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21 Heilberufe / Das Pflegemagazin 2014; 66 (5) Personal- und Patientenschutz Hygiene ist beherrschbar Wer in der Pflege arbeitet, trägt ein nicht unerhebliches Infektions- risiko. Um die eigene Gesundheit und die der Patienten und Bewohner zu schützen ist es unumgänglich, Hygienevorschriften penibel ein- zuhalten. Trotzdem wird immer wieder gern diskutiert, ob Nagellack und künstliche Fingernägel, Eheringe und Ohrringe, Piercings und Handgelenkuhren im Dienst gestattet sind oder nicht? Wir fragten den Hygieneexperten Bernd Gruber. HEILBERUFE: Herr Gruber, welche sind die wichtigen festgeschriebenen Vor- schriſten zur Personalhygiene ? Gruber: Eine der bekanntesten Vorschriften laut der „Technischen Regeln für biologi- sche Arbeitsstoffe“ (TRBA 250) ist, dass bei der medizinischen Versorgung von Men- schen Schmuckstücke an Händen und Un- terarmen, Uhren und künstliche Fingernägel nicht getragen werden dürfen. Die Empfeh- lungen des RKI, vor allem die der Kom- mission für Krankenhaushygiene und Infek- tionsprävention, ergänzen die TRBA. Im Einzelnen findet man Hinweise zur persön- lichen Hygiene in der Empfehlung zur Händehygiene und zur Prävention Gefäßka- theterassoziierter Infektionen. In der TRBA 250 gibt es auch dataillierte Vorschriften zum Umgang mit Dienst- und Schutzklei- dung und zum Umgang mit Mund- und Nasenschutz. Was ist an künstlichen oder lackierten Fingernägeln eigentlich so gefährlich? Nagellack wird durch das Händedesinfek- tionsmittel (Alkoholbasis) angegriffen. Da- durch entstehen an der Oberfläche Keimnischen. In der Literatur werden Nagel- lack und künstliche Fingernägel immer wieder in Zusammenhang mit Ausbrüchen nosokomialer Infektionen gebracht. Lange Fingernägel, egal, ob künstlich oder nicht, können außerdem die Handschuhe beschä- digen. Deshalb ist grundsätzlich auf kurze, rund geschnittene Fingernägel zu achten. Das alles dient nicht nur dem Patienten-, sondern auch dem Personalschutz. Immer wieder diskutiert werden auch Piercings. Sind die aus hygienischer Sicht vertretbar? Piercing sind ein Problem. Zum einen gibt es Probleme bei den so genannten Lippen- und Nasenpiercings. Gerade der Nasen- piercing kann bei Erkältungskrankheiten aufgrund des häufigen Nasenputzens sehr gereizt sein. Zum anderen können sich nicht sichtbare Piercings (z.B. an Brustwarzen) schnell entzünden und so zum Erregerre- servoir werden. Das Tragen von Halsketten oder Ohrringen dagegen ist aus kranken- haushygienischer Sicht weniger bedeutend. Allerdings können sie eine Verletzungsge- fahr darstellen. Im Operationssaal darf aller- dings überhaupt kein Schmuck getragen werden. Wie sinnvoll ist ein Hautschutzplan? Hände sind das wichtigste Arbeitsinstru- ment von medizinischem Personal, aber auch der häufigste Vektor für Übertragun- gen potenzieller Krankheitserreger. Die Gesundheit, Pflege und der Schutz der Hände spielen also eine große Rolle bei der Infektionsprävention. Denn schon kleinste Verletzungen der Haut bilden Erregerreser- voire und somit Eintrittspforten für patho- gene Keime. Ein Hautschutz-Plan gehört deshalb ebenso wie der Handschuh-Plan zum Standard für die Händehygiene. Nur gesunde Hände lassen sich einwandfrei desinfizieren. Bei spröden und rissigen Händen wird gern mal auf eine Händedesinfektion verzichtet. Der Alkohol des Desinfektionsmittels trocknet die Hände aus. Und beim Händewasschen wird durch die angewandten Tenside die Rückfettung vermindert. Deshalb sollte in jedem Bereich des Gesundheitswesens ein entsprechender Hautschutzplan vorhanden sein. Ersetzen sterile Handschuhe die Händedesinfektion? Nein, auf keinen Fall. Medizinische Unter- suchungshandschuhe oder sterile Hand- schuhe sind nie hundertprozentig dicht. Und Viren können sehr gut die Handschuhe durchdringen. Vor dem Anziehen von steri- len Handschuhen ist eine entsprechende Händedesinfektion durchzuführen, um die Keimlast auf der Hand zu reduzieren. Da- durch wird das Risiko einer Keimübertragung bei defekten Handschuhen vermindert. Wie beurteilen Sie die Akzeptanz von Hygienevorschriſten in der Praxis? Die Akzeptanz hat sich innerhalb der letzten zwei Jahre deutlich verbessert. Das liegt auch daran, das die Hygieniker mehr Gehör finden und das Thema immer weiter ins Bewusstsein des medizinischen Fachperso- nals und auch der breiten Öffentlichkeit dringt. Trotzdem finden sich in unterschied- lichen Berufsgruppen immer noch Mitar- beiter, die die Evidenz der Maßnahmen anzweifeln. Das ist bedauerlich, denn Hy- giene gehört zu den beherrschbaren Risiken im Krankenhaus. Das Interview führte Heike Ottow Bernd Gruber Diplompflegewirt Fachkrankenpfleger Anästhesie/Intensiv Hygiene/Infektionsprävention RbP DOI: 10.1007/s00058-014-0560-7

Hygiene ist beherrschbar

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21Heilberufe / Das P� egemagazin 2014; 66 (5)

Personal- und Patientenschutz

Hygiene ist beherrschbarWer in der Pflege arbeitet, trägt ein nicht unerhebliches Infektions-risiko. Um die eigene Gesundheit und die der Patienten und Bewohner zu schützen ist es unumgänglich, Hygienevorschriften penibel ein-zuhalten. Trotzdem wird immer wieder gern diskutiert, ob Nagellack und künstliche Fingernägel, Eheringe und Ohrringe, Piercings und Handgelenkuhren im Dienst gestattet sind oder nicht? Wir fragten den Hygieneexperten Bernd Gruber.

HEILBERUFE: Herr Gruber, welche sind die wichtigen festgeschriebenen Vor-schri� en zur Personalhygiene ?Gruber: Eine der bekanntesten Vorschriften laut der „Technischen Regeln für biologi-sche Arbeitssto� e“ (TRBA 250) ist, dass bei der medizinischen Versorgung von Men-schen Schmuckstücke an Händen und Un-terarmen, Uhren und künstliche Fingernägel nicht getragen werden dürfen. Die Empfeh-lungen des RKI, vor allem die der Kom-mission für Krankenhaushygiene und Infek-tionsprävention, ergänzen die TRBA. Im Einzelnen � ndet man Hinweise zur persön-lichen Hygiene in der Empfehlung zur Händehygiene und zur Prävention Gefäßka-theterassoziierter Infektionen. In der TRBA 250 gibt es auch dataillierte Vorschriften zum Umgang mit Dienst- und Schutzklei-dung und zum Umgang mit Mund- und Nasenschutz.

Was ist an künstlichen oder lackierten Fingernägeln eigentlich so gefährlich?Nagellack wird durch das Händedesinfek-tionsmittel (Alkoholbasis) angegri� en. Da-durch entstehen an der Ober� äche Keimnischen. In der Literatur werden Nagel-lack und künstliche Fingernägel immer wieder in Zusammenhang mit Ausbrüchen nosokomialer Infektionen gebracht. Lange Fingernägel, egal, ob künstlich oder nicht, können außerdem die Handschuhe beschä-digen. Deshalb ist grundsätzlich auf kurze, rund geschnittene Fingernägel zu achten. Das alles dient nicht nur dem Patienten-, sondern auch dem Personalschutz.

Immer wieder diskutiert werden auch Piercings. Sind die aus hygienischer Sicht vertretbar?Piercing sind ein Problem. Zum einen gibt es Probleme bei den so genannten Lippen- und Nasenpiercings. Gerade der Nasen-piercing kann bei Erkältungskrankheiten aufgrund des häu� gen Nasenputzens sehr gereizt sein. Zum anderen können sich nicht sichtbare Piercings (z.B. an Brustwarzen) schnell entzünden und so zum Erregerre-servoir werden. Das Tragen von Halsketten oder Ohrringen dagegen ist aus kranken-haushygienischer Sicht weniger bedeutend. Allerdings können sie eine Verletzungsge-fahr darstellen. Im Operationssaal darf aller-dings überhaupt kein Schmuck getragen werden.

Wie sinnvoll ist ein Hautschutzplan?Hände sind das wichtigste Arbeitsinstru-ment von medizinischem Personal, aber auch der häu� gste Vektor für Übertragun-gen potenzieller Krankheitserreger. Die Gesundheit, P� ege und der Schutz der Hände spielen also eine große Rolle bei der Infektionsprävention. Denn schon kleinste Verletzungen der Haut bilden Erregerreser-voire und somit Eintrittspforten für patho-gene Keime. Ein Hautschutz-Plan gehört deshalb ebenso wie der Handschuh-Plan zum Standard für die Händehygiene. Nur gesunde Hände lassen sich einwandfrei desin� zieren. Bei spröden und rissigen Händen wird gern mal auf eine Händedesinfektion verzichtet. Der Alkohol des Desinfektionsmittels trocknet

die Hände aus. Und beim Händewasschen wird durch die angewandten Tenside die Rückfettung vermindert. Deshalb sollte in jedem Bereich des Gesundheitswesens ein entsprechender Hautschutzplan vorhanden sein.

Ersetzen sterile Handschuhe die Händedesinfektion?Nein, auf keinen Fall. Medizinische Unter-suchungshandschuhe oder sterile Hand-schuhe sind nie hundertprozentig dicht. Und Viren können sehr gut die Handschuhe durchdringen. Vor dem Anziehen von steri-len Handschuhen ist eine entsprechende Händedesinfektion durchzuführen, um die Keimlast auf der Hand zu reduzieren. Da-durch wird das Risiko einer Keimübertragung bei defekten Handschuhen vermindert.

Wie beurteilen Sie die Akzeptanz von Hygienevorschri� en in der Praxis?Die Akzeptanz hat sich innerhalb der letzten zwei Jahre deutlich verbessert. Das liegt auch daran, das die Hygieniker mehr Gehör � nden und das Thema immer weiter ins Bewusstsein des medizinischen Fachperso-nals und auch der breiten Ö� entlichkeit dringt. Trotzdem � nden sich in unterschied-lichen Berufsgruppen immer noch Mitar-beiter, die die Evidenz der Maßnahmen anzweifeln. Das ist bedauerlich, denn Hy-giene gehört zu den beherrschbaren Risiken im Krankenhaus.

Das Interview führte Heike Ottow

Bernd Gruber

Diplomp� egewirtFachkrankenp� eger Anästhesie/IntensivHygiene/Infektionsprävention RbP

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PflegeKolleg Infektionen vermeiden

Ob Piercing oder Mundgeruch – Personalhygiene ist generell kein einfaches Thema. Die Empfehlungen, die ein ambulanterPflegedienst aus Berlin seinen Mitarbeiter gibt, regen diese an, über Personalhygiene nachzudenken und sie zu optimieren:

Körpergerüche – So sensibel ▶Bitte auf Mundhygiene achten! Kranke Menschen reagieren sen-sibel auf Gerüche, die sie als unangenehm empfinden. Das kann sich zum Beispiel auf die Nahrungsaufnahme und somit auf die Ernährungssituation auswirken.

▶ In vielen Situationen lässt sich ein enger Körperkontakt nicht vermeiden. Deshalb bitte Deo benutzen und auf starke Parfüms verzichten. Penetranter Geruch ist für Senioren unangenehm und kann bei Demenzpatienten Abwehrverhalten auslösen.

▶Auf Nahrungsmitteln, die zu Geruchsbelästigungen führen, bes-ser verzichten. Dieses gilt etwa für Knoblauch aber auch für blä-hende Speisen. Das Rauchverbot innerhalb der Einrichtung wird eingehalten. Ein Kaugummi neutralisiert den Zigarettengeruch.

Schmuck – es geht auch ohne ▶Armbanduhren, Armbänder

und Fingerringe (auch ein Ehe-ring) machen eine lückenlose Händedesinfektion unmöglich.

▶Genutzt werden sollten besser spezielle Uhren, die an die Klei-dung angeklemmt oder ange-steckt werden können.

▶Lange Halsketten sind aus Selbstschutz tabu, denn verwirrte Bewohner können nach der Kette greifen, daran ziehen und die Pfle-gekraft verletzen. Kurze Ketten

sind unproblematisch und können meistens genutzt werden.

▶Auf sichtbare Piercings während der Arbeit sollte verzichtet wer-den. Piercings können beim Träger zu Wundinfektionen führen. Verwirrte Patienten können nach dem Piercing greifen, daran ziehen und die Pflegefachkraft/Pflegekraft verletzen. Nasenflü-gelpiercings gelten als unproblematisch, solange die Haut nicht entzündet ist und kein Patient mit MRSA gepflegt werden sollen.

▶Bitte keine großen Ohrringe tragen! Verwirrte Patienten können nach den Ohrringen greifen. Kleine Ohrstecker sind ok.

Fingernägel – Bitte recht kurz ▶Die Fingernägel sind sauber und rund geschnitten und reichen nicht über die Fingerkuppe hinaus. Lange Fingernägel können den Bewohner verletzen. Rissige Schnittkanten der Fingernägel können Einmalhandschuhe perforieren.

▶Bitte keine künstlichen Fingernägel – sie sind ein idealer Lebens-raum für Keime.

▶Das gilt auch für lackierten Fingernägel! Risse im Nagellack bie-ten Nischen für Keime. Die Chemikalien, die für die Händedesin-fektion genutzt werden, lassen den Lack schneller altern. Nagel-lack kann abplatzen und in Wunden gelangen.

Haut und Haar – So schützen Sie sich ▶Die Vorgaben zur Händehygiene werden konsequent befolgt.

▶Unnötige Hautbelastungen, also das Waschen der Hände, wenn eine Händedesinfektion ausreichend ist, besser vermeiden.

▶Hautschäden erhöhen das Risiko einer Keimübertragung. Haut-läsionen im Bereich der Hände deshalb bitte zügig versorgen.

▶Haare sind stets als verkeimt anzusehen. In der Haarflora können transiente Keime wie Darmbakterien und Eitererreger vorkom-men. Das Hygienerisiko von langen Haaren kann durch das Zu-sammenbinden zu einem Zopf vermindert werden.

▶Die Haare sollten weder die Schultern berühren noch „herum-flattern“. Das Haar bitte selten berühren.

▶Bei Männern gilt: Der Bart sollte möglichst gepflegt wirken. Bei der Versorgung von großflächigen Wunden empfiehlt sich ein Haarschutz, etwa eine Haube.

Brille – Sie sollte gut sitzen ▶Die Brille sitzt fest und rutscht nicht von der Nase. So braucht die Lage der Brille nicht mit der Hand korrigiert werden.

▶Die Brille sollte eine Wischdesinfektion schadlos überstehen.

▶Eine Brille ist kein Ersatz für eine Schutzbrille.

Ansteckungsgefahr – Besser gleich zum Arzt ▶Bei Durchfallerkrankungen, Wundinfektionen oder Hautekze-men muss ein Arzt aufgesucht werden. Kein Dienstantritt!

▶Pflegende, die MRSA-Träger sind, dürfen nicht arbeiten, auch, wenn keine Krankheitszeichen auftreten. Eine einzelne Pflege-kraft kann in kurzer Zeit für eine enorme Keimverbreitung sor-gen. Das gilt auch für Noroviren und ähnliche Krankheitserreger.

▶Bei einer Erkältung muss eine Keimübertragung vermieden wer-den (nicht in Richtung Patient niesen, Kontakt zu immunge-schwächten Senioren vermeiden, ggf. eine Schutzmaske tragen).

▶ Impfungen gegen verschiedene Krankheiten (Hepatitis A/B, Influenza, Meningokokken, Mumps, Poliomyelitis, Röteln, Varizellen usw.) sollten selbstverständlich sein.

Leitlinien zur Personalhygiene erfüllen nur dann ihren Zweck, wenn die Mitarbeiter regelmäßig darin geschult werden und eine entsprechende Sensibilität dem Thema gegenüber entwickeln.

Häusliche Pflege Meißner & Walter GmbH

PE R SO NALHYG I E N E – CH ECK LISTE

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