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Arbeitshilfe zum Hl. Jahr der Barmherzigkeit Homiletische Bausteine – Kyrie 1 HOMILETISCHE BAUSTEINE - KYRIE Kyrie der Eucharistiefeier 1. Liturgiegeschichtliche Aspekte - Herleitung vom griech. Kyrie eleison – Herr, erbarme dich. - in der hellenistischen Antike weit verbreitet als Anrufung des Sol invictus; ein Jubelruf z. B. beim Empfang des Kaisers, auch als Kyrielitanei. - LXX übersetzt JHWH mit kyrios und Phil 2,11 überträgt den LXX-Gottesnamen auf Christus als Bekenntnis seiner Gottheit. - alle altchristlichen Liturgien kennen das Kyrie als Volksantwort in der Form der Kyrielitaneien, verschieden häufig wiederholt. - in Rom wird um 500 die griech. Kyrielitanei beim Messbeginn übernommen; die heutige Stellung des Kyrie leitet sich davon ab. - Der Ursprung des Kyrie als eigenständiger Gesang ist offen; Gregor der Große bezeugt den Umwandlungsprozess von der Kyrielitanei zum neunteiligen Gesang (Neunzahl in Analogie zu den neun Engelchören). - ab dem 7./8. Jahrhundert wird es trinitarisch gedeutet und zunehmend als Bußruf gesehen. - im Mittelalter wird das Kyrie Teil der ältesten deutschen Kirchenlieder, der sog. Leisen (z. B. GL 215, 318, 319, 348, 503). - Missale Romanum 1970 stellt den Urzustand her: Das Kyrie ist eine Anrufung Christi und Bitte um sein Erbarmen, ein Gesang aller im Wechsel zwischen Kantor/Chor und Gemeinde, notfalls zu sprechen (AEM 30); anlassgerechte Einschubtexte sind akklamatorisch und nicht deprekativ zu formulieren. (vgl. dazu Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg 2006, Bd. 6, Sp. 552-553)

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Arbeitshilfe zum Hl. Jahr der Barmherzigkeit Homiletische Bausteine – Kyrie

1

HOMILETISCHE BAUSTEINE - KYRIE

Kyrie der Eucharistiefeier

1. Liturgiegeschichtliche Aspekte

- Herleitung vom griech. Kyrie eleison – Herr, erbarme dich.

- in der hellenistischen Antike weit verbreitet als Anrufung des Sol invictus; ein Jubelruf z. B.

beim Empfang des Kaisers, auch als Kyrielitanei.

- LXX übersetzt JHWH mit kyrios und Phil 2,11 überträgt den LXX-Gottesnamen auf Christus

als Bekenntnis seiner Gottheit.

- alle altchristlichen Liturgien kennen das Kyrie als Volksantwort in der Form der

Kyrielitaneien, verschieden häufig wiederholt.

- in Rom wird um 500 die griech. Kyrielitanei beim Messbeginn übernommen; die heutige

Stellung des Kyrie leitet sich davon ab.

- Der Ursprung des Kyrie als eigenständiger Gesang ist offen; Gregor der Große bezeugt den

Umwandlungsprozess von der Kyrielitanei zum neunteiligen Gesang (Neunzahl in Analogie

zu den neun Engelchören).

- ab dem 7./8. Jahrhundert wird es trinitarisch gedeutet und zunehmend als Bußruf gesehen.

- im Mittelalter wird das Kyrie Teil der ältesten deutschen Kirchenlieder, der sog. Leisen (z. B.

GL 215, 318, 319, 348, 503).

- Missale Romanum 1970 stellt den Urzustand her: Das Kyrie ist eine Anrufung Christi und

Bitte um sein Erbarmen, ein Gesang aller im Wechsel zwischen Kantor/Chor und

Gemeinde, notfalls zu sprechen (AEM 30); anlassgerechte Einschubtexte sind

akklamatorisch und nicht deprekativ zu formulieren.

(vgl. dazu Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg 2006, Bd. 6, Sp. 552-553)

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2. Liturgischer Vollzug

- Das Gotteslob bietet eine ganze Reihe von Kyrielitaneien (GL 158-165) an, die gerade auch

in den geprägten Zeiten als Prozessionsgesang oder nach dem Einzug vor dem Altar oder

Kreuz stehend, gesungen werden können. Besonders die Taizé-Gesänge (GL 154, 155, 156)

können leicht auswendig gesungen und mit Anrufungen durch einen Kantor verbunden

werden.

- Wenn das Kyrie an der üblichen Stelle der Eröffnung folgt, ist es sinnvoll die Statio knapp zu

halten und als Hinführung zum Kyrie zu formulieren. „Es geht um Realisierungshilfe für das,

was im Gruß »Der Herr sei mit euch.« geschehen wollte: um die Vermittlung der Begegnung

mit ihm durch Ansagen seines Kommens, durch Andeuten des heiligen Geschehens, durch

Öffnung der Augen des Glaubens der Gemeinde für ihn und untereinander. Es geht um

»inne werden«, um »eintreten«.“ (Michael Grünwald, Eucharistie feiern, Regensburg 1990,

S. 82)

- Gerade im Jahr der Barmherzigkeit geht es darum, den vorausgehenden Bußakt so zu

gestalten, dass den Gläubigen Zeit bleibt, für sich selbst zu realisieren, was jetzt wirklich

der Vergebung und der Barmherzigkeit Gottes bedarf. Michael Grünwald schreibt dazu:

„Der Bußakt wird meist zu schnell abgewickelt, das heißt ohne personale Realisierung.

Dann kann er sich auch nicht geistlich entfalten. Er wird zu leeren Formel. Umsonst. Die

mystagogische Aufgabe besteht darin: Hilfe zu geben, sich vor dem Herrn zu begeben, sich

in ihm zu sehen und seine Vergebung anzunehmen.“ (s. o. S. 92-93)

3. Impulse für eine Homilie

- Im Kyrie ist die Versammlung des Herrn besiegelt. (vgl. Michael Gründwald S. 93) Nicht

umsonst leitet sich das Wort „Kirche“ von „kyrios“ bzw. „kyriake – dem Herrn gehörend“

ab. Er ruft sein Volk zusammen, eint es in seinem Namen, spricht es an, heiligt und stärkt es

durch seinen Leib und sein Blut. Somit ist die Feier seines Todes und seiner Auferstehung

nicht mehr rein menschliches Tun, denn in diesem Ruf wird auch ein Bekenntnis zum

Ausdruck gebracht: der Herr ist wirklich gegenwärtig, in der ganzen Feier, nicht erst durch

sein Wort und in der Realpräsenz seines Leibes und Blutes. Er ist gegenwärtig als der Sohn

Gottes, als der erhöhte Herr, der zur Rechten des Vaters sitzt. (Verweise auf Pantokrator-

Darstellungen in den Apsiden romanischen Basiliken oder auch die romanischen

Kreuzesdarstellungen mit Jesus als König am Kreuz)

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- Unterschied bzw. Gegensatz aufzeigen zwischen der Huldigung, die dem Kaiser in der

Antike und Jesus Christus im Kyrie entgegengebracht wird: Wir sind keine Untergegebenen

oder Sklaven. Jesus selbst nennt ja seine Jünger und damit alle Getauften „Freunde“ (vgl.

Joh 15,15). In dieser Haltung rufen wir zu ihm. Wir grüßen ihn und heißen ihn willkommen

wie einen Freund. Und ihn dürfen wir um sein Erbarmen bitten. Freundschaft sucht immer

das, was verbindet, was zueinander führt. Bevor wir in den „Austausch“ mit ihm gehen,

sein Wort hören und es bedenken, ist es wichtig sich dieser Freundschaft und

Verbundenheit mit ihm bewusst zu werden.

- „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur,

wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt.“ (Mt 7, 21) – Das „Kyrie“ der Messe nimmt

mich also in die Pflicht. Den Kyrios anrufen ist ja keine Höflichkeit oder gar Floskel wie im

Alltag (Sehr geehrter Herr XY!), sondern eine „Ein-willigung“, diesem Herrn zu folgen und

damit den Willen des Vaters zu erfüllen.

- Eine Verbindung zur LXX-Übersetzung des Gottesnamens mit „Kyrios“ und dem Einssein

von Vater und Sohn könnte mit dem schönen Wort aus dem Buch Jeremia 14, 9b

geschehen: „Du bist in unserer Mitte, Herr, und dein Name ist über uns ausgerufen. Verlass

uns nicht!“

Verfasser: Pfr. Thomas Vogl, Waldsassen