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1 Im Land der Imagination Die Sammlung C.G. Jung 27.3. – 8.7.2018 Vernissage: Montag, 26. März 2018, um 18:30 Uhr Weltpremiere An der Biennale in Venedig 2013 sorgte das Rote Buch von C.G. Jung (1875–1961) für Furore. In ihm zeichnete der berühmte Schweizer Psychiater und Begründer der Analytischen Psychologie in Bild und Text seine Träume und Visionen auf. Fünf Jahre später ist jetzt zum ersten Mal die Sammlung C.G. Jung öffentlich zu sehen. Sie umfasst rund 4‘500 bildnerische Arbeiten seiner Pati- entInnen aus den Jahren von 1917 bis 1955. Jung forderte seine PatientInnen auf, wie er selbst ihre inneren Bilder zu malen und zu zeichnen. In der so genannten Aktiven Imagination entstanden Bildserien als Teil des therapeutischen Prozesses. Die Sammlung C.G. Jung ist einzigartig und mit keiner anderen Sammlung eines Psychiaters seiner Zeit vergleichbar. Sie unterscheidet sich von historischen Kunstsammlungen psychiatrischer Anstalten sowohl in den Voraussetzungen des bild- nerischen Schaffens als auch im Impuls zur künstlerischen Tätigkeit. Jungs PatientInnen kamen als PrivatpatientInnen zu ihm in die 1909 eröffnete Praxis in Küsnacht am Zürichsee. Gemeinsam mit ihm wagten sie den Weg in das Land der Imagination und deren Umsetzung in Bilder. Zum 70-jäh- rigen Jubiläum des C.G. Jung Instituts, das 2018 mit dem 30-Jahr-Jubiläum des Museums im Lagerhaus zusammenfällt, öffnet sich das Bildarchiv und macht die Sammlung in einer umfang- reichen Schau mit 164 Werken im Museum im Lagerhaus erstmals der breiten Öffentlichkeit und Fachwelt zugänglich. Wie das Rote Buch wird sie das Publikum erneut erstaunen und darf eine vergleichbare Aufmerksamkeit erwarten.

Im Land der Imagination Die Sammlung C.G. Jung · Die Sammlung C.G. Jung umfasst rund 4‘500 Werke, überwiegend Malerei, aber auch Zeichnungen und Stickerei, entstanden in den Jahren

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Im Land der Imagination

Die Sammlung C.G. Jung

27.3. – 8.7.2018 Vernissage: Montag, 26. März 2018, um 18:30 Uhr

Weltpremiere An der Biennale in Venedig 2013 sorgte das Rote Buch von C.G. Jung (1875–1961) für Furore. In

ihm zeichnete der berühmte Schweizer Psychiater und Begründer der Analytischen Psychologie in

Bild und Text seine Träume und Visionen auf. Fünf Jahre später ist jetzt zum ersten Mal die

Sammlung C.G. Jung öffentlich zu sehen. Sie umfasst rund 4‘500 bildnerische Arbeiten seiner Pati-

entInnen aus den Jahren von 1917 bis 1955. Jung forderte seine PatientInnen auf, wie er selbst ihre

inneren Bilder zu malen und zu zeichnen. In der so genannten Aktiven Imagination entstanden

Bildserien als Teil des therapeutischen Prozesses. Die Sammlung C.G. Jung ist einzigartig und mit

keiner anderen Sammlung eines Psychiaters seiner Zeit vergleichbar. Sie unterscheidet sich von

historischen Kunstsammlungen psychiatrischer Anstalten sowohl in den Voraussetzungen des bild-

nerischen Schaffens als auch im Impuls zur künstlerischen Tätigkeit. Jungs PatientInnen kamen als

PrivatpatientInnen zu ihm in die 1909 eröffnete Praxis in Küsnacht am Zürichsee. Gemeinsam mit

ihm wagten sie den Weg in das Land der Imagination und deren Umsetzung in Bilder. Zum 70-jäh-

rigen Jubiläum des C.G. Jung Instituts, das 2018 mit dem 30-Jahr-Jubiläum des Museums im

Lagerhaus zusammenfällt, öffnet sich das Bildarchiv und macht die Sammlung in einer umfang-

reichen Schau mit 164 Werken im Museum im Lagerhaus erstmals der breiten Öffentlichkeit und

Fachwelt zugänglich. Wie das Rote Buch wird sie das Publikum erneut erstaunen und darf eine

vergleichbare Aufmerksamkeit erwarten.

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Die Sammlung C.G. Jung – und ihre Ausstellung Die Sammlung C.G. Jung umfasst rund 4‘500 Werke, überwiegend Malerei, aber auch Zeichnungen und

Stickerei, entstanden in den Jahren 1917 bis um 1955. Die AutorInnen sind anonym überliefert und ihre

Werke nach 105 Fallnummern sortiert. In seinen letzten Jahren überliess Carl Gustav Jung (1875-1961)

die Sammlung dem 1948 von ihm gegründeten C.G. Jung Institut Zürich. Dort lagern die Bilder, betreut

und geordnet von Jungschen Analytikern und Analytikerinnen, anfangs von Jolande Jacobi, einer bedeu-

tenden Mitarbeiterin von Jung, die selber intensiv mit Bildern arbeitete, gefolgt von Rudolf Michel,

Michel Edwards, Cecilia Roost, Paul Brutsche, Vicente de Moura und der heutigen Kuratorin des Bild-

archivs, Ruth Ammann. Tatsächlich ist die Sammlung C.G. Jung einzigartig und mit keiner anderen Sammlung eines Psychiaters

seiner Zeit vergleichbar. Zum einen stammen sie von PrivatpatientInnen, die zu Jung in die 1909 eröffnete

Praxis in Küsnacht am Zürichsee kamen. Infolgedessen unterscheiden sich schon die Voraussetzungen des

bildnerischen Schaffens und der Materialbeschaffung zu Arbeiten, die in psychiatrischen Anstalten und

Kliniken entstanden sind. Aber auch der Impuls zur künstlerischen Tätigkeit differiert. Die Werke von

Jungs PatientInnen sind nicht aus persönlichem Antrieb als eigenständige Kunst entstanden. Ausgelöst

durch Jungs Aufforderung, in der so genannten „Aktiven Imagination“ innere Bilder und Figuren visuell

zu formulieren, sind sie Ausdruck einer tieferen Ergründung des Selbst. Die PatientInnen erzählten Jung

ihre Fantasien und Träume und brachten ihm ihre Bilder. Diese wurden zusammen mit Jung erörtert und

von ihm analysiert. Somit sind sie Teil des therapeutischen Prozesses.

Ähnlichkeiten weisen die Werke zu Jungs eigenen Darstellungen in seinem berühmten Roten Buch auf, an

dem er sechzehn Jahre lang, von 1914 bis 1930, gearbeitet hat. Jungs Beschäftigung mit seinen inneren

Bildern und Fantasien bedeutete eine intensive Auseinandersetzung mit dem Kollektiven Unbewussten,

die schliesslich auch zu einer Veränderung seiner analytischen Arbeit führte. Er ermutigte die PatientIn-

nen, sich auf ähnliche Selbstversuche einzulassen und zeigte ihnen, wie sie innere Bilder aufsteigen

lassen, Visionen im Wachzustand auslösen und wie sie innere Dialoge führen und ihre Fantasien malen

konnten. Dabei sollten sie versuchen, „selbst in das Bild hineinzugelangen – zu einer seiner Figuren zu

werden“. Jung verlangte: „Sie müssen mehr in ihnen drin sein, das heisst, Sie müssen in ihnen Ihr eigenes

bewusstes und kritisches Selbst sein – ihnen Ihre eigenen Urteile und Ihre Kritik aufzwingen“ (Das Rote

Buch, Liber Novus, 2009).

Ein besonderes Anliegen war ihm das Erkennen von Archetypen. Das Mandala war für ihn eines der

besten Beispiele für die Universalität eines Archetypus. Im Mandala realisiere sich das Selbst im inneren

Gleichgewicht, zentriert durch die Kreiszeichnungen – „die Ganzheit der Persönlichkeit, die Verbindung

von Unbewusstem und Bewusstsein“ (Verena Kast). Dem Mandala und ihm verwandte Symbole ist in der

Ausstellung ein ganzer Raum gewidmet, wo die Bilder in dichter Hängung die BetrachterInnen umgeben,

sie umkreisen und sie selbst ins Zentrum rücken.

Weitere Motive fallen auf, die sich sowohl in Jungs Rotem Buch finden als auch in den Arbeiten der Pati-

entInnen wiederholen: die Schlange, die Sonne, das Licht, Wasser als sprudelndes Lebenswasser (aber

auch als Flutwelle) oder mit dem Wasser das Schiff (Fall 010), der Lebensbaum, Räume des Durchgangs,

das Welten-Ei – und immer wieder der Mensch. Visionäre, kosmische Darstellungen stehen neben Tier-

und Landschaftsbildern, Grotesken neben surreal-fantastischen Szenen.

Die Ausstellung versucht, die Werke fallübergreifend zu bündeln, um inhaltliche Parallelen in ihrer unter-

schiedlichen Gestaltung zu veranschaulichen, und folgt dabei den Themen: „Suche nach inneren Bildern“,

„Unheimliches“, „Mandalas“, „Sexualität und Körper“, „Wirrungen und Zerstörung“, „Menschliches und

Unmenschliches“.

Persönliche Konflikte und Ängste produzieren individuelle Dämonen. In diesen „subjektiven Mythologien“

steht häufig die Frau im Mittelpunkt. Sexualität und Körper, sexuelle und körperliche Identität sind von

Bedeutung und ein weiteres zentrales Thema der Ausstellung. Hier offenbaren sich die Gegensätze zwischen

dem Therapeuten und Analytiker Jung und seinen Patientinnen, die in ihren Bildern konkret Verletzungen

artikulieren, während Jung diese zu archetypischen Vorstellungen transzendiert. Darüber hinaus gibt es

Bilder und Dokumente, die uns zeigen, was die Patientinnen und Patienten Jungs in der Therapie erlebten.

Sie geben Einblicke in die Entwicklung der analytischen Behandlung und in die Symbole dieses Prozesses

(Vincente L. de Moura).

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In der Sammlung C.G. Jung vermitteln sich zeithistorische Bezüge ebenso wie ästhetische Einflüsse durch

C.G. Jung als auch künstlerische Prägungen des Jugendstils und Symbolismus oder des Surrealismus.

Manche dunkle Ungeheuer lassen an Blätter von Odilon Redon oder Alfred Kubin denken (Fall 034), wäh-

rend insbesondere die Bildserien Fall 009 und 042 in Reduktion und Abstraktion die Moderne spiegeln.

Verbindungen zwischen Dada Zürich und Jungs ebenfalls 1916 gegründeten „Psychologischen Club“ haben

bestanden. Jungsche Analytikerinnen waren mit Dadaisten befreundet und Jung sprach über Patientinnen, die

„Mandalas nicht zeichneten, sondern [im nahen Cabaret Voltaire] tanzten“ (Doris Lier).

Die qualitative Beschaffenheit der Werke variiert je nach Talent der PatientInnen, die sich in der Regel als

künstlerische Laien an den visuellen Ausdruck ihrer Aktiven Imaginationen wagten. So darf man überrascht

sein von der hohen Qualität der Arbeiten.

Die imaginative Tätigkeit, das Gestalten von Bildern, das Verständnis von Bildern als Symbolen, aber auch

die therapeutische Wirkung der Arbeit mit Bildern, der Aufhebung der Spaltungen in der Psyche durch die

symbolische Gestaltung, machen das Herzstück von Jungs Theorie und Therapie aus. „Die Fantasie als ima-

ginative Tätigkeit ist für mich einfach der unmittelbare Ausdruck der psychischen Lebenstätigkeit, der psy-

chischen Energie, die dem Bewusstsein nicht anders als in Form von Bildern oder Inhalten gegeben ist…“

(Gesammelte Werke 6, Definitionen, 2011).

Das Rote Buch von C.G. Jung wurde 2009 in New York erstmals öffentlich ausgestellt und im selben Jahr als

Faksimile publiziert. An der Biennale in Venedig 2013 sorgte seine Präsentation in der Ausstellung „Il Pala-

zzo Enciclopedico“ des Kurators Massimiliano Gioni für Furore. Fünf Jahre später, 2018, öffnet sich nun das

Bildarchiv des C.G. Jung Instituts Zürich/Küsnacht. Anlass ist das 70-jährige Jubiläum des C.G. Jung Insti-

tuts, das mit dem 30-Jahr-Jubiläum des Museum im Lagerhaus zusammenfällt. Die erste Ausstellung mit 164

Werken der Sammlung C.G. Jung im Museum im Lagerhaus in St. Gallen ist eine Jubiläumskooperation.

Erstmals wird die Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich und mit einer Begleitpublikation, die zugleich

Ausstellungskatalog ist, dokumentiert. War das Rote Buch für C.G. Jung „der Urstoff für ein Lebenswerk“,

so ist seine Sammlung als dessen Ergänzung und Fortführung zu verstehen.

Die Aktive Imagination nach C.G. Jung Unter dem Begriff „Aktive Imagination“ fällt bei Jung ursprünglich jegliche Gestaltung des Symbols: als

bildnahe Weiterführung eines Symbols in der Vorstellung, mehr darstellerisch als ein gemaltes Bild, eine

Skulptur oder auch als darstellender Tanz. Im Laufe der Zeit wurde mit „Aktive Imagination“ immer

mehr die Entwicklung eines Fantasiebildes im Wachen und die bewusste Auseinandersetzung damit

bezeichnet.

Jung erwähnt die Aktive Imagination erstmals 1916 in seinem Aufsatz „Die Transzendente Funktion“.

Zwar spricht er noch nicht explizit von Aktiver Imagination, aber darüber, wie, wenn die kritische Auf-

merksamkeit ausgeschaltet wird, sich Fantasien in Form von inneren Bildern oder Worten bemerkbar

machen, die gestaltet werden müssen. In einem Brief von 1947 schildert Jung genau, was er unter Aktiver

Imagination versteht: „Bei der Aktiven Imagination kommt es darauf an, dass Sie mit irgendeinem Bild

beginnen. […] Betrachten Sie das Bild und beobachten Sie genau, wie es sich zu entfalten oder zu verän-

dern beginnt. Vermeiden Sie jeden Versuch, es in eine bestimmte Form zu bringen, tun Sie einfach nichts

anderes als beobachten, welche Wandlungen spontan eintreten. Jedes seelische Bild, das Sie auf diese

Weise beobachten, wird sich früher oder später umgestalten, und zwar auf Grund einer spontanen Assozi-

ation, die zu einer leichten Veränderung des Bildes führt. Ungeduldiges Springen von einem Thema zum

andern ist sorgfältig zu vermeiden. Halten Sie an dem einen von Ihnen gewählten Bild fest und warten

Sie, bis es sich von selbst wandelt. Alle diese Wandlungen müssen Sie sorgsam beobachten und müssen

schließlich selbst in das Bild hineingehen: Kommt eine Figur vor, die spricht, dann sagen auch Sie, was

Sie zu sagen haben, und hören auf das, was er oder sie zu sagen hat. Auf diese Weise können Sie nicht nur

Ihr Unbewusstes analysieren, sondern Sie geben dem Unbewussten auch eine Chance, Sie zu analysieren.

Und so erschaffen Sie nach und nach die Einheit von Bewusstsein und Unbewusstem, ohne die es über-

haupt keine Individuation gibt.“

In dieser Beschreibung der Aktiven Imagination wird deutlich, dass sowohl die Wahrnehmung des inne-

ren Bildes als auch eine versprachlichte dialogische Auseinandersetzung mit inneren Gestalten eine Rolle

spielen kann. Auch wird ersichtlich, dass das Modell der Symbolbildung, wie Jung es beschreibt, bei der

Aktiven Imagination als theoretischer Hintergrund dient: Das Unbewusste zeigt sich, muss wahrgenom-

men werden. Im Dialog mit dem bewussten Ich, mit der bewussten Haltung, verändern sich beide – es

entstehen veränderte oder neue Symbole. Diese Symbole sind Wegmarken des Individuationsprozesses.

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Wie sehr die Aktive Imagination für Jung mit dem Individuationsprozess zusammenhängt und mit Jungs

Idee, dass das Unbewusste und das Bewusstsein sich verbinden müssen, zeigt das folgende Zitat Jungs zur

Aktiven Imagination: „Man muss nämlich selber in die Fantasie eintreten und die Figuren zwingen, Rede

und Antwort zu stehen. Dadurch erst wird das Unbewusste dem Bewusstsein integriert, nämlich durch ein

dialektisches Verfahren, d. h. durch den Dialog zwischen Ihnen und den unbewussten Figuren. Was in der

Fantasie geschieht, muss Ihnen geschehen. Sie dürfen sich nicht durch eine Fantasiefigur vertreten lassen.

Sie müssen das Ich bewahren und nur modifizieren durch das Unbewusste, wie auch Letzteres in seiner

Berechtigung anerkannt und nur daran gehindert werden muss, das Ich zu unterdrücken und zu assimilie-

ren.“

Jung hat das Arbeiten mit der Aktiven Imagination empfohlen, um gegen Ende der Analyse vom Analyti-

ker oder Analytikerin unabhängig zu werden, sich selbstständig mit dem Unbewussten, auch etwa in Situ-

ationen von großen Affekten, auseinandersetzen zu können.

(Verena Kast, Die Tiefenpsychologie nach C.G. Jung. Eine praktische Orientierungshilfe, Patmos Verlag,

Ostfildern 2014.)

Carl Gustav Jung (1875-1961) – Begründer der Analytischen Psychologie Carl Gustav Jung (geb. 26. Juli 1875 in Kesswil TG; gest. 6. Juni 1961 in Küsnacht ZH) war ein Schweizer

Psychiater und der Begründer der Analytischen Psychologie.

Während seines Medizinstudiums beschäftigte sich C.G. Jung mit dem Spiritismus und besuchte Séancen.

1900 wurde er Assistent von Eugen Bleuler an der Irrenheilanstalt Burghölzli in Zürich, schrieb seine Disser-

tation 1902 „Zur Psychologie und Pathologie sogenannter okkulter Phänomene“ und assistierte im Winter

1902/03 bei Pierre Janet am Pariser Hôpital de la Salpêtrière. Februar 1903 heiratete er Emma Rauschen-

bach, die ihm bei seiner Arbeit half und ab 1930 selbst als Analytikerin arbeitete. Jung habilitierte sich bei

Bleuler 1905 mit „Diagnostischen Assoziationsstudien: Beiträge zur experimentellen Psychopathologie“,

wurde Oberarzt im Burghölzli und Bleulers Stellvertreter. Zudem wurde er zum Professor für Psychiatrie an

der Universität Zürich ernannt. Wegen seines Zerwürfnisses mit Bleuler gab Jung 1909 seine Tätigkeit am

Burghölzli auf und eröffnete in seinem neuen Haus in Küsnacht am Zürichsee eine Privatpraxis.

Die Zusendung seiner Dissertation an Sigmund Freud war der Beginn einer engen Freundschaft und eines

fast siebenjährigen regen Briefwechsels. Jung wurde zu einem vehementen Unterstützer der damals noch

unpopulären Ansichten Sigmund Freuds und war ab 1908 als Redakteur des „Internationalen Jahrbuches für

psychoanalytische und psychopathologische Forschung“ tätig. Von 1910 bis 1914 war er Präsident der Inter-

nationalen Psychoanalytischen Vereinigung. Ein früher Konfliktpunkt war ihre unterschiedliche Einstellung

zu Religion und zum Irrationalen: Jung nahm parapsychologische Phänomene ernst, während Freud diese als

„Unsinn“ ablehnte. Die inhaltlichen Differenzen, ausgelöst durch Jungs abweichende Vorstellungen über das

Unbewusste, führten zum Zerwürfnis: Jung zufolge auf Freuds Beharren auf seiner Sexualtheorie und Jungs

Festhalten an seinen eigenen Interessen an Mythologie und Religionsgeschichte und damit letztlich auf

unvereinbare Weltanschauungen. Im Oktober desselben Jahres beendete Jung schliesslich die fachliche

Zusammenarbeit und legte im April 1914 den Vorsitz der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung

nieder.

Nach dem Bruch mit Freud gab Jung 1913 seine Lehrtätigkeit an der Universität Zürich auf. Er begann sich

verstärkt seinem Unbewussten, seinen Träumen und Fantasien zu widmen, und rekapitulierte seine Kindheit.

Seine Notizen und Skizzen hielt er in den so genannten „Schwarzen Büchern“ fest, welche die Grundlagen

seines Roten Buches bildeten, an dem er bis 1930 arbeitete.

Fortan war er in eigener Praxis tätig, unterbrochen durch ausgedehnte Reisen: 1924/1925 nach Nordamerika

zu den Pueblo-Indianern, 1925/26 nach Nordafrika und nach Ostafrika zu den „Eingeborenenstämmen“ am

Mount Elgon, 1937 nach Indien. Er publizierte zur Analytischen Psychologie, die zu den psychodynami-

schen Therapien, die dem Unbewussten einen wichtigen Stellenwert beimessen, gehört. Jung fügte der Vor-

stellung des individuellen jene des sogenannten kollektiven Unbewussten hinzu. Darin erkannte er die

urtümlichen Prägungen und Grundmuster menschlichen Lebens, die er Archetypen nannte und die beispiels-

weise in Märchen und Mythen beschrieben werden. Von diesen Grundmustern her entwickeln sich Kom-

plexe, die unsere individuellen Beziehungserfahrungen und persönliche Erlebnisse widerspiegeln und im

Gedächtnis verankern. In der praktischen psychotherapeutischen Tätigkeit spielen unter anderem Traumdeu-

tung, Typologie, Bilder, Sandspiel sowie Aktive Imagination eine grosse Rolle für das Verständnis der

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bewussten und unbewussten psychischen Vorgänge. Sinn und Ziel der Arbeit mit dem Unbewussten ist, in

Kontakt mit dem Lebendigen und den individuellen schöpferischen Möglichkeiten zu kommen. Davon aus-

gehend werden in der Jungschen Psychologie und Psychotherapie Fragen nach dem Sinn und der Spiritualität

berührt.

Sowohl für die Idee des Archetypischen als auch für seine anderen theoretischen Konzepte suchte er nach

Vorläufern und Parallelen in der Kultur- und Geistesgeschichte der Menschheit. Für ihn gab es ohne

Geschichte keine Psychologie und keine Psychologie des Unbewussten, weil nur durch den historischen Ver-

gleich der Standpunkt des jeweiligen Beobachters bestätigt und relativiert werden könne. Parallelen zu sei-

nen Konzepten und Begriffen fand er bei den Gnostikern, Neuplatonikern, Kirchenvätern, Mystikern und

Hermetikern sowie in der romantischen Philosophie und in der Naturphilosophie (Goethe, Schelling, Schlei-

ermacher, Schubart, Fichte, Nietzsche, Carus, Schopenhauer und E. von Hartmann). Stark beeinflusst war er

auch von T. Flournoy und W. James. Zeitlebens beschäftigten ihn Fragen des Religiösen und er vertrat die

Auffassung, dass im Kern vieler seelischer Störungen die Frage nach dem tieferen Sinn des Lebens und der

spirituellen Einstellung steht.

Die Begegnung mit der Alchemie wurde für Jung entscheidend. Jung entdeckte, dass seine Träume und die

seiner PatientInnen Parallelmotive zur Alchemie enthielten (1944 publiziert in „Psychologie und Alche-

mie“). Ausser mit der Kultur und Philosophie des Abendlandes beschäftigte sich Jung intensiv mit westli-

chen und östlichen Religionen sowie mit den Mythen, Märchen, Sitten und Gebräuchen der Völker der Welt.

Bis zu seinem Lebensende bildeten seine alchemistischen Studien einen zentralen Inhalt seiner Forschung

(Gesammelte Werke 12, 13, 14/I und 14/II).

In seinen letzten Lebensjahren vertiefte er seine Forschungen über das kollektive Unbewusste, Alchemie und

die Bedeutung der Religion für die Psyche. Nach kurzer Krankheit starb Jung 1961 in Küsnacht.

Zeittafel 1875 Carl Gustav Jung wird am 26. Juli in Kesswil (Thurgau), Schweiz, geboren.

1879 Die Familie Jung zieht nach Kleinhüningen, Basel, wo sein Vater als Dorfpfarrer amtiert.

1895-1900 Studium der Naturwissenschaften und der Medizin an der Universität Basel.

1900 Abschluss des Staatsexamens.

10.12.1900 Eintritt als Assistent in die Psychiatrische Universitätsklinik Burghölzli, damals geleitet

von dem berühmten Psychiater Eugen Bleuler (1857-1939).

1902 Jung promoviert mit einer Dissertation zum Thema „Zur Psychologie und Pathologie

sogenannter okkulter Phänomene“ bei Eugen Bleuler an der Medizinischen Fakultät der

Universität Zürich. Kündigung der Stelle am Burghölzli und Aufenthalt in Paris, um bei

Pierre Janet zu studieren.

1903 Heirat mit Emma Rauschenbach, der Tochter eines Schaffhauser Industriellen. Das Paar

bekommt fünf Kinder.

1904 Rückkehr ans Burghölzli als Oberarzt.

1905 Jung habilitiert sich für Psychiatrie an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich.

Er bleibt Privatdozent bis 1913.

1906 Eintreten für die Psychoanalyse und für Sigmund Freud, den er noch nicht persönlich

getroffen hatte, auf einem Kongress in München.

1907 Im Februar erstes Zusammentreffen mit Freud in Wien, Beginn einer komplizierten

Freundschaft.

1909 Einladung an die Clark University, Worcester, Massachusetts, um seine Wort-Assozia-

tionsstudien vorzustellen. Er reiste dorthin zusammen mit Freud, der ebenfalls eine Einla-

dung bekommen hatte.

Eröffnung einer privaten Praxis in Küsnacht am Zürichsee.

1909-1913 Gründungspräsident der Internationalen Psychoanalytischen Gesellschaft.

1911-1913 Ablösung von Freud.

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1913-1918 Auseinandersetzung mit seinem Unbewussten, Selbstanalyse, er praktiziert die „Aktive

Imagination“.

Arbeit an den „Schwarzen Büchern“ und am Roten Buch (bis 1930).

1916 Gründung des Psychologischen Clubs.

1917/1918 Militärdienst als Hauptmann der Schweizer Armee; Mandala-Studien.

1918-1926 Studium der Gnostiker.

1920 Reise nach Afrika.

1925 Reise zu den Pueblo-Indianern in Arizona und Neumexiko, Expedition zu einer Ethnie am

Mount Elgin in Kenia (damals Britisch Ostafrika).

1932 Literaturpreis der Stadt Zürich.

1933 Präsident der Internationalen allgemeinen ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie.

Herausgeber des Zentralblattes für Psychotherapie und ihre Grenzgebiete (bis 1939).

Privatdozent an der Eidgenössischen Technischen Hochschule, Zürich.

1935 Professorentitel, Rücktritt 1941.

1938 Reise nach Indien.

1944 Angebot eines Lehrstuhls für medizinische Psychologie an der Universität Basel. Er tritt

den Lehrstuhl wegen Krankheit nicht an.

1945 Gründung und Vorsitz der Schweizerischen Gesellschaft für Praktische Psychologie.

1948 Gründung des C.G. Jung Instituts Zürich.

1961 C.G. Jung stirbt am 6. Juni in Küsnacht.

mit Unterstützung von

Kanton St. Gallen Kulturförderung Swisslos

Stadt St. Gallen Kulturförderung Appenzell Ausserrhoden

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Das Buch der Bilder – Ausstellungskatalog und Bildanalyse

Ruth Ammann / Verena Kast / Ingrid Riedel (Hg.)

Das Buch der Bilder Schätze aus dem Archiv des C.G. Jung-Instituts Zürich

Patmos Verlag, Ostfildern 2018, 250 S., 250 Abb. ISBN 978-3-8436-1017-9 CHF 48.- / EUR 30.-

mit Beiträgen von Ruth Ammann, Vicente L. de Moura, Monika Jagfeld, Verena Kast, Doris Lier, Ingrid Riedel, Philip Ursprung

Das Bildarchiv des C.G. Jung Instituts Zürich enthält Schätze, die bisher nur wenige Menschen zu Gesicht bekamen:

über 4‘000 Originalbilder, Zeichnungen und gemalte Bilder von C.G. Jungs Patientinnen und Patienten, datiert von

1917 bis ca. 1950. Viele dieser Bilder sind von ganz aussergewöhnlicher, emotionaler und künstlerischer Ausdrucks-

kraft, manche von ihnen erinnern an C.G. Jungs Bilder im Roten Buch.

Die grossformatige, aufwändig gestaltete Publikation, „Das Buch der Bilder“, dokumentiert die zahlreichen Expo-

nate der Ausstellung. Erläuternde Texte namhafter Expertinnen und Experten – PsychoanalytikerInnen wie Kunst-

historikerInnen – beleuchten die aussergewöhnliche Sammlung und einzelne Werke. Darüber hinaus bieten Analy-

sen der wichtigsten Bilderserien Verständnishilfen und einen Einblick in den Prozess der Aktiven Imagination nach

C.G. Jung.

Herausgeberinnen Ruth Ammann

Kuratorin des Bildarchivs des C. G. Jung-Instituts Zürich, diplomierte Architektin, Jungsche Psychoanalytikerin

und Sandspieltherapeutin, ist Lehranalytikerin und Dozentin am C. G. Jung- Institut Zürich und war viele Jahre

lang Präsidentin der Internationalen Gesellschaft für Sandspieltherapie. Internationale Lehrtätigkeit.

Dr. Verena Kast

Professorin für Psychologie und Psychotherapeutin in eigener Praxis, ist Dozentin und Lehranalytikerin am C.

G. Jung-Institut Zürich. Sie hat zahlreiche, viel beachtete Werke zur Psychologie der Emotionen, zu Grundlagen

der Psychotherapie und der Interpretation von Märchen und Träumen verfasst.

Dr. Ingrid Riedel

Jungsche Analytikerin, Theologin und Germanistin, ist Honorarprofessorin für Religionspsychologie und Psy-

chotherapeutin in eigener Praxis in Konstanz sowie Dozentin und Lehranalytikerin an den C.G. Jung-Instituten

Zürich und Stuttgart. Zahlreiche Veröffentlichungen.

Kontakt Verlagsgruppe Patmos der Schwabenverlag AG

Sabrina Reusch

Tel.: +49 711 4406 168, Fax: +49 711 4406 177

[email protected]

www.verlagsgruppe-patmos.de

Der Buchtitel im Internet: www.patmos.de/das-buch-der-bilder-p-8841.html

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Programm Vernissage Montag, 26. März 2018, um 18.30 Uhr

Begrüssung:

Monika Jagfeld, Museumsleiterin

Einführung: Ruth Ammann, Kuratorin des Bildarchivs, und Verena Kast, Präsidentin des Curatoriums, C.G. Jung Institut, Zürich/Küsnacht

Donnerstag, 12. April 2018, 18 Uhr

Malen aus dem Unbewussten nach CG Jung, wie es geht und was es bringt. Vortrag von Ingrid Riedel,

C.G. Jung Institut Zürich/Küsnacht.

Sonntag, 22. April 2018, 11 Uhr

Das Bildarchiv des C.G. Jung Instituts und Führung durch Themen und Bilder der Ausstellung mit Ruth

Ammann, C.G. Jung Institut, Zürich/Küsnacht.

Sonntag, 27. Mai 2018, 15 Uhr, KKK – Kunst Kaffee Kuchen

Auf den Spuren C.G. Jungs. Landschaften, Häuser und Räume, wo Carl Gustav Jung lebte, arbeitete und

zu Hause war. Mit Ruth Ammann, C.G. Jung Institut, Zürich/Küsnacht.

Dienstag 12. Juni 2018, 18 Uhr

Das Bildarchiv des C.G. Jung Instituts und Führung durch Themen und Bilder der Ausstellung mit Ruth

Ammann, C.G. Jung Institut, Zürich/Küsnacht.

Mittwoch, 20. Juni 2018, 18 Uhr

Die zentrale Bedeutung der Kreativität in der Psychologie C.G. Jungs. Vortrag von Verena Kast, C.G.

Jung Institut Zürich/Küsnacht.

26. Juni 2018, 18 Uhr

Das „Rote Buch“ von C.G. Jung. Der 2017 mit dem Prix Meret Oppenheim ausgezeichnete Kunsthisto-

riker Philip Ursprung, ETH Zürich, beleuchtet die Bilder C.G. Jungs, seine Träume und Visionen.

Kunstvermittlung Mittwoch, 30. Mai 2018, 14.30-16.30 Uhr

Sonntag, 24. Juni 2018, 14-16 Uhr

Atelier Kinder-Kunst mit Rahel Flückiger

Sonntag, 3. Juni 2018, 14 Uhr

Szenische Führung mit Kulturvermittler und Schauspieler Reto Trunz

Ausstellungsführungen

Di 3.4., 24.4., 22.5.2018, je 18 Uhr

So 8.4., 17.6., 8.7.2018, je 11 Uhr

Öffnungszeiten Di-Fr 14-18 Uhr

Sa/So/Feiertage 12-17 Uhr

Ostermontag/Pfingstmontag 12-17 Uhr

Karfreitag geschlossen

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Pressebilder

Pressebilder finden Sie unter http://www.museumimlagerhaus.ch/service/presse/ Bitte fordern Sie zum Download das Login an: [email protected]

Anonym, Ohne Titel, 22.09.1934, Gouache auf Papier, 27x20 cm

© C.G. Jung Institut, Zürich/Küsnacht, Bildarchiv, 002 ABAM

Anonym, Ohne Titel, 17.03.1927, Aquarell auf Papier, 20,5x20,5

cm

© C.G. Jung Institut, Zürich/Küsnacht, Bildarchiv, 008 AHAF

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Anonym, Ohne Titel, 1917, Gouache auf Papier, 44x30,5 cm

© C.G. Jung Institut, Zürich/Küsnacht, Bildarchiv, 009 AIAT

Anonym, "The Tree of Life", 25.12.1936, Farbstift, Tusche,

Goldstift auf Papier (Skizzenbuch), 42x30 cm

© C.G. Jung Institut, Zürich/Küsnacht, Bildarchiv, 010 AJAF

Anonym, "Blütenbaum", um 1925, Stickerei auf Seide, 55x35 cm

© C.G. Jung Institut, Zürich/Küsnacht, Bildarchiv, 019 ASAF

Anonym, "Aphrodite, turn apart by the horse-snakes, black and

white", undatiert, Kohle auf Papier, 66x51 cm

© C.G. Jung Institut, Zürich/Küsnacht, Bildarchiv, 034 BHAI

Anonym, Ohne Titel, Text verso, 1928, Gouache auf Papier,

28,5x22,5 cm

© C.G. Jung Institut, Zürich/Küsnacht, Bildarchiv, 039 BMAX

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Anonym, Ohne Titel, Text verso, 16.06.1929, Gouache auf Papier,

29x23 cm

© C.G. Jung-Institut, Zürich/Küsnacht, Bildarchiv, 039 BMEK

Anonym, "Alarm!!", 1943, Gouache auf Halbkarton, 24,7x17,4 cm

© C.G. Jung Institut, Zürich/Küsnacht, Bildarchiv, 041 BOAR

Anonym, "Alarm!!", 1943, Gouache auf Halbkarton, 24,7x17,4 cm

© C.G. Jung Institut, Zürich/Küsnacht, Bildarchiv, 041 BOAR

Anonym, "Painting to represent my", undatiert, Gouache auf

Papier, 13x15,5 cm

© C.G. Jung Institut, Zürich/Küsnacht, Bildarchiv, 050 BXAB

Anonym, "Oh, Land, Land, Land..." (Brief an C.G. Jung), 15. Mai

1936, Gouache auf Papier und Tinte, 45,5x31,5 cm

© C.G. Jung Institut, Zürich/Küsnacht, Bildarchiv, 099 DUAN

Anonym, Ohne Titel, undatiert, Pastell auf Papier, 22,5x24,5 cm

© C.G. Jung Institut, Zürich/Küsnacht, Bildarchiv, 105 EACB

Anonym, Ohne Titel, undatiert, Gouache auf Papier, 15x9,5 cm,

© C.G. Jung Institut, Zürich/Küsnacht, Bildarchiv, 105 EBMK