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16 human Sommer 2015 Untermieter Bakterien – Segen und Fluch zugleich Zählt man die Zellen unseres Kör- pers, so ist nur ein Zehntel davon menschlich, die restlichen 90 Prozent sind Bakterien. Sie besiedeln Haut, Mund, Darm und bilden dort Mini- Ökosysteme wie etwa die Darmflora, die Enzyme liefert, um die Nahrung zu zerlegen. Bakterien sind auch wich- tiger Teil unseres Immunsystems und bilden Vitamine. Das Darmbakterium Escherichia coli (E.coli) zum Beispiel erzeugt wertvolles Vitamin K. Gelangt E.coli aber in die Harnwege, kann es Entzündungen auslösen. Besonders anfällig für diesen Erreger sind im- mungeschwächte und alte Menschen. Spitalsinfektionen vermeiden Kommen unsere win- zigen Helferlein dorthin, wo sie nicht sein sollen, können sie den Men- schen krank machen. „Wir sind in Österreich die größte mikrobiologische Institution, die ge- meinsam mit dem zertifizierten Labor- partner analyse BioLab das gesamte Leistungsspektrum von Beratung, Prävention, spezifischer Vorsorge, Diagnostik, Therapie und Nachsor- ge von Infektionen aus einer Hand anbietet“, sagt Primaria Univ.-Prof. Ohne die 100 Billionen- oder zwei Kilo Bakterien, die wir Menschen auf und.in uns herum tragen, wären wir gar nicht lebensfähig. Doch am falschen Ort können sie lebensgefährliche Infektionen hervorrufen. Am Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin (IHMT) im KH der Elisabethinen in Linz beschäftigt sich ein multi- disziplinäres Team rund um das Thema Infektion.

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Untermieter Bakterien – Segen und Fluch zugleich

Zählt man die Zellen unseres Kör-pers, so ist nur ein Zehntel davon menschlich, die restlichen 90 Prozent sind Bakterien. Sie besiedeln Haut, Mund, Darm und bilden dort Mini-Ökosysteme wie etwa die Darmflora, die Enzyme liefert, um die Nahrung zu zerlegen. Bakterien sind auch wich-tiger Teil unseres Immunsystems und bilden Vitamine. Das Darmbakterium Escherichia coli (E.coli) zum Beispiel erzeugt wertvolles Vitamin K. Gelangt E.coli aber in die Harnwege, kann es

Entzündungen auslösen. Besonders anfällig für diesen Erreger sind im-mungeschwächte und alte Menschen.

Spitalsinfektionen vermeidenKommen unsere win-zigen Helferlein dorthin, wo sie nicht sein sollen, können sie den Men-schen krank machen.

„Wir sind in Österreich die größte mikrobiologische Institution, die ge-meinsam mit dem zertifizierten Labor-partner analyse BioLab das gesamte Leistungsspektrum von Beratung, Prävention, spezifischer Vorsorge, Diagnostik, Therapie und Nachsor-ge von Infektionen aus einer Hand anbietet“, sagt Primaria Univ.-Prof.

Ohne die 100 Billionen- oder zwei Kilo Bakterien, die wir Menschen auf und.in uns herum tragen, wären wir gar nicht lebensfähig. Doch am falschen Ort können sie lebensgefährliche Infektionen hervorrufen. Am Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin (IHMT) im KH der Elisabethinen in Linz beschäftigt sich ein multi- disziplinäres Team rund um das Thema Infektion.

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für Gesundheit gibt das Nationale Referenzzentrum für nosokomiale In-fektionen und Antibiotikaresistenzen (NRZ), das in Allianz zwischen IMHT im KH der Elisabethinen und dem AKH Wien geführt wird, jährlich den AURES (Österreichischer Resistenzbericht) heraus.

Schach den resistenten Keimen Das Bewusstsein für die Antibiotikaver-schreibung sowie -abgabe und Keime muss global geschärft werden. Vor allem im Herbst und Winter steigt mit den grippalen Infekten die Antibioti-kaverschreibung in Österreich an. 50 Prozent davon werden vor allem im niedergelassenen Bereich für Atemwegs- infektionen, aber auch für Bronchitis und Mittelohrentzündungen verordnet – leider oft zu Unrecht, weil die meisten Infektionen auf Viren zurückzuführen sind. „Drei von vier Patienten wissen nicht, dass Antibiotika bei viralen In-fektionen nicht wirken“, sagt Apfalter. Dabei gibt es einen Schnell-test um eine virale von einer

Dr. Petra Apfalter, Leiterin des IHMT und der analyse BioLab. Im interdis-ziplinären 50-köpfigen Team arbeiten biomedizinsche Analytiker, Moleku-larbiologen, Biologen und Ärzte für Hygiene und Mikrobiologie, Innere Medizin, Virologie und Infektiologie sowie Tropenmedizin.Das Institut hat keine Betten, arbeitet ambulant und in Konsiliardiensten für mehrere Linzer Krankenhäuser. Auch die niedergelassenen Ärzte vertrauen auf die mehr als 35-jährige Kompe-tenz der Institution. Der Konsiliardienst beschäftigt sich mit Befundabklärung und -interpre-tation von Erkrankungen, die auf Viren, Bakterien, Pilze und Parasiten zurückgehen. „Wir stehen Patienten und Ärzten, vor allem auf Intensiv-stationen, wo es relativ häufig zu nosokomialen Infektionen, sprich Krankenhausinfektionen kommt, beratend zur Seite. Wir eruieren diese Spitalskeime und empfehlen die bestmögliche Behandlung. Ein Drittel solcher Infektionen könnte durch optimale Hygiene verhindert werden“, erzählt die Mikrobiologin. Die Verbrennungsstation im UKH Linz wird zum Beispiel regelmäßig be-sucht, denn Menschen mit schweren Verbrennungen fehlt die Hautbarriere gegen Keime, was sie besonders an-fällig für Infektionen macht.

Univ.- Prof. Prim. Dr. Petra Apfalter, Leiterin des IHMT und der analyse BioLab

„Sechs Prozent der Patienten in Öster-

reichs Spitälern erleiden behandlungs-assoziierte Infektionen. Damit liegen wir im Mittelfeld Europas. Beson-ders gefährlich wird es, wenn man es mit resistenten Keimen zu tun hat.“

In der Ambulanz des Instituts werden medizinische Beratungen, Impfungen, Abklärung und Behand-lung unklarer Fieberzustände oder anderer Infektionssymptome durch-geführt. Man muss heute nicht nach Südostasien reisen, um sich etwa eine Harnwegsinfektion durch einen resistenten Keim zu holen. Da reicht auch ein Urlaub in Südeuropa. In der Ambulanz wird mikrobiologisch abgeklärt, auf welches Antibiotikum der Erreger noch anspricht und die adäquate Behandlung eingeleitet.Im Auftrag des Bundesministeriums

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Achtsamer Umgang mit Antibiotika

Grundsätzlich gilt für den Einsatz von Antibiotika: so oft wie not-wendig und so selten wie möglich. Denn Antibiotika wirken nicht nur gegen die krankmachenden Erre-ger, sondern auch gegen die nütz-lichen Bakterien, die auf unserer Haut und unseren Schleimhäuten leben. Die meisten Antibiotika gel-ten als sichere und gut verträgliche Medikamente. Trotzdem können sie Nebenwirkungen hervorrufen wie etwa:

bakteriellen Infektion zu unterschei-den. Der CRP-Test (C-reaktives Pro-tein) liefert aus einem Bluttropfen aus der Fingerspitze innerhalb weniger Minuten ein Ergebnis. Viele Kinder-ärzte, aber auch Allgemeinmediziner verfügen mittlerweile über den Test. Mit ihm kann unsachgemäße Anti- biotikaverordnung vermieden wer-den. Rund 45 Tonnen Antibiotika werden in Österreich pro Jahr verordnet, das sind 10 Millionen Packungen. Damit liegen wir im Europavergleich im unteren Drittel. „Die Zahl der Resis- tenzen blieb in den letzten Jahren stabil, wir liegen mit unseren Daten im europäischen Mittelfeld. Der mul-tiresistente Staphylococcus aureus, der zu Wundinfektionen und Blutver-giftungen führen kann, und resistente Escherichia coli sind in Österreich

bekannt“, erklärt Prof. Apfalter. Allerdings nehmen Resistenzen von bestimmten Enterokokken (=Darm-bakterien) gegen wichtige Reserve- antibiotika, sogenannte Cabapene-me, zu. 2012 wurde in Österreich in einer Blutprobe ein derartiger Keim nachgewiesen, im Vorjahr war dies bereits 14-mal der Fall. Tritt dieser Keim auf, gibt es nur mehr sehr wenige, oft mit einem erheblichen Risiko an Nebenwirkungen behaftete Therapiemöglichkeiten.

Neue Antibiotika gefragtWie sich eine Resistenz entwickeln kann, veranschaulicht Primaria Apfalter am E.coli-Bakterium. „Jeder trägt diese nützlichen Keime im Darm. Wird zum Beispiel ein Antibiotikum gegen eine Lungenentzündung ein-genommen, wirkt dieses nicht nur

Magen-Darm-Beschwerden: Durchfall, Bauchschmerzen und Übelkeit

Allergische Reaktionen der Haut wie etwa Rötungen und Juckreiz

Scheidenpilzinfektionen

Häufig werden Antibiotika bei Mandel-, Lungen-, Hirnhaut-, Blasen- und bestimmten Hautent-zündungen eingesetzt. Scharlach, Keuchhusten und Tuberkulose sind immer bakteriell ausgelöst.Vorsicht: Die meisten Erkältungs-krankheiten, Grippe, viele Formen von Darmentzündungen (Durchfall) und Masern sind viral bedingt, und da helfen keine Antibiotika.

Tipps zur richtigen Einnahme: Nehmen Sie das Antibiotikum

so lange ein, wie es Ihnen ver-ordnet wurde, auch wenn Sie sich bereits besser fühlen!

Nehmen Sie kein Antibiotikum, das anderen Personen ver-schrieben wurde!

Nehmen Sie das Antibiotikum vorzugsweise mit Wasser ein!

Teilen Sie dem behandelnden Arzt alle unerwünschten Wir-kungen mit! Notieren Sie sich eventuelle Nebenwirkungen von speziellen Mitteln!

Informieren Sie Ihren Arzt vor einer Antibiotikaeinnahme, ob Sie schwanger sind oder stillen!

gegen einen speziellen Erreger, son-dern gegen alle Keime im Körper, also auch auf E.coli. Nimmt jemand zu oft etwa bei einem Schnupfen ein Antibiotikum, kann es dazu kommen, dass dieser E.coli-Keim, der oftmals, wie schon genannt, bei Harnwegsin-fektionen gefunden wird, unsensibel gegenüber Antibiotika wird.“Prof. Apfalter hofft, dass neue Anti-biotika erforscht werden, um multi-resistenten Killerkeimen den Garaus zu machen und wünscht sich eine Weiterentwicklung der auf moleku-larbiologischer Ebene basierenden personalisierten Medizin. Dann kann man künftig in verschiedenen Bereichen individuelle Medikamente verabreichen. Denn was beim einen wirkt, kann beim anderen ohne Effekt bleiben.

Mag. Christine Radmayr

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Neben diesen anlassbezogenen Aufgaben ist die Abteilung mit der breiten Umsetzung des vorbeu-genden Infektionsschutzes befasst. Dazu gehören alle Schutzimpfungen. Aktuell laufen schwerpunktmäßig Bemühungen, die Masernimpflü-cke bei den 20- bis 45-Jährigen zu schließen.

Georg Palmisano, Fachgruppen- obmann für Hygiene und Mikro- biologie in der Ärztekammer für OÖ

„Die Hygiene hat in den Krankenhäusern

einen sehr hohen Stellen-wert. In jedem Spital gibt es gesetzlich verpflichtend ein Hygieneteam, welches die Kranken-hausleitung in Hygiene- fragen berät und Hygiene-schulungen für das Personal organisiert.“

Die Erfassung und Prävention von nosokomialen Infektionen (Infek-tionen, welche im Krankenhaus erworben werden wie etwa Lungen-entzündungen bei künstlicher Beat-mung oder Wundinfektionen nach Operationen) zählt ebenfalls zu den Kernaufgaben des Hygieneteams.Georg Palmisano ist auch Landes-sanitätsdirektor in der Abteilung

Die Hygiene ist ein hohes GutGesundheit des Amtes der Landesregierung, der Aufgaben für den Gesundheitsschutz der Bevö lkerung wahrnimmt. Vorrangig ist dabei die Erfassung von meldepflichtigen Erkrankungen (z.B. Masern, Meningo-kokken, Tuberkulose etc.) und die Planung und Umsetzung von Maßnahmen, welche die Weiterverbreitung verhindern oder zumindest eindäm-men. Die Kommunikation mit den Spitälern und niedergelassenen Ärzten sowie die Zusammenarbeit mit anderen Verwaltungseinheiten und -ebenen stehen hierbei im Vordergrund. „Besondere Szenari-en – wie beispielsweise zuletzt der Umgang mit der Ebolaproblematik bedeuten besondere Herausforde-rungen für alle Beteiligten“, sagt der Landessanitätsdirektor.