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Page 1: Herzblatt4 02 VI -  · PDF fileDie Untersuchung erfolgt in der Regel beim schlafenden, aber selbst atmenden Kind. Sie kann bis zu mehreren Stunden dauern. Sie tut nicht weh und

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Wie funktioniert der Herzschlagnormalerweise?

Der Herzmuskel kann sich nur dann zusam-menziehen und das Blut aus dem Herzen pum-pen, wenn die Herzmuskelzellen durch elektrischeImpulse erregt wurden. Diese Aufgabe über-nehmen innerhalb des Herzens verschiedeneGebiete in einer festgesetzten Reihenfolge. Der so-genannte Sinusknoten, der sich in der rechtenVorkammer des Herzens befindet, gibt ein elek-trisches Signal, welches die Vorhofmuskulaturerregt und dann über den AV (Atrio-Ventriku-lar)– Knoten zu den Herzkammern weitergelei-tet wird. Der AV-Knoten ist normalerweise dieeinzige elektrische Verbindung zwischen Vorhofund Kammer. Wenn der AV-Knoten ausfällt, istin der Regel ein Herzschrittmacher notwendig,um die Vorhoferregungen auf die Herzkam-mermuskulatur zu übertragen.

Was ist Herzrasen?

Bei der häufigsten Form des Herzrasens bestehtzusätzlich zum AV-Knoten eine weitere elektrischeVerbindung zwischen Vorhof und Kammer. Wirsprechen hier von zusätzlichen (akzessorischen)Leitungsbahnen, welche angeboren sind. Diese Lei-tungsbahnen leiten meistens rückwärts, d.h. vonder Kammer zum Vorhof. Kommt nun die normaleHerzerregung über den AV-Knoten zur Herz-muskulatur, wird sie sogleich wieder zurück zumVorhof geleitet (nämlich über die akzessorischeBahn), dann wieder über den AV-Knoten zurKammer, usw. Das so entstandene Herzrasenwird als Reentry-Tachykardie (Wiedereintritts-Herzrasen) bezeichnet, da eine kreisende, schnel-le Erregung innerhalb des Herzens entstandenist (AV-Reentry Tachykardie, abgekürzt: AVRT).Manchmal liegt diese zusätzliche Leitungsbahninnerhalb des AV-Knotens selbst. Es bestehen

Herzrasen bei Kindern und JugendlichenElektrophysiologische Untersuchung und Hochfrequenzstromablation

Dr. med. Joachim C. Will, Oberarzt der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Kardiologie,Otto Heubner Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, CCM, Charité Berlin

www.charite.de/paediatrie

Sinusknoten

Leitungsbahnenim Vorhof

AV-Knoten

His-Bündel

rechter Schenkel

linker Schenkel

Purkinje-Fasern

Abb.: Reizbildungs- undErregungsleitungssystem des Herzens

somit zwei AV-Leitungsbahnen, eine schnelle undeine langsame Bahn. Leitet nun die eine Bahnden Herzschlag vom Vorhof zur Kammer und dieandere Bahn wieder zurück zum Vorhof, so ent-steht auch hier eine Reentry-Tachykardie (AV-Knoten Reentry-Tachykardie, abgekürzt: AVNRT).Neben diesen beiden Hauptformen des Herzrasensbesteht auch die Möglichkeit, dass sich unab-hängig vom Sinusknoten, entweder im Vorhof(atrial ektope Tachykardie) oder in der Kammer(fokale ventrikuläre Tachykardie) Zellansamm-lungen finden, die elektrisch aktiv sind undähnlich dem Sinusknoten einfach vor sich hinfeuern, so dass Herzrasen entstehen kann.Auch kann es Reentry-Mechanismen nur im Vor-hof (Vorhofflattern) oder nur in der Kammer(Makro-Reentry ventrikuläre Tachykardie) geben– meist bei Patienten nach Herzoperationen.

Wer bekommt Herzrasen?

Die zusätzlichen Leitungseigenschaften der akzes-sorischen Bahnen ändern sich im Verlauf desWachstums. Häufigkeitsgipfel für die meisten For-men des Herzrasens sind das Säuglingsalter unddas Teenageralter. Besteht Herzrasen noch nachdem 6. Lebensjahr oder tritt es danach erstmals auf,ist die Wahrscheinlichkeit, dass es von allein ver-schwindet, gering.Bei Kindern und Jugendlichen mit operiertenangeborenen Herzfehlern können noch Jahrenach der Operation Attacken von Herzrasen ent-stehen, deren Ursprung in der Regel komplizier-ter ist als der in den zuvor beschriebenen Fällen.Häufiger betrifft Herzrasen hier Patienten mit Vor-hofumkehr-Operation (Senning-OP oder Mustard-OP) bei der Transposition der großen Gefäße.Meist tritt es als Vorhofflattern (intraatriale Reen-try-Tachykardien), aber auch als Kammerherz-rasen auf, bei Kindern nach Fontan-Operati-on/TCPC als Vorhofflattern. Seltener kann es nacheiner Fallot-Operation zu Kammerherzrasen kom-men, und auch nach ASD-Operationen sind For-men des Vorhofflatterns möglich.

Ist Herzrasen gefährlich?

Die häufigsten Formen des Herzrasens, AV- undAV-Knoten Reentry-Tachykardien, sind in derRegel zwar sehr unangenehm, aber nicht wirk-lich gefährlich. Sollte das Herzrasen über meh-rere Stunden andauern, kann es jedoch zurErschöpfung und zur Herzschwäche führen.Manche zusätzlichen Leitungsbahnen leiten nichtnur rückwärts (also von der Kammer zum Vorhof),sondern auch vorwärts (von dem Vorhof zur Kam-mer). Findet schon im Normalzustand, also nichtin der Tachykardie, eine gleichzeitige Erregung derKammer über den AV-Knoten und die zusätzli-che Leitungsbahn statt, so liegt ein sogenanntesWPW-Syndrom (nach den Erstbeschreibern Wolff,Parkinson und White) vor. Dieses WPW-Syndromhat ein charakteristisches Aussehen im normalenEKG und kann auch bei Patienten im EKG gese-hen werden, die nie Herzrasen gehabt haben.Die Besonderheit beim WPW-Syndrom liegt da-rin, dass diese zusätzlichen Leitungsbahnen beimanchen Kindern die Eigenschaft haben, einenschnellen Vorhofrhythmus und auch Vorhofrhyth-musstörungen (Vorhofflimmern) schnell, das heißtmit über 280 Schlägen in der Minute, auf die Kam-mer überzuleiten. Die Filterfunktion des normalenAV-Knotens (er bremst bei maximal 220-230/minalle schnelleren Schläge aus) wird damit umgan-gen. Das bedeutet aber für die Herzkammer, dasssie keine Zeit mehr hat, das Blut aus dem Herzenauszuwerfen. Andererseits bekommt sie keineZeit mehr, in der Erholungsphase des Herzens,der Diastole, selbst über die Herzkranzarterienmit Blut versorgt zu werden. Das erklärt, warum(allerdings in sehr wenigen Fällen!!!) das WPW-Syn-drom unabhängig von der Tachykardie, die ent-stehen kann, auch eine möglicherweise gefährli-che und sogar lebensgefährliche Erkrankung seinkann.Sehr selten gibt es bestimmte Sonderformen desHerzrasens, die über eine andauernde Tachykar-die zur Erweiterung der linken Herzkammer (links-ventrikuläre Dilatation) und zu einer gefährli-chen Herzmuskelschwäche (Herzinsuffizienz,Tachykardiomyopathie) führen. Diese Formendes Herzrasens bestehen zumeist über Wochen,

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Page 2: Herzblatt4 02 VI -  · PDF fileDie Untersuchung erfolgt in der Regel beim schlafenden, aber selbst atmenden Kind. Sie kann bis zu mehreren Stunden dauern. Sie tut nicht weh und

sind in der Regel nicht ganzso schnell (160-190/min) undbeginnen nicht plötzlich. Meistsind Säuglinge und Kleinkinderbetroffen.Herzrasen bei herzoperiertenKindern, Jugendlichen und Er-wachsenen hat in der Regel einenernsten Hintergrund und mussweiter abgeklärt werden.

Was kann man während des Anfallsgegen Herzrasen tun?

Ziel ist es, das Herz „zu erschrecken“. So kön-nen Einflüsse des Nervensystems eine Unterbre-chung des Herzrasens erzwingen:� Bauchpresse: tief Einatmen, Luft anhalten,

Zwerchfell nach unten drücken wie beim Stuhl-gang und Pressen.

� Kaltes Wasser: den Kopf plötzlich in eiskaltes(Eiswürfel!) Wasser tauchen; weniger effektiv,aber auch möglich ist ein kalter Waschlappenim Gesicht.

� Eiskalte Getränke trinken.� Im Notfall kann auch ein Würgereiz/Erbrechen

den Anfall stoppen.VERBOTEN (darf aber der Notarzt): auf die Hals-schlagader drücken!VERBOTEN (darf nicht einmal der Notarzt): aufdie Augen drücken!

Dauert das Herzrasen bei gutem Zustand des Kin-des länger als 30 Minuten, sollte das nächste Kran-kenhaus aufgesucht werden. Lassen Sie sich nichtin der Notaufnahme abwimmeln, sondern beste-

hen Sie darauf, dass sofortein 12-Kanal-EKG ge-schrieben wird. BleibenSie hart! Dieses erleich-tert Ihren behandelndenKinderkardiologen dieDiagnose und auch die

prognostische Einschät-zung und dient daher der

Steuerung der besten Thera-pie für Ihr Kind, ein Verständnis,

was leider noch einigen ärztlichen Kollegen inmanchen Rettungsstellen fehlt. Bei schlechtemZustand des Kindes (graue Hautfarbe, blaue Lip-pen, Schwäche) muss sofort ein Notarzt über 112gerufen werden.

Was kann man prinzipiell gegenHerzrasen tun?

Bei Herzrasen von Säuglingen und Kleinkindernbesteht in der Regel immer Handlungsbedarf, dadurch eine anhaltende Tachykardie eine Herz-schwäche hervorgerufen werden kann. AuchHerzrasen nach einer vorangegangenen Herz-operation bedarf einer medikamentösen oderablativen Therapie (Ablation s. S. 4). Die Elternsollten daher beim Auftreten von Herzrasen diebehandelnde Klinik oder den behandelnden Kin-derkardiologen aufsuchen. Gegebenenfalls mussauch in Abhängigkeit vom Gesamtzustand desKindes über die Notfallnummer (112 oder örtlicheNotrufnummer) ein Notarzt oder Krankenwagenangefordert werden. Durch den Arzt wird dann Herz-rasen, das mit einem noch stabilen Zustand desKindes einhergeht, nach Schreiben eines EKGs

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So liegen die Herzkatheterbei einer Ablation.

hier als Bsp.:AV-Knoten-Ablation bei Vorhofflimmern

mit Medikamentenbeendet oder gebremst.Herzrasen, das akutlebensbedrohlich ist,wird mit Elektroschockbehandelt (Kardiover-sion oder Defibrillation).Anders bei den häu-figsten Formen desHerzrasens, AVNRTund AVRT. Hier beste-hen jenseits des Säuglings- und Kleinkindaltersprinzipiell drei Möglichkeiten der Therapie: � keine Behandlung,� Dauer-Medikation oder � Ablation.Besteht nur seltenes Herzrasen (ca. 1-2x/Jahr),wird das Herzrasen nicht als sehr störend empfunden,dauert es weniger als 30 min, oder kann es durchbestimmte Manöver (s. S. 3) beendet werden,muss keine Therapie erfolgen. Dabei muss jedochbedacht werden, dass eventuell manche Berufewie Berufskraftfahrer, Polizist, etc. nicht erlerntwerden können. Natürlich kann Herzrasen auchauf Reisen jenseits einer guten Krankenhausan-bindung auftreten und manche Sportarten (wiezum Beispiel Schwimmen) können bei plötzlich auf-tretendem Herzrasen mit einem Risiko behaftetsein. Tritt sehr häufig Herzrasen auf, geht es miteiner schlechten Leistungsfähigkeit einher. Lässt sich Herzrasen nicht ohne Medikamenteunterbrechen, so besteht eine Behandlungsnot-wendigkeit. Therapie der Wahl ist dabei dieAblation (siehe unten). Ist diese nicht möglich,wird sie nicht gewünscht oder liegt die zusätz-liche Leitungsbahn nahe dem AV-Knoten, so kannauch eine medikamentöse Dauertherapiedurchgeführt werden.

Besteht hingegen ein WPW-Syndrom, so mussabgeklärt werden, ob eine schnelle Überleitung mög-lich ist (siehe oben). Falls ja, ist eine elektrophy-siologische Untersuchung und eine Ablation not-wendig. Falls nein, muss nicht unbedingt eineTherapie eingeleitet werden.

Was ist eine elektrophysiologischeUntersuchung?

Eine elektrophysiologische Untersuchung (EPU)ist eine spezielle Herzkatheteruntersuchung.Dabei werden mehrere (bis zu fünf) dünnePlastikschläuche mit kleinen Metallringen ander Spitze (Elektroden) über die Venen an denLeisten und unterhalb des Schlüsselbeinesunter Röntgendurchleuchtung in das Herzvorgeschoben. Hier werden dann die EKGs imHerzen direkt abgeleitet. Diese Signale werdendann auf einem Computermonitor dargestelltund vom Arzt analysiert. Über einen Herzschritt-macher am Arbeitstisch des Arztes kann danndas Herz auch künstlich erregt werden,um so Aufschlüsse über die bestehende Rhyth-musstörung zu erlangen.

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oben: Röntgenbild bei Ablation.links:Monitor bei einer Ablation.

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Die Untersuchung erfolgt in der Regel beimschlafenden, aber selbst atmenden Kind. Siekann bis zu mehreren Stunden dauern. Sie tutnicht weh und hinterlässt keine Narben außerEinstichstellen in die Venen von rund 2 mm Durch-messer.Bei manchen Fragestellungen wie z. B. zur Risiko-einschätzung beim WPW-Syndrom kann es aus-reichend sein, mit einem einzigen Katheter, derüber die Speiseröhre eingeführt wird, die Signa-le hinter dem Herz zu erfassen. Hier sprechenwir von einer transoesophagealen elektrophysio-logischen Untersuchung.

Wer braucht eine elektrophysiologischeUntersuchung?

� Kinder mit Herzrasen und dem Ziel, diesesdurch Ablation zu heilen,

� Patienten mit unklaren Ohnmachtsanfällen,� Patienten mit bestimmten Herzfehlern zur

Einschätzung einer Rhythmusproblematik,� Patienten mit bestimmten Rhythmusstörungen

zur Einschätzung des Schweregrades dieserRhythmusstörung.

Ist eine elektrophysiologischeUntersuchung gefährlich?

Nein und Ja. Das Risiko einer solchen Untersuchungmuss immer gegen das Risiko der Herzrhyth-musstörung eingeschätzt werden. Andererseitsmuss die Rhythmusstörung im Zusammenhangmit einem möglicherweise bestehenden Herz-fehler betrachtet werden. Letztlich wird bei einerEPU nur das simuliert, was auch im wirklichen Le-ben passieren kann, und das EPU-Labor ist mitSicherheit der sicherste Platz in Ihrer Stadt und imUmkreis, da man hier auf jedes möglicherweiseauftretende Problem vorbereitet ist.Ähnlich wie bei einer normalen Herzkatheter-untersuchung sind seltene, aber prinzipielle Risi-ken: Blutung, Thrombose, Embolie, Herzverletzung,Infektion und Pneumothorax (Luftansammlungum die Lunge herum).

Was heißt Ablation?

Ablation bedeutet soviel wie „Wegnehmen“. Beider heute überall verwendeten Hochfrequenz-strom-Ablation wird eine Stelle im Herzen (die zu-sätzliche Bahn oder der unerwünschte Herd) aufüber 55-60 Grad Celsius erwärmt, so dass sichdie Muskulatur – denn um solche handelt es sich– in Bindegewebe verwandelt. Es entsteht eine Nar-be, die elektrisch nicht mehr leiten kann. Dadurchist das Herzrasen unterbrochen und geheilt.

Ist eine Ablation gefährlich?

Bei der Ablation ist eine gefürchtete Komplikationder totale AV-Block (AV-Block III°). Dieser kannentstehen, wenn die Leitungsbahn direkt nebender normalen AV-Überleitung des Herzens liegt.Um diesen AV-Block und damit das Einsetzeneines Herzschrittmachers zu vermeiden, könnennicht alle Formen des Herzrasens mit einer Abla-tion geheilt werden. Es sollte auch darauf geach-tet werden, dass Ablationen nur von speziali-sierten Kinderkardiologen in einem Zentrumdurchgeführt werden, um kein Risiko für die Kin-der einzugehen.

Ist das Kind nach einer Ablation geheilt ?

In der Regel ja. Die Erfolgsrate der Ablation ist abhän-gig von der bestehenden Rhythmusstörung: FürAVNRT und AVRT liegt sie bei 90-95%, bei denübrigen Rhythmusstörungen um 80%. Für diehäufigsten Formen des Herzrasens ist die elek-trophysiologische Untersuchung und Ablationdaher die Therapie der Wahl.

Bei komplexen Rhythmusstörungen nach Herz-operationen sind oft mehrere Untersuchungen not-wendig, die bis zu acht Stunden dauern können.Hier kann auch schon eine Verminderung der not-wendigen Medikamentenmenge gegen Herzrasenunter Umständen als Erfolg gewertet werden.

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