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© Fotolia, BVpix UNTERRICHTEN IM SPANNUNGSFELD VON HETEROGENITÄT Schon in relativ homogenen Klassen kann man beobachten, dass Schülerinnen und Schüler den Input im Unterricht auf unterschiedliche Art und Weise verarbeiten, und sie verfügen am Ende oft auch über sehr unterschiedliche Kenntnisse und Fer- tigkeiten. Für Sprachförderklassen gilt dies in noch stärkerem Maße. Lehrkräfte müssen die verschiede- nen Interessen, Lernbedürfnisse ihrer Schülerinnen HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNG Zwei Unterrichtsbeispiele Sprachförderklassen an deutschen Schulen sind sehr heterogen, was die Schülerinnen und Schüler und ihre Voraussetzungen und Erfahrungen betrifft. Diese Heterogenität will im Deutschunterricht berücksichtigt sein und sie stellt die Lehrkräfte oft vor Herausforderungen. Wie unterschiedlich zusammengesetzte Lernendengruppen unterrichtet werden können, und wie es gelingen kann, dass Heterogenität sogar einen Gewinn darstellt, möchten wir anhand von zwei konkreten Unterrichtsplanungen vorstellen und begründen. Die Unterrichtsstunden wurden im Deutschunterricht in Sprachförderklassen an Realschulen in Braunschweig und in Offenburg ausprobiert. VON GESA F. HEINRICH, ELFRIEDE KATO UND IMKE MOHR und Schüler, ihre Fähigkeiten und Voraussetzungen beim Sprachenlernen auf allen Ebenen ihrer Unter- richtsplanung berücksichtigen: 1. Lehrkräfte fördern das implizite Sprachenlernen, das auch in informellen Lernsituationen so wich- tig ist, bauen gleichzeitig Sprachbewusstheit auf. 2. Sie wählen für ihren Unterricht Inhalte aus, die für die Schülerinnen und Schüler relevant und interessant sind. PRAXIS

HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNG...Personalpronomen/ Possesivpronomen DIDAKTISCH-METHODISCHER KOMMENTAR Der Unterricht in der Sprachlernklasse der Nibe-lungen-Realschule

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Page 1: HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNG...Personalpronomen/ Possesivpronomen DIDAKTISCH-METHODISCHER KOMMENTAR Der Unterricht in der Sprachlernklasse der Nibe-lungen-Realschule

© Fotolia, BVpix

UNTERRICHTEN IM SPANNUNGSFELD VON HETEROGENITÄTSchon in relativ homogenen Klassen kann man

beobachten, dass Schülerinnen und Schüler den

Input im Unterricht auf unterschiedliche Art und

Weise verarbeiten, und sie verfügen am Ende oft

auch über sehr unterschiedliche Kenntnisse und Fer-

tigkeiten. Für Sprachförderklassen gilt dies in noch

stärkerem Maße. Lehrkräfte müssen die verschiede-

nen Interessen, Lernbedürfnisse ihrer Schülerinnen

HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNGZwei Unterrichtsbeispiele

Sprachförderklassen an deutschen Schulen sind sehr heterogen, was die Schülerinnen und Schüler und ihre Voraussetzungen und Erfahrungen betrifft. Diese Heterogenität will im Deutschunterricht berücksichtigt sein und sie stellt die Lehrkräfte oft vor Herausforderungen. Wie unterschiedlich zusammengesetzte Lernendengruppen unterrichtet werden können, und wie es gelingen kann, dass Heterogenität sogar einen Gewinn darstellt, möchten wir anhand von zwei konkreten Unterrichtsplanungen vorstellen und begründen. Die Unterrichtsstunden wurden im Deutschunterricht in Sprachförderklassen an Realschulen in Braunschweig und in Offenburg ausprobiert.

VON GESA F. HEINRICH, ELFRIEDE KATO UND IMKE MOHR

und Schüler, ihre Fähigkeiten und Voraussetzungen

beim Sprachenlernen auf allen Ebenen ihrer Unter-

richtsplanung berücksichtigen:

1. Lehrkräfte fördern das implizite Sprachenlernen,

das auch in informellen Lernsituationen so wich-

tig ist, bauen gleichzeitig Sprachbewusstheit auf.

2. Sie wählen für ihren Unterricht Inhalte aus, die

für die Schülerinnen und Schüler relevant und

interessant sind.

PR AXIS

Page 2: HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNG...Personalpronomen/ Possesivpronomen DIDAKTISCH-METHODISCHER KOMMENTAR Der Unterricht in der Sprachlernklasse der Nibe-lungen-Realschule

2 | HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNG

zwei konkrete Unterrichtsbeispiele vor, die jeweils

mehrere der oben genannten Aspekte berücksichti-

gen. Sie sehen jeweils zuerst die Unterrichtsplanung

als Skizze im Überblick und können sich selbst ein

Bild vom Ablauf der Unterrichtsstunde machen. Im

Anschluss finden Sie einen didaktisch-methodischen

Kommentar und können die wichtigsten Lehr-/Lern-

verfahren nachvollziehen, mit denen die Lehrkräfte

die Heterogenität ihrer Lernenden berücksichtigen.

Die oben genannten Aspekte 1–6, durch die Hete-

rogenität berücksichtigt werden kann, werden im

didaktisch-methodischen Kommentar jeweils durch

die Angabe der Ziffern markiert (z. B. (1)).

3. Sie fokussieren sprachliche Handlungen, die für

ihre Lernenden von Bedeutung sind (für eine

sprachliche und sachliche Bewältigung von

Kommunikation in der Schule und von Lernpro-

zessen).

4. Sie berücksichtigen die unterschiedlichen Lern-

typen in ihrer Klasse und bieten Lernaktivitäten

für visuelle, auditive, kommunikative und solche

Lernende an, die besonders gut lernen, wenn sie

dabei etwas Konkretes tun oder in Bewegung

sind.

5. Sie fördern das Miteinander in der Klasse und

das Voneinander-Lernen. Sie trainieren zentrale

Lernstrategien, die die Schülerinnen und Schü-

ler auch in informellen Lernkontexten nutzen

können.

6. Sie machen unterschiedliche Lernangebote,

sodass die Jugendlichen daraus auswählen

können je nachdem, ob sie eher introvertiert, der

Aufgaben gegenüber vielleicht sogar ängstlich,

oder besonders lernbereit und extrovertiert sind.

Wie sieht Unterricht aus, der diesem Spannungsfeld

von Heterogenität gerecht wird? Wir stellen Ihnen

Tafelbild aus »Bunte Republik Deutschland«,

© Nibelungen-Realschule Braunschweig

Eckpunkte der Arbeit mit Lernenden

in Sprachförderklassen

Sprachförderklassen werden von Jugendlichen besucht,

y die als Gefl üchtete oder Kinder von Arbeitsmigran-

ten in die deutschsprachigen Länder gekommen

sind;

y die noch keinen Schulabschluss haben;

y die unterschiedliche Erstsprachen und kulturelle

Hintergründe, verschiedene Bildungsbiographien

und Erfahrungen mit Schule gemacht haben;

y die über ganz unterschiedliche Deutschkenntnisse

verfügen;

y die in ihren Heimatländern oft eine Schule besucht

haben, an der sie die Möglichkeit hatten, einen

Sekundarschulabschluss zu machen;

y die etwa zwischen 12 und 17 Jahre alt sind;

y die durch die Erlebnisse im Krieg und auf der Flucht

psychisch oft labil sind;

y von denen viele als unbegleitete minderjährige

Gefl üchtete in Pfl egefamilien oder in Jugendwohn-

einrichtungen untergebracht sind;

y deren Perspektiven, in Deutschland zu bleiben,

nicht immer klar sind;

y die zum Teil die Gelegenheit haben, deutschsprachi-

ge Schülerinnen und Schüler in den Regelklassen

kennen zu lernen und erste Freundschaften zu

knüpfen.

Die gezielte Sprachförderung für Schülerinnen und

Schüler hat das Ziel, dass sie ausreichende Sprachkennt-

nisse in der deutschen Sprache erwerben, um am Re-

gelunterricht ihrer jeweiligen Klassenstufe teilnehmen

zu können. Der Wechsel in die Regelklasse wird meist

fl exibel gehandhabt und orientiert sich am festgestell-

ten individuellen Förderbedarf.

Page 3: HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNG...Personalpronomen/ Possesivpronomen DIDAKTISCH-METHODISCHER KOMMENTAR Der Unterricht in der Sprachlernklasse der Nibe-lungen-Realschule

HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNG | 3

UNTERRICHTSBEISPIEL 1: BUNTE REPUBLIK DEUTSCHLAND

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Page 4: HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNG...Personalpronomen/ Possesivpronomen DIDAKTISCH-METHODISCHER KOMMENTAR Der Unterricht in der Sprachlernklasse der Nibe-lungen-Realschule

4 | HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNG

Verwendete Lernmaterialienmein – meine, dein – deine, sein – seine,

ihr – ihre

der Mund

das Kinn

die Nase

die Haare

ich I → mein my meine my

du you → dein your deine your

er he → sein his seine his

sie she → ihr her ihre her

Personalpronomen/ Possesivpronomen

DIDAKTISCH-METHODISCHER KOMMENTARDer Unterricht in der Sprachlernklasse der Nibe-

lungen-Realschule in Braunschweig begegnet der

Heterogenität der Lernerinnen und Lerner mit dem

Konzept des kooperativen Sprachlernens (Heinrich

2015). Methodisch strebt dieses Konzept die zweck-

mäßige Integration von Einzel-, Partner- und Grup-

penarbeit an, wobei der Anteil kooperativer Lehr-/

Lernformen möglichst hoch sein sollte. Das Konzept

orientiert sich überwiegend an den Prinzipien des

kommunikativen Ansatzes und integriert Techniken

des Classroom Managements und der kognitiven

Aktivierung (Helmke 2010). Inhaltlich zielt es auf

die Entwicklung interkultureller kommunikativer

Kompetenz, d. h. die gezielte Förderung sprachlicher,

sozialer, methodischer und interkultureller Kompe-

tenz ab.

Da die Lernenden der Sprachlernklasse in allen

Kompetenzbereichen unterschiedliche Vorkennt-

nisse haben, ist auch das Vorgehen im Unterricht

in allen Bereichen sehr kleinschrittig. So werden

zum Beispiel basale soziale Grundfertigkeiten,

die in deutschen Schulen und für das Leben in

Deutschland relevant sind, kulturvergleichend, d. h.

mit Bezug auf die Herkunftsländer der Lernenden,

thematisiert und systematisch geübt. Offene Unter-

richtsformen werden ebenfalls schrittweise einge-

führt, da diese Arbeitsformen vielen Lernenden (z. B.

aus Afghanistan und Syrien) nicht bekannt sind.

Den Ausgangspunkt für die Entwicklung sprach-

licher Kompetenzen bilden Alltagssituationen.

Grammatik wird als Werkzeug für die sprachliche

Produktion (Sprechen, Schreiben, Lesen, Hören)

gesehen.

In der Unterrichtsstunde »Bunte Republik

Deutschland« werden ein grammatisches und ein

interkulturelles Thema miteinander verbunden. Das

grammatische Phänomen ermöglicht es den Ler-

nenden, sich selbst und ihre Partner im Unterricht

und Personen außerhalb des Klassenzimmers zu

beschreiben. Das Interkulturelle dient der Reflexion

über die sozio-kulturelle Vielfalt der deutschen

Bevölkerung. Dieses Thema ist für die Lernenden

unmittelbar relevant, da sie mit dieser Heterogenität

innerhalb der Sprachlernklasse und außerhalb der

Schule konfrontiert werden, ein Teil von ihr sind,

und sich in ihr neu orientieren müssen (2). Der Ein-

satz der Abbildung »Bunte Republik Deutschland«

ermöglicht es, Lernenden mit geringen Deutsch-

kenntnissen die »Freiheit des Einzelnen« in einem

demokratischen Land wie Deutschland visuell näher

zu bringen. In der Unterrichtsstunde werden sie

dazu angeregt, über sich selbst bzw. ihre Kultur

sowie Deutsche und die deutsche Kultur zu reflektie-

Page 5: HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNG...Personalpronomen/ Possesivpronomen DIDAKTISCH-METHODISCHER KOMMENTAR Der Unterricht in der Sprachlernklasse der Nibe-lungen-Realschule

HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNG | 5

Bunte Republik Deutschland. © BAGFW

http://www.bagfw.de/suche/detailansicht-tt-news/

article/wir-unterstuetzen-deutschland/

ren und beide Kulturen miteinander zu vergleichen.

Ziel ist es, Offenheit gegenüber Vielfalt zu fördern

und ethischen Konflikten innerhalb und außerhalb

der Lerngruppe präventiv zu begegnen.

SystematisierungNeue sprachliche Mittel wie die Possessivpronomen

im Nominativ/Singular werden in der Lerngruppe

unter Einbezug des Vorwissens der Lernenden klein-

schrittig, selbstentdeckend und sprachvergleichend

erarbeitet. Selbstentdeckend bedeutet, dass gramma-

tische Regeln nicht von der Lehrkraft vorgegeben,

sondern gemeinsam mit bzw. von den Lernenden

erarbeitet werden. Sprachvergleichend heißt, dass

sprachliche Mittel im Deutschen, Englischen und

den Erstsprachen der Lernenden gegenübergestellt

und auf Gemeinsamkeit und Unterschiede »unter-

sucht« werden. Dadurch sollen die Sprachbewusst-

heit gefördert und grammatische Regeln abgeleitet

werden (vgl. Topalović / Michalak 2012).

Ein Zugang zu Form und Funktion der Posses-

sivpronomen wird auf vielfältige Art und Weise

geschaffen, um die unterschiedlichen Lerntypen

anzusprechen und den Verstehensprozess zu erleich-

tern (4).

Die Lehrkraft gibt zunächst mündlich Beispiele

für die neuen sprachlichen Mittel und hebt sie

durch Gestik, Mimik und Betonung hervor. So wird

in dem Unterrichtsbeispiel das Possessivpronomen

»meine« in dem Satz »Meine Haare sind …« stärker

betont und durch Handzeichen auf die eigenen

Haare veranschaulicht. Die anschließende Phase

des Vor- und Nachsprechens im Chor (laut, leise,

schnell,…) der einzelnen Possessivpronomen fördert

das Sprechen durch Wiederholung. Die parallele

Durchführung von Bewegungen, die den Lernenden

aus einer Unterrichtsstunde zu den Personalprono-

men bereits bekannt sind, erleichtert das Memorie-

ren auf spielerische Art. Es folgt die visualisierte Sys-

tematisierung durch (Bild- und) Wortkarten, Sym-

bole und Farben sowie die Wiederholung bekannter

sprachlicher Mittel. Die Possessivpronomen werden

von den Personalpronomen abgeleitet, wobei ein

Pfeil als Ableitungssymbol verwendet wird. Falls

erforderlich können zusätzliche Bildkarten (z. B.

Strichmännchen) zur Wiederholung der Perso-

nalpronomen eingesetzt werden. Die Kongruenz

zwischen Nomen und Possessivpronomen erklärt

die Lehrkraft durch die Zuordnung unterschiedlich

farbiger Wortkarten der bestimmten Artikel (der,

die, das und die, (Plural) sowie Anwendungsbeispiele

zu den Körperteilen. Auch an dieser Stelle knüpft sie

an das Vorwissen der Lernenden (Artikel und Kör-

perteile) an. Danach werden die Possessivpronomen

in der englischen Sprache sowie in den Erstsprachen

der Lernenden sprachvergleichend betrachtet (siehe

oben). Dabei wird z. B. deutlich, dass die Possessiv-

pronomen im Deutschen – anders als zum Beispiel

im Englischen – vom grammatischen Geschlecht

des Nomens bestimmt werden. Ausgehend von die-

ser Erkenntnis können die Lernenden Regeln für die

Verwendung ableiten (1).

Üben in kooperativen LernformenDas Üben der neuen sprachlichen Mittel erfolgt

in Partnerarbeit spielerisch-kooperativ. Dadurch

können die Lernenden voneinander, miteinander

und selbstgesteuert lernen (5). Die Lehrkraft kann

differenzierte Hilfestellung geben und die Lernen-

den beobachten, um Lernfortschritte und Defizite

(Haben die Lerner alles verstanden?) zu diagnostizie-

ren.

Durch die vielfältigen Übungsformen sollen

sowohl der mündliche Austausch (Sprechen, zusam-

menhängendes Sprechen, Hör- und Sehverstehen)

als auch die schriftsprachlichen Kompetenzen

(Leseverstehen und Schreiben) gefördert werden.

Außerdem sollen methodische und sozial-personale

Kompetenzen gefördert werden.

Die Lehrkraft beginnt mit einer Übung, durch

die geprüft wird, ob die Lernenden die Verwendung

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6 | HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNG

der Possessivpronomen verstanden haben. Diese

Übung zielt auf die Förderung von Hör- und Seh-

verstehen sowie Sprechen (einzelne Possessivpro-

nomen) ab. Die Lernenden wenden die gemeinsam

erarbeitete Systematik an, indem sie sich gegenseitig

Beispiele für die Verwendung der Possessivprono-

men nennen. Dabei können schwächere Lernende

auf visuelle Hilfsmittel (ein Poster mit beschrifteten

Körperteilen, das Arbeitsblatt und Tafelbild) zurück-

greifen. Zusätzliche Unterstützung erhalten sie von

der Lehrkraft (6).

Die nächste Übung fokussiert die Förderung

des zusammenhängenden Sprechens (Redemittel

mit Possessivpronomen). Dabei wird neues Wissen

über die Verwendung der Possessivpronomen mit

bekanntem Vokabular (Adjektive) verknüpft und ein

bekanntes Redemittel (»Wer ist das?«) wiederholt. In

dieser Übung trainieren die Lernenden spielerisch

die Redemittel (»Ihre Haare sind …«; »Seine Haare

sind …«). Schwächere Lernende können wieder

auf visuelle Hilfsmittel (Arbeitsblatt und Tafelbild)

zurückgreifen. Ein zusätzliches Hilfsmittel ist die

Zusammenarbeit in leistungsheterogenen Paaren,

denn sie ermöglicht die gegenseitige Unterstützung

und Korrektur sowie das Lernen durch Lehren (5).

In der folgenden Übung werden vorausgegangene

Unterrichtsinhalte zu den Körperteilen, Farben und

Adjektiven (lang, …) mit den neuen sprachlichen Mit-

teln in Zusammenhang gebracht. Damit schwächere

Lernende nicht überfordert und stärkere Lernende

nicht unterfordert sind, werden differenzierte Übun-

gen auf drei Niveaustufen angeboten (6). Der Einsatz

der kooperativen Lehr-Lernmethoden »Think-Pair-

Share« (»Ich-Du-Wir«) gestattet die systematische

Verbindung von Einzel- und Partnerarbeit. Während

der Einzelarbeit wird das Leseverstehen und Schrei-

ben der Lernenden gefördert, indem sie von Perso-

nalpronomen abgeleitete Possessivpronomen (Niveau

1) in Beispielsätze einfügen müssen. Leistungsstär-

kere Lernende ergänzen darüber hinaus passende

Adjektive (Niveau 2) und die konjugierte Form des

Verbs »sein« (Niveau 3). Die Partnerarbeit, in der die

Lernenden ihre Ergebnisse vergleichen, fördert das

Hörverstehen und das zusammenhängende Spre-

chen. Ein Lösungsblatt ermöglicht die Selbstkorrek-

tur. Die letzte Übung dient dem Transfer. Sie wird in

dieser Lerngruppe nur den leistungsstarken Lernern

(Niveau 3) angeboten, zur Vermeidung einer Überfor-

derung schwächerer Lernender (6).

MotivierenDer Unterricht sollte immer darauf abzielen,

das Lerninteresse und das Selbstvertrauen der

12–17-Jährigen zu fördern und ihnen den Nutzen

des Gelernten für Alltag und Schule aufzuzeigen

(vgl. Helmke 2010). Das Lerninteresse wird gefördert

durch das Anknüpfen an die Interessen der Lernen-

den durch Themen, die für sie unmittelbar relevant

sind, wechselnde Arbeitsformen und die interaktive

Erarbeitung neuer Themen. Das Anknüpfen an das

Vorwissen und die Abgabe von Verantwortung (leis-

tungsstarke Jugendliche unterstützen die Lehrkraft

z. B. bei Hilfestellungen) sind außerdem bedeutend.

Zur Stärkung des Selbstvertrauens wird darauf

geachtet, dass sich jede/r Lernende/r kompetent wahr-

nimmt, d. h. weder über- noch unterfordert ist, sich

wertgeschätzt fühlt und angstfrei lernt. Hilfreiche

Techniken sind eine klare Struktur des Unterrichts,

der Einsatz von Ritualen (z. B. Begrüßungen, die

nach kurzer Zeit jede/r kennt), vielfältige Übungen

im Schutz der Gruppe (z. B. Sprechen im Chor) sowie

eine starke quantitative und qualitative Binnendif-

ferenzierung, durch die individuelle Ziele mit und

ohne Unterstützung erreicht werden können. Eine

wertschätzende Atmosphäre kann vor allem dadurch

geschaffen werden, dass Mehrsprachigkeit als Berei-

cherung für den Unterricht und das Lernen von

Sprache gesehen wird (vgl. Wortschatzeinführung).

UNTERRICHTSBEISPIEL 2: DIE BESTEN JACKEN DER STADTIm Mittelpunkt der zweiten Unterrichtsplanung,

einer Doppelstunde Deutsch steht die Arbeit mit

einem Lesetext. Der Text wurde auf der Grundlage

eines Berichts von Schülerinnen und Schülern

durch die Lehrerin selbst geschrieben. Er zeichnet

sich durch drei Merkmale aus:

y Er entspricht inhaltlich den Interessen und der

Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler (2).

y Er beinhaltet den Wortschatz und diejenigen

sprachlichen Handlungen, die die Lernenden

tatsächlich brauchen, wenn sie zusammen ein-

kaufen gehen; er bietet damit bedeutungsvollen

Input zur Verarbeitung an (3).

y Die verwendeten sprachlichen Mittel sind her-

ausfordernd und bieten Impulse für sprachliches

Lernen. Auch schwächere Lernende können sich

den Text erarbeiten: Er ist vor allem aus einfa-

chen Hauptsätzen bzw. solchen mit Inversion

aufgebaut, die die Jugendlichen festigen können,

wenn sie sie lesen und selbst produzieren (6).

Die besten Jacken in der Stadt

Taofikat, Giovanna und Lena sind Freundinnen. Sie ha-

ben gemeinsame Hobbys: Sie tanzen gern Salsa, hören

oft Musik, lesen Romane in ihrer Muttersprache und

gehen – wie fast alle Mädchen – gern einkaufen, weil sie

modische Kleidung lieben.

Page 7: HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNG...Personalpronomen/ Possesivpronomen DIDAKTISCH-METHODISCHER KOMMENTAR Der Unterricht in der Sprachlernklasse der Nibe-lungen-Realschule

HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNG | 7

DIDAKTISCH-METHODISCHER KOMMENTARDie Arbeit mit Texten hat in heterogenen Lerner-

gruppen viele Vorteile. Sie präsentieren nicht nur

interessante Inhalte und sprachliche Mittel (2), sie

erlauben es auch, binnendifferenzierend zu arbei-

ten, und bieten wichtige Hilfestellungen, damit

die Schülerinnen und Schüler selbst auf Deutsch

produktiv werden können (3). Die präsentierte

Unterrichtsstunde zeigt, auf wie vielfältige Art und

Weise der Text rezipiert werden kann, sodass die

Lernenden ausgehend vom Text erst gelenkt, dann

frei Sprache produzieren.

Zu Beginn der Unterrichtsstunde aktivieren die

Jugendlichen den bereits bekannten Wortschatz

(Kleidungsstücke und Adjektive) in einer Jugend-

lichen vertrauten kommunikativen Situation, die

gleichzeitig auch den Text vorentlastet (3): Sie kom-

mentieren die Kleidung der anderen. Sie steigen auf

diese Weise ganz natürlich in das Unterrichtsge-

spräch ein. Der Text wird danach zunächst in Ein-

zelarbeit gelesen, damit sich jede/r orientieren und

klären kann, wo sie/er Hilfe braucht. Erst danach

erarbeiten die Jugendlichen in Partnerarbeit die

unbekannten Wörter, verlassen sich dabei im ersten

Schritt aufeinander und schlagen danach erst im

Wörterbuch nach (4, 5). Beides sind sehr wichtige

Strategien beim Sprachenlernen: Das Sprachmit-

teln – das unter Umständen schneller ist und die

Kooperation unter den Schülerinnen und Schülern

fördert – und das Nachschlagen im Wörterbuch,

das manches Mal zu besseren Ergebnissen führt.

Dadurch, dass sich die Lehrkraft in dieser Phase

des ersten Textverstehens nur einschaltet, wenn sie

gebraucht wird, sind die stärkeren Schüler heraus-

gefordert, sich den Text selbstständig zu erarbeiten,

während die schwächeren Jugendlichen meist erst

einmal diejenigen Textinhalte global verstehen, die

sie wirklich verstehen möchten (6).

In einem nächsten Schritt lesen die Schülerin-

nen und Schüler den Text laut und mit verteilten

Rollen. Die schwächeren Lernenden wählen evtl.

die Rollen von Giovanna und Taofikat, die weniger

Text haben als die von Lena oder der Sprecherin / des

Sprechers. Durch das Hören und Lautlesen präsen-

tiert sich der Text ein zweites, – wenn Zeit ist –

auch drittes oder viertes Mal; nun als Ganzes und

auch in seiner gesprochenen Form (4). Eine weitere

Vertiefung gelingt dadurch, dass die Jugendlichen

in der darauffolgenden Unterrichtssequenz Fragen

zum Text formulieren, wofür sie ihn ein weiteres

Mal lesen; nun fokussieren sie Details, vielleicht

auch solche, die die Mitlernenden überlesen haben

könnten, fragen nach diesen Details oder suchen sie

im Text, wenn sie selbst gefragt werden (1).

Erst jetzt, wo der Text gut bekannt ist, fokussiert

die Lehrerin ein zentrales sprachliches Mittel: Das

reflexive Verb »sich interessieren für + Akk.« wird

in einer halboffenen Übung verwendet, die die

Aufmerksamkeit der Lernenden auf die Struktur

lenkt (1). Grammatik soll immer »eingebettet« in

Situationen (hier im Kontext »Einkaufen«) vermittelt

werden. Ihr sollte eine dienende Funktion zukom-

men. Dennoch müssen grammatische Strukturen

systematisch geübt und wiederholt werden. In der

nachfolgenden Gruppenarbeit, in der immer drei

Lernende eine inhaltliche Aufgabe bearbeiten (Funk

Heute wollen die Mädchen Winterjacken kaufen, weil

der Winter vor der Tür steht. Lena kennt sich in ihrer

Heimatstadt sehr gut aus. Giovanna und Taofikat leben

seit drei Monaten in Offenburg und lernen die Stadt erst

kennen.

»Hier gibt es die besten Jacken in der Stadt«, sagt Lena.

Sie zeigt Giovanna eine hellblaue, moderne Jacke. »Blau

ist meine Lieblingsfarbe. Die Jacke ist sehr schick, aber

so dick«, meint Giovanna. »Sie muss warm halten. Im

Winter wird es sehr kalt. Dir ist doch jetzt schon kalt,

obwohl wir 18°C haben. Ja, ich weiß, in deiner Heimat

ist immer Sommer. Aber jetzt lebst du nicht mehr in

Kuba.« Inzwischen kommt auch Taofikat dazu. »Diese

Jacke ist schick. Gibt es die auch in anderen Farben?« Die

Mädchen schauen nach und finden rote, schwarze und

pinke Jacken in Taofikats Größe.

Sie gehen in die Ankleidekabine und probieren die

Jacken an. »Steht mir diese Jacke gut?«, fragt Giovanna.

»Sie steht dir sehr gut, aber probiere auch die anderen

an. Dann kannst du dich entscheiden.« Auch Taofikat

probiert mehrere Jacken an. Lena fragt: »Welche Jacke

gefällt dir am besten, Taofikat?« »Die rote finde ich am

schönsten. Aber was steht hier? Ich verstehe nicht alles.«

Lena liest was auf dem Etikett steht und sagt dann:

»Die Jacke ist winddicht und wasserabweisend und hat

eine abnehmbare Kapuze. (Sie erklärt ihrer Freundin

das auch auf Englisch, einer ihrer Muttersprachen,

die Taofikat in Nigeria gesprochen hat.) Und hier hat

sie reflektierende Streifen. Das ist wichtig. Wenn du

Fahrrad fährst und es dunkel ist, kann man dich gut

sehen.« »Dann kaufe ich sie. Ich habe genug Geld dabei.«

Giovanna entscheidet sich für die hellblaue Jacke. Sie ist

nicht teuer und steht ihr gut.

»Jetzt müssen wir noch passende Schals, Handschuhe

und modische Mützen finden.«, sagt Lena. »Eine Winter-

jacke habe ich, aber ich brauche einen bunten warmen

Schal.« Giovanna entscheidet sich für einen weißen

Schal: »Ich brauche keine Mütze, ich habe doch eine Ka-

puze.« Taofikat kauft eine gestreifte Mütze und passende

Handschuhe. Die Freundinnen freuen sich über ihren

Einkauf und bezahlen die Ware an der Kasse.

»Was machen wir jetzt?« Da macht Lena einen

Vorschlag . . .

Page 8: HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNG...Personalpronomen/ Possesivpronomen DIDAKTISCH-METHODISCHER KOMMENTAR Der Unterricht in der Sprachlernklasse der Nibe-lungen-Realschule

8 | HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNG

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UNTERRICHTSBEISPIEL 2: DIE BESTEN JACKEN DER STADT

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HETEROGENITÄT ALS GEWINN UND HERAUSFORDERUNG | 9

2014, 301), und zwar ein weiteres Einkaufsgespräch

führen, sollen die Schülerinnen und Schüler die

neue Struktur dann auch verwenden. Außerdem

haben sie dabei den Text als Orientierung für ihren

Dialog; die Schwächeren erhalten darüber hinaus

die Hilfskarten zur Unterstützung (6). Der letzte

Schritt der Textarbeit geschieht als Hausaufgabe

und hier differenziert die Lehrkraft wiederum: Die

Stärkeren schreiben den Text selbstständig weiter,

können jedoch im Kontext »Einkaufen« bleiben und

sich am vorgegebenen Text orientieren oder auf

ganz andere Themen (Kinobesuch, essen gehen, eine

Freundin besuchen) kommen; die Schwächeren fes-

tigen die neuen Strukturen, indem sie Teile daraus

memorieren und auswendig aufschreiben (Laufdik-

tat), sodass sie sich das Schriftbild einprägen (6).

AUSBLICKDie Heterogenität der Lernenden in Sprachförder-

klassen ist eine Herausforderung für Schülerinnen

und Schüler wie für die Lehrkräfte. Der Blick in

die beiden Sprachförderklassen zeigt jedoch, dass

man sie mit Gewinn für das Sprachenlernen nutzen

kann. Dass Vielfalt und Mehrsprachigkeit wertschät-

zend anerkannt werden, ist eine wichtige Grundlage

dafür, dass Schülerinnen und Schüler die Anstren-

gungen des Deutschlernens auf sich nehmen und

die Bildungschance erkennen, die sich ihnen bietet.

Wir hoffen, dass die gezeigten Lern- und Lehrak-

tivitäten Diskussion und kollegialen Austausch

auslösen und in der einen oder anderen Weise zum

Nachmachen und Ausprobieren einladen.

LITERATUR

Funk, Hermann: Aufgabenorientierung und Fremdsprachen-erwerb. In: Ahrenholz, Bernt / Oomen-Welke-Ingelore (Hrsg.): Deutsch als Fremdsprache. Baltmannsweiler 2014: Schneider Verlag Hohengehren, 298–310

Heinrich, Gesa F.: Cooperative language learning in the English as a Foreign Language. Design and Evaluation of an Advanced In-service Teacher Training. Dissertation 2015. Technische Universität Braunschweig. Online unter: http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00060765

Helmke, Andreas: Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. Velber 2010: Klett-Kallmeyer

Topalović, Elvira / Michalak, Magdalena: Sprachreflexion und Grammatik zwischen DaM und DaZ. In: Michalak, Magdalena/ Kuchenreuther, Michaela (Hrsg.): Grundlagen der Sprachdidaktik Deutsch als Zweitsprache. Baltmannsweiler 2012: Schneider Verlag Hohengehren, 226–259