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TREFFPUNKT FORSCHUNG | „Ich habe beim Studium von Na- turgebilden wie Kieselsteinen, Felsblöcken, Knochen, Bäumen, Gewächsen usw. Form u- Rhyth- musprinzipien gefunden“, schrieb Henry Moore (1898-1986), dessen plastisches Werk sich stets an der Schnittstelle zwischen menschli- cher Figur und Naturform, der Landschaft, Tier- und Pflanzenwelt entwickelte [1]. Moore notierte: „Beim Kno- chenbau findet man also Prinzi- pien, die für die Bildhauerei sehr wichtig sein können. Man kopiert die Knochen nicht, sondern ver- wendet die gleichen Prinzipien, wie die Natur sie benutzt hat, um aus dieser Form kräftigere Formen zu gestalten. Das ist einer der Gründe für mein dauerndes Inte- resse an natürlichen Formen: die Möglichkeit, daraus wichtige Prin- zipien abzuleiten.“ [2] Folgerichtig bildet im Jahr 1968 ein Elefanten- schädel, ein Geschenk der Ehefrau des befreundeten Biologen Julian Huxley, den Ausgangspunkt für die Blätter der Grafikmappe Elephant Skulls. Einige dieser Radierungen „Elefant Skull“ sind nun unter an- derem in der Ausstellung des Mu- 296 | Biol. Unserer Zeit | 5/2010 (40) www.biuz.de © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ZOOLOGIE Geschickte Architektur macht Männchen größer Männliche Laubenvögel sind kunstvolle Architekten. Sie bauen eine Laube mit Wänden aus dünnen Zweigen und Ästen, die sie mit bunten Objekten verzieren, um die Aufmerksamkeit der Weibchen auf sich zu ziehen. Der in Australien beheimatete Graulaubenvogel (Chlamydera nuchalis) bedient sich noch zusätzlich eines optischen Tricks, wodurch er selbst größer und imposanter erscheint [1]. Laubenvögel gehören zusammen mit Raben und Eichelhähern zur Ordnung der Corvidae, die für ihre hohen kognitiven Fähigkeiten be- kannt sind. Zur Paarungszeit bauen die männlichen Vögel eine Laube, um sich den Weibchen darin zu prä- sentieren. Männliche Graulaubenvögel nutzen weiße und graue Objekte (Muscheln, Schneckengehäuse, Steine und Knochen) für ihr Arran- gement. Diese werden so platziert, dass die Objekte aus der Perspek- tive des Weibchens immer größer werden. Dieser Gradient drängt dem Betrachter ein falsches Bild von Größe und Distanz auf. Das eingeschränkte Sichtfeld in der Laubenallee zusammen mit dem Größengradienten der arrangier- ten Objekte gaukelt dem betrach- tenden Weibchen eine falsche Rea- lität vom Erscheinungsbild des Männchens vor. John Endler und sein Team ha- ben einzelne Objekte im Arrange- ment einiger Graulaubenvögel ver- tauscht (siehe Abbildung). Dies wurde von den Männchen sofort bemerkt und wieder rückgängig gemacht. Schon nach drei Tagen hatten sie den Größengradient ih- rer Objekte in der Laubenallee wieder hergestellt. Die Männchen verbringen ca. 75% ihrer Zeit mit dem Erhalt der Laube und dem Arrangement der Objekte. Zusätzlich schauen sie sich die Laube immer wieder aus dem Blickwinkel der Weibchen an. Diese Beobachtungen führen zu dem Schluss, dass der Größen- gradient der Objekte nicht zufällig ist, sondern absichtlich herbeige- führt wurde. [1] J. A. Endler et al., Current Biology 2010, 20, 1–6. Silke Wendler, Erlangen ABB. Blick- winkel des Weib- chens auf die Laube. Links: ungestörtes Arrangement mit kleinen Steinen vorn und größe- ren Steinen hin- ten. Rechts: Von den Forschern veränderter Bau. Bild: John Endler. AUSSTELLUNG Henry Moore – Natur und Figur Mit einer Auswahl von Druckgrafiken, Plastiken und zoologischen Ex- ponaten zeigt die Ausstellung im Neumarkter Museum Lothar Fischer bislang weniger bekannte Aspekte im Werk des berühmten englischen Bildhauers Henry Moore auf. HENRY MOORE – FIGUR UND NATUR Die Ausstellung ist zu sehen vom 17. Oktober 2010 bis einschließlich 9. Januar 2011 im MUSEUM LOTHAR FISCHER Weiherstraße 7a D-92318 Neumarkt www.museum-lothar-fischer.de

Henry Moore – Natur und Figur

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T R E F F P U N K T FO R SC H U N G |

„Ich habe beim Studium von Na-turgebilden wie Kieselsteinen,Felsblöcken, Knochen, Bäumen,Gewächsen usw. Form u- Rhyth-musprinzipien gefunden“, schriebHenry Moore (1898-1986), dessenplastisches Werk sich stets an derSchnittstelle zwischen menschli-cher Figur und Naturform, derLandschaft, Tier- und Pflanzenweltentwickelte [1].

Moore notierte: „Beim Kno-chenbau findet man also Prinzi-pien, die für die Bildhauerei sehrwichtig sein können. Man kopiertdie Knochen nicht, sondern ver-wendet die gleichen Prinzipien,wie die Natur sie benutzt hat, umaus dieser Form kräftigere Formenzu gestalten. Das ist einer derGründe für mein dauerndes Inte-resse an natürlichen Formen: die

Möglichkeit, daraus wichtige Prin-zipien abzuleiten.“ [2] Folgerichtigbildet im Jahr 1968 ein Elefanten-schädel, ein Geschenk der Ehefraudes befreundeten Biologen JulianHuxley, den Ausgangspunkt für dieBlätter der Grafikmappe ElephantSkulls. Einige dieser Radierungen„Elefant Skull“ sind nun unter an-derem in der Ausstellung des Mu-

296 | Biol. Unserer Zeit | 5/2010 (40) www.biuz.de © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

ZO O LO G I E

Geschickte Architektur macht Männchen größerMännliche Laubenvögel sind kunstvolle Architekten. Sie bauen eineLaube mit Wänden aus dünnen Zweigen und Ästen, die sie mit buntenObjekten verzieren, um die Aufmerksamkeit der Weibchen auf sich zuziehen. Der in Australien beheimatete Graulaubenvogel (Chlamyderanuchalis) bedient sich noch zusätzlich eines optischen Tricks, wodurcher selbst größer und imposanter erscheint [1].

Laubenvögel gehören zusammenmit Raben und Eichelhähern zurOrdnung der Corvidae, die für ihre

hohen kognitiven Fähigkeiten be-kannt sind.

Zur Paarungszeit bauen diemännlichen Vögel eine Laube, umsich den Weibchen darin zu prä-sentieren.

Männliche Graulaubenvögelnutzen weiße und graue Objekte(Muscheln, Schneckengehäuse,Steine und Knochen) für ihr Arran-gement. Diese werden so platziert,dass die Objekte aus der Perspek-tive des Weibchens immer größerwerden. Dieser Gradient drängtdem Betrachter ein falsches Bildvon Größe und Distanz auf. Daseingeschränkte Sichtfeld in derLaubenallee zusammen mit dem

Größengradienten der arrangier-ten Objekte gaukelt dem betrach-tenden Weibchen eine falsche Rea-lität vom Erscheinungsbild desMännchens vor.

John Endler und sein Team ha-ben einzelne Objekte im Arrange-ment einiger Graulaubenvögel ver-tauscht (siehe Abbildung). Dieswurde von den Männchen sofortbemerkt und wieder rückgängiggemacht. Schon nach drei Tagenhatten sie den Größengradient ih-rer Objekte in der Laubenalleewieder hergestellt.

Die Männchen verbringen ca.75% ihrer Zeit mit dem Erhalt derLaube und dem Arrangement derObjekte. Zusätzlich schauen siesich die Laube immer wieder ausdem Blickwinkel der Weibchen an.

Diese Beobachtungen führenzu dem Schluss, dass der Größen-gradient der Objekte nicht zufälligist, sondern absichtlich herbeige-führt wurde.

[1] J. A. Endler et al., Current Biology 2010,20, 1–6.

Silke Wendler, Erlangen

A B B . Blick-winkel des Weib-chens auf dieLaube. Links:ungestörtesArrangement mitkleinen Steinenvorn und größe-ren Steinen hin-ten. Rechts: Vonden Forschernveränderter Bau.Bild: John Endler.

AU SS T E L LU N G

Henry Moore – Natur und FigurMit einer Auswahl von Druckgrafiken, Plastiken und zoologischen Ex-ponaten zeigt die Ausstellung im Neumarkter Museum Lothar Fischerbislang weniger bekannte Aspekte im Werk des berühmten englischenBildhauers Henry Moore auf.

H E N RY M O O R E – F I G U R U N D N AT U R

Die Ausstellung ist zu sehen vom17. Oktober 2010 bis einschließlich 9. Januar 2011 im MUSEUM LOTHAR FISCHERWeiherstraße 7aD-92318 Neumarktwww.museum-lothar-fischer.de

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U N T E R R I C H T

Einfacher experimentierenDer gemeinnützige Verein Science Bridge aus dem Umfeld der Universi-tät Kassel hat zusammen mit der Firma Febikon begonnen, einfacheGeräte- und Versuchskits zu entwickeln, die in der Schule schnell, pro-blemlos und preisgünstig eingesetzt werden können.

Manche Lehrer lieben es, in ihrerFreizeit an Experimenten zu tüf-teln, die sie dann im Unterrichteinsetzen. Die meisten sind abermit Verwaltungsaufgaben, Korrek-turen und anderem so belastet,dass Schulversuche schwer reali-sierbar sind. Und wenn man danndie Utensilien zusammensucht,dann fehlt hier eine Chemikalieund dort ein Kolben. Wo war nochdie Versuchsbeschreibung? Funk-tioniert das Enzym noch? Warummuss man zehn Gramm bestellen,wenn man nur ein Grammbraucht? Eine Pipette für die ganzeKlasse? Da langweilen sich diemeisten. Einfacher ist der Besuchin einem Schülerlabor, aber daskostet Geld und es stellt sich dieFrage, wie nachhaltig so ein Aus-flug ist.

Abhilfe können hier die Geräte-und Experimentierkits schaffen,die von engagierten Lehramts- undDiplomstudenten der UniversitätKassel in Zusammenarbeit mit Ex-perten entwickelt werden. DenAnfang macht ein Gerätekit mitdem Grundhandwerkszeug derMolekularbiologie/Biochemie: dasPaket enthält zwei professionelleMikroliterpipetten (5–50 µl) und

nützliches Zubehör (Pipettenstän-der, Schutzbrillen, Spitzenkästenetc.). Der Preis wird, je nach Ab-nahmemenge, zwischen ca. 140 1und 170 1 liegen. Damit die Schü-ler selbständig arbeiten können,sind Zweiergruppen vorgesehen,die Kosten für die einmalige Aus-stattung einer ganzen Klasse blei-ben damit noch in einem erträgli-chen Rahmen, zur Not kommtman aber auch mit weniger Pipet-ten aus.

Im ersten Experimentierkitwerden eine semiquantitative Pro-teinbestimmung und eine Enzym-messung mit verschiedenen Lösun-gen durchgeführt. Vermittelt wer-den mit diesen Versuchen Themenwie beispielsweise die Anwen-dung von rekombinanten Protei-nen bei Laktoseintoleranz oderBluterkrankheit, die Wirkungs-weise von Enzymen oder der Auf-bau von Proteinen. Wichtig sindaber vor allem das selbstständigeExperimentieren und die Auswer-tung der Ergebnisse. Bis auf die er-forderlichen Pipetten enthält dasPaket alle Reagenzien und Ver-brauchsmaterialien, die für das Ex-periment nötig sind – und natür-lich eine Arbeitsanweisung, die

von den Schülern Schritt fürSchritt nachvollzogen werdenkann. Dieses Kit wird für eineKlasse von 24 Schülern ca. 50 1kosten.

Science Bridge e.V. stellt aufder Webseite www.science-bridge.net für Mitglieder und teil-weise auch frei zugänglich weitereUnterrichtsmaterialien zur Verfü-gung. Dazu gehören Arbeitsblätterund zusätzliche kleine Experi-mente, die mit dem Gerätekitdurchführbar sind und zurzeit ent-wickelt werden.

Das nächste Gerätekit wirdeine Elektrophoresekammer fürAgarosegele liefern – wiederumfür einen Preis, der weit unter denüblichen Angeboten liegt undtrotzdem wissenschaftliche Profes-sionalität bietet. Weitere Informa-tionen zu den Kits sind auf der Sci-ence Bridge Webseite unter „Pro-jekte“ zu finden. Lehrer könnenim Science Bridge Forum aucheigene Vorschläge für Schulexperi-mente einbringen.

Wolfgang Nellen, UniversitätKassel, Science Bridge e.V

seums Lothar Fischer zu sehen, daseine Auswahl der selten gezeigtenDruckgrafik aus der Sammlung desWilhelm Lehmbruck Museums prä-sentiert. Dank Henry Moores eige-ner Schenkung (von je einemExemplar jeder seiner Druckgrafi-ken), an eines der ersten europäi-schen Museen, das sich zeitgenös-sischer Skulptur widmete, besitzt

das Wilhelm Lehmbruck Museumin Duisburg einen der weltweitumfangreichsten Bestände vonMoores druckgrafischem Werk.

Leihgaben der zoologischenStaatssammlung München, Schädeleines Elefanten, eines Rhinozeros’und eines Pferdes ermöglichendem Betrachter, die künstlerischeUmsetzung des Themas im direk-

ten Vergleich mit dem Naturobjektzu studieren und lassen Mooreskünstlerische Formfindungennachvollziehbar werden.

[1] Unit One, in Unit One, 1933, zit. nach:Henry Moore, Über die Plastik, Hg. PhilipJames, München 1972, S.63.

[2] S.o., S.321

Christiane Lischka-Seitz,Neumarkt

A B B . Das vondem KasselerVerein ScienceBridge entwi-ckelte Gerätekitenthält alles, wasSchüler für mole-kularbiologischeExperimentebenötigen – unddas zu einemgünstigen Preis.