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HEUREKA 04/12

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HEUREKA 04/12

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WIEN FÜR FORTGESCHRITTENE.BEST OF VIENNA

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E r h a r d B u s E k

D ieser Satz wurde immer für die Kirche verwendet, gilt aber ge-

nauso für die Hohen Schulen. Der Vorteil früherer Zeiten war, dass die Rasanz der Entwicklung nicht in dem Ausmaß gegeben war, wie das heute der Fall ist.

Die Zeitdistanzen zwischen der Thun-Hohensteinschen Refom im 19. Jahrhundert, dem, was Hertha Firn-berg hinterlassen hat, von mir und dann erst recht von Elisabeth Geh-rer korrigiert wurde, zeigt die immer kürzer werdenden Zyklen. Es wäre da-her überlegenswert, ob man nicht von dem System der relativ genauen Le-gislative und Definierung der Hoch-schule dazu übergehen sollte, in einer Rahmengesetzgebung bestimmte Fra-gen zu regeln (Qualitätsbestimmung, Zertifikationen, etc.), aber die eigent-lichen Inhaltsfragen dem Wissen und Gewissen der Universitäten selbst zu überlassen, also echte Autonomie.

Das zusätzliche Problem ist die heute notwendige Europäisierung, ja Globalisierung, vor allem der Wirt-schaftslandschaft. Der Begriff der In-ternationalisierung scheint mir heu-te zu flach zu sein, weil damit meis-tens nur Austauschprogramme, For-schungskooperationen und Stipendien verstanden werden. Ziel der Hoch-schulreform heute müsste es sein, wieder die „Europäische Universität“ zu schaffen, die sie ja vom Ausgang her war.

Ein weiterer Aspekt ist natürlich jener der Spezialisierung, weil es nicht nur darum geht, Grenzüberschreitung zu üben, sondern die in sich notwen-digen Verbindungen der einzelnen Wissensbereiche stärker herauszuar-beiten und Studentinnen und Studen-ten auch dazu in die Lage zu verset-zen, dem gerecht zu werden.

Die heutige Diskussion der Hoch-schulreform ist leider immer nur eine Organisationsdiskussion, wie das ja auch im Bereich der Schulen der

Sie fühlen sich als Obamas „geschlagene Ehefrauen“ – jene US-Milliardäre, die ihn 2008 ge-wählt oder womöglich mit Geld unterstützt hatten. Jetzt rede er so garstig über sie, dass sie sich als neue Unterklasse oder bedroh-te Minderheit fühlen müssten. Obama, das sei ihnen mittlerweile klar, sei einfach ein Kommunist.Wer das für eine Witz hält, hat die Amerikaner nicht verstan-den. „Macht euch die Erde unter-tan“, dieses alttestamentarische Bibelwort, nehmen sie wörtlich – und wehe, es kommt ihnen einer in die Quere. Dabei geht es nicht um Fakten, denn unter Obama haben die Milliardäre verdient wie noch nie. Es geht um die Aner-kennung, dass sie und nicht die 50 Prozent „on the dole“, also Sozial-hilfeempfänger, den wahren ameri-kanischen Traum verkörpern.In diesem Falter Heureka trifft der amerikanische Traum, ausgespro-chen von US-Forschern, auf eine europäische Weltsicht, genauer gesagt auf eine österreichische. Während die Amerikaner un-ter Energiewende ein gigantisches Projekt zur Erschließung neuer Energieressourcen und zur Errich-tung neuer Kraftwerke meinen, ar-gumentieren Österreicher, es gäbe mehr als genug Energieressourcen, nur könne die Atmosphäre weiter steigende Emissionen nicht auf-nehmen, ohne das Klima zu kip-pen. Sind Sie ein Amerikaner?

Kommentar Editorial

Falter 43a/12 herausgeber: Armin Thurnher Medieninhaber: Falter Zeitschriften GmbH, Marc-Aurel-Straße 9, 1010 Wien, T: 01/536 60-0, E: [email protected], www.falter.at redaktion: Christian Zillner Produktion, Grafik, korrektur: Falter Verlagsges.m.b.H. GrAFik: Cornelia Gleichweit, raphael Moser LEkTorAT: Martina Paul FoTorEDAkTioN: karin Wasner druck: Passauer Neue Presse Druck GmbH, 94036 Passau dVr: 047 69 86. Alle rechte, auch die der Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, vorbehalten. Die offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz ist unter www.falter.at/offenlegung/falter ständig abrufbar.

Impressum

Inhalt Wie Finanzmärkte funktionierenuntersucht STArT-Preisträger Michael kirchler Polygame PfeilfröschePolygamie als Überlebensstrategie kommt die sprache vom Lippenschmatzen? Neue Erkenntnisse der kognitionsbiologieProvenienzforschung Die Besitzgeschichte der Mauerbach-Theatralia

die Energiewende in ZahlenDer Countdown zum ThemaJubel über das schiefergas Gunnar Heinsohn feiert eine riesige Energiequelle Energiewende – oder was?Eine Frage des gesellschaftlichen Willens Zwölftausend Weltraumtouristen pro Jahr Zahlen und Ziele der Energiewende

die Energiewende sind wir alle, oder nicht? Amerikanischer Traum versus heimische WeltsichtEnergiewende: das Glossar Ein Überblick über wichtige Begriffe zum ThemaEin katastrophales angebotsei das Budget für die TU Wien 2013 bis 2015Gedicht, hEurEka-rätsel, kommentar Der Baumgartner Höhe entsprungen

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HEUREKA ist eine entgeltliche

Einschaltung in Form einer Medienkooperation mit

Fall ist. Umgekehrt könnte man ja die Frage stellen: wird heute das ge-lehrt und geforscht, was wir wirklich brauchen?

Darin besteht die eigentliche Prob-lematik der mangelnden Qualität, wie es schmerzvoll immer wieder im Ran-king auf internationaler Ebene zum Ausdruck kommt. Es ist zu billig, im-mer nur nach den Nobelpreisträgern zu fragen, die heute nicht mehr bei uns entstehen, sondern ganz selbst-verständlich nach einer breiteren Qualität.

Universitas Semper Reformanda C h r i s t i a n Z i L L n E r

Dazu aber fehlt eines: die entspre-chende Auseinandersetzung. Einfa-cher gefragt: Ist Hochschulreform heute ein Thema? Natürlich nicht, mit Ausnahme des Falter.

Finkenschlag Handgreifliches von Tone Fink www.tonefink.at

Erhard Busek ist Vorstand des instituts für den Donauraum und Mittel-europa, Präsident des Europäischen Forums Alpbach und war u.a. Wissenschaftsminister

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Kopf im Bild

Jungforscherinnen

START-Preis für Tiroler ÖkonomenFragen zu Marktineffizienzen und Finanzmarktregulierung – Michael Kirchler vom Institut für Banken und Finanzen der Universität Innsbruck untersucht sie systema-tisch und wurde dafür im Juni mit dem START-Preis, der höchsten Auszeichnung für Nachwuchs-wissenschafter in Österreich, ausgezeichnet. „Wir erforschen, unter welchen Bedingungen Finanzmärkte gut und unter welchen sie nicht gut funktionieren“, erklärt der Leiter des Forschungszentrums „Financial Markets and Risk“: „Anhand von La-bormärkten, in denen Händler mit realem Geld handeln, lässt sich das untersuchen.“ Dabei geht es zum einen um Aspekte wie Überoptimis-mus, Euphorie oder Risikofreude, zum anderen um institutionelle Faktoren wie bonusabhängige Händlerentlohnungen, unerfah-rene Akteure am Markt oder laxe Rahmenbedingungen zur Kredit-vergabe. „Preisblasen aus Verhal-tensgründen wird es wohl immer geben“, so der 35-Jährige. „Aber wenn institutionelle Rahmenbedin-gungen der Auslöser sind, könnte man sie durch kluges Marktdesign und Regulation mildern.“ Wie das aussehen könnte, ist ein weiterer Teil seiner Forschung.

T E x T : U S c H I S o R z

F o T o : M A R T I N V A N D o R y

U S c H I S o R z

F ür ihre Arbeiten erhielten diese jungen Forscherinnen ein Dokto-

ratsstipendium der Uni Innsbruck.

Richard Hastik, 29, Institut f. GeografieDie interdisziplinäre Bearbeitung raumrelevanter Fragen fasziniert den Geografen Richard Hastik. „In der Innsbrucker Geografie ist die holistische Auseinander-setzung mit Mensch-Um-welt-Beziehungen durch ihre Verknüpfung sozial- und naturwissenschaftlicher Ansätze besonders spannend“, so der Niederösterreicher. Er be-fasst sich in seiner Dissertation „Bo-dendaten in den Alpen: Kompilation, Regionalisierung, Ansätze für räum-liche Modellierung und funktionsbe-zogene Bewertung“ mit Hochgebirgs-

räumen. „Die flächenhafte Modellierung dieser Bö-den fand bisher wenig Be-achtung.“ Dabei seien gera-de deren Speicher-, Filter- und Pufferfunktionen besonders rele-vant. Die Rolle von Böden bei Natur-gefahren oder der Kohlenstoffbindung im Kontext des Klimawandels ist ein

wichtiger Teil seiner Arbeit.

Özlem Aslaner, 26, Institut f. PsychologieBei ihrer Diplomarbeit zur Stressverarbeitung tür-

kischer Migrantinnen fiel Özlem Aslaner auf, dass die-

se viel weniger Emotionen aus-drückten, als es die Wörglerin ange-sichts der ihr geschilderten Situatio-nen erwartet hätte. „Traurigkeit etwa äußerten sie statt mit Emotionswör-tern eher durch körperbetonte Rede-

wendungen.“ Dem wollte Aslaner, selbst Tochter tür-kischer Migranten, auf den

Grund gehen. Für ihre Dis-sertation „Der Ausdruck und

die Regulierung von Traurigkeit in Face-to-Face-Interaktionen am Bei-spiel türkischer Migrantinnen und ihrer Töchter“ verwen-det sie ein Analyseverfah-ren, das Gesichtsmuskeln in Nummern kodiert und Rückschlüsse über in Ge-sprächen gefilmten Emoti-onen zulässt. „Solche kultu-relle Unterschiede können zu Missverständnissen und falschen psy-chiatrischen Diagnosen führen.“

Peter Kandolf, 27, Institut f. MathematikAm Beginn stand ein Kombinati-onsstudium Mathematik/Informa-tik. „Die Mathematik fand ich aller-

dings bald interessanter und erfüllen-der“, sagt Peter Kandolf. An seinem heutigen Spezialgebiet, der numeri-schen Mathematik, schätzt er freilich die gelegentlichen Ausflüge in die Welt der Informatik. „Ich mag den Anwendungsbezug und den Wech-

sel zwischen der Theorie am Pa-pier und deren Umsetzung am

Computer“, erzählt er. „Um-gekehrt ist es spannend, bei einem selbstentwickelten Programm dessen mathema-tischen Hintergrund zu zei-

gen.“ Mit seiner Dissertation „Computationally efficient expo-

nential integrators“ möchte er dazu beitragen, exponentielle Integratoren effizienter zu gestalten. „Dabei geht es um die Verbesserung der bestehenden Implementierungen wie auch der ver-schiedenen Verfahren“, so der begeis-terte Bergsteiger. F

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J o c h e n S t a d l e r

T eamwork unterscheidet Men-schen von Affen, meint der ös-

terreichische Harvard-Biologe Martin Nowak. „Stecken Sie einmal vierhun-dert Schimpansen für einen sieben-Stunden-Flug in die Economy-Klasse. Die würden wahrscheinlich blutend, mit zerbissenen Ohren und zerrupf-tem Fell aus dem Flieger taumeln“, schreibt er im Buch „Supercoopera-tors“. Millionen Menschen erdulden diese Tortur Tag für Tag friedlich.

doch Zusammenarbeit bedeutet oft mehr als passive Leidensfähigkeit, nämlich dass man dafür Zeit und Geld inves-tieren muss. Nowak und seine Kol-legen wollten wissen, ob Menschen eher aus dem Bauch heraus koope-rieren, oder ob sie herzlich egoistisch sind und erst durch eine Denkpause auf die Vorteile von Teamwork kom-

men. Dazu rekrutierte er Versuchsper-sonen über eine Internet-Plattform.

Die Teilnehmer bekamen 40 Cent ausbezahlt und sollten davon so viel sie wollen in einen Fonds einzah-len. Der Spielleiter würde den Be-trag verdoppeln und gleichmäßig zurückzahlen.

Handelten die Teilnehmer intui-tiv, machten sie mehr Geld locker, als wenn sie über die Investition nach-dachten, fanden die Forscher heraus. „Unser erster Impuls ist es zu koope-rieren“, sagt Nowak, „doch er wird durch kalte Logik untergraben“. Dabei würde die Logik lehren, dass jeder am meisten gewinnt, wenn er sein ganzes Vermögen in den Topf wirft.

auch wenn man die teilnehmer vor dem Versuch darauf einschwor, eher intui-tiv zu handeln, waren sie großzügiger, als wenn man sie auf logisches Den-ken trimmte. Bei Entscheidungsträ-gern wäre es also fatal, verlangte man von ihnen, möglichst rational zu han-deln, meint Nowak: Sie würden da-durch egoistischer.

U S c h I S o r Z

Abstraktes Denken hat mir im-mer schon gefallen“, sagt Ingrid

Blumthaler. „Mathematik hat mich vor allem fasziniert.“ Die 28-jährige Seefelderin hat an der Fakultät für Mathematik der Uni Innsbruck stu-diert. Heute arbeitet sie in einem an-wendungsorientierten Gebiet, der ma-thematischen Systemtheorie. Auch Ingenieure brauchen sie, etwa in der Mess-, Verfahrens- oder Elektrotech-nik, um komplexe Probleme verste-hen und beeinflussen zu können. Wie beim Tempomat, der ein Auto unab-hängig von äußeren Störungen auf ei-ner konstanten Geschwindigkeit hal-ten soll.

„Reizvoll an der Systemtheorie ist, dass hier verschiedenste Gebiete der Mathematik zusammenkommen und dass sich ständig neue und weiterfüh-rende Fragen ergeben.“ Nachdem sie

im März sub auspiciis promoviert hat, arbeitet sie nun am FWF-Pro-jekt „Observer and compensator de-sign via quotient signal modules“ an der Universität Innsbruck mit.

„ein System ist die lösungsmenge eines Systems von impliziten Differenzial-gleichungen in mehreren Unbekann-ten. Die Elemente des Systems sind also Vektoren von Signalen.“ Typische Fragen der Systemtheorie, die auch im FWF-Projekt behandelt werden, sind Beobachter-, Stabilisierungs- und Re-gelungsprobleme. Ein „Beobachter“ ist ein weiteres System, das die ge-messenen Signale beinhaltet und eine Schätzung der unbekannten Signale erlaubt. „Wir konstruieren zum Bei-spiel die Menge aller möglichen Beob-achter für ein sehr allgemein gestelltes Beobachterproblem. Zu diesen Fragen haben wir einen sehr mathematischen, insbesondere algebraischen Zugang.“

Nach dem Ende des FWF-Projekts im Februar 2013 möchte die Tirolerin zwei Jahre als Postdoc an der Univer-sität Padua arbeiten.

Mathematik

Rationales Denken macht unser Handeln egoistischer. Das Bauchgefühl aber ist solidarisch

Mit Mathematik lassen sich komplexe Sachverhalte in verschiedenen Systemen beschreiben

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U S c h I S o r Z

Vom Ei bis zur Metamorpho-se lauern zahlreiche Gefahren auf die Larven der Pfeilgiftfro-

schart Allobates femoralis: Eine Reihe von Fressfeinden delektiert sich nur zu gerne an ihnen, und die Wasserstel-len, in denen sie sich entwickeln, kön-nen leicht austrocknen. Für das Pro-blem der Art erhaltung haben die nur zwei Zentimeter großen Tierchen al-lerdings ihre eigene Lösung gefunden:

„Die Weibchen wählen viele Männ-chen als Partner aus, da sie dadurch den Fortpflanzungserfolg sowie die ge-netische Vielfalt der Nachkommen er-höhen und verschiedenste Risikofak-toren in Bezug auf das Überleben aus-schalten“, sagt Eva Ringler, Evoluti-

onsbiologin an der Universität Wien. Schließlich legen die Weibchen ihre Eier an Land ab und die jeweiligen Männchen tragen sie ins Wasser, wo sie bis zur Metamorphose bleiben.

Nachdem sie schon ihre Disserta-tion den Allobates femoralis gewidmet hatte, setzte Ringler ihre Forschung im Frühjahr dieses Jahres mit Un-terstützung des L’Oréal-Stipendiums „For Women in Science“ fort. „Auf ei-ner Flussinsel in Französisch-Guyana haben wir eine Population von Allo-bates femoralis etabliert, um jene Fak-toren zu untersuchen, die das Über-leben der Tiere maßgeblich beeinflus-sen“, berichtet sie. Genetische Marker aus Gewebeproben von Kaulquappen ermöglichten es ihrem Team, die ge-samte Pfeilgiftfroschpopulation lang-fristig zu verfolgen und auch Stamm-bäume zwischen aufeinanderfolgen-den Generationen zu rekonstruieren.

evolutionsbiologie

Polygamie sichert Pfeil­giftfröschen das Überlebendie komplexe Fortpflanz ungs biologie der Pfeilgiftfroschart allobates femoralis: Viele Männchen für ein Weibchen

Widmet ihre Forschung dem Pfeilgift-frosch: eva ringler, Uni Wien

Im Urwald von Französisch-Guyana

Biologie

„Unser erster Impuls ist zu kooperieren, doch er wird durch kalte Logik untergraben.“ Martin Nowak

„Reizvoll an der Systemtheorie ist, dass hier verschiedenste Mathematikgebiete zusammenkommen.“ Ingrid Blumthaler

die Weibchen der Pfeilgiftfroschart allobates femoralis halten sich mehrere lover

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Aus WissenschAft und forschung6 F A L T E R 4 3 / 1 2 heureka

D i e t e r H ö n i g

D ie häufig unterschätzte „Schau-fensterkrankheit“ PAVK (Pe-

riphere Arterielle Verschlusskrank-heit) ist eine aggressive Form der Ar-teriosklerose. „Betroffene haben eine deutlich reduzierte Lebenserwartung und Lebensqualität“, sagt Andreas Franczak, Facharzt für Viszeral- und Gefäßchirurgie in Wien.

innerhalb von fünf Jahren nach der Di-agnosestellung stirbt etwa jeder Drit-te an einer Gefäßerkrankung wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Dabei wäre ausreichend Zeit, um im Rah-

men von Vorsorgeuntersuchungen als Risikokandidat erkannt zu werden. Die Beindurchblutung kann mit einer schmerzlosen Gefäßuntersuchung (Ul-traschall-Doppler) gemessen werden. Dabei lässt sich die Wahrscheinlichkeit eines erhöhten Risikos gut bestim-men. Liegt eine „Schaufensterkrank-heit“ vor, sollten unbedingt auch Herz-arterien sowie Halsschlagadern (Caro-tiden) untersucht werden.

Arteriosklerose ist zwar unheilbar, jedoch lassen sich gefährliche Gefäßveren-gungen bei rechtzeitiger Diagnose zu-mindest hinauszögern. Neben medi-kamentösen Therapien werden heute gute Ergebnisse mit Gefäßdehnungen durch die Einbringung eines speziell beschichteten Stents erzielt. Franczak: „Auch in fortgeschrittenen Fällen kann durch das Legen eines Arterienbypas-ses oder durch Ausschälung eines ver-stopften Gefäßes eine Amputation ab-gewehrt werden. Dank der Fortschrit-te in der Mikrochirurgie können auch Gefäßumleitungen auf die Fußarteri-en gelegt werden.“ Wesentlich ist da-bei die Mitarbeit des Patienten durch gezieltes Gehtraining und durch den Verzicht aufs Rauchen.

e m i l y W A l t o n

V or sechs Monaten trug ich mei-nen Mist in einen Wiener Innen-

hof. Ein grauer Hof auf der Hintersei-te eines in Türkis gestrichenen Alt-baus. Einziger Farbklecks: Der leuch-tend rote Deckel der Altpapiertonne.

Ein trostloser Ort, der gegen Ende der Woche hin umso trostloser wurde, als die Mülltonnen überquollen und die Fliegen diesen Ort für sich einnah-men. (Eigentlich ging nur die Rest-mülltonne über. Die Biotonne blieb meist leer, außer ein Anrainer hatte gerade einen Christbaum oder seinen Ficus benjamini zerstückelt.)

Eine einzelne Mülltonne für acht Parteien war eindeutig zu wenig. Aber mehr Betriebskosten zu zahlen, um eine zweite zu finanzieren, das war den meisten Bewohnern zu viel. Also lieber schimpfen (ein Nachbar hängte einen Brief an die „vertrottelten“ Mit-bewohner auf), oder Müll-Sittenpoli-zei spielen, so wie die Alte aus dem Erdgeschoss, die jedes Mal grantelte, wenn einer es wagte, Plastikflaschen in den Restmüll zu schummeln.

manchmal weiß man erst, was man hat-te, wenn man es nicht mehr hat. In-zwischen streiten sich in Wien ande-re um diese Mülltonne. In Brüssel sit-ze ich allein auf meinem Mist. Denn: Wer hier Restmüll-, Bio- oder Altpa-piertonne sucht, sucht vergeblich. Wo-hin also mit den Zwiebelschalen, dem Joghurtbecher, der Käseverpackung? Auf die Straße!

Ein Streifzug durch Brüsseler Wohngegenden macht deutlich: Müll am Straßenrand gehört zum Stadtbild. Weiße, blaue, gelbe Säcke zieren die Gehsteige der oft sehr grauen Stadt. (Die Mistsackerl sind übrigens vor-geschriebene, die man im Supermarkt kauft. Ich gewöhne mich noch daran, dass der gelbe Sack für Papier und nicht für Plastik gedacht ist.)

Zweimal die Woche sammelt die Müllabfuhr, die in jeder „Commune“ an einem anderen Tag kommt, den Mist ein. (In meinem Bezirk „Etter-beek“ nahe den EU-Institutionen ist es mittwochs und samstags).

Am Vorabend – und erst am Vor-abend! – soll ich meine Beutel vor die Tür stellen. Zweimal habe ich dies be-reits vergessen und mit dem stinken-den Müll ausgeharrt. (Ein Glück, dass viele Brüsseler Wohnungen Balkone haben.)

Meine Nachbarn sind mutiger als ich. Sie stellen den Sack einfach raus, sobald er voll ist. Ich hingegen ernäh-re mich neuerdings möglichst geruchs-neutral – verzichte auf Fisch, der zu schnell stinkt – und frage mich, ob meine ehemaligen Nachbarn in Wien wissen, was sie an ihrem Innenhof haben.

Brief aus Brüssel

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U s c H i s o r z

Wie ist die menschliche Spra-che entstanden? Welche Er-kenntnisse darüber lassen

sich aus dem Vergleich der Fähigkeiten von Menschen und Tieren ableiten?

Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Gruppe um W. Tecumseh Fitch vom Department für Kognitionsbio-logie der Universität Wien. Ihre neuen Forschungsergebnisse unterstützen die These, dass sich die menschliche Spra-che nicht aus der Lautbildung, son-dern aus der kommunikativen Mimik entwickelt hat.

Das hat W. Tecumseh Fitch, Lei-ter des Wiener Departments für Kog-nitionsbiologie und ERC-Grant-Preis-träger, gemeinsam mit Kollegen der Princeton University im Juli im re-nommierten Fachmagazin „Current Biology“ publiziert.

Das lebhafte Mienenspiel, mit dem sich Affen verständigen, fasziniert Wis-senschafter schon seit Längerem. Auch Peter McNeilage von der University of Texas ortete darin bereits die Wurzeln der menschlichen Sprache und nicht, wie traditionell angenommen, in den Lauten der Primaten. Die Bewegun-gen des Lippenschmatzens sind dem Wechsel von Vokalen und Konsonan-ten auffallend ähnlich.Nun haben die

Wissenschafter der Uni Wien und der Princeton University Lippenschmat-zen bei Makaken anhand von Rönt-genfilmen untersucht. Auf den ersten Blick scheint es sich aus dem schnel-len Öffnen und Schließen der Lippen

zu ergeben. Die Röntgenfilme bele-gen aber einen komplexen Ablauf aus schnellen, koordinierten Bewegungen von Lippen, Kiefer, Zunge und Zun-genbein, und zwar in einer ähnlichen Geschwindigkeit wie die menschliche Sprache. Sie unterscheiden sich auch von Kaubewegungen, die nur halb so schnell sind.

Die Ergebnisse lassen darauf schlie-ßen, dass der Ursprung der mensch-lichen Sprache in einer Kombination aus „traditioneller“ Phonation, also durch die Stimmbänder erzeugten Lauten, und schnellen, erlernten Be-wegungen des Vokaltrakts liegt.

W. tecumseh Fitch mit seinen schmatzenden makaken in Wien

Kognitionsbiologie

Neue Einblicke in die Evolution der Spracheliegt der Ursprung der menschlichen sprache im lippenschmatzen der Affen?

Medizin

Die „Schaufenster-krank heit“ tötet binnen fünf Jahren jeden Dritten, der an ihr leidet

Nicht nur die Laute der Primaten, auch ihr Lippenschmatzen könnte der Ursprung unserer Sprache sein

gefäßchirurg Andreas Franczak

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For a list of faculty members please visit www.ist.ac.at. For further information and access to the online application please consult www.ist.ac.at/gradschool. For inquiries, please contact [email protected]. For students wishing to enter the program in the fall of 2013, the deadline for applications is January 15, 2013.

IST Austria is committed to Equality and Diversity.

CALL FOR PhD STUDENTSThe Graduate School at IST Austria invites applicants from all countries to its PhD program. IST Austria is a new institution located on the outskirts of Vienna dedicated to cutting-edge basic research in the natural sciences and related disciplines. The language at the Institute and the Graduate School is English.

The PhD program combines advanced coursework and research, with a focus on Biology, Computer Science, Mathematics, Physics, Neuroscience, and interdisciplinary areas. IST Austria offers inter-nationally competitive PhD salaries supporting 4–5 years of study. Applicants must hold either a BS or MS degree or equivalent.

The Institute offers PhD students positions in the following fi elds:Biology | Computer Science | Mathematics | Physics | Neuroscience

CAMPUS VISIT DAY

November 24, 2012

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Aus WissenschAft und forschungheureka F A L T E R 4 3 / 1 2 7

S a b i n e e d i t h b r a u n

Die 1996 vom Gründer des Don Juan Archivs Wien (DJA) bei der Mauerbach-Aktion erwor-

bene, „Komplex Mauerbach“ genann-te Theatralia-Sammlung umfasst 2972 Bände mit rund 4500 Theatertexten und Libretti aus den Jahren 1750 bis 1930.

Die Theaterwissenschafterin Brigit-te Dalinger wurde mit der Erforschung ihrer Geschichte beauftragt. „Nie-mand wusste, woher sie ursprüng-lich stammt. Bislang ist noch nicht erforscht, was im Zweiten Weltkrieg mit den Theaterarchiven geschah“, sagt Dalinger.

Was ist das Besondere an der Sammlung? „Sie gehörte jemandem mit einem nahen Bezug zum Thea-ter. Es sind Arbeitsexemplare dabei, Strichfassungen von Schauspielern und Zensurexemplare, mit den unter-schiedlichsten Besitzvermerken.“

ein buch der Provenienzforscher Christi-na Köstner und Murray G. Hall brach-te Dalinger auf eine Spur in Zusam-

Das macht die ProvenienzforschungSie erforscht etwa die besitzgeschichte der Mauerbach-theatralia aus dem „Komplex Mauerbach“

menhang mit Hitlers geplantem Lin-zer Kunstmuseum. Der damalige Di-rektor der Nationalbibliothek, Paul Heigl, wollte aus einer anderen, für Linz bestimmten Sammlung, sieben spezielle Handschriften für „seine“ Nationalbibliothek.Hitlers Linz-Beauftragter Hans Posse sorgte dafür, dass Heigl sie erhielt und diese Handschriften nicht via „Führer-vorbehalt“ nach Linz kamen. Als Ge-gengeschäft bot Heigl Hans Posse die besagte Theatralia-Sammlung an.

Doch woher hatte Heigl sie? Bri-gitte Dalinger: „Von einem Antiquar namens Engel aus Kirchberg am Wechsel.“

dies legt den Schluss nahe, dass die Sammlung dem 1856 in Mannheim geborenen Schauspieler Otto Rub ge-hörte, der ab 1900 am Wiener Burg-theater engagiert war. Seine letzte Wiener Adresse in den Dreißigerjah-ren war im 18. Bezirk.

„Rub war kein Jude. Warum er sich 1939 nach Grimmenstein in Nieder-

österreich abmeldete, ist unbekannt.“ Grimmenstein liegt in der Nähe von Kirchberg.

Schon 1940 bot der Antiquar aus Kirchberg der Nationalbibliothek eine Briefsammlung von Rub an, die ange-kauft wurde und sich bis heute im Be-sitz der ÖNB befindet.

Otto rub, der nicht nur Schauspieler, sondern auch Theaterhistoriker war, dürfte der Sammler der „Theatralia“ gewesen sein. Unklar ist, warum er sich in Niederösterreich niederließ.

„Ich bin erst kürzlich auf den Hin-weis gestoßen, dass Rubs Frau Pau-la, geborene Gross, vielleicht jüdische Wurzeln hatte, es sich also tatsächlich um einen Verkauf unter Druck gehan-delt haben könnte“, sagt Dalinger.

Der Erwerb der Sammlung geschah dennoch auf rechtlich legalem Wege. „Es hat eine gewisse Ironie“, meint Brigitte Dalinger, „dass die Verstei-gerung der Sammlung des ,Komplex Mauerbach’ letztlich den Opfern des Holocaust zugute kam“.

der „Mauerbach-bestand“Einige tausend Kunstobjekte, die im Zweiten Weltkrieg im Salzbergwerk Altaussee einge-lagert und später als „herrenlos“ eingestuft wurden, kamen erst an wechselnde Orte und wurden 1969 vom Bundesdenkmalamt in der Kartause Mauerbach gelagert. Auf Druck von Simon Wiesenthal und der Medien wurden Inventarlisten in der Wiener Zeitung veröffent-licht und in den Botschaften aufgelegt. Einiges wurde restituiert, doch lag die Beweispflicht bei den Beanspruchern. 1995 wurden die Exponate an die Israelitische Kultusgemeinde übergeben, die sie 1996 zugunsten von Holocaust-Opfern versteigern ließ.

Provenienzforschung bücher Sie versucht die Herkunft bestimmter Objekte zu klären. Der materielle Wert von Büchern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ist nicht sehr hoch. „In Restitutionsfragen wurden Bücher oft als Hausrat eingestuft“, sagt Brigitte Dalinger. Die Erforschung und Zuordnung der Bücher hänge stark vom Zufall ab.

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TiTel8 F A L T E R 4 3 / 1 2 heureka

energiewende – oder was?

420 000 000 Euro Umsatz erwirtschaftete die heimische Solarthermie-Branche im

Jahr 2010 laut dem Bericht „Innovative Energietechnologien in Österreich – Marktentwicklung 2010“ des BMVIT.

1 172 905 österreichische Haushalte nutzten 2009/2010 den Energieträger Holz. Solarwärme wurde

von 360 671 Haushalten verwendet. Laut Statistik Austria lag Solarwärme damit jedoch noch vor anderen Erneuerbaren wie Wärmepumpe, Hack-schnitzel oder Pellets.

287 149 Terajoule Energie verbrauchten die heimischen privaten Haushalte im Jahr 2010. Der Energie-

verbrauch stieg gegenüber dem Vorjahr um 8, 8 Prozent stark an und erreichte laut Energiebilanz den bislang höchsten Wert.

180 000 Kilowattstunden Strom produziert die Photo-voltaik-Anlage am ehemaligen Atomkraftwerk

Zwentendorf. Mehr als 30 Jahre nach der Volksabstimmung wird die Anlage heute doch noch zur Erzeugung von Strom genutzt.

7480 Megawatt Strom sollen die heimischen Pumpspeicher-kraftwerke ab 2020 liefern. Derzeit liegt die Leistung der

bestehenden Anlagen bei rund 2700 Megawatt. Der massive Ausbau soll eine kontinuierliche Einspeisung von Strom auch über nationale Grenzen hinweg gewährleisten.

1400 Meter Seehöhe: So hoch liegt die Windturbine Plöckenpass in Kärnten. Die höchstgelegene Anlage Europas befindet

sich im Schweizer Kanton Wallis auf einer Seehöhe von 2465 Metern.

1200 Quadratmeter Sonnenkollektoren werden am Dach des Wiener Hauptbahnhofs installiert. Die gewonnene Energie

entspricht dem Strombedarf von 30 Einfamilienhäusern und soll zur Beleuchtung des Bahnhofs verwendet werden.

500 bis 10.000 Euro betrugen die Summen, mit denen sich 46 Personen

an der Bürgersolaranlage „Bregenz Bauhof“ beteiligten. Sie erbringt eine Leistung von 39 Kilowatt peak. Immer mehr Bürgersolaranlagen wurden in den letzten Jahren in Österreich errichtet. Mit einer Leistung von 500 Kilo-watt peak zählt die Anlage „Wien Donaustadt“ zu den größten.

380 Kilovolt elektrische Spannung fließen durch eine der wichtigsten Hochspannungsleitungen Österreichs. Der

„380-kV-Ring“ verbindet mehrere Bundesländer miteinander, ist aber nicht durchgängig geschlossen. Ein koordinierter Ausbau der nationalen und eine bessere Vernetzung der europäischen Stromnetze ist laut Experten für die künftige Energiesicherheit Europas notwendig.

300 Waschgänge pro Jahr à 0,7 bis 1,5 Kilowattstunden Strom – soviel verbrauchen moderne Waschmaschinen mit einer hohen

Energieklasse. Auf über 3,5 Kilowattstunden kommen Geräte der Klassen E bis G. Mit einer ökonomischen Waschmaschine spart ein Haushalt ca. 600 bis 800 Kilowattstunden jährlich. Energiesparmaßnahmen sind ein wichti-ges Standbein der Energiewende.

92 Stromtankstellen gibt es im Großraum Linz. Innerhalb von drei Jahren wurde die Kapazität von anfangs zwölf mehr als

versiebenfacht. Auch im Wohnungsneubau wie dem Projekt „Grüne Mitte Linz“ setzen die Stadt und der Energieversorger auf E-Mobilität. Schon bei der Planung werden Stromtankstellen in Tiefgaragen mitgedacht.

30 Minuten ohne Strom pro Abnehmer und Jahr. Damit liegt Österreich im Europavergleich am dritten Platz. Durch den

steigenden Stromverbrauch und die Energiewende warnen Experten, dass die Stromnetze in Spitzenzeiten an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen und es öfter zu „Blackouts“ kommen könnte.

1,3 Prozent des heimischen Wirtschaftsdüngeranfalls werden derzeit in Ökostromanlagen genutzt. Das Potenzial ist allerdings weit

höher. Die Produktion von erneuerbarer Energie aus (landwirtschaftlichen) Reststoffen reduziert u.a. die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft.

Der Countdown zum Thema

s o n j a b u r g e r

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TITELENERGIEWENDE – ODER WAS?

HEUREKA F A L T E R 4 3 / 1 2 9

Zu den Fotos

Mit einem Augenzwinkern zeigt das Foto-Grafi k-Duo TWINSET „kinderleichte“ Möglichkeiten der Gewinnung von Strom, Mobilität und Wärme sowie der Steigerung der Energieeffi zienz.

TWINSET sind Eva Jauss und Michael Breyer. Das Illustrations/Fotografi e-Duo lebt und arbeitet in Berlin. Eva hat in Hamburg und Stockholm studiert und während der Zeit in Schweden ihre Liebe für das Dreidimensionale entdeckt. Michael kommt aus Wien und hat Fotografi e an der Gra-phischen studiert, ist allerdings schon vor langer Zeit nach Berlin ausgewandert. Kennengelernt haben sich die beiden bei einem Projekt. Seither arbeiten sie gemeinsam an Sets, dreidimensio-nalen Illustrationen und Still-Life-Strecken, unter anderem für das ZEITmagazin, die ZeitCampus oder den Steffl Department Store. www.twinset-studio.de

F O T O / I L L U S T R A T I O N :

M I C H A E L B R E Y E R & E V A J A U S S

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energiewende – oder was?10 F A L T E R 4 3 / 1 2 heureka

G u n n a r H e i n s o H n

Im Juni 2009 erklärte Barack Obama der Kohle den Krieg. Wenn er tatenlos blei-be, werde man 2013 volle 40 CO2-Mol-

küle auf je 100.000 Luftmolekülen zählen und der Apokalypse wieder ein Stück näher sein. Doch schon seit Jahren ist ein ande-rer Kohlewürger am Markt, der auch Erdöl und Atomstrom stranguliert: eine Trillion Kubikmeter Schiefergas – das sind 10.000 Jahre deutscher Verbrauch.

Grund für Jubel: das Material ist 30 Pro-zent CO2-ärmer als Erdöl und 60 Prozent reiner als Kohle sowie billiger als beide. Die größte CO2-Reduktion schafft mit 430 Mil-lionen Tonnen zwischen 2006 und 2011 Amerika. Unermüdlich arbeitet das Schie-fergas an der Rettung des Planeten.

In jenen fünf Jahren wächst Amerikas Gas-Strom um ein Viertel, Kohle-Strom geht um zehn Prozent zurück. Von zwei Milliarden Kubikmetern Schiefergas 1995 springen die USA auf 150 Milliarden Ku-bikmeter 2010 (neben 500 Milliarden Ku-bikmetern Erdgas). Deutschland förderte 2010 nur 12,7 Milliarden Kubikmeter Gas und verbraucht 96 Milliarden.

Verflüssigt, revolutioniert schiefergas in den USA gerade die Lkw-Motoren. Das Elek-troauto verfällt bereits bei Ankündigung des

D i e t e r H ö n i G

M an denkt spontan an Techniker, die an neuen Solaranlagen oder Windrä-

dern arbeiten. Nach offizieller Diktion sind Green Jobs aber alle Arbeitsplätze, die Um-welt und natürliche Ressourcen schonen und schützen sollen. Dazu gehören auch Beschäftigte in der biologischen Landwirt-schaft, der Abfallwirtschaft, Wassertechnik oder im ökologischen Tourismus.

Die Umweltwirtschaft ist, laut Umwelt-minister Nikolaus Berlakovich, eine der wichtigsten Zukunftsbranchen: „Ich habe meine Initiative ,Mehr Jobs durch Green Jobs’ 2010 gestartet. Damals waren 185.000 Menschen in Green Jobs tätig, heute sind es bereits 210.000.“

Das Lebensministerium stellt jährlich über 700 Millionen Euro für Maßnahmen zur Verfügung, die in weiterer Folge Green Jobs bringen sollen: Die thermische Sanie-rung, die Umweltförderung oder die Unter-stützung energieautarker Regionen. Berla-kovich: „Die Umweltwirtschaft ist mit ei-nem Plus von 7,9 Prozent an Green Jobs das Zugpferd für Beschäftigungsentwick-

Wind und Sonne verlieren gegen SchieferCo2-reduktion durch schiefergas? Den usa ist damit die größte je gemessene Co2-reduktion gelungen

neuen Gegners in Siechtum. Statt 100.000 Stück jährlich, die allein Berlin zwischen 2010 und 2020 fordert, schafft Deutschland gerade 3000. Wenige, extrem teure Fahrzeu-ge subventioniert der kleine Mann, damit eine Oberschicht grüner Bonzen ihr stolzes Gewissen vor den Augen der Abgezockten paradieren lassen kann.

Folgenreicher ist die Botschaft an die Unternehmen. Kümmert euch nicht mehr ums Geldverdienen, sondern rechnet für alle Zukunft auf geschenktes Geld. Die Fir-men zögern durchaus, aber wenn eine zu-greift, müssen es alle nehmen. Das gewinnt aktuell in England bizarre Züge.

Die Insel, mit fünf Billionen Kubikme-tern Schiefergas an Land und weiteren 28 Billionen unter der Nordsee, ergreift zuerst den ökonomischen Hammer aus Amerika. Der Energieminister will arme Gegenden in Cheshire und Lancashire über ihren Schie-fer wieder reich machen und seiner Indus-trie bezahlbaren Strom verschaffen. Darauf-hin drohen im Oktober fünfzig grüne NGO und sieben Großfirmen wie Siemens oder Alstom mit Investitionsstopp, wenn Lon-don ihnen nicht auf Jahrzehnte hinaus üp-pige Überweisungen sowie das Austilgen der Schieferkonkurrenten garantiere. War-um soll es nicht überall so schön sein wie

in Deutschland? Dort herrschen Ideologen. Doch die übrige Welt folgt ihnen nicht beim Ausschalten der Märkte. Auch funktioniert das Verbieten und Befehlen nicht einmal daheim. Da Wind und Sonne immer volle Last oder gar nichts bringen, müssen die Anlagen mit weiteren Lasten für die Men-schen wieder herbeigelockt werden, die im Orkus der Geschichte landen sollten.

nicht einmal der Durban-Preis 2011 an das „Führer-Land“ beim CO2-Reduzieren (Country Leadership Award) verleiht Ber-lin echten Biss. Peking wendet sich von der deutschen Planwirtschaft ab. Die Aktien chi-nesischer Solarfirmen stürzen zum Oktober 2012 auf zwei bis 15 Prozent ihres Preises von 2007. Ihnen geht es ebenso schlecht wie Europas Windmühlengiganten Nordex und Vestas, die aus Angst vor Billigenergie 90 Prozent Wertverlust erleiden. Doch Chi-na hat mindestens 50 Billionen Kubikmeter Schiefergas und weicht drauf aus. Während Siemens England bei Ausbleiben finanziel-ler Dauergaben boykottieren will, bezahlt man in Szechuan Leute aus London für das Erbohren der neuen Schätze. Deutschland und Österreichs Industrielle zahlen derweil für russisches Gas viermal so viel wie ihre US-Konkurrenten für den Schieferstoff.

Jobwunder oder Ökoschmäh?Was sind Green Jobs überhaupt – und halten sie, was manche sich von ihnen versprechen?

lung und erweist sich gegenüber der Ge-samtwirtschaft, die nur auf plus 0,6 Prozent Beschäftigte kommt, als Musterschüler.“

Anders sieht man dies bei der Arbei-terkammer und spricht von „Ökoschmäh“. Sven Hergovich, Umweltexperte der AK: „Bei genauerem Blick lässt sich erkennen, dass Green Jobs oft nicht besonders gut bezahlt sind und teilweise sogar gesund-heitsgefährdende Arbeitsbedingungen auf-weisen, wie etwa Lärmbelästigungen oder hohe Unfallgefahr.“

Aspekte der Qualität einer Arbeit blie-ben also vollkommen unberücksichtigt. Ziel vernünftiger Umweltpolitik sollte es jedoch sein, mit ökologischen Investitionen nicht nur sinnvolle Umweltschutzmaßnahmen durchzuführen, sondern auch Arbeitsplätze, von denen man leben kann, zu schaffen.

Ein Vorwurf, der für Berlakovich ins Lee-re zielt: „Green Jobs gibt es in verschiedens-ten Bereichen und daher mit unterschied-lichsten Anforderungsprofilen und auf ver-schiedensten Ausbildungsniveaus, von der Lehre bis zum Hochschulabschluss.“

Mit deren Forcierung steigen laut Ber-lakovich auch die Angebote zur Aus- und Weiterbildung im Umweltbereich. „Spezi-elle Tätigkeiten benötigen klarerweise auch spezielle Ausbildungen und höhere Quali-fikationen“, sagt der Minister.

Für Stephan Schwarzer von der WKÖ sind Green Jobs zwar kein Wundermittel der Beschäftigungspolitik, aber ein Ele-ment, um im globalen Standortwettbewerb durch Technologieführerschaften zu beste-hen. „Generell brauchen wir hoch qualifi-zierte und innovative Mitarbeiter, die sich mehr als ihre Wettbewerber auf die Kun-denbedürfnisse einstellen und den Kunden ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis über die Lebensdauer der gelieferten An-lagen garantieren.“

Green Jobs seien jedoch nicht die Alter-native zu bisherigen Jobs. Vielmehr stün-den sie in symbiotischer Beziehung zum Rest der Volkswirtschaft, die ja stark ver-flochten ist: „Geht es dem einen Bereich der Wirtschaft gut, profitiert auch der an-dere davon.“ F

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Gunnar Heinsohn ist Soziologe und Ökonom

„Verflüssigt, revolutioniert Schiefergas in den USA gerade die Lkw-Motoren.“G u n n a r H e i n s o H n

„Green Jobs sind oft nicht besonders gut bezahlt und teilweise sogar gesundheits-gefährdend.“ Sven Hergovich, Umweltexperte der AK

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energiewende – oder was?heureka F A L T E R 4 3 / 1 2 11

Grafikkabinett Püribauers Tierversuche Haidingers Hort der Wissenschaft

Freihandbibliothek Buchtipps von Werner Sturmberger & Jochen Stadler

Therapie für Weltuntergangsjünger Anlässlich des bevorstehenden Weltunter-gangs lässt der Astronom, Wissenschafts-blogger und Gegner esoterischer Endzeitsze-narien, Florian Freistetter, von Atomkernen bis zu Universen so ziemlich alles zusam-menstoßen, um anhand von Kollisionen den Kosmos zu erklären. Der Erzählstil ist leger, zahlreiche Episoden lockern die The-men auf. Der Leser lernt die dunkle Seite der Materie kennen, und bei der nächsten Party kann er mit der These beeindrucken, dass der Urknall durch die Kollision zwei-er Universen entstanden ist.

Krawumm! – Ein Plädoyer für den Weltunter-gang. Florian Freistetter. Ecowin Verlag. 218 Seiten.

Ich koche, also bin ichHätten unsere Vorfahren ihre Steaks und Wurzeln nicht über dem Feuer geröstet, würde uns von Menschenaffen außer dem aufrechten Gang wenig unterscheiden, davon ist der Harvard-Biologe Richard Wrangham überzeugt. Er kaut sorgfältig durch, was Ko-chen mit einem großen Gehirn zu tun hat und warum man von Rohkost kaum leben könnte. Garniert mit der Erkenntnis, dass die Kochkunst der halben Menschheit mehr Freiheiten brachte – und die bessere Hälfte für lange Zeit an den Herd fesselte.

Feuer fangen – wie uns das Kochen zum Menschen machte. Richard Wrangham. Deutsche Verlags-Anstalt. 304 Seiten.

ABC gegen AlternativlosigkeitNicht erst seit der Finanzkrise sollen Spar-maßnahmen und die Beschränkung von Bürgerrechten mit dem Hinweis auf ihre Alternativlosigkeit umgesetzt werden. Das „ABC der Alternativen“ versteht sich als Glossar von Konzepten, die diese Unaus-weichlichkeit in Zweifel ziehen. Auf jeweils zwei Seiten beschreiben 170 Autorinnen und Autoren, wie die Welt anders funktio-nieren könnte. Dabei werden angestammte (Soziale Rechte, Globalisierungskritik) als auch neuere Themen (Occupy, Care Revolu-tion) sozialer Bewegungen behandelt.

ABC der Alternativen 2.0. Ulrich Brand, Bettina Lösch, Benjamin Opratko und Stefan Thimmel (Hrsg.). VSA-Verlag. 352 Seiten.

Physik im SchafspelzDie Science Buster haben ihre Begeiste-rung für Physik gemeinsam in ein zweites Buch geschrieben. Da wird unter dem Deck-mantel der Tierliebe den Naturwissenschaf-ten gefrönt. Unterbrochen wird der char-mant flapsig vorgetragene Fluss an kurio-sen Kleinoden immer wieder von gut aufbe-reiteten Erklärungen: Wie funktioniert das Gehirn – und warum Lichtnahrung nicht? Das Ganze kann man sich auch von Harry Rowohlt als Hörbuch vorlesen lassen.

Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln. Martin Puntigam, Heinz Oberhummer, Werner Gruber. Hanser Verlag. 296 Seiten.

M A r T I n H A I d I n G E r

V orsicht, es folgt das, was Autoren dann tun, wenn sie etwas aufzuarbeiten ha-

ben, keine Therapiestunden bezahlen wol-len und stattdessen die Leserschaft mit ih-ren seelischen Entblätterungen in Geiselhaft nehmen: eine Personality-Saga! Folgend in aller Kürze die wichtigsten Energiewenden meines Lebens:

1969: Uncle Sam’s Mondfahrt. Durch den Bauchnabel der Mutter beobachtet der mi-nus 17 Tage alte Martin H. die erste Mond-landung. Die Frage nach Energie stellt man auf der Erde kaum. Letztere säuft erst vier Jahre später in der Ölkrise ab.

1978: Nieder mit Atömchen! Die Ener-giewende im Hause H. setzt ein, als dem sonst so vornehmen Vater ein Fluch von den Lippen gleitet. Denn die Volksabstimmung ist gegen das fertige Kraftwerk Zwentendorf ausgegangen, und Vater H. hat im kaufmän-nischen Büro des Staatskonzerns ELIN ein ganzes Jahr lang auf Rechenschieberbasis an der Abrechnung für den Strahlkasten gear-beitet, der nun doch nicht in Betrieb gehen soll. Das gleicht einer persönlichen Belei-digung! Wenn Erwachsene fluchen, beein-druckt das Kinder, und so ist dem neun Jahre alten Martin H. sofort klar, dass die Gegner des Kraftwerks die Guten sein müssen!

1984: Auhirschbalz. Der 14-jährige Martin H. will mit Ruck- und Schlafsack in die Hainburger Au ziehen. Die Eltern untersagen es: zu jung, zu grün (hinter den Ohren). Kompromiss: Martin geht im Fa-sching als Aubesetzer verkleidet.

1990er Jahre: Fossiles. Martin H. erfährt als kleiner Wissenschaftsjournalist erstmals aussagekräftige Details über zur Neige ge-hende fossile Rohstoffe und fragt sich, war-um er seinerzeit gegen das Wasserkraftwerk demonstrieren wollte.

2012: Hä?! Martin H. entfacht maximal ein Lämpchen pro Raum und Tag, löst müll-trennend jedes Papiernöppchen von Kunst-stoffgebinden, tankt nur jedes vierte statt je-des zweite Mal, atmet schon seit Jahren ta-bakinhaltsstoffbefreites CO2 aus, schmutzt nicht auf öffentlichen Plätzen, weicht als Fußgänger brav jedem Drahtesel aus, der seinen Körper zu durchqueren droht, und verfällt in mildes Pflichtschmunzeln, wenn er Geschichten vom Dienstauto der Vize-bürgermeisterin hört, das angeblich vor Presseterminen gegen das Fahrradl ausge-wechselt wird. Martin H. macht also alles richtig. Auch die Wendepolitik ist ursuper! Das Parkpickerl und die zeitweiligen Ra-senflächen am Ring machen besonders den nicht in BoBo-Jobs tätigen Hacklern eine Riesenfreude, und die reduzierten Sitzplätze in der Straßenbahn werden die Energien von Senioren und Fußmaroden so richtig wen-den. Bleibt nur eine Frage: Warum begreift Martin H. jetzt weniger als je zuvor …?

WENDE MACHT „HÄ?“

Martin Haidinger ist Historiker,

Wissenschafts-journalist bei Ö1 und

Staatspreisträger für Wissenschafts-

journalismus

I l l u S T r A T I o n :

B E r n d P ü r I B A u E r

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Der Begriff stammt aus einem 1980 veröff ent-lichten Bericht des Instituts für angewandte Ökologie in Freiburg. Was aber ist nun mit der Energiewende?

ENERGIEWENDE – ODER WAS?12 F A L T E R 4 3 / 1 2 HEUREKA

Fischer-Kowalski. Auch Reinhard Haas, Energieökonom an der TU Wien und Lei-ter des Studiengangs „Erneuerbare Energie in Mittel- und Osteuropa“, hält fest: „Wir befi nden uns in dieser Transformation. Das ist eine kontinuierliche Entwicklung, vor al-lem in Europa. Der Anteil der erneuerba-ren Energieträger ohne Wasserkraft ist EU-weit zwischen 1997 und 2010 von einem auf neun Prozent gestiegen.“

Gleichzeitig weist er auf eine gegenläu-fi ge Tendenz in Österreich hin: „Es hatte bereits sehr früh hohe Anteile an Wasser-kraft – auch eine erneuerbare Energiequel-le. 1990 lag ihr Anteil an der Stromerzeu-gung bei siebzig Prozent. Im Moment ha-ben wir einen relativ konstanten Anteil von 65 Prozent.“

Es wird nicht mehr Energie geben„Der Unterschied zur fossilen Energiewen-de ist, dass die aktuelle Energiewende keine Vermehrung der gesellschaft lich verfügbaren Energie verspricht“, erklärt Fischer-Kowal-ski. „Die reichen Industrieländer haben seit der ersten Ölkrise in den frühen Siebziger-jahren ein ziemlich stagnierendes Energie-verbrauchsniveau. Man kann mit der ersten Ölkrise eine massive Abfl achung der Ener-gieverbrauchskurve feststellen. Wir haben aber eine Umschichtung in Richtung Elek-trizität und erneuerbare Energien. Die gro-ßen Weltmodelle, die den künft igen Welt-verbrauch simulieren, wie zum Beispiel das Global Energy Assessment, gehen von ei-ner Abnahme des Primärenergiebedarfs in den Industrieländern aus.“

Mehr Gaskraftwerke in EuropaBei der Verbrennung von Kohle und Gas zur Stromerzeugung fällt Abwärme an. Nicht so bei den Energiequellen Wind, Wasser und Sonne. Damit kann die verfügbare Nutz-energie stabil bleiben, während der Auf-wand an Primärenergie sinkt.

„Anders als fossile Energie müssen Wind, Wasser und Sonnenlicht nicht erst abgebaut werden, was sich positiv in den Betriebs-kosten niederschlägt. Photovoltaik-Anlagen liefern während ihrer Lebensdauer in etwa das 25-fache der Energie, die ihre Herstel-lung verursacht. Bei Windenergie liegt die-ser Wert sogar zwischen einem Faktor von fünfzig bis hundert, was einer Amortisie-rungsdauer von knapp einem Monat ent-spricht“, erklärt Reinhard Haas.

Die künft ige Entwicklung schildert er so: „Im Strombereich wird es keine dramati-schen Veränderungen geben – der Stromver-brauch wird weiterhin steigen. Wir werden mehr Strom aus erneuerbarer Energie ha-ben, aber das ist limitiert, da ich nicht zu je-der Zeit rund um die Uhr Photovoltaik und Windstrom habe. Im europäischen Raum wird daher längerfristig die Notwendigkeit bestehen, Gaskraft werke zu betreiben, um

Energie nutzen, ist ihr Energiedurchsatz pro Kopf gut dreimal so hoch wie der von Agrargesellschaft en.

Global betrachtet, hielten sich die Ener-giefl üsse von Biomasse und fossiler Ener-gie zu Beginn des vorigen Jahrhunderts die Waage – der weltweite gesellschaft li-che Stoff wechsel hat heute ein viermal so hohes jährliches Volumen erreicht und wird von fossiler Energie dominiert.

Fossile Energie und RevolutionDie Industrialisierung greift in den gesam-ten gesellschaft lichen Stoff wechsel ein. „Ich konnte anhand von 15 Ländern zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten zeigen, dass die meisten bürgerlichen Revolutionen im-mer dann stattfanden, wenn der Anteil fos-siler Energie am Primärenergiebedarf ei-nen Anteil von fünf bis sieben Prozent er-reicht hatte“, sagt Fischer-Kowalski. Sie il-lustriert dies so: „In England war das etwa 1640, in China und Indien erst 1949 der Fall. Bei der Französischen Revolution lag man bei vier und 1848 in Österreich bei sechs Prozent.“

In Ländern, in denen Revolutionen statt-fanden, hat sich die Anwendung fossiler Energie rasant verbreitet. Dort, wo es kei-ne Revolution gab, wie in Italien oder den Niederlanden, war der Übergang zum fos-silenergetischen Regime langsamer.

Sieg des Bürgertums über den AdelWenn sich die Befeuerung der sozialen Konfl ikte und der Kohlekessel gegenseitig verstärkten, war es den etablierten Kräft en der Aristokratie kaum möglich, diesen Kon-fl ikt zu ersticken. Der Siegeszug des Bür-gertums ging Hand in Hand mit jenem fos-siler Energie.

„Der Aristokratie mit ihrem Grundbe-sitz entstand eine bedrohliche Konkur-renz durch die bürgerlichen Kapitalbesit-zer. Plötzlich gab es einen gesellschaft lichen Reichtum, der nicht mehr auf der aristokra-tischen Abschöpfung der Bauernarbeit be-ruhte“, erklärt Fischer-Kowalski.

Den Grundlagen dieses neuen gesell-schaft lichen Reichtums sind aber von je-her Grenzen gesetzt. Auf der Inputseite er-schöpfen sich die fossilen Energievorkom-men, auf der Outputseite die Fähigkeit der Umwelt, Abfälle und Emissionen aufzuneh-men. An exakt dieser Stelle befi nden wir uns am Beginn des 21. Jahrhunderts.

Übergang zu neuer Energienutzung„Meinem Eindruck nach sind wir an einem Takeoff -Punkt, wo der Umstieg auf erneu-erbare Energieträger eine vielleicht sogar unerwartet starke Beschleunigung erfahren wird. Die Preise fossiler Energieträger und aller anderen Naturressourcen haben sich in den letzten zehn Jahren vervielfacht – das schaff t neue Rahmenbedingungen“, sagt

Energiewende – oder was?

Alina Brad, Politikwissenschaf-terin und ÖAW DOC-team- Stipendiatin:„Es ist doch skandalös, wo es doch weltweit hungernde Menschen gibt, Nahrungsmi� el zu Treibstoff en zu verarbeiten. “

W E R N E R S T U R M B E R G E R

Glaubt man dem Mythos, ist es Prometheus, der den Umgang der Menschen mit Energie maß-geblich verändert hat. Er erstrei-

tet für sie das Feuer, lehrt sie aber auch Ackerbau und Viehzucht – und sorgt da-mit für die beiden ersten großen Zäsu-ren in der Geschichte der menschlichen Energienutzung.

Während die Menschen als Jäger und Sammler nur passiv die Energiefl üsse ih-rer Umwelt nutzen können, gehen sie in der Agrargesellschaft dazu über, diese aktiv zu gestalten. Man spricht von einem „kon-trollierten Solarenergiesystem“, in dem die Menschen die Reproduktion der Nahrung, vor allem die Photosynthese der Pfl anzen und anderer Ressourcen gezielt zu steuern versuchen. Es wird möglich, auf einer be-grenzten Fläche einen größeren Teil der Pro-duktivität für die eigene Ernährung zu ver-wenden. Der Energiedurchsatz pro Kopf der Agrargesellschaft en macht bereits ein Viel-faches von jenem der Jäger-und-Sammler-Kulturen aus. Sie schöpfen gezielt für sich und ihre Nutztiere Energie aus agrarischen und nicht mehr natürlichen Ökosystemen – sie ernten. Dabei müssen sie zwangswei-se nachhaltig sein, also ein Gleichgewicht zwischen der Größe der Bevölkerung, der zu deren Ernährung benötigten Agrarfl ä-chen und der zur Bewirtschaft ung nötigen Arbeitskraft fi nden.

Energiewende in AfrikaMit der Nutzung fossiler Energieträger geht die Notwendigkeit und die Möglichkeit ei-ner solchen Balance und mit ihr die des nachhaltigen Wirtschaft ens schrittweise verloren. „Die Energiewende hin zu fossi-len Energieträgern beginnt im England des 17. Jahrhunderts und fi ndet in weiten Teilen Afrikas erst jetzt statt. Die Verwendung fos-siler Energien in nennenswerten Größen ist dort in vielen Staaten noch am Anfang“, er-klärt Marina Fischer-Kowalski, Sozialöko-login an der Universität Klagenfurt.

Die Auswirkungen dieser Wende illus-triert sie am Beispiel Englands: „Mithilfe der Kohle konnte etwa England sein Ener-gievolumen binnen weniger Jahrzehnte ver-vielfachen, obwohl es noch keine Dampfma-schinen oder eine große Industrie gab.“

Dieses neue, fossile Energiesystem ist aber kein Ersatz für das bestehende, auf Biomasse basierende – es setzt darauf auf. Die Steigerung des fossilen Energieeinsat-zes geht mit einer stärkeren Nutzung von Biomasse einher. Durch den Einsatz fos-siler Energieträger kann die Produktivi-tät von Agrarökosystemen massiv gestei-gert werden. Industriegesellschaft en, die viel weniger Brennholz als Agrargesellschaft en verbrauchen, weisen im Bereich der Bio-masse einen ähnlich hohen Energiedurch-satz auf. Da sie zusätzlich noch fossile

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energiewende – oder was?heureka F A L T E R 4 3 / 1 2 13

„Wir hatten letztes Jahr ungefähr 350.000 Fahrzeugneuzulassungen, in etwa 600 da-von waren Elektroautos. Bis 2020 werden wir vielleicht ein Prozent der Neuzulassun-gen erreichen“, sagt Reinhard Haas.

Strukturwandel beim VerkehrAls gangbaren Weg, den Energieverbrauch im Bereich Mobilität zu reduzieren, be-schreiben Reinhard Haas und Hermann Knoflacher die innerstädtische Verringerung von Parkplätzen und den Umstieg auf öf-fentliche Verkehrsmittel. Zentrales Moment dabei sind aber die Spritpreise. Dass diese stetig steigen werden, gilt den beiden als unausweichlich. Dass hohe Treibstoffprei-se ein wirksames Mittel sind, um den In-dividualverkehr einzudämmen, haben die beiden Ölpreiskrisen bewiesen.

Reinhard Haas hält dabei folgendes Szenario für sehr wahrscheinlich: „Im Ver-kehrsbereich wird es in dem Moment einen Strukturwandel geben, da Diesel und Ben-zin so teuer sind, dass es weh tut. Das heißt nicht einmal, dass sich die Effekte der Glo-balisierung so besonders stark abschwächen werden, sondern einfach nur, dass nicht notwendiger Transport vermieden wird.“ Die Frage ist, ob man diese Preissteigerung aktiv und politisch herbeiführt oder passiv vom Markt diktieren lässt.

Energiesparen im WohnbereichIm Bereich des Wohnens und Heizens stagniert der Energiebedarf trotz steigen-der Wohnflächen pro Kopf. Es gibt aber auch hier noch viel brachliegendes Einspa-rungspotenzial, etwa durch Wärmedäm-mung und energieeffiziente Baumateriali-en. Anna Heringer ist Architektin an der TU Wien und beschäftigt sich mit Lehm. Ungebrannt weist er eine hervorragende Energiebilanz auf und ist praktisch endlos recyclingfähig – zum Vergleich: Stahlbeton ist nur mit hohem Qualitätsverlust recyc-lingfähig und in seiner Herstellung äußert energieintensiv.

Bei ihrer Arbeit hält sie sich an folgen-de Formel: „Lokale Ressourcen, also Wis-sen, Materialen und Handwerker so gut wie möglich in Verbindung mit modernen technischen Errungenschaften nutzen. Ich versuche immer, auf eine gute Balance von Low- und High-Tech zu achten. Das Gan-ze muss natürlich durch einen guten Ent-wurf veredelt werden, um so für Akzeptanz bei den Menschen zu sorgen.“

Lehmhäuser mit SolaranlagenDieses Konzept verfolgt sie dabei nicht nur hierzulande: In Bangladesch hat sie Lehm-häuser mit Solaranlagen ausgestattet. Das ist günstiger, als ein Stromnetz anzulegen. Auch Marina Fischer-Kowalski berichtet davon, dass erneuerbare Energien in är-meren Gebieten, wie in indischen Berg-

dörfern nahe Nepal, auf hohe Akzeptanz stoßen. Dort bieten sie nicht nur eine ver-gleichsweise stabile, dezentrale Energiever-sorgung, sondern auch Berufsmöglichkei-ten: „Hätten die Kinder eine Ausbildung mit Zukunft, würden viele indische Frau-en mit Freude weniger Kinder bekommen. Die Familien könnten es sich ja nur dann leisten, Kinder in die Schule zu schicken, wenn sie weniger Kinder bekommen. Diese Verlangsamung des demografischen Wachs-tums ist natürlich für die Nachhaltigkeits-frage essenziell.“

Wir sind komplett BananaHierzulande scheitern Projekte nicht nur an finanziellen oder politischen Barrieren, sondern auch am Widerstand der Anrainer, wie Reinhard Haas ausführt: „Build Abso-lutely Nothing Anywhere Near Anybody – BANANA. Es gibt massiven Widerstand gegen Trassen für Leitungen, um die Net-ze fit für erneuerbare Energien zu machen, aber auch der Widerstand gegen Windkraft-anlagen nimmt zu.“

Kein gutes Zeichen, denn die Energie-wende im gegenwärtigen Tempo wird nicht ausreichen, um den Klimawandel zu brem-sen. „Diese Prozesse geschehen, aber nicht in einem Tempo, das es erlauben würde, unser Klima zu stabilisieren. Das bedeutet, dass wir, abgesehen von erheblichen Knapp-heitsproblemen, auch vermehrt mit Katas-trophen konfrontiert sein werden“, fasst Marina Fischer-Kowalski die gegenwärti-ge Entwicklung zusammen.

Wir müssen unser Leben ändernDie Begrenzung der Klimaerwärmung auf unter zwei Grad, was laut dem internatio-nalen Klimabeirat IPCC notwendig ist, um Katastrophen zu vermeiden, kann nur ge-lingen, wenn der Verbrauch der Industrie-länder sinkt. Jener der sogenannten Emer-ging Economies steigt jedoch noch drastisch an. Dort beginnen sich jene Konsummuster auszubreiten, die hier allmählich abklingen: motorisierter Individualverkehr, massive Bautätigkeit und hoher Fleischkonsum.

Steigender Verbrauch bedeutet aber auch steigende Nachfrage nach fossilen Energie-trägern und vermehrte Konkurrenz im Zu-gang zu diesen. Die letzten Jahrzehnte ha-ben gezeigt, dass dies bewaffnete Konflik-te nicht ausschließt.

Für Alina Brad hat die Diskussion um die Energiewende daher ein großes Defi-zit: „Man geht immer davon aus, dass wir mehr Energie brauchen und daher mehr Energie heranschaffen müssen. Die Verän-derung des Lebensstils, um weniger Ener-gie zu verbrauchen, wird dagegen kaum de-battiert.“ Eine Debatte, die ohne Diskussion des Wachstumsimperativs nicht zu haben sein wird. Ob sich Politik oder Wirtschaft daran wagen?

Ausfälle bei erneuerbaren Energien kurz-fristig zu ersetzen.“

Raus aus der Stadt – und die FolgenGrößere Veränderungen erwartet sich Haas im Bereich der Mobilität. Durch Größe und Gewicht der Autos wurde wesentlich mehr an zusätzlicher Energie verbraucht, als man durch Effizienzsteigerungen einspa-ren konnte.

„Menschen, die aus der Stadt in die Vor-orte gezogen sind, geraten durch die stei-genden Energiepreise in eine unangenehme Position“, erklärt Hermann Knoflacher, Ver-kehrsplaner an der TU Wien. Die Zerschla-gung kleinräumlicher Strukturen habe zu einem Anwachsen der Wegstrecken und zu einer Mehrnutzung von Autos geführt.

Erschwerend kommt hinzu, dass beim Auto erneuerbare Energieträger so gut wie keine Rolle spielen. Eine zehnprozentige Beimischung von Agrartreibstoffen wäre nicht mehr als ein Tropfen auf den hei-ßen Stein. „Und so illusorisch wie wenig nachhaltig“, erklärt die Politikwissenschaf-terin Alina Brad: „Um das Beimischungs-ziel von zehn Prozent zu realisieren, wür-de man auf dem gegenwärtigen Level des Verbrauchs fossiler Energieträger ein Drit-tel der landwirtschaftlichen Flächen Euro-pas benötigen.“

Treibstoff aus Pflanzen – UnsinnVerlagert man die Agrartreibstoffprodukti-on in die Länder des Südens, verdrängt sie entweder den Nahrungsmittelanbau oder führt zur Rodung von Wäldern oder Tro-ckenlegung von Mooren, was eine enorme Kohlendioxidfreisetzung bewirkt. Beim An-bau kommen Dünge- und Pflanzenschutz-mittel zum Einsatz, die wie die Weiterver-arbeitung der Pflanzen fossile Energieträger benötigen. Die Länder des Südens tragen mit der Ausbeutung ihrer Ökosysteme noch stärker zur Aufrechterhaltung oder Schaf-fung eines fossilen Lebensstils in den In-dustrieländern bei und geraten vermehrt in deren Abhängigkeit.

„Pflanzen, die als Nahrung dienen, für die Produktion von Treibstoff zu benut-zen, kann nicht nachhaltig sein. Ich den-ke, in fünf bis zehn Jahren werden die Ag-rartreibstoffe, die wir heute kennen, in Eu-ropa nicht mehr subventioniert und daher keine Relevanz mehr haben. Der Trend der Biomasseverflüssigung geht in Richtung Al-gen, Stroh und Abfallstoffe, die sogenann-ten Biotreibstoffe der zweiten Generation“, sagt Alina Brad.

Nicht viel besser ist es um unsere Chan-cen bestellt, das gegenwärtige Niveau indi-vidueller Mobilität mit Elektrizität zu be-streiten. Elektroautos leiden nicht nur unter ihren finanziellen und ressourcenintensiven Herstellungskosten, sondern vor allem an ihrer zahlenmäßigen Bedeutungslosigkeit:

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Anna Heringer, Architektin, TU Wien: „Der Trend geht nach wie vor dazu, Prozesse zu automatisieren und menschliche Arbeitskraft zu marginalisieren, statt ihr einen höheren Stellenwert zu geben.“

Reinhard Haas, Energieökonom, TU Wien: „Energetisch leben wir im Moment einfach über unseren Verhältnissen. Vor allem auch deshalb, weil Energie billig ist.“

Marina Fischer-Kowalski, Sozial-ökologin, IFF Wien: „Ich glaube, eine Energiewende hat die Chance, zu mehr Dezentralität, sozialer Gerechtigkeit und Demo-kratie beizutragen, aber ob diese Chance realisiert wird, hängt von einer Menge Umstände ab.“

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Zwölftausend Weltraumtouristen pro JahrP a t r i c i a Z i e g l e r

Als Japan durch das schreckliche Tōhoku-Erdbeben vom März 2011 die Kernkraftwerke in Fukushi-

ma abschalten und weitere Kraftwerke im Land kurzzeitig stilllegen musste, wurden 45 Millionen Menschen neben den ka-tas-trophalen Ereignissen mit einem wei-teren Problem konfrontiert: einer akuten Energieknappheit.

Den Japanern wurde schmerzlich be-wusst, dass ihr hochtechnologisiertes Land eine Unmenge an Strom verschlingt. Und plötzlich war dieser scheinbar so selbstver-ständliche Strom nicht mehr ausreichend vorhanden.

Der Atomausstieg Japans und wie das Atom ersetzt werden sollAuch noch im Sommer 2012 hielt man in Japan den Energiesparkurs aufrecht und blieb nicht ohne Grund der Atomenergie gegenüber kritisch. Wurde 2010 noch pro-

phezeit, dass die Kernenergie im Jahr 2030 45 Prozent des Strombedarfs in Japan de-cken wird, sah man dies nach der Katas-trophe anders. Schließlich gab Japan im September 2012 seinen Atomausstieg bekannt. Bis 2030 möchte man die grellen Lichter der japa-nischen Megametropolen mit einem Mix aus erneuerbarer Energie, Thermal-Kraft-werken und Energiespeicherkomponenten leuchten lassen.

Saubere Energie undweltweiter EnergieverbrauchDie Idee einer vollkommen von „sauberer“ Energie betriebenen Welt erscheint man-chen Menschen so unmöglich wie das Per-petuum mobile. Energieerzeugungsarten ohne umweltschädigende Emissionen wer-den zwar ernst genommen, schafften es je-doch bis heute nie, über einen relativ klei-nen Anteil am weltweiten Energieeinkom-men hinauszukommen.

Ist die viel besprochene Energiewende möglich?

Blickt man auf den weltweiten Ener-gieverbrauch, stehen einem schier unfass-bar große Zahlen vor Augen. Die Interna-tional Energy Agency veröffentlichte in ih-rer „Key World Energy Statistics 2012“ für den Energieverbrauch der Menschenwelt ei-nen Wert von 8677 Megatonnen für das Jahr 2010.

Diese Megatonnen Öleinheiten be-deuten einen Wert von 363,3 Exajoule

beziehungsweise 11,5 Terawatt, was ei-ner Explosionsstärke von rund 87 Milli-arden Tonnen TNT entspricht und genü-gend Energie bietet, um 960 Space Shut-tles in den Weltraum zu katapultieren. Das wären grob gerechnet zwölftausend Welt-raumtouristen pro Jahr auf der neuerdings sogenannten „Baumgartner Höhe“.

Öl und Kohle sind nach wie vor Trumpf – doch wie lange noch? Die Statistik zeigt schon auf den ersten Blick, dass die Hauptquelle des Energiemarkts nach wie vor Öl und Kohle sind. Zusammen lieferten sie im Jahr 2010 51 Prozent der Energieversorgung, gefolgt von natürlichem Gas mit 15,2 Prozent, Biosprit und Müll mit 12,7 Prozent sowie Nuklearenergie und Hydroenergie mit 17,7 Prozent. Schlusslicht bilden die Wind-, Solar- und geothermalen Energiequellen mit 3,4 Prozent.

Die drohende Knappheit an fossilen Brennstoffen wird uns in näherer Zukunft dazu drängen, diese Zahlen gehörig zu ver-ändern. Nur, in welche Richtung?

Zahlenspiele für die Energieerzeugung der Zukunft2030 soll nicht nur Japan auf neue Energie umsteigen. Die Wissenschafter Mark De-lucchi von der University of California und Mark Jacobson von der Stanford Universi-ty sind sogar der Meinung, eine Möglich-keit der globalen Umsetzung der Energie-wende gefunden zu haben. In ihrer zwei-teiligen wissenschaftlichen Veröffentlichung “Providing all global energy with wind, wa-ter, and solar power” wollen die amerikani-schen Forscher uns vorrechnen, wie es ge-hen könnte.

In Zahlen ausgedrückt, soll die Erde im Jahr 2030 mit folgenden Energieerzeugern versorgt werden:

Mit 3.800.000 5-Megawatt-Windturbi-nen, mit 49.000 300-MW-Sonnenwärme-kraftwerken, mit 40.000 300-MW-Photo-voltaik-Solar-Kraftwerken, mit 1,7 Mil-liarden 3-KW-Photovoltaiksystemen am Dach, mit 5.350 100-MW-Geothermal-Kraftwerken, mit 270 neuen hydroelektro-nischen Kraftwerken zu je 1300 MW, mit 720.000 0.75-MW-Wellenkraftwerken und mit 490.000 1-MW-Gezeitenkraftwerken.

Die Veränderung der EnergieinfrastrukturBerücksichtigt wurden dabei nur Techno-logien und Methoden, die aktuell bekannt sind. Die Forscher achteten bei der Aus-wahl der Energiequellen auf die geringst-mögliche Freisetzung von Schadstoffen und Treibhausgasen – sowohl bei Betrieb als auch bei Herstellung und Stilllegung von Kraftwerken.

„Wir haben für die Konzepte, die wir in diesen Papieren beschreiben, eine Welle der Unterstützung von vielen Seiten, darunter

hätten mit dem energieverbrauch von 2010 per Spaceshuttle in den Weltraum geschossen werden können. ein paar sehr große Zahlen zur energiewende

Deutschland und Australien, erhalten“, sagt der Stanford-Universitätsprofessor Mark Jacobson. „Wir hoffen, dass sich diese in positive Änderungen der Energieinfrastruk-tur in den nächsten zwei Jahren übersetzen, obwohl wir doch erkennen, dass es nicht so einfach sein könnte. Vor allem das Wachs-

tum, insbesondere bei Wind- und Solarener-gie sowie bei E-Autos hilft. Die Wahrneh-mung der Menschen zu diesen Technologien wurde dadurch schon erheblich verändert.“

Wind und Sonne sollen die nötige Energie liefernDie Wissenschafter aus Stanford sehen in Wind- und Sonnenkraft die wichtigsten Quellen. So wäre die Energiegewinnung von 40 bis 85 Terawatt durch Windkraft-anlagen und von 580 TW durch Solaran-lagen möglich – auch unter Berücksichti-gung von Naturschutzgebieten, ungünsti-gen Standorten, Meeren und hoch gelege-nen Gebieten wie Bergen.

Wellen- und Wasserkraftwerke sind zwar in heutiger Zeit die großen Energiebringer, ihre möglichen Standorte sind jedoch wie die der Geothermalwerke beschränkt. Sie bieten weniger Ausbaumöglichkeiten als andere nachhaltige Systeme.

Die Haken dabei? Beschaffungskosten und Politik. Stattliche 100 Billionen(!) Dol-lar würde das gesamte Projekt kosten. Sie sollen durch den Stromverkauf amortisiert werden. Außerdem gibt es bei der Beschaf-fung von manchen Rohstoffen wie Selte-nen Erden, etwa Neodym für Windräder, Probleme. Ein großangelegter Recycling-plan wäre nötig.

Franz Wirl, Professor für Industrie, Ener-gie und Umwelt an der Universität Wien, steht dem Konzept mehr als skeptisch ge-genüber. „Momentan lebt die erneuerba-re Energie nur durch Förderungen. Doch sobald sich herausstellt, dass ein Produkt nicht mehr als Nischenprodukt gilt, ist es einfach nicht mehr finanzierbar. Sehen Sie sich die Photovoltaik an. Man wartet noch immer auf den großen Durchbruch, aber der kommt nicht. Da hat sich seit 60 Jah-ren nichts Neues getan.“

Wirl findet das versprochene Heile-Welt-Szenario aus erneuerbarer Energie „hanebü-chen“: „Diese Vorstellung, es gehe für im-mer so weiter und dann auch noch mit bil-liger, sauberer Energie, ist mehr als fahr-lässig. Tatsächlich müssen wir einfach anfangen, kürzer zu treten.“

Franz Wirl, Universität Wien:„Die Vorstellung, es gehe für immer so weiter und dann auch noch mit billiger, sauberer Energie, ist mehr als fahrlässig.“

Mark Jacobson, Stanford University, USa: „Wir hoffen, dass sich die-se in positive Änderungen der Energieinfrastruktur in den nächsten zwei Jahren übersetzen.“

„Bei der Photovoltaik wartet man seit 60 Jahren auf den Durchbruch, aber der kommt nicht.“ F r a n Z W i r l , u n i v E R s i T ä T W i E n

„Vor allem das Wachstum, insbesondere bei Wind- und Solarenergie sowie bei Elektroautos hilft.“ M a r k J a c o b S o n , s T A n F o R d u n i v E R s i T y

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Die Energiewende sind wir alle, oder nicht?J o c h e n S t a d l e r

Werden die fossilen Brennstoffe knapp, beginnen die Menschen darum zu kämpfen“, ist der ame-

rikanische Physik-Nobelpreisträger Robert B. Laughlin überzeugt. Daher hält er die Energiekrise für gefährlicher als die Kli-makrise. Nebenbei habe er eine „verrück-te Freude“ daran, auf die Unbedenklichkeit von CO2 hinzuweisen. Eine Einschätzung, die österreichische Experten nicht teilen.

Laughlin wurde 1998 für seine For-schung in der Quantenphysik mit dem No-belpreis ausgezeichnet. Nun hat sich der US-Forscher wirtschaftlichen und politi-schen Fragen gewidmet. Seine umfangrei-che und mit vielen Daten gefütterte Analyse und mögliche Zukunftsszenarien beschreibt er in seinem Buch „Der Letzte macht das Licht aus: Die Zukunft der Energie“.

CO2 in der Atmosphäre? Das ist doch praktisch egal!Der US-Forscher zeigt sich im Interview weniger besorgt über CO2-Ausstoß und Klimawandel als die Verknappung fossiler Brennstoffe: „Ich sorge mich auch um die Umwelt. Aber ich denke, dass die Energie-krise uns früher erreichen wird als die Kli-makrise.“ Für Laughlin geht es in der Kli-ma-Energie-Diskussion daher weniger dar-um, die Erde zu retten, als darum, seine Ur-enkel vor einem Krieg zu bewahren.

Den CO2-Ausstoß zu bremsen, rette die Erde ohnehin nicht, so seine Prognose. Selbst eine weltweite CO2-Reduktion wür-de die Probleme bloß verzögern: „Wenn wir den CO2-Ausstoß um 20 Prozent vermin-dern, wird es einfach 20 Prozent länger dau-ern, bis alles Erdöl verbrannt und die glei-che Menge CO2 in die Atmosphäre ausge-stoßen ist“, erklärt er. In der Zeitrechnung der Erde bedeute das gar nichts. Gelegent-lich mache es ihm auch Freude, darauf hin-zuweisen, „dass CO2 eigentlich das einzi-ge Abfallprodukt der Menschheit ist, das nicht giftig ist“.

CO2 in der Atmosphäre? Gar nicht egal, sondern giftig!Dies kann Arnulf Grübler vom Internatio-nalen Institut für angewandte Systemanaly-se (IIASA) in Laxenburg bei Wien ganz und gar nicht nachvollziehen: „Ich bin über CO2 in der Atmosphäre extrem besorgt.“ CO2 sei keinesfalls ungiftig – und zu hohe Konzen-trationen könnten töten, „wie jeder Wein-bauer weiß“. Das Ausmaß und der Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphä-re seien derart hoch und erfolgen so rasch, dass es in der Erdgeschichte dazu keine Pa-rallelen gibt.

Die Idee, dass die Knappheit fossiler Res-sourcen dem CO2-Anstieg in Zukunft eine natürliche Grenze setzt, findet er absurd. „Das Problem an den fossilen Ressourcen ist ja, dass sie in überreichem Ausmaß vor-handen sind, gemessen an der Fähigkeit der Atmosphäre, Schadstoffe wie CO2 aufzu-

nehmen.“ Die Atmosphäre enthält gegen-wärtig rund 800 Milliarden Tonnen Kohlen-stoff als CO2, was bereits eine globale Er-wärmung verursacht, erklärt Grübler. Wolle man diese unter zwei Grad Celsius halten, dürfen nicht mehr als 1000 Milliarden Ton-nen über die nächsten 100 Jahre in die At-mosphäre gelangen.

„Die jederzeit verfügbaren fossilen Ener-giereserven entsprechen derzeit jedoch rund 2000 Milliarden Tonnen. Das gesamte geo-logische Reservoir fossiler Energie beträgt bis zu 30.000 Millarden Tonnen“, so Grüb-ler. Auch wenn davon nur ein Bruchteil je-mals gewinnbar sein wird, wären die Men-gen an CO2, die potenziell freigesetzt wer-den könnten, derart enorm, „dass wir uns mögliche Klimaauswirkungen gar nicht vor-stellen können“.

Genügende fossile Ressourcen für einen enormen KlimawandelHelmut Haberl vom Wiener Institut für Soziale Ökologie der Alpen-Adria-Uni ist überzeugt, dass in der Erdkruste genug fos-siles Material lagert, um einen ungemütli-chen Klimawandel auszulösen. Seiner Ein-schätzung nach „ist die Aufnahmekapazität der Atmosphäre für die Verbrennungspro-dukte eine viel drastischere Grenze als die Verfügbarkeit von Brennmaterial“.

Konventionelle Quellen, also leicht för-derbares Erdöl und Erdgas, würden zwar knapp, aber neben Kohle seien unkonventio-nelles Öl und Gas reichlich vorhanden, etwa Teersande, Ölschiefer und riesige Lagerstät-ten von Methanhydrat (Methan, das in er-starrtem Wasser gebunden ist), welches am Ozeanboden unter hohem Druck und niedri-gen Temperaturen zu finden ist. „Diese Quel-len sind aber nicht nur wegen der Klimaer-wärmung problematisch“, erklärt Haberl. „Es ist auch nicht besonders energieeffizient, sie zu gewinnen.“ Auch wären mögliche Auswir-kungen auf die Umwelt zu bedenken.

Der Selbstvermehrungszwang des materiellen BesitzesStatt jede mögliche Energiequelle auszu-beuten, solle man vielleicht besser überle-gen, ob man das derzeitige Wachstum über-haupt aufrechterhalten kann: „Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig darüber nachzuden-ken, welche Lebens- und Wohlstandsmo-delle es jenseits der quantitativen Vermeh-rung von Produkten aller Art geben kann.“ Es würde oft unterschätzt, welchen Selbst-vermehrungszwang die Anhäufung von ma-teriellem Besitz erzeugt.

Infrastrukturentscheidungen beeinflussen Millionen„Wenn man etwa Infrastrukturen baut, auf denen man Auto fahren kann, dann wer-den die Leute auch mehr Auto fahren. Das bringt einen Zwang, mehr Infrastrukturen dafür zu bauen“, erklärte Haberl. Er glaubt nicht, dass ein Appell an das schlechte

der Schwund an ressourcen wird keine energiewende bringen, meinen experten. nur politische und gesellschaftliche entscheidungen können sie herbeiführen

Gewissen und „du musst, du sollst“-Strate-gien die Probleme lösen können. Die öffent-liche Hand könne die Richtung etwa durch ihre Ausgaben und die Infrastrukturpolitik vorgeben. „Ob man Flughäfen und Auto-bahnen baut oder Bahnlinien und den öf-

fentlichen Nahverkehr fördert und wie man die Tarife gestaltet, sind zentrale Fragen“, meint Haberl. Denn von diesen Infrastruk-turentscheidungen hingen die Entscheidun-gen von Millionen von Konsumenten ab. „Es macht einen riesigen Unterschied, ob man so wohnt, dass man zu Fuß, mit dem Fahrrad oder den Öffis einkaufen und zur Arbeit fahren kann, oder ob man nur mehr mit einem Auto existieren kann.“

Können Regierungen die Wirtschaft kontrollieren?Haberl sieht jedoch schon Veränderungen: „Ich habe den Eindruck, dass die Einfüh-rung eines anderen Tarifsystems in Wien in Verbindung mit den hohen Spritpreisen ei-niges bewirkt hat. Schon allein, dass man in den Medien liest, dass aus einigen Straßen-bahnen die Sitze herausgeschraubt werden, nur damit die Leute überhaupt hineinpas-sen, ist für mich eine gewisse Evidenz, dass sich da durchaus etwas tut“, sagt er.

Laughlin sieht in Europa aber eher lee-re Züge und Staus auf der Autobahn: „Als ich ein Kind war, prahlten die Leute in Eu-ropa, dass sie diese dreckigen Autos nicht bräuchten, denn sie hätten ein zivilisier-teres, besser funktionierendes Eisenbahn-netz. Das Eisenbahnnetz war auch nicht schlecht. Aber die Leute wollten trotzdem alle ein Auto haben. Vor Kurzem war ich am Bodensee. Die Autobahnen, die ich dort sah, waren voll und die Züge fast leer.“ Da-raus habe er gelernt, dass es wirtschaftli-che Kräfte gebe, die selbst die besten Re-gierungen nicht ganz kontrollieren könn-ten, meint Laughlin.

Grübler nimmt Gesellschaft und Politik in die Pflicht: „Eine Energiewende in Rich-tung effizienterer Energienutzung und we-niger Abhängigkeit von fossiler Energie ist eine politische und soziale Entscheidung und muss, wenn sie erfolgreich sein soll, freiwillig erfolgen“, erklärt er. Der notwen-dige Zeitpunkt sei jetzt. „Wenn Klimaver-änderungen so große Auswirkungen ha-ben, dass sie einen Energieumstieg quasi erzwingen, ist es ohnehin schon zu spät, eine Energiewende einzuleiten.“

helmut haberl, Wiener Institut für Soziale Ökologie der alpen-adria-Universität „Welche Lebens- und Wohlstandsmodelle kann es jenseits der quantitativen Vermeh-rung von Produkten aller Art geben?“

arnulf Grübler, Internationales Institut für angewandte Systemanalyse IIaSa, laxenburg: „Ich bin über CO2 in der Atmosphäre extrem besorgt.“

„Wenn wir den CO2-Ausstoß um 20 Prozent vermindern, wird es einfach 20 Prozent länger dauern, bis alles Erdöl verbrannt ist.“r o b e r t b . l a U G h l I np h y s i k N o b E L p R E i s T R ä g E R , U s A

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Energiewende: Das Glossar Energie kann man physikalisch weder verbrauchen noch erneuern, aber praktisch sehr schnell verpulvern

J o c h E n S t a d l E r

Bioenergiestammt aus nicht-fossiler Biomasse. Wird vermutlich keinen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten, weil sie im Vergleich zu anderen erneuer-baren Energiequellen oft mit höheren Treibhausgasemissionen und Umwelt-beeinträchtigungen verbunden ist. Ihr Scherflein kann sie aber gut und gern beitragen, etwa, wenn man Mist und Gülle aus der Tierhaltung, Lebens-mittelabfällen und Pflanzenresten zur Energiegewinnung verwendet.

Biogaskann aus Fäkalien der Nutztiere ge-wonnen werden; dabei entsteht ne-benbei hochwertiger Dünger und die Emissionsvermeidung des Treibhaus-gases Methan. Allerdings wird dazu häufig extra Biomasse angebaut und die Energie daraus mit Verlusten in Strom umgewandelt.

BiokraftstoffBiodiesel und Bioethanol, die nicht aus ökologischer Landwirtschaft stam-men, sondern bloß aus Biomasse her-gestellt werden. Zunächst als Treib-stoffe der Zukunft gepriesen, werden sie heute wegen der Konkurrenz zu Lebensmitteln und ihrer nicht ganz so tollen Klimabilanz stark kritisiert.

E5/E10Kraftstoffe für Benzinmotoren, die fünf oder zehn Prozent Bioethanol enthalten. E5 ist in Österreich gän-gig, und auch E10 kann von den meis-ten Benzinautos problemlos verwen-det werden. Er sollte helfen, eine EU-Richtlinie umzusetzen, nach der im Jahr 2020 mindestens zehn Prozent der Energie im Verkehr aus erneuer-baren Quellen stammen sollen. Weil jedoch Bioethanol mit Nahrungsmit-teln konkurriert, geriet E10 unter Be-schuss und wurde nicht, wie zunächst angekündigt, am 1. Oktober 2012 in Österreich eingeführt.

Energiekann man physikalisch weder ver-brauchen noch erneuern, aber prak-tisch sehr schnell verpulvern. Davon weiß jeder ein Lied zu singen, dem schon einmal auf der Bundesstraße das Benzin ausgegangen ist, oder der beim Radfahren fast seinen komplet-ten Blut zucker verbraucht hat.

Energieeffizienzbringt etwa eine Gefriertruhe ihren Inhalt mit minimalem Energieauf-wand zum Gefrieren, dann ist sie sehr

effizient. Schlägt nicht Jevons’ Para-doxon zu, kann man so Energie spa-ren. Dies erreicht man aber auch durch Mäßigung – etwa, in dem man die Heizung bewusster reguliert oder we-niger mit dem Auto fährt.

EnergiewendeAbkehr von fossilen Energieträgern und nuklearen Brennstoffen zu er-neuerbaren Energieträgern und einer nachhaltigen Energieversorgung.

Erdwärme/GeothermieRund 99 Prozent unseres Planeten sind heißer als 1000 Grad Celsius; ge-rade einmal auf der Oberfläche herr-schen für uns Menschen annehmba-re Temperaturen. Die Hitze stammt teilweise aus der Erdentstehung, teil-weise aus radioaktivem Zerfall in ih-rem Inneren und den Gezeitenkräf-ten des Mondes, welche die Erde ver-formen. Durch Wärmeleitung sowie Gas- und Flüssigkeitsströme steigt die Hitze beständig aus tieferen Schichten zur Oberfläche und kann zum Heizen, Kühlen und zur Stromerzeugung ge-nutzt werden. Mit oberflächennaher Erdwärme kann man etwa einzelne Gebäude klimatisieren; tiefere Quellen zapft man für Kraftwerke an. In Ös-terreich sind derzeit drei Erdwärme-kraftwerke in Betrieb und zwei wei-tere in Bau.

Erneuerbare EnergieEnergieträger, die der Menschheit mehr oder weniger uneingeschränkt zur Verfügung stehen oder zumindest so schnell nachwachsen, wie sie ver-braucht werden. Ihre Quellen sind Son-ne, Erdwärme und Mond. Man kann sie als Windenergie, Biomasse, Was-serkraft, direkte Sonnenenergie, Erd-wärme und Meeresenergie gewinnen, aber auch durch Müllverbrennung.

Fossile EnergieIn Form von Kohle, Torf, Erdöl und Erdgas gespeicherte Sonnenenergie aus Urzeiten, die damals von Pflan-zen in Biomasse umgewandelt wur-de und manchmal den Umweg über Tiere nahm. Wird in der Regel durch Verbrennung genutzt und deckt zur-zeit mehr als drei Viertel des weltwei-ten Energiebedarfs.

Gezeitenkraftwerkewerden in Meeresbuchten errichtet und fangen die Gezeitenströmungen des Meeres mit einem Staudamm auf. Bei Flut treibt das einströmen-

de, bei Ebbe das ausfließende Wasser die Turbinen an. Sie wandeln so die Anziehungskraft des Mondes und der Sonne in Strom um. Man schätzt, dass jedoch nicht mehr als 100 Buchten weltweit dafür infrage kommen. Außerdem stören sie die lo-kale Fischwelt.

Globales Ölfördermaximum / oil PeakDer Punkt, an dem weltweit das meis-te Öl gefördert wird. Danach geht es bergab, sowohl mit der Ölgewinnung als auch vermutlich mit der Wirt-schaft, die derzeit auf Wachstum an-gewiesen ist. Nach Ansicht vieler Ex-perten ziemlich zeitnah, vielleicht so-gar schon passiert.

Graue EnergieDie Energiemenge, die von der Er-zeugung bis zur Entsorgung für ein Produkt benötigt wird. Für eine Tafel Schokolade etwa 2,5 Kilowattstunden (kWh), für ein Falter Heureka 7 kWh, einen PC 3000 kWh und ein Auto um die 20.000 kWh (umgerechnet 80 Falter-Jahresabos).

Jevons’ Paradoxon / rebound EffektJe effizienter man einen Rohstoff nut-zen kann, umso mehr wird er verwen-det, da sich neue Möglichkeiten er-öffnen, fand der Engländer William Stanley Jevons vor etwa 150 Jahren heraus. Er hatte beobachtet, dass neue Dampfmaschinen zwar weniger Kohle brauchten, der Gesamtverbrauch aber weiter stieg. Heute werden etwa sprit-sparendere Autos durch mehr Verkehr überkompensiert.

Konventionelles ÖlBilliges, rasch verfügbares Erdöl aus Bohrlöchern, das aber bald seinen Hö-hepunkt in Form des globalen Ölförder-maximums überschritten haben wird. Macht derzeit etwa 95 Prozent aus.

KurveRichtungsänderung des Weges. Um auf der Straße oder bei der Energie-versorgung nicht aus der Kurve zu fal-len, muss man rechtzeitig bremsen und einlenken. Zumindest im Straßenver-kehr hat es meist schmerzhafte Folgen, wenn man darüber hinausschießt.

ÖkoeffizienzDer wirtschaftliche Wert eines Pro-dukts geteilt durch seine Auswir kungen auf die Umwelt. Muss man etwa für die Herstellung eines Gebrauchsgegen-stands weniger Material oder Energie

verwenden, entstehen dabei weniger Schadstoffe; ist er leichter recycelbar, so steigt seine Ökoeffizienz.

SonnenenergieDie Sonne sendet mehr als fünftausend Mal so viel Energie zur Erdoberfläche, als die Menschheit braucht. Direkt kann sie genützt werden durch Son-nenkollektoren, die Wärme gewinnen, und Solarzellen, die Strom erzeugen. Oder indirekt über Biomasse, Wind- und Wasserkraft.

tortilla-KriseDurch steigende Mais- und damit Tor-tillapreise ausgelöste Massendemons-trationen in Mexiko 2007, gleichzei-tig mit Hungeraufständen in anderen Ländern. Für den damaligen sprung-haften Anstieg der Grundnahrungs-mittelpreise wurde auch die gesteiger-te Verwendung von Mais zur Treib-stoffherstellung für verantwortlich ge-halten. Missernten und Dürren sowie Spekulationsgeschäfte an den Waren-börsen waren daran wohl auch nicht unbeteiligt.

Unkonventionelles ÖlSeine Förderung aus Ölschiefer, Teer-sand und die Umwandlung aus Kohle sind im Gegensatz zum konventionel-len Erdöl teuer, zeit- und energieauf-wendig und umweltschädlich. Lohnt sich jedoch langfristig finanziell durch die steigenden Ölpreise.

WasserstoffantriebWasserstoff kann in Verbrennungsmo-toren und -turbinen verwendet wer-den und hinterlässt dabei sauberere Abgase als Benzin oder Diesel. Noch umweltfreundlicher sind Brennstoff-zellen, in denen sich Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser verbinden und dabei elektrischer Strom erzeugt wird. Allerdings gibt es auf der Erde kei-ne natürlichen Wasserstoffvorräte, er wird derzeit größtenteils mit fossiler Energie hergestellt. Allerdings forscht man daran, ihn durch natürliche Foto-synthese oder künstliche Katalysato-ren mit Lichtenergie zu gewinnen.

WendeOb beim Schwimmen oder Segeln, nach einer Wende fährt man immer in die entgegengesetzte Richtung. Bei einer Energiewende würde man dem-nach, anstatt das Klima mit fossilen Brennstoffen anzuheizen, hauptsäch-lich erneuerbare, klimaneutrale Ener-giequellen nützen.

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Wissenschaftspolitik20 F A L T E R 4 3 / 1 2 heureka

Sonst werden die Ausbildung, die Spitzen-forschung und der Wirtschaftsstandort Ös-terreich leiden.“ Das Wissenschaftsministe-rium verweist auf zusätzliche drei Millionen Euro, die letztes Jahr an die Fakultät geflos-sen sind. Damit seien, so Steinhardt, neben der Renovierung eines Hörsaales und Labo-rerneuerungen zwölf Assistentenstellen ein-gerichtet worden, befristet auf ein Jahr: „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Derzeit wird zwischen Ministerium und TU Wien das Budget für die Jahre 2013 bis 2015 verhandelt. Ob Steinhardt sein SOS-Signal am Ende der Gespräche ein-stellen kann, ist unwahrscheinlich. Wilfried Eichelseder, Präsident der TU Austria (TU Wien, TU Graz, Montanuniversität Le-oben), bezeichnete das erste Angebot des Ministeriums als katastrophal. Zu groß scheint die Lücke zwischen fehlenden Ka-pazitäten und neuen Mitteln zu sein.

Studierende fallen in die LückeBeim Sprung über diese Lücke dürften in erster Linie die Studierenden stürzen. „Die Lösung mit den Prüfungen bedeutet gro-ßen Druck gleich zu Beginn und wird si-cher einige Erstsemestrige zurückwerfen. Der Schritt zum Studienabbruch ist dann nicht mehr weit“, kritisiert Kristina Wein-berger von der Fachschaft Informatik. Auch Gernot Salzer, Professor für theoretische In-formatik, schließt das nicht aus: „Manche brauchen länger, um sich an die Universität zu gewöhnen. Die nun beschlossenen Prü-fungen garantieren sicher nicht, dass tat-sächlich nur die Besten weiterkommen.“

Unter den aktuellen Bedingungen sei dieses Modell jedoch das fairste. Am liebs-ten wäre es Salzer, der auch Mitglied der Studienkommission ist, wenn alle Studie-renden die Möglichkeit hätten, die auf ein Semester angelegte Studieneingangs- und Orientierungsphase (STEOP) ohne An-fangshürde zu absolvieren. Am Ende dieser Eingewöhnungszeit hätte die Fakultät eine bessere Einschätzung darüber, wer für das Studium qualifiziert sei. „Aber diese Zeit können wir uns im Moment nicht leisten“, erklärt Salzer.

Für Fachschaftsvertreterin Weinberger gäbe es Alternativen, um allen Studieren-den die Teilnahme an den von Eingangs-prüfungen betroffenen Kursen zu ermögli-chen. Zum Beispiel das E-Learning-System Coursera. Ein Vorschlag, der für Professor Helmut Veith in die falsche Richtung geht. „Der persönliche Austausch mit den Leh-renden und Kommilitonen ist ein Grund-pfeiler eines qualitätsvollen Studiums. Ge-rade wegen dieser Qualität wollen so viele Studierende zu uns“, sagt Veith, der am In-stitut für Informationssysteme lehrt.

Die Lösung des Informatik-StarsVeith, Leiter des Vienna Center for Logic and Algorithms, stellt sich ohnedies vor-rangig die Frage, wie sich der Studieren-

denstrom langfristig steuern lässt – und schließt Aufnahmeprüfungen wie in der Medizin nicht aus. Sollten die Zustände nicht besser werden, könne er sich ein Sys-tem aus schriftlichem Test und Interview vorstellen. „Das beste Drittel nehmen wir, das schlechteste nicht. Und mit dem Drit-tel in der Mitte führen wir ein Gespräch“, skizziert Veith seine Vorstellung.

Eine Möglichkeit, zu der sich Dekan Steinhardt nicht äußern will: „Über unge-legte Eier rede ich nicht.“ Zunächst gehe es darum, von der Politik Vorgaben zu be-kommen, wie viele Informatiker ausgebildet werden sollen. Als zweiten Schritt bräuchte die Fakultät die nötigen Mittel dafür. „Erst wenn sich diese beiden Vorgaben nicht de-cken sollten, können wir darüber reden, wie wir die vorhandenen Kapazitäten verteilen.“ Ein Szenario, das für Studierendenvertre-terin Weinberger in eine Sackgasse führt: „Niemand kann sagen, wie viele Informati-ker in zehn Jahren gebraucht werden.“

Statt TU Wien ab nach Klagenfurt?Gewiss scheint hingegen, dass es ab dem Wintersemester 2013/14 Zugangsregeln für das Fach Informatik in Österreich geben wird. Die beiden Regierungspartner SPÖ und ÖVP verhandeln derzeit die Details. Kolportiert werden neben einer Aufsto-ckung des Lehrpersonals punktuelle Auf-nahmeverfahren sowie eine regionale Ver-teilung der Studierenden. Bekommt man demnach an der TU Wien keinen Studien-platz mehr, könnte man nach Klagenfurt, Innsbruck oder Linz ausweichen.

Für Lukas Pfeifhofer ist das momentan kein Thema. Der junge Kärntner will auch noch nach den Eingangsprüfungen an der TU Wien Informatik studieren. „Es wird stressig, und ich bin nicht sicher, ob ich alle Prüfungen schaffe. Aber ich bleibe auf alle Fälle dabei“, sagt Pfeifhofer und huscht in die Bibliothek. Dort ist ihm zumindest ein Platz sicher. Eine Studienkollegin hat für ihn reserviert.

S t e p h a n W a b l

Informatik gilt als klassisches Zukunfts-fach: gute Studienbedingungen und Job-chancen. An der TU Wien kann die Zu-

kunft jedoch nach vier Wochen bereits vorbei sein. Heuer eingeführte Eingangsprüfungen entscheiden darüber, wer Kurse besuchen darf – und wer nicht. Der nächste Schritt sind österreichweite Zugangsregeln.

Der Frust des AnfängersLukas Pfeifhofer ist für Wissenschaftsminis-ter Karlheinz Töchterle ein Grund zur Freu-de. Seit drei Wochen studiert der 19-Jähri-ge Informatik an der TU Wien, eines jener Fächer, für die Töchterle im Rahmen seiner MINT-Initiative (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) wirbt.

Die Freude bleibt aber einseitig, denn Pfeifhofer würde am liebsten das Handtuch werfen. „Ich muss mich auf alles gleichzeitig konzentrieren. Das wird langsam zu viel“, schimpft der Kärntner, legt sein Smartpho-ne auf den Kantinentisch und fügt hinzu: „Eigentlich hab’ ich keine Lust mehr.“

Der Grund: Seit diesem Wintersemester gibt es nach vier Wochen Prüfungen in sechs Lehrveranstaltungen des ersten Semesters, und nur die besten 375 kommen weiter. Der Rest der rund 900 Neulinge kommt auf eine Warteliste oder muss es im Sommersemes-ter noch einmal versuchen – vorausgesetzt, es gibt genügende Kapazitäten.

Die Angst des Dekans„Wir sind an den Grenzen unserer Möglich-keiten“, rechtfertigt der Dekan der Fakul-tät für Informatik, Gerald Steinhardt, die-sen Schritt. „Wir haben Ressourcen für 420 neue Plätze. Liegen wir darüber, können wir keine qualitative Ausbildung mehr anbie-ten“, beschreibt er die Situation.

An sieben heimischen Universitäten wird Informatik angeboten, doch das Studium an der TU Wien ist österreichweit das einzi-ge, das zugleich MINT-Fach und Massen-studium ist. Im Wintersemester 2011/2012 waren 52 Professoren für 7000 Studieren-de zuständig, das ist mehr als die Hälf-te aller inskribierten Informatiker an Ös-terreichs Hochschulen. An der Universi-tät Klagenfurt kümmerten sich im glei-chen Zeitraum zehn Professoren um 500 Informatik-Studierende.

SOS von der TU Wien-Informatik Das paradoxe Problem: Die Fakultät an der TU Wien hat einen zu guten Ruf. Im nati-onalen Vergleich liegt sie an der Spitze, im deutschsprachigen Raum unter den sechs Besten. Der Unterschied: Top-Institute wie die ETH Zürich und die TU München ha-ben nur rund 1000 beziehungsweise 2000 Nachwuchs-Informatiker – und zwei- bis dreimal mehr Geld.

Dekan Steinhardt fordert daher von Töchterle eine SOS-Initiative für seine Fa-kultät: „Wir brauchen eine Aufstockung des Lehrpersonals um mindestens 50 Prozent.

Ein katastrophales AngebotSo nennt Wilfried eichelseder, präsident von tU austria, das erste budgetangebot des Ministeriums an die tU Wien für die Jahre 2013 bis 2015

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helmut Veith, Institut für In-formationssysteme der tU Wien: „Langfristig schließe ich Aufnahmeprüfungen für ein Informatikstudium, wie es sie schon in der Medizin gibt, nicht aus.“

Gerald Steinhardt, Dekan der Fakultät für Informatik an der tU Wien: „Wir sind an den Grenzen unserer Möglichkeiten. Wir brauchen eine Aufstockung des Lehrpersonals um mindestens 50 Prozent.“

plätze in der SteOp, Wintersemester 2012/2013

Die STEOP dient wie an allen anderen Universitäten ohne offizielle Zugangsbeschränkung auch an der TU Wien als Orientierungsphase und soll innerhalb eines Semester absolviert werden können. Für das Informatik-Studium an der TU Wien sind in dieser Phase Kurse im Ausmaß von 30 ECTS-Punkten zu belegen, erst dann dürfen Lehrveranstaltungen aus höheren Semestern besucht werden. Die Plätze in der STEOP sind seit dem Wintersemester 2012/2013 allerdings auf maximal 375 begrenzt. Von den Eingangsprüfungen betroffen sind: Grundlagen der Programmkonstruktion; Program-mierpraxis; Technische Grundlagen der Informatik; Formale Modellierung; Datenmodellierung, Grundlagen digitaler Systeme.

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Die Zukunft der MobilitätSicher, umweltfreundlich und bequem unterwegs mit intelligenten Verkehrssystemen

M it Intelligenz zu mehr Sicherheit und Effizienz, das ist die Mobilität der Zukunft. Und

intelligent sind auch die Verkehrssysteme der Zukunft, die zum Teil bereits heute unsere Fortbewegung vereinfachen. Was steckt aber hinter dem Begriff intelligente Verkehrssysteme?

Intelligent: ABS, Navi und BremsassistentIntelligente Verkehrssysteme, kurz IVS, tragen schon heute dazu bei, den tägli­chen Verkehr sicherer, umweltfreundlicher und bequemer zu gestalten. Dazu gehören das ABS oder der Tempomat genauso wie die automatische Einparkhilfe, der Brems­assistent und das Navi. Ebenso zählen die Anzeigetafeln dazu, die Fahrgäste darüber aufklären, wann die nächste Bim oder U­Bahn kommt. In Zukunft werden die IVS aber noch viel mehr können.

Das Schlagwort der Stunde heißt „Multimodalität“ – sowohl beim Personenverkehr als auch beim Güterverkehr. Österreich setzt schon lange auf multimodale Mobilitätskonzepte, die die Vernetzung aller Verkehrsträger in den Mittelpunkt stellen. Durch sie sollen in Zukunft alle VerkehrsteilnehmerInnen mit exakten Informationen und Entscheidungsgrundlagen in Echtzeit versorgt werden.

In der Praxis kann das so aussehen: Ich überprüfe bereits beim Frühstück via Smartphone, ob und wann ich etwa staubedingt schneller mit dem Auto oder den Öffis zur Arbeit komme. Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) hat in den vergangen 10 Jahren etwa 100 Millionen Euro in die Ent­wicklung und Umsetzung vorausschauender Verkehrstechnologien

investiert. Auf diesen Grundlagen wird nun konstant mit weiteren Projekten aufgebaut.

ITS-Weltkongress in WienDer ITS­Weltkongress, die weltweit wichtigste Veranstaltung zu intelligenten Verkehrssystemen, findet nicht zufällig von 22. bis 26. Oktober in Wien statt. Auf 20.000 Quadratmetern präsentierten hier über 300 Aussteller die neuesten Verkehrs­ technologien und suchen in 1000 Vorträgen und Podiums­diskussionen den wissenschaftlichen Austausch. 10.000 Be sucherInnen werden erwartet. Der Kongress richtet sich aber nicht nur an Fachleute. Am 25. Oktober hat jede und jeder die Möglichkeit, sich selbst vor Ort ein Bild zu machen – Blick in die Zukunft garantiert.

Intelligente Verkehrssysteme wie das Navigationsgerät sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Ihre Anwendungsmöglichkeiten werden ständig erweitert.

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Autos, die andere vor brenzligen Verkehrssituationen warnen und selbst einparken. Navis, die beim Energie sparen helfen. Apps, die uns punktgenau zum schnellsten und umweltfreundlichsten Verkehrsmittel lotsen. Das Verkehrs ministerium fördert die Entwicklung der Verkehrssysteme der Zukunft.

Probieren Sie diese neuesten Entwicklungen einfach aus: beim Weltkongress für intelligente Verkehrssysteme.

Wir laden Sie ein. Am 25. Oktober von 9 bis 18 Uhr. Messe Wien. Eintritt frei.

Programm und nähere Informationen:www.bmvit.gv.at www.itsworldcongress.at www.facebook.com/itsvienna2012

Erleben Sie die Mobilität von morgen – schon heute! 25. Oktober 2012, Messe Wien, Eintritt frei

entgeltliche Einschaltung

Hingehen zum ITS-

Publikums- tag am

25. Oktober!

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Gedicht

Rätsel von Gaja

e r i c h k l e i n

E in Paradigmenwechsel beherrscht die Welt seit den Sechzigerjahren,

als der Club Of Rome die Begrenzt-heit unserer Ressourcen deklarierte und zur Wende aufrief. Die Futurolo-gen wurden nicht beachtet oder ver-höhnt. Die Raumfahrt, Inbegriff von technizistischem Fortschrittsglauben und Produkt des Kalten Krieges mit aberwitzigen Szenarien für den Welt-untergang, wurde auf paradoxe Wei-se zum Urerlebnis.

Mit dem Blick aus dem All auf den „blauen Planeten“ wurde die Fragilität der Erde weltweit bewusst – die Öko-logen verweisen auf unmittelbarer Evi-denz. Neil Armstrongs Wort „Ein klei-ner Schritt für einen Mann, ein gro-ßer Schritt für die ganze Menschheit“ wird noch immer zitiert, auch wenn alle wissen, dass sich mit der Verwirk-lichung eines Menschheitstraumes in der Welt nichts verändert hat.

Der misanthropische Zivilisations-kritiker Ernst Jünger wandte sich in jenen Jahren den kleinen Dingen zu und wetterte gegen eine verschwen-derische Konsumgesellschaft, deren Spuren – Coca-Cola-Dosen und Zi-garettenstummel – mittlerweile auch im Urwald und in der Sahara zu fin-den seien. Dass dies auch auf dem Mond bald der Fall wäre, stand nicht zu befürchten.

Seit dem Sprung von Felix Baum-gartner aus neununddreißig Kilome-tern Höhe ist das nicht mehr so sicher. Nahm der alte Traum vom Fliegen den Kalten Krieg ganzer Welten und Sys-teme in Kauf, wurde mit „Stratos“ der Sprung in den Kosmos als freier Fall zur Erde mit Überschallgeschwindig-keit erfolgreich zur Werbemaßnah-me privatisiert. Der Coup, der High-tech-Aufwand, „wissenschaftliche“ Er-kenntnis, Volksaufklärung und Belus-tigung verknüpfte, nötigt Respekt ab. Das persönliche Risiko des Base-Jum-pers sowieso.

Gut postmodern war alles da: Ein bedeutungsschwangeres „I am coming home now“ vor dem Absprung, mili-tärisches Salutieren von Astronauten und Kosmonauten samt dem Kom-mentar von Niki Lauda, der austri-akischen Volksstimme par excel-lence: „Wie sich der Felix do owe haut – faszinierend!“

Nur Spielverderber sprechen in sol-chen Momenten von Energiewende, der Rest der Welt hält den Atem an und greift zum Energy-Drink. Stärker war hier nur der Witz, der auf dem Fuß folgte: „Die Stratosphäre wird in Baumgartner Höhe umbenannt.“ Be-kanntlich handelt es sich dabei um eine psychiatrische Klinik. Auch dort glauben manche, fliegen zu können.

A l e x A n d e r n i t z b e r g

Einer Pianistin für Maria Lettberg Scarlattis Katze. Andauernd auf Fugen-Jagd.Immer so lautlos lauernd am Klavichord-Gehäuse. Schnappt sich im Taktmal schwarze, mal weiße Mäuse. Reißt sie mit Sammetpfoten entzwei – entdrei –in Zweiunddreißigstel-Noten. Und wenn sie elend verenden, zuckt ihr Schreinoch lange Zeit in den Wänden.

Alexander Nitzberg (geb. 1969 in Moskau), deutsch-russischer Autor, lebt in Wien. Vier Gedichtbände – zuletzt erschien „Farbenklavier“ bei Suhrkamp; Übersetzungen russischer Klassiker des 20. Jahrhunderts, u. a. Wladimir Majakowskij, Anna Achmatowa, Daniil Charms und Michail Bulgakows „Der Meister und Margarita“.

e r i c h k l e i n

Waagrecht: 1 Luftschloss-Anlage? Energieladender Drehort8 Herrscht, wo keiner herrscht 9 Fehlt dem Part zum Gemeinschaftswesen10 Wenn kostbarer Rohstoff auf dem Reisbrett landet12 Spiritueller Bauchladen? 14 Kann sich zentrisch zur Manie ausweiten15 Stehen sie vor Sitzungen, liegen die Nerven blank16 Kommt im Englischen vor dem Fall17 Oben-ohne-Model-Traum?18 Theoretisch betrachtet relativ berühmt (Init.)19 Verbindlich bei der Hundehaltung 22 Verrücktes Reservat? Gerüstzeug für Querdenker? Auslegungssache!24 … Mann oder Frau, macht sich im Verein wichtig25 Vor dem Traualtar ausgesprochen rar 26 Treppenwitzetappen

Senkrecht:1 Stromstrom2 Hat dem Handwerk das Handwerk gelegt3 Darauf fährt die Öko-Bewegung tierisch ab4 Spiel- & Arbeitsplatz (Abk.)5 Zählt in der Genealogie zum Stammpersonal6 Rechnerisch passende Größenbezeichnung fürs Adam-Kostüm?7 Berufliche Anforderung an führende Atomkräfte?11 Womit wie warum wird13 Auszahlen muss sich die Haltung von …, sonst geht Lappen was durch die Lappen20 Wirkt landläufig horizonterweiternd21 Bei dem Thema stellen sich alle buchstäblich taub23 Cholerikerkolorit?

lösungswort: Auflösung aus Falter heUrekA 3/2012. lösungswort: knOtenPUnkt Waagrecht: 1 EINSTEIN,7 LN, 8 TALON, 9 INDIGEN, 10 TOPP, 11 MED, 13 EBENE,15 AH-NEN,16 AT, 17 DATEI, 19 DIGITAL, 20 DOKU, 21 RIP, 24 XL, 26 AKIA, 27 INTERNET, 29 VIRUSSenkrecht: 1 ELITE, 2 INNOVATION, 3 STIPENDIUM, 4 TAG, 5 ELEMENTAR, 6 IONEN,12 DEZI,14 BEAT, 16 ADDITIV,18 ELIXIER, 22 PLATT, 23 MARS, 25 STR, 28 NI

Jumping from Austria

Was am Ende bleibt

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aus!

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EinrEichung jEwEils im Frühjahr und hErbst

hErbst-ausschrEibungEinreichfrist: 22. Oktober 2012 bis 14. dezember 2012

KarriErEEntwicKlungfür Wissenschafterinnen

hErtha-FirnbErg-

ElisE- richtEr-PrOGraMM

infOrMatiOnenfWf – Der Wissenschaftsfonds, haus der forschungsensengasse 1, 1090 Wien, +43 (0)1 505 67 40–0www.fwf.ac.at

» antragsunterlagen/information www.fwf.ac.at/firnberg www.fwf.ac.at/richter

KOntaKtsusanne woytacek, 01/505 67 40-8505, [email protected]. lidia Eva wysocki, 01/505 67 40-8503, [email protected]. barbara Zimmermann, 01/505 67 40-8501, [email protected]

Ideen umsetzen

neues entdeckentalente fördern

Größtmögliche Unterstützung von frauen am Beginn ihrer

wissenschaftlichen Karriere an Universitäten bzw. beim

Wiedereinstieg nach der Karenzzeit

anFOrdErungEn

» abgeschlossenes Doktorat

» internationale wissenschaftliche Publikationen

» noch nicht vollendetes 41. Lebensjahr zum

Zeitpunkt der antragstellung oder max. 4 Jahre

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ein Programm zur erreichung der habilitation oder einer gleichwertigen Qualifizierung mit dem Ziel der Qualifikation zur Bewerbung um eine in- oder aus-ländische Professur. anFOrdErungEn» einschlägige PostDoc-erfahrung im in- oder ausland» internationale wissenschaftliche Publikationstätigkeit» Vorarbeiten zu dem geplanten forschungsprojekt/

habilitationsvorhaben» keine altersgrenze dauEr 1 bis 4 JahreFördErungshöhE € 66.680 + bis zu € 15.000 p.a.