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l\ KONGRESS AUB-JAHRESTAGUNG H. Luginbühl, Bern L. Radlinger, Bern Physiotherapie bei Belastungsinkontinenz „High-impact"-Belastungen als Training der Beckenboden-Reflexaktivität? Physiotherapie zur Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur (BBM) ist nachgewiesenermaßen die Therapie erster Wahl bei Belastungsinkontinenz (Bl). Allerdings fokussiert das BBM-Training bis heute fast ausschließlich auf willkürliche BBM-Kontraktionen, obwohl das Problem bei Bl die unwillkürlichen reflektorischen Kontraktionen sind. i 1 niert als ein Programm wiederholter willkürlicher Beckenbodenkontraktionen, welche durch eine Gesundheitsfachperson instruiert und kontrolliert werden. Es ist die üblichste physiotherapeutische Be- handlung für Frauen, die an Bl leiden, ist wirksam bei allen Formen der Inkontinenz und wird deshalb als Therapie erster Wahl empfohlen. 1, 2 Gemäß Empfehlungen der International Consultation on Inconti- nence (ICI) sollte bei Bl BBM-Training die erste Behandlungsmaßnahmc darstellen; bevor eine Operation in Erwägung gezo- gen wird. 3 Bl bei schnellen und hohen Belastungen Die Definition von Bl - unwillkürlicher Urinverlust bei körperlicher Anstrengung (z.B. während sportlicher Aktivitäten) oder beim Niesen oder Husten 4 - be- schreibt, wann der Urinabgang vorkommt. Die Definition sagt jedoch nichts über die Qualität der Belastung aus, bei der ein Urinverlust auftritt respektive ausgelöst wird. Momente schneller und hoher Belas- tung erweisen sich als Situationen, bei denen Bl auftritt. So läuft z.B. der expul- sive Prozess des Niesens innerhalb von 150 Millisekunden (ms) ab. 5 Der „peak flow" beim Husten erfolgt bei einer Frau nach 57-110 ms. 6 Die Bodenreaktionskräf- te beim Joggen betragen 2,4- bis 3,9-mal und beim Weitsprung sogar 16,4-mal das Körpergewicht. 7 So erstaunt es nicht, dass Bl bei Breiten- wie Spitzensportlerinnen weit verbreitet ist 8, 9 und Sportlerinnen, die „High-impact"-Sportarten betreiben, die höchsten Prävalenzen dieses Problems aufweisen. 9 Um diesen schnellen und hohen Belas- tungen gegensteuern zu können und da- mit die Kontinenz zu garantieren, muss die BBM kräftig, 10 - 11 schnell und reflek- torisch 12 - 13 kontrahieren können. Die Fä- higkeit zu schnellen und kräftigen BBM- Kontraktionen führt zu einem adäquaten Druck in der proximalen Urethra, welcher höher als der Blasendruck ist und somit den Harnabgang verhindert. 14 Um die Kontinenz zu gewährleisten, sind schnelle und reflektorische BBM-Kontraktionen vor abrupten intraabdominellen Druckerhö- hungen im Zusammenhang mit Husten, Niesen, Laufen oder Springen ausschlag- gebend. 13 Studien belegen, dass die BBM- Funktion betreffend Schnellkraft („rate of force development") bei inkontinenten im Vergleich zu kontinenten Frauen beein- trächtigt ist. 12 - 13 Neue Ansätze des BBM-Ti ainings Obschon in Situationen, in denen eine Bclastungsinkontinenz ausgelöst wird, vor allem Schnell- und Reaktivkraft erforder- lich ist, fokussiert ein BBM-Training heute in erster Linie auf die Willkürmotorik. Folglich gibt es bis heute kaum Trainings- protokolle, die auch auf unwillkürliche, schnelle und reflektorische Beckenboden- kontraktion fokussieren, 15 - 15 obgleich die- KEYPOINTS Physiotherapie ist wirksam bei Belastungsinkontinenz. Obschon Situationen, wel- che ungewollten Urinverlust auslösen, vor allem unwill- kürliche Schnell- und Reak- tivkraft erfordern, fokussiert ein BBM-Training bis heute vor allem auf Willkürmotorik. Optionen für ein unwillkürli- ches reflektorisches BBM- Training könnten stochasti- sche Ganzkörpervibration, aber auch Joggen oder Sprünge sein, da dadurch eine hohe und reaktive BB- Aktivierung ausgelöst wird. Dies lässt vermuten, dass Situationen, die ungewollten Urinabgang provozieren können, in angepasster Form als Training einsetzbar sind. se Trainingsprinzipien in der Trainings- wissenschaft längst bekannt sind. 17 - 18 Es stellt sich die Frage, wie denn un- willkürliche reflektorische BBM-Aktivie- rungen trainiert werden können. Als viel- versprechende Option bietet sich die sto- chastische Ganzkörpervibration (sGKV) an. 19 - Lauper et al. 19 untersuchten mit- tels Elektromyografie (EMG) die BBM- Aktivierung von Frauen post partum mit schwacher BBM (Oxford Grading Score M0-M3 21 ) und einer gesunden Kontroll- gruppe mit kräftiger BBM (M4-M5 21 ) während sGKV mit unterschiedlichen Vi- brationsintensitäten (2-12 Hertz [Hz]). Mit zunehmender Intensität stieg die BBM- Aktivierung signifikant an und erreichte leLzdich Werte, die höher als bei einer JATROS Gynäkologie & Geburtshilfe 5/2017 Position www.observer.at Position Fachmedium für Gynäkologie und Geburtshilfe Jatros Gynäkologie und Geburtshilfe Wien, im Dezember 2017, Nr: 5, 5x/Jahr, Seite: _ Druckauflage: 2 600, Größe: 87,09%, easyAPQ: _ Auftr.: 1161, Clip: 11057068, SB: Physiotherapie Seite: 1/3 zählt als: 2 Clips Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. Anfragen zum Inhalt und zu Nutzungsrechten bitte an den Verlag (Tel: 01/8767956*13).

High-impact-Belastungen als Training der Beckenboden ... · MWK: maximale willkür ... von 11km/h (Abb. 1). Auch Leitner et al.29 fanden Reflexaktivität der BBM beim Lau

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l\ KONGRESS

AUB-JAHRESTAGUNG H. Luginbühl, Bern

L. Radlinger, Bern

Physiotherapie bei Belastungsinkontinenz

„High-impact"-Belastungen als Training der Beckenboden-Reflexaktivität? Physiotherapie zur Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur

(BBM) ist nachgewiesenermaßen die Therapie erster Wahl

bei Belastungsinkontinenz (Bl). Allerdings fokussiert das

BBM-Training bis heute fast ausschließlich auf willkürliche

BBM-Kontraktionen, obwohl das Problem bei Bl die

unwillkürlichen reflektorischen Kontraktionen sind.

i 1 niert als ein Programm wiederholter willkürlicher Beckenbodenkontraktionen, welche durch eine Gesundheitsfachperson instruiert und kontrolliert werden. Es ist die üblichste physiotherapeutische Be­handlung für Frauen, die an Bl leiden, ist wirksam bei allen Formen der Inkontinenz und wird deshalb als Therapie erster Wahl empfohlen.1, 2 Gemäß Empfehlungen der International Consultation on Inconti-nence (ICI) sollte bei Bl BBM-Training die erste Behandlungsmaßnahmc darstellen; bevor eine Operation in Erwägung gezo­gen wird.3

Bl bei schnellen und hohen Belastungen

Die Definition von Bl - unwillkürlicher Urinverlust bei körperlicher Anstrengung (z.B. während sportlicher Aktivitäten) oder beim Niesen oder Husten4 - be­schreibt, wann der Urinabgang vorkommt. Die Definition sagt jedoch nichts über die Qualität der Belastung aus, bei der ein Urinverlust auftritt respektive ausgelöst wird. Momente schneller und hoher Belas­tung erweisen sich als Situationen, bei denen Bl auftritt. So läuft z.B. der expul-sive Prozess des Niesens innerhalb von 150 Millisekunden (ms) ab.5 Der „peak flow" beim Husten erfolgt bei einer Frau nach 57-110 ms.6 Die Bodenreaktionskräf­te beim Joggen betragen 2,4- bis 3,9-mal und beim Weitsprung sogar 16,4-mal das Körpergewicht.7 So erstaunt es nicht, dass

Bl bei Breiten- wie Spitzensportlerinnen weit verbreitet ist8, 9 und Sportlerinnen, die „High-impact"-Sportarten betreiben, die höchsten Prävalenzen dieses Problems aufweisen.9

Um diesen schnellen und hohen Belas­tungen gegensteuern zu können und da­mit die Kontinenz zu garantieren, muss die BBM kräftig,10-11 schnell und reflek­torisch12- 13 kontrahieren können. Die Fä­higkeit zu schnellen und kräftigen BBM-Kontraktionen führt zu einem adäquaten Druck in der proximalen Urethra, welcher höher als der Blasendruck ist und somit den Harnabgang verhindert.14 Um die Kontinenz zu gewährleisten, sind schnelle und reflektorische BBM-Kontraktionen vor abrupten intraabdominellen Druckerhö­hungen im Zusammenhang mit Husten, Niesen, Laufen oder Springen ausschlag­gebend.13 Studien belegen, dass die BBM-Funktion betreffend Schnellkraft („rate of force development") bei inkontinenten im Vergleich zu kontinenten Frauen beein­trächtigt ist.12-13

Neue Ansätze des BBM-Ti ainings

Obschon in Situationen, in denen eine Bclastungsinkontinenz ausgelöst wird, vor allem Schnell- und Reaktivkraft erforder­lich ist, fokussiert ein BBM-Training heute in erster Linie auf die Willkürmotorik. Folglich gibt es bis heute kaum Trainings­protokolle, die auch auf unwillkürliche, schnelle und reflektorische Beckenboden­kontraktion fokussieren,15-15 obgleich die-

KEYPOINTS

• Physiotherapie ist wirksam

bei Belastungsinkontinenz.

• Obschon Situationen, wel­

che ungewollten Urinverlust

auslösen, vor allem unwill­

kürliche Schnell- und Reak­

tivkraft erfordern, fokussiert

ein BBM-Training bis heute

vor allem auf Willkürmotorik.

• Optionen für ein unwillkürli­

ches reflektorisches BBM-

Training könnten stochasti-

sche Ganzkörpervibration,

aber auch Joggen oder

Sprünge sein, da dadurch

eine hohe und reaktive BB-

Aktivierung ausgelöst wird.

• Dies lässt vermuten, dass

Situationen, die ungewollten

Urinabgang provozieren

können, in angepasster

Form als Training einsetzbar

sind.

se Trainingsprinzipien in der Trainings-wissenschaft längst bekannt sind.17-18

Es stellt sich die Frage, wie denn un­willkürliche reflektorische BBM-Aktivie-rungen trainiert werden können. Als viel­versprechende Option bietet sich die sto-chastische Ganzkörpervibration (sGKV) an.19- 2Ü Lauper et al.19 untersuchten mit­tels Elektromyografie (EMG) die BBM-Aktivierung von Frauen post partum mit schwacher BBM (Oxford Grading Score M0-M321) und einer gesunden Kontroll­gruppe mit kräftiger BBM (M4-M521) während sGKV mit unterschiedlichen Vi­brationsintensitäten (2-12 Hertz [Hz]). Mit zunehmender Intensität stieg die BBM-Aktivierung signifikant an und erreichte leLzdich Werte, die höher als bei einer

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Fachmedium für Gynäkologie und GeburtshilfeJatros Gynäkologie und Geburtshilfe

Wien, im Dezember 2017, Nr: 5, 5x/Jahr, Seite: _Druckauflage: 2 600, Größe: 87,09%, easyAPQ: _Auftr.: 1161, Clip: 11057068, SB: Physiotherapie

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zählt als: 2 ClipsZum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG.Anfragen zum Inhalt und zu Nutzungsrechten bitte an den Verlag (Tel: 01/8767956*13).

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KONGRESS

AUBJAHRESTAGUNG

• 7 km/h

«9 km/h

11 km/h

30-60 60-90 90-120 120-150

Zeitintervalle (ms)

Abb. 1: Mittelwerte

und Standardabwei­

chungen der Variablen

der BBM-Aktivierung

(30ms-Zeitintervalle)

bei drei verschiedenen

Laufgeschwindig­

keiten2 „25

BBM: Beckenboden­

muskulatur,

TO: Zeitpunkt des Fuß-

Boden-Kontakts,

MWK: maximale willkür­

liche Kontraktion

maximalen willkürlichen Kontraktion (MWK) waren (BBM schwach: 127,2% MWK; BBM normal: 63,9% MWK). Wenn die Studienteilnehmerinnen während der Vibration zusätzlich ihre BBM maximal anspannten, erhöhte sich die BBM-Aktivie­rung mit zunehmender Vibrationsintensi­tät (BBM schwach: 88,0-165,5% MWK; BBM normal: 88,3-113,1% MWK).

Ritzmann et al.22 zeigten, dass bei GKV die Anzahl der EMG-Aktivitätsspitzcn pro Sekunde in vier Beinmuskeln (M. soleus, M. gastrocnemius medialis, M. tibialis an­terior, M. rectus femoris) exakt mit der eingestellten Vibrationsfrequenz überein­stimmte. Sie begründeten dies mit den durch die GKV provozierten Dehnreflexen und fanden nur minimalen Einfluss von

Bewegungsartefakten (Bewegung der Ka­bel oder Elcktrodcnbcwcgung). Folglich kann vermutet werden, dass sGKV ent­sprechend der Vibrationsintensität bis zu 12 BBM-Kontraktioncn pro Sekunde er­zeugen kann.19 Lauper et al.19 kamen zum Schluss, dass die BBM z.B. beim Treppab­steigen mit einer Frequenz von 6,85Hz kontrahiert (da der Impact innerhalb von 146ms erfolgt). Diese Frequenz ist jedoch so hoch, dass sie nicht durch willkürliche BBM-Kontraktionen erreicht werden kann. Folglich könnte sGKV eine Option zum Training der schnellen, unwillkürlichen Aktivität der BBM sein. sGKV ist eine praktikable, sichere und gut verträgliche Trainingsmethode auch für untrainierte ältere Personen.23 Sie hat den Vorteil einer

kurzen Interventionsdauer von in der Re­gel 30 Sekunden bis 5 Minuten.24 Die Wir­kung der sGKV auf eine Belastungsinkon­tinenz wurde jedoch bis heute noch nicht untersucht.

Alternative Methoden zum sGKV-Training

Als Alternativen zu einem sGKV-Trai-ning zur Aktivierung der BBM-Schnell-und Reaktivkraft könnten sich „high im-pacts", wie sie beim Laufen oder Springen erfolgen, anbieten. Laufen ermöglicht eine Zunahme von Belastungshäufigkeit (An­zahl der Schritte) und -stärke (Höhe der Geschwindigkeit)25-28 ähnlich wie bei der sGKV.19

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Abb. 2: Beispiel zweier EMG-Messungen

(20-500Hz-Bandpass-Rlter, RMS-Werte mit

100ms gleitendes Fenster): Drop-Landing

versus schnelle willkürliche BBM-Kontraktion.

Der „high impact" aufgrund der Bodenreak­

tionskräfte während des Drop-Landings führt

zu schnelleren und stärkeren unwillkürlichen

Kontraktionen als eine maximale willkürli­

che BBM-Kontraktion bzw. isolierte schnelle

willkürliche BBM-Kontraktionen und erscheint

deshalb funktioneller hinsichtlich Situationen,

die eine Belastungsinkontinenz provozieren33

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JATROS Gynäkologie 8 Geburtshilfe 5/2017 15

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Auftr.: 1161, Clip: 11057068, SB: Physiotherapie

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KONGRESS

AUBJAHRESTAGUNG

So fanden Luginbühl et al.,25 dass die BBM bei jungen, gesunden Nulliparae beim Laufen unmittelbar vor und nach dem Fersenaufschlag eine signifikant hö­here Aktivität als in Ruhe zeigte. Die BBM-Aktivierung erreichte eine Höhe von bis zu 106% MWKbei einer Geschwindigkeit von 11km/h (Abb. 1). Auch Leitner et al.29

fanden Reflexaktivität der BBM beim Lau­fen. Sie zeigten diese bei Gesunden wie bei von einer leichten Bl betroffenen Frau­en. Im Gegensatz zur sGKV ist Laufen „gratis" und für jede Frau leicht zugäng­lich, als Training also äußerst praktisch und leicht umsetzbar.

Auch Sprünge - als einzelne „High-impact"-Belastungen - scheinen in Hin­blick auf eine starke reaktive BBM-Akti-vierung vielversprechend (Abb. 2). Sprün­ge wurden bezüglich der Muskulatur der unteren Extremitäten ausgiebig unter­sucht und es zeigte sich, dass diese - ent­sprechend ihren „high impacts" - eine hohe Schnell- und Reaktivkraft und -akti-vierung hervorrufen. Aus diesem Grunde werden sie für die untere Extremität für Reaktiv- und Schnellkrafttraining emp­fohlen.30-32 Die Fähigkeit zur starken und schnellen BBM-Aktivierung ist bei Frauen mit BI reduziert.13 Trotzdem fehlen bis heute publizierte Studien zur BBM-Akti­vierung bei Sprüngen.

Erste Studien der BB-Aktivierung wäh­rend sportlicher Aktivitäten (Laufen, Sprünge] zeigen hohe BBM-Aktivierungen im Zusammenhang mit „High impact"-Belastungen. Dies lässt vermuten, dass Ganzkörperaktivitäten, die eine BI auslö­sen können, in angepasster und dosierter Form als Training für schnelle, reflektori­sche BB-Aktivicrung eingesetzt werden können. Daher braucht es weitere Studien mit gesunden und vor allem mit von BI betroffenen Frauen, um vertiefte Erkennt­nisse zu erlangen.

Aktuell prüft eine randomisierte, kon­trollierte Studie ein neues Trainingspro­gramm: Ein periodisiertes und standardi­siertes herkömmliches Trainingsprotokoll wird mit einem neu entwickelten Trai­ningsprotokoll verglichen, welches nach den Phasen Sensomotorik-, Maximalkraft-und Hypertrophietraining auch ein Schnell- und Reaktivkrafttraining integ­riert. Als Schnell- und Reaktivkrafttrai­ning werden Laufen und Sprünge in ange­passter Form eingesetzt. Resultate werden in etwa einem Jahr erwartet.15 •

Autoren:

Helena Luginbühl, PhD, MME, Physiotherapeutin

Prof. Dr. Lorenz Radlinger

Korrespondenz:

Helena Luginbühl

Berner Fachhochschule Gesundheit

E-Mail: [email protected]

•0612

FAZIT

Ein herkömmliches BBM-Training für Frauen mit BI adressiert nur die BBM-Willkürmotorik und nicht die eigentli­che Problematik, nämlich die schnel­len, reflektorischen BBM-Kontraktio-nen, welche entscheidend für die Garantie der Kontinenz in Belas­tungssituationen sind. Laufen und Sprünge - beides Situationen, die eine BI provozieren können - lösen eine reflektorische BBM-Aktivierung aus. Es braucht weitere Studien, die

a) die BBM-Aktivierung in verschie­denen Momenten leichter bis hoher Belastung bei gesunden und von BI betroffenen Frauen untersuchen und b) die Wirksamkeit bezüglich der Inte­gration solcher Situationen in ange­passter Form in ein Therapiepro­gramm prüfen.

Literatur:

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nence. Neurourol Urodyn 2010; 29: 213-40 4 Haylen BT et

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18 Schmidtbleicher D, Güllich A: Dimensionen des Kraft­

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ture. J Sports Sei Med 2012; 11:187-200 25 Luginbuehl H et

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28 Keller TS et al.: Relationship between vertical ground

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and running Clin Biomech (Bristol Avon) 1996; 11: 253-9

29 Leitner M et al.: Evaluation of pelvic floor muscie acti­

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An exploratory study. Neurourol Urodyn 2017; 36:1570-6

30 Lorenz DS et al.: Periodization: current review and sug-

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buehLPoster_SUIP.pdf

16 JATROS Gynäkologie S Geburtshilfe 5/2017

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Auftr.: 1161, Clip: 11057068, SB: Physiotherapie

Seite: 3/3

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