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Hintergrund: USA Nr. 39 / Juni 2014 | 1
Donnerschlag ins republikanische Kontor
Iris Froeba
Die republikanischen Kongress-Vorwahlen in Virginia haben ein unerwartetes Ende genommen: Die
Niederlage des republikanischen Mehrheitsführers im Repräsentantenhaus gegen den Tea-Party-
Herausforderer schockiert das republikanische Partei-Establishment und lenkt den parteiinternen Vor-
wahlkampf in neue Bahnen. Das Wahlergebnis offenbart, wie instabil die Grand Old Party ist.
Eric Cantor, die Nummer Zwei der Republikaner im US-Repräsentantenhaus, musste bei den parteiin-
ternen Vorwahlen eine unerwartete Niederlage einstecken. Mit mehr als zehn Prozentpunkten Vor-
sprung siegte der Ultrakonservative David Brat, ein bis dato unbekannter Wirtschaftsprofessor, der an
einem kleinen College außerhalb von Richmond, VA lehrt. Brat wird nun anstelle von Cantor im No-
vember diesen Jahres bei den Kongresswahlen antreten. Cantor selbst kündigte am Tag nach der Wahl
seinen Rücktritt als Mehrheitsführer an. Welche Schlüsse lassen sich aus Cantors Wahlniederlage zie-
hen?
Umfragen spiegeln nicht die Realität wider
Noch Ende Mai hatte die Firma John McLaughlin im Auftrag von Cantors Wahlkampfteam eine partei-
interne Umfrage durchgeführt. Diese hatte Cantor 34 Prozentpunkte vor Brat gesehen - bei einer Feh-
lerspanne von 4,9 Prozentpunkten. Eine Umfrage des Daily Caller, die am selben Tag veröffentlich
worden war, hatte Cantor 12 Prozentpunkte vor seinem Konkurrenten gesehen.1 Beide Umfragen la-
gen völlig daneben und schädigen erneut die Reputation der republikanischen Umfrageinstitute, die
aufgrund falscher Prognosen im Jahr 2012 ohnehin schon angekratzt ist.
1 http://dailycaller.com/2014/06/06/shock-poll-shows-eric-cantor-struggling-in-primary/
Hintergrund:
USA
Nr. 39 / 16. Juni 2014
Hintergrund: USA Nr. 39 / Juni 2014 | 2
Cantor war sich seiner Sache zu sicher
Gleichwohl hatte es bereits während des Wahlkampfes klare Anzeichen gegeben, dass Cantor Schwie-
rigkeiten bekommen könnte. Die Cantor-Gegner waren im Wahlkreis überaus präsent. Sie demonstrier-
ten unter anderem gegen die Personalpolitik Cantors, der wichtige Posten vor allem an loyale Anhä-
nger vergeben wollte. Natürlich blieb Cantor nicht tatenlos. Fünf Millionen US-Dollar steckte er in
seinen Wahlkampf. Sein Rivale konnte lediglich 200.000 US-Dollar an Spenden sammeln. Doch Can-
tors Wahlkampfteam spielte die Bedrohung durch Brat herunter. Die Verantwortlichen waren sich
zwar darüber bewusst, dass es ein knappes Rennen werden könnte. Eine Niederlage wurde jedoch aus-
geschlossen, da Cantor die Vorwahlen im Jahr 2012 souverän gewonnen hatte. Der Herausforderer
Brat wurde daher nicht als echte Gefahr betrachtet.
Die Tea-Party lebt
Bis zu Cantors Niederlage verlief die Vorwahlsaison vielversprechend für das Establishment der Grand
Old Party. Nachdem Senator John Cornyn den Tea-Party-Anhänger Steve Stockman in Texas aus dem
Rennen geschlagen hatte, sahen sich die Parteiführer auf der sicheren Seite. Mit dem unerwarteten
Sieg Brats sind die Karten neu gemischt und die Tea-Party-Bewegung gewinnt wieder an Auftrieb.
Der Aufstieg könnte Ende Juni untermauert werden, wenn in Mississippi der Tea-Party-Kandidat und
State Senator Chris McDaniel und der Kandidat des republikanischen Partei-Establishments Senator
Thad Cochran in einer Stichwahl erneut gegeneinander antreten müssen. Beiden Kandidaten war es
zuvor nicht gelungen, 50% der Stimmen zu erlangen. Chris McDaniel werden gute Chancen einge-
räumt, diesen Wahlgang für sich zu entscheiden.
Das Ende der US-Einwanderungsreform
Cantors Niederlage könnte auf absehbare Zeit
das Ende der US-Einwanderungsreform bedeuten.
Cantor hatte die Reform in den vergangenen
Jahren immer wieder blockiert, zuletzt jedoch in
Aussicht gestellt, dass wenigstens den Kindern
illegaler Einwanderer die Chance auf eine US-
Staatsbürgerschaft gegeben werden sollte. Dies
betrifft vor allem auch Latinos, eine der größten
Wählergruppen. Sein Rivale Brat schlachtete
Cantors Richtungswechsel aus und stellte ihn als
nicht konservativ genug für Virginia dar. Brats Haltung in puncto Einwanderungsreform wird kompro-
missbereite Republikaner verschrecken und die Aussichten auf eine Reform schmälern, wenn nicht gar
zunichtemachen.
Eric Cantor / Quelle: flickr by Gage Skidmore
Hintergrund: USA Nr. 39 / Juni 2014 | 3
Schwächung der Republikaner im Swing-State Virginia
Mit Cantors Vorwahlniederlage und Rücktritt verlieren die Republikaner aus Virginia ihren prominen-
testen Vertreter. In dem umkämpften swing-state ist derzeit keine Schlüsselposition von einem Re-
publikaner besetzt. Cantor verzichtete bei den Senatswahlen 2012 und den Gouverneurswahlen 2013
auf eine Kandidatur und beide Wahlen wurden von Demokraten gewonnen. Diese Schwäche könnte
der Partei bei den Präsidentschaftswahlen 2016 sehr schaden. Ed Warner, ehemaliger Vorsitzender des
Republican National Committee, gilt nun als einflussreichster Republikaner im Staat. Warner und Pat
Mullins, Vorsitzender der Republikanischen Partei in Virginia, boten Brat direkt nach seinem Sieg ihre
Unterstützung für die Kongresswahlen im November 2014 an.
Führungskrise und innere Streitigkeiten lähmen die Grand Old Party
Cantor galt im US-Kongress als Hardliner, der den Demokraten mit seiner Blockadepolitik das Leben
schwer machte. Dass Cantor nun von jemandem besiegt wurde, der noch weiter rechts steht, spiegelt
eine weitere Radikalisierung der GOP wider. Ein Richtungsstreit inklusive Führungskrise ist vorpro-
grammiert.
Cantors Rücktritt als Mehrheitsführer hat einen parteiin-
ternen Machtkampf im Repräsentantenhaus ausgelöst.
Gestärkt durch Brats Erfolg, verlangt der rechte Parteiflü-
gel mehr Mitsprache bei der Besetzung der neuen Partei-
führung. Um einen langen Kampf über Posten, der die
Partei weiter polarisieren könnte, zu vermeiden, wurden
die Wahlen bereits für den 19. Juni festgelegt. Die größ-
ten Chancen werden dem derzeitigen Whip der republi-
kanischen Mehrheitsfraktion, Kevin McCarthy, zugespro-
chen. Cantor und das Partei-Establishment unterstützen
ihn bei seiner Kandidatur. Sein Konkurrent ist Raul Labra-
dor. Der Abgeordnete aus Idaho gehört dem Tea-Party-
Flügel an.
Die Ideologisierung und Polarisierung der GOP ist so präsent wie nie zuvor. Die Partei wird durch das
Erstarken der Tea-Party-Bewegung weiter nach rechts getrieben und setzt dabei ihre Mehrheitsfähig-
keit aufs Spiel.
Diese Entwicklungen werden der Partei im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen 2016 große
Schwierigkeiten bereiten und können sich auch schon diesen Herbst auf die Midterm elections auswir-
ken. Obamas Demokraten könnte die republikanische Ideologisierung wider Erwarten Auftrieb verlei-
hen.
Republican Party / Quelle: flickr by DonkeyHotey
Hintergrund: USA Nr. 39 / Juni 2014 | 4
Verfasserin: Iris Froeba, Program Officer, Transatlantisches Dialogprogramm Washington DC,
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF)
Redaktion: Claus Gramckow, Repräsentant USA und Kanada, Transatlantisches Dialogprogramm
Washington DC, FNF
Impressum
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF)
Bereich Internationale Politik
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