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HOCHSCHULENTWICKLUNG UND BÜRGERRECHTE IN DER BRD UND DER DDR Gero Lenhardt und Manfred Stock Hochschulentwicklung und Bürgerrechte in der BRD und der DDR Zusammenfassung: Die Hochschulen in der BRD expandieren mehr oder weniger kontinuierlich bis heute; in der DDR stagnierten sie dagegen seit 1971. In diesen Verlaufsmustern kommen ge- sellschaftliche Ordnungsvorstellungen zum Ausdruck. Das war in der DDR der materialistische Glaube an objektive Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung. Er fand in der Bil- dungs- und Arbeitskräfteplanung institutionellen Ausdruck und manifestierte sich in der Sozialka- tegorie der Intelligenz. Die wissenschaftliche Bildung nahm dabei partikularen Charakter an und wurde zum Opfer gesellschaftlicher Konflikte. In der BRD setzte sich dagegen die normative Vor- stellung des individuellen Bildungsinteresses durch. Die zunächst noch ständisch exklusive Hoch- schulbildung wird verallgemeinert, und in der Arbeitswelt erhält die Berufskultur des Professiona- lismus eine Entwicklungsmöglichkeit. Die Hochschulbildung wird damit allmählich zum Inhalt eines allgemeinen gesellschaftlichen Interesses. I. Einleitung Der Ausgangspunkt dieses deutsch-deutschen Hochschulvergleichs ist ein auffälliger Befund der Hochschulstatistik. Danach folgte die Hochschulexpansion in der DDR und in der BRD unterschiedlichen Verlaufsmustern: In der DDR waren die Studen- tenzahlen und -quoten zunächst stürmisch gewachsen; aber nach 1971 wurden sie um fast ein Drittel reduziert. Seitdem stagnierte die Anzahl der Studenten bis zum Ende der DDR. Die westdeutschen Hochschulen expandieren dagegen mehr oder weniger kontinuierlich bis heute. Die Hochschulentwicklung in der DDR und der BRD gleicht derjenigen in den anderen staatssozialistischen Ländern beziehungsweise westlichen De- mokratien (vgl. dazu die Statistischen Jahrbücher des RGW Statisticeskij ezegodnik 1973, 1980, 1988, 1990; Ramirez und Riddle 1991). Das verleiht ihr allgemeinere Be- deutung. Fragt man nach den Bestimmungsgründen dieser Verlaufsmuster, stößt man auf unterschiedliche gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen. Sie bilden den Gegen- stand dieses Vergleichs. Es geht dabei also um die sinnverstehende Rekonstruktion der Hochschulentwicklung. Wir schließen an Arbeiten des Neoinstitutionalismus zur Bil- dungsentwicklung an (Meyer 1977, 1992; Meyer, Boli und Thomas 1994; Powell und DiMaggio 1991). Die staatssozialistische Hochschulplanung war an der Vorstellung orientiert, die ge- sellschaftliche Entwicklung folge objektiven Gesetzmäßigkeiten. Diese Entwicklungsge- setze bestimmten einen sogenannten Bedarf an hochqualifizierten Arbeitskräften. Ihn hätte die Bildungs- und Arbeitskräfteplanung zu bedienen. Die Vorstellung eines ob- jektiven gesellschaftlichen Qualifikationsbedarfs ist mythischen Charakters. Aber indem Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 52, Heft 3, 2000, S. 520–540.

Hochschulentwicklung und Bürgerrechte in der BRD und der DDR

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HOCHSCHULENTWICKLUNG UND BÜRGERRECHTEIN DER BRD UND DER DDR

Gero Lenhardt und Manfred Stock

Hochschulentwicklung und Bürgerrechte in der BRD und der DDRZusammenfassung: Die Hochschulen in der BRD expandieren mehr oder weniger kontinuierlichbis heute; in der DDR stagnierten sie dagegen seit 1971. In diesen Verlaufsmustern kommen ge-sellschaftliche Ordnungsvorstellungen zum Ausdruck. Das war in der DDR der materialistischeGlaube an objektive Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung. Er fand in der Bil-dungs- und Arbeitskräfteplanung institutionellen Ausdruck und manifestierte sich in der Sozialka-tegorie der Intelligenz. Die wissenschaftliche Bildung nahm dabei partikularen Charakter an undwurde zum Opfer gesellschaftlicher Konflikte. In der BRD setzte sich dagegen die normative Vor-stellung des individuellen Bildungsinteresses durch. Die zunächst noch ständisch exklusive Hoch-schulbildung wird verallgemeinert, und in der Arbeitswelt erhält die Berufskultur des Professiona-lismus eine Entwicklungsmöglichkeit. Die Hochschulbildung wird damit allmählich zum Inhalteines allgemeinen gesellschaftlichen Interesses.

I. Einleitung

Der Ausgangspunkt dieses deutsch-deutschen Hochschulvergleichs ist ein auffälligerBefund der Hochschulstatistik. Danach folgte die Hochschulexpansion in der DDRund in der BRD unterschiedlichen Verlaufsmustern: In der DDR waren die Studen-tenzahlen und -quoten zunächst stürmisch gewachsen; aber nach 1971 wurden sie umfast ein Drittel reduziert. Seitdem stagnierte die Anzahl der Studenten bis zum Endeder DDR. Die westdeutschen Hochschulen expandieren dagegen mehr oder wenigerkontinuierlich bis heute. Die Hochschulentwicklung in der DDR und der BRD gleichtderjenigen in den anderen staatssozialistischen Ländern beziehungsweise westlichen De-mokratien (vgl. dazu die Statistischen Jahrbücher des RGW Statisticeskij ezegodnik1973, 1980, 1988, 1990; Ramirez und Riddle 1991). Das verleiht ihr allgemeinere Be-deutung. Fragt man nach den Bestimmungsgründen dieser Verlaufsmuster, stößt manauf unterschiedliche gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen. Sie bilden den Gegen-stand dieses Vergleichs. Es geht dabei also um die sinnverstehende Rekonstruktion derHochschulentwicklung. Wir schließen an Arbeiten des Neoinstitutionalismus zur Bil-dungsentwicklung an (Meyer 1977, 1992; Meyer, Boli und Thomas 1994; Powell undDiMaggio 1991).

Die staatssozialistische Hochschulplanung war an der Vorstellung orientiert, die ge-sellschaftliche Entwicklung folge objektiven Gesetzmäßigkeiten. Diese Entwicklungsge-setze bestimmten einen sogenannten Bedarf an hochqualifizierten Arbeitskräften. Ihnhätte die Bildungs- und Arbeitskräfteplanung zu bedienen. Die Vorstellung eines ob-jektiven gesellschaftlichen Qualifikationsbedarfs ist mythischen Charakters. Aber indem

Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 52, Heft 3, 2000, S. 520–540.

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sie handlungswirksam wurde, gewann sie sozialstrukturelle Realität. In diesem ideolo-giekritischen Sinn wird die Vorstellung gesellschaftlichen Qualifikationsbedarfs im Fol-genden untersucht. Wenn wir vom „unterstellten“, „imaginierten“ etc. Qualifikations-bedarf sprechen, dann meinen wir diese Vorstellung schlechthin und nicht Rechenfeh-ler bei der Feststellung einer „objektiven Realität“.

Die Forderung, die Hochschulentwicklung müsste wirtschaftlichen Sachnotwendig-keiten angepasst werden, wird seit je auch im Westen erhoben. Rechts der politischenMitte leitet man von dieser Vorstellung die Notwendigkeit einer restriktiven Hoch-schulpolitik ab. So heißt es zum Beispiel im Bildungsprogramm der CDU von 1994:„Das Bildungs- beziehungsweise Ausbildungssystem und das Beschäftigungssystem lau-fen zunehmend auseinander. Auf der einen Seite gibt es immer mehr Abiturienten, dieein wissenschaftliches Studium aufnehmen wollen, ohne dafür geeignet zu sein; auf deranderen Seite nimmt trotz des qualitativ hohen Standards der deutschen Berufsausbil-dung und guter Beschäftigungsperspektiven für Fachkräfte das Interesse der jungenMenschen an dieser Ausbildung ab. Aus dem Mangel an qualifizierten Fachkräften er-wächst eine weitreichende Gefährdung der Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft.Eine Korrektur der Bildungspolitik zugunsten berufsbezogener Bildung ist unverzicht-bar“ (CDU-Bundesgeschäftsstelle 1994: 4).

Links der politischen Mitte unterstellt man ebenfalls bildungsökonomische Not-wendigkeiten, leitet davon aber die Forderung nach der Expansion der weiterführendenBildung ab. Dabei geht man nicht von der Idee festliegender Begabungen aus, sondernvon der Idee individueller Bildungsfähigkeit. So heißt es in einer Broschüre des Bun-desministeriums für Bildung und Forschung: „Viele Begabungen bleiben vor allem aufdem Weg durch weiterführende Schulen auf der Strecke. Begabungen werden nichtfrühzeitig erkannt und gefördert. Unsere Gesellschaft ist darauf angewiesen, vorhande-ne Leistungspotentiale nicht zu vergeuden, sondern zu erkennen und zu nutzen“ (Bun-desministerium für Bildung und Wissenschaft 1999: 4). Dem bildungsökonomischenDenken blieb der Erfolg in der BRD aber versagt. Die Bürgerrechte lassen eine staatli-che Bildungsplanung nicht zu.

Wir untersuchen im ersten Abschnitt unseres Vergleichs, wie die Bildungspolitik,die Bildungsorientierungen der Schüler und die Bildungsforschung die normativen Be-griffe des Qualifikationsbedarfs beziehungsweise des Bildungsinteresses zum Ausdruckbringen (vgl. dazu Abschnitt II „Bildungsplanung und Bildungsfreiheit“).

Der Glaube an objektive Notwendigkeiten beziehungsweise an die Bürgerrechtewird auch in der Arbeitsorganisation wirksam. Die bildungsökonomische Forschunghat dem wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Zumeist geht sie ebenfalls von dem Credoaus, die Arbeitsorganisation werde von ungesellschaftlichen Sachzwängen determiniert.Weiter unten ist davon noch ausführlicher die Rede. Es gibt jedoch daneben auchtheoretische Ansätze, die ähnlich wie der Neoinstitutionalismus nach den normativenGrundlagen von Bildung und Arbeit fragen. Sie ziehen die gesellschaftlichen Bedin-gungen in Betracht, die dem Verhältnis zwischen Bildung und Arbeit Struktur verlei-hen, also zum Beispiel den beruflichen Korporatismus, die Arbeits- und Sozialgesetzge-bung, und vor allem den Einfluss des Angebots auf die Nachfrage nach Hochschulab-solventen (Armbruster et al. 1971; Hartung et al. 1970; Teichler und Teichler-Urata1975; Tessaring und Werner 1975; Sorge 1983; Lutz 1976). An diese theoretischen

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Perspektiven schließen wir an, wenn wir die Arbeitsverhältnisse der Hochschulabsol-venten untersuchen, die sich in Ost und West herausgebildet haben.

In der DDR entwickelte sich die Sozialkategorie der Intelligenz. Die Intelligenzsollte die unterstellten objektiven Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung exekutie-ren. Das implizierte, dass sie über die Arbeiter und die übrigen Angestellten gleichsamwie über dingliche Ressourcen verfügen sollte. Diese versachlichte Herrschaft provo-zierte gesellschaftliche Konflikte, in denen die Intelligenz schließlich unterlag. Mit ihrverloren auch die Hochschulen ihre gesellschaftliche Bedeutung und wurden reduziert.Die Hochschulabsolventen haben auch im Westen teil an Verhältnissen unpersönlicherSachlichkeit. Aber anders als in der DDR gelten die Kooperierenden hier immer auchals interessierte Subjekte. Sie können über Individualrechte verfügen und ihre Interes-sen geltend machen. Man darf das Ausmaß, in dem ihnen das tatsächlich auch gelingt,nicht überschätzen; es ist begrenzt. Aber in dem Maße, in dem diese Rechte an Wirk-samkeit gewinnen, entstehen an Stelle der versachlichten bürokratischen Kooperations-verhältnisse solche intersubjektiver Anerkennung. Wir beschreiben diese Entwicklungim Anschluss an Parsons als Professionalisierung (Parsons 1968, 1971a, 1971b; Parsonsund Platt 1973). Der Professionalismus findet in der Demokratisierung der Gesell-schaft eine Stütze und ebenso in der Transformation der einstmals exklusiven Hoch-schulen zu Masseneinrichtungen. Demokratie, Universität und Professionalismus sindAusdruck des gleichen individualistischen Wertmusters. Es lässt die Bildung an derUniversität zum Inhalt eines allgemeinen Interesses werden und begünstigt ihre Expan-sion. Das wird dargelegt in Abschnitt III „Hochschulexpansion, Intelligenz und Professio-nalismus“.

II. Bildungsplanung und Bildungsfreiheit

1. Bildungspolitik und individuelle Bildungsorientierungen

Die Hochschulen in der DDR expandierten in den 50er und 60er Jahren dramatisch.Die Studentenquoten übertrafen schon bald diejenigen in der BRD (vgl. Abbildung 1).

Diese Entwicklung vollzog sich jedoch nicht auf der Grundlage der Bildungs- undAusbildungsfreiheit. Man war von der Beobachtung ausgegangen, dass das formaleBürgerrecht auf Bildung die schichtenspezifische Ungleichheit der Bildungsmöglichkei-ten nicht hatte verhindern können, sondern die Funktion der Bildung als „Mittel derRangbehauptung nur bestätigt“ habe. Deshalb hänge von der Entscheidung „zwischender prinzipiellen Ausrichtung auf die formale Demokratie und der auf eine Demokra-tie der wirklichen Mehrheit des Volkes“ der Charakter der sozialistischen Demokratieab; so heißt es in einer Erörterung des „Gesetz(es) zur Demokratisierung der Deut-schen Schule“ von 1946 (Die Demokratisierung der Deutschen Schule 1946: 5ff.).Man ergriff administrative Mittel, um Arbeiter- und Bauernkinder zur Aufnahme einesStudiums zu bewegen und die Kinder verschiedener anderer sozialer Gruppen davonabzuhalten. Mit der Selektion verband sich alsbald auch das Interesse, gesinnungstreueKader an die Stelle des Bildungsbürgertums zu rücken, das sich im Nationalsozialismus

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kompromittiert hatte oder aus anderen Gründen unliebsam geworden war (Lenhardtund Stock 1997).

In der Hochschulpolitik spielte von Anfang an noch ein weiteres antiindividualisti-sches Motiv eine Rolle. Man unterstellte, der wirtschaftlich-technische Fortschritt er-fordere ein Mehr an hochqualifizierten Arbeitskräften: Wissenschaftliche Forschungund Entwicklung entdeckten immer mehr Naturgesetze und verkörperten sie in dentechnischen Anlagen und der Arbeitsorganisation, die hinwiederum einen beruflichenQualifikationsbedarf der Gesellschaft festlegten. Diesen hätten Bildungspolitik und Bil-dungssystem zu bedienen. Letztlich legen demnach Naturgesetze die Entwicklung vonGesellschaft, Kultur und Bildung fest. Die Gesellschaft wird hier also als ein totalitäresSystem von Sachzwängen verstanden, dem sich alle zu fügen hätten. Dem objektivNotwendigen gegenüber sollten die individuellen Bildungsinteressen kein eigenes Rechthaben; Berücksichtigung sollten sie nur finden, wenn sie mit dem unterstellten gesell-schaftlichen Qualifikationsbedarf übereinstimmten. Bildungs- und Ausbildungsfreiheitgalten deswegen nicht. Diese Ordnungsvorstellungen wurden in der Selbstdarstellungder Hochschulpolitik geltend gemacht und auch in zahlreichen wissenschaftlichen Pu-blikationen, zum Beispiel in den beiden Protokollbänden einer Konferenz, auf der sichkurz vor der Auflösung des Ostblocks die führenden Bildungsökonomen der sozialisti-schen Länder trafen (Institut für Ökonomie und Planung 1988). Fragt man nach denhistorischen Wurzeln dieses bildungsökonomischen Materialismus, stößt man auf denaufgeklärten Absolutismus. Die Vorstellung des gesellschaftlichen Qualifikationsbedarfsund entsprechender Qualifikationskrisen ist seit dem 19. Jahrhundert ein stabiles Mo-tiv bildungspolitischer Diskussionen in Deutschland. McClelland erkennt darin eineSchwäche der bürgerlichen Kultur. Er weist darauf hin, dass bis heute „ein Begriff wie

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Abbildung 1: Studienanfängerquoten 1955–1989 – BRD und DDR

Datenquelle: Arbeitsgruppe Bildungsbericht amMax-Planck-Institut für Bildungsforschung: DasBildungswesen in der Bundesrepublblik Deutsch-land. Reinbek b. Hamburg 1994, S. 655.

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,Qualifikationskrise‘ in Großbritannien und erst recht in den USA schwer übersetzbar“bleibt (McClelland 1985: 240).

Bis 1971 folgte die staatssozialistische Hochschulpolitik einem bildungsökonomi-schen Enthusiasmus, der weltweit verbreitet war. In der DDR war er mit dem „NeuenÖkonomischen System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“ (NÖS) verbun-den. Das NÖS war 1963 auf dem VI. Parteitag der SED verabschiedet worden undsollte die wissenschaftlich-technische Revolution beschleunigen. Ihr entspreche eine„allgemein gültige Tendenz der steigenden Qualifikationshöhe“ (Knauer 1967: 34;Sachse 1965). Bildung und Ausbildung müssten also ausgeweitet und zugleich stärkerauf ökonomischen Nutzen ausgerichtet werden. Die wissenschaftlich-technische Revo-lution rücke „sowohl die Notwendigkeit als auch die Möglichkeit in den Mittelpunkt,die ökonomische Funktion der Bildung rasch zu verstärken“ (Körner und Schröder1968: 115). Margot Honecker, Ministerin für Volksbildung, brachte die sprachlichmühsame Diskussion auf die griffige Formel der „Einheit von Ökonomie und Bil-dung“. Ähnlich wie in den meisten anderen Staaten in Ost und West ergab sich auchin der DDR eine Periode expansiver Hochschulpolitik (Ramirez und Riddle 1991).Die Zahl der Neuzulassungen zum Hochschulstudium verdoppelte sich zwischen 1963und 1971. Die altersspezifischen Quoten der Neuimmatrikulierten stiegen zwischen1958 und 1970 von sieben Prozent auf 19 Prozent (Arbeitsgruppe Bildungsbericht1994: 655). Sprunghaft wuchs auch die Zahl der Fachschulstudenten. Dabei erlangtendie produktionstechnisch ausgerichteten Studiengänge das Übergewicht. Hier warenMitte der 60er Jahre etwa 70 Prozent der Studierenden immatrikuliert (Wolter undKörner, Bd. 1, 1994).

Dann wurde der Hochschulzugang im Namen des gesellschaftlichen Qualifikations-bedarfs jedoch massiv eingeschränkt. Margot Honecker verkündete auf dem VIII. Par-teitag der SED: „Manche Formulierungen in unserer Propaganda erweckten zeitweiligden Eindruck, als müsste unsere Schule die Jugend in erster Linie auf das Studium inden Hoch- und Fachschulen vorbereiten“ (Bericht des ZK der SED 1971: 79). Statt-dessen sollte die Bildung von jetzt an „ihrer Verantwortung für die Vorbereitung eineshochqualifizierten Facharbeiternachwuchses noch besser gerecht werden“ (ebd.: 91).Betrug die Studienanfängerquote der entsprechenden Altersjahrgänge 1970 noch fast19 Prozent, so wurde sie in den folgenden drei Jahren auf 12,6 Prozent reduziert.Auch absolut ging die Anzahl der Neuzulassungen zurück. Sie verringerte sich um einViertel (Statistisches Jahrbuch 1979: 297). Die hochschulpolitische Wende wirkte sichzunächst am stärksten bei den Fernstudienplätzen aus. Hier sank die Anzahl der Neu-zulassungen von 1971 bis 1973 um fast die Hälfte (Wahse und Schäfer 1990).

Möglich war diese restriktive Politik, weil die Schüler beziehungsweise ihre Elternauf individuellen Bildungsinteressen nicht bestanden. Die staatssozialistische Ordnunghatte ihnen dazu wenig Veranlassung geboten. Sie hatte die Bildungs- und Ausbil-dungsfreiheit ausgeschlossen, die ja nicht nur ein Recht ist, sondern den Einzelnenstets auch mit der Herausforderung eigenverantwortlichen Handelns konfrontiert. Hin-zu kam die sozialistische Gleichheitsnorm. Im Westen bedeutet Gleichheit bekanntlichChancengleichheit. Sie soll es dem Einzelnen ermöglichen, geschützt gegen leistungs-fremde Behinderung etwas aus sich zu machen; sie impliziert also ebenfalls die Auffor-derung zu autonomem Verhalten. Der Staatssozialismus war dagegen von der Beobach-

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tung ausgegangen, dass sich die formalen Freiheiten der bürgerlichen Demokratie inmateriale Ungleichheit und Fremdbestimmung ummünzen. Um dem entgegenzuwir-ken, zielte die sozialistische Gleichheitsnorm auf die Gleichheit der materiellen Lebens-bedingungen. Aber diese Gleichheit unterbot die Möglichkeiten autonomen Verhal-tens, die die bürgerliche Ordnung dem Einzelnen eröffnet. Die Lebensbedingungenwaren zwar vergleichsweise egalitär, sie waren aber auch uniform. Anstatt frei darüberverfügen zu können, wurden die Einzelnen zwangsweise damit identifiziert. Der Staats-sozialismus fiel insofern auf eine Art Standesordnung zurück, die an traditionale Ver-hältnisse denken lässt. Verändert waren lediglich die Rangfolge der Stände und derenLegitimation. So wurden der proletarischen Klassenlage und den Arbeitern besondereTugenden zugeschrieben. Sie standen im Ruf der führenden und vorbildlichen gesell-schaftlichen Klasse, ohne Ansehen der Person. Per Abstammung schienen selbst die Ar-beiterkinder noch an der kulturellen Überlegenheit zu partizipieren, die mit der prole-tarischen Klassenzugehörigkeit verbürgt schien. In ihrer Privilegierung beim Zugangzur weiterführenden Bildung fand das proletarische Abstammungsprestige bildungspoli-tischen Ausdruck. Die Identifikation von Person und Klassenlage stand Versuchen ei-ner autonomen Bildungs- und Lebensplanung entgegen; sie legte eher den Wunschnach der sprichwörtlichen Geborgenheit nahe. Hinzu kam, dass wegen der Uniformitätder Lebensverhältnisse mit sozialem Aufstieg nur wenig zu gewinnen war (Stephan undWiedemann 1990); zugleich war er riskant, denn die Übernahme verantwortungsvolle-rer Tätigkeiten implizierte schwer kalkulierbare Konformitätserwartungen und Konflik-te (Kern und Land 1991; Fritze 1993). Es lag also nah, sich im Erreichten einzurich-ten.

In der BRD entwickelten sich Bildungspolitik und Bildungsorientierungen anders.Die weiterführende Bildung expandierte zunächst langsamer als in der DDR. Ihre Ex-pansion wurde durch die Bildungspolitik unterstützt, zum Beispiel durch die Einfüh-rung der Schulgeldfreiheit in den 50er Jahren; sie wurde aber auch behindert. Die Alli-ierten, auch die westlichen, hatten sich in ihren Besatzungszonen für gestufte Einheits-schulen engagiert. Nach der Wiedererlangung der bildungspolitischen Souveränitätwandte sich die Bildungspolitik jedoch der Restauration des dreigliedrigen Bildungssys-tems zu, auch wenn nicht alle Bundesländer die Idee der Einheitsschule völlig aufga-ben. Für die Mehrheit der jungen Leute kam eine Hochschulbildung buchstäblichnicht in Frage. Gegen die Verallgemeinerung der wissenschaftlichen Bildung war vorallem das Bildungsbürgertum eingetreten, nicht zuletzt die Sachwalter der Universitä-ten und die organisierte Gymnasiallehrerschaft. Das Bildungsbürgertum verstand seineeigene Kultur nicht als eine universalistische und mithin vorbildliche, sondern als eineständische, deren Exklusivität zu verteidigen sei. Hier waren noch die Reste feudalerTraditionen lebendig (Becker 1989; von Friedeburg 1993). Die restaurative Bildungs-politik war erfolgreich, weil damals auch in den anderen sozialen Schichten ständischeBildungsorientierungen dominierten. Das traditionale Muster der Statusvererbung lagder Mehrheit zunächst noch näher als der bürgerliche Gedanke an die eigenverantwort-liche Gestaltung einer Bildungs- und Berufskarriere.

Den damals herrschenden Geist hatte der Deutsche Ausschuß für das Erziehungs-und Bildungswesen, ein honoratiorendemokratisches Beratungsgremium der Bildungs-politik, zu Beginn der 60er Jahre folgendermaßen zusammengefasst: „Man ist bestrebt,

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den gegenwärtigen Schulaufbau zu erhalten und macht dafür geltend, er habe sich be-währt. Die Dreiteilung in höhere Schulen, Volksschulen und Mittelschulen entsprächeden drei Hauptschichten der Berufe, die sich im modernen Leben herausgebildet hät-ten: einer geistig führenden, einer ausführenden und einer dazwischen vermittelndenSchicht praktischer Berufe mit erhöhter Verantwortung. Die Dreiteilung werde auchden drei Haupttypen der Begabung gerecht: einem theoretischen, einem praktischenund einem theoretisch-praktischen Typ“ (Deutscher Ausschuß für Erziehung und Bil-dungswesen 1963: 9).

Diesem neokonservativen Materialismus trat in den 60er Jahren ein progressiverentgegen. In seiner berühmt gewordenen Schrift „Die deutsche Bildungskatastrophe“argumentierte Georg Picht: „Die Zahl der Abiturienten bezeichnet das geistige Potenti-al eines Volkes. Von dem geistigen Potential sind in der modernen Welt die Konkur-renzfähigkeit der Wirtschaft, die Höhe des Sozialprodukts und die politische Stellungabhängig“ (Picht 1965: 17). Dass die Abiturienten das geistige Potential eines Volkesseien, hatte man zwar auch schon früher geglaubt. Man hatte dabei aber an einenStand gedacht, dessen Bildung auf Distanz zu den technischen und wirtschaftlichenLebensnotwendigkeiten hielt. Dagegen wurde Bildung jetzt ähnlich wie in der DDRals wirtschaftliche Produktivkraft definiert. Unter den politischen Parteien war selbstdie CDU/CSU für eine Weile von der ökonomischen Notwendigkeit einer expansivenBildungspolitik überzeugt. So führte man im konservativen Bayern an allen Volks- undhöheren Schulen Erhebungen durch, um die Begabungsreserven wissenschaftlich zuprospektieren. Die so gewonnen Einsichten wurden umgesetzt in ein „Sofortprogrammzur Ausschöpfung der Begabungsreserven“. Es entstanden ein Schulentwicklungsplan,Bildungswerbung, Begabtenförderung und staatliche finanzielle Beihilfen für bedürftigeSchüler. Ähnliches vollzog sich im konservativen Baden-Württemberg, von den sozial-demokratisch geführten Ländern zu schweigen (Kultusministerkonferenz der Länder1965; von Friedeburg 1993).

Der bildungsökonomische Materialismus erlangte in der BRD aber nur eine be-grenzte Bedeutung. Hier setzten sich stattdessen normative Vorstellungen durch, diesich in dem damals ebenfalls berühmt gewordenen Titel Dahrendorfs „Bildung ist Bür-gerrecht“ zusammenfassen lassen. Dahrendorf hatte gegen den bildungsökonomischenMaterialismus argumentiert: „Es gibt keine unausweichliche Kraft sozialer Entwick-lung, der sich die Bildungspolitik nicht entziehen ... könnte“ (Dahrendorf 1965: 15).Er formulierte Forderungen zur gesellschaftlichen Modernisierung, die gegen techno-kratische Ordnungsvorstellungen zielten, die das bildungsökonomische Denken kenn-zeichnen. „Mit der Bereitschaft zu einer Bildungspolitik für die Verwirklichung desRechts auf Teilnahme aller Bürger an der Bildung entscheidet sich für Deutschlandmit dem Weg in die Modernität auch der in die Freiheit“ (ebd.: 25). Diese beschwö-rende Feststellung kann man durchaus wörtlich nehmen. Das wird deutlich, vergegen-wärtigt man sich das Verhältnis zwischen Individuum, Gesellschaft und Natur, das diebürgerliche Demokratie konzeptualisiert. Im Mittelpunkt steht hier nicht der Begriffdes gesellschaftlichen Qualifikationsbedarfs, sondern derjenige des individuellen Bil-dungsinteresses. Entsprechend gilt die Gesellschaft nicht als ein System von Sachzwän-gen, sondern als eine normative Ordnung. Diese Ordnung soll freie Vertragsbeziehun-gen und Demokratie begründen und damit bürgerliche Autonomie. Hier unterstellt

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man schließlich auch ein anderes Verhältnis zwischen Natur und Gesellschaft. Natur-gesetze gelten nicht als ein alles determinierendes Zwangssystem, sondern als eine Vor-aussetzung unabhängigen Handelns. Weil die natürlichen Handlungsbedingungen alsberechenbar gelten, erscheint autonomes Verhalten als möglich. Diese Möglichkeitreicht um so weiter, je weiter mit der technischen Rationalisierung die Widerständehinausgeschoben werden, die eine schmale technische Basis der Realisierung normati-ver Ordnungsvorstellungen entgegensetzt. Dieser Auffassung zufolge determiniert dertechnische Fortschritt die Lebenspraxis also um so weniger, je größer das technischeund organisationstechnische Potential der Gesellschaft ist. Bildung zielt hier auf unab-hängige Bürger, deren Autonomie technische Kompetenz einschließt. Hier gilt alsoauch die Auffassung: Je gebildeter die Einzelnen, um so zivilisierter das Ganze.

Diesen Ordnungsvorstellungen stehen im Alltag zwar Widerstände entgegen, sie ha-ben jedoch so viel sozialen Rückhalt gewonnen, dass eine staatliche Bewirtschaftungder Bildung ausgeschlossen ist. Bereits in den 50er Jahren hatte das Bundesverwal-tungsgericht für die Bildungsfreiheit entschieden. Es erklärte die sogenannte positiveAuslese der Schüler durch die Schule für unzulässig, mit der man die Expansion derweiterführenden Bildung und die Gleichheit der Bildungschancen befördern wollte.Die Schule darf danach Schüler nicht zu bestimmten Schulformen delegieren; sie darfihnen lediglich den Zutritt dazu verweigern, wenn sie den dortigen Leistungsansprü-chen nicht genügen. Von dieser Restriktion abgesehen, soll ihre Bildungskarriere Sachefreier Entscheidung sein (Laaser 1980: 1355f.).

Die Bildungsfreiheit erfuhr abermals eine Unterstützung durch die Rechtsprechung,als man rechts der politischen Mitte zu den überkommenen pessimistischeren Vorstel-lungen vom Zusammenhang zwischen Bildung und wirtschaftlichen Sachzwängen zu-rückkehrte. So wollte zum Beispiel der hessische CDU-Kultusminister Wagner in den70er Jahren die Expansion der weiterführenden Bildung durch eine Reorganisation derSchulempfehlungen beim Übergang in die Sekundarstufe einschränken. Die Mittel, diedazu aufgeboten wurden, waren alles andere als radikal, und ein Vergleich mit derDDR wäre verfehlt. Sie provozierten aber dennoch den Widerstand der Schüler undEltern. Immer mehr von ihnen hatten sich bürgerliche Lebensorientierungen zu Eigengemacht. Sie wollten mit Hilfe der Schule Arbeitsplätze erlangen, wo man von sichselbst etwas geltend machen kann und persönliche Anerkennung findet, wo Arbeits-platzsicherheit eine verlässliche Lebensplanung ermöglicht, und wo das EinkommenSpielräume für eine freizügigere Lebensführung gewährt. Die traditionale Statusverer-bung, bei der sich der Einzelne fraglos in Rang und Stand der Eltern fügt, hatte anÜberzeugungskraft verloren. Die restriktive Bildungspolitik wurde schließlich gericht-lich untersagt (vgl. dazu Fuchs 1989). Unmittelbar auf die Hochschulen bezogen wa-ren die Numerus clausus-Urteile des Bundesverfassungsgerichtes von 1972 und 1977.Sie machten das Bürgerrecht auf Bildung zur Richtschnur der Hochschulpolitik. DieBegrenzung der individuellen Bildungsnachfrage im Namen eines gesellschaftlichenQualifikationsbedarfs ist danach verfassungswidrig (Oehler 1989: 37; Peisert 1990:395). Die Hochschulplanung versuchte zwar, der Nachfrage nach Arbeitskräften Rech-nung zu tragen, aber „letztlich setzte sich die Nachfrage nach weiterführender Ausbil-dung durch“ (Oehler 1989: 86). So expandierte die Hochschulbildung, auch wenn die

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Studienanfängerquoten in der BRD gegenwärtig hinter denen in den USA, Frankreich,Großbritannien, Dänemark und den Niederlanden her hinken (OECD 1998: 175).

Die Nachfrage nach einer Hochschulbildung hatte sich ohne bildungsökonomischeSteuerung vervielfacht. Anders als befürchtet hat sie jedoch kein akademisches Proleta-riat entstehen lassen. Die Arbeitslosenquote der Hochschulabsolventen beträgt seit jenur einen Bruchteil der durchschnittlichen. Anders als befürchtet, erwiesen sich die Be-gabungen des deutschen Volkes auch nicht als bildungsresistent. Dass das Niveau derHochschulbildung unter der Bildungsexpansion gelitten hätte, lässt sich wissenschaft-lich nicht bestätigen. Eine eingehende Bestandsaufnahme von Leistungstests, die In-genkamp in den 80er Jahren angestellt hat, kommt zu dem Ergebnis: Die „wenigen,methodisch zumeist unzureichenden Untersuchungen können die häufig geäußertenKlagen über den Leistungsabfall weder stützen noch widerlegen“ (Ingenkamp 1986: 1).Mit Daten des Statistischen Bundesamtes hat Köhler (1992) untersucht, ob die neuenKategorien von Studenten, denen sich die Hochschulexpansion vor allem verdankt,häufiger das Studium abbrechen als diejenigen, denen ein Studium schon immer nahelag. Bekanntlich geht die Hochschulexpansion vor allem auf die zunehmende Zahlweiblicher Studierender zurück; sie bilden an den Universitäten heute die Mehrheit.Des Weiteren haben Studierende aus der Arbeiterschicht wesentlich zur Hochschulex-pansion beigetragen. Wie Köhler zeigt, sind weder weibliche Studierende noch solcheaus der Arbeiterschicht unter den Studienabbrechern überrepräsentiert. Man kann dar-aus folgern, dass es ihnen an Studierfähigkeit nicht fehlt, und dass sie folglich auchnicht das Leistungsniveau der Hochschulen in Gefahr bringen. Der Verallgemeinerungder wissenschaftlichen Bildung standen also weder die unterstellten Begabungen nochder unterstellte Arbeitskräftebedarf entgegen.

2. Bildungsforschung

Die Vorstellung des gesellschaftlichen Qualifikationsbedarfs findet eine Stütze auch inder Wissenschaft. Der skizzierten Bildungspolitik entspricht in der Bildungsforschungder Versuch, den imaginierten Qualifikationsbedarf zu ,sehen, um vorherzusehen‘. Inder DDR sollte sich die Forschung „auf die objektive Seite der Bildungsbedürfnisent-wicklung und -befriedigung, das heißt auf die gesellschaftlichen Erfordernisse konzen-trieren“ (Burkhardt und Feierabend 1988: 2). Das tat sie auch. Der materialistischeCharakter, der jener „objektiven Seite“ zugeschrieben wurde, kommt anschaulich inden internationalen Bildungsvergleichen zum Ausdruck, mit denen Hinweise auf bil-dungspolitische Notwendigkeiten gewonnen werden sollten. Verglichen wurden Gesell-schaften, gleichviel ob es bürgerlich demokratische oder staatssozialistische waren. Vonderen Sozialordnung wurde abstrahiert, weil es bei der Bestimmung des als rein sach-lich vorgestellten Qualifikationsbedarfs eben darauf nicht anzukommen schien.

Als Beispiel sei eine Kritik der bildungspolitischen Wende von Hansgünter Meyerzitiert: „Die Schlußfolgerung, in der DDR wäre die Frequenz der Fach- und Hoch-schulbildung zu hoch gewesen, muß mit Blick auf die Verhältnisse in der BRD ver-neint werden“ (H. Meyer 1990: 23). „Die strategische Absicht, einen Bildungsvorlaufvor den technischen Entwicklungen zu schaffen, war zunächst völlig richtig; ... Die

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Fehlentwicklung lag darin, daß ab Mitte der 70er Jahre das verheerende Zurückbleibender DDR hinter dem westlichen technischen Fortschritt einsetzte“ (ebd.: 27).

Andere Bildungswissenschaftler waren demgegenüber zu der Auffassung gelangt, derobjektive Qualifikationsbedarf verbiete eine Expansion der weiterführenden Bildung(zum Beispiel Maier 1977: 37). Unter Berufung auf objektive Notwendigkeiten undwissenschaftliche Autorität wurden wie selbstverständlich bildungspolitische Forderun-gen aufgestellt (vgl. auch Institut für Ökonomie und Planung 1988; Ludwig, Maierund Wahse 1972; Wolter 1977a und b; Burkhardt und Feierabend 1988; Meyer 1990;Wolter und Körner, Bd. I und II, 1994 und die hier genannte Literatur). Diese Praxiszielte im Effekt nicht nur gegen die Bildungs- und Ausbildungsfreiheit, sondern auchgegen demokratische Willensbildungsprozesse. An ihre Stelle trat der Datenaustauschzwischen den Experten in Bildungsforschung und Bildungsverwaltung. Konsequentes-ten Ausdruck fand der Objektivitätsglaube in der Geheimhaltung wissenschaftlicherDaten (Köhler 1999). Sie demonstrierte den Bürgern wie nichts sonst, dass sie inkom-petent sind und inkompetent sein sollen. So hat die an den Qualifikationsbedarf glau-bende Wissenschaft ihrem aufklärerischen Impetus zuwider zur Entmündigung derBürger beigetragen im Gleichklang mit der Herrschaftsordnung, die ihnen die Bürger-rechte verweigerte.

Wie nimmt sich demgegenüber die Hochschulforschung in der BRD aus? Währendder Reformperiode erfuhr die Bildungsforschung einen beispiellosen Aufschwung. Anden Universitäten wurden Lehrstühle für Bildungsökonomie eingerichtet. Die Zahl derBildungsforschungseinrichtungen, von denen sich viele auch bildungsökonomischenFragen widmeten, stieg von 18 im Jahr 1967 auf 29 in 1975 (Hüfner et al. 1986).„Beziehungen zwischen Hochschule und Beruf sind zweifellos in der Forschung überHochschulfragen in der BRD eines der am häufigsten behandelten Themen“ (Teichler1984: 193). Bevorzugt wurden theoretische Ansätze, die die Nachfrage nach Arbeits-kräften und ihre Entwicklung als schicksalhaft hinzunehmenden Sachzwang konzipie-ren. „In der Bundesrepublik Deutschland überwog – ähnlich wie in den osteuropäi-schen Ländern – das Interesse, den Arbeitskräftebedarf nach der voraussichtlichenWirtschaftsentwicklung einzuschätzen und in der Hochschulplanung zu berücksichti-gen“ (Teichler 1995: 64). Anders als in der DDR entsprach diesem Forschungsinteres-se in der außerwissenschaftlichen Praxis jedoch wenig. Wegen der Bildungs- und Aus-bildungsfreiheit darf die Politik dem imaginierten Qualifikationsbedarf nicht folgen,und die Bürger müssen es nicht.

Kehren wir noch einmal zur Bildungs- und Arbeitskräfteplanung in der DDR zu-rück. Gemessen an ihren Absichten war sie dysfunktional. Seit den frühen 60er Jahrenhatte es Versuche gegeben, den Bedarf an Fach- und Hochschulkadern zu prognostizie-ren und die Hochschulpolitik entsprechend zu instruieren (dazu Wolter 1977a:118ff.). Im Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen machte man aber die Erfah-rung, dass die einzelnen Bedarfsträger versuchten, „möglichst günstig die eigenen Be-dürfnisse abzudecken. Andererseits erhalten die Absolventen die Möglichkeit, sich beider Vermittlung die günstigsten Bedingungen auszusuchen. Beide Faktoren ... führenletztlich zu einer umfangreichen Negierung des Absolventenlenkungsplanes und ma-chen damit eine Planung zur Fiktion“ (Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen1966: 1). Und Wolter stellte fest: „In der Situation des Mangels an höher Qualifizier-

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ten regelten sich viele Probleme des Einsatzes gewissermaßen ,von selbst‘“ (Wolter1977a: 114). Nach Beendigung der sogenannten „Aufholephase“ der Hochschulent-wicklung im Jahre 1971 wurde damit begonnen, die Bewerbungen stärker an die fürdie einzelnen Fachrichtungen geplanten Studienplätze anzupassen.

Eingeführt wurde ein „zentraler Bewerberausgleich“ und „Umlenkungen“ der Stu-denten in andere, weniger nachgefragte Grundstudienrichtungen (Ministerium fürHoch- und Fachschulwesen 1971). An der ungleichmäßigen Erfüllung der Zulassungs-pläne änderte dies aber wenig. Dieser Zustand scheint auch in den 80er Jahren nichtüberwunden worden zu sein (Waterkamp 1987: 322). Rückblickend resümieren Wol-ter und Körner freimütig: „Es konnte nicht ausbleiben, daß es in diesem kompliziertenGeflecht gegenseitiger Abhängigkeiten und Beeinflussungen zu Widersprüchen kam,deren Bewältigung meist bedeutende Anstrengungen verlangte. Das führte oft zu Maß-nahmen im Bildungswesen, die überhaupt nicht aus langfristigen Zielen der Beschäfti-gungsstrategie zu erklären sind, sondern die letztlich Reaktionen auf entstandene Wi-dersprüche darstellten, deren letzte Ursachen zumeist auf ganz anderen Gebieten lagen“(Wolter und Körner, Bd. I, 1994: 40).

Es gelang auch in der Arbeitswelt nicht, das Angebot und den unterstellten Quali-fikationsbedarf auszugleichen. In den frühen 70er Jahren waren mehr als 50 Prozentder Hochschulabsolventen auf Arbeitsplätzen tätig, für die eine Fachschulbildung vor-ggesehen war, während über 40 Prozent der Arbeitsplätze für Hochschulkader mit denAbsolventen niedrigerer Ausbildungskategorien besetzt waren (Lötsch 1974 zitiert nachMeyer 1990). Wolter und Körner resümieren: „Das System der Planstellen (war) weit-gehend als Instrument zur Sicherung des rationellen Einsatzes qualifizierten Personalsunbrauchbar geworden“ (Wolter und Körner, Bd. I, 1994: 59). Die Bildungs- und Ar-beitskräfteplanung hat also weder vor noch nach 1971 geleistet, was man sich von ihrversprach (vgl. dazu auch Meyer 1990; Klinger 1990; Pietsch 1984; Baske 1984; Ryt-lewski 1990a und b; Schmidt 1982). Man kann sie folglich auch nicht aus der Sacheheraus erklären, um die es ihr gehen sollte. Nur in einer Hinsicht stimmten ihre Inten-tionen und Ergebnisse überein: in der Verweigerung der Bürgerrechte.

III. Hochschulexpansion, Intelligenz und Professionalismus

Ist die hochschulpolitische Wende in der DDR von 1971 und die folgende Stagnationder Hochschulentwicklung mit Bedarfsargumenten nicht zu erklären, dann ist nach al-ternativen Bestimmungsgründen zu suchen. Man stößt dann auf die Sozialkategorieder Intelligenz. Die Intelligenz repräsentiert eine wissenschaftliche Berufskultur mitpartikularistischen Orientierungen und stand in einem Gegensatz zu den ebenfalls par-tikularistischen Orientierungen der Arbeiter und der orthodoxen Fraktionen in Parteiund Massenorganisationen. Daraus entstanden Konflikte, in denen die Intelligenz undmit ihr die Hochschulen ihre gesellschaftliche Bedeutung einbüßten.

Die Hochschulexpansion war während der 60er Jahre Teil des „Neuen Ökonomi-schen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“ gewesen. Man stellte sichdie Gesellschaft jetzt als eine Einheit von Subsystemen vor, die spezifischen Eigenge-setzlichkeiten folgten. Denen sollte mit Hilfe der Wissenschaft besser als bisher ent-

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sprochen werden. Ökonomie, Wissenschaft und Bildung, die zuvor unter zentralisierterKontrolle stehen sollten, sollten jetzt ein gewisses Maß an Autonomie gewinnen. DieWissenschaft sollte sich als Produktivkraft entfalten und damit auch jene Institutionen,in denen sie vermehrt und verteilt wurde: die Hochschulen. Nicht nur den Ingenieur-und Naturwissenschaften war die Eigenschaft einer Produktivkraft zugesprochen wor-den, sondern auch den Sozialwissenschaften, den Planungs- und Leitungswissenschaf-ten usw.

Dem Inhalt nach bezogen sich diese wissenschaftlichen Leitungstechniken auf kapi-talistische Regelungen des Wirtschaftens. Diese wurden jedoch objektivistisch redefi-niert und zu Produktivkräften schlechthin erklärt. In einer knappen Formulierung vonMeyer kommt das anschaulich zum Ausdruck: Danach ist davon auszugehen, „daß dieGesetze der Ökonomie nicht einfach Menschenwerk sind, sondern Zwangsläufigkeitenim ökonomischen Verhalten der Menschen, die sich, verstanden oder unverstanden,,hinter ihrem Rücken durchsetzen‘. Insofern war das Ulbrichtsche ,entwickelte gesell-schaftliche System des Sozialismus‘ näher an Marx und seinem Verständnis volkswirt-schaftlicher Zusammenhänge“ (H. Meyer 1990: 21).

Ob Ulbricht ,näher an Marx‘ war als Honecker, braucht hier nicht geklärt zu wer-den, und auch nicht die Frage, was die unterstellten Gesetze der Ökonomie eigentlichtaten, als sie wie unter Honecker nicht wirkten. Mit der naturwissenschaftlichen Rede-finition der marxschen Kapitalismuskritik erhielten zahlreiche wissenschaftliche Diszi-plinen aber eine gewisse Entwicklungschance und mit ihnen die Einrichtungen der Bil-dung, die derartige Produktivkräfte bereitstellen sollten. „Die ,sozialistische Leitungs-wissenschaft‘, die Sozial-, Ingenieur- und Arbeitspsychologie, die Betriebs- und Indus-triesoziologie haben ebenso wie die sozialistische Betriebswirtschaftslehre der 60er Jahrein diesen frühen Auseinandersetzungen, in denen erstmals auf die Managementerfah-rung kapitalistischer Unternehmungen rekurriert wurde, ihre Wurzeln“ (Zimmermann1976: 43).

Die Kapitalrechnung, der die Betriebe näher gebracht werden sollten, ist, um esmit den Worten Max Webers zu sagen, „sozial an ,Betriebsdisziplin‘ und Appropria-tion der sachlichen Beschaffungsmittel, also: an den Bestand eines Herrschaftsverhält-nisses gebunden“ (Weber 1972: 58). Tatsächlich entstanden zum Beispiel eine striktereArbeitsnormierung und Lohnanreizsysteme, die immer auch Lohnkürzungssystemesind. Der Drei-Schichten-Betrieb nahm zu; hier und da wurde er sogar auf die Lehr-lingsausbildung ausgedehnt, um die Lehrlinge physisch und psychisch auf die Bedin-gungen der Schichtarbeit vorzubereiten, wie es hieß (Deppe und Hoß 1980). In derTschechoslowakei hatten die ganz ähnlich gerichteten Reformen der Dubïek-Ära sogarzu Massenarbeitslosigkeit geführt. Bei einer betrieblichen Praxis, die sich den Normender Kapitalrechnung nähert, ist das kaum vermeidbar. Nur wenn Betriebe auch inKonkurs gehen, und die Arbeiter entlassen werden können, erfahren die jeweils defi-nierten Kosten-Nutzen-Kalkulationen die Sanktionierung, die ihnen in der betriebli-chen Praxis Handlungswirksamkeit verleiht. Anders als in der ÏSSR hatte man sich inder DDR aber so weit nicht vorgewagt (Heidenreich 1991). Während die Besitzständeder Arbeiter attackiert wurden, wurde die Intelligenz in vielfältiger Weise privilegiert:Die Vergünstigungen reichten von ,Intelligenz-Tarifen‘ und einer gut dotierten Alters-

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versorgung bis zu Unterstützungen für den Bau von Privathäusern u.a.m. (H. Meyer1990: 16).

Die Intelligenz, die durch das Neue Ökonomische System einen Machtzuwachs er-fahren hatte, konkurrierte mit den politischen Eliten um Einfluss, aber sie machte sichvon ihnen auch abhängig (Zimmermann 1994). Denn wer, wenn nicht die politischenMächte und deren Apparate, hätte die Anpassung der Arbeiter an die unterstellten Ge-setzmäßigkeiten erzwingen können, auf die sich die Intelligenz berief. DemokratischeAuseinandersetzungen mussten ihr als entbehrlich, ja dysfunktional erscheinen, da siedie Sache, um die es ging, nicht als politische verstand, sondern letztlich als eine Na-turnotwendigkeit. So waren die Intelligenz und die politischen Mächte bis zum Endeder DDR vereint in Indifferenz oder Opposition gegenüber den Individualrechten(Meuschel 1992: 201). Was die Intelligenz als Implementierung objektiver Gesetzmä-ßigkeiten empfand, empfanden Arbeiter und Angestellte als Anschlag auf ihre Lebens-verhältnisse. Dagegen wehrten sie sich aus einer Stellung beachtlicher Stärke heraus.Sehr anschaulich kommt das in einer Darstellung von Lothar Fritze zum Ausdruck, dieder Autor selbst als ,wissenschaftlichen Erlebnisbericht‘ charakterisiert.

„Keine Betriebsleitung konnte es sich leisten, die sozialen Interessen der Belegschaftdauerhaft zu mißachten. Es muß zugestanden werden, daß gerade die Partei oftmalsihren Einfluß dahingehend geltend machte, daß die ökonomische Vernunft zugunstensozialer Komponenten zurückgestellt wurde. Die DDR war in der Tat komplizierter alses heute eine nicht selten anzutreffende Schwarz-Weiß-Malerei ahnen läßt. Die Be-hauptung der Parteiführung, ,alles zu tun für das Wohl des Volkes‘, war zwar in denParteidokumenten und in den stereotypen Reden zur Phrase verkommen, hatte abernicht jegliche handlungsorientierende Substanz eingebüßt. Ganz im Gegenteil, man istgerade auf dem Feld der sozialen Fragen zu einem Gefangenen der eigenen Ideologiegeworden“ (Fritze 1993: 198ff.).

In dieser Darstellung erkennt man zugleich das Gesellschaftsbild, dem die Sachwal-ter der ,ökonomischen Vernunft‘ im Sozialismus Wirksamkeit verschaffen wollten. Siestellten sich selbst in einen Gegensatz zu den Arbeitern und zu jenen Fraktionen derPartei, die deren Belangen auf paternalistische Weise Rechnung zu tragen versuchten.Das berührte auch die SED und die Massenorganisationen. Sie hatten sich in selbstle-gitimatorischer Absicht auf die Industriearbeiterschaft berufen, und deswegen wurde je-der Konflikt zwischen Partei und Arbeiterschaft zur Legitimationskrise. Das damit ver-bundene Konfliktpotential war hoch, denn die Regelung sehr vieler Lebensumständewar unter ihre Regie geraten. Folglich wurden sie auch für alles mögliche verantwort-lich gemacht. Unvergessen waren die innenpolitischen Turbulenzen der Dubïek-Ära inder ÏSSR, von deren außenpolitischen Folgen zu schweigen. Unvergessen waren auchdie Arbeiteraufstände des 17. Juni 1953, die durch Erhöhung der Arbeitsnormen aus-gelöst worden waren.

Das wurde auch auf dem VIII. Parteitag der SED 1971 diskutiert. Wenn dort vomzu vermehrenden Facharbeiternachwuchs die Rede war, dann war damit nicht einfachein Posten in einer bildungsökonomischen Bilanz gemeint. Der Begriff des Facharbei-ters ist hier als politischer Kampfbegriff zu verstehen, der gegen den politischen Auf-stieg der Intelligenz gerichtet war. Hager hatte gefordert, „die führende Rolle der Ar-beiterklasse“ sei zu stärken, und wies kritisch auf die „Existenz verschiedener kapitalis-

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tischer Überreste“ hin (Hager 1971: 1203ff.) In Begriffen, die eher an den westlichenMarxismus als an den Marxismus-Leninismus denken lassen, kritisierte Erich Honeckerdie „Fetischisierung der Wissenschaft als Hauptproduktivkraft“, „technokratischeTrends“, „Entideologisierung“, „die Übernahme von Problemlösungen aus kapitalisti-schen Ländern“ und paradoxerweise die „positivistische Unterwanderung der marxis-tisch-leninistischen Theorie“ (Förtsch 1988: 563).

Mit dem Sturz Ulbrichts durch Honecker wurde das Neue Ökonomische Systemdurch das Programm der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ abgelöst. Es be-günstigte die Arbeiter und minderte den Status der Intelligenz. Die Einkommensskala,die zugunsten der Intelligenz gestreckt worden war, wurde wieder nivelliert (Stephanund Wiedemann 1990). Zugleich wurde die Intelligenz um Einfluss gebracht, indemdie Wirtschaft rezentralisiert wurde: Die Kombinate wurden gebildet und Steuerungs-instrumente installiert (vgl. dazu und zur Wirtschaftsplanung insgesamt Ganßmann1993: 180ff.). Die zentral bilanzierten Positionen wurden drastisch vermehrt. Bis 1984wurden „für den Volkswirtschaftsplan von ca. 600 bilanzierenden Organen 4575MAK-Bilanzen (Material-, Ausrüstungs- und Konsumgüter-Bilanzen, d.A.) erarbeitet.Mit ca. 2200 Bilanzen ... wurde über drei Viertel der Produktion zentral entschieden“(C. Meyer 1987: 131f.). Kurz, die Politik orientierte sich wieder stärker am proletari-schen Egalitarismus und das bedingte, dass sie die Intelligenz um ihre gesellschaftlicheBedeutung brachte. Unter diesen soziokulturellen Verhältnissen entstand kein allgemei-nes gesellschaftliches Interesse, das die Expansion der Hochschulen hätte stützen kön-nen. Sie konnten und mussten reduziert werden.

Die Hochschulentwicklung in der BRD hat einen derartigen Rückschlag bislangnicht hinnehmen müssen. Das lag zum einen an der Bildungs- und Ausbildungsfrei-heit, die sich Schüler und Öffentlichkeit zu Eigen gemacht haben. Das ist bereits ge-zeigt worden. Hinzu kommt, dass sich die Berufskultur der Hochschulabsolventen inder BRD anders entwickelte als in der DDR. Zwar haben die Hochschulabsolventenauch im Westen teil an versachlichten Kooperationsbeziehungen, aber anders als in derDDR gelten die Kooperierenden hier zugleich auch als interessierte Subjekte. Sie verfü-gen über Rechte, um ihre Interessen zu vertreten. Diese Ordnung ermöglicht andereKonflikte und Konfliktlösungen als jene, zu denen sich die Intelligenz, die politischeOrthodoxie und die Arbeitnehmer in der DDR verstehen konnten. Diese Ordnung be-günstigte die Hochschulexpansion. Das soll zum Schluss erörtert werden. Wir gehendabei von Parsons’ Professionalisierungstheorie aus.

Parsons’ Professionalisierungstheorie expliziert Zusammenhänge zwischen Demokra-tie, Hochschule und Professionalismus. Alle drei stimmen in dem individualistischenWertmuster überein, das Parsons „associational pattern“ nennt (Parsons 1968, 1971aund b; Parsons und Platt 1973). Dieses Wertmuster wird durch prozedurale Regelngebildet, die eine argumentative Einlösung von Geltungsansprüchen ermöglichen sol-len. In den Hochschulen äußert es sich in der akademischen Freiheit, in der Gesell-schaft in den Bürgerrechten und in der Arbeitswelt im Professionalismus. In allen dreiHinsichten weitet sich das individualistische Wertmuster aus: Die Hochschulexpansionverallgemeinert die Erfahrung akademischer Freiheit, die Demokratisierung der Gesell-schaft verschafft den Bürgerrechten größere Wirksamkeit, und die Professionalisierungersetzt bürokratische Abhängigkeit durch horizontale Kooperation.

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„The academic world is one of several areas in modern society where proceduralrules have been institutionalized and in which one is offered conditions for learningthem. Procedural rules take many forms, but a common one is embodied in the prin-ciple of academic freedom. This principle offers special protection for expressing opi-nions, and this protection is universalized for all participants. At the same time it isnecessary to observe cognitive standards. The right to criticize claims to cognitive vali-dity of a point of view is balanced by an obligation to cite evidence to substantiate thechallenge“ (Parsons und Platt 1973: 199).

Die akademische Freiheit ist mit den Bürgerrechten geistesverwandt: „The modernuniversity has an affinity with liberal democracy with its pluralization of legitimate po-litical affiliations. ... rights of the citizen in liberal democratic societies are closely con-nected with academic freedom, which is the right to conduct cognitive exploration andcommunication with minimal preimposed constraints“ (Parsons und Platt 1973: 293).

Diese Geistesverwandtschaft von akademischer Freiheit und Demokratie zeigt sichin der Hochschulentwicklung der beiden deutschen Staaten. In der BRD wurden Uni-versitäten als Institutionen akademischer Freiheit gegründet, und zwar mehr als in ganzDeutschland seit 1810, dem Gründungsjahr der Berliner Universität. Zugleich gewanndie akademische Freiheit durch Hochschulreformen und durch die allgemeine kulturel-le Liberalisierung an Wirksamkeit. In der DDR war dagegen nicht eine einzige neueUniversität entstanden. Man folgte vielmehr der absolutistischen Hochschultraditionund baute das Fachschulwesen aus. Darüber hinaus verlieh man den bestehenden Uni-versitäten Fachschulcharakter, indem man ihnen die akademische Freiheit nahm (Ell-wein 1997: 312ff.; zu Demokratie und Universität: Benavot 1996).

Mit der Durchsetzung der akademischen Freiheit und der Expansion der Universi-täten erfährt das individualistische Wertmuster eine Stütze und dringt auch in die Ar-beitswelt ein. Die Berufskultur, die dabei entsteht, ist diejenige des Professionalismus.Parsons konzipiert den Begriff des Professionalismus als Gegenbegriff zu Webers Be-griff des Fachmenschentums: „For the applied professions, this implies an effect, bothon the associational character of professional groups themselves and ... between practi-tioners of the professions and their clients. In this context, the concept of ,association‘is quite different from that of bureaucratic hierarchy“ (Parsons und Platt 1973: 261).Schon in seinen frühen organisationssoziologischen Arbeiten war er davon ausgegan-gen, dass sich dieses normative Muster im Ergebnis der Hochschulexpansion auch inden Betrieben durchsetzt. Das Management, so Parsons, befiehlt den Professionellennicht, wie es bürokratischem Geist entspräche, und es nimmt andererseits von ihnenauch nicht technische Handlungsanweisungen entgegen, wie es technokratischen Ord-nungsvorstellungen entspräche. Das Management kann nur in Ansehung der Hand-lungsmöglichkeiten herausfinden, worin sein Anliegen im wörtlichsten Sinne bestehenkönnte. Dazu bedarf es der Professionellen. Deren Kompetenz besteht darin, sich aufdiese Anliegen einlassen zu können und entsprechende Möglichkeiten zu entwickeln;sie besteht nicht im Wissen um festliegende technische Lösungen. Worin das Problemund seine Lösung bestehen könnte, können beide also nur ermitteln durch Verständi-gung über die Ziele, Möglichkeiten und Kontextbedingungen, sachlicher, sozialer undkultureller. „A decision is arrived at not by the executive’s deciding in the light of theexpert’s advice but by a process of weighing the considerations for which each is re-

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sponsible and then reaching some kind of a balance of agreement“ (Parsons 1964b: 67).Die Unternehmen nähern sich damit der normativen Vorstellung einer „company ofequals“ (Parsons und Platt 1973: 261; Parsons 1964a: 66). „By associational we meancollectivities in which the focus is not on ,effectiveness‘ in the attainment of specificgoals, but is on the institutionalized ,rights‘ of membership and procedures integratinginterests and for arriving at collective decisions and commitments. In associational col-lectivities there is an egalitarian strain which stands in contrast to the hierarchical emp-hasis of bureaucracies“ (Parsons und Platt 1968: 4).

Parsons’ Überlegungen zur Professionalisierung lesen sich wie ein frühes Manifestder Managementliteratur der 90er Jahre. Danach kooperieren Arbeiter, Manager undProfessionelle mehr und mehr in Gleichberechtigung und Autonomie entsprechend dernormativen Figur von „citizenship“. Sie agieren in einer „democratic corporation“, soeine zugespitzte Formulierung von Ackoff (1994) in einer der auflagenstärksten Publi-kationen der Managementliteratur. Verwandte Thesen werden auch in der neuen Or-ganisationssoziologie untersucht (Russel 1993). Schlüsselbegriff ist hier derjenige des„technician“, der seine berufliche Kompetenz in den Bezügen horizontaler Arbeitstei-lung entfaltet (Barley 1996 und die hier erörterte Literatur; sowie Barley und Orr1997). Beim Begriff des technicians ist mitgedacht, dass das individualistische Wert-muster die bürokratische Fremdbestimmung der Arbeit aufhebt und damit die unqua-lifizierten Tätigkeiten beseitigt. An derartige Befunde schließen Theorien gesamtgesell-schaftlicher Entwicklung an (Block 1990; Appelbaum und Batt 1994). Ihnen zufolgewird der normative Gehalt der Demokratie zunehmend auch in der Sphäre der Arbeitverankert. Amerika sei auf dem Wege zu einer „more democratic economy“ (Bellah etal. 1992: 105). In Deutschland werden ähnliche Befunde unter den Begriffen der sub-jektiven Modernisierung (Heidenreich 1996) und der „systemischen Rationalisierung“(Baethge und Oberbeck 1986) zum Thema. Danach weicht das tayloristische Rationa-lisierungsparadigma dem Normensyndrom des „subjektivierenden Arbeitshandelns“(Böhle und Rose 1992). Wie weit diese strukturellen Veränderungen in den Unterneh-men faktisch reichen, kann hier nicht geprüft werden. Festzustellen ist aber, dass dieseLiteratur selbst einen sozialen Tatbestand bildet und mithin auch die Wertorientierun-gen, die sie zum Ausdruck bringt.

Professionalismus, Bürgerrechte und akademische Freiheit verleihen der Hochschul-expansion eine andere soziale Bedeutung als diejenige, die sie in der sozialen Kategorieder Intelligenz annahm. Der institutionelle Individualismus steht einer Expertenherr-schaft entgegen. Er bringt einen gesamtgesellschaftlichen Konsensus über die sozialenFormen zum Ausdruck, in denen Konflikte über materielle Ungleichheit und Abhän-gigkeiten ausgetragen werden können. Thematisiert werden können sogar die empiri-schen Beschränkungen dieser Ordnung selbst, also zum Beispiel das Privateigentum.Als Teil dieser Ordnung wird die Hochschulentwicklung zum Inhalt eines allgemeinenInteresses. Tatsächlich genießt die Universität als Institution akademischer Freiheit un-eingeschränkte gesellschaftliche Autorität. Sie übertrifft darin alle übrigen Bildungsein-richtungen, insbesondere auch die Fachhochschulen, die nach Geschichte und institu-tioneller Struktur technizistischen Bildungsbegriffen näher stehen. Kurz, mit dem asso-ciational pattern hat die Hochschulbildung so viel Autorität erlangt, dass partikularisti-sche Interessen gegen ihre Expansion nichts vermochten.

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IV. Zusammenfassung

Die Hochschulen expandieren im Westen bis heute; der Staatssozialismus hatte sie da-gegen in eine Sackgasse geführt. Die Bürgerrechte beziehungsweise der materialistischeObjektivitätsglaube erklären diese Differenz. In der BRD machten sich die Schüler dieBildungs- und Ausbildungsfreiheit zu Eigen. Ihre Nachfrage nach weiterführender Bil-dung war eine wesentliche Determinante der Hochschulexpansion. Die Hochschulpoli-tik der DDR berief sich dagegen auf die Vorstellung objektiver Gesetze der gesell-schaftlichen Entwicklung und leitete davon einen gesellschaftlichen Qualifikationsbe-darf ab. Um den zu befriedigen, nahm sie den Zugang zum Studium unter administra-tive Kontrolle und schränkte ihn schließlich ein. Dem haben sich die Schüler auch ge-fügt. Die Hochschulen haben jedoch kontinuierlich verfehlt, was als Qualifikationsbe-darf gelten sollte. Aus der Sache heraus, um die es ihr ging, kann die staatssozialisti-sche Hochschulpolitik deswegen nicht erklärt werden.

Bei der Suche nach anderen Bestimmungsgründen stößt man auf die Sozialkatego-rie der Intelligenz. In ihrer Struktur manifestierte sich der materialistische Objektivi-tätsglaube ebenfalls. Er legte der Intelligenz Ansprüche auf technokratische Verfügungnahe. Ihnen standen die Ansprüche der Arbeiter auf Überlegenheit kraft proletarischerKlassenlage entgegen. Entscheidend ist die normative Struktur dieses Gegensatzes. DieSozialkategorie der Intelligenz und des Proletariats als überlegener Klasse schloss dieVorstellung interessengeleiteten individuellen Handelns aus. Mithin gab es keinen ge-sellschaftlichen Konsens darüber, wie mit materiellen Divergenzen umzugehen ist. Inden daraus resultierenden Konflikten war die Intelligenz unterlegen. Ein durchset-zungskräftiges gesellschaftliches Interesse an der Hochschulexpansion konnte nicht ent-stehen, so dass die Hochschulentwicklung in eine Sackgasse geriet.

Materielle Gegensätze zwischen dem akademisch qualifizierten Leitungspersonalund den Arbeitern gibt es auch in westlichen Betrieben. Hier gibt es aber auch einengesellschaftlichen Konsensus darüber, wie damit umzugehen ist. Materielle Divergenzenkönnen und sollen auf der Grundlage der Individualrechte und des institutionalisiertenPluralismus ausgetragen werden. In der Arbeitswelt findet dieser Konsensus unmittel-baren Ausdruck in der Berufskultur des Professionalismus. Er wird gestützt durch dieBürgerrechte der Demokratie und die Erfahrung akademischer Freiheit, die sich mitder Hochschulexpansion verallgemeinert. In diesem normativen Kontext überschreitetdie Hochschulbildung partikularistische Borniertheit und wird zum Inhalt eines allge-meineren gesellschaftlichen Interesses. Dieses Interesse stellt für eine restriktive Hoch-schulpolitik ein kaum zu überwindendes Hindernis dar.

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Korrespondenzanschrift: Dr. Gero Lenhardt, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Lentzeal-lee 94, D-14195 Berlin

E-Mail: [email protected]. Manfred Stock, Hufelandstr. 24, 10407 BerlinE-Mail: [email protected]

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