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Universität Regensburg Katholisch-Theologische Fakultät Lehrstuhl für Systematische Theologie (Fundamentaltheologie) Wintersemester 2005/06 Seminar „Fels des Atheismus oder Frömmigkeit der Theologie? Die Theodizeefrage“ unter der Leitung von Prof. Dr. Alfons Knoll Ijobs Botschaft Versuche einer Theodizee Fritz König: Hiob von Patricia Knödl

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Universität Regensburg

Katholisch-Theologische Fakultät

Lehrstuhl für Systematische Theologie (Fundamentaltheologie)

Wintersemester 2005/06

Seminar

„Fels des Atheismus oder Frömmigkeit der Theologie? Die Theodizeefrage“

unter der Leitung von Prof. Dr. Alfons Knoll

Ijobs Botschaft

Versuche einer Theodizee

Fritz König: Hiob

von

Patricia Knödl

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Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG: IST IJOB WIRKLICHKEIT? 2

I. ZUM INHALT DES IJOBBUCHES 4

II. GRUND UND ZWECK DES LEIDS 6

1. Leid als Folge menschlicher Schuld : Der Tun-Ergehen-Zusammenhang 6

2. Leid aufgrund der kreatürlichen Schwäche des Menschen 8

3. Leid als Mittel göttlicher Erziehung, Läuterung und Prüfung 8

4. Das Scheitern der Dialoge 10

III. IJOBS KLAGE- EINE VERTRAUENSÄUßERUNG 11

1. Zur Klage allgemein 11

2. Ijob, der Kläger 13

3. Anruf Gottes als Löser 15

IV. DIE GOTTESREDEN – EINE ANTWORT? 18

SCHLUSS: BETROFFENHEIT STATT ARGUMENTATION? 21

LITERATURVERZEICHNIS 25

ANHANG 29

1. Die Spur 29

2. Das Buch Ijob – Strukturanalyse 30

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Einleitung: Ist Ijob Wirklichkeit?

Der Titel dieser Arbeit, „Ijobs Botschaft. Versuche einer Theodizee“, weist auf zweierlei hin:

Erstens bezieht er sich auf die Schreckensmeldungen, die auf die Hauptfigur Ijob am Anfang

des gleichnamigen Buches hereinbrechen. Die Unglücksboten geben sich förmlich die

Türklinke in die Hand, die „Hiobsbotschaften“ erfolgen Schlag auf Schlag und stürzen Ijob in

großes Leid (vgl. Ijob 1,14-19).1

Ijob befindet sich somit in einer Situation, in der viele

Menschen an Gottes Güte und Allmacht zu zweifeln beginnen und die typische

Theodizeefrage stellen: „Warum lässt Gott das zu? Wie ist ein guter und allmächtiger Gott zu

rechtfertigen angesichts des Leids in der Welt?“ Das sind Fragen, die zum Menschen gehören,

wie das Leben selbst. Schon Kinder sind sich dieses Problems bewusst. So fragt Sonja:

„Wenn Du nicht willst, daß die Menschen böse Worte sagen, warum hast du sie dann

erfunden?“ und Katharina fordert: „Lieber Gott! Lissi meine Katze ist überfahren worden!

Wenn Du das zugelassen hat, mußt Du mir auch sagen warum!“2

Die Existenz des Bösen wird

zu einer „entscheidenden Herausforderung für die Glaubwürdigkeit der christlichen

Religion“3

. Doch für Ijob ist die Theodizeefrage nicht der „Fels des Atheismus“4

. Er hält

trotz allem am Glauben an seinem Gott fest.

Damit verbunden ist auch die zweite Deutungsmöglichkeit, die der Titel eröffnet. Er meint

hier die Botschaft, die das Buch Ijob vermitteln möchte. Dieser Botschaft heißt es im

Folgenden auf die Spur zu kommen. Doch schon im Voraus ist zu betonen, dass es eben nur

Versuche bleiben können. Denn das Buch entzieht sich „einer festgelegten Eindeutigkeit,

bleibt gegenüber der Frage seiner Relevanz seltsam zurückhaltend, zeigt sich rätselhaft,

vielschichtig, in vielerlei Hinsicht nicht bis ins Letzte ergründbar.“5

Auch Ijob gibt keine

endgültige Antwort auf die Frage nach dem Leid. Das Profil des Buches ist es „weder zur

überzeitlich gültigen Antwort auf eine ewige Menschheitsfrage aufzuspreizen noch zur

1

„Die Atemlosigkeit der aufeinander folgenden Unheilsbotschaften und deren Zusammenballung zu einer

einzigen Katastrophe bringen auch die gleichlautenden Schlußsätze der Boten zum Ausdruck.“ (Ebach, Hiobs

Post, 3.)

2

Marshall, Kinderbriefe.

3

Beinert, Christentum, 158.

4

Büchner, Werke und Briefe, 107.

5

Engljähringer, Theologie,13f.

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lediglich historisch bedeutsamen Variante der Problemgeschichte zu verkürzen.“6

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob es die Person Ijob wirklich gegeben

hat7

bzw. ob dies eine „wahre“ Geschichte ist. Ist Ijob Wirklichkeit? Vergleichen wir das

Buch mit der Geschichte, die der Prophet Natan dem König David erzählt (2 Sam 12,1-7).

David muss angeklagt werden, da er in die Ehe des Uria mit Batscheba „einbrach“ und Uria

anschließend ermorden ließ. Da David aber neben dem Angeklagten als König zugleich

Richter in eigener Sache hätte sein müssen, konnte er nur mit Hilfe des Gleichnisses von

Natan zum klaren Urteil über sich selbst kommen.8

Dies war die einzige Möglichkeit für

Natan, die Wirklichkeit darzustellen. Somit ist es auch nicht wichtig, ob es Ijob wirklich gab;

sondern es ist wichtig, „ob und inwieweit so – und womöglich so allein – Wirklichkeit zu

erfassen, zu beschreiben, zu deuten ist.“9

Ijob ist keine historische Figur, aber dennoch ist er

„wahr“. Er ist ein Exempel, an dem Grundfragen des menschlichen Lebens durchdiskutiert

werden. Engljähringer weist darauf hin, dass das Buch Ijob weit über die unmittelbare

Entstehungszeit und –situation etwas zu sagen hat und „noch immer voller Faszination und

Kraft“ ist.10

In diesem Sinne schreibt auch Wiesel: „Merkwürdig! Daß er, der nur sein eigenes

Land gekannt hat, nur in der Legende existiert, anscheinend in allen Ländern gewohnt hat,

und daß er, der vielleicht nie geboren wurde, sich als unsterblich erweist.“11

Die Offenheit der

Zeit- und Ortsangaben im Buch Ijob trägt dazu bei, dass sich die Leser in hohem Maß mit der

Person des Ijob identifizieren können. So hat auch Kierkegaard festgestellt: „Im ganzen Alten

Testament ist keine Gestalt, der man sich mit solchem menschlichen Vertrauen, solcher

Freimütigkeit und Getrostheit nähert wie Hiob, eben weil alles an ihm so menschlich ist“12

.

Und er fügt hinzu: „Hiob ist gleichsam die ganze inhaltsreiche Klageschrift seitens des

Menschen in der großen Sache zwischen Gott und dem Menschen.“13

Im Buch Ijob, das ein „theologisches Werk von unausschöpflicher Tiefe“14

darstellt, finden

sich in einer explosiven Mischung so ziemlich alle Stichwörter, die eine Leidproblematik

aufwirft: Gott und Satan, Vorwürfe und Vorurteile, Schuld und Strafe, Vorsehung und

Schicksal, Schwäche und Kreatürlichkeit, Erziehung und Prüfung, Betroffenheit, Plädoyer

und Anklage. Im Folgenden werden nun, nach einer kurzen Inhaltskizze des Buches, die

Antwortsversuche der Freunde auf die Fragen nach Grund und Zweck des Leids kritisch

6

Ebach, Art. Hiob, 361.

7

„Die einen sagen, Hiob hat sehr wohl gelebt, nur sein Leiden ist eine rein literarische Erfindung. Dem halten

andere entgegen: Hiob hat niemals gelebt, aber er hat sehr wohl gelitten.“ (Wiesel, Adam, 211.)

8

Vgl. Ebach, Streiten,Bd.1, X.

9

Ebd., X.

10

Engljähringer, Theologie, 13.

11

Wiesel, Adam, 208.

12

Kierkegaard, Auswahl, 263.

13

Ebd., 269.

14

Kraus, Welt und Mensch, 275.

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behandelt. Einen großen Teil der Arbeit nimmt auch die Klage Ijobs und die damit

verbundene Vertauensäußerung gegenüber Gott ein. Nach einer genaueren Beleuchtung der

„Antwort“ Gottes stellt sich am Ende schließlich noch die Frage, ob Betroffenheit angesichts

des Leids angemessener sei als ein theoretisches Nachsinnen über die Theodizeefrage. Zu

bemerken ist noch, dass hier nicht auf die Entstehung des Textes eingegangen werden kann

und dass das Buch Ijob somit in der Gestalt behandelt wird, wie es heute als Ganzes

vorliegt.15

I. Zum Inhalt des Ijobbuches

Das Buch Ijob beginnt mit dem Satz „Im Lande Uz lebte ein Mann mit Namen Ijob. Dieser

Mann war untadelig und rechtschaffen; er fürchtete Gott und mied das Böse.“ (Ijob 1,1) und

endet mit den Worten „Dann starb Ijob, hochbetagt und satt an Lebenstagen.“ (Ijob 42,17).

Ein großer Erzählbogen umspannt die Kapitel dazwischen, der hochaktuelle Fragen aufwirft,

deren „Zündstoff […] so brisant [ist] wie ehedem.“16

Der Name „Ijob“ sagt schon viel über

das Buch aus. Er bedeutet „Wo ist (mein) Vater?“, wobei „Vater“ hier als theophores

Namenselement auf die Gottheit zu beziehen ist.17

Ijob ist ein Nichtisraelit. Jedoch ist seine

Heimat Uz, was auf Verwandtschaft mit Abraham schließen lässt.18

Schon aus dieser

Tatsache ist abzulesen, dass das Thema des Buches nicht spezifisch israelitisch, sondern von

allgemeiner Bedeutung ist.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert: Prolog, Hauptteil und Epilog.19

Die Rahmenerzählung

beginnt mit einer Situationsbeschreibung Ijobs als untadeligen und rechtschaffenen Mann, der

Gott fürchtet und das Böse meidet (vgl. Ijob 1,1).20

Wie ein Spiegel dessen wird auch das

Kinderglück und der Reichtum Ijobs beschrieben (vgl. Ijob 1,2-3). Doch dieser Mann muss

im Folgenden durch eine lange Nacht des Leidens gehen, eine Nacht, die nicht enden zu

wollen scheint. Denn der Satan21

stellt während eines Gesprächs mit Gott die These auf, dass

15

„Das schließt keineswegs die Erkenntnis aus, daß einzelne Teile des Buches eine eigene Vorgeschichte haben;

das Buch in seiner Jetztgestalt stellt aber eine durchdacht gefügte Komposition dar.“ (Rendtorff, Theologie, 312)

16

Kühlwein, Schöpfung, 12.

17

Vgl. Schwienhorst-Schönberger, in: Zenger (Hg.), Stuttgarter Altes Testament, 992.

18

Vgl. Gen 22,20f: Uz ist der Name des ältesten Sohns von Abrahams Bruder Nahor, also ein Onkel Jakobs.

19

Vgl. Strukturskizze S. 27.

20

Die Kennzeichnung der Frömmigkeit Ijobs geht somit weit über das hinaus, was sonst in der Hebräischen

Bibel über Menschen gesagt wird. (Nur Noah in Gen 6,9 ist zu vergleichen) (vgl. Rendtorff, Theologie, 313). Im

Ijobbuch sagt das aber Gott selbst (1,8; 2,3), nicht nur der Erzähler!

21

Satan wird hier nicht als der gleichrangige Gegenpol Gottes, das Böse, verstanden. Er gehört zum

himmlischen Hofstaat. „Der große Versucher blieb auf seltsame Weise mit Gott verbunden“ (Schwager,

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Ijob dem Herrn nur so lange treu bleiben werde, als es ihm materiell und gesundheitlich wohl

ergehe („Geschieht es ohne Grund, dass Ijob Gott fürchtet?“ Ijob 1,922

). Gott geht auf die

teuflische Wette ein. Daraufhin verliert Ijob „alles, was Menschen verlieren können, nicht

mehr und nicht weniger“23

. Erst werden ihm sein Besitz und seine Kinder genommen,

schließlich auch noch seine Gesundheit. „Er wird zum archetypischen Bild des

größtmöglichen Leidens.“24

Ijob steht nun am Scheideweg: Entweder er verliert den Glauben

an Gott, wie ihm seine Frau rät (Ijob 2,9), oder er vertieft ihn. Der Leidensknecht wählt den

zweiten Weg. Er hält an seinem Glauben fest und besteht die Prüfung. Kein Wort der Klage

kommt über seine Lippen: „Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; / gelobt sei der

Name des Herrn.“ (Ijob 1,21; vgl. auch 2,10). Die Rahmenerzählung könnte somit auch für

sich stehen. Doch die Geschichte geht weiter. Im folgenden Dialogteil wird die brennende

Frage nach dem Warum des Leids behandelt. In 2,11-13 werden die Freunde Ijobs, Elifas von

Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama, als Dreiheit vorgestellt.25

Zutiefst

erschüttert von Ijobs Leid, schreien sie auf und weinen, zerreißen ihr Gewand und setzen sich

sieben Tage und Nächte zu Ijob, um mit ihm zu schweigen.26

Erst nachdem Ijob zu seinem

ersten Klagemonolog (Ijob 3) angesetzt hat, fangen auch sie an zu reden. „Solange sie

schweigen, sind die drei Freunde rührend, ja geradezu ergreifend, sobald sie aber anfangen zu

reden, sind sie enttäuschend. Sie sind geschwätzige Heuchler. Ihre Erschütterung ist nicht

echt, ist berechnet.“27

In mehreren Redegängen wechseln sich im Dialogteil die Reden Hiobs

mit denen der zunächst drei Freunde ab. Diese stellen drei Prämissen auf: „A. Gott ist

allmächtig und bewirkt alles, was auf dieser Welt geschieht. Nichts kann ohne seinen Willen

geschehen. B. Gott ist gerecht und gütig und teilt den Menschen das zu, was sie verdienen, so

daß es guten Menschen wohl ergeht und Gottlose bestraft werden. C. Hiob ist ein guter

Mensch.“28

Ohne zu zögern opfern Ijobs Freunde Punkt C. Sie wollen in keiner Weise von

ihrem Gottesbild abweichen und werfen Ijob vor, sich in irgendeiner Weise schuldig gemacht

zu haben. Doch Ijob bestreitet dies vehement. Im Folgenden verhärten sich die Positionen

immer mehr und es scheint, als würden die Personen aneinander vorbeireden. Schwienhorst-

Schönberger spricht von einem „Prozess zunehmender Entfremdung zwischen Ijob und seinen

Dunkles, 167)

22

Zu beachten ist auch die Doppelbedeutung von „umsonst“: in 1,9: ohne Lohn; in 2,1-3: ohne Sinn.

23

Döblin, Berlin, 143.

24

Langenhorst, Hiob, 32.

25

Ijob spricht die Freunde immer im Plural an (Ausnahme 16,3 und 26,2-4). Das weist darauf hin, dass sie als

Kollektiv verstanden werden. Sie sind im Übrigen auch die Einzigen neben Hiob und Elihu, die mit vollem

Namen vorgestellt werden, was auf ihre große Bedeutung hinweist.

26

Das entspricht der traditionellen jüdischen Trauerwoche („Schiwa“). (vgl. Langenhorst, Hiob, 19)

27

Wiesel, Adam, 221.

28

Kushner, Wenn guten Menschen, 46.

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Freunden“29

. Auch der vierte Freund, Elihu, der ab Kap.32 hinzutritt, kann nicht zu einer

Lösung beitragen. Somit wendet sich Ijob schließlich an Gott, den er erst als Richter (9,33-

35), dann als Zeuge (16,19-21) und schließlich als Löser anruft (19,25). Am Ende ergreift

schließlich Gott selbst das Wort. Nach einer Reihe von rhetorischen Fragen, durch die er Ijob

zurecht weist, spricht er ein Urteil über die drei Freunde (42,7-9). Ijob wird daraufhin

wiederhergestellt (42,10-17). Hier endet das Buch, doch das Problem bleibt offen. Kritisch

fragt Kushner: „Was ist das für ein Gott, der unschuldige Kinder tötete und seinen

ergebensten Diener mit unsäglichen Ängsten heimsuchte, nur um, wie wir ja wissen, eine

Wette mit dem Teufel zu gewinnen?“30

Im Folgenden soll nun auf die zwei großen Fragen des

Buches eingegangen werden: „Was ist das rechte Verhalten im Leid?“ und „Was sind Grund

und Zweck des Leids?“.

II. Grund und Zweck des Leids

Das Denken der Freunde Ijobs ist ganz in der Weisheit Israels verwurzelt. Für sie muss Ijobs

Leiden einen Grund haben. Paradox ist die Situation deshalb, weil der Leser von Anfang

weiß, dass Ijob unschuldig ist und dass die Theorien der Freunde nicht zutreffen können, da

Ijobs Leid durch eine Wette zwischen Gott und Satan verursacht ist. Elifas, Bildad, Zofar und

Elihu versuchen Antworten zu finden, die sich mit ihrem Gottesbild vereinbaren lassen. Sie

begründen das Leid als Strafe für Sünde und Schuld, als Folge der kreatürlichen Schwäche

des Menschen und als Gottes Erziehung bzw. Prüfung.

1. Leid als Folge menschlicher Schuld : Der Tun-Ergehen-Zusammenhang

Am deutlichsten tritt das Argument der individuellen Vergeltung hervor. Gott wird hier ganz

im Sinne eines Ursache-Wirkung-Zusammenhangs als ein strafender charakterisiert (vgl. z.B.

8,20). Das Leid des Einzelnen resultiere aus der individuellen Sünde und Schuld. Nach dieser

Logik geht es dem Frommen gut und der Frevler wird bestraft. Und Gott ist der, der den

Zusammenhang zwischen Tat und Ergehen bewirkt.31

Diesem Denken zu Grunde liegt der in

der weisheitlichen Tradition wurzelnder Tun-Ergehen-Zusammenhang. Auch Ijob ist diesem

Denken verhaftet. In 1,5 wird von seinem Bemühen berichtet, seine Kinder durch die

Darbringung von Opfern schon vorsorglich zu „sichern“ und zu entsühnen. Das Denkmuster

hierbei folgt einer Art Automatismus. Durch sein Tun entwickelt der Mensch eine Sphäre um

29

Schwienhorst-Schönberger, Das Buch Ijob, in: Zenger (Hg.), Einleitung, 337.

30

Kushner, Wenn guten Menschen, 43.

31

Vgl. z.B. Ijob 4,7f; 15,20-35; 18,5-21; 21,7; 27,7-10.13-23; 36,5-14; Ps 7,16; 62,13; Ps 18,21-28; 94,2.22-23;

Spr 11,31; 12,21; 13,21; 26,27; 28,18.

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sich, die zu seinem Schicksal wird. Koch spricht von einer „schicksalwirkenden Tatsphäre"32

.

Nach dieser Auffassung kommt nichts Fremdes im Ergehen auf den Menschen zu, sondern

das eigene Wesen des Menschen, das er sich selbst geschaffen hat, wird in Verbindung mit

dem Handeln Jahwes in Kraft gesetzt.33

Genau hier liegt auch das Problem: Der kausale

Zusammenhang gerät in die Gefahr, umgedreht zu werden, wie es im Buch Ijob geschieht.

Ijobs Leid wird auf irgendein vorhergehendes Fehlverhalten hin gedeutet. Doch Ijob ist

unschuldig! Die weisheitliche Vergeltungslehre muss also angesichts des Leids der

Frommen34

notwendig versagen. „Denn nachdem die Vergeltungslehre aus ihrer

heilsgeschichtlichen Bindung gelöst und zu einer allgemeingültigen Lehre systematisiert

worden war, gab sie einerseits keinen Raum mehr frei für ein Handeln Gottes, das sich nicht

der Berechnung der menschlichen Vernunft unterwarf, sondern oft rätselhaft und fremd

erschien, und bürdete andererseits dem Menschen die Alleinverantwortlichkeit für sein

Geschick auf, insofern dessen Taten zum alleinigen Maßstab für das segnende oder strafende

Handeln Gottes gemacht wurden.“35

Genau hierin besteht auch Ijobs Problem: Es ergeht ihm

wie den frommen Betern der Psalmen 49 und 73: Das Leid der Frommen verdunkelt auch

ihnen „die Führung Gottes, so daß sie die Offenbarung seiner Gerechtigkeit als Gericht an den

Frevlern und als Heil für die Frommen nicht mehr zu erkennen vermochten.“36

Ijob versteht

die Welt nicht mehr und sucht nach einer Lösung. Seiner Meinung nach hat Gott den Tun-

Ergehen-Zusammenhang ins Gegenteil verkehrt (vgl. 9,20ff) und handelt willkürlich (10,15f).

Die Freunde dagegen halten stur an ihrer Doktrin fest. Sie glauben, dass das Verhältnis

zwischen Gott und Mensch gerecht sei, und zwar ‚gerecht’ verstanden als Austausch von

Gleichem mit Gleichem (vgl. Elifas: 4,7f; 5,8.17f.25; 22,4f; Bildad: 8,3). Doch im Verhältnis

zwischen Gott und Mensch geht es nicht nach der Gerechtigkeit des Tausches zu. Gott darf

nicht als Handelspartner verstanden werden. Somit ist diese Antwort der Freunde eine

Verhöhnung der Frommen in ihrem Leiden und zugleich eine Anmaßung gegenüber Gott, den

sie in ihr festes Denkschema einpassen wollen. Die individuelle Vergeltungslogik erweist sich

als nicht überzeugend.37

Sölle schreibt zu recht: „Es gibt Schmerzen, die jede Form von

Schuld unendlich übersteigen.“38

32

Koch, Vergeltungsdogma, 26.

33

Vgl. Ebd., 32.

34

Zum Leiden der Gerechten vgl. auch Koh 8,14; 9,2f; Ps 73.

35

Mende, Durch Leiden, 400.

36

Ebd., 405.

37

Sie wird auch in lehramtlichen Texten zurückgewiesen: In der Bulle „Ex omnibus afflictionibus“ (1572) von

Papst Pius V. wird die These des Michel Bajus zurückgewiesen, nach der „[a]lle Drangsale der Gerechten […]

ganz und gar Strafen für ihre eigenen Sünden“ seien und daher „auch Ijob und die Martyrer [sic!], die gelitten

haben, wegen ihrer Sünden gelitten“ hätten (DH 1972). Die Konstitution „Unigenitus Dei Filius“ (1713) von

Papst Clemens XI. stellt folgenden Satz des Pasquier Quesnel als Irrtum dar: „Niemals betrübt Gott

Unschuldige; und Betrübnisse dienen immer dazu, entweder die Sünde zu bestrafen oder den Sünder zu

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2. Leid aufgrund der kreatürlichen Schwäche des Menschen

Leid aufgrund der kreatürlichen Schwäche des Menschen – das ist ein weiteres Argument der

Freunde Ijobs, wenn auch nicht so dominierend wie das vorherige. Es taucht nur ansatzweise

in den Reden auf und wird von vielen Exegeten des Ijobbuches nicht behandelt. Der

Vollständigkeit halber soll es hier dennoch mit angeführt werden.

Elifas, Bildad, Zofar und Elihu vertreten den Ansatz, das Leid gehöre einfach zur Natur des

Menschen (vgl. 5,7; 9,2).Der Mensch sei von Grund auf sündhaft und böse. Das liege an

seiner kreatürlichen Schwäche. „Durch das stoffliche und vergängliche Geschaffensein

(‚Lehmhaus’: 4,19) ist das Leben des Menschen – unabhängig von jeder sittlichen Verfehlung

– mit Leid behaftet.“39

So ist der Mensch durch einen grundlegenden Makel gekennzeichnet

(vgl. 15,14), er ist nicht „rein“ (vgl. 4,17f; 15,15; 25,5). Dadurch entsteht Leid in der Welt.

Die Freunde drängen Ijob, diese widerspruchslos Tatsache anzunehmen und sich Gott zu

unterwerfen (vgl. 22,21ff; 36,11). Sölle dagegen betont, dass der hier dargestellte Gott nicht

Jahwe sei. „Dieser Gott ist ein Naturdämon, der mit dem Gott des Exodus und dem der

Propheten nichts zu tun hat.“40

3. Leid als Mittel göttlicher Erziehung, Läuterung und Prüfung

Vor allem der vierte Freund, Elihu, vertritt die These, das Leid sei als Mittel der göttlichen

Erziehung zu verstehen.41

Außerdem bringt er in Zusammenhang damit etwas Neues ein: Statt

nach dem Grund, dem Warum, des Leidens zu fragen, richtet er die Aufmerksamkeit auf den

Sinn, den Zweck, das Wozu des Leidens (vgl. 33,14-25). Man kann hier also von einer Art

Leidenspädagogik Gottes sprechen. Das Leid diene als Warnung Gottes (33,19-22), um

Menschen zur Umkehr zu bewegen (36,8-10). Da der Mensch nicht auf die Worte des Herrn

achte (33,14), mache Gott auf anderem Wege auf sich aufmerksam (33,16-19). So ruft Elihu

in 36,21 dazu auf: „Hüte dich und wende dich nicht zum Bösen! / Denn darum wirst du durch

Leid geprüft.“

Die Rechtfertigung des Leids als Mittel göttlicher Zurechtweisung geht zurück auf

Erfahrungen aus der Erziehung.42

Die Menschen sollen vor Fehltritten bewahrt werden. Das

Leid kann so als Zeichen göttlicher Liebe und Sorge verstanden werden: „Wen der Herr liebt,

den züchtigt er, / wie ein Vater seinen Sohn, den er gern hat.“ (Spr 3,12). Diese

reinigen.“ (DH 2470).

38

Sölle, Leiden, 35f.

39

Schwiehorst-Schönberger, in: Zenger, Einleitung, 346.

40

Sölle, Leiden, 147.

41

Auch in 5,17-18 ist dieser Ansatz vertreten.

42

Vgl. Spr 13,1.24; 23,12-14; 15,5; 19,18; 29,17.

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Argumentation wurzelt im alten Traditionsbereich des Glaubens Israels. In Hos 5,2, einem

vorexilischen Text, heißt es: „Ich aber werde euch alle bestrafen.“ Mende bemerkt dazu: „Im

vorliegendem Kontext wird deutlich, daß diese Züchtigung Israels, obgleich sie unzweifelhaft

den Charakter der Strafe besitzt, ihrer Zielsetzung nach ein Medium des erzieherischen

Handelns Jahwes ist, das der Heimholung des Volkes in das alte Bundesverhältnis mit seinem

Gott dient.“43

Am deutlichsten kommt die göttliche Pädagogik in Hos 11,1-9 zum Vorschein.

Hier legt der Prophet das Vater-Sohn-Verhältnis als Bildvergleich für das Verhältnis

zwischen Jahwe und Israel zugrunde.44

Das Leiden wird also als etwas Positives betrachtet

(vgl. Ps 119,71). So kann die ganze Geschichte als göttliche Erziehung verstanden werden

(vgl. Sir 4,11-19), in der Gott seinem Volk immer wieder die Möglichkeit zur Umkehr

bietet.45

Das pädagogische Argument liegt auch auf der Linie von Thomas von Aquin: „Es

steht also durchaus im Einklang mit der unendlichen Güte Gottes, wenn er manche Übel

zulässt, um daraus Gutes entstehen zu lassen.“46

Sinngemäß steht dies auch im Katechismus

der katholischen Kirche: „Der Glaube gibt uns die Gewissheit, dass Gott das Böse nicht

zuließe, wenn er nicht sogar aus dem Bösen etwas Gutes hervorgehen ließe.“47

Aus der

subjektiven Perspektive kann Leid als Erziehung/Reifung durchaus tragfähig sein. Aber es

darf keine These von außen aufoktroyiert werden oder allgemeine Gültigkeit beanspruchen.

Auch die Theologin Ammicht-Quinn sieht die Möglichkeit persönlicher Reifung durch Leid

kritisch. „Eine solche Erfahrung aber kann in keiner Weise systematisch verallgemeinert oder

normativ verwertet werden“48

.

Im Ansatz der Erziehung durch das Leid involviert ist die Erprobung des Glaubensgehorsams.

Bereits in der Rahmenerzählung, in der Satan darauf wettet, dass Ijobs Glauben dem Leid

nicht standhält, wird das so dargestellt. Doch auch Ijobs Freunde vertreten diese These (vgl.

36,21). Im Leid zeigt sich, ob sich der Glaube bewährt und als echt erweist. Gott lässt uns

leiden um uns zu prüfen. Durch das Leid soll der Mensch geläutert werde, wie man Gold im

Feuer reinigt (vgl. Sir 2,1-5; Spr 17,3). Doch Sölle weist daraufhin, dass Ijobs Prüfungen

absurd und grausam sind, da sie ein Menschenunmögliches verlangen.49

Das ist „ein Motiv,

das dem tyrannischen Herrscher zugehört“50

In diese Richtung geht auch Rahner, wenn er

43

Mende, Durch Leiden, 407.

44

Vgl. Ebd., 408.

45

Vgl. Richterschema in Ri 2,11-19: Mit der Darstellung dieses sich stetig wiederholenden Vorgangs wird

deutlich, dass „Jahwe sein sündiges Volk nicht einfachhin nach dem Prinzip einer mechanistischen Vergeltung

mit Vernichtung bestraft, sondern ihm auch die Möglichkeit der Umkehr läßt, damit er es aus der Bedrängnis

erretten kann.“ (Mende, Durch Leiden, 415.)

46

Thomas von Aquin, Summa theologiae I, q.2 a.3 ad1 (S.48f).

47

Katechismus, Nr. 58, 47.

48

Ammicht-Quinn, Von Lissabon, 230.

49

Vgl. Sölle, Leiden, 140.

50

Ebd., 138.

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sich mit dieser Antwort auf die Frage nach dem Leid nicht zufrieden gibt. Denn es gibt auch

„Leid, das bei allem guten Willen, es human und christlich zu bestehen, zerstörerisch wirkt,

den Menschen einfach überfordert, seinen Charakter verbiegt und beschädigt […], das nicht

in einen Prozeß der Reifung und personalen Bewährung integriert werden kann.“51

In diesem

Zusammenhang verweist er auf unmündig sterbende Kindern oder in Altersschwachsinn

verdämmernde Greise.52

Und auch Kutsch fragt kritisch: „Was aber geschieht, wenn das Leid

andauert, wenn ein Mensch durch unheilbare Krankheit langsam dem Tod zugeht, wenn ein

anderer aus Not und Unglück nicht herauskommt?“53

Nicht alle Menschen können dem Leid

im Nachhinein einen Sinn, einen „Lebensfortschritt“ abgewinnen. Es gibt auch Menschen, die

durch das Leid zynisch und bitter werden. So bemerkt Kushner: „Wenn Gott uns Prüfungen

schickt, muß Er wissen, daß viele in der Prüfung unterliegen werden.“54

4. Das Scheitern der Dialoge

Im Grunde sind die Argumente der Freunde nicht falsch. Sie entsprechen der weisheitlichen

Lehre des Alten Testaments. Der „Fehler“ der Freunde liegt darin, dass sie Welt und Gott in

ihr System einpassen wollen. Doch die Weisheit hat zu tun mit Lebenserfahrung. Sie ist nicht

ein bloß theoretisches Wissen.55

Die Freunde haben sich und Gott feste Meinungen und Bilder

übergestülpt. Was sie nicht getan haben, ist ein Sich-Öffnen auf Ijob und auf Gott hin und das

Zulassen von neuen Erfahrungen. Dadurch geraten sie in die Gefahr der Selbstüberschätzung

und ihre Argumente werden hohl und leer. „Über das Opfer herzufallen ist eine beliebte

Methode, um sich selbst zu versichern, daß die Welt gar nicht so schlecht ist, wie es scheint,

daß es gute Gründe für das Leid mancher Menschen gibt. So verfuhren auch Hiobs Freunde;

sie lösten damit wohl ihr Problem, aber nicht das Hiobs.“56

Das Entscheidende an der

Theologie ist aber zu fragen. Und diese Fragen auch einmal unbeantwortet zu lassen, Grenzen

abzuschreiten und keine falschen oder unzureichenden Antworten zu akzeptieren. Somit kann

gesagt werden, dass das Ijobbuch die fragwürdigen Ansätze von Leidenstheologie relativieren

und ihre Gefährlichkeit aufdecken will. „Weder Ijob, noch einer der Freunde, noch die

Freunde als Gruppe werden so charakterisiert, dass der Leser, die Leserin in der Sympathie

eindeutig gelenkt würde. Es ist nicht von vornherein ausgemacht, dass eine der Positionen

51

Rahner, Warum, 460f.

52

Vgl. Ebd.

53

Kutsch, Grund und Sinn, 80.

54

Kushner, Wenn guten Menschen, 34. und er fügt hinzu: „Ein Vater, der sein Kind für irgendein Unrecht

bestraft und ihm niemals sagt, warum es bestraft wird, ist nicht gerade ein Vorbild für andere Eltern. Und die

Leute, die Leiden damit erklären, daß Gott uns ändern will, vermögen nicht zu sagen, wie wir uns denn nun

ändern sollen. […] Ich bin außer mir über die, die meinen, Gott schaffe behinderte Kinder, damit die

Mitmenschen Mitleid und Dankbarkeit lernen.“ (Kushner, Wenn guten Menschen, 31f.)

55

Vgl. Ganoczy, Schöpfungslehre, 384.

56

Kushner, Wenn guten Menschen, 48.

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‚richtig’, die anderen aber ‚falsch’ seien. Und am Ende ist eine klare Bestimmung dessen, was

als ‚richtig’ und was als ‚falsch’ zu werten ist, nicht möglich – trotz der Stellungnahme Gottes

in 42,7-9.“57

In diesem Zusammenhang ist es auch relevant, das Scheitern der Dialoge zwischen Ijob und

seinen Freunden zu betrachten. Es geht hierbei nicht nur um die Inhalte. Dadurch, dass die

Freunde nicht ergebnisoffen sind, d.h., dass sie schon eine vorgefertigte Meinung vertreten

und diese auch durchsetzen wollen, kommt im Grunde kein echter Dialog zustande. Elifas,

Bildad, Zofar und Elihu zweifeln nicht an der Richtigkeit ihrer Argumente und lassen erst gar

keine Diskussion darüber zu. Es scheint, als würden sie Ijob gar nicht richtig zuhören,

sondern während der Reden des Leidenden schon nach neuen Argumenten suchen. Doch der

„Ort der Wahrheit ist das Gespräch, das Zwischen, nicht die einzelne Stimme.“58

Die Reden

zwischen der Hauptfigur und seinen Freunden sind eher als Diskussionen als als Dialoge zu

bezeichnen. Bohm vergleicht Erstere mit einem „Pingpong-Spiel, bei dem Leute Meinungen

vor- und zurückschlagen und dessen Ziel es ist, zu gewinnen oder Punkte für sich zu

sammeln.“59

Ein echter Dialog dagegen zeichnet sich dadurch aus, dass niemand versucht zu

gewinnen. „Wenn einer gewinnt, gewinnen alle. Es steckt ein anderer Geist dahinter. […] ein

Dialog hat eher etwas von gemeinschaftlichem Teilhaben, bei dem wir nicht gegeneinander

spielen, sondern miteinander.“60

Und schließlich stellt Bohm fest: „Überzeugung und

Überredung sind in einem Dialog unangebracht.“61

Es stellt sich also heraus, dass die Freunde

für Ijob gar nicht die eigentlichen Dialogpartner sind. Deshalb wendet er sich von ihnen

immer mehr ab und Gott selbst zu. Und dies tut er im Modus der Klage.

III. Ijobs Klage- eine Vertrauensäußerung

1. Zur Klage allgemein

Die biblische Klage ist mehrdimensional: Sie ist ein Sich-Beklagen, ein Verklagen und ein

Anklagen zugleich.62

Sie ist ein lautes Hinausschreien eines Unrechts. Die biblische Klage hat

einen juristischen Hintergrund. Auch etymologisch ist der Zusammenhang zwischen dem

bloßen Schallverb „klagen“ und dem rechtserheblichen Ausdruck bewiesen.63

Bei der Klage

57

Müllner, Erkenntnis, 170.

58

Ebd., 169.

59

Bohm, Der Dialog, 33.

60

Ebd., 34.

61

Ebd., 67.

62

Vgl. Dietrich/Link, Die dunklen Seiten, 147.

63

„Das bloße Schallverb [„klagen“] und der rechtserhebliche Ausdruck hängen insofern zusammen, als das

Wehgeschrei nach einer Missetat rechtlich vorausgesetzt wurde.“ (vgl. Kluge, Etymologisches Wörterbuch,

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geht es in erster Linie um das Einklagen von Rechten, die weggenommen wurden; es geht

darum, gegen etwas Negatives, gegen Leid, vorzugehen. Klage ist Protest und „Fanal der

Veränderung, indem sie gegen Unheil und Unrecht Gott und die Menschen auf den Plan

ruft.“64

In der Klage wendet man sich an eine Institution, die für Recht und Gerechtigkeit

einsteht. Natürlich muss man Vertrauen zu diesem Fürsprecher haben, sonst wäre die Klage

sinnlos.

Die Klage kann auch als Glaubensakt verstanden werden. Sie ist eine Grundform des Gebets,

ist eine Einholung des Leids in das Sein vor und für Gott. „Im Gebet wandelt sich seine Sicht

des Leids. Und er erkennt, dass er letztlich immer bei Gott ist und Gott ihn nicht verlässt –

auch wenn es ihm zeitweise sehr schlecht geht.“65

Diese Interpretation Grüns von Ps 73,24f

ließe sich genauso gut auf Ijob übertragen. Auch Kushner betont den befreienden Charakter

der Klage. „Ein Gebet erlöst die Menschen aus der tiefen Einsamkeit. […] Es gibt ihnen die

Gewißheit, daß sie Teil eines größeren Ganzen mit mehr Fülle, mehr Hoffnung, mehr Mut

und mehr Zukunft sind als ein Mensch allein.“66

Die Klage als Form des Gebets vermag also

Verzweiflung in Vertrauen umzuwandeln.

Theodizee braucht das Recht der Klage gegenüber Gott. Sonst wäre sie theologisch

unakzeptabel. Eine Theodizee, die das Leid als bloßen Mangel, als Schatten, als Schein

deklariert, wird zynisch. „Wo der Widerspruch zwischen Gott und dem Zustand der Welt

nicht ausgesprochen werden darf, wo weder Klage noch Rebellion als Ausdruck dieses

Widerspruchs zugelassen sind, da wird der Glaube zur Ideologie.“67

Die Klage muss als

legitimer Ausdruck von Leid zugelassen werden. Sie ist nicht ein Jammern oder Selbstmitleid,

sondern ein Aussprechen, dass etwas nicht in Ordnung ist. In der Klage findet man zurück zur

Sprache, wo einem ansonsten die Worte fehlen. Im Leid sind Menschen der Gefahr

ausgesetzt, zu vereinsamen oder apathisch zu werden. „Und deshalb ist das Sprechen, ist das

Sich-selbst-Finden des Leidenden in der Sprache der erste Versuch, sein Leid zu bewältigen.

Der erste Schritt auf dem Weg, als Leidender zu überleben.“68

Ijob verstummt nicht. In der

Klage tritt er mit Gott in Verbindung, eine Beziehung wird hergestellt. „Echte Klage ist ja

eine Sprache radikaler Gottesbejahung, sie zielt in Richtung des verborgenen Antlitzes

Gottes! Wenn der Mensch so in der Klage Gott ‚belagert’, erfährt er vielleicht Durchblicke

eines neuen Gottesverständnisses.“69

So zeigt uns Ijob, wie tief und tragfähig das Vertrauen

491.)

64

Dietrich/Link, Die dunklen Seiten, 147.

65

Grün, Womit habe ich das verdient?, 76. Vgl. dazu auch „Die Spur" im Anhang dieser Arbeit, S. 26.

66

Kushner, Wenn guten Menschen, 115.

67

Ebach, Hiobs Post, 62.

68

Zenger, Die Botschaft, 26.

69

Feininger, „Denke ich an Gott", 157.

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auf Gott sein kann. In seiner Klage wird schließlich unmittelbar Gottes heilende Nähe in einer

unheilvollen Welt erfahren. In der „Antwort“ Gottes wird gezeigt, wie sich Gott mit dieser

Welt verbunden hat und wo überall sein Antlitz leuchtet – selbst in dunkelsten Zeiten oder

fernsten Orten.

2. Ijob, der Kläger

Am Anfang des Buches wird Ijob noch als Dulder dargestellt. Trotz des ihm widerfahrenen

Leides preist er Gott (vgl. 1,22; 2,10).Im Dialogteil wandelt er sich aber in einen Kläger, fast

noch mehr: in einen Rebellen. Ijob stellt Gott als Feind dar (6,4; 10,8; 16,12f) und bezeichnet

ihn als „Frevler“ (9,24). Er stellt die gesamte Schöpfung in Frage und bezweifelt ihren Sinn.

Dabei nimmt er Elemente der Klagelieder in den Psalmen auf, verwendet sie aber gegenteilig.

Der Psalmist betet, Gott möge sich ihm zuwenden (vgl. Ps 8,5f; 27,9; 69,18). Ijob sagt: „Lass

ab von mir“ (7,16). „So wandelt sich seine anfängliche Klage über die Wehsal seiner Existenz

in die ausdrückliche Anklage gegen Gott.“70

Ijob sieht sich und sein Leiden im größeren

Zusammenhang: „Der Tag seiner Geburt steht stellvertretend für den Tag überhaupt. Es wäre

besser, wenn es gar keinen Tag gegeben hätte (V.4-9), wenn das Licht nicht über der

Finsternis aufgestrahlt wäre, wie es am Anfang der Weltschöpfung geschehen ist (Gen

1,3f).“71

Ijob versucht für sich, Antworten zu finden. An seinem Leiden zeige sich, dass Gott

ohnmächtig sei. So opfert Ijob Position B - Gottes Güte. Er wirft Gott Ungerechtigkeit (21,7),

Willkür (9,22) und Grausamkeit (24,12) vor und beklagt Gottes Schweigen gegenüber seinen

Hilferufen (19,7). „Das sind unerhörte und beispiellose Worte in der Bibel.“72

Die Freunde

werfen Ijob daraufhin Gotteslästerung vor (15,4). Zenger jedoch zieht die hier die Grenze:

„Die Klage Hiobs ist Revolte, aber sie ist betende Revolte.“73

In all seinen Vorwürfen an Gott

bleibt Ijob Gott dennoch verbunden. Den Höhepunkt der Klage stellt der Reinigungseid in

Kap. 31 dar. Ijob legt hier einen Eid über seine Unschuld ab und gibt der Klage damit noch

eine verstärkende Komponente. Der Druck auf Gott als Urheber des Bösen wird somit noch

größer. Ijob wendet sich ganz und gar Gott zu. Er hält trotz allem an der Beziehung mit Gott

fest. Gott ist für ihn die Instanz, der er vertraut. „So wird schließlich die Kühnheit des

Vertrauens zur größten Herausforderung Gottes.“74

Gott ist der personale Fürsprecher des

Leidenden, dem Hiob zutraut, das Recht wieder herstellen zu können. Gleichzeitig ist Gott im

Buch Ijob aber auch die Ursache des Leids. So kommt es zu der paradoxen Situation, dass

70

Zenger, Die Botschaft, 37.

71

Rendtorff, Theologie, 316.

72

Kühlwein, Schöpfung, 33.

73

Zenger, Die Botschaft, 26.

74

Marböck, Hiob, 11f.

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Ijob Gott vor Gott anklagt75

. Doch zwischen bzw. über Mensch und Gott gibt es hier keinen

höheren Richter. Walter/Link bezeichnen die Anklage Gottes als den „gleichermaßen

bedrückende[n] wie befreiende[n] Kern biblischen Klagens.“76

Dass Ijob sich über die

Abwesenheit Gottes im Modus der Anrede beklagt, scheint eine weitere Paradoxie zu sein.

Doch „das Bewusstsein, daß Gott sich einerseits in geschichtlicher Erfahrung bekundet, aber

andererseits in der einzelnen Erfahrungsgestalt nicht aufgeht, hat zur Folge, daß der Gläubige

auch dort am Begriff der göttlichen Gegenwart und Treue festhalten kann, wo er diesen

Begriff nicht mit den gegenwärtigen Erfahrungen zusammenzubringen vermag.“77

Gott bleibt

demnach immer ansprechbar. Ijob bringt seinem Gott ein unerschütterliches Vertrauen

entgegen. In 28,28 sagt er:„Die Furcht vor dem Herrn, das ist Weisheit“78

. Weisheitliche

Gottesfurcht ist Gottvertrauen, „nämlich das Vertrauen auf Gott als den, der allen Störungen

und Gefährdungen zum Trotz das Ganze durchwaltet und den Lebensweg der Menschen

gelingen lässt, die die Lebensordnungen suchen, ihnen entsprechend handeln und sie

weitergeben.“79

Es ist also ein Vertrauen in die lebensförderliche Mächtigkeit eines guten

Gottes. Außerdem beinhaltet Weisheit auch immer die Komponente der Beziehung zu Gott

und zum Nächsten. „Ja, sie realisiert sich geradezu darin: das ist Weisheit.“80

In der Klage wendet sich Ijob direkt an Gott. Er spricht zu ihm. Die Freunde dagegen reden

immer nur von oder über Gott. „Ijob ist der einzige der vier Männer, der eine Lösung in der

persönlichen Hinwendung zu Gott, im Reden zu und mit ihm sucht. Darin übersteigt seine

Weisheit diejenige seiner Freunde bei weitem.“81

Hieran wird deutlich, dass die Differenz

zwischen Ijob und den Freunden nicht im Inhalt der Theologie liegt. Alle Rede über Gott

muss eingebaut sein in eine Rede zu Gott. „Es geht nicht allein darum, was gesagt wurde; für

JHWH wiegt die Frage schwerer, ob er bloß Gegenstand oder auch Adressat der Reden

war.“82

Die Frage nach dem Unheil ist immer in Beziehung zu Gott zu klären, nicht nur (aber

auch) durch Reflexion. Gott lobt nicht den aufbegehrenden Rebellen Ijob, der ihn als

„Frevler“ bezeichnet. Er lobt die Sprechrichtung Ijobs, die Rede zu Gott. Umgekehrt werden

die Freunde nicht dafür getadelt, was sie gesagt haben, sondern dass sie nicht zu Gott, nicht in

personaler Relation mit ihm gesprochen haben. Ihre Verfehlung liegt also in der

objektivierenden Rede: sie sprechen nie direkt zu Gott. „Statt in personaler Gebetsrelation mit

Gott zu reden und zu ringen, praktizieren sie Theologie als Reden über Gott. Statt etwa für

75

Vgl. 16,19-21; „Feindgott“ (vgl. 13,24; 33,10), der ihn zu Unrecht verfolgt (16,6-14; 19,6-11.21f).

76

Dietrich/Link, Die dunklen Seiten, 148.

77

Neuhaus, Frömmigkeit, 101f.

78

Vgl. dazu Spr 1,7; 9,10; 15,32.

79

Schwienhorst-Schönberger, in: Zenger, Einleitung, 330.

80

Rendtorff, Theologie, 321.

81

Engljähringer, Theologie, 194f.

82

Ebd., 21.

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Hiob zu Gott zu beten oder mit Hiob um Erscheinen und Erklären Gottes zu bitten,

theoretisieren sie über Gott.“83

Oeming sieht somit in 42,7f eine kritische Anfrage an die

moderne Theologie: „Wir alle müssen uns immer wieder besinnen, dass unsere Theologie in

ihren objektivierenden ‚Flussabschnitten’ nicht ihren Quellgrund und Zielpunkt verliert und

zum ‚Gottesgelaber’ mutiert, auf dass Gottes Zorn nicht auch über uns entbrennt; weil wir

nicht recht zu ihm geredet haben wie sein Knecht Hiob.“84

Gott darf als personales Gegenüber

verstanden werden, nicht als unantastbare und unerreichbare Größe. Und Ebach fügt

folgendes Urteil über die Freunde hinzu: „Gleichzeitig aggressiv und ängstlich meinen sie

(wie viele Theologen), sie müßten Gott schützen, sie müßten für ihn antworten. Und in dieser

Absicht bringen sie ‚Trug für Gott’ vor, d.h. sie meinen, Gottes Partei zu ergreifen, wenn sie

das leugnen, was gegen ihn sprechen könnte, statt ihn sprechen zu lassen, wie es Hiob

klagend und anklagend fordert.“85

3. Anruf Gottes als Löser

Die Verse Ijob 19,25-27 stellen wohl die meistinterpretiertesten im ganzen Ijobbuch dar.

Auch sie gehören zum Klageturnus des Ijob. Ihnen voraus geht die völlige Isolation des

Leidenden. Ijobs Verwandten und Bekannten bleiben aus (19,14), seine Knechte verachten

ihn (19,16) und selbst seiner Frau ist „mein Atem […] zuwider“ (19,17). Ijob klagt, er schreit

sich hinaus aus der Isolation. „Er bäumt sich vor allem dagegen auf, daß diese absolute

Isolation eine – wie seine theologischen Freunde sagen – gottgewollte Isolation sein soll; eine

Isolation, durch die die Macht Gottes gegenüber dem ohnmächtigen Menschen demonstriert

werden soll.“86

Und dann folgen plötzlich die Verse 19,25-27. Die Einheitsübersetzung

überschreibt sie mit „Ijobs Hoffnung und Vertrauen“. Im Folgenden soll nun eine Deutung

des Buches ausgehend von diesen Versen versucht werden.

Besser wäre es wohl, das hebräische Wort go’el mit „Löser“ anstatt „Erlöser“ zu übersetzen.

„Erlöser“ legt nämlich eine christlich-eschatologische Deutung auf den Erlöser Christus hin

nahe, die im Ijobbuch so aber nicht gegeben ist.87

Vielmehr ist auf den sozialgeschichtlichen

Hintergrund des Lösers zu verweisen. In Lev 25 wird ein Gesetz über das Jobeljahr erlassen.

Lev 25,25 spricht von der Lösung eines Grundstücks und Lev 25,47-49 von der Lösung einer

durch Selbstverkauf in Schuldknechtschaft geratenen Person. Der Löser ist hier Ausdruck von

verwandtschaftlicher Solidarität, die in einer Notlage angesprochen wird (vgl. auch Jer 32 und

Rut). Zwei Voraussetzungen müssen dabei gegeben sein. Erstens: Der sich in der Not

83

Oeming, „Ihr habt nicht recht“, 114.

84

Ebd., 116.

85

Ebach, Hiobs Post, 62.

86

Zenger, Die Botschaft, 29.

87

Vgl. Dohmen/Hieke, Das Buch der Bücher, 126.

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Befindliche ist nicht in der Lage, sich selbst zu helfen. Zweitens: Der Löser kann helfen.

Auch in Hinblick auf den Auszug Israels aus Ägypten stellt sich Jahwe persönlich als go’el,

der sein Volk von der Knechtschaft ausgelöst bzw. befreit hat (vgl. z.B. Ex 6,6).88

Die Situation im Buch Ijob ist folgende: Der Satan behauptet, dass Ijob nur so lange fromm

sei, wie es ihm gut gehe. Er impliziert somit eine Art Tauschhandel mit Gott, in der die

Tauschobjekte im Gleichwertigkeit sind, also einen Austausch von Äquivalenten (vgl. „Haut

um Haut!“ (Ijob 2,4)). Dieser Frömmigkeit des „Haut um Haut“ stellt der Satan eine

Frömmigkeit, die grund- und absichtslos ist, entgegen (vgl. „ohne Grund/umsonst“ (1,9), d.h.

ohne Äquivalenz). Für ihn gibt es nur diese zwei Alternativen (Kessler spricht von der

„satanistischen Alternative“89

). Innerhalb dieser kann Ijobs Leiden nur entweder als Gottes

Verletzung des Prinzips gerechter Vergeltung oder als Verkehrung von Gottes Gnade in

Willkür verstanden werden.90

. Dies steht in Zusammenhang mit dem Leitwort „Haut“, das

sich durch das ganze Buch zieht. Ijob hat schließlich nichts mehr anzubieten. Seine Haut ist

„schwarz“ (30,30). Somit ist er in der Lage, in der man sich an seinen Löser wendet. „Auf den

Löser angewiesen ist einer, der so verarmt ist, daß er aus eigener Kraft seinen Besitz oder

seine Person nicht mehr halten kann. Er hat kein Äquivalent mehr, daß er den Forderungen

seines Gläubigers anzubieten hätte. […] damit ist die Stunde der Pfändung und damit die

Stunde des Appells an den go’el gekommen.“91

In 19,26 sprich Ijob davon, „Ohne meine

Haut“ den Löser zu schauen. Vergleicht man diese Stelle mit der satanischen Rede des „Haut

um Haut!“ in 2,4, dann wird klar, dass in diesem Moment die „Tauschhandeltheorie“ des

Satan zerbricht. Für Ijob eröffnet sich nun die Möglichkeit des Appells an den go’el. Kessler

hat die Aspekte der sozialen Löser-Institution herausgearbeitet, die direkt in Ijobs Rede

eingehen.92

Indem Ijob Gott als seinen Löser aufruft, gesteht er sich selbst und Gott ein, dass

er am Ende ist und mit leeren Händen dasteht. Seine Haut ist nichts mehr wert. Außerdem

erkennt Ijob an, dass Gott mächtiger ist als er selbst und dass Er aus der Not befreien kann.

Kessler betont, dass der entscheidende Schritt der sei, dass Ijob „aus fremder Macht in die

eines Verwandten gerät.“93

Der Löser wird als „nicht mehr fremd“ (19,27) bezeichnet. Das

steht in Spannung zu den Versen 19,13.15.17, in denen sich Ijobs Verwandten von ihm

abwenden. In 19,27 zeigt sich also die Zuversicht, dass Gott sich nicht als Fremder offenbaren

wird. Indem Ijob Gott als Löser rekurriert, sind demnach die Alternativen des Satans

durchkreuzt. Die Alternativen, die Beziehung zu Gott entweder als Tauschhandel oder als

88

Vgl. Kühlwein, Schöpfung, 43.

89

Kessler, „Ich weiß, daß mein Erlöser lebet.“, 156.

90

Vgl. Ebd.

91

Ebd., 150.

92

Vgl. Ebd., 151f.

93

Ebd., 151.

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Angewiesensein des Ohnmächtigen auf die Gnade und Willkür des Mächtigen, haben sich

beide für Ijob als unmöglich erwiesen. „Solange der Mensch nur in dieser Alternative zu Gott

steht, als freier Warenbesitzer mit ihm zu handeln oder als Ohnmächtiger auf seine Gnade und

Willkür angewiesen zu sein, kann er nicht wirklich mit Gott in Beziehung treten.“94

Jetzt aber

werden diese Alternativen aufgebrochen und eine dritte Möglichkeit eröffnet sich. Gott wird

zum Löser. Die Pflicht des Lösers aber ist Solidarität. Somit wird eine Grundlage für eine

neue Beziehung zu Gott geschaffen. Als Leser der Verse 19,25-27 könnte man erst meinen,

der go’el sein ein anderer als der Gott in den Versen davor. Doch „[v]ersteht man die

Äußerung im Kontext des in Ijob ablaufenden Geschehens, so wird man sie auf Seiten Ijobs

als Transformation seines Gottesbildes, als Durchbruch zu einem neuen ‚Gottesverständnis’

verstehen müssen.“95

Die Gottwirklichkeit überschreitet die beiden Größen „guter und

gerechter Gott“ und „böser Frevlergott“. An dieser Stelle zeigt sich die ungeheure Spannung

eines monotheistischen Gottesbildes. Ijob vertraut darauf, dass der Löser den Zustand des

Rechts wieder herstellen wird. „Alles spricht dafür, dass für Ijob dieser ‚Löser’ kein anderer

als Gott selbst ist.“96

Kessler weist auch noch auf das Leitwort „sehen/schauen“ hin. In 19,26f

betont Ijob dreimal, dass er Gott schauen bzw. seine Augen ihn sehen werden. Dies ist

wichtig; denn zweimal sagt Ijob, dass er Gott nicht sieht: in 9,11, in der Rede vom

allmächtigen Schöpfer, und in 23,8f, wo Ijob Gott anruft, um mit ihm zu rechten. Ijob kann

Gott als den allmächtigen Schöpfer und Gott als den Richter nicht sehen. „Auf der Basis von

Gottes Allmacht versus Hiobs Ohnmacht kommt es zu keiner Beziehung zwischen Hiob und

Gott.“97

Doch die Vorstellung von Gott als Löser ist Ausdruck einer neuen Gottesbeziehung,

die Gottes Macht nicht in Frage stellt, sondern sie hinein nimmt in die Solidarität Gottes mit

dem Menschen, eben die Solidarität des mächtigen Lösers mit seinem mittellosen

Verwandten.98

Die Rebellion Ijobs wird von Gott ernst genommen. „Dieser Helfer, dieser

wahre Freund sprengt alle im Buch Hiob angebotenen Gottesrollen: er ist weder der

willkürliche Prüfer noch der seine absolute Reinheit durch Besudeln wahrmachende Rächer,

noch der Herr der Sterne, Meere und Wolken“99

Es ist also wichtig, alte Vorstellungsmuster

über Bord zu werfen und sich ganz auf Gott hin zu öffnen. Ansonsten läuft man Gefahr,

festzustellen, dass Gott nicht existiert. „Wenn das Wort ‚Gott’ eng an eine bestimmte Weise

der Gottesverehrung oder an ein bestimmtes Wirklichkeitsverständnis gebunden ist, dann

94

Ebd., 152.

95

Schwienhorst-Schönberger, in: Zenger (Hg.), Stuttgarter Altes Testament, 1008.

96

Dohmen/Hieke, Das Buch der Bücher, 126.

97

Kessler, „Ich weiß, daß mein Erlöser lebet“, 154.

98

Vgl. Ebd., 158.

99

Sölle, Leiden, 148.

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wird es sich im Verlauf der Ereignisse ganz deutlich zeigen, daß Gott nicht existiert.“100

Gott

und Mensch treten am Ende in eine Beziehung zueinander. So betont Müllner die Verbindung

von Sehen und Erkenntnis. Sie hebt hervor, dass die beziehungshafte Komponente des

Erkenntnisbegriffs nicht außer Acht gelassen werden darf. „Denn das Erkennen geht in der

hebräischen Bibel weit über einen rein kognitiven Vorgang hinaus; die Bandbreite des

Begriffs reicht bis zur geschlechtlichen Verreinigung.“101

Am Ende des Buches schaut Ijob den Herrn. Er ändert am Schluss seine Weltsicht und seine

Einstellung (42,6). Er erkennt in 38,2, dass er es war, der Gottes ‚Plan’ verdunkelt, verfinstert,

d.h. geleugnet habe.102

Kessler behauptet, dass sich Gott in der Schlusstheophanie tatsächlich

als Hiobs go’el offenbart.103

Gott löst Ijob, indem er ihn vom Leid befreit und ihm das

Doppelte zurückgibt, als er anfangs gehabt hatte (42,10). Kessler geht sogar soweit, den Vers

42,5 zu ergänzen mit den Worten: „als den Löser, auf den ich vertraut habe“.104

IV. Die Gottesreden – eine Antwort?

Ijob klagt und fordert Gott heraus. Und Gott bleibt nicht stumm! Er antwortet seinem Knecht

aus dem Wettersturm (vgl. 38,1; 40,6). Dieser ist ein typisches Element der Theophanie, wie

er sich auch z.B. in Ez 1,3f; Ps 148, 8 oder 2 Kön 2,1.11 findet.105

In seiner ersten Rede (38,1-

40,2) stellt Gott an Ijob die rhetorische Frage, ob er denn die Welt lenken könne.106

Gott führt

Ijob die Herrlichkeit der Schöpfung vor Augen. Das hat zwei Wirkungen: Erstens eine

psychologische: Ijobs Zutrauen in die Schöpfung wird reaktiviert. Zweitens eine logische:

Ijob erkennt, dass sein Lebensschicksal nicht das letzte Wort darstellt, das über die

Gerechtigkeit Gottes in dieser Welt gefallen ist.107

In der zweiten Rede (40,6-41,26) macht

Gott klar, dass er kein Frevler sei. Er nennt die Gestalten Behemot (Nilpferd) und Leviathan

(Krokodil), Gestalten, die das schöpfungsfeindliche Chaos verkörpern.108

Somit wird klar,

dass „Gott auch das Böse von Anfang an mit seiner Überlegenheit und seinem Heil umgreift

100

Cobb, Prozess-Theologie, 41.

101

Müllner, Erkenntnis, 179.

102

Vgl. Ebach, Streiten, Bd.II, 155f.

103

Vgl. Kessler, „Ich weiß, daß mein Erlöser lebet“, 154.

104

Ebd., 156.

105

Vgl. Engljähringer, Theologie, 161.

106

Zenger weist auf die Bedeutung von 38,1 hin. Hier wird Gott das erste Mal „Jahwe“ genannt, vorher wird der

Gottesname immer mit „El“oder „Schaddai“ wiedergegeben. Somit wird hier die Erinnerung an den Gott des

Exodus wachgerufen, den Israel in seiner Geschichte erfahren hat als tragende Wirklichkeit. (Vgl. Zenger,

Botschaft, 42.).

107

Vgl. Neuhaus, Abbruch, 331.

108

Vgl., Rendtorff, Theologie, 327.

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und niederringt, auch wenn er es oft überraschend frei gewähren lässt.“109

Der Blick auf den Kosmos und Gott selbst zeigt die Distanz zwischen Gott und Mensch. Die

Erscheinungen in der Natur und Tierwelt sind dem Erkenntnisvermögen und der

Verfügungsgewalt Ijobs entzogen. So sind die in der zweiten Gottesrede genannten Tiere

wild, sie sind nicht der Herrschaft des Menschen unterworfen. Die Maßstäbe werden

zurechtgerückt: Gott ist nicht nach menschlichem Maßstab zu messen. Gottes Antwort „macht

offenbar, daß die Fragen, die Hiob stellt, von falschen Voraussetzungen ausgehen, als könnten

die Menschen das Tun Gottes in begreifbare und handhabbare Regeln fassen.“110

Auch

Schwienhorst-Schönberger bemerkt dazu: „Die dem Chaos immer wieder neu abgerungene

Ordnung kann vom Menschen (Ijob) weder hergestellt, noch in ihren Gründen voll

durchschaut werden, sie ist wunderbar, schrecklich und erhaben zugleich.“111

Ijob wird somit

aus einer in sich selbst verschlossenen Anthropozentrik befreit und die Unangemessenheit

seiner Anklagen wird aufgedeckt. Schwienhorst-Schönberger spricht von einer Bewegung

von der Anthropozentrik über die Kosmozentrik zur Theozentrik.112

Ijob geht eine Dimension

von der Schöpfung auf, sein Unverständnis weicht dem Staunen über den Schöpfer und

dessen Fürsorge für die Schöpfung (Gott kennt und achtet auch das Geringe, vgl. 39,1). Das

Sich-Wundern ist eine Erfahrung an der Grenze zum begreifenden Denken. Das

Entscheidende für Ijob ist die Erfahrung Gottes; es reut ihn, dass er die Differenz zwischen

Gott und Mensch nicht wahrgenommen hat (vgl. 42,5f). Jahwes Tun kann in gewissen Fällen

jenseits dessen stehen, „was Menschen als Vollendung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs

postulieren, Gottes Handeln setzt sich über alle Dogmen und jegliches Seinsverständnis u. U.

hinweg. Damit wird es nicht zur Willkür, aber dem Menschen mangelt die Weisheit, diese

Ausnahmen zu begründen oder auch nur zu begreifen.“113

Rahner betont die Wichtigkeit, Gott

bedingungslos seiner Unbegreiflichkeit zu überlassen. „Gott in seiner Freiheit wird geliebt,

Gott selber und nicht nur das, was wir durch die in Ewigkeit immer nur vorläufige Einsicht

uns von ihm für uns angeeignet haben.“114

Und auch Grün behauptet: „Wenn wir es

akzeptieren, geht uns auch der Sinn auf.“115

Ijob begreift den größeren Zusammenhang. Er

erkennt, dass nicht nur sein Leid im Mittelpunkt steht und dass sich die Welt nicht aus seiner

subjektiven Perspektive erklären lässt. „So wenden die Gottesreden Ijobs Blick

109

Marböck, Hiob, 12.

110

Rendtorff, Theologie, 330.

111

Schwienhorst-Schönberger, in: Zenger, Einleitung, 347.

112

Vgl. Ebd.

113

Koch, Vergeltungsdogma, 36. In diesem Sinne schreibt auch Kühlwein: „Hiob erkennt im farbenprächtigen

Mosaik der Schöpfung das Antlitz des Schöpfers und einen Plan, der weit entfernt ist von menschlichen, allzu

menschlichen Vergeltungsfantasien, von göttlicher Willkür und kosmischer Sinnlosigkeit.“ (Kühlwein,

Schöpfung, 68.).

114

Rahner, Warum, 463.

115

Grün, Womit, 43.

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gewissermaßen von sich selbst ab auf die ihm in der Erfahrung zwar zugängliche, aber in

ihren Gründen nicht voll durchschaubare (und seiner Verfügungsgewalt entzogene) Natur.“116

Dort, wo der Mensch mit seinem begreifenden Denken und seinem innermenschlichen

Glauben an Grenzen stößt, eröffnet sich der Horizont auf jenes absolute Geheimnis, das wir

Gott nennen. Der endliche Mensch kann nur subjektive, begrenzte, vermittelte Erfahrungen

machen, er kann die Welt nie objektiv und im Ganzen beurteilen. An die Stelle einer rein

spekulativen Theorie tritt die authentische Selbstauslegung der Schöpfung durch Gott selbst.

Und Ijob ist still und lässt sich belehren (40,5). Dies ist kein Verstummen, sondern ein Hören,

eine Vertiefung der Gotteserfahrung: „die unmittelbare Begegnung mit Gott hat ihm die

Augen geöffnet“.117

Gott ist zwar nicht auf der gleichen Ebene wie Ijob (vgl. 9,32). Aber „der

Hinweis: Gott ist groß, zu groß und wir sind klein, zu klein, verschleiert nur die wahre

Problematik. Wir sind als Partner Gottes geschaffen mit der Fähigkeit, auf den Schöpfer zu

hören und ihn anzureden. Es gibt keine unüberbrückbare Verständigungskluft zu Gott und wir

dürfen sie uns auch nicht einreden.“118

So besteht eine Art Dialogpartnerschaft zwischen Gott

und Ijob. Kühlwein führt diese unter anderem auf die Gottesebenbildlichkeit zurück.119

Der

Glaube verwirklicht sich im Bezug von Person zu Person. Dies zwischenmenschliche,

personale Relation beinhaltet aber auch etwas Ungewisses: Niemals kann ich das Geheimnis

einer Person wissen. Wichtig ist dennoch das Sich-Öffnen und Einlassen auf den anderen

bzw. auf Gott. Und das geschieht im Vertrauen.

Kann man nun am Ende des Buches Ijob von einer „Antwort“ Gottes auf die brennende Frage

nach dem Sinn und Zweck des Leids in der Welt sprechen? Im Grunde antwortet Gott ja

nicht, im Gegenteil, er stellt neue Fragen. Somit wird der Fragende zum Gefragten. Vielleicht

kann man aus dem Buch herauslesen, dass man auch (oder gerade) im Leid an Gott festhalten

soll und kann und dass die Hoffnung auf Rettung nicht vergebens ist. Gott kann helfen, wann

und wie weiß aber nur er allein. Ihn kann man nicht begreifen, man muss ihn – wie Ijob –

erfahren. Das Ende ist zu verstehen als „bildhafte Ausgestaltung einer göttlichen Bestätigung

der menschlichen Lebensmöglichkeit und eines menschlichen Vertrauens in diese göttliche

Wirklichkeit.“120

Die These, dass die Schöpfung im Gesamten gut sei, gibt keine Antwort auf

den Sinn des individuellen Leids. „So besteht die Lösung des Ijob-Problems nicht in einer

sprachlich zu vermittelnden Wahrheit über Gott, in dem, was Ijob ‚vom Hörensagen her

116

Schwienhorst-Schönberger, in: Zenger, Einleitung, 347.

117

Rendtorff, Theologie, 328.

118

Kühlwein, Schöpfung, 164.

119

„Im Zentrum von der Botschaft von der Ebenbildlichkeit Gottes steckt eine verantwortungsvolle

Dialogpartnerschaft zwischen Mensch und Gott.“ (Kühlwein, Schöpfung, 133)

120

Langenhorst, Hiob, 41.

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vernommen hatte’ (42,5a), sondern allein im Erweis dieser Wahrheit selbst.“121

Auch Bohm

schreibt: „Vielleicht erkennen Sie, daß die Antwort überhaupt nicht in den Meinungen liegt,

sondern anderswo. Wir kommen der Wahrheit nicht durch Meinungen näher; sie muß aus

etwas anderem zum Vorschein kommen – vielleicht aus einer freieren Bewegung des

stillschweigenden Geistes.“122

In unserer endlichen Sprache mit unseren endlichen

Denkkategorien können wir nur in das absolute Geheimnis Gottes hineinreichen, aber es nie

völlig erfassen. Das Buch Ijob weist einen Weg aus der Not heraus. „Dieser Weg ‚heraus’ ist

aber zugleich ein Weg ‚hinein’, ein Weg hinein in jene unbegreifliche Wirklichkeit, auf die in

der jüdisch-christlichen Tradition das Wort ‚Gott’ verweist.“123

Somit bleibt die Frage nach

dem Leid der Menschen weiter bestehen. „Der philosophische Versuch, Gott sozusagen

autonom vor der menschlichen Vernunft zu rechtfertigen, die Theodizee also, ist dem

Hiobbuch selbst völlig fremd. Im Hiobbuch wird ‚von innen’ ein existentielles Ringen mit

Gott geschildert, keine Reflexion ‚von außen’ über Gott. […] Das Hiobbuch ist keine

Theodizee, kein Versuch, Gott vor dem menschlichen Verstand zu rechtfertigen.“124

Vielmehr

geht es um den Umgang mit Leid.

Schluss: Betroffenheit statt Argumentation?

In der Literatur werden die Freunde Ijobs meist sehr negativ dargestellt. Sie werden als

„seichte Schwätzer, engstirnige Dogmatiker, Nachplapperer starrer Doktrinen“125

bezeichnet.

Zenger nennt sie „sadistische Freunde“126

und Schwienhorst-Schönberger stempelt ihre

Theologie als „menschliche[r] Teilnahmslosigkeit, ja zynische[r] Menschenverachtung“ ab.127

Ebenso beschimpft Ijob selbst Elifas, Zofar, Bildad und Elihu als „leidige Tröster“ (16,2) und

„Lügentüncher, untaugliche Ärzte“ (13,4). Er wirft ihnen vor, dass ihre Reden Betrug seien

(vgl. 21,34) und dass die Weisheit mit ihnen aussterbe (vgl. 12,2). Doch es darf nicht

übersehen werden, dass Ijobs Freunde zumindest am Anfang zwei Dinge richtig machen: Sie

kommen zu ihm, schweigen mit ihm und hören ihm zu (vgl. 2,11-13). Es zeigt sich hier ein

„Ausdruck echter, ideal gezeichneter Freundschaft in großer Sensibilität, getragen von

Respekt und Solidarität.“128

. Elifas, Zofar, Bildad und Elihu bekunden „die tiefstmögliche

121

Schwienhorst-Schönberger, in: Zenger (Hg.), Stuttgarter Altes Testament, 991.

122

Bohm, Der Dialog, 80.

123

Schwienhorst-Schönberger, in: Zenger (Hg.), Stuttgarter Altes Testament, 991.

124

Langenhorst, Hiob, 333.

125

Ebach, Post, 55.

126

Zenger, Botschaft,37.

127

Schwienhorst-Schönberger, in: Zenger, Eineitung, 345.

128

Engljähringer, Theologie, 17f. Vgl. dazu z.B. 11,15-19 (Zofars Versuch zu trösten).

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Form von Mitleid.“129

Das Problem ergibt sich erst, als sie beginnen, das Leid erklären zu

wollen. Sie versuchen rationale Antworten zu finden und bemerken dabei scheinbar nicht,

dass das Problem Ijobs ein existentielles ist, das mit einer rein theoretischen Theodizee nicht

gelöst werden kann. Sie sagen „Worte, die gemacht werden ohne Rücksicht auf die Situation

ihres Adressaten und Klarheit über die Ausgangslage des eigenen Sprechens“130

, Worte, die

notwendigerweise nicht bei Ijob ankommen. Sie verharmlosen die Situation ihres Freundes,

verniedlichen sie vom höheren Zweck her. Sie versuchen, dem Leid Ijobs einen Grund bzw.

Zweck abzugewinnen.131

Elifas, Zofar, Bildad und Elihu orientieren sich nicht an Ijobs

Schicksal. Ihre Versuche, Gott zu rechtfertigen, gehen dabei sowohl an der Wirklichkeit

Gottes, als auch an der Wirklichkeit des leidenden Ijobs vorbei. Sie sind „so tief in ihre

Gedankenwelt versponnen und so der Weisheit ihres Volkes gewiß, daß für unschuldiges

Leiden kein Platz war.“132

Die Freunde verschließen ihre Augen vor dem tatsächlichen Leben

und flüchten sich in theoretische Gedankengänge. Sie schaffen es nicht, die Unbegreiflichkeit

des Leids auszuhalten. Das Buch Ijob zeigt, wie falsch es ist, leidenden Menschen

Lehrvorträge zu halten über etwas, was nicht selbst durchlitten bzw. erfahren wurde. Denn

„[e]s gibt Formen des Leidens, die zum Verstummen zwingen“133

. Angesichts solcher Fälle

muss eine rein theoretische Theodizee notwendig versagen.134

Überliefertes Wissen muss

ständig neu überdacht werden. Es muss auf neue Situationen hin befragt werden und mit den

konkreten Erfahrungen korrespondieren. „Bewährtes zu wissen und dieses Wissen

gleichzeitig offen zu halten für neue Erfahrungen: diese denkerische Kunst ist prägend für das

Ijobbuch.“135

So müssen sich die Denkmodelle auch im praktischen Leben als tragfähig

erweisen und dürfen auf keinen Fall verallgemeinert werden. Leiderfahrung und Sinnfindung

sind nicht von einander zu trennen. „Der Versuch, eine Kontinuität zwischen dem Einst und

Jetzt herzustellen, erweist sich als eine ‚notwendende’ lebensgeschichtliche Aufgabe.“136

Dass

Ijob seine Erfahrung nicht verleugnet und den Konflikt mit Gott austragen will, erweist sich

als der rechte Weg. Er erfährt, dass in Gottes Gegenwart alles seine Ordnung findet.

„Demnach sind Lehre und Empirie keine sich ausschließenden Gegensätze, sondern

129

Langenhorst, „Leidige Tröster seid ihr alle!“, 19.

130

Engljähringer, Theologie, 88.

131

Vgl. dazu Kushner ironisch: „Manchmal, in unserer übergroßen Klugheit, versuchen wir uns auch einzureden,

daß das, was wir das Böse nennen, nicht wirklich, nicht vorhanden ist, sondern nur eine Abart des ‚Nicht-genug-

Guten’, so wie man ‚kalt’ als ‚nicht genug heiß’ bezeichnen kann, oder wie wir Dunkelheit als die Abwesenheit

von Licht bezeichnen können.“ (Kushner, Wenn guten Menschen, 36.) Kushner spielt dabei wahrscheinlich auf

Augustinus an, der das Böse als Mangel des Guten bezeichnet. (Vgl. Augustinus, Enchiridion, 400.).

132

Kaiser, Ijobs Abrechnung, 160.

133

Zenger, Botschaft, 14.

134

Vgl. dazu die Aussage Berischs in Wiesels Drama „Der Prozeß von Schamgorod“: „In Schamgorod vom

Mitleid Gottes zu sprechen, ist eine Beleidigung“ (Wiesel, Der Prozeß 33.).

135

Müllner, Erkenntnis, 167.

136

Hollenstein, Art. „Theodizee V“, 231.

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verweisen aufeinander: Erfahrung will gedeutet sein, Lehre wird leer, wo sie nicht offen bleibt

für alle Erfahrung.“137

Vorsicht ist immer geboten, wenn eine theoretische Theodizee zur

Entschuldigung dafür dient, nichts mehr gegen das konkrete Leid zu unternehmen. Doch

genau das ist das Wichtige: das Leid zu bestehen und anzunehmen.138

Und dies geschieht

durch glaubende Praxis. „Über die extreme Nacht des Leidens, in der unheilbaren, alle

menschliche Sensibilität zerstörenden Krankheit, im Dahindämmern der Verzweiflung kann

man nicht fromm und nicht gescheit sprechen, da kann man nur, da muß man menschliche,

christliche Solidarität im Höchstmaß praktizieren.“139

Aus dem Ijobbuch kann man viele

Möglichkeiten eines lebenspraktischen Umgangs mit dem Leid lernen. Langenhorst hat dies

treffend so zusammengefasst: „zweifeln zu dürfen, ohne ver-zweifeln zu müssen; mit dem

Verstand alles zu erdenken versuchen und dennoch um die vorgegebenen Grenzen des

Verstehen-Könnens zu wissen; in der Lebenspraxis das Menschenmögliche für den Einsatz

der Verbesserung der Lebenswelt zu leisten im Bewußtsein, daß menschliches Scheitern

immer wieder von einer größeren Hoffnung auf Gott getragen werden kann; zu klagen über

die Mißstände in der Welt und dennoch Vertrauen darauf zu haben, daß das letzte – und

unfaßliche – Grundgeheimnis eben doch ein positives, göttliches ist, gerade wenn es nicht

berechenbar oder einforderbar ist.“140

Das Ijobbuch wirbt um Solidarität mit den Leidenden,

Mitleiden und Mitsuchen nach Lösungswegen, damit der Leidende sein Schicksal annehmen

kann. Doch bei dieser Sinnsuche spielen auch die theoretischen Lösungswege eine wichtige

Rolle. Leben und Lehre müssen zusammenkommen: „Sowenig es ohne Betroffenheit

Wahrheit geben kann (allenfalls Richtigkeit), sowenig verbürgt umgekehrt Betroffenheit

schon Wahrheit.“141

Beide, theoretische und praktische Theodizee, müssen Hand in Hand

gehen. Kreiner betont, dass „die Frage, warum Gott uns leiden läßt, […] nicht dadurch

beantwortet werden [kann], daß man sich nur noch auf die Suche nach Strategien der

Leidbewältigung und –verminderung konzentriert.“142

Das wäre im Grunde eine intellektuelle

Kapitulation, ein Versinken in der Sinnlosigkeit. Doch schwerer als das Leid an sich ist der

Gedanke, dass es dem Menschen grund- und sinnlos widerfährt. „Wir ertragen fast jeden

Schmerz und jede Enttäuschung, wenn wir der Überzeugung sind, sie haben Sinn und

Zweck.“143

Den Sinn des Leidens aber kann jeder nur für sich selbst finden. Es kann keine

Theorie von der Sinnhaftigkeit des Leidens geben. „Was allgemein richtig sein kann, verkehrt

137

Engljähringer, Theologie, 192.

138

Vgl. Zenger, Botschaft, 14.

139

Ebd.

140

Langenhorst, Hiob, 349.

141

Ebach, Hiobs Post, 2.

142

Kreiner, Gott im Leid, 43.

143

Kushner, Wenn guten Menschen, 127.

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sich im Speziellen in das Gegenteil; was objektiv zutreffen mag, ist subjektiv falsch; was von

außen stimmig erscheint, zerbröckelt aus der Innensicht in Fragmente.“144

So kann und darf der Leser nicht am Ende des Buches stehen bleiben. Er muss sich stets

weiter mit der Frage nach dem Leid und dessen Bewältigung auseinandersetzte. Dabei muss

er sich aber auch immer bewusst sein, dass keine endgültigen Antworten gefunden werden

können. Es bleiben letztendlich nur Ahnungen, nur Versuche einer Theodizee. „Wer von Gott

redet, kann seine Rede immer nur abbrechen. Denn von Gott ist niemals ausgeredet. Wer’s

dennoch tut oder versucht, gebe acht, daß er den Menschen Gott nicht ausrede!“145

144

Langenhorst, „Leidige Tröster seid ihr alle!“, 22.

145

Zahrnt, Westlich von Eden, 238.

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Anhang

1. Die Spur

Ein Mann hatte einen Traum:

Er träumte, dass er mit Gott an einem strand entlang spazieren ginge. Am Himmel zogen

Szenen aus seinem Leben vorbei, und für jede Szene waren Spuren im Sand zu sehen.

Der Mann bemerkte manchmal zwei Spuren und manchmal nur eine Spur. Er bemerkte

weiter, dass sich zu Zeiten größerer Not nur eine Spur zeigte. Deshalb fragte er den Herrn:

„Herr, ich habe bemerkt, dass zu den traurigsten Zeiten meines Lebens nur eine Spur zu sehen

ist. Du hast mir aber versprochen, stets bei mir zu sein. Ich verstehe nicht, warum du mich da,

wo ich doch am nötigsten brauchte, allein gelassen hast!“ Da antwortete ihm Gott: „Mein

Freund, in den Tagen, in denen du am meisten gelitten hast, mich am nötigsten gebraucht

hast, da, wo nur eine Spur im Sand zu sehen war, da habe ich dich getragen.“

Verfasser unbekannt

Aus: Hug Hans u. Barbara (Hrsg.), Blätter, die uns durch das Jahr begleiten. Ein immerwährender Kalender mit

365 Geschichten, Kreuz Verlag Stuttgart, ³1993, 2. Januar.

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30

2. Das Buch Ijob – Strukturanalyse

FORM STRUKTURELEMENTE INHALT

PROLOG

1-2

Prosa: Erzählung

Erste Himmelsszene

(1,6-12)

Erste Prüfung und

Bewährung Ijobs (1,13-

22)

Zweite Himmelsszene

(2,1-7a)

Erste Prüfung und

Bewährung Ijobs (2,7b-

10)

Vorstellung der drei

Freunde (2,11-13)

1. Glück in Gottesfurcht

2. Prüfung (Satan/Gott)

3. Schicksalswende:

Leiden

4. Verfluchungsratschlag

(Frau)

5. Demut/Ijob der Dulder

6. Besuch (Freunde)

Wette zwischen Gott

und Satan:

Satans These: Ijob ist

nur so lange fromm, wie

es ihm gut geht.

Gottes Antithese: Ijob

wird jeder Prüfung

standhalten

HAUPTTEIL

3,1-42,6

Versdichtung:

Dialogteil

Klagerede Ijobs (3)

Erster Redegang (4-14)

Zweiter Redegang (15-

21)

Dritter Redegang (22-

27)

Lied der Weisheit (28)

Ijobs Monolog (29-31)

Zwischenspiel Elihu (32-

37)

Erste Gottesrede (38,1-

40,2)

Erste Antwort Ijobs

(40,3-5)

Zweite Gottesrede (40,6-

41,26)

Zweite Antwort Ijobs

(42,1-6)

7. Klage Ijobs

8. Verteidigungsrede

(Freunde)

9. Anklage Ijobs

10. Beschuldigung

(Freunde)

11. Prozessbitte Ijobs an

Gott

12. Schöpfungsrevue (Gott)

13. Einlenken/Ijob der

Dulder

These der Freunde: Es

gibt einen Grund für

Ijobs Leid. (Tun-

Ergehen-

Zusammenhang)

Ijobs Antithese: Er

selbst sei unschuldig. Es

müsse deswegen ein

Irrtum vorliegen oder

Gott sei ein „Frevler“.

Theophanie Gottes:

(eine Antwort?)

Gott ist größer als das

menschliche Denken.

EPILOG

42,7-17

Prosa: Erzählung

Gottes Urteil über die

Freunde (42,7-9)

Ijobs Wiederherstellung

(42,10-17)

14. Rechtfertigung Ijobs

(Gott)

15. Schicksalswende: Glück

Freunde Ijobs haben

Unrecht, da sie nur von

und nicht zu Gott

gesprochen haben.

Ijob hat die Prüfung

bestanden. Er wird

rehabilitiert.