Upload
thomas-pawelek
View
5
Download
0
Embed Size (px)
DESCRIPTION
Das Thema unseres Posters ist der Ort und seine Konstitution. Wir greifen dabei auf Marc Augés Unterscheidung zwischen „anthropologischem Ort“ und „Nicht-Ort“ zurück. Wir stellen beide Begriffe nicht unvermittelt gegenüber, sondern interpretieren sie als zwei fliehende Pole, die einen Ort konstituieren. Wir befassen uns mit der Verschiebung hin zum „Nicht-Ort“ im Zuge der Globalisierung. Als Beispiel wurde der Flughafen Berlin-Tegel (TXL) gewählt, da er sich als moderner Ort besonders gut dafür eignet, um die genannte Verschiebung in der Konstitution von Orten zu explizieren.
Citation preview
Über den Nicht-Ort Historische Urbanistik
BA-KulT IS 1 F L U G H A F E N B E R L I N - T E G E L
Vor dem Hintergrund von Marc Augés Unterscheidung zwi-
schen „anthropologischem Ort“ und „Nicht-Ort“ wird der Ver-
such einer Klassifizierung des Flughafen Berlin-Tegel unter-
nommen. Dabei geben Aphorismen zu Funktion und Bedeu-
tung des Flughafens Einsicht in die Gebrochenheit dieses Ortes.
Gleichzeitig lassen sie beim Betrachter Raum für eine subjektive
Interpretation.
„[Es] gilt für den Nicht-Ort geradeso wie für den Ort, dass er niemals
in reiner Gestalt existiert […].“ [Augé 2014, 84]
Wissenschaftliches Poster von Adrian Völkel, Isabelle Gebhardt, Karina Re-
ece und Thomas Pawelek.
Dieser Ort ist von jeglicher Symbolik entkleidet. Er versteckt sich
hinter keinem Mythos mehr. Er ist real und damit transparent.
An diesen „Nicht-Orten“ wird präsent, was die Welt von heute
zusammenhält: Sie sind Knotenpunkte in der globalen Netz-
werktopologie aus Technik und Kapital.
Ein Flughafen ist kein Ort des Miteinanders, sondern des Ne-
beneinanders. Man durchreist ihn, statt an ihm zu verweilen. Er
kennt keine Geschichte, sondern nur die Gegenwart. Menschen
kommen zusammen, doch versammeln sich nicht. Er empfängt
nicht, doch bietet Platz für jeden, der zahlt. Seine Nutzung
macht seine Nutzer einander ähnlich. Er entindividualisiert sie.
Diese Orte funktionieren stets gleich. An diesem Ort ist der
Einzelne auf sich selbst zurückgeworfen.
In der kompakten polygonalen Architektur des 1974 eröffneten
Flughafen Berlin-Tegel (TXL) spiegelt sich die Verdichtung von
Raum und Zeit im Zuge der technologischen Bedingung wieder.
Der Entwurf geht auf das Hamburger Architekturbüro gmp zu-
rück und ist beispielhaft für die funktionale Architektur der
1960er Jahre und das Konzept der kurzen Wege.
Byung-Chul Han, Duft der Zeit. Ein philosophischer Essay zur Kunst des Verweilens, Bielefeld: transcript,
2015.
Jean-Luc Nancy, Die Erschaffung der Welt oder Die Globalisierung, Berlin/Zürich: diaphanes, 2003.
Marc Augé, Nicht-Orte, München: C.H. Beck, 2014.
Martina Löw, Raumsoziologie, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2012.
Walter Benjamin, Kapitalismus als Religion, in: Dirk Baecker (Hg.), Kapitalismus als Religion, Berlin: Kad-
mos, 2009.
Abb. 1, 2, 4: Günter Wicker / Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, 3. April 2013, Flughafen Tegel aktuell,
abgerufen am 9. Juli 2015 von http://www.berlin-airport.de/de/presse/mediathek/fotos/2013/tegel-2013/
index.php; Abb. 3: Günter Wicker / Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, 11. Mai 2012, Ungeliebte High-
tech-Architektur, abgerufen am 9. Juli 2015 von https://www.pressestelle.tu-berlin.de/newsportal/
innenansichten/2012/tui0512_ungeliebte_hightech-architektur/; Abb. 5: Alexander Obst / Marion Schmie-
ding, Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, 25. April 2012, Flughafen Tegel, abgerufen am 9. Juli 2015 von
http://www.berlin-airport.de/de/presse/mediathek/fotos/2008/tegel-2008-und-aelter/index.php
Historische, „anthropologische Orte“ erlangten ihre Identität
durch die Konstitution um ein singuläres geschichtliches Ereig-
nis, für das sie als Stätte des Rituals dienten. „Nicht-Orte“ hin-
gegen zeichnen sich durch die „permanente Dauer des Kultus“
aus. Sie sind Kathedralen des Kapitalismus und dennoch pro-
fan. Sie besitzen keinerlei Transzendenz. Doch gerade diese Lee-
re an Bedeutung dient als eine Lichtung für einen kommenden
Sinn.
Die sinnlosen „Nicht-Orte“ bieten die Chance, die Frage nach
dem Sinn neu zu stellen. Sinn lässt sich nicht mehr Außerhalb der
Welt finden, sondern nur noch innerhalb der Welt konstruieren.
Die Frage nach dem Sinn fällt mit der Frage nach einem neuen
Gemeinsinn in eins. Das Begehren nach Sinn eint die Einzelnen
und lässt eine sinnvolle Gemeinschaft entstehen.
Diese „Nicht-Orte“ erlangen Identität durch die subjektive Stel-
lung, die sie im Leben ihrer Besucher einnehmen. Dafür
braucht es Zeit: Wiederholung, Gewohnheit und Erinnerung
generieren im Zusammenspiel mit der ästhetischen und funkti-
onalen Gestaltung eines Ortes und seiner Einbettung in den
Raum Erfahrungswerte. Dadurch wird ein „Nicht-Ort“ einzig-
artig. So auch bei TXL, der als wichtigster Flughafen Berlins das
Leben der dortigen Bevölkerung direkt und indirekt beeinflusst.
Orte wie der Flughafen Berlin-Tegel dienen als prädestiniertes
Reflexionsobjekt hinsichtlich der technologischen Bedingung
unserer Zeit. Ihre Funktionsweise gibt Rückschlüsse über das
Verhältnis von Kultur und Technik. Abseits von ihrer realen
Funktion als Medium der Globalisierung bieten sie die Mög-
lichkeit eines Eingedenkens, das in ein Denken der Möglichkeit
des Seins überzugehen vermag. Sie nötigen dazu, ein neues Sein
und damit ein neues Miteinander zu denken. Darin liegt ihr
spezifischer Sinn.
Abb. 5, „Zufahrt zum Flughafen“
Abb. 1, „Tower in Tegel“
Abb. 3, „Hauptgebäude von der Start– und Landefläche betrachtet“
Abb. 4, „Reges Treiben im Boulevard Tegel“
Abb. 2, „TXL im Sommer 2010“
ORT DES NEBENEINANDERS
R ITUELLE STÄTTE
IDENT ITÄTSLOS?
QUELLEN
REFLEXION
ÖFFNUNG
SP IEGEL
KNOTENPUNKTE