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Herzschrittmachertechnik -1- Institut für Biomedizinische Technik Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik Technische Universität Dresden Praktikum Praktikum Therapeutische Gerätetechnik Versuch Herzschrittmachertechnik 1. Versuchsziel Am elektronischen Herzmodell sind die Erregungsbildung und -leitung im Herzen für den Normalzustand und im Störungsfall (pathologische Veränderungen) zu untersuchen. Für typische krankhafte Störungen der Erregungsbildung /-leitung können die Möglichkeit des Einsatzes von Herzschrittmachern (HSM) die Auswahl des HSM-Typs und die Programmierung seiner Funktionsmodi angepaßt werden. Die Zeitglieder des Herzschrittmachers als bestimmende Steuerungselemente, Erregungs- und Wahrnehmungsschwellenverhalten und Stimulationsimpulse werden untersucht. Zur Versuchsvorbereitung steht neben den Vorlesungsunterlagen ein "Kompendium Herzschritt- machertechnik" zur Verfügung, in dem alle zur Praktikumsvorbereitung notwendigen Informationen zu Physiologie und Pathologie der Erregungsbildung und -weiterleitung am Herzen sowie zu Aufbau und Wirkungsweise von Herzschrittmachern zusammengestellt sind. 2. Versuchsaufbau Zur Versuchsdurchführung stehen am Praktikumsplatz folgende Geräte zur Verfügung: - verschiedene implantierbare und ein externer Herzschrittmacher - ein elektronisches Herzmodell zur Simulation der Patienteneigenschaften - ein Überwachungsmonitor - ein EKG-Aufzeichnungsgerät, s. Abb. 1. Abbildung 1: Praktikumsarbeitsplatz

Herzschrittmachertechnik Anleitung Mo3 - TU Dresden · zu Physiologie und Pathologie der Erregungsbildung und -weiterleitung am Herzen sowie zu Aufbau und Wirkungsweise von Herzschrittmachern

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Herzschrittmachertechnik

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Institut für Biomedizinische Technik Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik

Technische Universität Dresden

Praktikum

Praktikum Therapeutische Gerätetechnik

Versuch

Herzschrittmachertechnik

1. Versuchsziel Am elektronischen Herzmodell sind die Erregungsbildung und -leitung im Herzen für den Normalzustand und im Störungsfall (pathologische Veränderungen) zu untersuchen. Für typische krankhafte Störungen der Erregungsbildung /-leitung können • die Möglichkeit des Einsatzes von Herzschrittmachern (HSM) • die Auswahl des HSM-Typs und • die Programmierung seiner Funktionsmodi angepaßt werden. Die Zeitglieder des Herzschrittmachers als bestimmende Steuerungselemente, Erregungs- und Wahrnehmungsschwellenverhalten und Stimulationsimpulse werden untersucht. Zur Versuchsvorbereitung steht neben den Vorlesungsunterlagen ein "Kompendium Herzschritt-machertechnik" zur Verfügung, in dem alle zur Praktikumsvorbereitung notwendigen Informationen zu Physiologie und Pathologie der Erregungsbildung und -weiterleitung am Herzen sowie zu Aufbau und Wirkungsweise von Herzschrittmachern zusammengestellt sind. 2. Versuchsaufbau Zur Versuchsdurchführung stehen am Praktikumsplatz folgende Geräte zur Verfügung:

- verschiedene implantierbare und ein externer Herzschrittmacher - ein elektronisches Herzmodell zur Simulation der Patienteneigenschaften - ein Überwachungsmonitor - ein EKG-Aufzeichnungsgerät, s. Abb. 1.

Abbildung 1: Praktikumsarbeitsplatz

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Die Kopplung dieser Geräte untereinander ist in Abbildung 2 schematisiert dargestellt. Abbildung 2: Schema des Versuchsaufbaus 2.1. Das elektronische Herzmodell Mit dem elektronischen Herzmodell können die physiologische Erregung des Herzens und eine große Zahl von Herzrhythmusstörungen nachgebildet werden. Der Erregungsablauf im Herzen wird mittels Leuchtdioden angezeigt, die in einer schematisierten Darstellung des Erregungssys-tems auf der Frontplatte des Gerätes angeordnet sind (vgl. Abb. 3). Neben einer Brustwandableitung werden zwei intrakardiale (Vorhof und Ventrikel) und eine His-Bündel-Ableitung nachgebildet, die mit einem Monitorgerät betrachtet und / oder mit einem EKG-Gerät dokumentiert werden können. Das Herzmodell besitzt Anschlußmöglichkeiten für beliebige Ein- und Zweikammerschrittmacher, so daß Wechselwirkungen zwischen Herz und Schrittmacher simulierbar sind. Das Herzmodell ist aus einem Netzwerk spezifischer Leitungselemente aufgebaut, das dem natürlichen Erregungsleitungssystem nachgebildet ist. Das gesamte Schema der Erregungsbildung und -leitung ist in der Abbildung 3, die sich auch an der Frontplatte des Herzmodells befindet, dargestellt. Die Leitungselemente leiten Impulse bidirektional mit definierter Leitungszeit weiter. Sie bilden die Refraktärität des natürlichen Erregungsleitungsgewebes derart nach, daß Eingangsimpulse innerhalb einer definierten Refraktärzeit nicht zu entsprechenden Ausgangsimpulsen führen und gegenläufige Impulse sich gegenseitig auslöschen. Desweiteren sind vollständige Unterbrechungen der Impulsleitung in einer oder in beiden Richtungen möglich. Die Werte der einzelnen Leitungs- und Refraktärzeiten sind der Abbildung zu entnehmen. Im Bereich des AV-Knotens und des Kentbündels sind die Verzögerungs- und Refraktärzeiten im angegebenen Intervall einstellbar. Die Refraktärzeiten aller anderen Verzögerungselemente betragen 200 ms. Es können verschiedene Leitungsblöcke eingestellt werden. An ausgewählten Punkten des Netzwerkes der Leitungselemente sind Impulsgeneratoren angeschlossen, die die Funktion des Sinusknotens, des AV-Knotens und eines tertiären Automatiezentrums übernehmen. Während die beiden ersteren mit einer Frequenz von 25 - 180 / min einstellbar sind, ist bei letzterem die Frequenz mit etwa 30 Schlägen / min fixiert. Die Generatoren werden durch Eingangsimpulse zurückgesetzt, so daß der Generator mit der höchsten Frequenz den Herzrhythmus bestimmt, sofern keine Blockierung eingestellt wurde. Ein vierter Generator kann nach Betätigen der Taste "Auslösung" einen einzelnen Impuls an einem wählbaren Ort des Netzwerkes mit einem ebenfalls wählbaren Abstand zum vorangehenden Eingangsimpuls abgeben. Damit können supraventrikuläre und ventrikuläre Extrasystolen (ES) simuliert werden.

BIOMONITOR (MLW Leipzig)

HERZMODELL (TU Chemnitz)

HERSCHRITTMACHER

(implantierbarer oder externer HSM)

EKG-Aufnahmegerät

Cardiovit (Schiller AG)

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Anzeige- element: 1 Sinusknoten 6 AV-Knoten 10 tertiäres Zentrum 3-8-10 ergeben zusammen die „Leitungszeit des Kent-Bündels“ zwischen 140 und 200 ms 4-5-6 ergeben zusammen die „Leitungszeit des AH-Intervalls“ zwischen 80 und 140 ms * Das „Kopplungsintervall der Extrasystole“ stellt die zeitliche Differenz zur letzten

Erregung am „Ursprungsort der Extrasystole“ dar.

* Die Refraktärzeiten aller Elemente bis auf die angegebenen betragen 200 ms [200].

Abbildung 3: Das elektronische Herzmodell Im Vorhof- und Kammerbereich sind mit dem Netzwerk der Leitungselemente Interface-Schaltungen verknüpft, welche bidirektional wirken und Anschlußmöglichkeiten für die entsprechenden Elektroden von Herzschrittmachern bilden. Im Modell-EKG bilden sich die die Punkte 2 und 3 durchlaufenden Erregungen als Vorhofaktivität in einer „P-Welle“ ab, die die Punkte 11 und 12 durchlaufenden Erregungen als Kammeraktivität in einer „R-Zacke“. Die Erre-gungsrückbildungen zeigen sich im Modell-EKG nicht, vgl. Abb. 5. 2.2. Der Überwachungsmonitor Es wird der RFT-Biomonitor II genutzt. Ein EKG-Ausgang des Herzmodells wird mit dem Herzfrequenzmodul des Überwachungsmonitors verbunden. Am Bildschirm wird das EKG-Signal im Kanal 1 dargestellt. Mit der Transfertaste kann ein Bildabschnitt im Kanal 2 zum Vergleich festgehalten werden, während das EKG im Kanal 1 weiterläuft. Die Kurve des Kanals 1 kann mit der am linken Bildrand befindlichen Kanaltaste ebenfalls angehalten werden. Diese beiden Funktionen sollten vor allem bei den Punkten 4.1 und 4.2 der Versuchsanleitung genutzt werden bzw. beim Vergleich, ob sich Stimulationsabstände verändern, z.B. bei der Feststellung der Hysterese-Funktion. Am entsprechenden Drehregler ist die Amplitude so einzustellen, daß die Schrittmacherstimulationsimpulse gut sichtbar sind, Störsignale jedoch relativ klein bleiben.

Leitungselement

akzessorische Verbindung

Automatiezentrum

Anzeigeelement

Schrittmacheranschluß

20 [200]

Leitungszeit in ms Refraktärzeit in ms

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2.3 EKG- Aufnahmegerät, CARDIOVIT AT-3, Firma Schiller (Schweiz) Das verwendete EKG-Aufnahmegerät ist mit dem Biomonitor gekoppelt. Anhand der Kalibrierimpulse kann die Amplitude des EKG-Signals abgelesen werden. Die Auf-zeichnungsgeschwindigkeit ist am Gerät wählbar, zusätzlich kann ein Frequenzfilter (Myogramm- und Netzfrequenzfilter: Tiefpass fgr = 35 Hz) zugeschaltet werden. a.) EKG – Aufnahme am Probanden Nach Anschluß der Elektroden, Selbstkalibrierung und Test sind die 3 Extremitäten-Ableitungen zu registrieren.

Abbildung 4: EKG einer Probandin b.) EKG – Aufnahme am Herzmodell Nach Drücken der Taste [3 - 1] kann die vom Herzmodell gelieferte Standardableitung II des Oberflächen-EKG erfaßt werden.

Abbildung 5: Modell-EKG des Simulators 2.4 Der externe Herzschrittmacher 3070 (Fa. Siemens) Der temporäre Herzschrittmacher 3070 ist ein programmierbarer, softwaregesteuerter, batteriebetriebener Impulsgeber mit einer Vielzahl von Betriebsarten und einstellbaren Para-metern. Er findet vor allem in der Notfallversorgung Anwendung. Zu den programmierbaren Werten gehören:

- Frequenz - Empfindlichkeiten - Impulsamplituden - Impulsbreiten - Refraktärperioden

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- AV-Zeit - obere Grenzfrequenz - Ausblendzeit - Ventrikuläre Sicherheitsstimulation - Optionen bei herzschrittmachervermittelten Tachykardien.

Zur Programmierung dieser Parameter wird das versiegelte Tastaturfeld verwendet, das in Abbildung 6 dargestellt ist. Nach dem Einschalten des Schrittmachers (Schalter auf der linken Seitenfläche) führt der Schrittmacher zunächst einen automatischen Selbsttest durch. Danach ist der VVI-Mode mit Standardparametern eingestellt. Werden vom Schrittmacher Impulse abgegeben, blinkt in der Anzeige rechts unten ein "V" auf; werden Ereignisse wahrgenommen, erscheint ein "R". Im AAI-Mode erscheinen statt dessen "A" und "P". Im Zweikammermode erscheinen paarweise Kombinationen sämtlicher 4 Buchstaben: AAI-Mode A Abgabe eines Schrittmacherimpulses an das Atrium P Wahrnehmung von herzeigenen Ereignissen im Atrium (P-Welle) VVI-Mode V Abgabe eines Schrittmacherimpulses an den Ventrikel R Wahrnehmung von herzeigenen Ereignissen im Ventrikel (R-Zacke)

Abbildung 6: Der externe Zweikammer-HSM

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Programmierung: Um die Betriebsart zu programmieren, wird die Taste [Mode] gedrückt. Dabei erscheint in der Anzeige die aktuelle Betriebsart. Eine neue Betriebsart wird durch das Drücken der Tasten [+] oder [-] eingestellt. Die Programmierung der gewünschten Betriebsart wird durch nochmaliges Drücken der Taste [Mode] bestätigt. Die Parameter Frequenz, Amplitude bei Impulsabgabe, Empfindlichkeit und AV-Zeit werden mit den entsprechenden Bedientasten vorgewählt. Mit den Tasten [+] und [-] wird der gewünschte Wert eingestellt, der ohne eine weitere Bestätigung sofort wirksam wird. Wird versucht, Parameter für die aktuelle Betriebsart mit untypischen Werten zu programmieren, erscheint ein Warnsignal und in der Anzeige die Meldung "NOT AVAILABLE IN *** MODE". Die Programmierung wird nicht angenommen. Soll auf Parameterwerte zugegriffen werden, die im allgemeinen im klinischen Einsatz ungeeignet erscheinen, z.B. bei sehr niedrigen Werten der Frequenz oder Impulsamplitude, fordert der Schrittmacher ein nochmaliges Drücken der entsprechenden Sensortaste, bevor diese Werte eingestellt werden können. Einige Werte, z.B. Impulsdauern < 25 ms können nur temporär (bis zu einer Dauer von 60 s) eingestellt werden. Danach kehrt der Schrittmacher automatisch zum Standardwert zurück. Sonstige oben aufgeführte Parameter werden über die Taste für Spezialparameter [SPECIAL PARAMS] programmiert. Dabei wird zum nächsten Parameter durch nochmaliges Drücken dieser Taste übergegangen. Wertänderungen erfolgen über die Tasten [+] und [-]. Zusätzliche Bestäti-gungen sind nicht notwendig, der über dem Cursor erscheinende Wert wird automatisch programmiert. 3. Vorbereitungsaufgaben

1. Vergegenwärtigen Sie sich die Vorgänge der normalen und gestörten Erregungsbildung und -weiterleitung am Herzen und vergleichen Sie mit der elektronischen Umsetzung am Herzmodell (Abb. 3) und den entsprechenden Einstellmöglichkeiten der Parameter. Ord-nen Sie die Leitungszeiten der Elemente des Modells schematisch einem Oberflächen-EKG zu. Wie sollte man die Leitungszeit des AH-Intervalls am elektronischen Herzmodell wählen, um mit einem normalen EKG eines gesunden Menschen mit HR = 70 / min (vgl. z.B. Abb. 1 aus Kapitel 1.1 des Kompendiums) zu korrespondieren?

2. Zeichnen Sie für die angekreuzten der folgenden Fälle der Versuchsaufgaben 1 und 2 das

jeweils zu erwartende EKG im zeitlichen Maßstab schematisch auf.

3. Markieren Sie die Zeitpunkte, an denen Stimulationen auftreten, und an denen die

Anzeigeelemente im Modell von den Erregungen durchlaufen werden. Beachten Sie dabei die Kommentare zu Abb. 3. Ein Beispiel liefert Ihnen Abb. 4. Die Zeit muß nicht maß-stabsgetreu dargestellt werden, sollte aber an markanten Punkten zugewiesen werden.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

13 14 15 16 17 18 19 20

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Vorhoferregung Kammererregung Extrasystole

Abbildung 7: Beispiel für das Erregungsbildungs- und -weiterleitungsschema zur Versuchsaufgabe 1, Fall 5

3. Wiederholen Sie Eigenschaften von Herzschrittmachern. Bereiten Sie sich auf eine Diskussion

der Ergebnisse der ausgewählten Fälle (s. Vorbereitungsaufgabe 2) aus den Versuchsaufgaben 4.1 und 4.2 und den Versuchsaufgaben 4.3 bis 4.8 bzgl. Vor- und Nach-teilen der verwendeten Schrittmacher und ihrer Parameter vor. Nutzen Sie das Kompendium, um Begriffe und Parameter zu interpretieren zu können. Überlegen Sie sich Bewertungs- bzw. Vergleichskriterien. Wie werden Schrittmacheraktionen im EKG sichtbar?

4. Was versteht man unter den Begriffen Reizschwelle und Wahrnehmungsempfindlichkeit?

Sagen Sie den prinzipiellen Verlauf der in den Versuchsaufgaben 4.7 und 4.8 auf-zunehmenden Kurven voraus.

4. Versuchsdurchführung 4.0 Übersicht Der Praktikumsversuch ermöglicht eine Reihe von Untersuchungen zu Erregungsbildung und -leitung am Herzen auch unter Einsatz eines Herzschrittmachers. Lösen Sie die Versuchsaufgaben aus folgenden Gruppen:

4.1. Darstellung und Diskussion der Erregungsbildung / Erregungsleitung und ihrer Stö-rungen am elektronischen Herzmodell, Vertrautwerden mit der Handhabung der Herz-modells und der sonstigen Gerätetechnik 4.2. Demonstration und Diskussion der Einkammer- und Zweikammerschrittmachermodi am Herzmodell, Indikationen und Kontraindikationen 4.3. Untersuchung der Zeitglieder von Zweikammersystemen 4.4. Ermittlung des Reiz- und Wahrnehmungsschwellwertes des Systems Herzmodell / externer Herzschrittmacher.

Dokumentieren und diskutieren Sie im Protokoll die aufgenommenen Elektrokardiogramme und die ermittelten Parameter! Vergleichen Sie mit den Schemata aus den Ihnen zugeordneten Fällen der Vorbereitungsaufgabe 2 und korrigieren Sie Ihre Voraussage, falls nötig.

1 4 5 6 12 1

0 40 80 120 220 370 40020

2

refraktär6

t / ms

R-ZackeP-Welle

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4.1. Erregungsbildung / Erregungsleitung und ihre Störungen am elektronischen Herzmodell Im folgenden werden die Parameter zur Einstellung des Herzmodells folgendermaßen abgekürzt (vgl. Abb. 3): SK 70 / min Frequenz des Sinusknotens = 70 / min AV 50 / min Frequenz des AV-Knotens = 50 / min AH 90 / 250 AH-Intervall: Leitungszeit 90 ms, Refraktärzeit 250 ms AV-Block 5-6, 6-5 antegrader und retrograder AV-Block zwischen den Anzeigeelementen 5 und 6 ES 1 / 0,4 Extrasystole am Ursprungsort 1 mit einem Kopplungsintervall von 0,4 s Die physiologischen und pathologischen Phänomene sind in Zusammenhang mit den Ein-stellungsparametern am Herzmodell zu diskutieren. Die Parameter sind für die zu untersuchenden Fälle vorgegeben. Am Modell kann die Erregungsleitung verfolgt werden. Auf dem Biomonitor ist das EKG darzustellen und zu protokollieren. Fall 1: Normale Erregung SK 70 / min AH 90 / 250 AV < 30 / min keine Blöcke, Kentbündel nicht aktiviert Fall 2: Übergang von Sinusbradykardie zu Sinustachykardie SK von 40 / min bis 130 / min variiert AV < 30 / min, AH 80 / 250 keine Blöcke, Kentbündel nicht aktiviert Fall 3: AV-Ersatzrhythmus mit totalem AV-Block SK 80 / min, AV 50 / min AV-Block, 5-6, 6-5 Kentbündel nicht aktiviert Fall 4: Kammerersatzrhythmus bei totalem AV-Block und fehlendem AV-Ersatzrhythmus SK 80 / min, AV aus AV-Block, 5-6, 6-5 Kentbündel nicht aktiviert Warum ist der QRS-Komplex verbreitert? Fall 5: Sinus- und Vorhofextrasystolen mit nichtkompensatorischer Pause SK 70 / min, AV < 70 / min AH 80 / 250 ES 1 / 0,4 keine Blöcke, Kentbündel nicht aktiviert

Warum unterscheidet sich die im Ursprungsort 1 ausgelöste Extrasystole im Gegensatz zu der im Ursprungsort 3 ausgelösten in ihrem Maximum nicht von den regulären Systolen?

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Fall 6: Blockierende (frustrane) Sinus- und Vorhofextrasystole SK 70 / min, AV < 70 / min, AH 80 / 500 ES 1 / 0,4 keine Blöcke, Kentbündel nicht aktiviert

Im EKG ist die Extrasystole zu erkennen, die nur im Vorhof wirksam ist. Warum wird diese Erregung nicht auf die Kammer übergeleitet? Wie groß müßte das Kopplungsintervall gewählt werden, damit die Erregung auf die Kammer weitergeleitet wird?

Fall 7: AV-Knotenextrasystole mit vorangehender Vorhoferregung SK 75 / min, AH 100 / 250 ES 5 / 0,4 Fall 8: AV-Knotenextrasystole mit gleichzeitiger Vorhoferregung SK 75 / min, AH 80 / 250 ES 6 / 0,3

Da sich P-Welle und R-Zacke überlagern, ist die erst nicht zu erkennen. Fall 9: AV-Knotenextrasystole mit nachfolgender Vorhoferregung SK 75 / min, AH 140 / 250 ES 6 / 0,3

Warum erfolgt die Vorhoferregung zeitlich nach der Kammererregung? Diskutieren Sie allgemein das Problem der retrograden Leitung.

Fall 10: Ventrikuläre Extrasystole SK 75 / min, AH 80 / 500 ES 12 / 0,25

Warum folgt der Kammererregung keine Vorhoferregung? Ändern Sie einen Parameter so, daß die Erregung retrograd auf die Vorhöfe übergeleitet wird.

Fall 11: Reentry-Tachykardie, Auslösung und Terminierung durch atriale Extrasystole SK 80 / min, AH 140 / 250 ES 3 / 0,275 Kentbündel leitet antegrad und retrograd Kentbündel-Leitungszeit 140 ms, Refraktärzeit 300 ms

Lösen Sie die Tachykardie durch einmaliges Drücken der ES-Auslösetaste aus. Erklären Sie den Vorgang. Nutzen Sie dabei die Abbildung der Modellstruktur des Herzmodells und verfolgen Sie die Erregungsleitung. Beachten Sie die Refraktärzeiten. Das Verständnis dieses Mechanismus ist Voraussetzung, um die schrittmacherinduzierten Tachykardien zu verstehen.

Fall 12: 2:1-Überleitung SK 130 / min Kentbündel geblockt

Wie groß muß die Refraktärzeit sein, damit nur noch jede zweite P-Welle übergeleitet wird?

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4.2. Einkammer- und Zweikammerschrittmachermodi am Herzmodell, Indikationen und Kontraindikationen Applizieren Sie den externen Herzschrittmacher und machen Sie sich mit der Programmierung vertraut. Fall 13: Sinusbradykardie durch AAI System behoben SK 40, AV aus, AH 80 / 250 keine Blöcke, Kentbündel nicht aktiviert HSM: Modus AAI, Standardeinstellung Fall 14: Sinusbradykardie bei AV-Block durch AAI-System behoben, vgl. Fall 13 Einstellung s. Fall 13 zusätzlich antegrader und retrograder AV-Block 5-6, 6-5 Fall 15: AAI-System, Sinusbradykardie in Sinustachykardie übergehend, Einstellungen wie in a.) in Fall 13; b.) in Fall 14 SK langsam auf 180 erhöhen Fall 16: Sinusbradykardie (ohne retrograde Überleitung) mit VVI-System kompensiert SK 40, AV aus, keine Blöcke, Kentbündel nicht aktiviert

Welche Rolle spielt die retrograde Überleitung? Fall 17: Sinusbradykardie (ohne retrograde Überleitung) mit VVI-System kompensiert SK 40, AV aus antegrader und retrograder AV-Block 5-6,6-5 Kentbündel nicht aktiviert Fall 18: Sinusbradykardie mit VVI-System kompensiert

Einstellungen wie in Fall 16, nach 3-4s zusätzlich Entranceblock einschalten und SK-Frequenz etwas erhöhen

In welchem Modus arbeitet der HSM jetzt? Fall 19: AV-Überleitung durch DDD-Schrittmacher bei totalem AV-Block SK 75 / min antegrader und retrograder AV-Block 6-7,7-6 AV-Delay = 200 ms Fall 20: Sinusbradykardie und totaler AV-Block mit DDD-System kompensiert SK 40, AV aus antegrader und retrograder AV-Block 5-6,6-5 Kentbündel nicht aktiviert Diskutieren Sie den Unterschied zu Fall 19.

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4.3. Untersuchung der Zeitglieder von Zweikammersystemen Die Begriffserklärungen für die folgenden Versuchsaufgaben finden sie im Anhang des Kompen-diums. Zwei verschiedene implantierbare Schrittmachermodelle (z.B. Diplos M 05, Fa. Biotronik und Synchrony, Fa. Pacesetter Inc.) werden auf ihre Zeitintervalle hin untersucht und verglichen. Dabei interessieren:

- das untere Frequenzverhalten und - die Reaktion auf ventrikuläre Extrasystolen.

Das obere Frequenzverhalten wird nicht untersucht. Es werden Reiz- und Wahrnehmungsschwelle des Systems Herzmodell / externer Herz-schrittmacher bestimmt. Versuchsaufgabe 4.3: Handhabung implantierbarer HSM: Typbestimmung

Wählen Sie einen der noch funktionsfähigen explantierten Schrittmacher und prüfen Sie am Herzmodell den programmierten Modus. Bestimmen Sie die Stimulationsfrequenz.

4.3.1. Untersuchung des unteren Frequenzverhaltens Versuchsaufgabe 4.3.1a: Bestimmung der unteren Grenzfrequenz (LRI) und der AV-Korrektur

Die LRI-Intervalle reagieren u.a. bei einzelnen natürlich übergeleiteten Vorhofsystolen auf die Kammer bei sonst bestehendem AV-Block unterschiedlich. Am Herzmodell ist folgendes einzustellen: SK = AV = 0 / min keine retrograde Überleitung AV-Block (Schalterstellung 4-5, 5-4) AH-Intervall 80 ms. Die implantierbaren Herzschrittmacher sind entsprechend anzuschließen. Die EKG-Aufzeichnung wird gestartet. Nach ca. 3 - 4 s ist der AV-Block für ca. 2 s aufzuheben (Schalterstellung 0) und danach wieder einzustellen. Nach ca. weiteren zwei Sekunden wird der Schreibvorgang beendet. Dabei ist folgendes zu messen:

- mit AV-Block das A-A- und das V-V-Intervall - bei eigener AV-Überleitung das Ap-(Vs)-Ap-Intervall und das Vs-Vp-Intervall.

Zeichnen Sie AV-Zeit, LRI und AEI in das geschriebene EKG ein. Diskutieren Sie die ver-schiedenen LRI-Arten.

Versuchsaufgabe 4.3.1b: Bestimmung der Frequenz-Hysterese

Ob die Hysteresefunktion aktiviert ist, kann ermittelt werden, indem man die Frequenz des Sinusknotens langsam erhöht, bis der Vorhofstimulus inhibiert wird. Ist dieser Punkt er-reicht, erniedrigt man diese Frequenz wieder sehr langsam. Dabei wird die Differenz zwi-schen dem ersten Punkt der Inhibition bei der Frequenzerhöhung und dem ersten Punkt der Stimulusabgabe bei Frequenzerniedrigung ermittelt.

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4.3.2. Die Reaktion auf ventrikuläre Extrasystolen Versuchsaufgabe 4.3.2: Das Verhalten der Schrittmacher bei Ventrikulären Extrasystolen (VES)

VES werden von den meisten Schrittmachertypen als solche erkannt, wenn ihnen kein atriales Ereignis seit dem letzten ventrikulären Ereignis vorangeht. Dabei ist am elektronischen Herzmodell folgendes einzustellen:

SK 0, AV 0, antegrader und retrograder V-Block (5-6,6-5) und Kent-Bündel nicht aktiviert.

Wählen Sie 12 als Ursprungsort der Extrasystole. Dabei ist das Kopplungsintervall vom kleinsten Wert so lange zu vergrößern, bis die Extrasystole nicht mehr in die ventrikuläre Refraktärphase fällt. Messen Sie das Vs-(Ap)-Vp-Intervall aus. Begründen Sie die Ver-änderung bzw. die Dauer dieser Intervalle.

4.4. Reiz- und Wahrnehmungsschwellwerte des Systems Herzmodell / externer Herzschrittmacher Versuchsaufgabe 4.4a: Bestimmung des Reizschwellenwertes des elektronischen Herzmodells

Die Reizschwelle ist für jede Elektrode separat zu bestimmen. Welcher Modus ist jeweils am HSM einzustellen? Welche pathologischen Fälle sind bei dieser Versuchsaufgabe ausgeschlossen? Die Stimulationsfrequenz wird etwa 10 ppm über der eigenen des Pati-enten programmiert. Von einem ausreichend hohen Stimulationsimpuls ausgehend, wird die Amplitude schrittweise gesenkt, bis die Stimulation unwirksam wird, d.h. die Stimuli bewirken keine Systole. Ist dies der Fall, wird die Amplitude des Stimulationsimpulses langsam wieder erhöht, bis die Stimulation wieder wirksam wird. Dieser Punkt stellt die Reizschwelle dar. Diese Messung wird mit den Impulsdauern 0,25; 0,5; 0,75; 1,0; 1,5 ms durchgeführt. Die Einstellung von Amplitude und Impulsdauer wird unter der Bedien-funktion SPECIAL PARAMeterS im Handbuch zum externen HSM beschrieben. Am Patienten wird die Amplitude des Stimulationsimpulses als 3- bis 4-faches der Reiz-schwelle programmiert. Dabei spielen im konkreten Fall die Probleme Sicherheit der Herz-muskelerregung, Miterregung anliegender Muskelgruppen und Energieverbrauch eine entscheidende Rolle. Tragen Sie die Reizschwelle über der Impulsdauer auf. Wie würde bei einer üblichen Impulsdauer von 0.5 ms die Impulsamplitude gewählt?

Versuchsaufgabe 4.4b: Bestimmung des Wahrnehmungsschwellwertes Die Bestimmung dieses Wertes ist für jeden Wahrnehmungsort separat durchzuführen. Wie ist die Stimulationsfrequenz gegenüber der herzeigenen Frequenz einzustellen? Die Wahrnehmungsempfindlichkeit wird langsam gesenkt (durch Erhöhen des Einstellwertes), bis keine Wahrnehmung mehr erfolgt, und ein Schrittmacherimpuls abgegeben wird. Daraufhin wird die Wahrnehmungsschwelle wieder erhöht, bis die Impulsabgabe inhibiert wird. Dieser Wert entspricht der Wahrnehmungsempfindlichkeit und zugleich der maxi-malen Amplitude der P-Welle bei Messung im Vorhof. Wie würde die Wahrnehmungs-empfindlichkeit in Vorhof und Kammer eingestellt?

Die Praktikumsanleitung wurde nach einem Entwurf von J. Steudler „Herzschrittmachertechnik - Praktikums-versuch“ (Diplomarbeit, TU Dresden 1994) erarbeitet. Stand der Praktikumsanleitung :06/2004 Versuchsbetreuerin: Dr.-Ing. Ute Morgenstern Leiter des Praktikums: Prof. Dr.med.habil. Dipl.-Ing. R. Poll