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HERZLICH WILLKOMMEN

HERZLICH WILLKOMMEN · EMDR vorstellen: „Wenn ein Trauma stattfindet, scheint das Nervensystem die Erinnerung an diese Situation mit allen Bildern, Gedanken und Gefühlen „einzufrieren“

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HERZLICH WILLKOMMEN

DR. MED.

FRANK BAUER FLIEDNER KLINIK BERLIN / OBERARZT

„EMDR in der Behandlung von traumatischem Stress“

Dr. med. Frank M. Bauer

EMDR in der Behandlung von traumatischem Stress

Traumasymposium

Fliedner Klinik Stuttgart

10.05.2017

Überblick

I. Theoretische Grundlagen – Was ist EMDR? – Die Geschichte der EMDR-Methode – Das adaptive Informationsverarbeitungsmodell

(AIP) – Theorien zur Wirksamkeit von EMDR – Indikationen und Kontraindikationen

Überblick

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR – praktischer Ablauf und Durchführung

III. Empirische Befunde

IV. Weitere Anwendungsbereiche von EMDR

I. Theoretische Grundlagen

• Einmal Musst Du Ran…

• Was ist EMDR?

„Eye Movement Desensitization and Reprocessing“ (EMDR) ist eine standardisierte psychotherapeutische Methode, die es ermöglicht, die durch die Traumatisierung fragmentierten Erinnerungsinformationen zusammenzubringen, durchzuarbeiten und gleichzeitig die dem Selbstwertgefühl entstandene Verletzung kognitiv neu zu bewerten. Als komplexe Behandlungsmethode integriert EMDR psychodynamische, imaginative und kognitiv-behaviorale Behandlungselemente (Hofmann, 2014).

I. Theoretische Grundlagen

Das Modell der adaptiven Informationsverarbeitung (Shapiro, 2001) •Dysfunktional gespeicherte implizite Erinnerungen sind die primären Auslöser vieler psychischer und psychosomatischer Störungen.

•Pathogene Erinnerungen machen sich meist durch sensorische Intrusionen und kognitive Wahrnehmungsverzerrungen bemerkbar.

•Im Gehirn gibt es ein lösungsorientiertes Selbstheilungssystem, das pathogene Erinnerungen auflösen kann.

•Die gezielte Aktivierung einer pathogenen Erinnerung stellt eine Beziehung zwischen dem Alltagsbewusstsein und der fehlgespeicherten Erinnerung her.

I. Theoretische Grundlagen

Das Modell der adaptiven Informationsverarbeitung (Shapiro, 2001) •Die gleichzeitige bilaterale Stimulation aktiviert das Selbstheilungssystem des Gehirns, das die Erinnerung verarbeiten kann („prozessieren“).

•Beim Prozessieren einer pathogenen Erinnerung verändern sich v.a. die sensorischen, affektiven und kognitiven Komponenten der Erinnerung hin zu einer adaptiven Lösung.

•Folgen dieses Prozesses sind die Desensibilisierung (Verringerung der Belastung) der Erinnerung, Einsichten und Veränderungen der emotionalen sowie der physiologischen Reaktionen mit ihren Folgen für das Selbstgefühl und die sozialen Beziehungen.

I. Theoretische Grundlagen

I. Theoretische Grundlagen

Theorien zur Wirksamkeit von EMDR

• Psychotrauma ist blockierte Informationsverarbeitung

Das sich ausbildende Trauma-

Schema organisiert Wahrneh-

mungen und Hdlg. i. S. einer

Kampf/Fluchttendenz, kann er-

hebliche kognitive Verzerrungen

verursachen und neigt dazu, sich

in andere psychische Bereiche

auszubreiten.

I. Theoretische Grundlagen

Theorien zur Wirksamkeit von EMDR • Bisher bei keiner PT Methode bekannt, bei der EMDR Methode jedoch

besonders interessant, da die Methode besonders ungewöhnlich und dabei effizient zu sein scheint

• Keine reine Exposition, da deutlich weniger Expositionsdosis (ca. 50% trotz gleicher Effektstärke) gegenüber anderen Expositionsmethoden mit/ ohne kognitives Umstrukturieren notwendig, also reine Dekonditionierung durch Exposition unwahrscheinlich

• Stimulation durch Augenbewegung wird nach jedem Set Unterbrochen, trotzdem meist nach 15 min. Stimulation deutliche Entlastung (statt der eigentlich zu erwartenden Verschlechterung)

I. Theoretische Grundlagen

Theorien zur Wirksamkeit von EMDR • Hypnosetheorie ausgeschlossen, da EEG unter EMDR Behandlung

dem Wachzustand entspricht

• Entlastung durch begrenzten Arbeitsspeicher: Übererregung (v.a. der Amygdala, Oh & Choi, 2004) wird reduziert durch Teilung der Aufmerksamkeit zwischen äußerer Stimulation (Augenbewegung) und innerer Wahrnehmung

• Eine sog. Orientierungsreaktion durch bilaterale Stimulierung fördert Löschung des traumatischen Materials (Vaughan, 1996)

• Hemisphären Kommunikationsbahnung durch alternierende Stimulation (Servan-Schreiber 2006)

I. Theoretische Grundlagen

Theorien zur Wirksamkeit von EMDR • Beziehung zwischen EMDR und REM Schlaf: nächtliche

Gedächtniskonsolidierung, gestörter REM Schlaf bei Traumatisierten

• Im REM Schlaf wird neokortikales Material aufgrund cholinerger Mechanismen in den Hippocampus transformiert

• Umgekehrt wird im NON-REM Schlaf stark assoziativ gekoppeltes hippocampales Material in den Neocortex umgeschrieben, dieser doppelseitige Transfer lockere Assoziationen spezifischer Erinnerungen und forme sie zu generellen semantischen Erinnerungen, während der Affekt verblasse (Stickgold, 2001, 2002)

I. Theoretische Grundlagen

Theorien zur Wirksamkeit von EMDR • Aktivierung des Parasymphatikus bereits 10 s nach Beginn der

Stimulation (Sack, 2004) fördert Rekonsolidierung des Netzwerkes und Aufrufen von Erinnerungen (Sack, 2008; Christmann, 2003)

I. Theoretische Grundlagen

Theorien zur Wirksamkeit von EMDR • Aktivierung des Präfrontalen Kortex durch Augenbewegungen

(Pagani, 2013) dadurch Möglichkeit der Aktivierung mehrerer Netzwerke simultan und Veränderung, Filtern, Neuverbindung und Neubewertung möglich

I. Theoretische Grundlagen

Indikationen • PTBS

• Komplexe PTBS

• Anpassungsstörungen: traumatische Trauer, traumabedingte Depressionen und traumabedingte Angststörungen

• Akute Traumatisierung

I. Theoretische Grundlagen

Relative Kontraindikationen • Psychosen (aber auch Pat. mit komorbider PTBS profitieren)

• Mangelnde Stabilität (komplexes Trauma ohne Stabilisierung)

• Mangelnde Affekttoleranz, unkontrollierbare dissoziative Symptome

• Schwere Persönlichkeitsstörungen

• organisch bedingte Anfallsleiden

• somatische Komplikationen (z.B. Augenerkrankung, instabile Hypertonie)

• Bekannter sekundärer Krankheitsgewinn (sehr selten)

• Unzureichende Therapiemotivation

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR

Phase 1: Anamnese und Behandlungsplanung

➢Vergangenheit: Welche Erinnerungen haben die Störung in Gang gesetzt?

➢Gegenwart: Welche aktuellen Auslöser rufen die Symptome hervor?

➢Zukunft: Welche Fähigkeiten sind nötig, um zukünftig angemessen reagieren zu können?

➢Testdiagnostik: IES, FDS, BDI

➢Traumalandkarte

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR

Die Traumalandkarte

Lebenszeit

SUD

Missbrauch

Unfall

Vergewaltigung

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR

Phase 2: Stabilisierung und Vorbereitung

➢Stabilisierung: körperlich, sozial, psychisch

➢EMDR vorstellen:

„Wenn ein Trauma stattfindet, scheint das Nervensystem die Erinnerung an diese Situation mit allen Bildern, Gedanken und Gefühlen „einzufrieren“. Die Augenbewegungen, die wir im EMDR anwenden, scheinen die Blockierung im Nervensystem aufzuheben und zu ermöglichen, die Erlebnisse zu verarbeiten. Dies geschieht eventuell auch im REM-Schlaf – die Augenbewegungen helfen, nicht bewusstes Material zu verarbeiten. Es ist wichtig sich klar zu sein, dass es Ihr eigenes Gehirn ist, das die Heilung herbeiführt und Sie darüber Kontrolle haben.“

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR

Phase 2: Stabilisierung und Vorbereitung

➢Weitere Techniken der bilateralen Stimulation

– Handrücken-Tapping – Bilaterale Geräusche – Schmetterlingsumarmung

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR

Phase 3: Bewertung der belastenden Erinnerung

➢Auswahl einer Erinnerung (Erinnerungscluster: „first, worst, last“)

➢Repräsentatives Bild: „Welches Bild stellt den schlimmsten Teil des Vorfalls dar?“

➢Erarbeitung der negativen Kognition: „Wenn Sie an dieses Ereignis denken, was ist das Schlimmste, was Sie heute über sich sagen können?“ (z. B. „Ich habe versagt“)

➢Erarbeitung der (meist polaren) positiven Kognition: „Wenn Sie sich das Ereignis vorstellen, wie würden Sie jetzt gerne über sich denken anstelle von…?“ (z. B. Ich habe getan, was ich konnte“)

➢Einschätzung der Stimmigkeit der positiven Kognition: VoC-Skala

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR

Phase 3: Bewertung der belastenden Erinnerung

➢Erfragen des mit dem Ereignis verbundenen Gefühls (z. B. Angst, Hilflosigkeit, Trauer)

➢Einschätzung der subjektiven Belastung durch die Erinnerung: 0 - 10

➢Lokalisierung der Körperempfindung: „Wo spüren Sie das in Ihrem Körper?“

Phase 3: Bewertung eines Verkehrsunfalls

Hofmann, 2014

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR

Phase 4: Desensibilisierung und Reprozessierung •Verblassen des Traumas u.

in den Hintergrund treten

(blandes Prozessieren)

•Auftauchen einer Kette von

mit dem Trauma verbunden

Erinnerungen (assoziatives P.)

•Intensives emotionales

Wiedererleben der Erinnerung

(emotionales Prozessieren)

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR

Phase 4: Desensibilisierung und Reprozessierung

„Trust the process“

Individuell sehr unterschiedlicher

Prozess der Bearbeitung des Trau-

mas durch das (hypothetische) in-

terne System, das die impliziten,

in Traumanetzwerken dysfunktio-

nal gespeicherten Erinnerungs-

fragmente verarbeitet.

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR

Phase 4: Desensibilisierung und Reprozessierung

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR

Phase 5: Verankerung der positiven Kognition

•Wenn die Erinnerung nicht mehr

belastend ist, folgt die Verknüpfung mit der

positiven Kognition. Durch Prozessieren der

negativen und Verstärken der positiven

Kognition sind signifikant mehr positive

Erinnerungen mit EMDR nachweisbar

(Sprang, 2001)

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR

Phase 6: Körpertest Screening nach evtl. noch vorhanden sensor-

ischen Fragmenten durch Körperscann. Häufig

tauchen dabei auch positive Empfindungen z.B.

freies Gefühl in der Brust auf, die dann ver-

stärkt werden.

Traumazentrierte Psychotherapie sollte auch

immer auf den Körper zentrierte Anteile ent-

halten (van der Kolk, 1994)

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR

Phase 7: Abschluss

•Mögliches Nachprozessieren (Auftauchen neuer Erinnerungen oder Assoziationen, intensive Träume)

•Tagebuch führen lassen

•Bei inkomplettem Abschluss (SUD noch nicht bei 0) durch bekannte Distanzierungstechniken (Tresor, Screentechnik, Lichtstrom) Stabilität bis zur nächsten Sitzung herstellen

II. Die 8 Behandlungsphasen des EMDR

Phase 8: Überprüfung:

•Erhobene SUD und VoC Level der letzten Sitzung

•Evtl. aufgetretendes Nachprozessieren (z.B. neues intrusives Material in Träumen aufgetaucht) kann zu einer weiteren Bearbeitung mittels Prozessieren führen.

III. Empirische Befunde

Metanalysen

III. Empirische Befunde

• Effektstärken d` 1,25 -1,4

• Signifikant weniger Behandlungsstunden als die anderen effektiven Behandlg. (van Etten, 1998) S3 Leitlinie PTBS

• in der 6 Monats Katamnese SSRI (Fluoxetin) deutlich überlegen 59% Symtomfreiheit vs 0% (van der Kolk et al., 2007)

III. Empirische Befunde

• Insgesamt im Vergleich mit anderen Verfahren gleich oder stärker wirksam, in weniger Sitzungen mit hoher Akzeptanz durch Patienten

• Es gibt keine Studie mit nachteiligen Wirkungen

• Originalgetreue Anwendung führt zu besseren Ergebnissen (Max &Heyer, 2002)

III. Empirische Befunde

• EMDR ist eine der am besten untersuchten Therapien der PTBS

• 2013 von der WHO als Behandlungsmethode bei PTBS anerkannt

• EMDR und IRRT bei traumatisierten Soldaten ähnlich stark wirksam (RCI 77% vs 67%, Alliger-Horn C, Zimmermann P & Mitte K (2015)

III. Empirische Befunde

• Metanalyse (Studien 1989-2013): EMDR vs. KVT bei PTBS: insgesamt leichte Überlegenheit für EMDR v. a. bei Subscores Arousal und Intrusionen überlegen (Chen L, Zhang G, Hu M & Liang

X (2015, June)

IV. Weitere Anwendungsbereiche von EMDR

• Traumatisierung als Ursache weiterer Störungen (Hofmann, 2014)

IV. Weitere Anwendungsbereiche von EMDR

• EMDR bei Substanzabhängigkeit

• EMDR bei Depressionen

• EMDR bei Prüfungsangst

• EMDR bei Panikstörungen

• EMDR bei generalisierter Angst

• EMDR bei somatoformen Störungen, bei Körperdysmorphophobie, bei Phantomschmerz

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!