Henning Ottmann - Hegels Rechtsphilosophie und das Problem der Akkomodation

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  • 8/10/2019 Henning Ottmann - Hegels Rechtsphilosophie und das Problem der Akkomodation

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    Hegels Rechtsphilosophie und das Problem der Akkomodation. Zu Iltings Hegelkritik undseiner Edition der Hegelschen Vorlesungen ber RechtsphilosophieAuthor(s): Henning OttmannSource: Zeitschrift fr philosophische Forschung, Bd. 33, H. 2 (Apr. - Jun., 1979), pp. 227-243Published by: Vittorio Klostermann GmbHStable URL: http://www.jstor.org/stable/20482959.

    Accessed: 19/05/2014 09:52

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    DISKUSSIONEN

    HEGELS

    RECHTSPHILOSOPHIE UND DAS PROBLEM

    DER AKKOMODATION

    Zu

    IltingsHegelkritik und seinerEdition

    der

    HegelschenVorlesungen uber

    Rechtsphilosophie

    von

    Henning Ottmann,

    Munchen

    IltingsEdition derVorlesungen Hegels uiberPhilosophie des Rechts ist

    eines der Ereignisse der

    Hegelforschung

    in

    diesem

    Jahrhundert.Durch

    die

    zugige und sorgfialtige

    Herausgabe

    der

    Texte

    hat sich

    Ilting

    um

    die

    Sache

    der

    Hegelforschung verdient gemacht.

    Der

    Leser findet nicht nur bisher

    unbekannte

    Notizen zur

    Enzyklopadievorlesung

    aus

    den

    Jahren

    1818

    und

    1819,

    er

    st6Bt nicht nur auf eine

    Sammlung

    sonst

    schwer

    zuginglicher

    erster

    Stellungnahmen

    zur

    Rechtsphilosophie

    von

    18201,

    sonderner erhiilt

    hiermit vor allem

    den Zugang

    zu

    den

    Nachschriften

    der Hegelschen

    Vor

    lesungen iuber

    hilosophie

    des

    Rechts, die

    bisher

    nur von einzelnen

    For

    schern

    erwahntworden waren.

    Das

    Kernstiuck

    er

    Edition bilden die Nach

    schriften

    der

    Vorlesungen,

    die

    von

    Homeyer

    (1818/19),

    Hotho

    (1822/23

    ,

    v. Griesheim (1824/25) und D. F. StrauB (1831) aufgezeichnetwurden .

    Auch die

    bisher

    fast

    ausschliel3lich

    enutzte,

    von

    Hegel selbst veroffent

    lichte

    Rechtsphilosophie

    von

    1820 wurde

    in neuer

    Form wieder abge

    druckt. Ilting

    hat sie mit

    -

    im

    groBen und ganzen

    -

    informativen

    OYber

    schriften

    versehen

    und

    um

    die Vorlesungsnotizen der Jahre 1821 bis 1825

    bereichert.

    Letztere

    werden

    dabei

    so

    geschickt

    prasentiert (rechte Seite:

    Text, linke Seite: die dazugeh6rigenNotizen), daB

    sie eigentlich erst durch

    diese Ausgabe benutzbarwerden. Wer

    in Zukunft eine

    Interpretationder

    politischen Philosophie des

    alteren

    Hegel versuchen

    will, wird

    auf die

    I1

    tingsche

    Edition der

    Vorlesungen nicht verzichten

    konnen.

    Was von

    Ilting

    in

    miihsamer Kleinarbeit und

    zum

    Teil nur

    durch den

    Einsatz von Spezialverfahren ntziffert und in iibersichtlicherorm ediert

    wurde,

    ist

    allerdings

    nicht

    nur

    von

    Bedeutung

    fur

    die

    Hegel-Philologie.

    Die

    Publikation

    der

    Vorlesungen scheint vielmehr zum erstenMal dieVoraus

    1

    Nach

    Ilting

    hat

    M.

    Riedel

    diese

    ersten

    Rezensionen

    des Werkes wiederabdrucken

    lassen.

    (Materialien

    zu

    Hegels

    Rechtsphilosophie,

    Bd.

    I,

    Frankfurt

    a.Main

    1975,

    53-206.)

    2

    Neben

    diesen

    Texten

    wurden

    in

    die Edition auch die

    Enzyklop?dieabschnitte

    ?ber

    objektiven

    Geist

    von

    1817

    und

    1827/31

    wieder

    aufgenommen.

    G.

    W.

    F.

    Hegel,

    Vorlesungen

    ?ber

    Rechtsphilosophie

    1818

    bis 1831.

    Edition

    und

    Kommentar

    in

    sechs

    B?nden

    von

    K.-H.

    Ilting,

    Bd.

    I?IV,

    Frommann-Holzboog,

    Stuttgart

    1973?1974. Die Edition wird im

    folgenden

    abgek?rzt

    mit ?Ed.", der

    jeweilige

    Band

    mit

    ?I.-TV.".

    Die

    Rechtsphilosophie

    von

    1820

    wird

    mit

    ?Rph

    1820",

    die

    Enzyklop?die

    mit

    ?Enz."

    wiedergegeben.

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    DISKUSSIONEN

    setzung dafiir

    zu

    schaffen,

    daB strittige

    Fragen der

    Hegelforschung

    dort

    zur

    Entscheidung gebrachtwerden

    k6nnen, wo sie entscheidbar

    sind:

    namlich

    an den

    Texten. Und

    es ist nur zu

    gut

    verstandlich, daB Ilting

    der

    Ver

    suchung nicht widerstehen

    konnte, der Edition

    eine

    Deutung der Hegel

    schen Rechtsphilosophie

    beizusteuern,

    welche die

    meistdiskutierte Frage

    der Interpretation

    der

    politischen

    Philosophie Hegels

    zu

    l6sen verspricht:

    die Frage

    nach der Akkomodation

    an die Restauration.

    Nach

    Ilting

    liegt

    diese vielbeschworene

    Akkomodation vor,

    und sie liiBt sich (quasi erst

    jetzt) schliissig

    beweisen, wenn man durch

    Textvergleiche dieWandlungen

    des

    Hegelschen

    Denkens zwischen 1817

    und den Jahren der Restauration

    verfolgt.

    Mit dieserThese hat Ilting keineswegs ,,eine ganz neueBewertung der

    politischen

    Philosophie" Hegels

    inauguriert3.Der Anspruch

    seiner Inter

    pretation

    besteht

    vielmehr

    darin, die

    wohl

    alteste

    Kritik

    an der

    Hegelschen

    Rechtsphilosophie

    durch Berufung auf

    die

    (um

    die Vorlesungsnach

    schriften erweiterte)

    Textbasis

    beweisbar

    gemacht

    zu

    haben4.

    Zwar

    steht

    Iltin s endgiiltigeStellungnahme

    noch

    aus,

    da

    zwei

    Kommentarbande

    ange

    kindnigt sind,

    welche die

    Edition

    abrunden werden. Dennoch scheint

    es schon

    jetzt

    geboten,

    gegen die von

    Ilting

    an so

    entscheidender

    Stelle vorgelegte

    He

    geldeutung

    Bedenken

    anzumelden.

    Denn

    Iltings

    These

    ist - zumindest

    in

    ihrer

    bisherigen

    Fassung

    -

    eindeutig

    falsch, ein

    Hegelbild,

    das auch

    durch

    die

    Berufung auf

    die

    Vorlesungsnachschriften

    nicht

    aus dem dunklen

    Reich der Hegellegenden in das hellere Licht gesicherterDeutungen ver

    setzt

    werden kann.

    Die

    folgenden

    Argumente sind Zwischenbemerkungen.

    Sie k6nnen

    we

    der die

    gr6Beren

    Untersuchungen vorwegnehmen,

    die

    hoffentlich bald an

    den

    Vorlesungsnachschriften

    unternommenwerden,

    noch k6nnen sie die

    Auseinandersetzung

    leisten, die nach der Ver6ffentlichung

    der Kommen

    tarbande

    zu fiihren sein wird. Ihre Absicht

    ist eine zweifache: erstens

    sollen sie einer

    Prajudizierung

    der Lektiire im Sinne der

    Iltingthese ent

    gegenwirken,

    zweitens gehen sie

    von

    der

    Hoffnung aus, den Autor viel

    leicht zu

    einerRevision

    oder

    wenigstens einerUmformulierung

    seinerDeu

    tung bewegen

    zu

    konnen5.

    3

    So

    f?lschlicherweise

    G.

    Dontschev,

    Zur

    Textgrundlage

    von

    Hegels

    Philosophie

    des

    objektiven

    Geistes,

    in:

    Allgemeine

    Zeitschrift

    fur

    Philosophie

    1

    (1977)

    64.

    4 Da?

    es

    sich

    um

    die

    ?lteste Kritik der

    Rechtsphilosophie

    handelt,

    beweisen schon

    die

    ersten

    Rezensionen

    des

    Werkes

    (z.

    B.

    Ed.

    I,

    403).

    Bei

    den

    Linkshegelianern

    hat

    vor

    allem

    Ruge,

    bei

    den Liberalen

    des

    19.

    Jahrhunderts

    Haym

    den

    Akkomoda

    tionsvorwurf

    popularisiert,

    so

    da?

    er zum

    typischen

    Argument

    linkshegelianischer

    und

    liberaler

    Hegelkritik

    bis

    heute

    wurde.

    Die

    Hege

    Ische

    ?Mitte"

    hat

    dagegen

    seit

    Rosenkranz

    gegen

    dieses

    Vorurteil

    anzuk?mpfen

    versucht.

    Siehe

    dazu

    H.

    Ottmann,

    Individuum und

    Gemeinschaft

    bei

    Hegel.

    Bd.

    I.

    Hegel

    im

    Spiegel

    der

    Interpreta

    tionen,

    Berlin?New

    York

    1977.

    5

    Da

    Dontschev den

    Inhalt der

    Edition

    nur

    referiert

    und

    Walter

    Kern

    Iltings

    These

    weitgehend

    zu

    akzeptieren

    scheint

    (W. Kern,

    Rezension

    der

    Ilting-Edition,

    in:

    Zeitschrift

    f?r

    katholische

    Theologie,

    Bd.

    96

    [1974]

    441-44;

    Bd. 97

    [1975]

    303?06),

    f?hren

    die

    folgenden

    Bemerkungen

    die

    von

    Horstmann

    und

    Nusser

    be

    gonnene

    Auseinandersetzung

    fort.

    R.

    P.

    Horstmann,

    Ist

    Hegels Rechtsphilosophie

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    HEGELS RECHTSPHILOSOPHIE

    229

    I. IltingsThese: Akkomodation bei grundsatzlicherLiberalitat

    Ilting

    nimmt die

    ,,liberalen"Hegeluntersuchungen

    von

    Weil, Ritter,

    Avineri und die ,,liberal-kritische" on Hook auf, um'den Streit uiber

    die

    Hegelsche Rechtsphilosophie durch einen Kompromif3

    zu

    schlichten

    (den

    noch

    am ehesten

    Knox vorweggenommen

    haben

    soil) (Ed. I,

    9

    ff.)6.

    Dem

    nach ist die ,,Grundkonzeption" er Hegelschen Rechtsphilosophie

    ,,libe

    ral

    . . . und fortschrittlich" (Ed. I, 102).

    Ihre

    Liberalitatwirdjedoch ,,ver

    dunkelt"

    durch Hegels

    Anpassung

    an

    die Restauration. Unter dem Ein

    druck

    der

    Mordtat Sands7, der Verfolgung

    einiger

    Hegelschiiler

    als

    ,,Demagogen" (Ulrich,

    v. Henning, Forster, Carove) sowie

    des

    drohenden

    Zugriffs auf die Universitaten, der sich inderEntlassungdes Friesianersde

    Wette ankiindigt (Ed. I, 51 ff., 57 ff.), schwenke (der

    sich

    selbst als einen

    ,,angstlichen"

    Menschen

    charakterisierende)Hegel (Ed. I, 68)

    zwischen

    Mai und November

    1819

    auf die Linie der

    Restaurationspolitik

    ein.

    ZwischenOktober 1819 und

    Juni

    1820 sehenwir

    einen

    Hegel, der an der

    Rechtsphilosophie retuschiert

    und

    kaschiert

    (Ed. I,

    64

    ff.).

    Das Motiv

    seines Positionswechsels

    sei

    ,,Selbstschutz" (Ed. I, 65), jedoch gehe

    es

    Hegel

    ,,nicht

    nur" um

    die ,,Wahrnehmung ersonlicher

    Interessen"

    Ed. I,

    71), sondern

    um

    eine

    ,,Tarnung" m

    Interesse

    der

    ,,Verwirklichung er

    Idee der Freiheit" (Ed. I, 111; III, 50). Die Anpassung an den

    Geist von

    Karlsbad verdiene nicht das Pradikat

    ,,heroisch",

    aberHegel sei eben

    auch

    kein ,,Opportunist" Ed. IV, 50). Seine Lehre beginne sich nach 1819 zu

    spalten:

    in eine

    exoterische

    restaurative

    ,,AuBenansicht",

    ie sich

    haupt

    sachlich

    in

    den Druckwerken spiegele,

    und

    in

    eine

    esoterische

    liberale,

    progressive

    "Innenansicht",

    die Hegel sozusagen

    hinter

    vorgehaltenerHand

    das Produkt

    der

    politischen

    Anpassung

    eines

    Liberalen?

    ,

    in:

    Hegel-Studien,

    Bd.

    9

    (1974)

    241-52.

    K.-H.

    Nusser,

    Hegel,

    ein

    Philosoph

    in

    der

    Verfolgung?

    ,

    in:

    Philosophisches

    Jahrbuch

    83.

    Jg.

    (1976)

    221?30.

    Die

    von

    Nusser

    und

    Horstmann

    angesprochenen philologischen

    Probleme

    werden

    nur

    en

    passant

    diskutiert. Ob

    es,

    wie

    von

    Ilting

    behauptet

    und

    von

    Horstmann

    bestritten

    (a.

    a.

    O.,

    247),

    ein verloren

    gegangenes

    Manuskript

    der

    Rechtsphilosophie gab,

    ob die

    Homeyer-Nachschrift

    die

    ?Urfassung" dieses Manuskripts darstellt, ist f?r unseren Zweck unerheblich, da f?r

    den

    Vergleich

    der

    Texte

    jener

    Jahre

    eben

    nur

    die

    Homeyer-Nachschrift

    und

    die

    Rechtsphilosophie

    von

    1820

    vorliegen.

    Wollte

    man

    die

    Quellen

    selbst

    werten,

    m??te

    man

    wohl st?rker als

    Ilting

    die

    Sonderstellung

    des

    von

    Hegel

    autorisierten

    Textes

    und dann noch einmal die

    Vorzugsstellung

    der nach

    Diktaten verfa?ten

    Nachschrift

    Homeyers

    vor

    den Nachschriften sowohl des bei

    der

    Niederschrift

    erst

    zwanzigj?hrigen

    Hotho

    wie

    des

    ?bieder-m??igen"

    (siehe

    Kern,

    a. a.

    O.,

    304)

    Griesheim

    hervorheben.

    Ilting

    dagegen

    m?chte manchmal

    den

    Quellenwert

    der

    Nachschriften

    ?ber den

    des

    Hegeischen

    Textes

    setzen

    (Ed.

    I,

    126).

    Im

    folgenden

    werden

    alle

    Texte

    als

    gleichwertig

    behandelt,

    um

    Iltings

    These in

    ihrer

    st?rksten

    Form

    aufzunehmen.

    6

    Zu

    den

    Kategorien

    ?liberale"

    Hegelinterpretation

    bzw.

    ?liberale

    Hegelkritik**

    und

    zur

    Einordnung

    der erw?hnten

    Autoren

    siehe Ottmann

    a. a.

    O.,

    Bd.

    I,

    182

    ff.,

    281 ff.

    7

    Ilting

    erw?hnt

    allerdings,

    da?

    Hegel

    bereits

    vor

    der

    Tat

    Sands

    die

    Rechtfertigung

    ?unrechtlicher

    Handlungen**

    aus

    ?moralischer**

    Absicht

    ablehnt

    (Ed.

    I,

    50).

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    5/18

    230

    DISKUSSIONEN

    in ,,vertraulichenGespriichen" oder auch ,,Vorlesungen"preisgebe (Ed.

    IV, 58).

    Als dasGewitter

    voriiberziehe,

    spreche

    er

    (schon

    1822/23) wieder

    offener uber

    seine

    Vorstellung

    von

    konstitutioneller

    Monarchie (Ed.

    III,

    49 f.);

    er hoffe

    nun

    gegen

    den

    Geist von

    Karlsbad

    auf

    die langfristige

    Realisierung

    eines

    ,,auf

    festen

    Rechtsgrundsatzen

    beruhenden

    Beamten

    staates"

    (Ed. III, 50).

    Nachdem

    seine Philosophie

    in

    den spateren

    zwan

    ziger

    Jahren

    jedoch Schule

    zu

    machen

    beginne, werde

    Hegel ,,mehrdenn

    je"

    gezwungen, atif

    ,,Linientreue"

    zu achen

    (Ed. IV, 53). Der

    Gegensatz

    spitzt sich

    zu. In

    seinen

    letzten

    Lebensjahren

    sei

    Hegel

    ,,mehr

    dennje" der

    Philosoph der

    Restauration, aber

    auch ein Professor der

    Philosophie, der

    seineTiitigkeit quasi ,,als

    eine Art

    Kampf

    im

    Untergrund

    gegen ein schein

    bar allmachtiges, aber schlief3lich doch zum Untergang verurteiltes

    System" verstehe (Ed.

    IV, 59).

    II.Die

    Argumente

    imPro und Contra

    Iltings

    These vom

    im

    Grunde

    liberalen,sich

    aber 1819 akkomodieren

    den Hegel,

    die

    am

    Ende

    zum

    Vexierbild

    des bei Linkshegelianern

    wie

    Heine, Ruge, Bruno Bauer,

    Marx und vielen

    anderen so beliebten

    exo

    terisch-restaurativen

    und

    esoterisch-progressiven

    Hegel

    veranschaulicht

    wird,

    ist

    von

    Ilting

    bisher

    nur

    aus

    der Perspektive

    der Jahre

    1818/19 (bzw.

    1817) bis 1831 begrundetworden. Daraus ergibt sich, daB entscheidende

    Einwande

    immer dann vorliegen,

    wenn sich die

    angeblich erst nach

    1818/19 auftauchenden

    ,,restaurativen"

    heorieelemente

    als bereits

    altere

    Teile der

    Hegelschen

    Lehre

    aufweisen

    lassen8.

    Ferner

    stiitzt

    Ilting

    seine

    These bisher

    nur

    durch

    eine

    (zweifelsohne

    meisterhafte) Schilderung

    der

    Zeitumstande

    und durch

    Textvergleiche.

    Diese

    historisch-philologische

    Argumentationsweise

    legt

    Einwande

    mit Hilfe

    systematischer

    Interpreta

    tionsperspektiven

    nahe.

    Die

    Einzelanalyse

    der unter

    ,,Pro" dargestellten

    und

    unter

    ,,Contra"

    kritisierten

    Argumente Iltings

    wird

    demonstrieren,

    daB

    die

    Kontinuitat

    in

    Hegels

    Denken die

    Behauptung

    eines

    Positions

    wechsels

    im

    Jahre

    1819 widerlegt,

    daB3

    systematische

    Perspektiven

    andere

    Deutungen wahrscheinlicher machen, ja

    daB

    selbst

    die

    von

    Ilting

    heran

    gezogenen Vorlesungsnachschriften

    seine

    eigene

    Interpretation

    nicht

    tragen.

    1.Das Hauptargument:

    Veranderungen

    derMonarchielehre

    1.1

    Pro

    Nach

    Ilting lassen sich

    die vor

    oder nach 1820 nachweisbaren

    AuBerun

    gen Hegels iuberdie monarchische

    Gewalt

    nicht mit

    der

    Lehre

    von 1820

    ,,zurDeckung bringen"

    (Ed.

    I,

    29).

    1818/19 komme

    dem

    Monarchen

    nur

    8

    Die seit

    Rosenkranz

    in

    der

    Hegeischen

    ?Mitte"

    ?bliche

    Verteidigung

    Hegels

    durch

    den Aufweis der

    Kontinuit?t

    seines

    Denkens

    k?nnte

    man

    das

    ?Kontinuit?ts

    Argument"

    nennen,

    Ottmann

    Bd.

    I,

    a.

    a.

    O.,

    179,

    230,

    240

    f.,

    283.

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    6/18

    HEGELS RECHTSPHILOSOPHIE 231

    die ,,leere Entscheidung" und das Unterzeichnen der

    Gesetze

    zu

    (Ed.

    I,

    32,

    332), wie denn

    auch 1822/23

    und

    1824/25

    die Funktion des

    Monarchen

    mit den beriihmten

    Worten

    gekennzeichnet werde,

    daB

    er

    ,,ja"zu sagen

    und den

    Punkt

    auf das ,,I"

    zu

    setzen habe. 1820 dagegen werde aus dem

    Monarchen nicht nur die ,,Spitze",

    sondernauch der

    ,,Anfang"

    desGanzen

    (Ed., I, 28),

    seine

    Gewalt

    sei nun,, ,dasabsolut entscheidendeMoment des

    Ganzen'

    "

    (Ed. I, 28; Rph

    1820,

    ?

    279); die Regierungsgewalt werde auf

    die

    ,, ,Ausfuhrung nd

    Anwendung

    der

    furstlichen

    Entscheidungen'

    "

    be

    schrinkt

    (Ed. I, 28; Rph

    1820,

    ??

    287, 291, 293). Zwar zeige

    schon

    die

    Landstaindeschrift

    on

    1817,

    daB

    der

    Monarch

    fur

    Hegel immodernen

    Staat

    ,,auseigener

    Machtvollkommenheit/und

    nicht

    aufgrundeines Staats

    vertrages" herrsche (Ed. I, 106/107), aber dieses Eintreten fur das

    ,,monarchischePrinzip"

    sei

    die ,,einzige"

    Konzession

    an die Restauration,

    die Hegels

    liberale

    Grundkonzeption sowohl

    1818/19 wie 1820 st8re

    (Ed. I, 108). Ansonsten

    -

    so

    darf gefolgertwerden

    -

    hat

    Hegel

    erst

    1820

    aus seiner

    Lehre

    von

    der

    konstitutionellenMonarchie

    die

    restaurative ok

    trin

    von

    der absoluten

    Monarchiewerden lassen.

    1.2 Contra

    Die

    fur

    Ihting

    unterschiedlichen

    Monarchielehrenwaren

    derAnlaB3, er

    ihn

    zu seiner Textedition inspirierte (Ed.

    I,

    29). Aber

    gerade dieses fur

    Iltingwohl wichtigste Argument beweist nicht, was es beweisen soll. Ein

    PositionswechselHegels

    in

    derMonarchielehre

    scheint doch

    hochst fraglich

    zu

    sein, selbst

    wenn

    man

    berucksichtigt,

    daB

    Hegels

    Eintreten fur

    das

    ,,monarchischePrinzip"

    ausdrucklich

    aus

    der

    These

    vom

    Standortwechsel

    herausgenommen

    wird (Ed.

    I, 108). (Unter

    ,,monarchischem

    rinzip"

    scheint

    Ilting

    dabei

    im

    Sinne

    der

    Karlsbader

    Epoche

    die

    einheitliche

    Staats

    gewalt in der Hand des

    Monarchen

    zu

    verstehen, ein

    Prinzip, das im viel

    diskutierten

    Artikel

    57

    der

    Wiener

    SchluBakte

    des

    Deutschen Bundes

    schlieBlich erbindlich

    formuliert

    wurde9.)

    Nun

    lage

    die

    Stragegie nahe,

    sich

    zuachst

    zu

    fragen,

    welche

    Elemente

    der

    Hegelschen

    Monarchielehre

    zur

    Doktrin

    vom

    ,,monarchischen

    rinzip"

    gerechnet

    werden

    konnen,

    um

    dann

    in einem

    zweiten

    Schritt

    alle

    einschla

    gigenTeillehren aus der These vom Standortwechselauszuklammern. nd

    man

    konnte

    den

    ,,Anfang"

    des Staatsrechts

    bei

    der furstlichen

    Gewalt,

    die

    Ablehnung

    der

    Vertragskonstruktion

    und

    potentielle

    Affinitaten

    der

    9

    ?Die

    Verfassung

    gilt

    als

    Selbstbeschr?nkung

    des

    Monarchen,

    f?r dessen

    Zust?ndig

    keit

    und Unbeschr?nktheit

    im

    Zweifelsfalle

    die

    Vermutung

    streitet

    . ..

    Der

    Monarch

    gilt

    auch

    nach

    Eintritt der

    neuen

    konstitutionellen

    Ordnung

    als

    Inhaber

    der

    gesamten

    Staatsgewalt.

    .

    .

    und

    ist

    nur

    bei

    ihrer

    Aus?bung

    in

    bestimmtem

    Um

    fang

    an

    die

    Mitwirkung

    der

    St?nde

    gebunden",

    H.

    O.

    Meisner,

    Die

    Lehre

    vom

    monarchischen

    Prinzip

    im

    Zeitalter

    der Restauration

    und des Deutschen

    Bundes,

    Breslau

    1913,

    2.

    ?Das

    monarchische

    Prinzip

    besagt

    also,

    da? wie

    im

    ?lteren

    kon

    tinentalen Absolutismus

    die

    einheitliche

    Staatsgewalt

    in

    der Hand

    des

    Herrschers

    Uegt.

    Er kann auch

    eine

    Verfassung

    erlassen,

    durch

    die

    er

    sich

    beschr?nkt",

    O.

    Brunner,

    Vom

    Gottesgnadentum

    zum

    monarchischen

    Prinzip,

    in: Neue

    Wege

    der

    Verfassung-

    und

    Sozialgeschichte,

    2.

    vermehrte

    Auflage,

    G?ttingen

    1968,

    182.

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  • 8/10/2019 Henning Ottmann - Hegels Rechtsphilosophie und das Problem der Akkomodation

    7/18

    232

    DISKUSSIONEN

    Hegelschen

    Lehre

    zumVerfassun soktroi des

    ,,monarchischen

    rinzips" im

    Licht dieser

    Fragestellung

    durcls1leuchten.

    ber diese

    Argumentations

    strategie, so

    naheliegend

    sie

    angesichts Iltings Vorgehen

    auch sein mag,

    verbietet sich, weil sie die Iltingsche Perspektive

    der

    Restaurationsjahre

    beibehalt,

    die

    der

    Kontinuitat

    der

    (vor

    den

    Jahren

    der Restauration ent

    standenen)

    Monarchielehre

    Hegels

    nicht

    gerecht

    werden kann.

    Schon die

    von

    Ilting kritisierte Umstellung, die Hegel

    1820 mit

    der

    Darstellung der

    ,,furstlichen

    Gewalt" (statt mit der der ,,gesetzgebenden

    Gewalt") den ,,Anfang"machen Mal3t,indet sich bereits 1818/19 (Ed.

    I,

    330

    ff.)

    und

    kehrt

    auch

    nach

    1820,

    namlich

    1822/23

    und

    1824/25,

    wieder

    (Ed.

    III, 756

    ff.;

    IV,

    664

    ff.)'0.

    Die

    Ablehnung

    der

    Vertragslehre

    hat

    mit dem Jahre 1820 oder den JahrenderRestaurationkeine zeitliche oder

    sachliche Verbindung;

    bereits

    in

    Jena hat

    Hegel

    die

    Vertragslehren

    aus

    grundsatzlichenDifferenzen

    zum

    Naturrecht derModerne verworfen, und

    zwar schon

    damals (auch)

    mit

    Bezug

    auf

    die

    Begriindung

    der

    Monarchie,

    die

    fur

    Hegel

    ab

    1805/06

    eine

    Erbmonarchie

    zu

    sein

    hat11.Die Verfas

    sungsstiftung schlieBlich SI3t

    sich nicht aus

    einemEintreten Hegels

    fur

    das

    ,,monarchische

    Prinzip"

    folgern, sondern

    muI3 aus der Anlage der Ge

    schichtsphilosophie

    als solcher

    verstandlich

    gemacht werden. Denn

    von

    Hegel

    wird stets

    (und

    auch

    schon

    1817) betont,

    daB3

    ine

    Verfassung

    ,,nicht

    gegeben" (Enz. 1817, Ed. I, 193) und nicht ,,gemacht"werde

    (Ed.

    I, 330;

    II,

    735; IV, 658

    ff.).

    Darin mag sich eine Frontstellung gegen

    die liberalenVerfassungsforderungen der Zeit verbergen (z. B. Ed. IV,

    659

    f.),

    darin

    liegt

    aber

    genausogut

    eine

    Wendung

    gegen

    einen

    monar

    chischen Verfassungsoktroi,

    der eine

    Verfassung

    nur

    ,,geben"wiirde.

    Die

    Verfassung

    ist flir

    Hegel

    ein

    Resultat der Geschichte und der Bildung des

    Volksgeistes,

    und

    einzelne

    Verfassungsstifter

    k6nnen sowieso

    nur aus

    sprechen, ,,was

    ihre

    Zeit

    wollte" (Ed.

    III,

    753). Letztlich sindVerfassungs

    stifter,

    Volk

    und

    Volksgeist Momente der Dialektik einesGeistes,

    der

    sich

    zwar

    unter

    Beteiligung der Individuen und

    V6lker,

    letztlich aber hinter

    ihrem

    Rucken durchsetzt. Die Verfassung ist so ,,kein bloJ3Gemachtes"

    (Ed. III, 752, Hervorhebung,

    H.

    0.), oder die Individuen ,,machen immer

    nur eine

    Seite" (Ed.

    IV,

    660).

    Der Anfang des Staatsrechts bei dermonarchischenGewalt, dieAbleh

    nung der Vertragskonstruktion und das

    Problem

    der

    Verfassungsstiftung

    stehen

    bei

    Hegel

    in

    keinem

    zeitlichen und sachlichenZusammenhangmit

    10 Zudem

    setzt

    ein

    Paragraph

    der

    Rechtsphilosophie

    von

    1820

    ($

    273)

    die

    gesetz

    gebende

    Gewalt

    vor

    die

    f?rstliche,

    und

    erst

    der

    ?

    275

    beginnt

    mit

    der

    f?rstlichen

    Gewalt.

    Eine

    m?gliche Erkl?rung

    f?r diese

    ?Umstellung"

    k?nnte

    sein,

    da?

    Hegel

    hier

    (wie

    auch

    an

    anderen

    Stellen)

    die

    Antizipation

    der

    Entwicklung

    ($

    273)

    von

    der

    Entwicklung

    des

    Begriffs

    an

    sich

    selbst unterscheidet

    (siehe

    Nusser,

    a.

    a.

    O.,

    26

    f.).

    11 Neben der

    grunds?tzlichen

    Kritik

    des modernen

    Naturrechts

    im

    Naturrechts

    aufsatz

    besonders S.

    477

    (Jenaer

    Kritische

    Schriften,

    H.

    Buchner/O.

    P?ggeler

    [Hrsg.],

    Gesammelte Werke

    Bd.

    IV,

    Hamburg

    1968).

    Ferner:

    Jenenser Systement

    w?rfe

    III,

    R.P.

    Horstmann/J.

    H. Trede

    (Hrsg.),

    Gesammelte

    Werke

    Bd.

    VIII,

    Hamburg

    1976,

    257.

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    8/18

    HEGELS

    RECHTSPHILOSOPHIE

    233

    dem

    von

    Ilting

    behaupteten

    Standortwechsel

    von

    1819.

    Worin

    verbirgt sich

    dann aber

    die Akkomodation?

    Ilting legt anscheinend

    groBes

    Gewicht

    auf

    die

    Unterscheidung

    zwischen dem

    ,

    monarchischen

    Prinzip"

    als

    der

    ,,Grundlage"

    der

    monarchischen Gewalt

    und den

    ,,Kompetenzen" des

    Monarchen, der Frage

    also,

    ob

    derMonarch

    nur

    die

    ,,leere

    Entscheidung"

    failltoder

    ob seine

    absoluteKompetenz

    die

    Regierungsgewaltauf

    die

    ,,Aus

    fiihrung und

    Anwendung der

    iirstlichen

    Entscheidungen" (Rph

    1820,

    ?

    287)

    reduziert12.

    Hat

    Hegel

    nun

    zunachst ersteres, 1820 aber

    letzteres

    vertreten?

    Die

    Kontinuitat

    in

    Hegels

    Denken von

    den

    Jenenser

    bis

    zu

    den

    Berliner

    Jahren

    widerlegt

    auch

    in

    dieser

    Frage Iltings

    These

    vom

    restaurations

    bedingten Positionswechsel.Was fur Ilting ,,liberale"oder ,,restaurative"

    Elemente derMonarchielehre

    sind (der die

    Regierungsgewaltnur

    formell

    ausiibende

    oder

    sie

    ,,absolut"

    bestimmende

    Monarch),

    ist

    in

    doppel

    deutiger

    Hinsicht

    bei

    Hegel

    bereits

    ab

    1805/06

    nachweisbar.

    Schon damals

    nennt

    Hegel

    die

    Burger

    und den

    Monarchen

    ,,leereKnoten":

    ,,- der

    Fiirst

    mag

    beschaffen

    sein

    wie

    er

    will, die Burgerwie sie

    woilen

    -,

    das

    Gemein

    wesen ist in

    sich

    geschlossen und

    sich erhaltend."

    Andererseits

    gilt

    schon

    damals

    vom

    Monarchen, daB

    er

    ,,Energie

    desWollens

    absoluter

    Entschluj3"

    sein

    soil und

    durch das

    ,,Wirbefehlen"

    charakterisiertwerden kann'3.

    Ahnlich

    doppeldeutigeFormulierungen

    von der

    ,,leeren",

    aber

    auch ,,letz

    ten"

    Entscheidungsgewalt

    des Monarchen

    lassen sich

    nun

    aber in

    allen

    Vorlesungsnachschriften orund nach 1819 nachweisen14.

    Vergleicht

    man

    die

    Fassung der

    Homeyer-Nachschriftvon

    1818/19 mit

    jener

    der

    Rechtsphilosophie

    von

    1820, sowird nicht

    einsichtig,

    daB3

    ich die

    Kompetenzen

    des

    Monarchen

    1820

    gegenuiber1818/1819

    erweitern15

    12

    Wie

    wichtig

    diese

    Unterscheidung

    f?r die

    gesamte

    Argumentation

    wird,

    hat

    mir

    erst

    ein

    Brief

    Iltings

    verdeutlicht,

    f?r

    den

    ich

    mich bedanken m?chte.

    Der

    Thierssche

    Satz

    von

    1829

    ?Le

    roi

    r?gne,

    mais

    il

    gouverne

    pas**,

    den

    Ilting

    dort

    anf?hrt,

    konnte als

    Umschreibung

    der

    von

    Ilting

    gemeinten

    Liberalit?t

    einer

    Monarchielehre

    genommen

    werden,

    w?hrend das

    ?bergreifen

    des Monarchen auf

    die

    Regierungs-

    und

    Gesetzgebungsgewalt

    die

    eigentlich Hegel

    unterstellte

    Akkomodation

    bezeichnet. Obwohl die

    Trennung

    zwischen

    ?Grundlage"

    der

    monarchischen

    Gewalt

    und

    ?Kompetenzen**

    wohl

    nicht

    meinen

    kann,

    da? die

    Begr?ndung

    der

    ?Grundlage**

    nicht auch

    Auswirkungen

    auf

    Kompetenz

    f?lle

    oder

    Kompetenzmangel

    haben

    m??te,

    soll

    Iltings

    Position

    wieder

    in ihrer

    st?rksten

    Form

    ber?cksichtigt

    werden,

    die

    allein

    von

    der

    Trennung

    beider

    Argumentationen

    ausgeht.

    13

    Im

    Gegensatz

    zur

    Verfassungsschrift,

    die

    f?r

    die

    (Erb-)Monarchie

    noch

    nicht

    ein

    deutig

    Stellung

    bezieht

    (Politische

    Schriften,

    J.

    Habermas

    [Hrsg.],

    Frankfurt

    a.

    M.

    1966,

    33,

    39),

    sind die wesentlichen

    Z?ge

    der

    sp?teren

    Lehre

    1805/06

    vor

    gebildet.

    Die

    Zitate in:

    Jenenser

    System

    entw?rfe

    III,

    a.

    a.

    O.,

    263

    ff.;

    vgl.

    H?rst

    mann,a.a.

    O.,

    244.

    14

    1818/19:

    ?Das

    leere

    letzte

    Entscheiden**

    (Ed.

    I,

    332).

    1822/23

    und

    1824/25:

    der

    Monarch,

    der

    nur

    den

    Punkt

    auf

    das

    ?I**

    zu

    setzen

    und

    nur zu

    unterschreiben

    hat

    (Ed. III, 764; IV, 674, 678), aber auch wiederum der die ?letzte** Entscheidung

    fallende

    Monarch

    (Ed.

    III,

    760, 765;

    IV,

    678).

    15

    Gemeinsamkeiten

    beider

    Monarchielehren,

    die f?r

    Ilting

    wohl noch

    unter

    die

    Argumentation

    f?r

    die

    ?Grundlage**

    der monarchischen

    Gewalt

    fallen,

    sind vorab

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    9/18

    234

    DISKUSSIONEN

    Seine

    ,,Personlichkeit"

    ist

    hier

    wie

    dort unerheblich

    (Ed.

    I, 333;

    Rph

    1820,

    ?

    227). Hier

    wie dort steht

    ihm ein

    Begnadigungsrecht

    zu

    (Ed.

    I,

    332 f.; Rph 1820,

    ??

    282, 283).

    Nicht verantwortlich

    ist der Monarch

    in

    jeder Hegelschen Monarchielehre (Ed. I,

    332/333; Rph 1820,

    ?

    284;

    Ed. III, 771; IV, 686).

    1818/19

    findet

    sich

    sogar

    ein

    Satz,

    der

    in

    dieser

    Kurze und

    Scharfe

    in der Rechtsphilosophie

    von 1820 nicht zu

    finden

    ist:

    ,,JedeEntscheidung

    in

    der gesetzgebenden

    Gewalt

    gebiihrt

    der

    fiirstlichen

    Gewalt" (Ed. I, 335).

    Andererseits

    hit

    Hegel

    1820 die

    fuirstliche

    ewalt

    weder auf die

    gesetzgebende

    noch auf die

    regierende

    im

    Sinne

    des

    Ilting

    schen Vorwurfs iibergreifen.

    Es ergibt

    sich

    z.B. keine einseitige

    ,,Unter

    ordnung der Korporationsangelegenheiten

    nter

    die

    Regierungstatigkeit",

    wie

    Ilting

    den

    ?

    289

    iiberschreibt. ielmehr

    soil hierwie in

    der Standelehre

    iiberhaupteine Vermittlung

    von ,,unten" und ,,oben"

    vollzogen

    werden,

    die

    sich

    in

    einer

    ,,Mischung

    von

    gemeiner Wahl

    ...

    und

    von

    hoherer

    Besta

    tigung" (Rph 1820,

    ?

    288), einer Festhaltung des allgemeinen

    Staats

    interesses durch die

    Behorden, aber auch einer Selbstverwaltung

    der

    Gemeinden

    (Rph

    1820,

    ?

    289) dokumentiert.

    Nicht nur soil ,,von

    unten,

    wo das

    biirgerliche

    Leben concret ist, dasselbe auf

    concrete

    Weise

    regiert

    (werden)" (Rph 1820,

    ?

    290),

    sondern

    es

    besteht

    auch die

    M6glichkeit

    der

    Kontroile

    derBeh6rden ,,vonunten", die zurKontroile

    ,,vonoben" hinzu

    tritt

    (Rph

    1820,

    ?

    295). Ilting mii3te allererst

    angeben,worin genau der

    Obergriff

    auf

    die

    gesetzgebende

    Gewalt bestehen

    kannte.

    Worin aber

    zeigt

    sich bei der Regierungsgewalteine iuberdas ,,leereEntscheiden" hinaus

    gehende Kompetenz desMonarchen? Auch

    1820 darf derMonarch doch

    nur im innerenund

    duBeren

    Notstand die

    Gewaltenteilung auflosen (Rph

    1820,

    ?

    278). Ansonsten

    ist

    die fiirstliche

    Gewalt imSinne derHegelschen

    Organismusvorstellung

    sowohl mit

    den anderenGewalten verbunden

    als

    auch von

    ihnen

    getrennt und steht

    mit ihnen in einem wechselseitigen

    Abhangigkeits-

    und

    Abgrenzungsverhaltnis.

    Die Monarchie ist

    1820

    explicite keine

    Wilkiirherrschaft.

    Der Monarch

    ist an seinGewissen, an das

    Verfassungsganze

    und die Gesetze gebunden

    (Rph 1820,

    ?

    278). Die

    monarchische

    Gewalt

    setzt

    -

    unbeschadet ihrer Stellung als Anfang

    der

    Gewalten

    -

    ,,die

    anderenMomente voraus,wie jedes von diesen sie

    voraus

    setzt" (Rph 1820, ?285). In der ,,relativenSelbstandigkeitder dreiGewal

    ten"

    liegt,wie

    Ilting selbst den Paragraphen 86 iiberschreibt, ie

    ,,objek

    tive

    Garantie der

    Monarchie". Summa summarumscheint auch

    1820 der

    Monarch

    bei Hegel

    mit der

    ,,letzten",

    aber eben auch ,,leeren" ,,Entschei

    dungsgewalt"ausgestattet

    zu sein.

    IltingsOberschrift

    fur

    den Paragraphen

    279

    (Rph

    1820)

    ,,Die

    Unableit

    barkeit der

    monarchischen Gewalt.

    Das

    Gottesgnadentum" weckt

    irre

    fiihrende

    Assoziationen (Ed. II, 741). Selbst

    in

    dem

    so

    iiberschriebenen

    Paragraphen st bei genauerLektiire feststellbar,

    daf3

    Hegel

    hier

    genausogut

    wie

    spater

    (Ed.

    IV, 681)

    den

    Vergleich

    nur cum

    grano

    salis auf die Nicht

    erw?hnenswert: In jeder Monarchielehre Hegels, und so auch 1818/19 und 1820,

    wird die Wahl des

    Monarchen

    abgelehnt

    (Ed.

    I,

    332;

    II,

    748;

    III,

    767;

    IV,

    680).

    Die

    f?rstliche

    Gewalt

    ist sowohl

    1818/19

    als 1820

    kein

    ?Privaterbrecht"

    (Ed.

    I,

    332)

    und kein

    feudales

    ?Privateigentum"

    (RPh

    1820,

    ?

    277).

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    10/18

    HEGELS

    RECHTSPHILOSOPHIE

    235

    Wahlbarkeit und letztlich auch nicht

    aus

    Niitzlichkeitserwagungenm6g

    liche Begriindbarkeit

    des von ,,Natur" (qua

    Geburt) gerechtfertigten

    Monarchen bezieht.

    Stattdessen

    sollte

    man bei

    Hegel

    eher

    von

    einem

    Monarchen von

    spekulativenGnaden

    sprechen,dessen einzigeLegitimation

    aus dem

    ,,Begriff"

    entnommen

    werden soll. Als

    solche ist die

    Hegelsche

    Monarchielehre

    freilich nur

    begrenzt ,,liberal".

    Weder

    weiB

    Hegel sich vol

    lig

    einig mit

    den

    liberalenVerfassungsforderungen

    noch

    wir sein

    orga

    nischer

    Standestaat

    aus

    einemNaturzustand und

    einerVertragslehreabge

    leitet, noch wird die

    Gewaltenteilung als

    solche

    aus ihrer

    Kontrollfunktion

    begriindet.

    Andererseits ist

    Hegels

    monarchischer

    Stindestaat selbst

    1820

    ein

    Rechtsstaat,

    der

    transpolitischeMenschenrechte achtet

    (Rph

    1820,

    ? 209 A) und die EntscheidungsgewaltdesMonarchen durch die Gesetze

    und

    die

    Verfassung

    beschrankt.

    Diese zweifellos konstitutionelle

    Monar

    chie hat ihr

    eigentliches

    Begriindungsproblem,

    nabhangig

    davon,was

    man

    nun als

    ,,liberal"oder

    ,,nicht-liberal"definiert, an anderer

    Stelle als es

    IltingsThese vermuten

    lMt.

    Inkonsequentund

    fraglich

    scheint

    namlich

    zu

    sein,

    wie

    in

    einer

    Lehre vom

    ,,objektiven Geist",

    in

    der

    von

    Stufe

    zu

    Stufe

    ,,Natur"

    in

    ,,Freiheit" sich

    verwandelt, auf

    der

    Hohe der ,,Sittlichkeit"

    uberhaupt

    noch

    ein

    unmittelbaresNaturprinzipwie

    eine

    sich durchGeburt

    legitimierendeErbmonarchie

    auftreten

    kann.

    Dies

    scheint ahnlich inkonse

    quent wie der im

    ,,du13eren

    taatsrecht"

    bei

    Hegel

    doch

    wieder

    auftauchen

    de Naturzustand. Aber

    auch diese systematische

    Problematik, welche

    IltingsBehauptung derUnvereinbarkeitvonMonarchielehre und ,,Natur

    recht"

    bei Hegel in einer

    anderenPerspektive

    aufweisenkonnte, istmit der

    Frage derAnpassung an

    die Restauration in keiner

    Weise verkniipft.Sie ist

    -

    wie alles

    zuvor

    Genannte

    -

    einProblem der

    HegelschenMonarchielehre

    iiberhaupt.

    2.

    Nebenargumente

    2.1

    Diskrepanzen

    zwischen

    der

    Standeschriftvon

    1817 und

    der

    Rechtsphilosophie

    von l820

    2.1.1 Pro

    Hegels

    Standortwechsel

    zwischen

    1817

    und

    1820 liat

    sich

    nach

    Ilting

    aus Unterschieden

    zwischen

    der

    Landstindeschrift

    von 1817 und der

    Rechtsphilosophie von 1820

    ,,leichtbelegen" (Ed. I, 34).

    Wahrend es 1817

    heil3e,

    man miisse

    ,,den

    Beginn der

    franz6sischen Revolution als

    den

    Kampf betrachten, den das

    verniinftigeStaatsrechtmit derMasse des

    posi

    tiven

    Rechts und der

    Privilegien

    ...

    einging" (Ed. I, 35),

    sehe

    Hegel

    1820

    in

    der

    Revolution

    ,,nur

    noch

    den

    Versuch, ,ganz

    von vorne

    und vom Ge

    danken

    anzufangen'

    und

    der

    Verfassung

    ,bloI

    das

    vermeinte

    Vernunftige

    zur

    Basis geben zu

    wollen'"

    (eb&.;

    Rph 1820,

    5

    258 A). 1817

    feiefe

    Hegel die Revolution noch als ,,Durchbruch"eines verniinftigenStaats

    rechts;die

    Rechtsphilosophie von 1820 enthalte

    ,,eine

    positiveWiirdigung"

    der

    Revolution

    ,,nichtmehr" (Ed. I, 35). Aus dem

    Lob der

    Revolution

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    11/18

    236

    DISKUSSIONEN

    und des ,,rationalen"

    Naturrechts werde

    so ein

    ,,Arsenal

    von Argumen

    ten", dessen sich

    ,,die Gegner des rationalen Naturrechts

    und die

    Vertei

    diger uiberkommener,

    vorrevolutionarer Privilegien bedienen

    konnen"

    (Ed. I, 33 f.).

    2.1.2 Contra

    An diesem Argument

    ist zutreffend, daBHegel 1820

    die franz6sische

    Revolution nicht

    expressis verbiswiirdigt. Aber damit

    ist schon alles ge

    nannt, was an diesem Vorwurf

    richtig ist. Wie bei den angeblichen

    Wand

    lungen der

    Monarchielehre,

    so

    halt auch

    hier die

    Kritik

    der

    Kontinuitat

    in

    Hegels Denken nicht stand, wie dort so erweist sich auch hier das einfache

    Entweder-Oderbei Hegel eher als ein Sowohl-Als-Auch.

    Bereits 1794 kri

    tisiert

    er

    die ,,Schandlichkeit

    der Robespierroten"6, und

    schon die Revo

    lutionsdialektik

    der Phiinomenologie

    des Geistes

    enthalt

    eine w6rtliche

    ,,positiveWiirdigung" der Revolution

    nicht mehr. Vielmehr wird 1807 als

    Folge des abstrakten Freiheitsprinzips

    der Revolution dialektisch ent

    wickelt,

    was

    im

    Fortgang

    der Revolution sichtbar wurde: die

    Selbstzer

    st6rung

    einer

    sich absolut

    verstehenden

    Freiheit,

    ihre

    Unfahigkeit,

    zu

    sta

    bilen

    politischen

    Losungen

    zu

    kommen,

    sowie

    der

    terreur17.

    Andererseits

    bedeutet

    Hegels

    Kritik

    der

    franzosischen

    Revolution

    nie

    eine Absage an

    ihreEmanzipation im Sinne eines einfachen

    Entweder

    Oder.

    Wie in

    der

    Phanomenologie

    aus dem Scheitern

    der Revolution der

    ,,moralischeGeist" hervorgeht und

    Kant, Fichte und die

    Romantiker

    als

    geistige Erben der Revolution auftreten,

    so ist die

    Revolution

    in

    ganz

    enormem MaBe

    in

    die

    Rechtsphilosophie

    von

    1820

    eingegangen,

    mehr

    noch

    als

    in

    die

    Landstandeschrift

    von 1817. Denn wie

    zum ersten

    Mal die

    Vorlesung

    von

    1818/19

    so

    enthalt

    auch die

    Rechtsphilosophie

    von 1820

    die

    Einteilung

    in

    ,,Familie,

    biirgerliche Gesellschaft und

    Staat",

    die

    man

    nicht verstehen

    wird, wenn man in ihr nicht quasi die

    begriffsgeschicht

    lichen Friichte der

    Revolution erkennt. Hegel ,,erntet"

    sie nicht nur

    im

    Begriff

    des

    ,,abstrakten

    Rechts" und

    der

    ,,Moralitat",

    ondern

    vor

    allem

    bei der

    Darstellung der

    ,,biirgerlichen

    Gesellschaft",

    in

    der

    fiir

    ihn

    Freiheit

    und Gleichheit als Rechte des Menschen

    universalwerden. Auch wenn

    Joachim Ritter die Bedeutung der Revolution furHegels Denken uiber

    zeichnete (indem er von der biirgerlichen

    Gesellschaft als der Revolution

    ,,im

    Grunde""8

    sprachund die Abstraktheit

    des revolutionaren

    Freiheits

    begriffes,

    den

    Hegel

    in der ,,konkreten

    Freiheit" des Staates aufheben

    wollte,

    somit unterschatzte),

    -

    so

    muf3

    man sich doch wundern, daB Ilting

    die

    handgreiflichen

    Beziige zwischen

    der

    franz6sischen

    Revolution und

    16

    Hegel

    an

    Schelling

    am

    Heiligen

    Abend

    1794,

    in:

    Briefe

    von

    und

    an

    Hegel,

    Bd.

    I,

    J.

    Hoffmeister

    (Hrsg.),

    Hamburg

    1952,

    12.

    17

    Ph?nomenologie

    des

    Geistes, J.

    Hoffmeister

    (Hrsg.),

    6.

    Aufl., Hamburg

    1952,

    411-22.

    18

    J.

    Ritter,

    Hegel

    und die franz?sische

    Revolution,

    in:

    Metaphysik

    und

    Politik,

    Frankfurt

    a.

    Main

    1969,

    227.

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    12/18

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    13/18

    238

    DISKUSSIONEN

    dieWissenschaftnicht zu kiimmernhat20.Wie soilte furHegel die ,,Vers6h

    nung" auch erst

    1820

    ,,objektiv"werden, wenn

    er seit

    Jena die

    Verniinftig

    keit

    derWirklichkeit

    in

    den Formen

    der

    ,,Entzweiung"

    begreifenwoilte?

    Schon

    in

    Hegels Abkehr

    von

    der friihen

    Positivititskritik

    sowie

    in seiner

    sich in Frankfurt

    vollziehendenWende

    zur

    Anerkennung

    des

    ,,Seins" ist

    praformiert,was

    in

    Jena

    formuliertwird: das

    Begreifen der

    auch in der

    ,,Entzweiung"

    verwirklichten

    Vernunft. Bereits damals

    faUt

    Hegel

    die

    sch6ne

    Seele der

    Romantik,

    die

    protestantische

    Innerlichkeit

    und die Sub

    jektivitat der

    Reflexionsphilosophie auf der

    einen

    und

    die

    ,,gottlose", ver

    dinglichte

    Gesellschaft

    der

    Moderne auf

    der

    anderen

    Seite als

    zusammen

    geh6rige

    Pole

    der

    Entzweiung

    auf,

    welche

    selbst

    Teil des

    Lebens

    und des

    Absoluten fur ihn geworden ist, quasi die Form, ,,in der sich unter den

    Bedingungen

    der

    modernen

    Welt ihre

    urspriingliche

    Einheit

    geschichtlich

    erhdlt,21

    .

    Kein

    Wunder,

    daB

    schon

    die

    Verfassungsschrift jene

    Feier

    der

    bereits

    verwirklichtenVernunft

    und jene Sollenskritik

    enthalt, die Kritiker

    wie

    Ilting

    mit

    den Jahren

    der

    Restauration

    in

    Zusammenhang bringen

    wollen.

    Bereits

    von

    der

    Schrift des

    Jahres

    1802

    heiBt

    es,

    sie

    habe ,,keinen

    anderen

    Zweck noch

    Wirkung

    als

    dasVerstehen

    dessen, was ist", und

    wie

    1820 leere

    Sollensforderungen und

    nur

    subjektive

    ,,Begriffe"

    die schon

    realisierte

    Vernunft

    nicht

    erfassen,

    so

    verhindern

    bereits

    1802

    Begriffe und

    Zwecke,

    welche

    sich

    ,,zwischen

    die

    Begebenheiten

    und das freie

    Auf

    fassen

    derselben

    stellen",

    den

    ,,wahren"

    Friedenmit der

    Welt22.

    Hegels in Jena ausformulierteWende zur Anerkennung der bereits

    geschichtlich

    verwirklichten

    Vernunft,

    zu

    der

    die

    ,,Entzweiung"als

    posi

    tiver

    Bestandteil

    der

    Versohnung

    gehort,

    macht erst seine

    zwischen

    ab

    strakt-revolutionarem

    ruch mit

    der

    Herkunft und restaurativer

    eier

    der

    Vergangenheit

    vermittelnde

    Stellung

    deutlich.

    Und noch

    das

    beriichtigte

    Motto

    der Vorrede von

    1820

    mul3 als

    zumindest

    doppeldeutige

    Formel

    einer

    zwischen

    Revolution

    und Restauration

    ausgleichenden

    Philosophie

    gewuirdigt erden.

    Ilting

    pr'ajudiziert ie

    Lektiire,

    wenn

    er

    die

    Oberschrift

    ,,Die

    Verniinftigkeit desWirklichen"

    wahlt (Ed.

    II, 70). Hier

    mujBte

    zu

    gleich stehen:

    ,,DieWirklichkeit

    der

    Vernunft"

    Freilich

    ist damit

    wieder

    der

    Punkt

    erreicht,

    an

    dem weder

    bloBe

    Textvergleiche noch

    historische

    Hinweiseweiterhelfen.Die noch ausstehendenProbleme des genauen Sinns

    20

    In

    diesen

    Zusammenhang

    geh?ren

    die Worte

    vom

    ?isolierten

    Priesterstand der

    Philosophie",

    der

    es

    der

    ?zeitlichen,

    empirischen

    Gegenwart"

    zu

    ??berlassen"

    hat,

    aus

    ?ihrem

    Zwiespalt"

    herauszufinden

    (Vorlesung

    ?ber

    Philosophie

    der

    Religion,

    in:

    S?mtliche

    Werke,

    Jubil?umsausgabe,

    H.

    Glockner

    [Hrsg.],

    Bd.

    XVI,

    Stuttgart?Bad

    Cannstatt

    1965,

    355

    f.),

    eben weil

    sein

    Wissen

    um

    die

    bereits

    erreichte

    Vers?hnung

    sich

    nicht

    um

    das

    besondere

    Bewu?tsein

    bem?hen

    mu?.

    Ilting

    deutet

    diese

    Passagen

    zu

    Recht als Hinweise

    auf

    Hegels

    indirekt-praktische

    Theorie

    (Ed.

    IV,

    60

    f.),

    bringt

    sie

    aber

    leider nicht

    mit

    der

    Vorlesung

    von

    1818/19

    in

    Verbindung.

    21

    Hier w?re

    wieder

    auf Ritter

    zu

    verweisen,

    von

    dem

    das Zitat

    stammt

    (a.a.O.,

    214),

    ebenso auf

    G.

    Rohrmoser,

    Subjektivit?t

    und

    Verdinglichung,

    G?tersloh

    1961.

    22 Die

    Verfassung

    Deutschlands,

    in:

    Habermas,

    a.

    a.

    O.,

    25

    (die

    ganze

    Seite).

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    14/18

    HEGELS

    RECHTSPHILOSOPHIE

    239

    der

    Identitat

    von

    Vernunft undWirklichkeit sowie

    die

    Frage nach

    einer

    endgeschichtlichen oder (zwar zeitlich nicht fixierbaren, aber vielleicht

    grundsiitzlichen)Akkomodationstendenz des Systems werden sich nur

    l6sen

    lassen,wenn

    sowohl

    die

    Ergebnisse der theologisch-politischen eu

    tung von Rosenzweig iuber ohrmoser,Maurer bis

    zu

    Theunissen

    als auch

    die

    linkshegelianischen rgumente

    von dem

    sich

    (trotz progressiver ialek

    tischer

    Methode)

    akkomodierenden

    System

    aufgenommen

    werden.

    2.3

    Korrekturen

    an

    derNaturrechtslehre

    2.3.1

    Pro

    Hegel

    hat nach

    Ilting

    die Differenz

    zwischen

    ,,materialem

    aturrecht

    und

    materialem

    positivenRecht", die

    fiir ihn

    1818/19

    noch

    bestehe

    (Ed. I,

    78), 1819/20 und 1820 eingeebnet.

    Rothe

    berichtet

    in einem

    Brief

    an

    seinen Vater, dal3Hegel 1819/20 ,,ein

    eigentliches

    Naturrecht"

    als

    eine

    vom

    ,,positiven

    Recht"

    ,,toto

    genere"

    verschiedene Rechtssphare nicht

    ,,statuiere"und

    er

    dem Menschen auBerhalb

    des Staates ,,keinRecht"

    zuschreibe

    (Ed.

    II, 8

    f.).

    1820 behauptet

    Hegel, Naturrecht und positives

    Recht

    seien

    ,,nicht einander entgegengesetzt

    und

    widerstreitend"

    (Rph

    1820,

    ?

    3 A).

    Er

    leugne

    nun einen

    m6glichen Gegensatz ,,imHinblick

    auf

    seine

    Zeit" (Ed.

    I,

    79),

    wahrend

    er

    1818/19 noch diktiert habe: ,,dasdem

    Inhalt nach Positive kann vernunftwidrig und unrechtlich sein" (Ed.I,

    238).

    2.3.2

    Contra

    Ilting selbst sieht sich gen6tigt, seinArgument abzuschwiichen.

    Er

    ver

    weist

    selbst

    noch auf

    den

    ?

    3 (Rph 1820),

    der

    eine

    Differenz

    zwischen

    einer

    zwar

    aus

    historischen ,,Umstanden"erklirlichen

    und

    ,,konsequen

    ten",

    gleichwohl

    aber

    ,,an

    und

    fur

    sich unrechtlichen

    und unverniinftigen"

    Rechtsinstitution anmeldet.Das

    abgeschwachte

    Argument lautet nun,He

    gel

    habe sich 1820

    ,,gehuitet", en Unterschied zwischen

    ,,einer

    geschicht

    lichen

    Entwicklungsstufe und dem ,an und

    fur

    sich Verniinftigen und

    Rechtlichen' herauszuarbeiten" Ed. I,79).

    Nun

    liiBt

    schon

    das

    umformulierteArgument

    Iltings

    die Folgerung zu,

    daI3

    Hegel

    einen

    Unterschied zwischen

    zeitbedingten

    Institutionen

    und

    dem Rechtlichen

    iuberhaupt

    umindest

    nicht

    ausschlieBt.

    Dariuber

    hinaus

    wird aber

    1820

    so

    gut wie 1818/19 die

    Differenz

    zwischen

    dem

    ,,posi

    tiven"

    (und

    das

    heii3t

    fur

    Hegel

    immer

    auch dem

    zufalligen,willkiirlichen,

    nicht

    vollig durch

    Vernunft bestimmbaren)Recht und dem Recht

    an

    sich

    benannt:

    ,,das,

    was

    Gesetz

    ist,

    (kann)

    in seinem

    Inhalt

    noch von

    dem

    verschieden

    sein,was

    an sich

    Recht ist"

    (Rph 1820,

    ?

    212)23.

    Freilich

    sind

    Naturrecht und

    positives Recht

    fur

    Hegel

    nie ,,toto genere" verschieden.

    Auch kennt

    Hegel

    in

    der Tat kein

    Naturrecht,

    in

    dem

    ein Einzelner vor

    23

    Vgl.

    auch

    ?

    214

    und

    S

    216

    (Rph

    1820).

    In

    letzterem

    die

    Ablehnung

    eines

    ?absolut

    fertigen'*

    Gesetzbuches.

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    15/18

    240

    DISKUSSIONEN

    politische Naturzustands- und Vertragsrechte besaiBe.Aber wenn Hegel

    damit dem Einzelnen auch keine Rechte ,,auBerhalb des

    Staates" zu

    erkennt,

    so

    ist dies

    keine

    restaurationsbedin

    te

    Lehre,

    sondern

    eine

    Folge

    seines seit Jena vorliegenden

    Aristotelismus , der denMenschen im klas

    sischen

    Sinne

    als

    Dciov7

    oXtrw6v

    ersteht.Andererseits ist

    Hegels politische

    Philosophie ein modernisierter

    Aristotelismus,

    der

    die Okonomie

    in

    Fa

    milienlehre und

    Nationalokonomie,

    die Ethik

    in

    Sittlichkeit und

    Moralitat

    und die Politik

    in

    die Lehre

    von

    Staat und

    Gesellschaft

    trennt, um so dem

    modernen Subjekt sein

    Recht

    zu

    verschaffen, das

    -

    kurz gesagt

    -

    das sich

    in einem konkreten Staat

    realisierende

    Menschen-

    und Biirgerrecht ist25.

    Es spricht

    far

    Iltings

    Argumentation, daB sich

    ihm

    die Behauptung der

    Reduktion desNaturrechts auf das positive Recht nicht zur eindeutig fal

    schen

    These von der

    spiegelbildlichen

    Akkomodation

    der

    Hegelschen

    Rechtsphilosophie

    an

    die preuBischen

    Zustande

    und

    Gesetze verkiirzt.

    Der

    Hegelsche

    Staat

    spie2elt

    Preul3en selbst fur Ilting nicht

    ,,in

    allen Einzel

    heiten"

    (Ed. I, 109) .

    Eher

    mii3te man

    von

    Hegels Begreifen des ,,moder

    nen

    Staates"

    reden

    (ebd.).

    Auch

    greift

    Ilting

    die von

    Hegel

    1827

    erwahnte

    Unterscheidung

    von

    ,,Wirklichkeit"

    und

    ,,Dasein" (qua ,,Existenz" und

    ,,Erscheinung") uf,

    nach der nicht

    alles ,,Existierende" en emphatischen

    Namen

    der ,,Wirklichkeit" erdient27.

    Zwar

    m6chte IltingHegel dennoch

    ein ,,Verschweigen"der Differenz zwischen dem modernen Vernunftstaat

    und der

    noch herrschendenUnvernunft

    seiner

    Zeit anlasten (Ed. I, 111),

    und auch dieUnterscheidung vonWirklichkeit und Existenz bedeutet ihm

    letztlich

    nur

    eine

    ,,Bagatellisierung"

    Ed.

    IV, 49)

    des

    herrschendenUn

    rechts

    im

    Namen des schon

    verwirklichten

    Rechts

    an

    sich. Aber man

    gewinnt

    am Ende doch

    den

    Eindruck,

    daB

    sich

    Iltingszunachst

    nach einer

    Anpassung

    an

    PreuBen

    klingende

    These

    ein

    wenig

    zur

    Behauptung

    eines

    Konformismusmit derRealitat

    des

    modernen

    Staates uiberhaupt eitet,

    zu

    einer

    fur

    die

    Hegeldeutung

    in

    jedem

    Fall

    fruchtbareren

    Perspektive, von

    der

    es

    -

    das

    ware

    zu

    hoffen

    -

    vielleicht

    sogar

    nur ein kleiner

    Schritt

    sein

    k6nnte

    zur Diskussion der

    Akkomodation

    als

    einem

    Problem des Hegel

    schen

    Systems,

    nicht der

    Rechtsphilosophie

    in einer

    bestimmten histo

    rischenKonstellation.

    24

    Wir

    verdanken

    Ilting

    einen

    ganz

    ausgezeichneten

    Aufsatz

    ?ber

    den Aristotelismus

    des

    Jenenser

    Hegel.

    Es

    bleibt

    unverst?ndlich,

    warum

    diese

    fr?here Arbeit nicht

    zum

    Verst?ndnis auch

    der

    sp?teren

    Position

    Hegels

    genutzt

    wurde. K.-H.

    Ilting,

    Hegels

    Auseinandersetzung

    mit der

    aristotelischen

    Politik,

    in:

    Philosophisches

    Jahrbuch,

    71

    Jg.

    (1963/64)

    38

    ff.

    25

    Dazu die

    verschiedenen Studien

    von

    M.

    Riedel

    sowie

    Ottmann,

    a.

    a.

    O.,

    306

    ff.

    26

    Das

    sogenannte

    ?Differenz-Argument**,

    das

    auf

    die

    von

    Hegel

    beschriebenen,

    aber

    in

    Preu?en

    1820

    noch

    gar

    nicht vorhandenen

    Institutionen wie

    ?ffentlichkeit

    der

    St?ndeverhandlungen und der Rechtspflege, Schwurgerichte, den Konstitutiona

    lismus

    und

    ?hnliches

    verweist,

    k?nnte

    eine

    solche

    Behauptung

    leicht

    widerlegen,

    siehe

    Ottmann,

    a. a.

    O.,

    83,

    202,

    230

    f.

    u.

    ?.

    27

    ?ber

    dieses

    Argument

    Ottmann,

    a.

    a.

    O.,

    81,105,197

    ff.,

    213,

    216

    u.

    ?.

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    16/18

    HEGELS

    RECHTSPHILOSOPHIE

    241

    2.4 Die Auseinandersetzungmit Fries

    2.4.1 Pro

    Eigentlich

    seit

    Erscheinen

    der

    Rechtsphilosophie von 1820 ist Hegels

    Polemik gegen denWartburgrednerFries als ein Indiz seinerServilitIt und

    seinerWende zur

    Restauration

    gewertet

    worden. Auch Ilting erblickt in

    dieserAuseinandersetzung

    mit dem

    bereits seinesAmtes enthobenen Fries

    ,,ein bedauerlichesBeispiel politischer

    Willfahrigkeit" (Ed. I, 74), ja sogar

    eine Opferung des Rechtsstaates auf

    dem

    Altar

    des

    ,,Polizei-und Obrig

    keitsstaates"

    (Ed. I, 75).

    Was

    Hegel

    an

    Fries

    kritisiere

    (dessen

    Forderungen

    nach ,,echtemGemeingeist" sowie nach einer Organisation des offent

    lichen Lebens

    ,,von unten aus dem

    Volke"), stimmemit den Steinschen

    Reformbestrebungen

    iubereinund k6nne nur

    bei restaurativenKraften

    Miffallen erregen.Wiihrend Hegel

    sich noch

    1818/19

    darauf

    beschranke,

    ,,das

    Recht

    auf

    Entlassung politisch unerwiinschter

    Beamter

    ...

    zu

    ver

    teidigen",m6chte

    er

    1820,

    daB davon

    auch Gebrauch

    gemacht

    werde

    (Ed. I, 76). Als

    AnlaB3

    genuige

    ihm

    die

    AuBerung potentiell gefahrlicher

    ,,Meinungen", gegen

    die

    er

    -

    ganz

    im

    Sinne

    der

    Karlsbader

    Beschltisse

    -

    polizeiliche

    und administrative

    MaBnahmen fordere

    -

    ohne

    die

    Einschal

    tung

    der

    Gerichte.

    2.4.2 Contra

    Ilting

    hat selbst

    auch

    dieses

    Argument

    relativiert.

    So

    teilt

    Hegel

    nicht

    die

    bei

    Fries

    zu

    vermutende

    und

    von

    seinem

    Anhanger

    de

    Wette

    aus

    gesprochene positive Beurteilung

    derMordtat

    Sands,

    so hat

    Hegel

    auch

    fur

    Ilting

    ein

    sachlichesRecht,

    sich

    von

    den

    ,,nationalen", ,,demokratischen"

    Idealen der Burschenschaften,

    ihrer

    ,,Gesinnungsethik"

    nd

    ihremnaiven

    ,,Irrationalismus" bzugrenzen (Ed. I, 72

    f.).

    Worin

    liegt

    dann

    aber

    die

    Akkomodation?

    Sicher, Hegels

    Polemik

    gegen

    den bereits

    verfolgten

    Fries ist eine in

    der

    Zeitsituation von 1820 bedauerlicheEntgleisung (,,Hegel'skicking a man

    already down")28,

    zumindest

    ein Zeichen

    mangelnder Kollegialitat

    und

    geschmackloserMaBlosigkeit29.Auch den Hinweis auf die zu Recht er

    folgte

    Entlassung

    kann

    man wie Schleiermacher

    fur

    ,,erbarmlich"

    alten

    (Ed. I, 63). Ob daraus aber folgt, daB

    Hegel

    die

    Einschaltung

    von

    Gerich

    ten

    ablehnt,

    ist

    bereits

    eine

    h6chst

    fragwiirdige ehnung

    der

    Tatsache,

    daB

    Hegel

    die

    Gerichte

    nicht

    erwihnt.

    Wie

    Hegel

    in

    seinem

    HaB

    auf

    den alten

    Konkurrenten Fries iiberdas Ziel

    hinausschieBt,mag man darausersehen,

    daB

    er

    bei

    diesem

    sogarkritisiert,was

    er

    selbst preist, ,,daB

    on

    unten, wo

    28 So

    S.

    Hook,

    Hegel's

    Apologists,

    in:

    Hegel's

    Political

    Philosophy,

    W.

    Kaufmann

    (ed.),

    New

    York

    1970,

    94.

    29

    Da?

    dies nicht der

    ganze

    Hegel

    ist,

    l??t sich

    nach

    d'Hondt und

    Avineri

    durch

    Hegels Eintreten f?r seine verfolgten Sch?ler und durch seine finanzielle Unter

    st?tzung

    f?r

    den

    entlassenen

    de

    Wette vermuten.

    J.

    d'Hondt,

    Hegel

    in

    seiner

    Zeit.

    Berlin

    1818-1831,

    Berlin

    1973,

    104

    ff.;

    S.

    Avineri,

    Hegel's

    Theory

    of

    the

    Mo

    dern

    State,

    Cambridge

    1972,130

    f.

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  • 8/10/2019 Henning Ottmann - Hegels Rechtsphilosophie und das Problem der Akkomodation

    17/18

    242

    DISKUSSIONEN

    das

    biirgerliche

    Leben

    concret

    ist,

    dasselbe auf concrete Weise

    regiert

    werde"

    (Rph 1820,

    ?

    290).

    Gerade

    angesichts

    dieser

    psychologischen

    Situation sollte

    man

    die

    moralische

    Beurteilung

    des Falls

    keineswegs

    mit

    der politischen

    und die

    Problematik der Vorrede nicht

    mit

    der des

    Gesamt

    werks

    von

    1820

    verwechseln.

    Ein Verrat

    des Rechts-

    an

    den

    Obrigkeits

    staat

    lage ja

    nur

    dann

    vor,

    wenn

    Hegel

    die

    Gewalt

    der

    Gerichte

    im

    Text der

    Rechtsphilosophie

    der

    Weisungsbefugnis

    der Exekutive

    untersteilte,

    was

    nicht der Fall ist.

    Und schlieBlich

    hat

    auch die

    Frieskritik

    in

    Inhalt

    und

    Form ihre

    vor-restaurative

    orgeschichte. Bereits in einem

    Brief von 1811

    fallen

    mit

    Bezug

    auf

    Fries

    sechsmal die

    Worte

    ,,seicht" und

    ,,Seichtig

    keit"3M,

    die

    erste

    Auflage der Logik

    polemisiert

    gegen

    Fries

    mit

    genau

    demselben Ausdruck31, und eine Ablehnung der Gesinnungsethik, des

    Irrationalismus

    und einer Politik

    terroristischer

    ropagandatatengeht be

    reits

    wieder auf Jena,

    zum

    Teil sogar

    auf fruhere Jahre zuriick, als Hegel

    den

    Terror

    der

    Revolution

    ablehnt,

    die

    gesinnungsethischen

    Momente

    der

    Kantischen Ethik

    und die

    Gefiihlstheologie verwirft.

    III.

    Die

    angemessene

    Diskussionsperspektive:

    Akkomodation als Problem des Systems

    Ilting

    hat

    historisch-philologisch

    zu

    beweisen

    versucht, was sich nur

    durch eine Analyse des Systems nachweisen lieB3e.Ohne die Aufnahme der

    theologisch-politischen Hegeldeutung,

    ohne

    die

    Diskussion der links

    hegelianischen

    Kritik an

    einer

    moglichen

    Systemtendenz zurAkkomoda

    tion

    (die man aus dem

    Obergewicht

    der

    Hegelschen Theorie

    iiber

    die

    Praxis,

    aus der

    Endgeschichtlichkeit des Systems

    und aus der

    Sollenskritik

    abzuleiten

    suchte) wird sich

    eine

    angemessene Ebene

    der Diskussion

    nicht

    finden lassen.Freilich, Ilting

    hat denOrt der

    systematischenAuseinander

    setzung

    von

    vorneherein

    den noch

    folgenden Kommentarbinden vorbe

    halten. Insofern

    sind die

    geduB3erten

    inwande

    ,,Zwischenbemerkungen",

    die

    nur

    einen

    Autor

    treffen,

    der sich

    zu

    einigen systematischen

    Interpreta

    tionsfragen

    noch

    gar

    nicht

    geduBerthat.

    Die

    bisherigeBegriindung seiner

    These diirfte allerdings auch wiederum nicht ausreichen, um die Behaup

    tung

    vom

    Standortwechsel

    Hegels plausibel

    zu

    machen. Mit einem

    gewissen

    Recht

    lieBe

    sich

    Iltings

    These sogar

    auf den Kopf stellen,

    sieht man die in

    Jena

    im

    Vergleich

    zu

    den Berliner

    Jahren

    viel

    ,,illiberalere" Lehre

    Hegels.

    Denn

    bereits

    in

    Jena

    gehort

    zu

    Hegels

    Philosophie

    die

    Kritik der

    Vertrags

    lehren,

    des

    individualistischen

    Naturrechts der

    Moderne,

    die

    Erbmonar

    chie,

    ein

    organischer

    Stiindestaat

    (nach

    innen)

    und

    ein

    Machtstaat

    (nach

    auf3en).

    Verglichen

    vor

    allem

    mit

    der

    friiheren Jenenser

    Lehre

    ist

    alles,

    was

    Hegel

    in

    Berlin

    veroffentlicht

    und

    vorliest, ungleich

    ,,liberaler",

    nicht

    zu

    30

    Hegel

    an

    Niethammer

    am

    10.10.1811,

    in:

    Briefe

    von

    und

    an

    Hegel,

    Bd.

    I,

    a. a.

    O.,

    388

    f.,

    vgl.

    auch

    Hegel

    an

    Paulus

    am

    9.

    10.

    1814,

    a.

    a.

    O.,

    Bd.

    II,

    41

    f.

    31

    Logik,

    1.

    Aufl.

    N?rnberg

    1812,

    17.

    Hierzu

    schon

    K.

    Rosenkranz,

    Apologie

    Hegels

    gegen

    Dr.

    R.

    Haym,

    K?nigsberg

    1858,

    35.

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    18/18

    ZUR KRITIK DES NEOHISTORISMUS

    243

    letzt deswegen, weil Hegel das

    Recht des Geistes im

    ,,Natur"-Recht,die

    Trennung derMoralitat

    von

    der Sittlichkeit

    sowie

    die Emanzipation

    der

    Gesellschaft vom Staat spiter besser

    zur

    Geltung bringt. Das

    Problem der

    Akkomodation lilt

    sich

    durch drei Vorgehensweisen nicht l6sen,

    nicht

    durch

    die Suche nach

    einer

    zeitlich

    fixierbaren

    Anpassung, nicht

    durch die

    Er6rterungmoralischer Probleme und schlieB3lichicht durch

    bloB3e

    ext

    vergleiche.Nur als Problem des Systems liBt

    sie

    sich adaquat

    diskutieren.

    Auf die

    Kommentarbande

    Iltings darfman deshalbmit Spannungwarten.

    Ilting hat sich durch seine Edition

    um

    die Hegelforschung verdient ge

    macht.

    Es

    ware

    zu

    bedauern,wenn

    dieses

    Verdienst auchweiterhin

    durch

    die

    Verbreitung einerThese geschmilertwiirde,

    die

    Hegel

    zu

    Unrecht

    eines

    ,,Standortwechsels" erdachtigt.

    ZUR KRITIK

    DES NEOHISTORISMUS

    vonJorn

    Riisen,

    Bochum

    1. Problemlage

    Hermann Liibbes

    Buch ,,Geschichtsbegriff

    und

    Geschichtsinteresse.

    Analytik und

    Pragmatik

    der

    Historie"

    ist eine

    systematische

    Zusammen

    fassung

    und Ausarbeitung

    seiner

    zahlreichen

    Arbeiten

    zur Theorie

    der

    Geschichte'.

    Es will als ,,Apologie

    des

    Historismus in seineruniiberholten

    epistemologichen

    und kulturellen

    Substanz"

    (7) gelesen

    werden und steht

    in einerReihe

    mit Oberlegungen

    von Historikern,

    dasErbe des

    Historismus

    in

    ihrerWissenschaft

    neu zur

    Geltung

    zu

    bringen

    Angesichts der

    Tatsache, daB

    sich am Historismus

    schon seit

    langem

    der

    Streit

    um

    Eigenart

    und

    Funktion

    des historischen

    Denkens entziindet

    hat,

    nimmt sich eine philosophischeErneuerungdesHistorismus auf den ersten

    Blick widerspriichlich

    aus.

    Fur die

    Geschichtswissenschaft

    stelit

    der Historismus

    eine

    Epoche in

    ihrer

    geschichtlichen

    Entwicklung dar,

    in

    der die Standards

    derQuellen

    kritik

    und der

    hermeneutischen

    Interpretation

    entwickelt worden

    sind,

    hinter

    die

    nicht mehr

    zuriickgegangen

    erden kann.

    Zwar reklamiert

    sie

    diese Standards

    auch

    fur

    die gegenwartigeGeschichtsforschung,

    doch

    halt

    sie

    sie

    fur

    erganzungsbediirftig

    urch sozialwissenschaftliche

    heorien

    und

    1 Hermann

    L?bbe:

    Geschichtsbegriff

    und

    Geschichtsinteresse.

    Analytik

    und

    Prag

    matik der

    Historie.

    Basel,

    Stuttgart

    (Schwabe)

    1977.

    (Im

    Folgenden

    werden

    Zitate

    aus diesem Buch durch Seitenangaben im Text belegt.)

    2

    Hier

    vor

    allem: Thomas

    Nipperdey:

    Historismus

    und

    Historismuskritik

    heute,

    in:

    Eberhard

    J?ckel

    u.

    Ernst

    Weymar

    (Hrsg.):

    Die

    Funktion

    der Geschichte

    in

    unserer

    Zeit.

    Stuttgart

    1975.