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Herbert BrOhwiler Methoden der ganzheitlichen Jugend- und Erwachsenenbildung

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Herbert BrOhwiler Methoden der ganzheitlichen Jugend- und Erwachsenenbildung

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Herbert BrOhwiler

Methoden der ganzheitlichen

Jugend-und Erwachsenenbildung

2. Auflage

Leske + Budrich, Opladen 1994

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DerAutor: Herbert BrOhwiler. Dipl.-Psych., freischaffender Psychologe in den Bereichen Erwachsenenbildung, Team- und Organisationsentwicklung

Idee: Ruth Jahnke Layout: Christian E. MOiler Redaktion: Ruth Gresser, Christian E. MOiler Umschlag: Josef BrOhwiler

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Briihwiler, Herbert: Methoden der ganzheitlichen Jugend- und Erwachsenenbildung / Herbert Bruhwiler. -2., durchges. Auf!. - Opladen: Leske und Budrich, 1994

ISBN 978-3-322-93639-4 ISBN 978-3-322-93638-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-93638-7

© 1994 by Leske + Budrich, Opladen

Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschOtzt. Jede Verwertung auBerhaib der en­gen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fUr Vervieltaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verar­beitung in elektronischen Systemen.

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Aile Methoden in der Erwachsenen­bildung sind darauf ausgerichtet, die Teilnehmer zu aktivieren - ihr Handeln zu stimulieren.

Selbsttatigkeit, Be troffenh eit, Bewusstseinsbildung, Verarbeitung und Bereicherung der Erfahrungswelt von Erwachsenen stehen im Vordergrund.

Informationstechniken werden benutzt, um einerseits neue Erfahrungen zu ermoglichen und anderseits eine BrOcke zu den bisherigen herzustellen.

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Sempe (Sempe 1975, 20-25)

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Inhalt

Vorwort 11 Ais Themeneinstieg 51 Einleitung 15 Karikatur ohne Titel 52

IIlustrationen 52 Lernsituationen mit Erwachsenen 17 Ais Interventionsmoglichkeit 55

Methodenverstandnis in Rollenspiel 57 der Erwachsenenbildung 17

Analogien Foigerungen 18 59

Kooperation und Widerstand 19 Graffiti 60 Grundsatze fUr den Einsatz der Methoden 20

Smily A.chtung vor Killerphrasen 20 61

Von der Sitzordnung hangt mehr ab, als Stimmungs-Barometer 61 man denkt 21

Stummer Dialog 63 Obersicht 24-25

Expertenbefragung 65 Partnerinterview 27

Anhorkreis 67 Collage 29

Brainstorming 69 Methodisch-didaktische Hinweise 29

Anonymes Brainstorming 69 VorzOge und Nachteile 29 Didaktisches Brainstorming 69 ZWei-Reihen-Gesprach 31 Imaginares Brainstorming 69

Malen, Zeichnen 33 SIL-Methode 69 Methode 635 70

Zu Musik malen 33 Brainwriting-Pool 70 Visuelle Bestandesaufnahme zu Kartchenbefragung 70 einem vorgegebenen Thema 33 Trigger.:rechnik 70 Malen zu einem Stichwortl Reizwort 33 Darstellung unserer Gruppe 33 Diskussion 71

I nteraktionsbild 34 Kurzfllm 73

Photolangage 37 Auswerten und Verarbeiten 73 Sich-Kennenlernen 37 Methode 365 74 Einstieg in ein bestimmtes Thema 38 Assoziationen 74

Konkretisierung eines Themas, Film-Ende erfinden 74

eines bestimmten Aspektes - Szenen nachspielen 74 AbschluB eines Themas 38 VorfOhren ohne Ton bzw. ohne Bild 74

Arbeit mit Kontrastfotografien 38 Vorbereitung 75

Photolangage als Methode zur Auswertung 38 Praktische Tips und Hinweise 75

Erstellen von Bildlegenden 38 Vortrag 77 Feedback 39

Ideen finden und Probleme losen 79 Blitzlicht 41

1 - Problemsituation 81 Methode 66 42 2 - Welche I nformationen brauche ich

Kugellager 43 noch zusatzlich? 81 3 - Wo konnte ich diese Informationen

Podiumsgesprach 45 erhalten? 81

Debatte 47 4 - Aufschreiben aller Fragen, die mir zur Situation einfallen 81

Karikaturen 49 5 - Wie heiBt nun das Problem? 81

Polarisieru ngen 49 6 - Ideenfindung fOr Problemlosung 81

AnstoB zur Reflexion 49 7 - Ideen - Erweiterung durch Verfremdung 83

Sel bstanklage 50 8 - Ideenbewertung 83

Impuls fOr ein bestimmtes Gesprach 50 9 - Realisierung 84

Methodisches 50 Konfliktgesprache in Gruppen 85

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Wahrnehmung 87 5 - Planungstechniken 116

Visualisieren dieser Thesen 87 Balkendiagramm 117

Kontaktaufnahme 88 Netzplan 118

In Auswertungssituationen wird die 6 - Einbezug der Teilnehmer 119

Wahrnehmung besonders aktuell 89 Gruppenlnterview 121 Aktuelles Problem 89 Zur Leitung des Gruppeninterviews 121 Sprachkurse 90 Vorschlag fOr ein Gruppeninterview 122 Optische Tauschungen 90 Gesprachsleitfaden fOr Zonen der Wahrnehmung 91 das Gruppeninterview 122 Ja-aber-Gespriich 93 Rotierendes Tagebuch 123 Korpersprache 95 Polarltiitsprofile 125 Lehrgespriich 97 Entscheidungsiibung: Schaubilder 98 Merkmale des guten Kursleiters 127 Feedbackdiagramm 99 Team Teaching: Vorteile des Lehrgesprachs 100 GesetzmiBigkelten, Mogllchkelten 129 Nachteile des Lehrgesprachs 100

Platzanalyse 101 1 - Rollenmodell oder

,Komplementares Team Teaching' 129 Bestimmen Sie Ihren Platz unter Menschen! 101 2 - Funktionenmodell 130

Fragen und Lernen 103 3 - Stofforientiertes Team Teaching 130 4 - HinfOhrung zum Thema 130

1 - Spiel der ,Verleumdung 5 - Planungs-/Diskussions~eam~eaching, durch Kennzeichnung' 103 ,Aquarium' 130

2 - Das ROckspiegelsyndrom 103 6 - Beratungs~eam~eaching 131 3 - Der rote Faden 103 Foigerungen fOr die Erwachsenenbildung 103 Fragebogen zum Lernklima 133 Wichtige - wesentliche Frage 104 Themenmarkt 135

Entrainement mental 105 Feedback 137 Innenbilder - Imaginatlonen 107 Thesen zur FeedbacHheorie 137

Emotionale FeuerwehrObung 107 Thesen zur Feedback-Praxis 138

Berufliche Schicksalslinie 108 Feedback-Methoden-Ubungen 138

Gesprache 108 Bausteine eines Lernkonzeptes fUr

Arbeltsgruppen-Modell 111 die Erwachsenenbildung 143

Fragebogen 112 Das ganzheltllche Denken und Handeln

Einstufungsbogen zur Selbst- und in der Projektarbeit 147

Fremdbeurteilung 112 I. Ebene: Systemisches Denken und

Mittelwert und Streuung 113 Handeln 148 II. Ebene: Merkmale und Phasen

Planung 115 der Projektarbeit 155

1 - Geschlossener Innenkreis - Podium 115 III. Ebene: Projektgruppen-Dynamik 164

2 - Oftener Innenkreis 115 IV. Ebene: Lernen der einzelnen 167

3 - Die Rahmenbedingungen 116 Literaturverzeich nis 169 4 - Zu Beginn des Kurses 116 Sachregister 171

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Vorwort oder: 11 Fur eine bessere Integration von Zielen und Methoden in der Erwachsenenblldung

Ober die wachsende Bedeutung der beruflichen und allgemeinen Erwachsenenbildung, dem sog. tertiaren und quartaren Bildungssektor, ist an hand volks- und betriebswirtschaftlicher Zahlen rasch Eini­gung zu erzielen. Die Bildungs5konomie lehrt uns, den immensen finanziellen, personellen und pad­agogischen Aufwand der betrieblichen und freien Erwachsenenbildung zu sehen und der Frage nach dem Nutzen und vor allem nach der Wirksamkeit der aufgewandten psychischen und materiellen Ener­gien nicht auszuweichen.

Die Verstandigung Ober die Blldungsziele ist, so­bald diese Frage konkreter wird, verstandlicherweise kontroverser. Weltanschauliche Perspektiven, politi­sche Positionen, wirtschaftliche Interessen und wissenschaftlich-piidagogische Gestaltungsmaxi­men beeinflussen die dauernde und notwendige Auseinandersetzung um stimulierende Ziele der Er­wachsenenbildung. Es lassen sich dabei drei Haupt­strange der Entwicklung und Debatte feststellen:

o Auffallig ist, daB insbesondere im deutschsprachi­gen Raum die Impulse der Aufklarung, wie sie klas­sisch I. Kant formulierte, namlich als Ausgang des einzelnen aus seiner selbstverschuldeten und von den politischen und religiosen Machten geforderten UnmOndigkeit, vorzugsweise als bloBe SelbstbezOg­lichkeit aufgenommen und gestaltet wurden. Ging es bei Kant noch darum, "daB der Mensch alles, was Ober die mechanische Anordnung seines tierischen Daseins geht, ganzlich aus sich selbst herausbringe und keiner anderen GIOckseligkeit oder Vollkommen­heit teilhaftig werde, als die er sich selbst frei von In­stinkt, durch eiigene Vernunft, verschafft hat", so war und ist das bildungsorientierte Echo darauf die "wer­den de Personlichkeit". Diese Tendenz zur individuali­stischen Verengung finden wir bis in die ebenfalls der Aufklarung und Emanzipation verpflichteten Psycho­analyse. Sowohl S. Freuds Unterscheidungskriterium von Gesundheit und Neurose " ... ob der Person ein genOgendes MaB von GenuB- und Leistungstahig­keit verblieben ist" (GW XI S. 476), als auch DW. Win­nicotts Umschreibung des Therapieziels: "Lebendig bleiben, gesund bleiben, wach bleiben" (1974, S. 217, zit. nach Th. Auer, 1991), konzentrieren sich auf das Subjekt und seine dyadischen Beziehungen. I. Kants Vorstellung des "auBersten Zieles der Kultur", namlich die Verwirklichung der "vollkommenen bOr­gerlichen Verfassung" als Rechtsraum, die dem ein­zelnen und den Vol kern die Voraussetzung zur grOBt­moglichen Verwirklichung ihrer Freiheit gibt, stand und steht in der Gefahr, eng gefOhrt zu werden in Selbstsuche, Selbstfindung, Selbstverwirklichung

und Identitatsbildung. (Kant-Zitate: Akademie-Ausg. Bd. 8, S. 19, 117.) So unverzichtbar und wesentlich das Subjekt, die Pers5nlichkeit, in allen Bildungs­fragen ist, so erganzungsbedOrftig ist dieser An­satz.

o Dies geschieht in einer Absage an aile monozen­trlerten Bildungskonzepte, seien diese in Gott, einer hOchsten Idee (z.B. Fortschritt), im auch durch die neuere Philosophie und okologisch orientierte Ethik kritisierten Anthropozentrismus oder in der Idee des Politischen usw. verankert. In der Abkehr von mono­zentrierten Bildungszielen wird das aufklarerisch­emanzipatorische Versprechen der Bildung erst ein­losbar. Wir neigen dazu, die uns vermittelten und von uns erworbenen Kenntnisse, Einstellungen und Ver­haltensweisen fOr definitiv wahr, angemessen und richtig zu halten. Der alltags-hermeneutische Zirkel, mit dem jeder seine Wirklichkeit konstruiert, bestatigt uns laufend in der Evidenz, Gegebenheit und scheinbaren Unausweichlichkeit unserer Wahrneh­mungen und SchluBfolgerungen. GrOnde dafOr gibt es genug: Es ist nicht nur die menschliche Tragheit, sondern ebenso die wachsende Komplexitat, Infor­mationssattigung und die schwindenden Moglich­keiten der Realerfahrung mit Materie, Beziehungen und Situationen, die zunehmend nur als abstrakte Lerngegenstande auftauchen. Erfahrungen intellek­tueller Oberforderung und sozialer Entmutigung be­hindern die EinObung in skeptisch-kritisches Denken und Handeln, das den Menschen aus einer dauern­den Vereinnahmung durch sog. Sachzwange und In­stitutionen entbindet. Der "neuen UnObersichtlich­keit" (J. Habermas) und "Wiederverzauberung der Welt" (M. Berman) muB gerade in der Erwachsenen­bildung mit einem Bildungskonzept begegnet wer­den, das befahigt, umfassend, grOndlich und ganz­heitlich zu den ken, WidersprOche aufzudecken und auszuhalten, realitatsgerecht und ichgerecht, also entschlossen und behutsam zu handeln und in der Bereitschaft, sich standig von den Foigen seines Handelns korrigieren zu lassen.

oDie inhaltliche Debatte um forderliche Bildungs­ziele soli aber von der Frage nicht ablenken, wer oder was diese Ziele postuliert und setzt. 1st es ein­fach die Summe des Vorflndllchen, aus der die Bil­dungsziele - aber durch wen - abgeleitet werden? Sind es die Experten - welcher Bereiche -, die Ober die Bestimmung entsprechender Bildungsin­halte dem Ziel des reibungslosen und verlaBlichen Funktionierens naherbringen wollen? KOnnte nicht auch der erwachsene Lernende seiber Ober seine Zielsetzungen und Zwecke des Lernens befinden?

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Fr. Schleichermachers skeptische Frage, inwieweit es sich rechtfertigen lasse, einen gegenwMigen Le- . bensmoment einem zukOnftigen zu opfern, bleibt ein permanenter Einspruch gegen jede bildungswOtige Vereinnahmung von Menschen zum Zwecke ihrer Konditionierung auf ihr zugeschneidertes Gluck, In­teresse, ihre von anderen definierte Befahigung und Sicherheit. In der vielfaltigen Bildungsarbeit mit Er­wachsenen gehen wir deshalb von dem Leitgedan­ken aus: .. Bildung, als Ziel des Lernens, ist die Befa­higung zu

- sachgerechtem Handeln, in Ubereinstimmung mit

- den situativen Gegebenheiten und - den pers6nlichen Zielsetzungen". (C.D. Eck,

1986, S. 3).

Die Verwirklichung jeder Zielvorstellung und Inhalts­bestimmung von Bildung ist auf die Diskussion um die angemessenen Methoden angewiesen. Die Praxis der Erwachsenenbildung zeigt aber uber weite Strecken ein groBes Defizit an Methodenbe­wuBtsein. Dieser Zustand zeigt sich vor allem in fol­genden drei Defiziten:

oDie faktische Konzentration auf informationsdar­bietende, referierende Methoden bei aller bekennt­nismaBiger Wertschatzung interaktiver oder autono­mief6rdernder Methoden. Stoffulle versus Zeitk­nappheit, faktische Wertschatzung jener Methoden bei Auftraggebern, Kursleitern und Adressaten sind die vorgebrachten Argumente bezOglich des Wider­spruchs zwischen der theoretischen Propagierung interaktiver, autonomes Lernen f6rdernder Metho­den und der tatsachlichen Praferenz der informa­tionsdarbietenden Methoden. Dieses Defizit kann aber umso weniger verandert werden, als Routine, mangelnde Kenntnis und Erfahrung mit alternativen Methoden aber auch die positionsmachtorientierte Wertschatzung der leiterzentrierten Methoden einige der Hintergrunde der Privilegierung dieser Metho­den sind. Auf die durchaus vorhandenen Vorteile der stoff- und leiterzentrierten Methoden muB nicht grundsatzlich verzichtet werden. Aber ganz ohne Frage privilegiert diese Methodenkategorie die lern­gewohnten und uber eine uberdurchschnittliche sprachliche Intelligenz verfugenden Adressaten. Das wichtige Postulat der Erwachsenenbildung, Selbstandigkeit und die Chance, daB die Teilnehmer ihre eigenen Erfahrungen, Bedurfnisse und Einsich­ten artikulieren und reflektieren k6nnen, wird durch diese Methoden kaum erfullbar.

oDie Frage der Indikation einer Methode wird ver­nachlassigt. Nicht nur, daB die Methodenvielfalt zu­wenig kenntnisreich angewendet wird; gerade modi­sche Trends oder ein fehlendes andragogisch­didaktisches Konzept verhindern, daB fUr eine de-

klarierte Zielsetzung und gegebene Situation die geeignetsten Methoden kompetent ausgewahlt und eingesetzt werden. So kommt es denn, daB be­stimmte Methodenkategorien, z.B. gruppenzen­trierte Verfahren, mehr als Zugestandnis an eine be­stimmte Vorstellung von Erwachsenenbildung, und dies dann noch eher oberflachlich, eingesetzt wer­den. Demgegenuber verlangt eine motivierte und motivierende Planung der erwachsenenbildneri­schen Arbeit, daB jede Verwendung einer Methode im Wissen um

- Zielsetzung der Lernsequenz, - die Lerngewohnheiten und Voraussetzungen der

Adressaten, - die Wirkungsweisen der Methode, inkl. Neben­

wirkungen, - die zeitlichen und organisatorischen Bedin­

gungen, - die korrekte Instruktion des Vefahrens, - die geeignete Auswertungs- und Feedbackm6g-

lichkeiten geschieht.

Ein andragogisches Verfahren, sei es mehr eine ei­gentliche Methode oder eher eine Technik bzw. ein Instrument, kann erst dann wirklich eingesetzt wer­den, wenn der Benutzer nicht nur angeben kann, wofUr das Verfahren geeignet ist, sondern ebenso seine Grenzen, Schwierigkeiten und evtl. Kontraindi­kationen kennt. Dazu gehOrt auch die Auseinander­setzung mit dem Sachverhalt, daB nicht nur die an­gebotenen Theorien und Modelle, sondern auch die Lehr- und Lernmethoden bestimmten .. Bildern" uber die Welt, die Menschen und uber ein .. gutes Leben" verpflichtet sind. Die oft enttauschenden Ergebnisse und Wirkungen .. humanistischer" Modelle und Met­hoden hat einige ihrer Grunde in der mangelnden Reflexion der impliziten Annahmen von Theorien und Methoden, im Vergleich zu den Erwartungen von Auftraggebern, Teilnehmern und Kursleitern der Erwachsenenbildung.

Die Forderung nach professionellem Umgang mit padagogisch-andragogischen Methoden bedeutet nicht, daB aile Anwender hauptberufliche Mitarbeiter in der Erwachsenenbildung zu sein hatten. Nicht nur ware das vOl/ig unrealistisch, sondern auch ein im­menser Verlust an Probleml6sungskompetenz und Situationkenntnis, wie sie gerade der nebenberuflich tatige Erwachsenenbildner potentiell mitbringt.

o Das methodische Hauptdefizit ist aber die man­gelnde Reflexion des unaufl6s1ichen Zusammen­hangs zwischen Zielsetzung und Methodik des Lehrens. Die in einer bestimmten Situation verwen­deten Methoden sind haufig nicht nur als Zielset­zung inadaquat, sondern dementieren geradezu das deklarierte Bildungsziel. Wenn beispielsweise Kurse/Seminare zur Kommunikation, Kooperation

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und Konfliktlbsung mit einem Uberhang an leiter­und stoffzentrierten Methoden (z.B. Frontalunter­richt) durchgefOhrt werden, so sind nicht nur die mangelnden Ubungs- und Erfahrungsmbglichkeiten zu beklagen, sondern vor all em der Sachverhalt, daB diese Art der Darbietung ein bestimmtes Modell von Kommunikation und Kooperation zum Ausdruck bring!. Kommunikation von oben nach unten, Privile­gierung des Rationalen, trotz offensichtlichem Mehr­gewicht der emotionalen Faktoren, Expertenlbsung, Passivierung der Beteiligten usw. sind in einem sol­chen Fall die gelebten und "Iebendigen" Elemente. Auch hier erweist sich das "verborgene" Curriculum als lernwirksamer als die offiziellen Angaben der Kur­sausschreibung. Das Lernen u.v.a. Transfer behin­dernde Lernparadox besteht darin, daB Lerninhalt und Lernmethode widersprOchlich sind.

Die sog. Kultursemiotik (U. Eco, 1972) hat aufgezeigt, wie "beredt" und vielsagend die "Zeichen" sind. Zei­chen, die lange vor und Ober dem verbalen Aus­tausch kommen und sich in art und Raum, Zeitpunkt der Bildungs\ieranstaltung, der Ausschreibung und Werbetrager, der Sitzordnung (vgl. S. 21 -23) und vie­lem anderen mehr niederschlagen. Auch die Metho­den der Erwachsenenbildung sind eine Semiose, also ein ProzeB, bei dem einiges als Zeichen fun­giert. Jede Methode und das durch sie notwendige oder sie ermbglichende Setting transportiert Zei­chen fOr das tieferliegende Verstandnis der Ziele, In­halte und Lernchancen (z.B. zur Veranderung und Innovation), oft mehr und eindrOcklicher als die de­klarierten Zielsetzungen und Lerninhalte einer Bil­dungsveranstaltung. Es ist lohnend und notwendig zugleich, die Semiose einer Veranstaltung der Er­wachsenenbildung sich bewuBt und der Analyse bzw. Veranderung zuganglich zu machen. Es kbnnte auf diese Weise mbglich sein, die zahlreichen offe­nen und verdeckten WidersprOche in der Praxis der Erwachsenenbildung zu reduzieren und damit die Lernwirksamkeit und dadurch das Veranderungspo­tential yom Lernen zu erhbhen.

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Herbert BrOhwiler hat ein Kompendium der Metho­den in der Erwachsenenbildung vorgelegt, das sehr geeignet is!, die skizzierten Defizite der Praxis der Er­wachsenenbildung zu beheben. Es ist keine bloBe An­sammlung von irgendwo gebrauchlichen Methoden in aller Beliebigkeit. Der padagogisch-psychologische und gruppendynamische Hintergrund des Autors ist in Konzept, Auswahl und Instruktion der Methoden hilf­reich spOrbar. Einer der VorzOge dieses Methoden­Handbuchs besteht darin, daB es sich nicht nur einiger weniger Veranstaltungstypen, z.B. Persbnlichkeitsent­faltung, Kreativitatstraining, verpflichtet weiB, sondern das ganze Spektrum der methodischen BedOrfnisse umfaBt: Von themen- bzw. problembezogenen kogniti­yen Lernvorhaben bis zur kbrperintegrierten Selbster­fahrung. Die eigentliche Chance dieses Ansatzes ist gerade die Ganzheitlichkeit. Der kompetent ange­wandte Methodenpluralismus Oberwindet jede einsei­tige Ausrichtung auf einen bevorzugten Lernweg der Adressaten. In diesem Kompendium findet der haupt­und nebenberufliche Erwachsenenbildner eine FOlie von Anregungen zur lernwirksamen Moderation von Lernsequenzen.

Ich wOnsche der Schrift von Herbert BrOhwiler eine weite Verbreitung und anwendungsneugierige Leser.

Literatur

Claus D. Eek Institut fOr Angewandte Psychologie ZOrich

T. Ballauf: Padagogik a1s Bildungslehre. Heidelberg: QueUe & Meyer 1986.

C.D. Eck: Anthropologische Grundlagen der Betrieblichen Erwachsenenbildung - Unterlagen des Seminars fOr das Betriebliche Ausbildungswesen ZOrich: Institut fOr Ange­wandte Psychologie 1986

P.. Elbow: Embracing contraries - explorations in learning and teaching New York: Oxford University Press 1986.

C.D. Eck ist stv. Direktor des Instituts fiir Ange.vandte Psychologie Ziirich und leilet dort den Bereich "Fachliche Koordinalion und Betreuung".

November 1991