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3109 St. Pölten / Rennbahnstraße 29 Telefon: +43 2742 90590 / Fax: +43 2742 90590 15540 E-Mail: [email protected] / www.lvwg.noel.gv.at Datenschutz: www.lvwg.noel.gv.at/datenschutz
Geschäftszahl:
LVwG-AV-1361/001-2019 St. Pölten, am 05. Februar 2020
I.
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter
Mag. Schnabl über die Beschwerde des Herrn A, geb. ***, StA.: Republik
Nordmazedonien, derzeit wohnhaft in ***, ***, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***,
***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 24.10.2019, GZ.
***, betreffend amtswegige Wiederaufnahme von Verfahren und Abweisung eines
Antrages auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels und eines Verlängerungsantrages
nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), nach Durchführung einer
öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2
Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), soweit sie sich gegen die
Spruchpunkte I. lit. a), b) und c) sowie II. lit. a) und b) des angefochtenen
Bescheides richtet, Folge gegeben und der angefochtene Bescheid
hinsichtlich dieser Spruchpunkte ersatzlos aufgehoben.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985
(VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
- 2 -
II.
Weiters fasst das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich durch den Richter
Mag. Schnabl über die Beschwerde des Herrn A, geb. ***, StA.: Republik
Nordmazedonien, derzeit wohnhaft in ***, ***, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***,
***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 24.10.2019, GZ.
***, betreffend Abweisung eines Zweckänderungsantrages nach dem
Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), nach Durchführung einer öffentlichen
mündlichen Verhandlung folgenden
Beschluss:
1. Der Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den Spruchpunkt II. lit. c) des
angefochtenen Bescheides richtet, insofern Folge gegeben, als der
angefochtene Bescheid in diesem Spruchpunkt aufgehoben und die
Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die
Bezirkshauptmannschaft Krems zurückverwiesen wird.
2. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985
(VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 18.10.2017, GZ. ***, wurde
dem Beschwerdeführer A, geboren am *** und Staatsangehöriger der Republik
Nordmazedonien, der Erstaufenthaltstitel „Familienangehöriger“ gemäß § 47 Abs. 2
NAG für den Zeitraum vom 18.10.2017 bis 17.10.2918 erteilt. Mit Bescheid der
Bezirkshauptmannschaft Krems vom 18.10.2018, GZ. ***, wurde dem
Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers Folge gegeben und dem
- 3 -
Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ für den Zeitraum vom
18.10.2018 bis 17.10.2019 erteilt. Mit Zweckänderungsantrag vom 15.10.2019
beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot
– Karte plus“.
Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 24.10.2019, GZ. ***,
wurde in dessen Spruchpunkt II. lit. c) dieser Zweckänderungsantrag auf Erteilung
eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ mangels Vorliegens eines
gültigen Aufenthaltstitels für Österreich gemäß
§ 24 NAG abgewiesen und in Einem in dessen Spruchpunkt I. lit. a) das rechtskräftig
abgeschlossene Verfahren auf Grund seines Antrages vom 18.10.2017 auf
Ersterteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 iVm
§ 69 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) vom Amts wegen
wiederaufgenommen, womit das Verfahren in den Stand zurücktrete, in dem es sich
vor Erteilung des Aufenthaltstitels am 18.10.2017 befunden habe, in dessen
Spruchpunkt I. lit. b) das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren auf Grund des
Verlängerungsantrages vom 09.10.2018 auf Verlängerung des Aufenthaltstitels
„Familienangehöriger“ gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm § 69 Abs. 3 AVG von Amts wegen
wiederaufgenommen, womit das Verfahren daher in den Stand zurücktrete, in dem
es sich vor Erteilung des Aufenthaltstitels am 18.10.2017 befunden habe und in
dessen Spruchpunkt I. lit. c) das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren auf Grund
des Zweckänderungsantrages vom 19.10.2019 auf Erteilung des Aufenthaltstitels
„Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm § 69 Abs. 3 AVG von Amts
wegen wiederaufgenommen, womit das Verfahren in den Stand zurücktrete, in dem
es sich vor Erteilung des Aufenthaltstitels am 18.10.2017 befunden habe. Weiters
wurde in dessen Spruchpunkt II. lit. a) gemäß § 70 Abs. 1 AVG gleichzeitig der
Antrag des Beschwerdeführers vom 18.10.2017 auf Ersterteilung eines
Aufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehöriger“ nach dem Niederlassungs- und
Aufenthaltsgesetz auf Grund des Eingehens einer Scheinehe gemäß § 11 Abs. 1 Z 4
NAG abgewiesen und in dessen Spruchpunkt II. lit. b) der eingebrachte
Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers vom 09.10.2018 auf Erteilung eines
weiteren Aufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehöriger“ mangels Vorliegens
eines gültigen Aufenthaltstitels für Österreich gemäß § 24 NAG abgewiesen.
- 4 -
Begründend führte dazu die Bezirkshauptmannschaft Krems zusammenfassend aus,
dass das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass dem Beschwerdeführer am
18.10.2017 erstmalig ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger von Österreicher“ mit
einer Gültigkeit vom 18.10.2017 bis 17.10.2018 erteilt worden wäre, da er am
22.09.2017 die österreichische Staatsbürgerin C geehelicht habe. Am 09.10.2018
habe der Beschwerdeführer rechtzeitig einen Verlängerungsantrag eingebracht und
erneut einen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger von Österreicher“ vom 18.10.2018
bis 17.10.2019 erhalten. Am 15.10.2019 habe er einen Zweckänderungsantrag auf
Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ eingebracht, da er sich am 08.01.2019,
drei Monate nach Erteilung des zweiten Aufenthaltstitels, von der Österreicherin habe
scheiden lassen.
Im Jahre 2019 habe der Beschwerdeführer wieder seine im Jahr 2016 von ihm
geschiedene mazedonische Frau D in Mazedonien geehelicht und bestehe seitens
des Beschwerdeführers die Absicht, für seine nunmehrige Ehefrau und die
gemeinsamen Kinder E und F einen Antrag zwecks Familienzusammenführung
einzubringen. Die Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und Frau C sei daher nun
nachträglich überprüft worden.
Laut ZMR habe der Beschwerdeführer mit seiner damaligen Ehegattin einen
gemeinsamen Wohnsitz vom 10.01.2018 bis 31.01.2019 in ***, ***, gehabt, wobei er
mit Nebenwohnsitz und Frau C mit Hauptwohnsitz dort gemeldet gewesen wäre.
Schon seit 04.09.2017 sei der Beschwerdeführer durchgehend in ***, ***,
hauptwohnsitzgemeldet.
Im Fall der Kenntnis der Behörde vom wahren Sachverhalt hätten die vom
Beschwerdeführer gestellten Anträge von Gesetzes wegen nicht bewilligt werden
dürfen. Aus den oben angeführten Gründen seien daher die bisher geführten
Verfahren zur Erteilung des Aufenthaltstitels von Amts wegen wiederaufzunehmen
gewesen, zumal im Erachten der Behörde ein Wiederaufnahmetatbestand im Sinne
des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG vorliege, zumal die Behörde zum Ergebnis gekommen sei,
dass es sich bei der gegenständlichen Ehe um eine Aufenthaltsehe im Sinne des
Fremdenpolizeigesetzes handle.
- 5 -
Dies werde damit begründet, dass die mit 15 Monaten dauernde Ehe zwischen dem
Beschwerdeführer und C sehr kurz gewesen sei, der Beschwerdeführer lediglich
nebenwohnsitzgemeldet bei seiner Ehegattin gewesen wäre, ein Familienverband mit
D und den gemeinsamen Kindern vor und nach der gegenständlichen Ehe
bestanden habe, der Beschwerdeführer mit seiner nunmehrigen Ehegattin D kurz
nach seiner Scheidung von C wieder verheiratet sei und nach der Scheidung die
Erteilung eines Aufenthaltstitels durch den Beschwerdeführer für D und die beiden
gemeinsamen Kinder auf Familienzusammenführung gestellt worden wäre.
Diese Aufenthaltsehe habe daher Frau D und ihren Kindern ein Leben in Österreich
ermöglichen sollen und seien deshalb der Antrag vom 18.10.2017 sowie der
Verlängerungsantrag vom 09.10.2018 auf Grund des Eingehens einer
Aufenthaltsehe, was einen absoluten Versagungsgrund nach dem Niederlassungs-
und Aufenthaltsgesetz darstelle, abzuweisen gewesen und auch der
Zweckänderungsantrag vom 15.10.2019 mangels Vorliegens eines gültigen
Aufenthaltstitels für die Republik Österreich abzuweisen gewesen.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
In seiner durch seinen Rechtsvertreter erhobenen Beschwerde vom 21.11.2019
beantragte der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid zu beheben und
dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen,
in eventu den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung an die erste
Instanz zurückzuverweisen sowie eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Begründend führte dazu der Beschwerdeführer zusammenfassend aus, dass eine
Scheinehe nur dann vorliege, wenn zum Zeitpunkt der Eheschließung die Absicht
des Beschwerdeführers gewesen wäre, die Ehe ausschließlich deswegen
einzugehen, um einen Aufenthaltstitel zu erhalten bzw. um fremdenrechtliche
Maßnahmen hintanzuhalten.
Dass seine Ehe kurz gedauert habe, sei kein Nachweis einer Scheinehe. Auch die
Wiederverheiratung mit Frau D und in weiterer Folge die Antragstellung für diese und
- 6 -
die Kinder des Beschwerdeführers bedeute nicht per se, dass eine Scheinehe
vorliege.
Die belangte Behörde habe auch keine Feststellungen getroffen, warum von einer
Scheinehe ausgegangen werde. Vielmehr habe der Beschwerdeführer mit Frau C ein
Eheleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt. Auch die Polizei habe Ermittlungen in
Richtung des § 117 Abs. 1 FPG geführt und die Staatsanwaltschaft *** das
Ermittlungsverfahren mit Benachrichtigung vom 19.09.2019 jedoch eingestellt.
Der Beschwerdeführer habe Frau C am 22.09.2017 geehelicht und sei am
08.01.2019 die Scheidung der Parteien erfolgt. Während der Ehe mit Frau C habe es
keinen Familienverband mit Frau D gegeben und sei ein Kontakt vielmehr nur durch
die gemeinsamen Kinder notwendig gewesen.
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Mit Schreiben vom 29.11.2019 legte die Bezirkshauptmannschaft Krems dem
Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den Verwaltungsakt zur GZ.
*** mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde vor, dies mit den
Mitteilungen, dass von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung kein
Gebrauch gemacht und auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung
verzichtet werde.
Mit Schriftsatz eines Rechtsvertreters vom 13.12.2019 legte der Beschwerdeführer
einen ärztlichen Befundbericht der G seitens der Gruppenpraxis für Neurologie,
Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin in *** für den Beschwerdeführer vom
04.12.2019 vor. Mit Schreiben vom 18.12.2019 schaffte des Weiteren das
Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den zugrundeliegenden Strafakt zur GZ.
*** der Staatsanwaltschaft *** bei.
Nach Einholung aktueller Auskünfte aus dem Zentralen Fremdenregister und aus
dem Zentralen Melderegister führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich
am 22.01.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, welche seitens der
Bezirkshauptmannschaft Krems an der Donau als belangte Behörde unbesucht blieb.
- 7 -
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat in dieser Verhandlung Beweis
aufgenommen durch Verlesung der Akten GZ. *** der Bezirkshauptmannschaft
Krems, GZ. *** der Staatsanwaltschaft *** sowie GZ. LVwG-AV-1361/001-2019 des
Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich und durch Einvernahmen des
Beschwerdeführers und der Zeuginnen C und D.
4. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer A, geboren am ***, ist Staatsangehöriger der Republik
Nordmazedonien, ebendort auch geboren und aufgewachsen und absolvierte dort
auch seine Schulausbildung. Über eine berufliche Ausbildung verfügt der
Beschwerdeführer nicht.
Seit dem Jahre 2001 lebt der Beschwerdeführer durchgehend in Österreich, zumal er
hier seither seiner beruflichen Tätigkeit zunächst in einem Weingut und seit einigen
Monaten als LKW-Fahrer nachgeht. In seinem Herkunftsland verbringt er seither nur
im Wesentlichen die Zeiten seines Urlaubs.
So lernte er im Jahre 2011 im Rahmen eines solchen Urlaubs die ebenso
nordmazedonische Staatsangehörige D, geboren am ***, kennen und schloss er mit
dieser auch in weiterer Folge die Ehe. Aus dieser Ehe entstammen die beiden Kinder
E und F. Die wechselseitigen Kontakte während dieser Ehe fanden nur über soziale
Medien und über wechselseitige Besuche in Nordmazedonien bzw. Österreich statt.
Insbesondere wegen einer psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers, die sich
dadurch manifestiert, dass er an Depressionen, wiederkehrenden affektiven
Schwankungen, Antriebseinbußen, Unruhezuständen sowie Schmerzzuständen
leidet und auch deshalb psychosozial deutlich eingeschränkt belastbar ist, erfolgte
zwischen beiden im Jahre 2016 eine einvernehmliche Trennung und Scheidung und
bestanden in weiterer Folge nur mehr Kontakte zwischen dem Beschwerdeführer und
seiner geschiedenen Frau durch Besuche des Beschwerdeführers in seinem
Herkunftsland, um den Kontakt zu seinen beiden Kindern aufrecht zu halten.
- 8 -
Anfang 2017 lernte der Beschwerdeführer in Krems die österreichische
Staatsangehörige C, geboren am ***, kennen und ging er mit dieser eine Beziehung
ein. Am 22.09.2017 erfolgte die Eheschließung beider und hielt sich der
Beschwerdeführer in weiterer Folge, soweit es auf Grund seiner Arbeit möglich war,
auch in der Wohnung seiner Ehegattin auf und bestand ebendort auch in diesem
Sinne eine Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft beider. Auf Grund
seiner Berufstätigkeit war der Beschwerdeführer unter der Woche oft auswärts und
wollte er zudem seine Wohnung in *** wegen der günstigen Mietkonditionen und da
er diese Wohnung auch für seine Eltern während deren Besuche benötigte, nicht
aufgeben, auf Grund dessen er ebendort auch hauptwohnsitzgemeldet blieb und sich
in der Ehewohnung lediglich nebenwohnsitzmeldete.
Während dieser aufrechten Ehe beantragte der Beschwerdeführer im Oktober 2017
unter Zugrundelegung dieser Ehe die Erteilung des Erstaufenthaltstitels
„Familienangehöriger“ nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und wurde
ihm dieser Aufenthaltstitel von der Bezirkshauptmannschaft Krems auch für die
Dauer vom 18.10.2017 bis 17.10.2018 erteilt. Auf Grund eines rechtzeitig gestellten
Verlängerungsantrages am 09.10.2018 wurde dem Beschwerdeführer eben dieser
Aufenthaltstitel für den Zeitraum vom 18.10.2018 bis 17.10.2019 wieder erteilt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer diese Ehe mit der
österreichischen Staatsangehörigen C deshalb einging, um einen Aufenthaltstitel in
Österreich zu erlangen, sondern ging der Beschwerdeführer sowohl zum Zeitpunkt
der Beantragung des Erstaufenthaltstitels als auch zum Zeitpunkt der Stellung des
Verlängerungsantrages davon aus, mit der österreichischen Staatsangehörigen C
auf Weiteres ein gemeinsames Familienleben zu führen.
Wiederum primär auf Grund der Erkrankung des Beschwerdeführers, jedoch auch
auf Grund der psychischen Labilität seiner Ehegattin erfolgte in weiterer Folge auch
jedoch hier die Trennung und letztendlich mit Beschluss des Bezirksgerichtes ***
vom 08.01.2019 die einvernehmliche Scheidung dieser Ehe.
In weiterer Folge gelangte der Beschwerdeführer zum Entschluss, primär der Kinder
wegen, aber auch aufgrund seiner psychischen Instabilität wieder eine Beziehung zu
- 9 -
seiner ersten Ehegattin einzugehen, und erfolgte sodann im Mai 2019 auch die
neuerliche Eheschließung beider in Nordmazedonien.
Am 15.10.2019 brachte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft
Krems einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-
Rot – Karte plus“ ein.
Wegen des Verdachts des Eingehens einer Aufenthaltsehe gemäß § 117 Abs. 1
FPG wurde gegen den Beschwerdeführer sowie gegen C ein Ermittlungsverfahren
eingeleitet, welches mit Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft *** vom 19.09.2019
zur GZ. *** eingestellt wurde, zumal seitens der Staatsanwaltschaft *** kein
tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung bestand.
5. Beweiswürdigung:
Unstrittig sind zunächst sämtliche festgestellten Daten des Beschwerdeführers sowie
der beiden Zeuginnen. Sämtliche Feststellungen im Zusammenhang mit dem
Lebensweg des Beschwerdeführers ergeben sich aus seiner Aussage.
Zur Aussage des Beschwerdeführers ist grundsätzlich festzuhalten, dass dieser auf
das erkennende Gericht einen glaubwürdigen persönlichen Eindruck hinterlassen hat
und die Aussage auch in sich schlüssig und nachvollziehbar ist. Dementsprechend
waren der Aussage des Beschwerdeführers auch sämtliche Feststellungen im
Zusammenhang mit der ersten Ehe mit der Zeugin D, die Gründe der Trennung und
Scheidung dieser Ehe sowie mit den wechselseitigen Kontakten zwischen beiden
während und nach dieser Ehe zu entnehmen. Diesbezüglich wurde vom
Beschwerdeführer auch glaubwürdig dargestellt, dass der primäre Grund der
Scheidung dieser Ehe in seiner eigenen psychischen Erkrankung zu sehen ist,
welche auch samt deren Auswirkungen durch den vom Beschwerdeführer im
Beschwerdeverfahren vorgelegten ärztlichen Befundbericht vom 04.12.2019
dokumentiert ist. Aus eben diesem ergibt sich auch zur Aussage des
Beschwerdeführers stimmig, dass der Beschwerdeführer vor allem auch
psychosozial deutlich eingeschränkt belastbar ist. Auch die vom Beschwerdeführer
- 10 -
durchgeführten bzw. jetzt wieder in Erwägung gezogenen Wechsel des
Arbeitsplatzes sind eben damit in Einklang zu bringen.
Soweit nun die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung sich darauf stützt,
dass die zweite Ehe des Beschwerdeführers, eben jene mit der österreichischen
Staatsangehörigen C, als Aufenthaltsehe zu werten sei, war dieser Begründung vom
erkennenden Gericht nicht zu folgen.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich verkennt nun nicht, dass die
Aussagen des Beschwerdeführers und der Zeugin vor der Polizeiinspektion ***
jeweils vom 26.07.2019 nicht völlig in Einklang zu bringen sind und wurden die sich
daraus ergebenden Diskrepanzen auch von der Landespolizeidirektion
Niederösterreich in ihrer Stellungnahme vom 06.09.2019 zusammengefasst
dargelegt. Diese Diskrepanzen liegen aber tatsächlich nur darin, dass von beiden
unterschiedliche Trauzeugen angegeben wurden, was unterschiedliche Gründe
haben kann (fehlendes Erinnerungsvermögen, wenig Bedeutung beimessen, etc.),
nicht jedoch per se die Annahme einer Aufenthaltsehe begründen kann. Soweit es
jedoch um tatsächlich persönliche wechselseitige Belange im Rahmen dieser
Einvernahmen gegangen ist, wie etwa persönliche Merkmale des anderen, die
Umstände des Kennenlernens, die Familienangehörigen des jeweiligen anderen, die
Hochzeitsvorbereitungen, die Ausgestaltung der Ehewohnung, etc., bestanden auch
im Rahmen der damaligen Einvernahmen bereits im Wesentlichen vollständige
Übereinstimmungen, sodass diese Einvernahmen an sich nicht auf das Vorliegen
einer Aufenthaltsehe hindeuten bzw. das Annehmen seiner solchen gar unter Beweis
stellen würden.
Auch im Rahmen der Einvernahmen des Beschwerdeführers und der Zeugin im
Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht
waren nun diesbezüglich keine wesentlichen Diskrepanzen zu erkennen. Am
augenscheinlichsten waren noch Unterschiede im Zusammenhang mit der Dauer des
gemeinsamen Wohnens und mit der Frage, wann von einem endgültigen Scheitern
dieser Ehe ausgegangen wurde, dingfest zu machen.
- 11 -
Zu ersterem ist festzuhalten, dass Übereinstimmung dahingehend bestand, dass der
Beschwerdeführer nicht dauernd in der Wohnung der Zeugin aufhältig war, was –
ebenso von beiden – damit begründet wurde, dass der Beschwerdeführer unter der
Woche beruflich abwesend war und im Übrigen – dies ebenso schlüssig und
nachvollziehbar – seine ursprüngliche Wohnung in *** auf Grund der günstigen
Mietbedingungen nicht aufgeben wollte, ganz abgesehen davon, dass er diese
Wohnung für den Aufenthalt seiner Eltern in Österreich benötige. Dazu passt auch
ins Bild, dass der Beschwerdeführer vermieden hat, seine Hauptwohnsitzmeldung in
dieser Wohnung aufzugeben, wobei offensichtlich betreffend die Wohnsitzmeldung
von beiden kein großes Gewicht beigemessen wurde, dies aber unabhängig davon,
dass eine gemeinsame Ehe bestand. Dass zudem die Zeugin – wie von ihr
angegeben – Sorgen um ihre Wohnung im Falle einer Hauptwohnsitzmeldung des
Beschwerdeführers und einem allfälligen Scheitern der Ehe danach hatte, dies
begründend auf die offensichtlich mit Konflikten behaftete Trennung aus ihrer
Vorbeziehung, ist auch hier zumindest nicht abwegig, auch wenn objektiv gesehen
diese Bedenken unbegründet waren.
Dementsprechend ist es natürlich auch zu relativieren, wann nun vom tatsächlichen
Auszug des Beschwerdeführers aus dieser Wohnung auszugehen war, da dieser
offenkundig auch nicht abrupt, sondern kontinuierlich erfolgte. Vor allem aber
entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass zwei Partner unterschiedliche
subjektive Wahrnehmungen darüber haben, wann tatsächlich nicht nur von einer
endgültigen Trennung, sondern von einem tatsächlichen Scheitern der Ehe
ausgegangen wird. In diesem Zusammenhang ist dem Beschwerdeführer nicht seine
Glaubwürdigkeit abzusprechen, wenn er länger an diese Ehe glaubte, als es
offensichtlich die Zeugin tat, wobei in diesem Zusammenhang auch wiederum seine
eigene Erkrankung mit ins Kalkül einzubeziehen ist. Das Scheitern einer Beziehung
bzw. einer Ehe im Konkreten und deren Zeitpunkt sind jeweils subjektive
Einschätzungen der beiden Partner und objektiv kaum zu fassen. Demnach liegt es
in der Natur der Sache, dass üblicherweise und so auch im konkreten Fall die
exakten angegebenen Zeitpunkte nicht übereinstimmen.
Weitere unterschiedliche Angaben der beiden liegen dahingehend vor, was die
wechselseitigen Kontakte zu den Familienangehörigen des anderen betrifft, in
- 12 -
concreto den Kontakt der Zeugin zu den beiden Kindern des Beschwerdeführers
einerseits und die Kontakte des Beschwerdeführers zur Mutter der Zeugin
andererseits. Auch diese unterschiedlichen Angaben sind jedoch nicht von
schwerem Gewicht und leicht durch Erinnerungslücken zu erklären. Es mag auch ein
unterschiedliches Gewicht der Bedeutung solcher Treffen bestehen. Letztendlich
bieten aber auch diese unterschiedlichen Angaben keinen ausreichenden Beweis
dafür, welche Motivation des Beschwerdeführers zur Schließung dieser Ehe war.
Das Bestehen eines Familienverbandes des Beschwerdeführers zu seiner ersten
(und auch nunmehrigen) Ehegattin sowie zu seinen beiden Kindern war ebenso nicht
festzustellen und wurde dies nicht nur vom Beschwerdeführer, sondern auch von der
ebenso sehr glaubwürdigen Zeugin D verneint. Freilich und auch der allgemeinen
Lebenserfahrung entsprechend blieb der Kontakt auch nach Scheidung dieser Ehe
aufrecht, dies schon der beiden Kinder wegen und ist es dem Beschwerdeführer
auch nicht diesbezüglich zur Last zu legen, dass er seine Urlaube auch tunlichst bei
und mit seinen Kindern in seinem Herkunftsland verbrachte. Aus sämtlichen
Beweisergebnissen ist jedoch nicht einmal ansatzweise zu entnehmen, dass nach
Scheidung dieser Ehe, insbesondere während der Ehe des Beschwerdeführers mit
der österreichischen Staatsangehörigen ein Familienverband im engeren Sinne mit
seinen Kindern und insbesondere mit seiner ersten Ehegattin bestanden hätte.
Richtig ist, dass die Ehe des Beschwerdeführers mit der österreichischen
Staatsangehörigen, der Zeugin C, rund 15 Monate dauerte. Diese Dauer der Ehe ist
jedoch per se nicht so bedenklich, als davon das Bestehen einer Aufenthaltsehe
abgeleitet werden könnte. Was eben das Scheitern dieser Ehe betrifft sei wiederum
auf die sich aus der glaubwürdig dargestellten psychischen Erkrankung
resultierenden Probleme sowie auf die bereits zuvor angestellten Erwägungen
verwiesen.
Nicht zuletzt ist dem Beschwerdeführer auch nicht zur Last zu legen, dass er nach
Scheidung dieser Ehe wieder vermehrten Kontakt zu seiner ersten Frau suchte und
diese letztendlich auch wieder ehelichte. Auch hier entspricht es der allgemeinen
Lebenserfahrung, dass selbstverständlich Kinder auch ihren Vater benötigen und –
wiederum bezogen auf seine eigene psychische Erkrankung – der Beschwerdeführer
- 13 -
nicht nur aus seiner Vaterrolle heraus, sondern auch seiner Erkrankung wegen
wieder mit seinen Kindern zusammenleben wollte. Auch hier gilt es wiederum auf die
übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers und der Zeugin D zu
verweisen und ist nach Ansicht des erkennenden Gerichtes die Motivation dieser
Eheschließung rein in dieser persönlichen Motivation des Beschwerdeführers und
seiner Kinder zu sehen, nicht jedoch im Zusammenhang mit einer Aufenthaltsehe,
welche ja auch voraussetzen würde, anzunehmen, dass der Beschwerdeführer
dieses Ziel schon zwei Jahre zuvor angestrengt hätte.
Nachvollziehbar ist zudem, dass der Beschwerdeführer die rechtlich ihm zur
Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfte und entsprechende Aufenthaltstitel
zunächst für sich und dann in weiterer Folge zuletzt auch für seine nunmehrige
Ehegattin und seine beiden Kinder beantragte. In diesem Zusammenhang gilt es
festzuhalten, dass eben auch nicht unter Beweis zu stellen war, dass zum Zeitpunkt,
als der Beschwerdeführer seinen ersten Verlängerungsantrag stellte, die Ehe mit der
österreichischen Staatsangehörigen C bereits unheilbar zerrüttet gewesen wäre bzw.
dies dem Beschwerdeführer bewusst war. Wohl ist richtig, dass die einvernehmliche
Scheidung dieser Ehe im Jänner 2019 erfolgte und gesetzlich sohin dies voraussetzt,
dass die Ehe zu diesem Zeitpunkt bereits seit einem halben Jahr unheilbar zerrüttet
gewesen war. Dem erkennenden Gericht ist jedoch nicht fremd, dass das
diesbezüglich übereinstimmende Vorbringen in solchen Fällen immer erstattet wird,
um eben eine einvernehmliche Scheidung zu erreichen, auch wenn die unheilbare
Zerrüttung noch nicht tatsächlich dieses Ausmaß erreicht hat. Abgesehen davon sei
auf die obigen Überlegungen zu verweisen, wonach der Beschwerdeführer
offensichtlich auch tatsächlich glaubwürdig zum Zeitpunkt der Stellung dieses
Verlängerungsantrages noch eine andere persönliche Einschätzung seine damalige
Ehe und deren Fortbestand betreffend hatte.
Abschließend ist auch in die Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung mit zu
berücksichtigen, dass es auch keine Hinweise dafür gibt, dass die
verfahrensgegenständliche Ehe durch einen Dritten vermittelt worden wäre und/oder
die Zeugin C für diese Eheschließung Geld bezogen hätte, worauf sie aufgrund ihrer
eigenen beruflichen Tätigkeit auch nicht angewiesen gewesen wäre. Nicht
entkräftbar ist auch die Aussage der Zeugin, dass vor oder während dieser Ehe ein
- 14 -
Aufenthaltstitel des Beschwerdeführers oder dessen Erlangung kein Thema war,
sondern die Zeugin ihrerseits sogar davon ausging, dass der Beschwerdeführer
einen solchen aufgrund seinen vieljährigen Aufenthaltes in Österreich schon längst
hatte.
Insgesamt liegt somit für das erkennende Gericht kein eindeutiger und stichhaltiger
Beweis dafür vor, dass gesichert von einer Aufenthaltsehe auszugehen ist,
insbesondere der Beschwerdeführer und die Zeugin C auch kein gemeinsames
Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt hätten, sodass dazu im Ergebnis
entsprechende (Negativ-)Feststellungen zu treffen waren.
Die Feststellung im Zusammenhang mit sämtlichen verfahrensgegenständlichen
Anträgen des Beschwerdeführers, die auch im Spruch und der Begründung des
angefochtenen Bescheides angeführt sind, ergeben sich insbesondere aus dem
Zentralen Fremdenregister und sind diese wiederum auch unstrittig.
Die Feststellungen im Zusammenhang mit dem durchgeführten und eingestellten
Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft *** ergeben sich aus dem
beigeschafften Bezug habenden Akt.
6. Rechtslage:
Folgende gesetzlichen Bestimmungen sind im gegenständlichen
Beschwerdeverfahren von Relevanz:
§ 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG):
„Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren
über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit
Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der
Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes
– AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG,
BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in
Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem
- 15 -
dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren
angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“
§ 28 Abs. 1, 2 und 3 VwGVG:
„(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen
ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht
dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das
Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer
erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im
Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst
zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter
Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des
Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts
unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit
Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides
an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung
gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen
ist.“
§ 69 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG):
„(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid
abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den
Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder
eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen
worden ist oder
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2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren
ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder
in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im
Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und
nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde
bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt
wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht
unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet
hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde
einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit
dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis
erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und
vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem
Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der
Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen
sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu
machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des
Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach
Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur
mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den
Bescheid in letzter Instanz erlassen hat.“
§ 11 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG):
„(1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein
aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;
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2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-
Staates oder der Schweiz besteht;
3. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde
und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er
nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner
Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;
4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption
(§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;
5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder
visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder
6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle
oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.“
§ 30 NAG:
„(1) Ehegatten oder eingetragene Partner, die ein gemeinsames Familienleben im
Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung
von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen.
(2) An Kindes statt angenommene Fremde dürfen sich bei der Erteilung und
Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nur dann auf diese Adoption berufen, wenn die
Erlangung und Beibehaltung des Aufenthaltstitels nicht der ausschließliche oder
vorwiegende Grund für die Annahme an Kindes statt war.
(3) Die Abs. 1 und 2 gelten auch für den Erwerb und die Aufrechterhaltung eines
unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts.“
7. Erwägungen:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat unter Zugrundelegung des
festgestellten Sachverhaltes und der zitierten gesetzlichen Bestimmungen in
rechtlicher Hinsicht wie folgt erwogen:
7.1. Zum Erkenntnis (Spruchpunkt I.):
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Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer jeweils
rechtskräftig zunächst erstmalig der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ mit
Gültigkeit vom 18.10.2017 bis 17.10.2018 erteilt wurde, der in weiterer Folge
aufgrund eines rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrages für den Zeitraum vom
18.10.2018 bis 17.10.2019 verlängert wurde.
Die Bezirkshauptmannschaft Krems sieht nun den Wiederaufnahmetatbestand im
Sinne des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG verwirklicht, da nunmehr vorgekommen sei, dass von
einer Aufenthaltsehe des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit seiner Ehe mit
der österreichischen Staatsangehörigen C auszugehen sei und demnach gemäß §
11 Abs. 1 Z 4 NAG ihm der Aufenthaltstitel nicht erteilt hätte werden dürfen.
Gemäß § 69 Abs. 3 AVG kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts
wegen verfügt werden, unter anderem wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid
nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde,
falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder
sonst wie erschlichen worden ist; es bedarf somit nicht als Voraussetzung eine
gerichtliche Verurteilung, sondern es reicht, wenn der Bescheid Z 1 leg. cit. zufolge
„sonst wie erschlichen worden ist“.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein
„Erschleichen“ eines Bescheides im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG dann vor, wenn
dieser in der Art zustande gekommen ist, dass bei der Behörde von der Partei
objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht
gemacht und diese Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt worden sind,
wobei die Verschweigung wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger
Angaben gleichzusetzen ist (vgl. VwGH 12.02.2019, Ra 2019/22/0031; VwGH
04.10.2018, Ra 2018/22/0174).
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich nun eben nicht, dass der
Beschwerdeführer den Erstaufenthaltstitel „Familienangehöriger“ sonst wie
erschlichen hätte, in concreto die Ehe des Beschwerdeführers mit C als
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Aufenthaltsehe zu werten ist und beide Eheleute kein gemeinsames Familienleben
im Sinne von Art. 8 EMRK geführt hätten.
Damit ist der Tatbestand des § 30 Abs. 1 NAG jedoch nicht gegeben und liegt somit
auch kein Wiederaufnahmegrund gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG vor.
Was den Spruchpunkt I. lit. c) betrifft, ist zudem festzuhalten, dass sich aus der
Aktenlage und aus den Feststellungen nicht ergibt, dass über den
Zweckänderungsantrag des Beschwerdeführers vom 15.10.2019 überhaupt schon
eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt, sodass schon aus diesem Grunde auch
eine Wiederaufnahme dieses Verfahrens ausscheidet und demnach auch schon aus
diesem Grund dieser Spruchpunkt ersatzlos aufzuheben war.
Nicht zuletzt ergibt sich eben aus dem festgestellten Sachverhalt, dass – abgesehen
davon, dass eben keine Scheinehe des Beschwerdeführers vorliegt bzw. das
Vorliegen einer Aufenthaltsehe im Sinne des § 30 Abs. 1 NAG nicht festzustellen war
– sich aus der Aktenlage und aus den Feststellungen auch nicht ergibt, dass
sonstige Voraussetzungen zur Erteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“
vorliegen bzw. vorlage. Eine Wiederaufnahme dieser rechtskräftig abgeschlossenen
Verfahren erfolgte daher nicht zu Recht, womit der angefochtene Bescheid auch
hinsichtlich der Spruchpunkte II lit. a) und b) ersatzlos zu beheben war.
7.2. Zum Beschluss (Spruchpunkt II.):
Im § 28 VwGVG ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht
der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die im § 28 Abs. 3 zweiter Satz
VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen
Bescheides streng auf ihren gesetzlich zurückgewiesenen Raum zu beschränken ist.
Angesprochen sind damit etwa Fälle, in jenen die Feststellung des maßgeblichen
Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit
gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (vgl. etwas VwGH
06.07.2016, Ra 2015/01/0123). Eine Zurückverweisung der Sache an die
Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt aber
insbesondere jedenfalls dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde – auch in
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Teilbereichen – zum einen jegliche erforderlichen Ermittlungstätigkeiten unterlassen
hat oder wenn sie zum anderen zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes
lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise
ermittelt hat (vgl. VwGH 31.08.2015, Ra 2015/11/0039; VwGH 30.03.2017,
Ra 2014/08/0050).
Abgesehen davon hat der Verwaltungsgerichtshof zur Sache des Verfahrens vor
dem Verwaltungsgericht und dem äußersten Rahmen seiner Prüfbefugnis wiederholt
ausgeführt, dass es sich dabei jedenfalls nur um jene Angelegenheit handelt, die den
Inhalt des Spruchs des Ausgangsbescheides gebildet hat (vgl. etwa VwGH
09.09.2019, Ro 2016/08/009; VwGH 09.09.2015, Ro 2015/03/0031 bis
Ro 2015/03/0032).
Die Bezirkshauptmannschaft Krems hat nun ausgehend davon, dass es sich nach
ihrer Einschätzung um eine Aufenthaltsehe gehandelt hat, im Spruchpunkt II. lit. c)
den Zweckänderungsantrag des Beschwerdeführers vom 15.10.2019 auf Erteilung
des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ mangels Vorliegens eines gültigen
Aufenthaltstitels für Österreich gemäß § 24 NAG abgewiesen. Diese Voraussetzung
ist gegenständlich jedoch nicht gegeben.
Da eben die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 24 Abs. 3 NAG für
diesen Aufenthaltstitel nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war und zum
anderen eben die Bezirkshauptmannschaft Krems jegliche weitere
Ermittlungstätigkeit unterlassen hat – aus dem dem Landesverwaltungsgericht
Niederösterreich vorgelegten Verwaltungsakt sind sämtliche Anträge des
Beschwerdeführers, sohin auch der hier angesprochene Zweckänderungsantrag und
sämtliche vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden auch nicht ersichtlich -, war
dieser Spruchpunkt aufzuheben und das Verfahren zur Prüfung des Vorliegens der
Voraussetzungen für den Zweckänderungsantrag an die Bezirkshauptmannschaft
Krems an der Donau zurückzuverweisen.
Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
8. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
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Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine
Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche
Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche
Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Es wird dazu insbesondere auf die zahlreich zitierte höchstgerichtliche Judikatur
verwiesen und stellt die gegenständliche Entscheidung auch keine über den
Einzelfall hinausgehende Bedeutung dar, zumal die maßgeblichen
Entscheidungsgrundlagen auf der Beweiswürdigung basieren (vgl. VwGH
23.09.2014, Ro 2014/01/0033). Dies gilt auch für die Anwendung der
Rechtsprechung für ein Vorgehen nach § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG angesichts der
einzelfallbezogenen Verfahrenskonstellation (vgl. VwGH 30.03.2017, Ra
2014/08/0050).