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1 PALLIATIVPORTAL Heute bin ich König! Das Gras kitzelt meine nackten Füße, es ist heiß und riecht nach Sommer. Die Hände braun vom Dreck strecken einen Ast in die Höhe – es ist mein Schwert. Von der Ferne dringt eine Stimme an mein Ohr, ist es der Hofmar- schall? „Essen ist fertig“, ruft eine weit entfernte Stimme. Wer kennt das nicht: als Kind im Spiel versunken zu sein, schwebend zwischen zwei Welten. Trance nennen das die Fachleute und mei- nen damit Bewusstseinszu- stände zwischen Wachsein und Schlaf mit einem Vor- herrschen des Unwillkürli- chen. Solche Trance-Phäno- mene werden auch in der Therapie mit Hypnose (Hyp- notherapie) genutzt, um „Wohlbefinden“ zu erzeugen, zu verstärken oder gezielt Beschwerden zu lindern. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Hypnotherapie auch zunehmend in der Palliativ- medizin eingesetzt wird. Fundierte Kenntnisse von Trance-Phänomenen und Anwendung von Hypnothe- rapie bereichern das Spek- trum der palliativen Versor- gung erheblich. Sowohl für die Behand- lung der typischen in der Pal- liativmedizin vorkommenden Symptome wie zum Beispiel Schmerzen, Atemnot, Appe- titlosigkeit als auch zur psy- chosozialen und spirituellen Begleitung, ist die Hypnothe- rapie sehr gut geeignet. Bereits seit Jahrhunder- ten wird die Trance zu Hei- lungszwecken, in nahezu al- len Kulturen, genutzt und stellt möglicherweise eine der ersten „Therapiemethoden“ der Menschheit dar. Auch in der Palliativme- dizin werden Trance-Zustän- de zur Entspannung in der Musik-, Kunst- und Atemthe- rapie sowie bei Entspan- nungsübungen, Fantasie- geschichten und Imaginatio- nen eingesetzt. Allerdings geschieht dies häufig ohne Kenntnisse der Möglichkeiten expliziter Hypnose oder der Ergebnisse der Hypnosefor- schung. So können vor allem bei traumatisierten oder pho- bischen Menschen unerwar- tete bzw. unerwünschte Ef- fekte, wie beispielsweise „Flashbacks“ auftreten. Aus diesem Grund ist eine Zu- sammenarbeit, mit darin spe- Bereits seit Jahrhunderten wird die Trance zu Heilungszwecken, in nahezu allen Kulturen, genutzt und stellt mögli- cherweise eine der ersten „The- rapiemethoden“ der Menschheit dar. PALLIATIVPORTAL Hypnotherapie in der Palliativmedizin Hypnotherapie in der Palliativmedizin Die Möglichkeiten des Unterbewussten Von Anna Zarling Foto: Friedberg - fotolia.com

Hypnose in der Palliativmedizin in der Palliativmedizin.pdf · 3! dern und sein Wohlbefinden damit steigern kann („Selbstwirk-samkeit“).! Hypnose kann allerdings nicht nur zur

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PALLIATIVPORTAL

Heute bin ich König! Das Gras kitzelt meine nackten Füße, es ist heiß und riecht nach Sommer. Die Hände braun vom Dreck strecken einen Ast in die Höhe – es ist mein Schwert. Von der Ferne dringt eine Stimme an mein Ohr, ist es der Hofmar-schall? „Essen ist fertig“, ruft eine weit entfernte Stimme. !

Wer kennt das nicht: als Kind im Spiel versunken zu sein, schwebend zwischen zwei Welten. Trance nennen das die Fachleute und mei-nen damit Bewusstseinszu-stände zwischen Wachsein und Schlaf mit einem Vor-herrschen des Unwillkürli-chen. !

Solche Trance-Phäno-

mene werden auch in der Therapie mit Hypnose (Hyp-notherapie) genutzt, um „Wohlbefinden“ zu erzeugen, zu verstärken oder gezielt Beschwerden zu lindern. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Hypnotherapie auch zunehmend in der Palliativ-medizin eingesetzt wird. Fundierte Kenntnisse von Trance-Phänomenen und Anwendung von Hypnothe-rapie bereichern das Spek-trum der palliativen Versor-gung erheblich.

Sowohl für die Behand-lung der typischen in der Pal-liativmedizin vorkommenden Symptome wie zum Beispiel Schmerzen, Atemnot, Appe-titlosigkeit als auch zur psy-chosozialen und spirituellen Begleitung, ist die Hypnothe-rapie sehr gut geeignet.

Bereits seit Jahrhunder-

ten wird die Trance zu Hei-lungszwecken, in nahezu al-len Kulturen, genutzt und stellt möglicherweise eine der ersten „Therapiemethoden“ der Menschheit dar.

Auch in der Palliativme-dizin werden Trance-Zustän-de zur Entspannung in der Musik-, Kunst- und Atemthe-rapie sowie bei Entspan-nungsübungen, Fantasie-geschichten und Imaginatio-nen eingesetzt. Allerdings geschieht dies häufig ohne Kenntnisse der Möglichkeiten expliziter Hypnose oder der Ergebnisse der Hypnosefor-schung. So können vor allem bei traumatisierten oder pho-bischen Menschen unerwar-tete bzw. unerwünschte Ef-fekte, wie beispielsweise „Flashbacks“ auftreten. Aus diesem Grund ist eine Zu-sammenarbeit, mit darin spe-

Bereits seit J a h r h u n d e r t e n wird die Trance zu Heilungszwecken, in nahezu allen Kulturen, genutzt und stellt mögli-cherweise eine der ersten „The-rapiemethoden“ der Menschheit dar. !!

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Hypnotherapie in der Palliativmedizin Die Möglichkeiten des Unterbewussten Von Anna Zarling

Foto: Friedberg - fotolia.com

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in !zialisierten Ärzten und Psycho-

logen ratsam. Bevor der Patient hypnotisiert werden kann, sollte ein Vorgespräch stattfinden. Darin wird der Patient zum einen über die Hypnotherapie und die damit ein-hergehenden Trance-Phänomene aufgeklärt und zum anderen das Therapieziel gemeinsam festgelegt. Besonders bei Patienten mit Angst vor Kontrollverlust ist es wichtig zu vermitteln, dass sie dem Therapeu-ten nicht willenlos ausgeliefert sind, sondern ihre Autonomie auch unter Hypnose erhalten bleibt. So ist auch in Trance eine verbale und nonverbale Kommunikation, bei-spielsweise durch Handzeichen, weiterhin möglich. !

Die Hypnose sollte entweder im Sitzen oder Liegen und in mög-lichst ruhiger, entspannender At-mosphäre erfolgen. Für eine Einheit sollte man in der Palliativmedizin ca. 20 – 40 min einplanen. Zur Hypnose erfolgt zunächst die „Trance-Induktion“. Der Patient wird durch gezielte Entspannung, z.B. durch Fixierung eines Punktes mit den Augen, in einen Trancezu-stand geleitet. In Trance treten ne-ben sensorischen auch motorische

Phänomene auf. Ein unwillkürliches Anheben des Armes nach dem Ge-fühl von Leichtigkeit, wird vor allem von schwer erkrankten Patienten als angenehm empfunden. !

Dem sachten Hineingleiten in die Trance folgt eine „Vertiefung“. Hierbei werden beim Patienten Bil-der erzeugt - dies kann zum Bei-spiel die Vorstellung von einem Weg sein, welcher zu einem schö-nen Ort oder Ereignis führt. Da-durch soll die Entspannung zuneh-mend vertieft und schließlich der Kontakt mit dem „Unbewussten“ ermöglicht werden. Meist stellen diese Bilder die Rückbesinnung in eine Zeit vor der Erkrankung dar, in der sich der Patient wohl fühlte.

Durch Nacherleben jenen Ortes oder Ereignisses auf allen Sinnes-kanälen, werden die Bilder zuneh-mend als wirklich erlebt. Das be-deutet, dass die Vorstellung nicht nur ein psychisches, sondern auch ein körperliches Wohlbehagen be-wirkt. Dadurch kommt es zu einer positiven Beeinflussung von Kör-perfunktionen und Wahrnehmung – für die Palliativmedizin typische Beschwerden, wie beispielsweise Schmerzen, Atemnot und Übelkeit können somit nachweislich gelin-

dert werden.!Nach der Hypnosesitzung er-

folgt in der Regel die „Dehypnose“. Dazu wird die Aufmerksamkeit des Patienten wieder auf das hier und jetzt fokussiert. Dieses Erleben kann – noch in Hypnose – mit ei-nem selbst zu erzeugenden Körper-reiz verknüpft werden. Durch Aus-lösen dieses

Reizes kann der Patient leichter selbst in diesen Trance-Zustand gelangen („Selbsthypnose“). Ziel ist es, den Patienten in seiner Auto-nomie zu stärken und zu zeigen, wie er eigenständig Symptome lin-

So können vor allem bei traumatisierten oder phobischen Menschen unerwartete bzw. uner-wünschte Effekte, wie beispielsweise „Flash-backs“ auftreten.

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!dern und sein Wohlbefinden

damit steigern kann („Selbstwirk-samkeit“).!

Hypnose kann allerdings nicht nur zur Behandlung von spezifi-schen körperlichen Symptomen eingesetzt werden, sondern auch zur psychischen und existenziell-spirituellen Begleitung in der letzten Lebensphase. Die Fokussierungen auf existenzielle und spirituelle Themen erfolgt oft auch „spontan“ bei der symptombezogenen Hyp-nose. Die imaginierten Bilder – die aus dem Unterbewusstsein stam-men – sind meist eng mit der un-bewusst stattfindenden Auseinan-dersetzung mit dem Thema Ab-schied verknüpft. Dies ist beson-ders bei Patienten, die diese The-matik ausblenden, hilfreich.

So kann in Trance Unerledigtes zu Ende gebracht, schmerzliche Ereignisse verarbeitet oder wertvol-le Begegnungen und Ereignisse in Erinnerung gerufen werden.

!Wieder König sein – für einen

Augenblick. !!Impressum !Herausgeber Palliativ-Portal, Im Köstlersbrunn 28, 96135 Stegaurach. Geschäftsführer: Dr. med. Jörg [email protected]!Die Autorin Studentin, Medien- und Kommunikati-onswirtschaftDuale Hochschule Baden-Württem-berg Ravensburg!!Hinweis Das Interview ist Eigentum des Pallia-tiv-Portals. Teilweise oder komplette Auszüge dürfen nur nach Erlaubnis weiterverwendet werden.

Fortbildung: Hypnose in der PalliativmedizinDr. Wolfgang Schulze, Bayreuth. !07.-­‐08.  März  2014:   Basiskurs  in  Berlin ✉  ellen-­‐[email protected]  

27.-­‐28.  Juni  2014:   Basiskurs  in  Hof ✉  marion.Mayer@diakonie-­‐hochfranken.de  

19.-­‐20.  Sept.  2014: Aufbaukurs  in  Hof ✉  marion.Mayer@diakonie-­‐hochfranken.de  

10.-­‐12.  Okt.  2014:   Institut  für  Palliativpsychologie  in  Frankfurt✉  [email protected]  

13.-­‐16.  Nov  2014:   Ganztägiger  Workshop  auf  der  Jahrestagung  der  „Deutsche  Gesellschaft  für  Hypnose  und  Hypnotherapie  e.  V.“  in  Bad  Lippspringe  

Quellen:Dr. Wolfgang Schulze (2012): „Hypnose“ in Komplementäre und alternative Methoden in der Palliativversorgung, S. 54-57,Deutscher Pal-liativ Verlag, Fulda!Dr. Wolfgang Schulze (2013): „Hypnose und Hypnotherapie in der Palliativmedizin – Symptombehandlung und spirituelle Begleitung Hyp-nosis and Hypnotherapy in Palliative Care –Symptom Control and Spiritual Attendance“ ,14: S. 59–72, Z Palliativmed 2013