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Heiner Haass [Hrsg.] StadtWasser Wasserkonzepte für die Stadtgestaltung

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Heiner Haass [Hrsg.]

StadtWasserWasserkonzepte für die Stadtgestaltung

Heiner Haass | Felizitas Romeiß-Stracke | Reinhard Vogt Hans-OISEAU Kalkmann | Dieter Magnus | Ludwig FrommKarl Michael Probst | Dirk Schubert | Franz-Peter BodenPeter Klopf | Marta Moretti | Gabriel de SandovalLars-Jörn Zimmer | Herbert Traub | Matthias SchiminskiMartin Enderle | Karell Pitsch | Stefan HeimannPetra Podraza | Mathias Uhl | Georg Schrenk

StadtWasserWasserkonzepte in der Stadtplanung

Heiner Haass | Felizitas Romeiß-Stracke | Reinhard Vogt

Hans-OISEAU Kalkmann | Dieter Magnus | Ludwig Fromm

Karl Michael Probst | Dirk Schubert | Franz-Peter Boden

Peter Klopf | Marta Moretti | Gabriel de Sandoval

Lars-Jörn Zimmer | Herbert Traub | Matthias Schiminski

Martin Enderle | Karell Pitsch | Stefan Heimann

Petra Podraza | Mathias Uhl | Georg Schrenk

StadtWasserWasserkonzepte in der Stadtplanung

Fraunhofer IRB Verlag

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.ISBN (Print): 978-3-8167-8108-0ISBN (E-Book): 978-3-8167-9936-8

Lektorat: Susanne Jakubowski

Herstellung: Dietmar Zimmermann

Umschlaggestaltung: Martin Kjer unter Verwendung eines Bildes von M. Uhl

Satz: Satzkasten, Stuttgart

Druck: DZA Druckerei zu Altenburg GmbH, Altenburg Für den Druck des Buches wurde chlor- und säurefreies Papier verwendet.

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Vorwort des Herausgebers

Wasser war der Ausgangspunkt für menschliches Siedeln und Stadtgründungen. Zur existentiellen Sicherung und als Lebensgrundlage war und ist Wasser ein notwendiges Gut. Der uneingeschränk-te Zugang und die Nutzung von Wasser waren in der Geschichte stets ein Streitpunkt zwischen ganzen Völkern. Gerade weil die Existenzsiche-rung so eng mit dem Wasser verbunden ist, kommt dem Wasser auch heute eine zentrale Bedeutung im menschlichen Leben zu. Wasser wird damit zu einem Wirtschaftsgut, das in kommenden Jahren eine ähnlich hohe (finanzielle) Bedeutung erhält wie das Erdöl.Heute ist sauberes Trinkwasser eine Selbstver-ständlichkeit, über deren Wert sich kaum jemand nähere Gedanken macht. Welcher Aufwand und welche Kosten dahinter stehen, dieses Gut ständig und überall in einer Großstadt verfügbar zu haben, wird beim Aufdrehen des Wasserhahns kaum be-dacht. Wasser im Stadtraum jederzeit und überall verfügbar, ist heute daher zu einem selbstver-ständlichen Faktor geworden.

Wasser hatte immer schon sehr vielfältige Aufga-ben und Funktionen.Neben dem Trink- und Brauchwasser hatte Wasser auch eine strategische Aufgabe. Neben dem Trink-wasser ist Wasser in der Landwirtschaft unent-behrlich. Dürreperioden haben früher wie heute zu Ernteausfällen und Engpässen in der Versorgung geführt. Allein an diesem Beispiel wird deutlich, in welch hohem Maß das Wasser für unsere Existenz wichtig ist.In der Entwicklung der Städte kommt dem Wasser erstmals auch eine gestalterische und repräsen-tative Bedeutung zu. Die Einbindung des Wassers zur Gliederung des Stadtraums durch Brunnen, Fontänen und Teiche brachte in der Neuzeit erst-mals Wasser erlebbar in das Stadtbild. Und wei-terhin kommt dem Wasser auch eine stadtökologi-sche Bedeutung zu, indem Themen wie Grundwas-ser, Bodendurchlässigkeit, Mikroklima etc. wichtig werden.

Es geht in diesem Buch daher um Wasser im Stadtraum als Element urbaner Qualität, in dem das Wasser neben seiner Funktion als Trink- und Brauchwasser, Stadträume gliedert, strukturiert und belebt. Wasser will erlebbar und wahrnehm-bar und nicht in Dükern verrohrt unter der Stadt fließen. Dadurch kommt dem Wasser neben einer städtebaulichen Wirkung auch noch eine ökolo-gische Komponente zu. Und diese Sichtweise ist für eine ganzheitliche Betrachtung des Wassers im Stadtraum notwendig. Dabei geht es um vier Komponenten des Wassers: die stadtgestaltende, die ökologische, die konstruktive und die hygie-nische. Nur die paritätische Betrachtung dieser vier Ebenen lässt eine zukünftige Entwicklung des Wassers im städtischen Raum sinnvoll und nachhaltig erfolgen. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass sich aus der Gruppe der Wasserbau- und Wasserwirtschaftsexperten im Frühjahr 2008 die Initiative FLUR (Fließgewässer im urbanen Raum) gebildet hat, die sich erstmals interdisziplinär mit allen Fragen der Fließgewässer im städtischen Raum befasst. Daneben gibt es aber auch noch stehende Gewässer und künstli-che Gewässer.

Das Vorkommen von Wasser im Stadtraum be-ginnt mit Brunnen, Wasserläufen und Becken/Bassins und zeigt gerade in diesen kleinen aber vielfältigen Vorkommen große stadträumliche Wir-kung. Neben den künstlichen und gebauten Was-seranlagen spielen die natürlichen Gewässer (flie-ßend und stehend) wie Seen, Flüsse und Bäche oder Meeresküsten eine große Rolle. Wasserfron-ten von Städten an Gewässern werden durch das Wasser zu neuen urbanen Quartieren und Zentren. Die Revitalisierung oder Umnutzung von Indust-riebrachen und Hafenanlagen stehen derzeit bei Stadtplanern sehr hoch im Kurs und erscheinen als eines der letzten großen Spielfelder für Stadt-entwicklung im großen Rahmen.

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VORWORT

Zahlreichen internationale Wasserfrontprojekte zeigen eindrucksvoll die Breite und Fülle der Stadtentwicklung am Wasser. Dabei zeigen nicht alle Projekte und Beispiele die gewünschte und erhoffte Wirkung und Qualität, aber die Vielzahl der posi tiven Vorbilder überwiegt. Grundsätzlich haben Städte von ihren »Wasserprojekten« immer profitiert und im Endeffekt standen sie nach Ab-schluss der Projekte besser da als vorher. Durch-weg haben sich die Investitionen, gleich ob öffent-lich oder privat, für die Städte gelohnt. Entweder ist die Wirtschaftskraft der Stadt gewachsen oder ihr Image hat erheblich positiv zugenommen.

Stadtentwicklung am Wasser und mit dem Wasser ist ein noch junges Entwicklungsgebiet der Stadt-planung. Es wird eine Querschnittsaufgabe sein, die nicht allein durch die Kompetenz der Stadt-planung gelöst werden kann. Dieses zeigt gerade sehr eindrucksvoll die Initiative und ersten Projek-te der FLUR. Es ist auch gerade dieses der Reiz, der die Entwicklungen am Wasser ausmacht, die vielfältigen Ansätze und Querbeziehungen zu den unterschiedlichsten Disziplinen.

Die Arbeit »StadtWasser« soll diese hohe Vielfältig-keit des Wassers in der Stadt aufzeigen und in den wesentlichsten Bereichen von Stadt und Wasser darstellen, was durchgeführt werden kann und wie derartige Projekte bearbeitet werden. Ebenso wer-den positive Beispiele aus internationalen Städten dargestellt, um aus der Praxis gute Erfahrungen weiterzugeben.

An dieser Stelle sei Dank an alle gerichtet, die als Autoren mit ihren Beiträgen tatkräftig zum Gelin-gen dieser Arbeit beigetragen haben. Auch wenn es schwer fiel die Beiträge unter dem gesetzten Termindruck bereitzustellen, konnte doch zum ver-einbarten Termin das Manuskript erstellt werden. Dank an die Autoren für die vielen sehr guten Bild-illustrationen, die gerade ein solches Buch inter-essant machen.Und schließlich soll auch den Helfern gedankt werden, die dank ihrer fleißigen Mithilfe in der Redaktion zur Fertigstellung des Manuskriptes ge-sorgt haben. Frau Gudrun Nitschke und Dipl.-Ing. (FH) Nicole Thiemicke haben durch ihre Arbeit in der Schlussredaktion zum Gelingen des Buches beigetragen.

Hannover, 2009Heiner Haass

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Inhalt

Vorwort des Herausgebers 6

Inhalt 8

1 Grundlagen des Wassers in der Stadt 11

1.1 Siedlungsgründungen und -entwicklungen am Wasser 111.2 Sehnsucht nach Wasser und Natur 151.3 Hochwasser und Fluten 20

2 Städtisches Wasser 33

2.1 Definition und Funktionen 332.2 Künstliches Wasser 362.3 Spielwasser & Wasserspiele 462.4 Erholung, Sport und Tourismus am Wasser 582.5 Wohnen auf dem Wasser 612.6 Hafen- und Stadtentwicklung im Gleichgewicht 702.7 Transformationsprozesse an der Wasserkante 79

3 Städtische Wasserkonzepte und Beispiele 89

3.1 Der WasserMasterplan als Entwicklungs instrument 893.2 Lübeck, das Tor zur Ostsee 933.3 Wien und das Wasser 1053.4 Venedig, Stadt der Vergangenheit und der Zukunft 1133.5 Der Hafen von Barcelona 1233.6 Die Bitterfelder Wasserfront 131

4 Methoden, Instrumente und Umsetzung von Wasserprojekten 137

4.1 Stadtgestaltung mit Wasser 1374.2 Wasser – als Gestalt, ein kulturgeschicht licher Aufriss 1394.3 Wasser und Licht – eine ideale Verbindung 1494.4 Umsetzung von Konzepten und ihre Akteure 1594.5 Schwimmende Häuser und Immobilien wirtschaft 165

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INHALT

5 Technische Aspekte der Planung 173

5.1 Architektonische und konstruktive Kriterien/Nachhaltigkeit 1735.2 Technische Aspekte der Stadtgewässer 1755.3 Ökologische Aspekte urbaner Gewässer 1835.4 Regenwasserbewirtschaftung im städtebaulichen Kontext 192

6 Anhang 208

6.1 Normen, Richtwerte, technische Hinweise zum Planen und Bauen am Wasser 2086.2 Literatur und Fußnoten 2126.3 Bildnachweise 2186.4 Autorenverzeichnis 219

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Heiner HaassEine höchst vielfältige und wechselhafte Ge-schichte ist die Entwicklung des Wassers in der Stadt. Diese spannende Geschichte befindet sich zwischen dem lebensnotwendigen Erfordernis des Wassers für die Stadtbewohner und in dem Flächenanspruch oberirdischer Gewässer. Flüsse, Bäche und Seen lieferten zwar jederzeit Trink- und Brauchwasser, sie erforderten aber auch Flächen in der engen Stadt des Altertums und vor allem in der Stadt des Mittelalters.In diesem Spannungsbogen verlief die Entwick-lung der Siedlungswasserwirtschaft über viele Jahrhunderte. Dabei kam dem Wasser zusätzlich eine strategische und eine wirtschaftliche Bedeu-tung zu. Wasser war Sicherung, Grenze, Transport-weg oder Revier zum Fischfang – alles bekannte Nutzungen des Wassers im Altertum.

Die Antike wird als die Epoche der ersten großen Stadtgründungen in Europa angesehen.Diese waren immer an die Existenz von Wasser ge-koppelt. Wo Wasser vorhanden war, konnte auch gesiedelt werden. Wesentlich dabei war, neben dem oberirdischen Wasservorkommen, auch die Möglichkeit Brunnen anzulegen, bereits in der An-tike die bevorzugte Lösung für sauberes Trinkwas-ser. Flüsse dienten eher als Abwasseranlagen und kaum zur Trinkwasserversorgung. Die Brunnen-anlagen innerhalb der Städte dienten der unein-geschränkten Trinkwasserversorgung. Die Vergif-tung eines Brunnens war unter schwerste Strafen gestellt und ist heute noch unter der Bezeichnung »Brunnen vergiften« bekannt. Die großen Städ-te der römischen Antike hatten einen immensen Wasserbedarf, der durch Thermen, häusliche Was-serversorgungen und öffentliche Wasseranlagen etc. zustande kam. Deren Versorgung erforderte gigantische Mengen an frischem Wasser in den Städten, welches aus nahe gelegenen Bergen über Aquädukte in die Städte geleitet wurde. Auch die Verteilung dieses Wassers durch Leitungen inner-halb der Städte war eine ingenieurtechnische Leis-tung der römischen Antike.Ein gestalterisch-ökologischer Umgang mit Was-ser kann in der antiken Stadt z. B. innerhalb der Häuser im Impluvium festgestellt werden.

1 Grundlagen des Wassers in der Stadt

1.1 Siedlungsgründungen und -entwicklungen am Wasser

Das römische Atriumhaus hatte über dem Atri-um eine Öffnung im Dach, das Impluvium, durch das Licht und Regenwasser in den Innenhof fie-len. Das Wasserbecken des Atriums diente neben architektonisch-gestalterischen Zielen auch der Luftbefeuchtung und -kühlung des Atriums und des gesamten Hauses.Wasser in der antiken Stadt musste bewältigt wer-den, was besonders beim Oberflächenwasserab-fluss interessant ist. Die Versiegelung der Römi-schen Stadt war erheblich. Regenwasser wurde zumeist oberirdisch, d. h. auf der Straßenfläche entwässert. Hierzu war der Straßenquerschnitt entsprechend trogförmig ausgebildet und konnte Regenwasser bis zu ca. 30 cm Stauhöhe ableiten. Trittsteine im Schrittmaß gesetzt, ermöglichten ein Überqueren der Straße auch bei Regen.Aber auch Wasserspiele wie Kaskaden, Spring-brunnen und andere waren in den antiken Städten bereits bekannt und konnten technisch gebaut und betrieben werden. Zum Zwecke der Brandbe-kämpfung war eine Lage der Stadt an einem Fluss o. ä. besonders wichtig, um entsprechende Men-gen an Löschwasser zu sichern. Da das Römische Imperium sich rund um das Mit-telmeer erstreckte und weitere Meere (Atlantik, Schwarzes Meer) angeschlossen waren, spielte die Weite des Meeres und das Licht des Meeres/Wassers für den Menschen der Antike eine zent-rale Rolle. Wasser war weniger eine unmittelbare Bedrohung, als vielmehr etwas Mystisches in Ver-bindung mit etwas Nützlichem und Angenehmem. Zahlreiche Götter, die im Zusammenhang mit Was-ser standen, sind bekannt. Und schließlich waren durchaus der medizinisch-therapeutische Wert des Wassers und der Badekuren im heutigen Sinn bereits bekannt.Der Umgang der Stadt mit dem Wasser änderte sich in den Epochen des Mittelalters grundlegend. Zahlreiche kleine und kleinste Herrschaftsberei-che in Europa kennzeichneten das Mittelalter und der eigene Schutz der Stadt stand im Vordergrund. Städte wurden befestigt, indem sie mit schützen-den Wassergräben umringt wurden. Wasser wurde so zu einem bedeutenden Sicherungs- und Schutz-element der mittelalterlichen Städte und trug zum

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1 GRUNDLAGEN DES WASSERS IN DER STADT

Überleben bei. Wasser wurde zur Notwendigkeit, beispielsweise durch die Schifffahrt der Hanse zu einem wirtschaftlichen Netzwerk.Die bauliche Enge mittelalterlicher Städte zwang zu Gemeinschaftsbrunnen, die existentiell wichtig waren. Wasser wurde damit zu einem wertvollen Gut. Katastrophal waren Abwassersituation und Feuerlöschung. Ausreichend Wasser zur Brand-bekämpfung war das allergrößte Problem. Was-sermangel hat ganze Städte mehrmals abbrennen lassen. Es ist auffällig, dass viele Technologien und wasserbauliche Konstruktionen der Antike im Mittelalter nicht genutzt und weiterentwickelt wurden. Andererseits ist dies durch die grundsätz-lich andere städtebauliche Situation der Städte erklärbar. Die Fläche der Städte war sehr begrenzt und erlaubte kaum aufwendige wasserbauliche Anlagen, wie Aquädukte, Thermen, Kanäle etc. Diese Faktoren zusammen machten eine geregel-te Wasserversorgung in der mittelalterlichen Stadt äußerst schwer bis unmöglich. Die prekären hygie-nischen Verhältnisse in diesen Städten dokumen-tieren eindrucksvoll mangelhafte Zustände, nicht zuletzt hervorgerufen durch den Mangel an aus-reichendem und sauberem Wasser. Interessant ist, dass diese Situation in völligem Gegensatz zur antiken Situation der offenen Stadt mit einer großzügigen Wasserversorgung und -verwendung stand. Die besondere Schutzsituation der mittel-alterlichen Stadt bedingte diese Einschränkungen im Umgang mit dem Wasser.Gleichwohl spielte der Umgang mit dem Wasser für den Menschen des Mittelalters eine bedeuten-de Rolle. Das Baden als Ritual, die christliche Tau-fe oder die handwerkliche Verwendung von Was-ser (Wassermühlen, Wasserfahrten etc.) zeigen dieses sehr eindrucksvoll. Insbesondere das Bad, auch als geselliges Event, fand im Mittelalter eine große Bedeutung. Es diente nicht allein der Kör-perreinigung, sondern hatte vielmehr rituelle und gesellschaftliche Funktionen und Bedeutungen, ein damit durchaus dem Wasser verbundenes Ver-ständnis und bisweilen großzügigen Umgang mit dem nassen Element. Ebenso erhielt die Schiff-fahrt, als Verkehr auf dem Wasser, im Mittelalter eine neue Komponente. Mit dem Entstehen der

Hanse wurde erstmals in Europa ein Wasserwege-netz errichtet und wirtschaftlich genutzt. In diesen frühen Jahrhunderten des Mittelalters wurde im Zuge dessen die Schiffstechnik sehr schnell wei-terentwickelt, was insgesamt das Verhältnis der Menschen zum Meer und Wasser begünstigte.In den späteren Jahrhunderten des Mittelalters ka-men die Entdeckungsfahrten der Seefahrer hinzu, die eine weltweite Schifffahrt bedeuteten. Diese Epoche bedeutete einen neuen Umgang mit Was-ser, Meer und Schifffahrt. In Europa entstanden viele neue Hafenstädte mit Schiffswerften, erste Marineschulen wurden errichtet und das naturwis-senschaftliche Wissen und Verständnis über hyd-rologische und meteorologische Zusammenhänge zwischen Klima und Wasser wurden bekannt. Was-ser war Lebensgrundlage und Notwendigkeit, ge-stalterischer oder ökologischer Einsatz von Was-ser waren aber noch völlig undenkbar.

Erst die Neuzeit brachte hier eine Wende oder vielmehr eine Rückbesinnung auf Wassernutzun-gen und -techniken der Antike. Die Renaissance begann sich erstmals wieder auf antike Elemente wie Brunnen, Wasserspiele und Wasser im Stadt-bild zu besinnen.Die Parkanlagen des Barock spiegeln eine »zu-rechtgerückte« Welt wieder und verwenden viel Wasser, nun in gebauter Form als Kaskaden, Brun-nen, Fontänen o. ä. Die Perfektion dieser Kunst-werke ist bemerkenswert und eigens für Wasser-spiele ausgebildete Personen, wie z. B. Fontai-neure, konnten die Techniken und Konstruktionen optimieren.Die Verwendung von Wasser in der modernen Stadt erhielt eine neue Richtung. Mit der Indust-rialisierung explodierten die Städte Europas. Die hygienischen Bedingungen hatten noch mittelal-terlichen Standard und Dimensionen. Jedoch wur-den erstmals Wasserleitungen und Abwasserka-näle gebaut. Eine technische Errungenschaft, die vielen heute als Selbstverständlichkeit mit langer Geschichte erscheint. Doch die meisten Abwas-serkanäle europäischer Großstädte sind kaum 200 Jahre alt. Bis dato war die mittelalterliche Situation einer Wasserver- und entsorgung in den meisten

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1.1 SIEDLUNGSGRÜNDUNGEN UND -ENTWICKLUNGEN AM WASSER

Städten tägliche Praxis. Erst die Technik einer modernen Großstadt machte die Verwendung von Wasser im großen Rahmen möglich. Lösch-wasserhydranten, Bewässerung von Grünanlagen und vieles andere mehr waren erst durch Technik möglich. Aber auch Bau und Unterhalt von stadt-gestaltenden Anlagen mit Wasser erforderten gro-ßen Technikeinsatz. In der Phase der Industrialisierung entwickelten sich in vielen »Wasserstädten« Häfen, die aber mit der eigentlichen Stadt baulich kaum Gemein-samkeiten haben. Ein wesentlicher Schub für die Entwicklung europäischer Hafenstädte war die Stärkung der nationalen Marinestreitkräfte im 18. Jahrhundert. Fast alle europäischen Nationen stärkten ihre Seestreitkräfte und bauten Hafen-städte. Das Meer als Kampfplatz wurde entdeckt und mit den neuen Techniken, wie Dampfmaschi-nen, Stahlbau, Navigation etc. aufgerüstet. Diese Kriegshäfen hatten kaum Verbindungen zu existie-renden Küstenstädten und waren Retortenhäfen in isolierten Lagen. Gleichermaßen wurden gewerbli-che- oder Handelshäfen dieser Zeit am Rand der Städte errichtet und nicht in das Stadtbild einer Küstenstadt integriert. Hafen und Stadt waren zwei separierte Bereiche, die in keinem städtebau-lichen Zusammenhang standen. Interessant ist, dass sich die meisten Städte nach der Industria-lisierung mit ihrem Gesicht vom Wasser abgewen-det haben. Hafen und Stadt entwickelten sich also parallel. In der Zeit der Industrialisierung wurde Wasser in der Industrie und ihren Fabriken in großer Menge benötigt – zum Kühlen, Waschen, Energie erzeu-gen, als Transportweg aber auch als Energieliefe-rant. Damit setzte die industrielle Verschmutzung des Wassers ein. In der Industrialisierung wurden zahlreiche Kanäle und Wasserwege in Mitteleu-ropa gebaut, teils aus wirtschaftlichen, teils aus strategischen Gründen. Binnenhäfen, Schleusen, Schiffshebewerke wurden errichtet, die größten-teils heute als Technische Denkmäler besichtigt werden können.Die Schifffahrt ist industriell geprägt und das Wasser ein Wirtschaftswegenetz. Die »schöne« Seite der Städte war nicht die Wasserfront, son-

dern vielmehr innerstädtische Plätze, Boulevards oder andere Zentren. Die Städte entwickelten sich landeinwärts und standen mit dem Rücken zur Wasserfront. Das Image der Stadt am Wasser oder der Hafenstadt wurde kaum aus der Wasserlage gebildet, sondern vielmehr durch andere Qualitä-ten der Stadt. Die Wasserseite war das industri-ell-gewerbliche Areal, das kaum zur städtischen Repräsentation nutzbar war. Diese Entwicklung hat über viele Jahrzehnte angehalten und ist erst durch die Wasserfrontbewegung der 90er Jahre beendet worden.Weltweit entwickeln seitdem Städte ihre Hafenan-lagen und Wasserfronten. Man hat die Qualität der »Stadt am Wasser« wieder entdeckt und heute zei-gen bereits viele internationale und gute Beispiele, was alles aus einer Stadt am Wasser entwickelt werden kann. Es ist deutlich und bekannt gewor-den, dass das Image einer Stadt durch eine gute Wasserfrontentwicklung völlig gewandelt werden kann. Aus ehemaligen Industriestädten können durch gute Wasserlageentwicklungen und Was-serfrontprojekte attraktive Dienstleistungs- oder sogar Tourismusorte werden. Das Element Wasser rückt dadurch wieder stärker in den Lebensmittel-punkt der Bewohner und Besucher und stärkt die Attraktivität der Städte.

Wasser in der Stadt hat heute aber noch eine weitere interessante Komponente, den ökologi-schen Nutzen. Der Wert des Wasserkreislaufs ist erkannt, daher versucht man diesen in der Stadt möglichst wieder intakt herzustellen.Versiegelte Flächen werden wieder geöffnet, ver-rohrte Wasserläufe renaturiert und der Grund-wasserhaushalt durch geregelte Versickerungen stabilisiert.Die ökologische Bedeutung des Wassers wurde bislang als »softe« Komponente betrachtet und entsprechend gering in der Stadtentwicklung be-rücksichtigt. Es war lediglich eine »schmückende« Beigabe etwas Ökologisches mit dem Wasser an-zustellen. Der messbare Nutzen und die ökologi-sche Notwendigkeit Wasserkreisläufe zu stabilisie-ren, waren bis dato fast unbekannt.

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1 GRUNDLAGEN DES WASSERS IN DER STADT

Die Gleichwertigkeit mit anderen Bereichen der Stadtentwicklung ist erkannt und bringt zahlrei-che neue Ansätze in der Arbeit mit Wasser in der Stadt. Interessant und innovativ sind Projekte, die sowohl gestalterische wie ökologische Elemente in sich vereinen. Die Suche nach Gemeinsamkei-ten steht im Vordergrund und Initiativen, die diese Gemeinsamkeiten vereinen zeigen den Weg. Es ist erfreulich, wie schnell dieser neue Ansatz in Form von Projekten umgesetzt wird.

Und schließlich ereilt uns derzeit ein weiteres Wasserthema, das eigentlich schon uralt ist, aber heute eine für uns neue Qualität erreicht hat: Flu-ten und Hochwasser. Ein Stichwort, das schreckli-che Assoziationen weckt und häufig als Schrecken der Zukunft dargestellt wird. Obwohl es immer Fluten gab, erschreckt uns ihre Zunahme und die ansteigende Höhe der Flutpegel. Klimawandel wird als Grund für die Zunahme von Fluten angesehen. Klimaerwärmung, Abtauen der Gletscher und Po-

le und der hierdurch hervorgerufene Anstieg der Meeresspiegel werden sicherlich in einzelnen Re-gionen der Welt über andere und neue Formen der Stadtentwicklung entscheiden.Am Beispiel der Stadt New Orleans wird deutlich wie tiefgreifend Veränderungen durch Flutsituati-onen wirken können. Es gibt auf der Welt weitere ähnlich tiefliegende Städte, die letztlich ein ähnli-ches Schicksal wie New Orleans ereilen könnte.Die Aufgabe unserer Folgegenerationen von Stadtplanern besteht darin, sich frühzeitig mit die-ser neuen Situation vertraut zu machen und wei-terhin interdisziplinär Konzepte zu entwickeln, wie in der Stadt mit zunehmenden und ansteigenden Fluten umgegangen wird. Innerhalb der Geschich-te der Städte am Wasser wird hierdurch weltweit eine neue Epoche eingeläutet und es kann davon ausgegangen werden, dass es bereits in zwei bis drei Generationen innovative Konzepte für Städte am Wasser geben wird.