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Hegel-Jahrbuch 2011

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Hegel-Jahrbuch 2011Hegel-Jahrbuch2011Begrndet vonWilhelm Raimund Beyer ()Herausgegeben vonAndreas ArndtPaul CruysberghsAndrzej PrzylebskiGeist?Zweiter TeilHerausgegeben vonAndreas ArndtPaul CruysberghsAndrzej Przylebskiin Verbindung mitLu De Vosund Peter JonkersAkademie VerlagRedaktionelle Mitarbeit: Veit Friemert Bibliograsche Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliograe; detaillierte bibliograsche Daten sind im Internet ber http://dnb.d-nb.de abrufbar.ISBN 978-3-05-005051-5 Akademie Verlag GmbH, Berlin 2011www.akademie-verlag.deDas eingesetzte Papier ist alterungsbestndig nach DIN/ISO 9706.Das Werk einschlielich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschtzt. Jede Verwertung auerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulssig und strafbar. Das gilt insbesondere fr Vervielfltigungen, bersetzungen, Mikroverlmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.Lektorat: Mischka DammaschkeSatz: Veit Friemert, BerlinEinbandgestaltung: nach einem Entwurf von Gnter Schorcht, SchildowDruck: MB Medienhaus BerlinBindung: Norbert Klotz, Jettingen-ScheppachInhaltDas Wissen des GeistesWalter Jaeschke, BochumDer Geist und seine Wissenschaften..........................11Henning Ottmann, MnchenDer Geist der Geisteswissenschaften..........................22Rainer Adolphi, BerlinMetaphysische Anfangsgrnde der Wissenschaften von Geistigem.Zu einer kantischen wissenschaftslogischen Kritik des Fundamentalnaturalismusund zu einer Hegelschen Theorie-Skizze........................27Valentina Ricci, PaduaDas Symbol als ursprngliche uerung des Geistes. berlegungen zu Hegels Philosophiedes theoretischen Geistes ...............................48Dirk Damsma, Amsterdam Set Theory and Geometry in Hegel...........................54Alfredo Bergs, Barcelona Hegels geistesphilosophische Zeichentheorie. Die Wirklichkeitsform des Geistes alsZusammenwirken von Denken und Anschauung .....................59Franz Knappik, Mnchen Hegel on Epistemic Freedom ..............................64Alexander Kuzmin, Velikij Nowgorod Die Refexion und der Geist in Hegels Philosophie ....................69WeltgeistMariano Alvarez-Gmez, Salamanca Die Vergeschichtlichung des Geistes.........................73Andrew Buchwalter, Jacksonville Weltgeist als Prinzip des interkulturellen Kosmopolitismus ................78Incio Helfer, Porto Alegre La Partialit pour le Savoir de lEsprit absolu dans la Connaissance de lHistoire universelle .85Mohamed Fayal Touati, Toulouse Dieu, lEsprit et les hommes. Passivit et activit dans la philosophie hgliennede lhistoire ......................................906 hegel-Jahrbuch 2011Bernhard Karl Linser, Frankfurt/M. Hegels (Welt-)Geist und der (Un-)Geist der Globalisierung ................100Paul Cobben, Tilburg Hat Hegels Begriff von Patriotismus noch aktuelle Bedeutung? ..............108Ulrich Richter, Mnster-Wolbeck Der Weltgeist Hegels das bin ich, das sind Sie, das sind wir alle, jeder fr sich.Wider die falschen Subjekte. Zur Theorie des realen Subjekts oder der Begriff:Das Individuum als Ich................................113Natur und GeistMyriam Gerhard, Oldenburg Die Vershnung des Geistes mit der Natur .......................119Gabriel Amengual, Palma de Mallorca Natur und Geist in Hegels Begriff der Person......................124Cristiana Senigaglia (Triest/Mnchen) Geist als zweite Natur?................................129Jochen Schfers, Frankfurt/M. Zu Hegels Rezeption des Konzepts des begeistenden Prinzips in ihrer Bedeutungfr seine Philosophie des objektiven Geistes .......................137Horst-Heino v. Borzeszkowski, Berlin Erkenntnis statt Erbauung: Hegels Begriff des naturwissenschaftlichen Gesetzes ......142Renate Wahsner, Berlin Hegels Logik und die Struktur des naturwissenschaftlichen Denkens in der Moderne ....148Gilles Marmasse, Paris Geist, Natur und Natrlichkeit bei Hegel........................154Leo eerko, Ljubljana Leben, Freiheit und Vernunft im Geist der Zeit. Unterwerfung der Natur unter die Willkrder menschlichen Bedrfnisse.............................159Hegels Auseinandersetzung mit Vorgngern und ZeitgenossenJens Halfwassen, Heidelberg Hegel und Plotin ber Selbsterkenntnis und Denken seiner selbst:Zur Bedeutung des Neuplatonismus fr Hegels Begriff des Geistes............165Andreas Hetzel, Darmstadt Gnade und Gesetz. Paulinische Motive in Hegels Geist-Begriff ..............174Ovunc Cengiz & Emre Ebeturk, Ankara Actualization of Spirit as Self-Conciousness through Life................179Valentin Kanawrow, Sofa Der Geist als Ontologem der Epoche der Aufklrung ..................184Eyp Ali Klaslan, AnkaraIs Hegels Concept of Geist Kants Transcendental Ego? A Reply to Hegels Kantianization.1937 InhaltShin-Hann Choi, Taejon Hegel und Jacobi zum Gewissen oder: Geist als Intersubjektivitt .............199Jendris Alwast, Bissee So schaff ich am sausenden Webstuhl der Zeit das Drama des Geistes inGoethes Faust ...................................207Michael N. Forster, Chicago Ursprung und Wesen des Hegelschen Geistbegriffs...................213Andreas Herberg-Rothe, Fulda Die Absolutheit des anderen Werden. Mit Hegel gegen Hegel denken ..........230Wirkungen und PerspektivenMaxim Djomin, St. Petersburg Geist zwischen Naturwissenschaft und Idealismus: Trendelenburgs Seelenlehre......249Liesbet Samyn, Leuven Yearning for the Grave. The Unhappy Consciousness in Hegels Phenomenology of Spiritand in Kierkegaards Aesthetic Stage of Either/Or I...................255Toru Ikeda, Chiba Wesenslogik bei Hegel und Marx ............................262Kyoung Soo Kim, Seoul Geist und kritisches Potenzial der Wirklichkeit. Die marxistische Kritik am Geist undan der Spekulation Hegels...............................270Rainer Adolphi, Berlin Von der Lebensphilosophie zurck zum transzendentalen Idealismus.Eine fundamentalanthropologische Perspektive auf den Theoriebegriffdes Lebens beim spteren Fichte...........................277Andrzej Przylebski, Poznan Hegel und die Lebensphilosophie des 20. Jahrhunderts ..................292Niall Keane, Leuven Getting One Over On Hegel: Heidegger and the Nature of Overcoming..........299Liesbet Vanhaute, Antwerpen Hegel and Heidegger on True Art and the Truth of Art..................305Anselm Model, Freiburg im Breisgau Entmachtung des Geistes und anderer Anfang. Zum Hegelverhltnis Martin Heideggers..311Hans-Christoph Rauh, Berlin Zum ontologischen Hintergrund von Geist bei Hegel und dessen entsprechendeWiederaufnahme durch die neuere Ontologie bei Nicolai Hartmann, Gnther Jacobyund Georg Lukcs ...................................316Eduardo lvarez, Madrid Intersubjektivitt und Geist: Ein Kommentar ber Hegel und Husserl...........322Albrecht Kiel, Konstanz Der Stellenwert des subjektiven und objektiven Geistes in der Logik von Karl Jaspers...3278 hegel-Jahrbuch 2011Myriam-Sonja Hantke, Kln Das geistige Urteil des urteilenden Geistes Tanabe Hajime Zu HegelsLehre vom Urteil (1931) ...............................332Attila Szombath, Piliscsaba Die Wirklichkeit des Geistes bei Hegel und Bla Weissmahr...............338Gerhard Kuebart, Lemgo Zu Hegels Begriff des Geistes im Verstndnis Theodor Litts...............344Christoph J. Bauer, Bochum Der Zusammenhang von Ethik und Ontologie. Herbert Marcuses Rezeption derHegelschen Begriffslogik...............................348Hans-Georg Bensch, Hannover Hegels Geist und Kultur (-Kritik) bei Adorno......................354Ingo von der Heyde, Berlin Zur Objektivitt des Geistes: Hegel und Adorno.....................359Stephane Symons, Leuven Art as Propaideia to Philosophy or Philosophy as a continuous confrontation with thequestion of representation: Hegel and Benjamin on Art.................366Andrzej Przylebski, Poznan Die Hegelsche Lehre vom Geist im Lichte der Hermeneutik Gadamers..........371Holden Kelm, Berlin Geist und Historizitt des Wissens in Hegels Phnomenologie und Foucaults Archologie.378Stefan Gro, Jena Deleuzes Hegel-Kritik.................................384Ulrich Fritz Wodarzik, Lampertheim Zur Bedeutung des Geistbegriffs: Hegels Triplizitt des Geistes und die Gnther-Logik..392Elena Ficara, Berlin Metaphysik in der zeitgenssischen Hegel-Rezeption..................400Christian Martin, Mnchen Anomaler Monismus bei Hegel und Davidson ......................406Rainer Schfer, Heidelberg Anomalie und Dialektik des Geistes Offenheiten in der Philosophie des Geistesbei Davidson.....................................412Taiju Okochi, Tokyo Krieg und internationale Anerkennung. Hegel und Rawls zum Vlkerrecht........421Tatjana Schnwlder-Kuntze, Mnchen Geist-Revitalisierungen in Theorien der Gegenwart?..................427XXVII. InternatIonaler Hegel-KongressleuVen 2008geIst?ZweIter teIlWalter Jaeschke, BochumDer Geist unD seine WissenschaftenI. Die Einfhrung des Geistbegriffs(1)DerBegriffdesGeistesisteinnicht-metaphysischerBegriff.DiesmagaufdenerstenBlick wenig plausibel erscheinen. Es gibt ja wenige Begriffe, die in einem vergleichbaren Ausma me-taphysischundtheologischkonnotiert,jageradezudurchtrnktsindwiederBegriffdesGeistes. DarinliegtdieQuelleteilsseiner Attraktivitt,teilsseinerPerhorreszierung undvorallem:die Quelle seines Miverstndnisses. Die Bandbreite der Bedeutung des Wortes reicht ja vom Heili-gen Geist, der Einkehr in uns halten soll, bis zu den unreinen Geistern, die aus uns auszutreiben sind; sie reicht vom Geist als einer hchsten metaphysischen Entitt bis zum Geist, der in einem Witz aufblitzt, und von dem Geist, der Tische und Sthle bewegt, bis zu demjenigen Geist, der, auf Flaschen gezogen, auf diesen Tischen steht. Er umfat mind und spirit, nous und pneuma. Vor allem scheint er weitgehend entzauberungsresistent. Wo er aus der vom Licht der Aufklrung durchfuteten, entzauberten Welt vertrieben wird, nistet er sich umgehend in den verbliebenen dunk-len Nischen ein. Deshalb ist der Spiritismus ein Komplement des Positivismus, und deshalb ist er nie so einfureich gewesen wie im Zeitalter des militanten weltanschaulichen Positivismus und hnliches gilt ja heute fr Esoterik aller Art.Diese ungeklrte und oft auch dubiose Situation macht es verstndlich, da das Wort Geist sich inheutigenDiskursenkeinersonderlichenBeliebtheiterfreut unddamanvonGeistfastnur noch dort ohne einen Anfug von Schamesrte spricht, wo von Philosophie des Geistes im Sinne einer philosophy of mind die Rede ist. Doch eine solche Unbefangenheit ist nicht weniger auch dort angebracht, wo unter Geist zwar etwas sehr viel Irdischeres gedacht wird als in weiten Teilen der TraditionodergarinderengegenwrtigenZerrbildern,aberdochnocherheblichmehralsin der erschreckend abgemagerten Form der philosophy of mind. Hegel hat dazu einen hchst dis-kutablen Ansatz unterbreitet. Sein Geist schwebt nicht ber den Wassern, und er tropft auch nicht in Gestalt von Feuerzungen hernieder auf die, die da an ihn glauben. Gleichwohl ist er die hchste Gestalt der Wirklichkeit, ja das Absolute wenn es denn berhaupt um den Namen des Absoluten zu tun wre. (2) Auch Hegel ist sich nicht stets darber im klaren gewesen, da dem Begriff des Geistes diese zentrale Rolle zukomme. Selbst in seiner frhesten Geistesphilosophie hat der Begriff des Geistes nochnichtdiezentralesystematischeFunktion unddiesistvonderdamaligenphilosophischen Terminologie her auch plausibel. Ich mchte hier keine berlegungen anstellen, wieweit im allge-meinenSprachgebrauchderZeitHegels Anhaltspunktefrseine Wahldes WortesGeistliegen. Fr die zeitgenssische Philosophie jedenfalls ist Geist kein tragender Begriff. Dies gilt fr den transzendentalenIdealismusberhaupt,frKantwiefrFichteunddenfrhenSchelling und dieGrndedafrsindleichteinzusehen.Damalswirdjaersteinedeutschsprachigephilosophi-scheTerminologieausgebildet;selbstdasWortSelbstbewutseinistdamalserstimDeutschen eingebrgertworden.DaslateinischequivalentfrGeist spiritus hatsichjedochwegen 12 heGel-Jahrbuch 2011seinereindeutigtheologischenFixierungnichtzurBezeichnungdersehrskularen,sptergei-stig genannten Phnomene geeignet. Die deutsche Sprache kennt glcklicher Weise! die przise Differenz zwischen einem profanen und einem religisen Sprachgebrauch, wenn auch nicht beim SubstantivGeist,sodochbeidenverwandtenWortbildungen:Geistigiststriktunterschieden von geistlich, und Geistigkeit ist bekanntlich etwas anderes als Geistlichkeit. Und deshalb ist auch Geistesphilosophie eben nicht philosophia spiritus dies wre vllig abwegig. Auch der in der Aufklrung begegnende Versuch, hinter das theologisch besetzte Wort spiritus auf das grie-chische Pendant pneuma zurckzugreifen und die Geisteslehre unter den Titel Pneumatologie zu stellen, bietet keinen Ausweg, da pneuma kaum weniger theologisch besetzt ist als spiritus; pneuma ist vorzugsweise pneuma hagion, heiliger Geist und vor allem: Mit dem Wort Pneu-ma verbinden sich gerade nicht diejenigen Konnotationen, die Hegel bei Geist im Blick hat. Diese Konnotationensindvielmehr mitNousundNoesisverknpft undsohat Hegelsich zur Be-zeichnung seiner Geistesphilosophie des Wortes Pneumatologie mit gutem Grund ebenfalls nicht bedient. Allerdings ist auch die von ihm statt dessen gewhlte Ankndigung seiner Jenaer Vorlesung ber Geistesphilosophie als philosophia mentis damals unverstndlich: einmal wird seine latei-nische Ankndigung im deutschen Vorlesungsverzeichnis als Seelenlehre wiedergegeben und ein anderes Mal als Philosophie des Verstandes was von der Wortbedeutung her zwar nicht unplau-sibel ist, aber das von Hegel Intendierte verfehlt und deshalb von ihm korrigiert wird.1 Diese Not, das richtige sprachliche quivalent zu fnden, bildet somit ein Indiz gleichermaen fr die Distanz des Hegelschen Geistbegriffs gegenber einem theologischen Geistbegriff wie fr die Neuartigkeit seiner Begriffsbildung. Der Geist, in dem Hegels System kulminiert, ist nicht spi-ritus, sondern vom Ansatz her eher mens deshalb bersetzt Hegel ja auch Phnomenologie des Geistes durch phaenomenologia mentis. Dennoch wird Hegel auch mens nur nolens volens als lateinisches Pendant fr Geist gewhlt haben. Er htte die bersetzung von philosophia men-tis durch Philosophie des Verstandes ja nicht korrigiert, wenn ihm nicht bewut gewesen wre, daauchmenskeinwirklichesquivalentfrGeist,sondernnur gegenberspiritus das kleinere bel ist. Seine Geistesphilosophie ist ja weit mehr als eine Philosophie des menschlichen Verstandes nmlich etwas, was es damals gar nicht gibt und dessen Form und Gehalt Hegel erst erarbeiten mu.(3)FrdieKonzeptioneinerderartigenGeistesphilosophiemssen zumindest zweiBedin-gungen erfllt sein: zum einen die Depotenzierung des Begriffs der Seele. Unter der Dominanz des Seelenbegriffs hat eine Geistesphilosophie keinen systematischen Ort im System der Wissen-schaften,undinsbesonderedannnicht,wenneineempirischePsychologiedurcheinerationa-lePsychologiekomplementiertundberhhtwird wiediesinderEpochedervorkantischen Metaphysik blich gewesen ist. In diesem systematischen Rahmen mag zwar in der empirischen Psychologie auch von der mens humana die Rede sein doch bestimmt dann der Seelenbegriff die Abgrenzung und inhaltliche Ausrichtung dieser Disziplin. Ein Indiz fr die Unvertrglichkeit des Seelenbegriffs in seiner damaligen Prgung! mit dem Geistbegriff bildet etwa gleichzeitig mit Hegels Ausarbeitung der Geistesphilosophie die Aufwertung des Seelenbegriffs im Kontext des sogenannten bergangs von der Philosophie zur Nichtphilosophie, also zu einer theologisch ver-standenen Nichtphilosophie, zur Religion bei Carl August Eschenmayer und in der Folge in Schel-lings Stuttgarter Privatvorlesungen.2 Hier wird die Seele gedacht als ein Vermgen, das ber der Vernunft liegt als die Potenz des Seligen als das Unsterbliche, als das, worin die Verbindung 1Walter Jaeschke: Hegel-Handbuch. Leben Werk Schule. Stuttgart 2003, Sp. 161b.Carl August Eschenmayer: Die Philosophie im Uebergang zur Nichtphilosophie (1803). In: Religionsphi-losophie und spekulative Theologie. Der Streit um die Gttlichen Dinge (17991812). Hrsg. von Walter Jaeschke. Hamburg 1994, 5599 (= Philosophisch-literarische Streitsachen, Bd. 3/1); Friedrich Wilhelm 13 Walter Jaeschke, Der Geist unD seine Wissenschaftendes Menschen und Gottes liegt. Und diese Aufwertung des Seelenbegriffs erfolgt auch ausdrcklich inkritischerStorichtunggegenKantsMetaphysikkritikundimInteressederRepristinationder Themen der vorkantischen Metaphysik und unter vlligem Ignorieren des Geistbegriffs.Eine zweite Bedingung fr Hegels Rede vom Geist liegt in der Abkoppelung des Geistbegriffs vonseinerPrgungdurchdietheologischeTradition.GeistwirderstdortzueinemLeitbegriff derPhilosophie,woeinehinreichendgroe,jedeVerwechselungausschlieendeDistanzzuden traditionellen Begriffen anima und spiritus etabliert ist dies habe ich vorhin schon angedeu-tet. Da das Wort Geist jedoch seine theologischen Konnotationen nicht vllig verliert, fndet diese Distanz des menschlichen und des gttlichen Geistes einen sprachlichen Ausdruck in der Differenz der Adjektive: Der Bereich des gttlichen Geistes ist der Bereich des Geistlichen, des Spirituellen; dieSeitedesmenschlichenGeisteshingegen oderdesGeistesschlechthin bildetderBereich des Geistigen. In dieser Differenz der Adjektive zeigt sich die Tendenz zu einer skularen Fassung des Geistbegriffs. Und erst mit der Ausbildung dieses Begriffs des Geistigen wird diejenige Welt, diedernatrlichen Weltentgegengesetztist,zurgeistigen Welt;zuvorwarsiediemoralische Welt imweitenSinnedesMoralischenalsdesGegenbegriffszumnatrlichen,alsoimtra-ditionellen Sinne des moralischen Seins, des esse morale. Freilich verschwindet die Rede vom esse morale im 18. Jahrhundert nicht deshalb, weil Hegel spter einen neuen Begriff des Geistigen einfhrt, sondern weil die Geltung dieses Begriffs durch Christian Thomasius Naturalisierung oh-nehin untergraben ist und zudem der starke und enge Moralbegriff Kants keinen weiten Begriff eines esse morale neben sich duldet.(4) Erst wenn diese beiden Bedingungen erfllt sind, kann der Begriff des Geistes die neue, ebenso zentralewieweitgespannteFunktionbernehmen,dieHegelihminseinemSystemzuweist.Fr ihn ist Geist und zunchst auch nur der subjektive Geist ein Einheitsbegriff: der Begriff, in demerdieEinheitderjenigenVermgendenkt,diedamalsvoneinandergetrenntthematisiert worden sind: Intelligenz, Wille, Bewutsein, Selbstbewutsein, dann auch Seelisches, Gefhl. Und hierzu zhlen keineswegs nur solche Vermgen, die zunchst noch, Schellingianisch ausgedrckt, unter dem Titel theoretische Potenz stehen, sondern auch die Seite der praktischen Potenz und sogar noch was zunchst aus dem Rahmen zu fallen scheint die Potenz des Besitzes, und der Familie. Es ist, denke ich, fr die Philosophie ein wichtiger Schritt, da Hegel all diese Verm-gen eben, wie wir heute zu sagen pfegen: diese geistigen Vermgen unter diesen neuen Titel Geist stellt, und es ist zugleich ein Schritt, der erhebliche Auswirkung auf die deutsche Sprache und unser Denken und auf die duale Struktur des Wissenschaftssystems gehabt hat. Um sich dieser Neuartigkeit zu vergewissern, braucht man Hegels Rede vom Geist nur einmal mitzeitgenssischenAnstzenzuvergleichen wobeiesnatrlichnichtdarumgehenkann,ob das WortGeistvorkommt,sondernobesthematisch,alstragenderBegriffvorkommt.InKants Anthropologie in pragmatischer Hinsicht etwa ist vom Erkenntnivermgen die Rede, vom Be-wutsein,vonderSinnlichkeit,vonderEinbildungskraft,vomGefhlderLustundUnlust,vom BegehrungsvermgenundvielenanderenVermgenundUnvermgen nurvoneinemistnicht die Rede: vom Geist. Und ein Vergleich des Hegelschen Ansatzes mit dem anderer zeitgenssischer Denker fhrt zum selben Ergebnis. Fichte etwa spricht zwar davon, da er in seinen Vorlesungen denmenschlichenGeistvollstndigausgemessenhabe,oderersprichtvonderHandlungsart des menschlichen Geistes doch genau an dieser Stelle ersetzt er in der zweiten Aufage das Wort Geist durch Intelligenz,3 also durch den Begriff, der auch in Schellings System des transscen-Joseph Schelling: Stuttgarter Privatvorlesungen (1810). In: Schelling: Smmtliche Werke. Hrsg. von K. F. A. Schelling. Abt. I, Bd. 7. Stuttgart und Augsburg 1860, 454473.3Johann Gottlieb Fichte: Ueber die Wrde des Menschen, Beym Schlusse seiner philosophischen Vorle-sungen gesprochen (1794); ders.: Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre als Handschrift fr seine 14 heGel-Jahrbuch 2011dentalen Idealismus dominiert, in dem man das Wort Geist sehr mhsam suchen mu. Hegel hin-gegen beschreibt in Jena den umgekehrten Weg: Er beginnt mit einer Philosophie der Intelligenz und entwickelt sie in den folgenden Entwrfen weiter zur Philosophie des Geistes; er macht gleichsam ernst mit der Rede vom menschlichen Geist und entfaltet das System des menschlichen Geistes in einer Geistesphilosophie. Mit dem Wort Geist fhrt Hegel aber nicht etwa nur einen neuen NamenfreinealtbekannteSacheein.SieerscheintineinemneuenLicht,undindiesemneuen Licht zeigt sich eine vllig neue Gestalt und diese neue Gestalt mchte ich nun, im zweiten Teil meiner berlegungen, in dreifacher Hinsicht charakterisieren.II. Drei Strukturmerkmale des Geistes(1) Der Begriff des Geistes verstanden zunchst als der Begriff des subjektiven Geistes, wie He-gel ihn spter nennen wird ist der Begriff einer in sich differenzierten Einheit: Es ist Ein Geist, der anschaut, fhlt, erkennt, will, sich seiner bewut ist und vieles andere mehr. Damit ist die Differenz vontheoretischerundpraktischerPhilosophieschonim Ansatzberbrckt,unddies wegender greren Reichweite des Geistbegriffs mit erheblich greren Folgen als durch Kants Verklam-merung des theoretischen und des praktischen Gebrauchs der Vernunft. Der Umfang des Begriffs des Geistes ist bestimmt durch dessen Entgegensetzung gegen die Natur. Sie erfolgt aber nun in der Form nicht mehr eines Cartesianischen ontologischen Dualismus, sondern eines in sich differenzier-ten Monismus. Schon die frhesten Fragmente von Hegels Jenaer Systementwrfen enthalten hierzu erstaunliche, sehr weitgehende Aussagen. Schon in einem Fragment aus dem Jahr 1803 heit es, die Natur sei das Andersseyn des Geistes und weiter: der Geist ist frey, indem er das leere wird, das die ganze Natur gegen sich hat, und er ist lebendig, indem er dieses Ganze als ihm selbst gleich setzt. Geist ist nicht ein Sein, sondern ein Gewordensein, Ttigkeit, Erkenntnis der Natur als sei-nes Anderen und eben darin Aufheben seines Anderen, Befreiung seiner selbst, Rckkehr zu sich, BeisichseinundSichselbstgleichheit.4DochtrotzsolchererhellenderVorgriffehatHegelnicht allein die Jenaer Jahre, sondern noch rund zwei weitere Jahrzehnte zur systematischen Ausbildung der Geistesphilosophie bentigt. (2)Ichmchtemichheuteabernichtdemebenberhrten,sehrwichtigenThemadiesesinsich differenziertenMonismuszuwenden,sondernimInteressemeines ThemaszweiandereSpezifka des Begriffs des Geistes hervorheben. Das erste ist eben schon angeklungen: der Selbstbezug des Geistes. Geist ist immer zu denken als ein Frsichsein. Alles Geistige bezieht sich stets auf sich selbst freilich nicht so, da dadurch der Bezug auf Anderes ausgeschlossen wre, vielmehr so, da der Bezug auf Anderes stets einen Selbstbezug in sich schliet. Der Geist erkennt nicht in einer blo objektivistischen, eindimensionalen Bewegung die Natur, sondern seine Gegenstandserkenntnis ist immer zugleich Selbsterkenntnis; er wei nicht nur vom Gegenstand, sondern im Wissen des Gegen-standes wei er auch von sich und dies auch dort, wo er davon kein explizites Wissen hat. Oder, wieesschonindemebenzitiertenfrhenFragmentheit:DasLebendesGeistesbestehtdarin, da er di Universum als sich selbst erkennt und dies nicht etwa im Sinne eines metaphysischen Spiritualismus, fr den alles nur Geist ist, sondern weil der Geist in der Erkenntnis seines Anderen immer zugleich sich selbst erkennt.Zuhrer (1794/95); ders.: Ueber den Begriff der Wissenschaftslehre oder der sogenannten Philosophie, als Einladungsschrift zu seinen Vorlesungen ber diese Wissenschaft (1794). In: Fichte: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abt. I, Bd. 2. 89 bzw. 272 bzw. 143.4Jaeschke: Hegel-Handbuch, Sp. 158b.15 Walter Jaeschke, Der Geist unD seine WissenschaftenFr den transzendentalen Idealismus ist im Selbstbewutsein und allein in ihm diese Sub-jekt-Objekt-Identitt wirklich: Wissendes und Gewutes sind eins. Doch im Selbstbewutsein sind die beiden Relate, das wissende und das gewute Ich, nicht real different, sondern nur begriffich zu unterscheiden. Hegel hingegen begreift Selbstbewutsein ebensowenig wie Kant nach dem Mo-dell eines solchen internen Selbstbezugs der Refexion, und es lt sich so auch nicht denken. Aber eben diese vermeintlich am Selbstbewutsein abgelesene refexive Struktur lst Hegel vom einzel-nen Selbstbewutsein ab, weil er im Begriff des Geistes ihren eigentlichen, von der Transzendental-philosophie verfehlten Ort erkennt: Geist ist Sichwissen im Anderen seiner selbst. Hier, im Geist, sind die im Selbstbewutsein nur vermeintlich unterschiedenen Relate wirklich unterschieden, und whrenddieRelationimBegriffdesSelbstbewutseinsnotwendigleerbleibt,wirdderwissende Selbstbezug hier als Spezifkum von Prozessen des realen Geistes gedacht als mit Realitt gest-tigtes Sichwissen im Anderen. Diese selbstbezgliche Verfassung des Geistes ist rudimentr und implizit schon in der vermeint-lich blo objektiven Gegenstandserkenntnis wirklich und sogar in doppelter Weise: Zum einen ist der gewute Gegenstand immer ein gewuter Gegenstand, und so wei der Geist sich in ihm, selbst wenn der Gegenstand dem Reich der Natur angehrt. Denn das, was der Geist wei, ist eben dadurch immer auch ein Geistiges, dem Geist Verwandtes und Anverwandeltes sonst knnte es gar nicht gewut werden. Zum anderen ist alles Bewutsein refexiv in dem Sinne, da ein Gegenstand nicht lediglich bewut, sondern mir bewut ist und im Zuge der Exposition der einzelnen Formen auch nur des subjektiven Geistes tritt der wissende Selbstbezug des Geistes zunehmend deutlicher hervor, beginnend vom Selbstgefhl der Seele bis hin zum Willen, der sich selber, seine Frei-heit will. (3) Mit diesen knappen Bemerkungen zur selbstbezglichen Verfassung der Gestalten des subjekti-ven Geistes ist jedoch das zweite und entscheidende Spezifkum des Selbstbezugs des Geistes noch nicht berhrt. Der Selbstbezug fndet seine fr den Begriff des Geistes charakteristische Gestalt ja erst dort, wo er ber solche interne Refexivitt des subjektiven Geistes hinausgeht zur Objektivie-rung des Geistes durch den Willen, also zur Form der Realitt als einer von ihm hervorzubringen-den und hervorgebrachten Welt, in welcher die Freiheit als vorhandene Nothwendigkeit ist, objec-tiver Geist. Hegel schreibt dem Geist ja nicht nur die Verfassung der internen Selbstbezglichkeit zu und auch dies wre schon ein beraus wichtiger Schritt! , sondern das zweite Spezifkum des Geistes ist seine Objektivation oder Manifestation und alle Objektivation des Geistes ist notwen-dig Objektivation seiner selbst, Selbstvergegenstndlichung. Geist bezieht sich also nicht allein im Gefhl oder im Erkennen und Wollen eines vorgefundenen Anderen auf sich, sondern Geist schafft aus sich selber eine Gestalt der Wirklichkeit, eine geistige Welt, zu der er sich ins Verhltnis setzt und in der er sich auf sich bezieht und sich wei.Diese Manifestation ist somit die Voraussetzung fr die hherstufgen Formen der Selbstbezie-hung des Geistes. In seiner Objektivation setzt der Geist sich die Bedingung seiner Beziehung auf sich selbst voraus, und zwar auf einer hheren Ebene als im Selbstverhltnis des blo subjektiven Geistes. Die Objektivierung des Geistes ist das Hervorbringen seiner selbst als einer Welt, der Welt des objektiv gewordenen, objectiven Geistes, und damit zugleich die Grundlage seiner Selbstbe-ziehung in dieser Welt. Und diese Objektivierung des Geistes umfat keineswegs blo seine Selbst-objektivierung zum objektiven Geist; sie umfat ebenso seine Objektivierung zur Welt des abso-luten Geistes, in der einerseits seine Realitt als Wissen des Geistes von sich selbst zu begreifen ist und andererseits der Gegenstand des Wissens nichts anderes als der Begriff des Geistes ist in der er somit in an und fr sich seyender und ewig sich hervorbringender Einheit der Objectivitt des Geistes und seiner Idealitt oder seines Begriffs steht: der Geist in seiner absoluten Wahrheit (3 385).16 heGel-Jahrbuch 2011Dies mag sich mystisch oder mythisch anhren und es ist doch das gerade Gegenteil davon. Es ist Hegels Einsicht und Hegels groe Einsicht! , da der gesamte Bau der geistigen Welt aus dem subjektiven Geist hervorgegangen ist oder aus dem Innersten, aus der Freiheit, wie er einmal formuliert.5 Die geistige Welt ist ja weder der Erde entsprossen, noch ist sie vom Himmel gefallen. Alles Reale,6 was nicht ein Natrliches ist, ist ein Geistiges, vom Geist Produziertes; oft genug ist auch das vermeintlich Natrliche ein vom Geist im Interesse seiner Selbstbeziehung verwandeltes Natrliches unddiesevomGeistproduzierteundvonihmerkannte Weltwchstgleichsammit jedem Tag sprunghaft an. Hegels Rede vom objektiven Geist lt sich somit nach zwei Richtun-genauslegen sowohlalsDistanzierungeinereigenstndigenSphregegenberderjenigendes subjektiven Geistes, aber ebensosehr als Rckbindung dieser objektiven Sphre an den sie produ-zierenden subjektiven Geist. Die in sich differenzierte Zusammengehrigkeit dieser beiden Sphren oder Welten ist nirgends treffender ausgesprochen als im Begriff der Objektivation des subjektiven Geistes.(4) Man mag versuchen, sich ber diese Einsicht leichtfig mit der Bemerkung hinwegsetzen, da dies alles schlielich ohnehin klar sei und keiner langatmigen Errterung bedrfe. Doch so selbst-verstndlich ist es nun auch wieder nicht. Hegels Einsicht ist wiederum an historische Bedingungen geknpft,undsieverndertdiesehistorischenBedingungen.ZuseinerZeitgaltdie Weltjenseits der ueren Natur keineswegs allgemein als ein Produkt des menschlichen Geistes, und ebenso-wenig galt das Geistige in der Welt als aus dem subjektiven Geiste hervorgegangen. Die von Hegel objektiver Geist genannte Welt galt vielmehr bis in seine Zeit (und auch noch erheblich lnger) als eine von Gott eingerichtete und durch das von ihm gegebene natrliche Gesetz durchherrschte Welt und eine solche Welt ist gerade nicht eine Welt des objektiven Geistes sie ist nicht Geist vom Geiste des Menschen. Das natrliche Gesetz ist nicht als eine Objektivation des freien Wil-lensgedacht,sondernalseinGesetz,demdieser Willeschlechthinunterworfenist.Die Weltdes objektiven Geistes hingegen ist weder eine natrliche noch eine von Gott eingerichtete Welt sie ist eine vom Geist, nher vom Willen hervorgebrachte Welt. Und zum anderen habe ich gesagt gilt das, was zu Hegels Zeit als Geist bezeichnet wird, keineswegs als Manifestation des subjektiven Geistes. Hierber kann man sich wiederum von Schel-ling belehren lassen: Charakteristisch fr diese Zeit ist vielmehr die Rede nicht von einer Geistes-welt, sondern von einer Geisterwelt nicht von der Welt des Geistes, sondern von der Welt der Geister. Und diese Rede ist ganz wrtlich zu nehmen: Die Geisterwelt ist fr Schelling die Welt der reinen aus Gottes Gemt geschaffenen Geister; sie sind die ursprnglichen Einwohner der Geisterwelt, und nach dem Tode sei der Mensch nicht der Geist, sondern ein Geist, also nicht etwa ein lufthnliches Wesen oder gar pures, lauteres Denken, sondern ein hchst-wirklicher, ja weit krftiger und also auch wirklicher als hier. Geist ist hier also gedacht als eine substanz-hafte und der menschlichen Wirklichkeit berlegene Form.7 Doch mit solchen Geistern macht He-gels Geist sich nicht gemein und deshalb sollte man sich von ihnen auch nicht bei einer sinnvollen Rede vom Geist stren lassen.Ichdenke,diesebeidenBeispielesindgeeignet,diegedanklicheLeistungHegelszuveran-schaulichen seine Abstoungvonderartigen,berJahrtausendetradierten Annahmenundseine Insistenz auf dem Zusammenhang des subjektiven und objektiven, des produzierenden und des pro-5Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Vorlesungen ber die Philosophie des Rechts. Hrsg. von K. H. Ilting, Bd. 4. Stuttgart Bad Cannstatt 1974, 95.Ich whle diese an Hegels Realphilosophie erinnernde Formulierung, um den schwierigen Sonderstatus des Logischen hier auszuklammern; es ist weder ein Natrliches noch ein vom Geist Produziertes, son-dern dem Geist Immanentes, ihm zu Grunde Liegendes.7Schelling, Stuttgarter Privatvorlesungen, 477, 480.17 Walter Jaeschke, Der Geist unD seine WissenschaftenduziertenGeistes. AlleinderBegriffdesGeisteserlaubt,diesubjektiveSeitederProduktionund die objektive Seite des Produzierten als Einheit zu erfassen. Diese Einheit lt sich, wenn ich recht sehe, mit keinem anderen Begriff denken, und deshalb ist sie ja auch vor Hegel nicht gedacht wor-den. Subjektiver Geist objektiviert sich, und objektiver Geist ist nichts anderes als die Objektivation des subjektiven. Da es sich bei dieser Manifestation nicht um die Manifestation des Geistes des einzelnen Subjekts, sondern des bereits zu Formen von Intersubjektivitt, etwa zur Geistigkeit eines Volkes konkreszierten subjektiven Geistes handelt, mu sicherlich nicht eigens hervorgehoben wer-den und ebensowenig, da diesen Formen auf Grund von Hegels Theorem des rckwrts gehenden Begrndens eine hhere Dignitt und Wahrheit zukommt als dem Geist des einzelnen Subjekts. Aber auch diese Formen basieren auf dem subjektiven Geist; sie sind seine Manifestationen.Dieses Objektivationsverhltnis gilt ebenso fr den absoluten Geist. Die Werke der Kunst sind ja nichts anderes als in exemplarischer Weise objektivierter Geist und Gleiches gilt fr die Religi-on: Das von ihr Vorgestellte ist ja nichts Natrliches, sondern ein vom subjektiven Geist Entworfe-nes, seine Manifestation. Der Unterschied zwischen den Objektivationen im Bereich des objektiven und des absoluten Geistes besteht einzig darin, da die letzteren solche Formen der Vergegenstnd-lichungdesGeistessind,dieausschlielichderSelbsterkenntnisdesGeistesdienenunddaneben keine andere Funktion haben, etwa die Organisation des menschlichen Zusammenlebens. Diesem spezifschen Unterschied scheint mir Hegels Unterscheidung zwischen dem objektiven und dem absoluten Geist besser gerecht zu werden als Nicolai Hartmanns Versuch der Ersetzung des ab-soluten Geistes durch den objektivierten Geist. Denn auch der objektive ist ja objektivierter Geist, und absolut ist der objektivierte Geist eben dadurch, da es ihm rein um die Erkenntnis seiner selbst zu tun ist.III. Die Wissenschaften des Geistes(1)DieserZusammenhangvonObjektivationundSelbsterkenntnisbezeichnetgleichsamdasin-nerste Leben des Geistes nicht des Geistes als einer mythischen Instanz, sondern des subjektiven Geistes in seiner Entuerung zum objektiven und seiner Erkenntnis im absoluten Geist also das innerste Leben des Geistes, auf den wir doch alle und wohl nicht zu Unrecht Anspruch ma-chen.RudimentreFormenderSelbsterkenntnisdesGeistesbestehenauchunabhngigvom Akt derSelbstobjektivationdesGeistes alsoetwainderNaturerkenntnis.Fraglosgibtesauchhier einen Selbstbezug des Geistes nmlich als Selbstbezug des erkennenden Subjekts in der von ihm selber geleisteten Gegenstandskonstitution, in der Begriffichkeit der Wissenschaftssprache und in der Methodologie, durch die der Gegenstand begriffen und von der er geformt wird. Es gibt aber kei-nen bewuten Selbstbezug im Gegenstand; dieser bleibt mit Hegel gesprochen das Andere des Geistes; er wird nicht in das Selbstverhltnis des auf geistige Objekte gerichteten Erkenntnissub-jekts hineingenommen. Doch die entwickelte Selbsterkenntnis des Geistes setzt die Geistigkeit des erkannten Gegenstandes und damit die vermittelnde Instanz seiner Selbstobjektivation voraus nur in ihr kann sich der Geist adquat erkennen. Und whrend im Bereich des objektiven Geistes das Moment der Selbsterkenntnis hinter dem der Objektivation zurcktritt, gleichsam nur unthematisch mitschwingt, stehen beide Momente im absoluten Geist in Einheit wenn auch erst nur an sich, dem Begriff nach.(2) Dem Begriff nach sind die Gestalten des absoluten Geistes Gestalten des sich objektivierenden undsichinseinenObjektivationenwissendenGeistes.DasKunstwerketwaistEinheitvonOb-jektivationundSelbsterkenntnisdesGeistes dochumesalssolchezuerfassen,bedarfeseines vermittelnden Wissens. Denn das ursprngliche Sichwissen des Geistes im Kunstwerk ist zunchst begrenzt esistdasWissendesKnstlersunddasWissen,daserinseinWerklegt.Dochdas 18 heGel-Jahrbuch 2011subjektive Wissen des Knstlers, auch wo es einen hohen Grad von Refektiertheit erreicht, ist un-ausweichlicheinvorbergehendes Wissen,esbedarfder Verstetigung;unddasvomKnstlerins Werk gelegte Wissen ist zum groen Teil ein implizites Wissen. Zur vollstndigen und dauerhaften Selbsterkenntnis des Geistes bedarf es also der sekundren Explikation dieses Wissens und diese vollzieht sich im Medium der wissenschaftlichen Erkenntnis. Sie verndert zwar nicht primr das Kunstwerk als eine Objektivation des Geistes, doch verndert sie das durch das Kunstwerk reprsen-tierte Sichwissen des Geistes und oft genug auch das Kunstwerk selber. Durch diese Ttigkeiten wird die wissenschaftliche Explikation zum integralen Moment dieses Sichwissens des Geistes. Ihr fllt zwar nicht zwingend, aber hufg bereits die Prsentation des Kunstwerks zu zumindest einewichtigeRollebeiseinerPrsentationfrdieallgemeineRezeption.Ichvermagnichtabzu-schtzen,inwelchemUmfangdieKenntnisvonKunstunddiePartizipationanihrsicherstder wissenschaftlichen Explikation verdankt doch scheint mir nicht fraglich, da ihr ein erheblicher und zunehmend wachsender Stellenwert zukommt. In die wissenschaftliche Explikation fllt so-dann die Selektion, die sonst ja oft dem Zufall der berlieferung berlassen bleibt. Die eigentliche Domne der wissenschaftlichen Explikation aber ist fraglos die Interpretation; insbesondere hier-durch fllt ihr ein entscheidender Anteil an der Formung des Sichwissens des Geistes zu. FrdiezweiteGestaltdesabsolutenGeistes,frdieReligion,scheintsichdieAufgabeder wissenschaftlichenExplikationnichtingleicherWeisezustellen,wegender vermeintlichen UnmittelbarkeitundWissenschaftsfernedesreligisenVerhltnisses.Dochtrotzdervernderten Konstellation fllt auch hier der wissenschaftlichen Explikation eine nicht minder konstitutive Rolle zu sie wird nur in anderer Form oder vielmehr in zwei sehr unterschiedlichen Formen wahrgenom-men. Zum einen und vor allem fllt sie im Umkreis der christlichen Religion traditionell der Theologie zu: Das Sichwissen des Geistes in der Religion ist ja alles andere als unmittelbar. Fraglos ist es durch die religisen Texte geprgt, aber selbst sie haben schon einen protowissenschaftlichen Selektionsgangdurchlaufen,unddiefreineReligionwiediechristlicheentscheidendwichtige historisch-philologische Erschlieung und Interpretation der Texte wie auch die dogmatische Aus-gestaltung des Inhalts ist ebenfalls von der Theologie geleistet worden. Insofern verdankt sich auch das Sichwissen des Geistes in der religisen Vorstellung in nicht geringerem, vielleicht sogar noch hherem Mae als in der Kunst der geisteswissenschaftlichen oder protogeisteswissenschaftlichen Formung und Erschlieung. Hierzu treten in neuerer Zeit die Erschlieung religiser Texte, Denk-formen und Traditionen durch Religionswissenschaft, Religionsgeschichte und Religionsphnome-nologie. Und da auch die Philosophie einer solchen erschlieenden geisteswissenschaftlichen Ar-beit, einer philosophischen Forschung bedarf, mu ich hier nicht ausfhren, wo wir mitten in solcher Arbeit begriffen sind.Die Wissenschaften, die sich den drei Gestalten des absoluten Geistes zuordnen lassen, leisten somiteinenzwarsekundren,abergleichwohlkonstitutivenundnichtzuunterschtzendenBei-trag zur Formung des Sichwissens des Geistes. Es entspringt einer inneren Logik, da sie sich zu eben dem Zeitpunkt als Geisteswissenschaften konstituiert haben, zu dem zum einen Hegels Phi-losophiedenGeistbegriffindergeistigenWeltetabliertundzumanderendasSichwissendes Geistes die Begrenzung auf die Philosophie gesprengt hat. Ohne die Geisteswissenschaften ohne Philologien,Theologie,Kunst-undMusikwissenschaft wtederGeistwohlnurrechtwenig von sich. Auch als nicht-philosophische Wissenschaften und Einzelwissenschaften nehmen sie doch gleichsam am Leben des absoluten Geistes teil was wre er ohne sie. Aber auch der Bereich des objektiven Geistes wird durch Wissenschaften erschlossen durch die Geschichtswissenschaft, die Rechtswissenschaft, die Sozialwissenschaft und die Wirtschaftswissenschaft. Und whrend im Be-reich des absoluten Geistes die Seite des Wissens als ein Zwilling der Objektivation auftritt, also zumeinen TeilinKunst,ReligionundPhilosophieselberundnurzumanderen Teilindieihnen zugeordneten Wissenschaften fllt, bilden die dem objektiven Geist zugeordneten Wissenschaften die alleinigen Reprsentanten des Sichwissens des Geistes abgesehen von dem unthematischen, 19 Walter Jaeschke, Der Geist unD seine Wissenschaftenmarginalen Wissen, das in den Proze der Weltgeschichte sowie der Rechts- und Sozialgeschichte selber fllt. Ich kann es vielleicht hier bei der kurzen Erwhnung bewenden lassen, da natrlich auch den Formen des subjektiven Geistes entsprechende Wissenschaften zugeordnet sind Anthro-pologie und Psychologie , und da die letztere sich heute zumeist nicht mehr als Geisteswissen-schaft versteht, ist gar nicht so verwunderlich angesichts des Umstands, da fr Hegel der Bereich des Psychischen ohnehin ein Bereich ist, in dem Natur und Geist sich berhren. Den Formen des subjektiven Geistes wie auch den Formen seiner Objektivation im objektiven und absoluten Geist sind somit jeweils Wissenschaften zugeordnet, denen die methodische Entfal-tung dieses in den Objektivationen des Geistes impliziten und expliziten Wissens zufllt. Sie sind die Wissenschaften des Geistes, sind Formen seines Frsichseins, seines Sichwissens und deshalb heien sie mit gutem Grund Geisteswissenschaften, im Unterschied zu den Naturwissenschaften, die eben nicht oder nur rudimentr Formen der Selbsterkenntnis des Geistes sind und im wesentli-chen vielmehr Formen der Erkenntnis des Anderen des Geistes.(3) Die Geisteswissenschaften sind die Wissenschaften der Selbsterkenntnis des Geistes Wissen-schaften, in denen der Geist, whrend er auf von ihm geschaffene Gegenstnde bezogen ist, zugleich auf sich bezogen ist und sich selbst in ihnen erkennt; sie sind Gestalten des Frsichseins des Geistes. AndersalsinderNaturwissenschafttrittinderGeisteswissenschaftderGeistgleichsam zweimal auf auf der Seite der Subjekte, die die Wissenschaft betreiben, und auf der Seite der Ge-genstndedieser Wissenschaft denndieseGegenstndesindentwederdiegeistige Ttigkeit selbst oder ihre Produkte. Die Geisteswissenschaften sind also diejenigen Wissenschaften, in denen geistige Wesen die Produktionen geistiger Ttigkeit zum Gegenstand der Erkenntnis machen. Da-her tragen sie ihren Namen, und daher ergibt sich ihre primre Abgrenzung gegen die Naturwissen-schaften nicht aus ihrer Methodendifferenz gegenber den Naturwissenschaften, mit deren Erfas-sung sich der Neukantianismus und sein Umkreis so viel zu schaffen gemacht haben. Soweit eine Methodendifferenzvorhandenist,istsie trotzallergegenteiligerBeteuerungen! allerersteine Folge der Gegenstandsdifferenz, der Differenz von Geist und Natur. Dies gilt fr die Unterscheidung von nomothetischen und idiographischen Wissenschaften wie fr die hiermit bereinkommende Un-terscheidung von erklrenden und verstehenden Wissenschaften. Auch das Verstehen als angeb-lich unterscheidender Methodenbegriff der Geisteswissenschaften ist ja allererst von deren Funktion fr das Selbstverstndnis des Geistes her zu verstehen: Ihr Sinnverstehen ist Selbstverstehen und eine Hermeneutik, die diesen Aspekt des Selbstbezugs nicht in den Verstehensbegriff eintrgt, wird sich mit der vermeintlich so wichtigen und doch schon sprachlich so unscharfen Differenz von Er-klren und Verstehen vergebens abqulen. Dieses Sichwissen ist grundlegend fr die Geisteswissenschaften. Sie stehen insgesamt unter dem Imperativ am Eingang des Apollontempels zu Delphi: Erkenne dich selbst! Es ist aber be-kannt, da dieser Imperativ auf doppelte Weise zu verstehen ist: als Aufforderung, sich auf das Gtt-liche im Menschen zu besinnen, wie auch als Erinnerung an die eigene Kontingenz, an Endlichkeit und Hinflligkeit. Das Sichwissen, das die Geisteswissenschaften erschlieen, ist ein Wissen von der Geistnatur des Menschen seiner Gre und seiner Nte, seiner Bedrftigkeit und Schwche, der Ausbildung seiner Affekte, seiner zeitlichen und rumlichen Gebundenheit wie auch seines Wissens, durch das er diese Bindung berwindet und alle Begrenzungen in sich aufst und in Dialog mit weit entfernten und lngst vergangenen Gestalten tritt und knftige erschafft. Die Geisteswissenschaften erschlieen das Material fr eine Analyse smtlicher Leistungen des Geistes; sie prsentieren auch alle Gestalten seines Selbstverstndnisses fr sich selbst und im Verhltnis zur Natur, zu anderen Menschen und vielleicht auch zu den Gttern, und sei es selbst im Akt ihrer Verwerfung. ZudemerschlieensieeinenweiterencharakteristischenGrundzuggeistigenLebens:dieGe-schichtlichkeit des Geistes. Die Konzeptualisierung dieser Geschichtlichkeit fllt deshalb nicht zu-flligindiefrhePhasederHerausbildungderGeisteswissenschaften,indieZeitum1800,und 20 heGel-Jahrbuch 2011sie wird damals von Hegel knapp, aber eindringlich so ausgesprochen: was wir sind, sind wir zugleich geschichtlich.8 Doch wenn wir das, was wir sind, zugleich geschichtlich sind, dann mu diesesWissenvonunszugleicheingeschichtlichesWissensein.DieGeisteswissenschaftensind deshalb zum groen Teil geschichtliche Wissenschaften, und als solche sind sie das kulturelle Ge-dchtnisdeskulturellenRaums,derjeweilsihrGegenstandist,dervonihnenbewahrtundana-lysiertwird. AusdemebenzitiertenSatzmchteichabernocheinzweitesStichwortherleiten: dasStichwortIdentitt.Wennwirdas,waswirsind,zugleichgeschichtlichsind,soistdieses Geschichtliche ein konstitutives Moment unserer Identitt. Durch unsere Geschichte werden wir zu dem, was wir sind nicht in dem Sinne, da wir ein bloes Produkt der Vergangenheit wren, aber da wir ohne diese Vergangenheit nicht wren, was wir sind. Dies lt sich auf mehreren Ebenen aufzeigen, bis hin zum Zusammenhang von Wahrnehmung und Gedchtnis und angesichts des ge-sellschaftlich erzeugten Wissens ist es trotz konjunktureller Schwankungen keine naheliegende Annahme, da sich dieses Verhltnis von Geistigkeit und Geschichtlichkeit wieder ndern und einer neuen Epoche der Geschichtslosigkeit weichen werde.(4)MeinVersucheinerVerankerungderGeisteswissenschaftenimKontextdesFrsichseinsdes Geistes mndet plausibler Weise in ein Pldoyer fr ihre fr unsere Tradition charakteristische BezeichnungalsGeisteswissenschaften.EsistjaihrProprium,dasieGestaltendesSelbstver-hltnisses des Geistes sind: Geist wei in ihnen vom Geist. Dies ist der Sache nach zwar nicht anders, wenn man von Kulturwissenschaften statt von Geisteswissenschaften spricht, sofern man Natur und Kultur als die beiden Formalobjekte versteht, die die Gesamtheit mglicher Objekte der Wissenschaften erschpfen. Doch wird durch den Terminus Kulturwissenschaften der innerste KernundSinnderGeisteswissenschaften verdeckt: ihrePartizipation anderSelbstbeziehung des Geistes. Deshalb verkrzt der Name Kulturwissenschaften den ursprnglichen Sinn der Rede von GeisteswissenschaftenumdenentscheidendenAspekt.Kulturerscheintfrdenerkennenden Geist zunchst als ein ueres Objekt, nicht anders als Natur. Damit wird aber das Selbstverhltnis nicht zum Ausdruck gebracht, das den charakteristischen Zug der Geisteswissenschaften ausmacht und ihre spezifsche Entwicklungsform bedingt: In den Geisteswissenschaften ist die Erkenntnis des ObjektsebennichtbloeObjekterkenntnis,sondernimmerzugleichSelbsterkenntnisdeserken-nendenSubjekts.DiesesistindergeisteswissenschaftlichenErkenntnisstetsaufdenGegenstand und auf sich bezogen, zwar auch dann, wenn es darauf nicht refektiert und davon nichts wei und mit einem ihm ueren Gegenstand zu tun zu haben glaubt doch verfehlt es dann den Sinn seiner Wissenschaft. Deshalb verfehlt man den innersten Sinn der Geisteswissenschaften, wenn man sie als Kulturwissenschaften bezeichnet. Und von dem unglcklichen Terminus humanities, der die Her-kunft der Gegenstnde dieser Wissenschaften aus dem menschlichen Geist vollends verdeckt, den Geisteswissenschaften nach Krften den Geist austreibt und vom Namen her primr Humanmedizin und vergleichbare Wissenschaftszweige assoziieren lt, will ich hier gar nichts sagen.Geisteswissenschaftensinddie WissenschaftenvomGeist vomGeistals(zunchst)der-jenigen Wirklichkeit, die sich im Menschen als einem geistigen Wesen zeigt, in seinem Fhlen, Denken und Wollen, also in seinen geistigen Ttigkeiten (wie immer es um deren natrliche Basis bestellt sein mag). Geist ist aber (sodann) diejenige Wirklichkeit, die die Ttigkeit dieses Geistes zur alleinigen und unverzichtbaren Basis hat die einzig durch diese erzeugt und zu Welten ge-staltet wird zu den Welten der Gesellschaft und des Rechts, der Sprache, der Kunst, der Religion, der WissenschaftundderPhilosophie ,diejedochinallihrerUnterschiedlichkeitdieEine Welt des Geistes bilden. Ihm verdanken sie ihre Existenz und ihre Gestalt, auch wenn diese spezifsche 8Hegel, Vorlesungen ber die Geschichte der Philosophie. Teil 1. Einleitung in die Geschichte der Phi-losophie (1823). In: Hegel, Vorlesungen. Ausgewhlte Nachschriften und Manuskripte. Hrsg. von Pierre Garniron und Walter Jaeschke, Bd. 6. Hamburg 1994, 6.21 Walter Jaeschke, Der Geist unD seine WissenschaftenGestalt sich weder aus dem subjektiven Geist noch aus dem Akt seiner Manifestation ableiten lt. Davon,undalleindavon,dadieGeisteswissenschaftenindieserWeiseanderSelbsterkenntnis desGeistespartizipieren,gehtdiegroe,dauerhafteundsonstunverstndlicheFaszinationaus, diesieallgemeinausben,obgleichsie,wiemanwei,keinenbezifferbarenNutzenhaben.Ihr Nutzen wenn man in diesen Kategorien reden wollte besteht eben rein in ihrer Partizipation an der Selbstexplikation des Geistes. Um eine Wendung Hegels aus anderem Kontext hier einzufhren: Der Geist erkennt sich in seinen Wissenschaften nicht um eines Nutzens, sondern um des Seegens willen,9 der eben im Wissen des Geistes von sich gelegen ist. Darin liegt ihre ratio essendi wie auch ihre ratio cognoscendi, und man verdunkelt oder zerstrt beide rationes, wenn man mit dem Rck-bezug der Geisteswissenschaften auf den Begriff des Geistes ihren Lebensnerv durchtrennt.Prof. Dr. Walter [email protected], Wissenschaft der Logik. Vorrede zur ersten Aufage. GW 11..Henning Ottmann, MnchenDer Geist Der GeisteswissenschaftenDer Begriff der Geisteswissenschaften ist in verschiedene Sprachen nicht bersetzbar. Auf Fran-zsischsprichtmanvonscienceshumaines,aufEnglischvonhumanitiesoderdenliberal arts. Auf Spanisch und Italienisch lassen sich jedoch dem Deutschen analoge Begriffe bilden: sci-enzedellospiritooderlascienciasdelespritue.InDeutschlandweistderBegriffzurckauf DiltheysEinleitungindieGeisteswissenschaften(1883)undberDiltheyundandereaufHegel. HegelsPhilosophiedesGeistesumfatenzyklopdischdiverseGeisteswissenschaften,vonder Psychologieund AnthropologieberdasRecht,dieEthik,diePolitikbiszuKunst,Religionund Philosophie. GeististbeiHegelgekennzeichnetdurcheineganzheitlicheErfassungvonPhnomenen. Geist ist bei Hegel etwas Ursprngliches, d. h. etwas sich selbst Erzeugendes, und Geist ist bei Hegel etwas Geschichtliches. Letzteres war es wohl vor allem, was das 19. Jh. zur Geisteswissen-schaft berredet hat: der Siegeszug des geschichtlichen Denkens.Die Geburt der Geisteswissenschaft im 19. Jh. war aber auch von Anfang an begleitet von de-ren Infragestellung. Der Positivismus verheit seit Comte eine Epoche exakter Wissenschaftlichkeit, der Materialismus seit Marx eine nicht geistphilosophische, sondern materialistische und kritische GrundlegungderWissenschaften.DiegroenErfolgevonNaturwissenschaftundTechniksowie die immer weiter voranschreitende konomisierung des Lebens drngen die Geisteswissenschaften in den Hintergrund. Die Idee geschichtlich-hermeneutischer Wissenschaften droht zwischen tech-nisch-instrumenteller und kritischer Theorie zerrieben zu werden. Der historische Horizont moder-nerGesellschaftenbeginntsichim20. Jh.zuverkleinern.DieeinmalfrGebildeteallerLnder Europas selbstverstndliche Kenntnis der Antike steht nur noch einigen wenigen zur Verfgung. Das Mittelalter ist zu einer dunklen Epoche geworden. Der Kanon der politischen Philosophie beispiels-weise kennt, wenn man Glck hat, noch Platon und Aristoteles, von den Rmern noch Polybios und Cicero, vom Mittelalter rein gar nichts mehr. Die Geisteswissenschaften geraten im 20. Jh. in die Defensive. Angesichts der evidenten Ntz-lichkeit von Naturwissenschaft und Technik sollen auch sie sich als ntzlich erweisen. Ihren Apo-logeten droht die Gefahr, die Geisteswissenschaften durch das begrnden zu wollen, was ihr Sinn gar nicht ist: irgendeine Form von Ntzlichkeit. Dies sei im Folgenden an einer zunchst vielver-sprechendklingendenundzeitgemerscheinendenRechtfertigungderGeisteswissenschaften demonstriert:andersogenanntenKompensationstheorie.DiesegehtzurckaufdenPhilosophen Joachim Ritter. Durch Schler Ritters (wie Odo Marquard oder Hermann Lbbe) hat sie Prominenz erlangt.1NachderKompensationstheoriesinddieGeisteswissenschaftenein Ausgleich,eineKompen-sation, und zwar jener Risiken und Schden, die mit der Modernisierung von Gesellschaften ver-bunden sind. Joachim Ritter verstand unter Kompensation den Ausgleich fr die wie er es nann-1J. Ritter, Die Aufgabe der Geisteswissenschaften in der modernen Gesellschaft, 1963, in: Ders., Subjek-tivitt. Sechs Aufstze, Frankfurt/M. 1974, 93 ff.23 henninG Ottmann, Der Geist Der Geisteswissenschaftente reale Geschichtslosigkeit der modernen Gesellschaft.2 Die Geisteswissenschaften haben, so Ritter, die Aufgabe, das zu erinnern und gegenwrtig zu halten, was ohne sie notwendigerwei-sefrdieGesellschaftmehrundmehrbedeutungsloswerdenundschlielichberhauptausdem Zusammenhang ihrer Welt verschwinden mte.3 Hermann Lbbe bezieht Ritters Gedanken va-riierend die kompensatorische Leistung der Geisteswissenschaften auf das sich beschleunigende Tempodeskulturellen Wandels.JeschnellerimmerMehrkulturellzuveraltendroht,umsomehr wchst demnach der Bedarf an konservativer Kompensation. Als Demonstrationsbeispiel verweist LbbeaufdenzeitgenssischenBoomderMuseenoderdieWellenderNostalgie.Kompensa-tionwirdfrihnzumLeitbegriffeinerTheoriederBewahrunghistorischerIdentittwieeines politischen Konservatismus berhaupt.4 Fr Odo Marquard wiederum wird Kompensation sogar zum philosophischen Fundamentalbegriff. Fr Marquard ist der Mensch ein kulturell, ethisch, sthe-tisch,theologischkompensierendes Wesen:homocompensator.

DieGeisteswissenschaftenim besonderen sind nach Marquard Kompensation der Modernisierungsschden.6 Sie kompensieren diese narrativ, durch das Erzhlen von Geschichten. Es sind, so Marquard, deren drei: Sensibi-lisierungsgeschichten (als Kompensation fr die moderne Entzauberung der Welt), Bewahrungs-geschichten (als Kompensation fr die modernen Traditionsverluste), Orientierungsgeschichten (als Kompensation fr die modernen Erfahrungen von Sinnverlust).7Geisteswissenschaften als Kompensation diese Theorie hat den Vorzug, vielfach anschluf-hig und erwnscht zu sein. Sie bietet den Geisteswissenschaften einen Nachweis ihrer Existenzbe-rechtigung, und sie liefert ihn im Blick auf aktuelle Erfahrungen der Kulturdynamik wie im Blick aufModernisierungsprozesseberhaupt.DamitdemonstriertdieTheorie,dadieGeisteswissen-schaften durch den Fortschritt der technisch-industriellen Welt nicht obsolet werden. Ganz im Ge-genteil. Sie werden, so Marquard, desto unvermeidlicher je moderner die moderne Welt wird.8 Dies stimmt berein mit der Tatsache, da sich die Geisteswissenschaften ca. ein Jahrhundert nach denmodernenNaturwissenschaftenetablieren.EspatindengrerenRahmeneinesKonserva-tismus,dersichjenseitsallerLarmoyanzaufdenBodenderModernittsbewahrungstellt.Nicht zuletzt mu dies eine, so denkt man, willkommene Theorie fr Wissenschaften sein, die sich hoch-schulpolitisch in der Defensive befnden und mit Rechtfertigungspfichten konfrontiert sind.Die Kompensationstheorie bereichert die Theorie der Geisteswissenschaften um eine neue Vari-ante. Eine zureichende Rechtfertigung der Geisteswissenschaften bietet sie jedoch nicht. Vielmehr hat sie mindestens vier Mngel und Einseitigkeiten.92Ritter, a. a. O. FN 2, 1303Ritter, a. a. O. FN 2, 131.4H. Lbbe, Geschichtsbegriff und Geschichtsinteresse, Basel Stuttgart 1977. Ders., Die Gegenwart der Vergangenheit.KulturelleundpolitischeFunktionendeshistorischenBewutseins,Oldenburg198. Ders.,DieWissenschaftenundihrekulturellenFolgen.berdieZukunftdescommonsense,Opladen 1987, 37 f.O.Marquard,Homocompensator.ZuranthropologischenKarriereeinesmetaphysischenBegriffs,in: G. Frey/ J. Zelger (Hrsg.), Der Mensch und die Wissenschaften vom Menschen. Bd. 1, Innsbruck 1983, 66.6O. Marquard, ber die Unvermeidlichkeit der Geisteswissenschaften, in: Ders., Apologie des Zuflligen. Philosophische Studien, Stuttgart 1986, 10. 7A. a. O. FN 7, 10 f.8A. a. O. FN 7, 102.9Mandarfsagenmindestens,daeinhiernichtdiskutierterMangelderKompensationstheoriedie Festlegung der Geisteswissenschaften auf Narrationen ist. Das wird den bei Dilthey so genannten sy-stematischenGeisteswissenschaftennichtgerecht,diewiedieSozialwissenschaftensichauchempi-24 heGel-Jahrbuch 2011Zum ersten, die Kompensationstheorie bercksichtigt allein unser antiquarisches und museales Geschichtsinteresse.EsistkeinZufall,wieprominentbeiLbbedasBeispieldesMuseumsund der progressiven Musealisierung wird. Da wir an Geschichte antiquarisch interessiert sind, ja da wir es bei beschleunigtem kulturellen Wandel immer mehr werden, ist auch gar nicht zu bestrei-ten. Nur ist dies nur ein Geschichtsinteresse unter vielen. Die antiquarische Geschichtsbetrachtung schneidet aus den geschichtlichen Bestnden allein das heraus, was bereits funktionslos geworden ist. Sie zielt auf das berbleibsel, auf das Relikt. Sie erfat jedoch ganz und gar nicht, was wir im Namen des heute zu lebenden Lebens von diesen Relikten der Gnade des Vergessens anheimfallen lassensollten,nocherfatsie,waswirvomErbederGeschichtenichtnurmusealkonservieren und ausstellen, sondern immer noch (oder erneut) leben wollen. Die Kompensationstheorie weckt ErinnerungenanNietzschesPolemikgegendiehistoristischeKulturseinerZeit,gegendas Ale-xandrinertum einer Epoche, welche Bibliothekare und Korrektoren, aber keine Kulturschpfer mehr kennt.10 Vielleicht darf man die Kompensationstheorie als eine neue Form des Historismus verste-hen.IstnichtauchsiekennzeichnendfreinZeitalter,daszumSammeln,EdierenundZitieren, nicht aber zum Kreieren und Selbsterschaffen neigt? Zum zweiten, von den mglichen Aufgaben der Geisteswissenschaft erfat die Kompensations-theorie allein deren Bewahrungs- und Konservierungsfunktion. So sehr diese ntig ist, so sehr steht ihrdiegegenteiligeFunktiongegenber,die sagenwir VernderungsfunktionderGeisteswis-senschaften. Nicht selten sind Geisteswissenschaften ein Element der kulturellen Dynamik. Sie kn-nen, statt zu bewahren, ebenso kulturverndernd, ja traditionsunterminierend wirksam sein. Das war zum Beispiel der Fall, als die protestantische Bibelexegese des 19. Jahrhunderts die Gebildeten dem Glauben entfremdet hat. Vielleicht ist die Unterminierung der Tradition sogar immer eine Wirkung derGeisteswissenschaften,insofernderhistorischeSinn,dessenKinddieGeisteswissenschaften sind, ein tendenziell relativistischer Sinn ist. Schon bei Dilthey heit es, die Geisteswissenschaften sollen auf jeden Unbedingtheitsanspruch verzichten.11 Das geisteswissenschaftliche Gesprch zwi-scheneigenerundfremder,gegenwrtigerundvergangenerKulturisteinWechselgesprch,das wederhiernochdortabsoluteGewiheitenbeanspruchenkann.EsisteinGesprchmitoffenem Ausgang,indemsichdieeigenen Vorurteilebesttigen,aberauchrelativierenknnen. Wenndie Kompensationstheorie allein auf Bewahrung setzt, wird sie appellativ. Sie sagt dann nicht, was Gei-steswissenschaften sind, sondern was sie sein sollen.12 Sie nimmt fr Bewahrung Partei.Zum dritten, nach der Kompensationstheorie ist Kompensation das, was nachher kommt. Sie ist zudem das, was nicht nur nachtrglich, sondern auch nachgeordnet ist: ein Epiphnomen des kul-turellen Wandels und der Risiken der modernen Welt. Die Nachtrglichkeit der Kompensation hat ihren Grund darin, da die Kompensationstheorie die Rollen von Bewahrung und Vernderung ein-seitig verteilt. Verndernd wirkt demnach die Dynamik der technisch-industriellen Welt. Bewahrend wirkt dagegen die Geisteswissenschaft, welche die Kompensation jener Dynamik zu sein hat. Die Modernisierung samt ihren Risiken und Schden wird zur theoretisch unangreifbaren Vorgabe, die nur noch kompensatorisch auszugleichen ist. Das hnelt nicht nur dem Wettlauf von Hase und Igel. DarinstecktaucheinVerzichtaufdieDefnitionssouvernittderGeisteswissenschaft.Siewird Wissenschaft von Gnaden eines Vorgangs, auf den sie nur reaktiv und nur nachrangig bezogen ist.risch-analytischer Methoden und Erklrungen bedienen mssen und somit keine rein hermeneutischen Wissenschaften sind.10F. Nietzsche, Vom Nutzen und Nachteil der Historie fr das Leben, in: KGW III/1, 264, 27 ff.11W.Dilthey,Der AufbaudergeschichtlichenWeltindenGeisteswissenschaften,GesammelteSchriften Bd. VII, Stuttgart 1927, 173.12Vgl. H. Schndelbach, Kritik der Kompensation, in: Kursbuch 91 (1988), 3 ff. Oder W. Kersting, Hy-polepsis und Kompensation. Odo Marquards Beitrag zur Diagnose und Bewltigung der Gegenwart, in: Philosophische Rundschau 36/3 (1989), 161 ff.2 henninG Ottmann, Der Geist Der GeisteswissenschaftenDemgegenber sollte eine Rechtfertigung der Geisteswissenschaften auf deren Selbstndigkeit beharren. Statt sich ihre Aufgabe durch die Schden der Modernisierung oder irgendeinen partiku-laren Zweck vorschreiben zu lassen, knnte sie darauf bestehen, ein durch sich selbst gerechtfertig-ter Versuch menschlicher Selbsterkenntnis zu sein. Sie wre zu begreifen als die Art und Weise, wie der Mensch sich unter der Bedingung des historischen Sinns zu verstehen versucht. Der praktische NutzenderGeisteswissenschaftenwredannzuerklrenalssekundrerEffekteinerWissen-schaft,dieprimrnichtntzlichzuseinhat.Damitwrezudemverstndlichzumachen,warum dieGeisteswissenschaftennichtnureinem,sondernvielenInteressenntzlichsind.Sekundre Nutzeffekte der Geisteswissenschaften reichen vom Interesse an Bewahrung zum Interesse an Ver-nderung, von der Befriedigung der Neugier zum Interesse an Unterhaltung, vom Zweck der Ver-stndigung bis zum Zweck der Bildung. Bei Ritter war noch etwas zu verspren von der Verbindung der Geisteswissenschaften mit der Freiheit und Reinheit der klassischen Theorie, und bei Ritter liegt der Gedanke gar nicht so fern, da die Geisteswissenschaften den modernen Gesellschaften gerade deshalb ntzlich sein knnen, weil sie deren Instrumentalismus und Funktionalismus nicht verfallen sind.13 In der zum Funktionalismus neigenden Kompensationstheorie seiner Schler ist dieser Ge-danke nicht mehr prsent.Zumvierten,dieKompensationstheorieberschtztdiegeisteswissenschaftlicheAusgleichs-kompetenz. Man kann nicht in einem ersten Schritt Kompensation zum bloen Appendix der Mo-dernisierungsdynamik machen, um in einem zweiten Schritt von eben jener Kompensation einen ef-fektiven Ausgleich der Modernisierungsschden zu erhoffen. Das erinnert an die Erwartung, da der Schwanz mit dem Hunde wedeln wird. Wrden die Schden und Gefahren der Modernisierung nur wissenschaftlich kompensiert, wre Kompensation nichts als ein Surrogat. Fr verlorene Sittlichkeit entschdigt keine Sittlichkeitstheorie, fr Glaubensverluste keine kirchenhistorische Untersuchung, undfreineruinierteLandschaftistein AufsatzberCasparDavidFriedrichwohlauchnurein schwacher Trost.14 Manmageinwenden,KompensationltsichnichtnurvondenGeisteswissenschaften,son-dern darber hinaus auch von der Kunst oder von den Traditionen und Institutionen der Lebenswelt erwarten kann. Auch bleibt die Hoffnung, da die Geisteswissenschaften in der Form der Bildung selber lebenspraktisch wirksam werden knnen. Gleichwohl drfen Geisteswissenschaften nicht als Bildungsreligion berschtzt oder als skularisierte Religion berfordert werden. Ob die Kompensationstheorie frei von skularistischen berforderungen ist, ist eine Frage fr sich.ImHintergrundderTheoriestehenHegelianismusundGeschichtsphilosophie,Theologie undTheodizee.DajederSchadenseineEntschdigungfndet,ist wieMarquardnachweist ein ursprnglich theologischer Gedanke: bei Tertullian die compensatio Gottes fr die Snden der Menschheit, bei Leibniz die Theodizee, bei Kant und Hegel Theodizee in der Form der Geschichts-philosophie.1 Im engeren Sinne ist die Kompensationstheorie ein Sonderfall der Hegelschen List der Vernunft. Mit dieser teilt sie den aus der Theologie in die Philosophie der Geschichte gewan-derten Glauben, da es durch Gott oder Vernunft einen gerechten Ausgleich geben wird.Des vernnftigen Ausgleichs der Modernisierungsschden gewi wird die Kompensationstheo-rie modernittskonservativ. Sie grenzt sich ab von progressiver oder altkonservativer Totalkritik der Moderne. Sie besitzt keine Verbindung mehr zur altkonservativen Trauer ber das Gute, das unwie-derbringlich verloren ist. Ritter geht Aristoteles und Hegel vereinend aus von der Vermutung fr die Vernnftigkeit des Bestehenden. Marquard lehrt einen Usualismus. Lbbe vertritt eine Apologie 13Ritter, a. a. O. FN 2, 109 ff.14R.K.Maurer,OpiumfrdenGeist.DieKompensationstheoretikerentmachtensichselbst,in:FAZ 06.01.1988.1O.Marquard,Kompensation.berlegungenzueiner VerlaufsfgurgeschichtlicherProzesse,in:K.G. Faber/Chr. Meier (Hrsg.), Historische Prozesse, Mnchen 1978, 339 ff.26 heGel-Jahrbuch 2011descommonsense. Vielleichtistdarindochmehrskularisierte Theologieverborgen,alsmanes bisher bemerkt hat.IneinerEpoche,diedemGeistmitraut,habenGeisteswissenschafteneinenschwerenStand. Sie knnen diesen noch selbst untergraben, wenn sie in die Begrndungsfalle der technisch-indus-triellenZivilisationlaufenundweitundbreiterklren,wientzlichsiesind.Besserwrees,sie wrden erinnern an den alten Sinn von Theorie und Praxis, da diese ein Selbstzweck sind. Von der Distanz zu allem direkt Ntzlichen und Brauchbaren lebt die kritische Kraft aller echten Theorie. Sie verliert diese, wenn sie direkt ntzlich zu sein hat.Prof. Dr. Henning OttmannGeschwister-Scholl-InsitutOettingenstr. 6780539 [email protected] Adolphi, BerlinMetaphysische anfangsgrnde der Wissenschaften von geistigeMZu einer kantischen Wissenschaftslogischen kritikdes fundaMentalnaturalisMus und Zu einer hegelschen theorie-skiZZeI.GegnerschaftenEine Erfahrung der Beschftigung mit Hegel scheint es zu sein, dass man nur lange genug warten muss,bisauchdieneuesteGegenpositionmitihremeigenenProgrammineinenZustandderEr-schpfung, der Ernchterung und der Aporien, gekommen ist: und die Wahrheit Hegelscher Intu-itionenund Theoremeentdeckt.DerDynamikheutigenPhilosophierensentsprechendistdiesein Prozess in immer krzeren Wellen. Abstoung und Neuerschlieung folgen einander inzwischen oft in geringen Abstnden, zuweilen berlagern sie sich in derselben Zeit.Das gilt heute in besonderem Mae fr den Hegelschen Gedanken des Geistes und den daran hngenden Idealismus. In einem Zustand, der gekennzeichnet ist durch empirische Psychologie, empirische Kulturwissenschaft, funktionale Modelle des Gesellschaftsprozesses, Theorien knst-licher Intelligenz und nicht zuletzt Kognitions- und Hirnforschung, kommt es zu einer Renaissance hegelianischenGeist-Denkens.

ZumHochmutdabeibestehtfreilichkein Anlass.DieGrnde, weshalb man sich vom Geist Geist in der Tradition Hegels abgewandt hatte, sind keines-wegs hinfllig geworden.Eswarenmehrere,denkgeschichtlichverschiedeneMotivationen,diedie Verabschiedungdes Hegelschen Konzepts des Geistes, am Ende gar den Anti-Affekt vorangetrieben haben. Allgemein haben die Schbe der Preisgabe sich entzndet an den offenbar massiven Normativitts-Implikati-onen sowie, beides miteinander zusammenhngend, dem mit dem Gedanken transportierten Diktat der (philosophischen) Theorie gegenber aller konkreten und erfahrbaren Wirklichkeitsgestalt: dem NormativenderBildung, AbweisungdesungebildetenGeistes,vorallemweildiesermoralisch nicht auf der Hhe sei; dem Normativen des Fortschritts im groen; der Gngelung von Empirie im Historischen, desgleichen in Psychologie; dem Substantialismus im Sozialtheoretischen; schlie-lich der angesetzten Erkenntnisunmittelbarkeit dass Geist Geistiges gewahre, ohne dazwischen-tretende, phnomenaufschlieende, vergegenstndlichende und konstruierende Akte. Erfasst wurde davon nicht nur das Hegelsche Geist-Denken, bes. in dessen System-Gestalt, sondern im selben Zug, ungeachtet der bekundeten programmatischen Offenheit in der Wissenschaftskonzeption, viel-mehr wegen ihres De-facto-Vorgehens sowie Topoi ihrer Theoriebegrndung, zugleich weithin die im Zeichen des Historischen, Besonderen und Vielfltigen angetretenen Geisteswissenschaften.

Um hier nur eine einzige, prominente Richtung zu nennen, die der Analytischen Philosophie: R. Bran-dom,MakingItExplicit.Reasoning,Representing,andDiscursiveCommitment,Cambridge(Mass.) 994; J. McDowell, Mind and World, Cambridge (Mass.) 994; P. Redding, Analytic Philosophy and the Return of Hegelian Thought, Cambridge (Mass.) 007; R. Pippin, Hegels Practical Philosophy. Rational Agency as Ethical Life, Cambridge (Mass.) 008.Zu den Restposten philosophisch-idealistischen Geist-Denkens im Vorgehen der Geisteswissenschaf-tenvgl.nochimmerH.-G. Gadamer,WahrheitundMethode(960), Tbingen975,8540. Wenig berzeugend (und mehr ein inner-geisteswissenschaftliches Phnomen) sind die Projekte, zu denen dies 8 hegel-Jahrbuch 2011Bei all dem ist auch die Absetzbewegung kein Einheitliches. Es ist eine komplexe herausgebil-dete Lage, und was diese kennzeichnet, war, und ist, eine Pluralitt der Strnge und sachlich: Di-mensionen des Was-statt-dessen und Wie-anders. Unterschiedliche Dimensionen mit auch jeweils genuinen leitenden Problemen berhaupt.Einmal gezielt eingeklammert lassen mchte ich hier das aus heutiger Denksicht vornehmlich nur noch wissenschaftshistorisch Bedeutsame: die intern philosophischen Naturalisierungs-Schbe des 9. Jhs. Naturalisierungen des Geistigen nicht nur qua Religis-Absoluten, Seelischen (Ver-haltens-Charakterlichen),Sozial-ObjektivenundGeschichtlich-Kulturellen,sondernzuletztauch NaturalisierungendesLogisch-Transzendentalen.

SiedrehenimGrundedenkantischenerkennt-niskritischen Vorbehalt wieder zurck, errichten fr alles Sachgehaltliche, auch alles Phnomen von Geistigem, eine neue Metaphysik4 sei es Materialismus oder Metaphysik des Willens. Einge-klammert sei ebenso, auf der anderen Seite, die Boulevard-Variante der Molekular-Biologie die Wissenschaft habe irgendein Gen (u. dgl.) entdeckt, das eine bestimmte geistige (auch emotionale oder moralische) Ausprgung oder Kompetenz unseres Menschseins, d. h. was hierin bisher als Per-snlich-Geistiges galt, steuere. DieseersteProblemreduktion,ohnediediepropagierteAustreibungdesaltenDenkensinsInfa-tionre geriete, bercksichtigt, lassen sich heute namentlich sechs Strnge bzw. Dimensionen einer Alternativ-Theorie zu Geist (d. h. exemplarisch Hegel) und entsprechendes alternatives Wissen-schafts-Programm ausmachen.()StattinternerProzesseeinesGeist-igen,stattderDimension des Geistigen, als dem, worauf das Denken, Theorie und Wissenschaft, geht, das anthropologisch-natrliche Ausdrucks-undBezeichnungs-WollendesMenschen,unddiesgeronneninbedeu-tungs-tragenden Tatsachen der soziokulturellen Welt: Symbol-Tatsachen des Darin-Lebens, Darin-sich-Bewegens, Damit-Umgehens. Die Trennlinie des zu Thematisierenden und Begreifenden liegt nicht zwischen Geistigem (als einer zusammenhngenden Wirklichkeit des Schlechterdings-nicht-Naturseins), die Trennlinie ist statt dessen zurckverlagert, verluft zwischen dem Geistigen als den spontan-freiengenerierendenEnergiendesGeistes(Cassirer) derBedeutungs-Gebung und dengeschaffen-dastehenden Symbolisierungs-Wirklichkeiten im Plural ,als dem eben Teil der Es-ist-so-Welt.5 Letzteres dann empirisch beschreibbar, Beschreibung einer jeweiligen Faktizitt mittels der in der Theorie explizierten Kategorien des Symbolischen.()DasGeistige,alsintelligenteBewusstheit,Klarheit,Diskursivitt,rationaleBezge,aber auch Wnsche und Zwecke, dies ganze Geistige zurckzubinden an ein Vital-Geschehen ein Da-hinter-bzw.Darunterliegendes,vondessennatrlicher VerkrperungauchalleEnergienundIm-pulse entstammten; sei das Geistige als dessen Exponent oder als sich verselbstndigender Wider-sacher oder einfach als letztlich unbedeutende (epiphnomenale) und allenfalls selbstverliebte Zerebralitt, und sei jenes eigentliche Vital-Geschehen individuell oder sozial oder kosmisch. Man kann dies in einem weiten Sinne die lebens-philosophische Strategie der Naturalisierung nennen. Ihr gehrte in dieser Perspektive auch, als die negative Variante, ein Denken zu, das wie etwa in der in der jngsten Zeit gefhrt hat: aus einer Selbstverdchtigung heraus, dem hegelianischen Schatten nicht zu entkommen, die radikale Flucht nach vorn anzutreten. Vgl. etwa F. A. Kittler, Austreibung des Geistes aus den Geisteswissenschaften, Paderborn 980.Letzteres prominent etwa H. v. Helmholtz (vgl. Die Thatsachen in der Wahrnehmung, Berlin 879) sowie inderfaktischenUmwidmungphilosophischerLehrsthlezuempirischerPsychologieundberhaupt auch theoretisch den verschiedenen psychologistischen Strmungen.4Im brigen auch mit allem selben Normativen wie das abgelste idealistische Geist-Denken.5Wo konsequent, drfte jener Kosmos der Symbol-Tatsachen die Macht dieser herrschenden Welt, auch Entzug oder Verschwinden des Subjektiven dahinter entschieden nicht mehr mit einem geradeheraus angesetzten Begriff des objektiven Geistes gefasst werden.9 rainer adolphi, Metaphysische anfangsgrnde der Wissenschaften von geistigeMNachfolge von Foucault jenes hinter den auftretenden Ausprgungen des Sozial-Geistigen wirkende EigentlichkeitsgeschehenalsdiejeweiligenherrschendenDiskurs-Mechanismenidentifziert.() Eine dritte dominante Alternative ist, das mit mentalistischen und rationalistischen Konno-tationen behaftete Konzept des Geistigen zu ersetzen durch einen prtendiert weniger vorausset-zungshaften und idealiter neutralen Leitbegriff: den des Verhaltens, Verhalten-eines-Organismus, Verhalten-in-Situation. Da gibt es sicher unterschiedliche Vehemenz des Bruchs, Bandbreiten der Theorie-Umstellung. Wo nicht mit anderen, ferneren Motivationen berformt, kann dies jedenfalls durchaus Freiheitsgrade dieses Verhaltens ansetzen; und die Prgung auf eine bestimmte Verhaltens-weise muss auch keineswegs als behavioristische Konditionierung, einfache Internalisierung eines Rollen-Schemaso. .verstandenwerden. WasdagegenallemalunterdieNeutralittfllt,ist,den Bereich der vordem als Geist thematisierten Phnomene nicht mehr nach einem Innen-auen-Mo-dellder Abbildung,ManifestationoderUmsetzungeinerkorrespondierendenseinseigenstndigen Reprsentation zu denken.(4) Davon abzuheben gilt es einen vierten Strang, effektiv mit zum Teil analogen Umbesetzungen, doch aus anderem Motivationszusammenhang heraus antretend. Es sind die Unternehmungen, die Sachverhalte,dieeinstalsbzw.mittelsGeistverstandenwaren,zuentschrnkengenerellvon Aspekten individueller Subjektivitt, Intentionalitt, auch Sinn. Diese einst dergestalt subjekt-zen-triert auf subjektive Ansicht, Absicht und emphatisch Handlung ausgerichtet in Blick gekom-menen Sachverhalte seien vielmehr nach Magabe funktionaler Gro-Prozesse zu begreifen: eine hhere, koordinierende Quasi-Subjektivitt von strukturellen Wirklichkeiten (etablierte Instituti-onen usw.), in denen ein jeweiliger Geist (funktionaler Geist, Verfahrens-Geist) inkorporiert ist, der ber die Horizonte der Individuen hinausgeht und deren inhaltlich selben subjektiven Geist nicht mehr ntig hat. Ein Denken in Kategorien und Mustern von Geist (subjektiv) erscheint hier als alteuropisches und heutzutage: nur mehr sentimentales Kleben am individuellen Handeln und Autorschaft,wasangesichtsderEigenprozessebes.desGesellschaftlichenzunehmendwirk-lichkeitsfremd sei.(5)DasProblem auchWissenschaftsproblem desGeistesalsFolge(oderSpielfeld)un-sereralltagspsychologischenVokabulare.ImalltagsweltlichenLebenhantiertenwirzunchstmit bestimmten mentalistischen Begriffichkeiten und Verstndnismustern, die sich darbten resp.einstellten(folkpsychology).DerenspiritualistischerSonderkosmosaber,wonichtohnehinver-fehlte Hypostasierungen, Prozess-Substantialisierungen oder schlicht durch die Logik-der-Sprache erzeugte Chimren, lse sich mit zunehmendem Wissenschaftseinblick sowie zunehmender ana-lytischerRefexion,wasmiteinerRedeweiseeigentlichgemeintistundwiedieseverwendetwirdStck fr Stck einfach in nichts auf. Das Problem des Geistes insofern als etwas, das, generell gesprochen,weithineiner(ausdemAlltagbernommenen)unrefektiertenPsychologie geschuldet sei. In einem reifen Weltbild, erst recht einem der Alltagshypotheken entbrdeten Wissenschaftspro-gramm,wrenvielederklassischdemGeistzugesprochenenPhnomene,Sachverhalte,Ursa-chenvermgen entwederaufihrenberechtigten Sinnhinzudecodierenoderberhaupteliminativ herauszufltern:ihrSeinnureinekchenpsychologischeVorlufgkeit.6(6) Schlielich die Umstellung auf einen zwar in derselben Linie angesiedelten, doch scheinbar elementareren, weniger idealismus-lastigen und normativittsbehafteten Terminus berhaupt. Statt einem Konzept aus der philosophischen und: theologischen! Tradition der griechischen Sprache (lgos, nsis, nos, u. dgl., vollends pnema) und dabei vor allem dem hoch konnotationsaufge-ladenen deutschen Begriff Geist, erst recht statt allen schon mit bestimmten philosophisch-ide-6Dieses eliminativistische Programm mit einem Materialismus verbunden bei P. M. Churchland (vgl. Sci-entifc Realism and the Plasticity of Mind, London 979; ders., The Engine of Reason, The Seat of the Soul,Cambridge(Mass.)995).Soweitmussmannichtgehen. Vgl.allgemeinS. M. Christensen, D. R. Turner (Hg.), Folk Psychology and the Philosophy of Mind, Hillsdale 99.0 hegel-Jahrbuch 2011alistischen Problemfragen verbundenen Begriffen wie Seele, Ich, Cogito, ein neutral, ohne WertungeineshherundeigentlicherdieAusprgungenbergreifenderSachfeldbegriff:dasist heute allem voran der mit dem neuzeitlichen Unternehmen nchterner empirischer Erforschung ver-bundene Begriff mind alles als Ausprgungen bzw. Phnomene von mind. Mind bedeutet dabei zugleich ein bestimmtes Forschungsprogramm, einen bestimmten neuen Typus davon, der das bisherigeTheorievorgehengewissermaenumkehrt:analytisch-zergliederndwiedasneuzeitliche Erfolgsprogramm Mechanik, analytisch bis zu modularen Akten, und wo mglich auch experimen-tell (ggf. gedankenexperimentell) mit Pro- und Kontra-Punkten einer Besttigung abgesttzt; kon-zeptionell, eine Theorie aufzubauen, von unten. Mind bedeutet: von einfachen Beispielen aus, in direkterPrfungbzw.RckversicherungmitGemeinevidenzen,Plausibilittenundempirischem Wissen, ein Modell7 zu entwickeln; und dann zu statuieren, alles andere Geistige sei nur ein eben komplexerer Fall desselben und das werde auf die gleiche Weise demnchst dann auch noch er-klrt werden knnen.8II. Herausgeforderte Wissenschaft(.) Faktizitt der bestehenden Lage ist, noch vor der neuerlichen Renaissance, allemal eine breite Front der Abwendung von einem Denken in Geist: mehrerlei Strnge von Kritik und entworfener Alternative.9IndiesenBewegungen-weg-vom-GeistspiegelnsichdiePhnomen-Dimensionen, Phnomen-Entdeckungen, die das Jahrhundert nach Hegel geprgt haben Phnomen-Aspekte, die dasklassischeKonzeptdesGeistigenwohlinder Tatnichtgengendzum Tragenhatbringen knnen.EswarendieSach-undProblem-ErfahrungenGesellschaft(GesellschaftalsMecha-nismus eigener Regeln und Standards und Dynamik); Leib; Seele (bes. als seelisch-personales Selbst) und Unbewusstes; Instinkt-Prgungen, archaische Affekt-Muster, auch: mit unserer eben an-thropologischen Ausstattung verbundene Funktionen der Situations-Filterung und -Vereinfachung; gewohnheitsmige (oder durch Massen-Konstellationen induzierte) Typik des Reagierens-auf-; andererseits Untersuchungen ber soziale und psychologische Deformationen und Pathologien, auch dereneventuelleRckkorrektur;fernerdieErfahrungMaschine,bes.Fertigungs-Maschineund intelligente Maschine (Denk-Maschine); schlielich die Erfahrungsdimension Information, oder berhaupt die Bedeutung des Steuer-Codes, der software gegenber der hardware. Der Mensch, als real lebendes Wesen, zeigte sich als gar nicht der vorrangig Geist, der er (philosophisch) geschie-nen hatte; und das Nicht- und Pr-Menschliche erwies sich zunehmend als gar nicht so un-geistig, garnichtsoweitentfernt,wieklassischerweisephilosophischangesetztwar.Wieimmermandie Brisanz und Tragweite der einzelnen Punkte bewertet, der Zustand, das wird auch jede Wiederauf-nahme des Hegelschen Gedankens des Geistes zur Kenntnis nehmen mssen, ist eine komplexe wissenschaftliche und auch intellektuelle Gemengelage. Aus jenen Phnomen-Erfahrungen heraus 7In manchem zunchst vielleicht nur Hypothesen dazu.8MitderentscheidendenindirektenAussage:Erklrtwerdenknnen,wennfrdieseAlternativezu Geist jetzt schon mal gengend Forschungsgelder fieen. Mind ist insofern wesentlich auch einForschungsversprechen. Und ein Forschungsfrderungspool.9Als grundlegende Programme Programme eines An-die-Stelle-Tretens sind sie mehr als die klassi-schen,auchsonstformuliertenVorwrfegegendenphilosophischenIdealismus,exemplarischHegel, und seinen Gedanken des Geistes. In ihnen fungieren dann freilich, in je unterschiedlicher Zusammen-stellung, einige Elemente dessen, was man als jene allgemeinen Topoi kennt Vorwrfe wie: Rationali-tts-Lastigkeit; ein gemutmater Theoretizismus (Einseitigkeit des Theoretischen und Intellektuell-Re-fektierten);demBesonderen,IndividuellenundberhauptdemEinzelphnomenkeinRechtzulassen;die Unterstellung allseitiger Sinn-haftigkeit; usw. rainer adolphi, Metaphysische anfangsgrnde der Wissenschaften von geistigeMhabensichBegriffichkeiten,Denkmodelle,epistemischeOrientierungennmlichanwelchenan-deren Wissenschaften , ganze Terminologien und Metaphorik etabliert, und auch die so verschie-denen herausgeformten Alternativprogramme zu Geist haben, jedes fr sich, ihre unbestreitbare Erschlieungskraft, haben einen jeweiligen ganz neuen Erkenntnisertrag entbunden. Auch fr den Gedanken des Geistes hat denn zu gelten, dass die Distanz gegenber der Hegelschen Philosophie undderen Wissenschaftssystemnichteinfachnurborniertoderbsartigist. VondenMotivender Skepsis gegenber dem klassischen Geist-Begriff und dem damit verbundenen philosophischen Idealismusisteinigesschwerabzuweisen.UnddieWissenschaftslageundderProblem-Druck heute sind nicht mehr die von Hegels Zeiten.Gleichwohl:dasFeld,frdaseinstdasphilosophischfundierteKonzeptderWeltdesGei-stigen stand die einzelnen epistemischen Unternehmungen davon geleitet , hat sich nicht beru-higt. Es ist nicht nur die Pluralitt der an die Stelle getretenen Programme, sondern in diesen fungiert augenfllig auch so etwas wie ein Geist inkognito.Eine Pluralitt disparater Auffcherung: denn die herausgeformten Weisen des Statt-dessen sind von Grund auf unterschiedlich und sicher nicht in Eines zu verschmelzen. Divergent sind sie schon wissenschaftsstrukturell und dann auch logisch. Die beiden ersten groen Programme, die symbol-theoretische Problemverlagerung auch Empirisierung und das lebens-philosophische Revire-ment, bedeuten eine Verkulturwissenschaftlichung der Sachverhalte des Geistigen; beim ersten so weit, die Theorieaufgabe und den Theorieanteil in den Wissenschaftsunternehmungen tenden-ziellaufExplikationeinerfungiblenBeschreibungsbegriffichkeitzureduzieren.DieletztenbeidenProgramme,dieRckfhrungdesProblemsauf(alltagsmigesbestrickendes)psychologisches DenkenunddasProgramm,eine Theoriedesmindvonuntenaufzubauen,ineinzelnenanaly-tischen Modellstcken und empirisch gesttzt, zielen faktisch auf eine Austreibung berhaupt des Geistes.UnddieverhaltensbegriffichesowiediesozusagensystemfunktionaleNaturalisierungimplizieren eine Einklammerung des Problems; das klassische Wissenschaftssystem, das auf Geist (Geist philosophisch begrndet) hin ausgerichtet ist, leiten sie auf eine Selbstberschtzung der Rolle des souvernen denkend-handelnden Individuums zurck bzw. eine verfehlte Ich-Fixiertheit beidenFragendesSozial-EntscheidendenderWirklichkeit dieGeist-Phnomeneabernicht eigentlichfalschoderschimrisch,vielmehrdurcheineumfassendere Wissenschaftsperspektive berformt(mitderBegriffichkeitdesVerhaltensdabeisogareinKonzept,daseineontologischeNeutralitt wahrt).Zudem kommen das Theoriedenken und mehr noch die entsprechende Wissenschaftspraxis wohl in all diesen Alternativen nicht wirklich los vom Geist los davon, irgendwo im Kern der Kon-zeption eine Struktur von der Art des Geistigen anzusetzen und dienstbar zu machen: sei es ein Geist des Schpfertums d. h. welcherlei Bedeutungen geschaffen und herausgestellt worden sind (zueinerWeltdesSymbolischen);einGestalt-Geistder(wahrhaften,authentischen)Vitalquel-le,sonstmitdemlebens-philosophischen ArgumentdesDahinter-bzw.Darunterliegendennur zirkulrdasfaktischZur-Geltung-Gekommene,Sich-geltend-Machendeaffrmiert;indemverhal-tensbegriffichen Programm effektiv eine Verschiebung von Geist auf hxis,habitusu. .(je-denfallsinRestdimensionen,wosonstinderTatallesVerhaltennuralsKonditionierunggefasst werden msste) und dann eben bald auch so etwas wie habits of the heart einrumen zu mssen, d. h.eineganzeinnere,nichtnuradditiveProflstrukturoderWeisediesesVerhaltens;einGeistdesSystems,d. h.dieindenInstitutionenderWirklichkeitinkorporiertenFunktionsstandards desWieundzugleicheinegewisse(Basis-)Mentalittder Agierenspole(Individuen,Gruppen, Funktionstrger), ohne die (bzw. deren relative Stetigkeit) der Mechanismus des Ganzen nicht seine Integrationskraftaufrechterhaltenknnte;eine undnursovomGanzenabziehbare,rausrechen-bare Logik der Alltagspsychologie; oder beim letzten Programm als bleibendes Kernproblem der Einheitscharakter der modularen Akte sowie der Zusammenhang von objektiver Theorie-ber- und menschlicher Binnenerfahrung desselben (Intentionalitt, Qualia, Selbstbewusstsein, ). hegel-Jahrbuch 2011(.)WieindieserkomplexenLage,dieVernderungendeswissenschaftlichenFeldesund schlichtdieGegebenheitenheutigenDenkensernstgenommen,Orientierung?0Ichmchtehier zunchst zwei Schritte der Problemstrukturierung und dadurch -eingrenzung vorschlagen. Der erste isteinstrategischer. AngesichtsderstrukturellenwiesachinhaltlichenUngeklrtheitenindenzur Etablierung gekommenen Alternativen muss man die Frage des Geistigen und dann die eventu-elle Verteidigung Hegels allem voran wohl umgekehrt stellen: Was wre, was bliebe ein Denken ohne Geist? Was geriete aus dem Blick bzw. ist im gegebenen Fall immer verloren gegangen , wenn man sich von der Tradition Hegels gnzlich abschnitte? Was verlre das Denken und auch die Wissenschaften , wenn das Konzept des Geistes und damit die in ihm gefassten Einsichten verabschiedet wrden?Das freilich ist gegenwrtig noch in keiner Weise global abzusehen. Zumal auch das allermeiste der Programme des Statt-dessen heute, und erwartbar noch lange, mehr Anspruch denn Wirklichkeit ist. Was aber andererseits eben auch nicht heien muss, dass die Motivationen hinter jenen Program-men, und der erfahrene Problemdruck, ohne Substanz sind. Das Vorgehen, das in diesem Gegeben-heits-Bewusstsein sich nahelegt, wre ein noch vor jeder sachmaterialen Entscheidung oder Thesis liegendes gezielt strategisch sich begrndendes. Es liee sich vereinfacht das Prinzip der strkeren Wissenschaft nennen. Nach dieser Maxime glte zweierlei: Wasdurchandere Wissenschaften derempirischenErforschungnaturalerManifestationen nhereWissenschaften(Psychologie,Sozialwissenschaften,Mentalittsgeschichte,Gesellschafts-analyse,Kognitionsforschung,Sprach-/Symbol-/Werte-/Diskurs-/Interaktionsforschung) auf verobjektiviert-allgemeine Zusammenhnge gebracht werden kann, muss zunchst soweit mglich dieserempirischenKonkretheitundBreitezugeordnet,d. h.berantwortetwerden;Philosophie stehtdabeiinderbegleitendenRolle derRollederKlrungresp.BegrndungderBegriffeund Rolle,wissenschaftstheoretischeRefektiertheitbeizusteuern(sowieimgegebenenFallauch:wis-senschaftshistorische Bewusstheit). Oder anders gesagt: Wenn es fr denselben Sachverhalt, dassel-be Wirklichkeitsphnomen beides gibt oder sich entwickeln liee, ist es die Philosophie sowie die Rede von nicht-naturalem Geistigem, geistigen Faktoren, deren Bestimmungsmacht , die in der Beweispfichtist:wasesbeitrgt,warumeserforderlichist,diesnichtnuralsnatural,d. h. ber das natural Erfass- und Erklrbare hinaus auch noch als wesentlich geistige Dimension, Ausdruck des Geistigen zu fassen. Die eine Seite der Maxime also: Problem- und Phnomenverstndnis mssen auf erforschungsweiteste empirische Offenheit angelegt sein. Empirisierung in dieser Weise aber bedeutet zunchst und unabhngig davon, dass dann eventuell in vorsichtige Terminologien, dass es sich dabei um Geistiges handle, transponiert ein Vorgehen, bei dem nicht zu sehen wre, worin es sich von dem bei aller anderen Wirklichkeitsnaturalisierung unterscheiden sollte: bedeutet Naturalisierung,naturaleManifestationen.DiesisteinerkenntnisstrategischerNaturalismus,ge-nauer Basis- oder Primrnaturalismus. Andrerseits, zweitens, besteht keinerlei Veranlassung, mit fiegenden Fahnen berzulaufenzumNaturalismusalsWissenschaftsbegrndungresp.einemirgendontologischenFundamental-naturalismus, berzulaufen zu einem pathetisch abgeklrt sich gebenden Anti-Geist-Denken. Ver-anlassungmitSicherheitnicht,solangesolchesDenkenund Wissenschaftnichteinevollstndige gleichgehaltvolle Erkenntniseinsicht beibringt,