem geholfen mit Quartier und Verpflegung. Es war schwer.«

    Hedwig Wollmann am 12. Oktober 19721

    Hedwig Wollmann

  • 63Biografien Steglitz

    Fregestraße 33, Mai 2016

    1 Hedwig Wollmann, 12. Oktober 1972, Landesarchiv Berlin, B Rep. 078, Nr. 1315, Bl. 26

    2 Steglitzer Anzeiger, 10. April 1930

    3 Vgl. Landesarchiv Berlin wie Anm. 1, Bl. 25 Rs.

    4 Ebenda

    5 Verhandlung vor dem Entschädigungsamt, 26. August 1965, Landesarchiv Berlin, wie Anm. 1, Bl. 15

    6 Walter Bernhard gehörte zeitweise der KPD an. Vgl. Anerkennungsfragebogen, 15. Oktober 1949, Bl. 2 Rs., Landesamt für Bürger und Ordnungs angelegenheiten Berlin, Entschädigungsbehörde, Reg.Nr. 4.477, Bd. II

    7 Hedwig Wollmann, 24. Mai 1965, Landesarchiv Berlin, wie Anm. 1, Bl. 13

    8 Teltower Damm 124. Das Heinrich und MargareteGrüberHaus existiert noch heute.

    9 Vgl. Brief vom 23. Januar 1973, Heinrich und MargareteGrüberHaus, Akte Hedwig Wollmann und Brief vom 13. Juni 1974, Landesarchiv Berlin, wie Anm. 1, Bl. 34

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    sondern kritisierte die Verklärung des Vorbildes Sowjetunion. »Die Kommunisten schickten ihr Frl. Wollmann mit starkem rednerischem Rüstzeug vor, die das Problem in aller Breite behandelte und dabei das Sowjetparadies in bengalische Beleuchtung hüllte.«2

    Die »stille Heldin«1933 wurde Hedwig Wollmann festgenommen. Als Haftstationen benannte sie das Urbankrankenhaus, Verhöre in der PrinzAlbrechtStraße und die Kaserne Papestraße, wo sie sechs Wochen festgehalten wurde.3

    Als ihr Vater einen Schlaganfall erlitt, wurde sie dort entlassen.4

    Mit großer Selbstverständlichkeit unterstützte Hedwig Wollmann den als »Jude« verfolgten Walter Bernhard, der seit Februar 1942 in der Illegalität lebte: »Ich kenne Herrn Bernhard seit 1930 aus einer privaten Wandergruppe, in der wir in bestimmten Abständen gemeinsam Wanderungen unternahmen. Dadurch entstand ein freundschaftliches Verhältnis, so daß wir uns auch gegenseitig besuchten. Uns war schon zu Anfang unseres Kennenlernens bekannt, daß Herr Bernhard Jude war. Während der Verfolgungszeit, besonders nach der Kennzeichnung der Juden und der Beschneidung ihrer Rechte, haben wir uns alle um unseren gemeinsamen Freund gesorgt und ihn unterstützt.«5 Zudem verband sie eine ähnliche politische Haltung.6 Zwischen 1943 bis 1945 übernachtete Walter Bernhard ein bis zweimal pro Woche in der Wohnung Hedwig Wollmanns und erhielt Essen und Trinken. Die Situation in ihrem Haus war riskant, sie schrieb rückblickend von »großer Unfreundlichkeit«7 und drohender Denunziation ihrer Nachbarn. Hedwig Wollmann wurde auf Antrag von Walter Bernhard am 1. November 1965 als »unbesungene Heldin« ausgezeichnet. Die letzten Jahre verbrachte sie krankheitsbedingt und pflegebedürftig im HeinrichGrüberHaus in Zehlendorf, das von der Evangelischen Hilfsstelle für ehemals Rasseverfolgte betrieben wurde.8 Hier wurden Verfolgte und ihre Helferinnen und Helfer gleichberechtigt aufgenommen, um in einem geschützten Raum leben zu können. Für eine entsprechende Betreuung Hedwig Wollmanns reichte ihre Rente nicht aus. Zweimal wurde ihr wegen ihres außergewöhnlichen Verhaltens in der NSZeit eine finanzielle Unterstützung vom Berliner Senat gewährt.9 Hedwig Wollmann starb am 25. Mai 1979 in Zehlendorf.

    Heike Stange

    djTextfeldAuszug aus:ABGESÄGTIm Nationalsozialismus verfolgteKommunalpolitikerinnen und -politikerin Steglitz und Zehlendorf 1933 - 1945Hg. vom Kulturamt Steglitz-ZehlendorfBerlin 2016, dort auch erhältlich