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sich gegen die Belange des Denkmalschutzes im vorlie- genden Fall durchsetzen würden. Zwar kann dieser Belang nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben. Bei seiner Gewichtung ist jedoch zu beachten, dass die entsprechen- den Vorschriften darauf ausgerichtet sind, die natürlichen Lebensgrundlagen insgesamt sicherzustellen. Die klima- ökologischen Wirkungen, die der Einsatz von Photovol- taikanlagen gerade auf denkmalgeschützten Gebäuden er- bringen kann, haben in ihrer Summe indes kein erhebliches Gewicht. Keinesfalls räumt Art. 20a GG dem einzelnen Ei- gentümer eine besondere gegenüber dem Denkmalschutz- recht durchschlagende Rechtstellung ein, Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien gerade auf seinem Grund- stück zu verwirklichen. Zudem kann aus Art. 20a GG nicht entnommen werden, welches Schutzniveau für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen erreicht werden soll und wie dieses Ziel umzusetzen ist (vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006 Art. 20a Rdnr. 27 und 66). Die Belange des Denkmalschutzes erweisen sich hiernach im vorliegenden Fall als gewichtiger. Dies gilt gleichermaßen, soweit die privaten Interessen des Klägers betroffen sind. Er beruft sich letztlich darauf, durch die Nutzung erneuerbarer Energien Erlöse erzielen zu können und die Energieversorgung seines Anwesens nach seinen Vorstellungen umzusetzen zu wollen. Insoweit greift indessen die Sozialbindung des Eigentums, aufgrund derer er es hinnehmen muss, dass ihm eine möglicherweise rentablere Nutzung seines Grundstücks wegen der Schutz- würdigkeit des Denkmals verwehrt wird (vgl. BVerfG, Be- schl. v. 2. 3. 1999 – 1 BvL 7/91, BVerfGE 100, 226 und ju- ris, Rdnr. 84). Wegen des hohen Denkmalwertes kann dem privaten Interesse des Klägers wiederum kein solches Ge- wicht beigemessen werden, dass es die Belange des Denk- malschutzes überwöge. Soweit der Kläger einwendet, das Verwaltungsgericht hätte der Klage wenigstens teilweise stattgeben und die Beklagte zur Genehmigung einer Photovoltaikanlage mit reduzierter Fläche verpflichten müssen, kann dem eben- falls nicht gefolgt werden. Einerseits hat der Kläger mit seinem Antrag eine bestimmte Ausgestaltung der Photo- voltaikanlage zur Genehmigung gestellt, so dass es bereits an Anhaltspunkten fehlt, dass eine hinter diesem Antrag zurückbleibende Genehmigung überhaupt seinem Willen entspräche. Andererseits spricht angesichts der hohen Ge- wichtung des Denkmalwertes einiges dafür, dass auch eine Photovoltaikanlage mit geringerer Fläche denkmalschutz- rechtlich nicht genehmigungsfähig wäre. 2. Die Berufung war auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssa- che zuzulassen. Der Kläger sieht sinngemäß die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig an, inwieweit Photovolta- ikanlagen auf geschützten Kulturdenkmälern zulässig sind, die sich nicht mehr vollständig in ihrem ursprünglichen Bauzustand befinden. Zudem sei grundsätzlich zu klären, in welcher Weise das Interesse an der Nutzung von Pho- tovoltaikanlagen zu gewichten sei. Beide Fragen betreffen indes die im Rahmen der Prüfung der Genehmigungsfä- higkeit vorzunehmende Abwägung zwischen den Belan- gen des Denkmalschutzes und anderen Gemeinwohlbela- ngen sowie privaten Interessen der Gebäudeeigentümer. Eine derartige Abwägung stellt jedoch immer eine Einzel- fallentscheidung dar, so dass die aufgeworfenen Fragen ei- ner grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich sind. 3. Das Verwaltungsgericht weicht mit dem angefochte- nen Urteil auch nicht von einer Entscheidung des Ober- verwaltungsgerichts ab (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). So- weit der Kläger hierzu auf den Beschluss des Senats vom 11. 2. 2011 (8 A 11111/10.OVG) abstellt, lässt sich hieraus bereits kein für die Entscheidung des vorliegenden Falles relevanter abstrakter Rechtssatz herleiten. Die zitierte Ent- scheidung hatte nämlich nicht die Erteilung einer denk- malschutzrechtlichen Genehmigung zum Inhalt, sondern befasste sich mit der Vereinbarkeit einer Solaranlage mit den Vorschriften einer Gestaltungssatzung. Zudem hat der Senat in seiner damaligen Entscheidung nicht die Zulässig- keit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach des Anwesens festgestellt. Gegenstand des Berufungszulassungsverfahrens war vielmehr die Frage, ob das Verwaltungsgericht, das die streitgegenständliche Beseitigungsverfügung teilweise auf- gehoben hatte, diesen Bescheid hinsichtlich der verbleiben- den Solarplattenreihe zu Recht bestätigt hatte. DOI: 10.1007/s10357-012-2299-8 Immissionsschutzrechtliche Genehmigung für drei Windkraftanlagen; hier: Einzelfall einer Standortverschiebung von Windkraftanlagen in die Randbereiche eines Vorranggebietes BauGB § 35 Abs. 3, § 42; NBauO §§ 74, 75; VwVfG § 43 Abs. 2 1. Ein zur Genehmigung gestelltes Vorhaben wird von der Bindungswirkung des Bauvorbescheids nicht mehr erfasst, wenn es mehr als geringfügig von der ur- sprünglichen Konzeption abweicht und damit die Ge- nehmigungsfragen in bodenrechtlicher Hinsicht neu aufgeworfen werden (hier: Einzelfall einer Standort- verschiebung von Windkraftanlagen in die Randberei- che eines Vorranggebietes). 2. Die Aufgabe („Wegplanung“) eines in einem Regi- onalplan festgelegten Vorrangstandortes löst Entschä- digungspflichten nach § 42 BauGB nicht aus. OVG Lüneburg, Urteil vom 8. 5. 2012 – 12 LB 265/10 – Die Beteiligten streiten um die Genehmigungsfähigkeit von Wind- energieanlagen. Die Firma F. stellte unter dem 30. 6. 2000 eine Bauvoranfrage in Bezug auf die Errichtung von vier Windenergieanlagen des Modells AN BONUS 2 MW/76 – CombiStall mit einer Nabenhöhe von 120 m und einem Rotordurchmesser von 76 m (Gesamthöhe 158 m) im Gebiet der Beigeladenen. Die genannten Flurstücke liegen in ei- nem Bereich, der noch durch das Regionale Raumordnungspro- gramm (RROP) 1995 für den Großraum Braunschweig als Vor- ranggebiet für Windenergienutzung ausgewiesen war (GF 11). Mit Bauvorbescheid vom 25. 7. 2001 stellte der Beklagte fest, dass das ge- plante Vorhaben entsprechend den eingereichten Bauvorlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB zulässig ist; die gesicherte Erschließung sei im Antragsverfahren nachzuweisen. Im Februar 2003 leitete der Zweckverband Großraum Braun- schweig als Träger der Regionalplanung ein Verfahren zur Neuauf- stellung des RROP ein. Wie der Bekanntmachung zur Ergänzung der allgemeinen Planungsabsichten hinsichtlich geänderter Krite- rien für die Festlegung von Vorrangstandorten für die Windener- gienutzung vom 14. 11. 2003 zu entnehmen ist, sollte aufgrund der zunehmenden Höhenentwicklung der Windenergieanlagen und aus Gründen des Immissionsschutzes der Abstand u. a. zu reinen und all- gemeinen Wohngebieten und dörflichen Siedlungen von 800 m auf 1000 m erhöht werden. Die Anwendung dieser Planungskriterien führe – so heißt es u. a. weiter – dazu, dass das Vorranggebiet für Windenergienutzung GF 11 aufzugeben sei. Die entsprechende (4.) Änderung des RROP ist am 1. 5. 2005 in Kraft getreten. Bereits im April 2003 hatte die Klägerin die Erteilung einer Bau- genehmigung für die Errichtung einer Windenergieanlage des Typs VESTAS 2 MW/80 (Gesamthöhe 140 m) auf dem Flurstück 13, Flur 7, beantragt. Die Firmen J. und K. hatten ebenfalls die Ertei- lung baurechtlicher Genehmigungen für die Errichtung von jeweils 2 Windenergieanlagen des Typs VESTAS 2 MW/80 auf dem Flur- stück 15, Flur 4, Flurstück 47, Flur 5, und Flurstück 3, Flur 7, be- antragt. Mit am 23. 7. 2004 beim Beklagten eingegangenen Schrei- ben teilten Herr L. für die Klägerin und die M. für die Firma J. mit, es existierten bestandskräftige Bauvorbescheide auf einem Teil der Flurstücke für typgleiche Windenergieanlagen. Die von der jewei- ligen Bauherrenschaft beantragten Windenergieanlagen entsprächen den im Bauvorbescheid mit Nr. 1 und 2 bzw. 4 bezeichneten Objek- ten bzw. die Anträge würden entsprechend modifiziert. Unter dem 10. 9. 2004 beantragten die Klägerin sowie die Firmen J. und K. die Rechtsprechung 123 500 NuR (2012) 34: 500–505

Immissionsschutzrechtliche Genehmigung für drei Windkraftanlagen; hier: Einzelfall einer Standortverschiebung von Windkraftanlagen in die Randbereiche eines Vorranggebietes

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sich gegen die Belange des Denkmalschutzes im vorlie-genden Fall durchsetzen würden. Zwar kann dieser Belang nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben. Bei seiner Gewichtung ist jedoch zu beachten, dass die entsprechen-den Vorschriften darauf ausgerichtet sind, die natürlichen Lebensgrundlagen insgesamt sicherzustellen. Die klima-ökologischen Wirkungen, die der Einsatz von Photovol-taikanlagen gerade auf denkmalgeschützten Gebäuden er-bringen kann, haben in ihrer Summe indes kein erhebliches Gewicht. Keinesfalls räumt Art. 20 a GG dem einzelnen Ei-gentümer eine besondere gegenüber dem Denkmalschutz-recht durchschlagende Rechtstellung ein, Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien gerade auf seinem Grund-stück zu verwirklichen. Zudem kann aus Art. 20 a GG nicht entnommen werden, welches Schutzniveau für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen erreicht werden soll und wie dieses Ziel umzusetzen ist (vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006 Art. 20 a Rdnr. 27 und 66). Die Belange des Denkmalschutzes erweisen sich hiernach im vorliegenden Fall als gewichtiger.

Dies gilt gleichermaßen, soweit die privaten Interessen des Klägers betroffen sind. Er beruft sich letztlich darauf, durch die Nutzung erneuerbarer Energien Erlöse erzielen zu können und die Energieversorgung seines Anwesens nach seinen Vorstellungen umzusetzen zu wollen. Insoweit greift indessen die Sozialbindung des Eigentums, aufgrund derer er es hinnehmen muss, dass ihm eine möglicherweise rentablere Nutzung seines Grundstücks wegen der Schutz-würdigkeit des Denkmals verwehrt wird (vgl. BVerfG, Be-schl. v. 2. 3. 1999 – 1 BvL 7/91, BVerfGE 100, 226 und ju-ris, Rdnr. 84). Wegen des hohen Denkmalwertes kann dem privaten Interesse des Klägers wiederum kein solches Ge-wicht beigemessen werden, dass es die Belange des Denk-malschutzes überwöge.

Soweit der Kläger einwendet, das Verwaltungsgericht hätte der Klage wenigstens teilweise stattgeben und die Beklagte zur Genehmigung einer Photovoltaikanlage mit reduzierter Fläche verpflichten müssen, kann dem eben-falls nicht gefolgt werden. Einerseits hat der Kläger mit seinem Antrag eine bestimmte Ausgestaltung der Photo-voltaikanlage zur Genehmigung gestellt, so dass es bereits an Anhaltspunkten fehlt, dass eine hinter diesem Antrag zurückbleibende Genehmigung überhaupt seinem Willen entspräche. Andererseits spricht angesichts der hohen Ge-wichtung des Denkmalwertes einiges dafür, dass auch eine Photovoltaikanlage mit geringerer Fläche denkmalschutz-rechtlich nicht genehmigungsfähig wäre.

2. Die Berufung war auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssa-che zuzulassen. Der Kläger sieht sinngemäß die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig an, inwieweit Photovolta-ikanlagen auf geschützten Kulturdenkmälern zulässig sind, die sich nicht mehr vollständig in ihrem ursprünglichen Bauzustand befinden. Zudem sei grundsätzlich zu klären, in welcher Weise das Interesse an der Nutzung von Pho-tovoltaikanlagen zu gewichten sei. Beide Fragen betreffen indes die im Rahmen der Prüfung der Genehmigungsfä-higkeit vorzunehmende Abwägung zwischen den Belan-gen des Denkmalschutzes und anderen Gemeinwohlbela-ngen sowie privaten Interessen der Gebäudeeigentümer. Eine derartige Abwägung stellt jedoch immer eine Einzel-fallentscheidung dar, so dass die aufgeworfenen Fragen ei-ner grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich sind.

3. Das Verwaltungsgericht weicht mit dem angefochte-nen Urteil auch nicht von einer Entscheidung des Ober-verwaltungsgerichts ab (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). So-weit der Kläger hierzu auf den Beschluss des Senats vom 11. 2. 2011 (8 A 11111/10.OVG) abstellt, lässt sich hieraus bereits kein für die Entscheidung des vorliegenden Falles relevanter abstrakter Rechtssatz herleiten. Die zitierte Ent-scheidung hatte nämlich nicht die Erteilung einer denk-malschutzrechtlichen Genehmigung zum Inhalt, sondern

befasste sich mit der Vereinbarkeit einer Solaranlage mit den Vorschriften einer Gestaltungssatzung. Zudem hat der Senat in seiner damaligen Entscheidung nicht die Zulässig-keit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach des Anwesens festgestellt. Gegenstand des Berufungszulassungsverfahrens war vielmehr die Frage, ob das Verwaltungsgericht, das die streitgegenständliche Beseitigungsverfügung teilweise auf-gehoben hatte, diesen Bescheid hinsichtlich der verbleiben-den Solarplattenreihe zu Recht bestätigt hatte.

DOI: 10.1007/s10357-012-2299-8

Immissionsschutzrechtliche Genehmigung für drei Windkraftanlagen; hier: Einzelfall einer Standortverschiebung von Windkraftanlagen in die Randbereiche eines Vorranggebietes

BauGB § 35 Abs. 3, § 42; NBauO §§ 74, 75; VwVfG § 43 Abs. 2

1. Ein zur Genehmigung gestelltes Vorhaben wird von der Bindungswirkung des Bauvorbescheids nicht mehr erfasst, wenn es mehr als geringfügig von der ur-sprünglichen Konzeption abweicht und damit die Ge-nehmigungsfragen in bodenrechtlicher Hinsicht neu aufgeworfen werden (hier: Einzelfall einer Standort-verschiebung von Windkraftanlagen in die Randberei-che eines Vorranggebietes).

2. Die Aufgabe („Wegplanung“) eines in einem Regi-onalplan festgelegten Vorrangstandortes löst Entschä-digungspflichten nach § 42 BauGB nicht aus.OVG Lüneburg, Urteil vom 8. 5. 2012 – 12 LB 265/10 –

Die Beteiligten streiten um die Genehmigungsfähigkeit von Wind-energieanlagen.

Die Firma F. stellte unter dem 30. 6. 2000 eine Bauvoranfrage in Bezug auf die Errichtung von vier Windenergieanlagen des Modells AN BONUS 2 MW/76 – CombiStall mit einer Nabenhöhe von 120 m und einem Rotordurchmesser von 76 m (Gesamthöhe 158 m) im Gebiet der Beigeladenen. Die genannten Flurstücke liegen in ei-nem Bereich, der noch durch das Regionale Raumordnungspro-gramm (RROP) 1995 für den Großraum Braunschweig als Vor-ranggebiet für Windenergienutzung ausgewiesen war (GF 11). Mit Bauvorbescheid vom 25. 7. 2001 stellte der Beklagte fest, dass das ge-plante Vorhaben entsprechend den eingereichten Bauvorlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB zulässig ist; die gesicherte Erschließung sei im Antragsverfahren nachzuweisen.

Im Februar 2003 leitete der Zweckverband Großraum Braun-schweig als Träger der Regionalplanung ein Verfahren zur Neuauf-stellung des RROP ein. Wie der Bekanntmachung zur Ergänzung der allgemeinen Planungsabsichten hinsichtlich geänderter Krite-rien für die Festlegung von Vorrangstandorten für die Windener-gienutzung vom 14. 11. 2003 zu entnehmen ist, sollte aufgrund der zunehmenden Höhenentwicklung der Windenergieanlagen und aus Gründen des Immissionsschutzes der Abstand u. a. zu reinen und all-gemeinen Wohngebieten und dörflichen Siedlungen von 800 m auf 1000 m erhöht werden. Die Anwendung dieser Planungskriterien führe – so heißt es u. a. weiter – dazu, dass das Vorranggebiet für Windenergienutzung GF 11 aufzugeben sei. Die entsprechende (4.) Änderung des RROP ist am 1. 5. 2005 in Kraft getreten.

Bereits im April 2003 hatte die Klägerin die Erteilung einer Bau-genehmigung für die Errichtung einer Windenergieanlage des Typs VESTAS 2 MW/80 (Gesamthöhe 140 m) auf dem Flurstück 13, Flur 7, beantragt. Die Firmen J. und K. hatten ebenfalls die Ertei-lung baurechtlicher Genehmigungen für die Errichtung von jeweils 2 Windenergieanlagen des Typs VESTAS 2 MW/80 auf dem Flur-stück 15, Flur 4, Flurstück 47, Flur 5, und Flurstück 3, Flur 7, be-antragt. Mit am 23. 7. 2004 beim Beklagten eingegangenen Schrei-ben teilten Herr L. für die Klägerin und die M. für die Firma J. mit, es existierten bestandskräftige Bauvorbescheide auf einem Teil der Flurstücke für typgleiche Windenergieanlagen. Die von der jewei-ligen Bauherrenschaft beantragten Windenergieanlagen entsprächen den im Bauvorbescheid mit Nr. 1 und 2 bzw. 4 bezeichneten Objek-ten bzw. die Anträge würden entsprechend modifiziert. Unter dem 10. 9. 2004 beantragten die Klägerin sowie die Firmen J. und K. die

Rechtsprechung

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jeweils „beantragten Windenergieanlagen … in ein Genehmigungs-verfahren nach 4. BImSchVO“ zu überführen. In seinem Schrei-ben vom 22. 11. 2004 vertrat der Beklagte die Auffassung, die Aus-führung von drei Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von 140 m statt 158 m an den im Bauvorbescheid festgelegten Standorten führe zu keiner anderen bodenrechtlichen Beurteilung, jede Verän-derung der Inhalte des Bauvorbescheids, insbesondere eine Verlage-rung von Standorten, mache aber ggf. eine neue planungsrechtliche Prüfung erforderlich. Nach den vorliegenden Unterlagen halte le-diglich eine Windenergieanlage die Inhalte des Bauvorbescheids ein. Am 2. 3. 2005 stellte die Klägerin nunmehr als alleinige Bauherrin einen Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Ge-nehmigung für die Errichtung von 5 Windenergieanlagen – nun-mehr des Typs ENERCON E70-E4 (2000 kW) mit einer Naben-höhe von 99 m und einem Rotordurchmesser von 70 m (Gesamthöhe 135 m) – auf den in Rede stehenden, von ihr gepachteten Flurstü-cken der Gemarkung G. (WEA 1 = Flur 4 Flurstück 15, WEA 2 = Flur 5 Flurstück 47, WEA 3 und 4 = Flur 7 Flurstück 3 und WEA 5 = Flur 7 Flurstück 13). Hinsichtlich der Frage, wo im Einzelnen die Windenergieanlagen errichtet werden sollen, wird auf die als Anlage zum immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag eingereich-ten Lagepläne verwiesen.

Mit Bescheid vom 19. 8. 2005 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmi-gung für die Errichtung von 5 Windenergieanlagen im Hinblick auf die am 1. 5. 2005 in Kraft getretene 4. Änderung des RROP mit der Begründung ab, die – raumbedeutsamen – Windenergieanlagen dürften nicht außerhalb von im RROP festgelegten Vorrangstand-orten bzw. Eignungsgebieten errichtet werden. Aus dem Bauvorbe-scheid vom 25. 7. 2001 folge nichts anderes. Dieser entfalte keine Bin-dungswirkung, weil er nicht bestandskräftig sei. Im Übrigen seien der Bauvorbescheid und der immissionsschutzrechtliche Antrag nicht identisch. Seinerzeit sei die Errichtung von vier Windenergieanlagen mit jeweils einer Gesamthöhe von 158 m geprüft worden, nun gehe es um fünf Windenergieanlagen mit jeweils einer Gesamthöhe von 135 m. Nur drei Standorte der Bauvoranfrage stimmten mit den jetzt geplanten fünf Standorten überein.

Aus den Gründen:

Die vom Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage der Klägerin insgesamt abweisen müssen. Der Bescheid des Beklag-ten vom 19. 8. 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 2. 1. 2006 sind rechtmäßig. Die Klägerin kann die Erteilung einer immissions-schutzrechtlichen Genehmigung auch für die Errichtung von drei der geplanten fünf Windenergieanlagen nicht beanspruchen. Auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Neubescheidung besteht nicht (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts folgt die Genehmigungsfähigkeit für drei der Windenergiean-lagen nicht aus dem der Firma Q. erteilten Bauvorbescheid vom 25. 7. 2001. Zwar ist dieser – anders als der Beklagte meint – nach wie vor wirksam (dazu unter 1.). Auch gilt er zugunsten der Klägerin (dazu unter 2.). Die Bindungswir-kung des Bauvorbescheids erstreckt sich aber nicht auf das Vorhaben der Klägerin. Dieses weicht vom Vorbescheids-vorhaben mehr als nur geringfügig ab (dazu unter 3.). Der Senat teilt im Übrigen die Auffassung des Verwaltungsge-richts, dass einer Genehmigungsfähigkeit von Windener-gieanlagen an dem in Rede stehenden Standort nunmehr die – wirksame – „Wegplanung“ des Vorranggebiets GF 11 durch die 4. Änderung des RROP entgegensteht (dazu unter 4.).

Über die Bauvoranfrage der Firma O. ist zu Recht nach § 74 NBauO in der seinerzeit geltenden Fassung vom 13. 7. 1995 (GVBl. S. 199, 219) entschieden worden. Bis zu dem am 3. 8. 2001 in Kraft getretenen sog. Artikelgesetz (BGBl. I S. 1950) richtete sich die Errichtung von Windenergiean-lagen nach öffentlichem Baurecht (vgl. 4. BImSchV in der Fassung vom 14. 3. 1997, BGBl. I S. 504, 505 ff., einerseits und in der Fassung vom 2. 8. 2001, BGBl. I S. 1978, ande-rerseits; zur Rechtsentwicklung i. E. Fest, Die Errichtung von Windenergieanlagen in Deutschland, 2010, S. 70 f.).

Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 NBauO ist auf Antrag (Bau vor-anfrage) über einzelne Fragen, über die im Baugenehmi-

gungsverfahren zu entscheiden wäre und die selbstständig beurteilt werden können, durch Bauvorbescheid zu ent-scheiden. Dies gilt auch für die Frage, ob eine Baumaß-nahme nach städtebaulichem Planungsrecht zulässig ist (§ 74 Abs. 1 Satz 2 NBauO). Der Bauvorbescheid wird ge-mäß § 74 Abs. 2 Satz 1 NBauO ungültig, wenn nicht inner-halb von drei Jahren nach seiner Erteilung der Bauantrag gestellt wird. Wird der Bauvorbescheid angefochten, so wird der Lauf dieser Frist bis zur rechtskräftigen Entschei-dung gehemmt (§ 74 Abs. 2 i. V. m. § 77 Satz 2 NBauO). Gemäß § 74 Abs. 2 i. V. m. § 75 Abs. 6 NBauO gilt ein Bau-vorbescheid auch für und gegen die Rechtsnachfolger des Bauherrn und des Nachbarn.

1. Der Bauvorbescheid ist nicht nach § 74 Abs. 2 Satz 1 NBauO ungültig geworden. Wie dargelegt wird nach die-ser Vorschrift der Bauvorbescheid ungültig, wenn nicht in-nerhalb von drei Jahren nach seiner Erteilung der Bauan-trag gestellt wird. Diese Dreijahresfrist war hier nach der sinngemäß anzuwendenden, ebenfalls bereits zitierten Vor-schrift des § 77 Satz 2 NBauO gehemmt, weil der Bauvor-bescheid infolge der gegen ihn im August 2001 eingelegten und noch nicht beschiedenen Widersprüche einzelner Be-wohner der Beigeladenen sowie der Nachbargemeinde H., Ortsteil I., angefochten ist. Unabhängig von der Frage, ob die eingelegten Widersprüche unzulässig sind, gibt es im Gesetz keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine Hemmung nur im Falle von zulässigen Widersprüchen eintritt.

Der Bauvorbescheid vom 25. 7. 2001 hat sich zwischen-zeitlich nicht etwa infolge eines Verzichts der O. nach § 43 Abs. 2 VwVfG auf andere Weise erledigt. Einen ausdrück-lichen Verzicht hat die O. zu keinem Zeitpunkt erklärt. Die Voraussetzungen für die Annahme eines konkluden-ten Verzichts liegen nicht vor. Die Annahme eines konklu-denten Verzichts setzt ein schlüssiges Verhalten voraus, in dem unmissverständlich und unzweifelhaft der endgültige Verzichtswille zum Ausdruck kommt (vgl. für den Ver-zicht auf eine Baugenehmigung VGH Mannheim, Urt. v. 4. 3. 2009 – 3 S 1467/07, UPR 2009, 454; Urt. v. 20. 5. 2003 – 5 S 2751/01, BauR 2003, 1937; Beschl. v. 19. 7. 1989 – 8 S 1869/89, NVwZ-RR 1990, 171; BVerwG, Urt. v. 18. 5. 1995 – 4 C 20.94, BVerw GE 98, 235; Beschl. v. 2. 9. 2007 – 4 B 36.07, juris; OVG Weimar, Beschl. v. 29. 11. 1999 – 1 EO 658/99, BauR 2000, 719; OVG Berlin, Beschl. v. 7. 6. 2004 – 2 S 27.04, LKV 2005, 227; vgl. hierzu allgemein auch Schmaltz, in: Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wie-chert, Nds. Bauordnung, Kommentar, 8. Aufl., 2007, § 77 Rdn. 19 ff.). Ein Verhalten der O., in dem unmissverständ-lich und unzweifelhaft ein endgültiger Verzichtswille zum Ausdruck gekommen wäre, ist hier nicht erkennbar. Der Umstand, dass sie sich anderen Geschäftsfeldern zugewandt hat bzw. – wie es nunmehr im Schriftsatz der Klägerin vom 23. 4. 2012 heißt – sie das Interesse an dem Objekt (gemeint ist wohl: Projekt) verloren hat, ist vor dem Hintergrund zu bewerten, dass – wie dargelegt – die Frist des § 74 Abs. 2 i. V. m. § 77 Satz 2 NBauO gehemmt und damit offen war, ob sich das Vorhaben jemals würde verwirklichen lassen. In dieser Situation lässt das Hinwenden zu anderen Geschäfts-feldern nicht unmissverständlich und unzweifelhaft auf ei-nen endgültigen Verzichtswillen schließen. Gleiches gilt für den vom Beklagten angeführten Umstand der Beendigung der die Grundstücke betreffenden Nutzungsverträge. Dass die O. endgültig auf alle – also auch auf die wirtschaftli-chen – Vorteile aus dem Bauvorbescheid verzichten wollte, folgt auch daraus nicht eindeutig. Dabei ist zu berücksich-tigen, dass die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, 2003 hätten Gespräche hinsichtlich einer formlosen Über-nahme des Projekts zwischen der Klägerin und der O. statt-gefunden. Sonstige Gründe, die zu einer Unwirksamkeit des Bauvorbescheids vom 25. 7. 2001 führen könnten, sind weder vorgetragen noch dem Senat ersichtlich.

Der Bauvorbescheid vom 25. 7. 2001 war aus den dar-gelegten Grünen auch am 1. 7. 2005 noch wirksam. Für

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ihn gilt die zu letztgenanntem Zeitpunkt in Kraft getre-tene Vorschrift des § 67 Abs. 9 BImSchG (vgl. VGH Mann-heim, Urt. v. 4. 8. 2011 – 3 S 2439/09, DÖV 2012, 145; Feldhaus-Czajka, BImSchR, Kommentar, Stand: Okt. 2011, § 67 Rdnr. 75). Nach Satz 1 der genannten Vorschrift gelten Baugenehmigungen für Windkraftanlagen mit einer Ge-samthöhe von mehr als 50 m, die bis zum 1. 7. 2005 erteilt worden sind, als Genehmigungen nach dem Bundes-Immis-sionsschutzgesetz. Entsprechendes gilt für – wie hier – bis zum 1. 7. 2005 erteilte Bauvorbescheide (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 2. 6. 2008 – 4 B 32.08, juris Rdnr. 13).

2. Der Bauvorbescheid vom 25. 7. 2001 gilt auch zuguns-ten der Klägerin. Diese ist Rechtsnachfolgerin der O. Es bedarf keiner Klärung, ob – wie die Klägerin meint – ihre Rechtsnachfolge in Bezug auf den Bauvorbescheid bereits deshalb anzunehmen war, weil eine Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens er-gangen und sie in die Stellung des Bauherrn eingetreten war, oder ob die Rechtsnachfolge eine Einzel- oder eine Gesamtrechtsnachfolge voraussetzt (vgl. dazu einerseits Schmaltz, in: Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wie-chert, Nds. Bauordnung, Kommentar, 8. Aufl., 2007, § 75 Rdnr. 19, andererseits Guckelberger, Rechtsnachfolgeprob-leme im Baurecht, Verwaltungsarchiv 1999, 499 ff., 501 f.; vgl. auch VGH München, Beschl. v. 15. 2. 2006 – Au 4 S 05.2021, UPR 2006, 361; allgemein Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 11. Aufl., 2010, § 43 Rdn. 13 d). Selbst wenn man im vorliegenden Fall wegen der Personenver-schiedenheit von Genehmigungs- bzw. Vorbescheidsinha-ber und Grundstückseigentümer für eine Rechtsnachfolge eine ausdrückliche Vereinbarung über die Übertragung der Rechte aus dem Bescheid für erforderlich hält, ist diesem Erfordernis nunmehr mit der von der Klägerin vorgeleg-ten Vereinbarung zwischen ihr und der P. AG vom 16. 11. und 1. 12. 2010 über die Abtretung der Rechtsstellung aus dem Vorbescheid vom 25. 7. 2001 für die Errichtung von vier Windkraftanlagen Genüge getan. Dass die Abtretung „ex nunc“ wirkt, d. h. dass die Klägerin erst mit Abschluss des Vertrags, also im Dezember 2010, Rechtsnachfolgerin der O. hinsichtlich ihrer Rechtsstellung aus dem Vorbe-scheid vom 25. 7. 2001 geworden ist (vgl. auch § 398 Satz 2 BGB), ist entgegen der Annahme des Beklagten unschäd-lich. Mit Blick darauf, dass es sich hier um eine Verpflich-tungs- bzw. Bescheidungsklage handelt, ist maßgeblich, ob im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Voraus-setzungen einer Rechtsnachfolge gegeben sind. Das ist, wie dargelegt, der Fall. Dass die Klägerin nicht auch im Zeit-punkt der Bescheidung ihres Antrags Rechtsnachfolgerin gewesen sein mag, ist unerheblich.

3. Indessen erstreckt sich die Bindungswirkung des Bau-vorbescheids nicht auf das Vorhaben der Klägerin. Dieses weicht vom Vorbescheidsvorhaben mehr als nur geringfü-gig ab.

Der Umfang der sachlichen Bindungswirkung eines Vor-bescheids wird durch die – wie hier im Baurecht – vom Bauherrn im Rahmen der Bauvoranfrage benannten Fra-gen und den dem Antrag zugrunde gelegten Plänen be-stimmt. Mit einem Bauvorbescheid erwirkt ein Bauherr eine Entscheidung über – wie es in § 74 Abs. 1 Satz 1 NBauO heißt – einzelne Fragen, über die im Baugenehmigungs-verfahren zu entscheiden wäre und die selbstständig beur-teilt werden können. Gegenstand und Umfang der Frage(n) und damit auch der Bindungswirkung des Vorbescheids be-stimmt also der Bauherr (zum Bestimmungsrecht des Bau-herrn auch etwa OVG Lüneburg, Urt. v. 29. 4. 2008 – 12 LC 20/07, BauR 2009, 623; OVG Berlin, Urt. v. 16. 7. 1990 – 2 B 48/87, LKV 1991, 243; s. auch LSA Magdeburg, Urt. v. 22. 6. 2006 – 2 L 23/04, BauR 2006, 1943; VGH München, Urt. v. 4. 11. 1996 – 1 B 94.2923, BayVBl. 1997, 341).

Die Firma O. als Antragstellerin hatte das vom Beklagten im Bauvorbescheidsverfahren zu absolvierende Prüfpro-gramm auf die Frage begrenzt, ob die vier Windenergiean-

lagen, die in den zu der Bauvoranfrage eingereichten Bau-vorlagen eingezeichnet sind, bauplanungsrechtlich zulässig sind. Diese Begrenzung der zur Prüfung gestellten Frage folgt insbesondere aus dem im Verwaltungsvorgang zu fin-denden – späteren – Schriftwechsel zwischen der Firma O. und dem Beklagten aus März 2001. Da die von der R. AG geplanten vier Windenergieanlagen in den zur Bauvoran-frage eingereichten Karten bereits „punktgenau“ einge-zeichnet sind, war das Bauvorbescheidsvorhaben in dieser Weise konkretisiert worden (vgl. auch OVG Magdeburg, Urt. v. 22. 6. 2006 – 2 L 23/04, BauR 2006, 1943).

In Bezug auf das in dieser Weise konkretisierte Vorhaben gilt die Bindungswirkung des Vorbescheids. Soweit mit ei-nem Vorbescheid die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem öffentlichen (Bau-)Recht punktuell festgestellt worden ist – hier also hinsichtlich der Frage der bauplanungsrecht-lichen Zulässigkeit der vier in den zu der Bauvoranfrage eingereichten Bauvorlagen eingezeichneten Windenergie-anlagen –, kann für die Geltungsdauer des Vorbescheids die Genehmigung auch im Fall einer zwischenzeitlichen Rechtsänderung nicht mehr versagt werden (dazu etwa BVerwG, Urt. v. 17. 3. 1989 – 4 C 14.85, DVBl. 1989, 673, juris Rdn. 9 ff.; VGH München, Urt. v. 4. 11. 1996 – 1 B 94.2923, BayVBl. 1997, 341 m. w. N., sog. relative Be-standskraft). Für das Verhältnis zwischen bundesimmissi-onsschutzrechtlichem Vorbescheid und bundesimmissions-schutzrechtlicher Genehmigung gilt Entsprechendes (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 13. 4. 2011 – 12 ME 8/11, juris Rdn. 11; Urt. v. 13. 6. 2007 – 12 LC 36/07, ZfBR 2007, 689, juris Rdn. 30).

Die Bindungswirkung erstreckt sich allerdings nur auf Vorhaben, die inhaltlich dem Vorbescheid vollständig ent-sprechen oder von diesem ohne Veränderung der Grund-konzeption nur geringfügig abweichen. Für die Frage, ob eine Abweichung noch als geringfügig anzusehen und das zur Genehmigung gestellte Vorhaben damit noch von der Bindungswirkung des Vorbescheids erfasst ist, kommt es maßgeblich darauf an, ob wegen der Abweichung die Ge-nehmigungsfragen in bodenrechtlicher Hinsicht neu auf-geworfen werden (zu alledem BVerwG, Urt. v. 4. 3. 1983 – 4 C 69.79, BauR 1983, 343, juris; OVG Magdeburg, Urt. v. 22. 6. 2006 – 2 L 23/04, BauR 2006, 1943; VGH Mün-chen, Urt. v. 4. 11. 1996 – 1 B 94.2923, BayVBl. 1997, 341; OVG Berlin, Urt. v. 16. 7. 1990 – 2 B 48/87, LKV 1991, 243). Das ist hier der Fall. Die Prüfung, ob infolge einer Abweichung die Genehmigungsfrage in bodenrechtlicher Hinsicht neu aufgeworfen wird, ist u. a. anhand der einer-seits zur Voranfrage und andererseits zum Genehmigungs-antrag eingereichten Unterlagen und Pläne vorzunehmen. Ausgehend davon liegt hier entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht nur eine Standortverschiebung um wenige Meter vor. Die eingereichten Unterlagen deu-ten auf Verschiebungen von schätzungsweise jeweils rund 20–30 m hin. Das ist hier allerdings nicht allein ausschlag-gebend. Maßgeblich ist, dass die Standortverschiebungen der geplanten Windenergieanlagen jeweils in die Randbe-reiche des in den Plänen eingezeichneten Vorranggebiets vorgenommen worden sind und zwar in der Weise, dass jedenfalls die Rotoren und möglicherweise teilweise auch Fundament und/oder Turm die Grenzen des Vorrangge-biets überschreiten. Nach der Rechtsprechung des Bundes-verwaltungsgerichts sind die Grenzen eines Bauleitplans oder die Grenzen von Baugebieten oder Bauflächen stets von der gesamten Windkraftanlage einschließlich des Ro-tors einzuhalten ( BVerwG, Urt. v. 21. 10. 2004 – 4 C 3.04, BVerw GE 122, 117). Es bedarf aus Anlass des vorliegen-den Falles keiner Klärung, ob und gegebenenfalls inwie-weit diese Rechtsprechung auf ein – wie hier – durch ein regionales Raumordnungsprogramm ausgewiesenes Vor-ranggebiet übertragbar ist. Die zitierte Rechtsprechung verdeutlicht indes, dass sich infolge der vorgenommenen Verschiebungen über die Randbereiche des eingezeichne-

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502 NuR (2012) 34: 500–505

ten Vorranggebiets hinaus zumindest die Frage der baupla-nungsrechtlichen Zulässigkeit der drei in Rede stehenden Windenergieanlagen neu stellte. Wegen der Abweichung war mithin die Genehmigungsfrage in bodenrechtlicher Hinsicht neu aufgeworfen. Auf die in der mündlichen Ver-handlung von der Klägerin thematisierte Frage, ob das Vor-ranggebiet in den von ihr zum Genehmigungsantrag ein-gereichten Plänen zutreffend eingezeichnet ist, kommt es nicht entscheidend an. Für die Beurteilung, ob die Geneh-migungsfrage neu aufgeworfen wird, ist – wie ausgeführt – zunächst auf die mit dem Antrag eingereichten Pläne und nicht darauf abzustellen, ob sich bei intensiverer Prüfung ergibt, dass die Grenzen des Vorranggebiets tatsächlich an anderer Stelle verlaufen.

Aus §§ 15, 16 BImSchG folgt entgegen der Auffassung der Klägerin kein gegenteiliges Ergebnis. Die Vorschrif-ten sind hier bereits nicht einschlägig. § 16 BImSchG setzt eine bestehende immissionsschutzrechtliche (Vor-)Geneh-migung voraus. Es muss eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erteilt worden sein oder eine Genehmigung vorhanden sein, die als Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz gilt (s. etwa Ja-rass, BImSchG, Kommentar, 8. Aufl., 2010, § 16 Rdnr. 4). Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. 12. 2010 (– 22 ZB 09.1682, juris). Darin werden vielmehr die Vo-raussetzungen einer Änderungsgenehmigung in gleicher Weise benannt. Indessen existiert im vorliegenden Fall we-der eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung noch eine Genehmigung, die als Genehmigung nach dem Bun-des-Immissionsschutzgesetz gilt. Es liegt lediglich ein Bau-vorbescheid vor, der nach § 67 Abs. 9 BImSchG als immis-sionsschutzrechtlicher Vorbescheid gilt. Für Vorbescheide und den Umfang ihrer Bindungswirkung gelten die oben angeführten Maßgaben.

4. Die Genehmigungsfähigkeit der von der Kläge-rin geplanten Windenergieanlagen ist nunmehr aus bau-planungsrechtlichen Gründen nicht gegeben. Die Wind-energieanlagen sollen außerhalb der durch das RROP des Zweckverbands Großraum Braunschweig festgelegten Vor-rangstandorte für Windenergie errichtet werden. Entge-gen der Auffassung der Klägerin ist die „Wegplanung“ des Standorts GF 11 durch die 4. Änderung des RROP recht-mäßig. Der Senat hat sich in seinem Urt. v. 28. 1. 2010 (– 12 KN 65/07, BauR 2010, 1043) auf den Normenkontrollan-trag einer der Eigentümer der im ehemaligen Vorrangge-biet für Windenergienutzung GF 11 gelegenen Grundstü-cke bereits umfassend mit der Frage der Rechtmäßigkeit der „Wegplanung“ des genannten Standorts befasst. Er hat hierzu u. a. ( juris Rdn. 37 ff.) ausgeführt:

„… Mit der Planänderung (Anm. hier: 4. Änderung des RROP) hat der Antragsgegner 31 Vorrangstandorte und 3 Eignungsgebiete für Windenergienutzung festgelegt, um im Anschluss an die Ergän-zung des RROP im Jahre 1998 die Errichtung von raumbedeutsa-men Windkraftanlagen im Verbandsgebiet erneut und anderweitig zu steuern. Die Festlegungen beruhen auf einem schlüssigen gesamt-räum lichen Planungskonzept und lassen Abwägungsfehler nicht er-kennen. Bei der Flächenauswahl ist der Antragsgegner frei von me-thodischen Fehlern vorgegangen, indem er auf der Grundlage von drei Arbeitsschritten die für die Windenergienutzung in Betracht ge-kommenen Bereiche des Verbandsgebiets ermittelt und sodann nä-her eingegrenzt hat. Mit Blick auf die Empfehlungen in dem Wind-energie-Erlass 2004 wurden in einem ersten Arbeitsschritt im Zuge einer Bestandsaufnahme des Plangebiets zunächst Ausschlussflächen bezeichnet, die von vornherein für die Windenergienutzung ausge-nommen bleiben sollten. Hierzu gehörten u. a. neben naturschutz-fachlich empfindlichen Bereichen (Vorranggebiete für Natur und Landschaft, Naturschutzgebiete, Nationalparke, Naturdenkmale, besonders geschützte Biotope) und Verkehrsflächen (einschließlich Luftverkehrsflächen und Flugsportanlagen) auch Siedlungsbereiche (u. a. reine und allgemeine Wohngebiete, dörfliche Siedlungen, frem-denverkehrsbetonte Siedlungen, Einzelwohnhäuser). Die verbliebe-

nen Flächen wurden in einem zweiten Arbeitsschritt einer näheren Untersuchung unterzogen und hinsichtlich ihrer Eignung für die Er-richtung von Windkraftanlagen überprüft. Dabei wurden – wiede-rum gestützt auf den Windenergie-Erlass 2004 sowie in Abstimmung u. a. mit den betroffenen Fachbehörden – die schutzbedürftigen (Aus-schluss-)Flächen mit weiteren Abstandsflächen (Pufferzonen) umge-ben, um Nutzungskonflikte zu vermeiden. Weitere Restriktionen ergaben sich durch eine Bewertung des Landschaftsbildes und Be-rücksichtigung der Belange des Vogelschutzes sowie von Kriterien zur Standortwirtschaftlichkeit (Windhöffigkeit, Anschlussmöglich-keiten an das Stromnetz, verkehrliche Erschließung). In einem drit-ten Arbeitsschritt wurden die danach noch in Betracht gezogenen Potentialflächen einer abschließenden Abwägung unterzogen. Dabei wurde das als Zielvorgabe festgelegte Kriterium des Mindestabstands von 5 km zwischen den Vorrangstandorten bzw. Eignungsgebieten angelegt. In methodischer Hinsicht ist gegen diese Vorgehensweise nichts einzuwenden. Der Abwägungsvorgang trägt der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung und lässt Tendenzen einer von Fehlvorstellungen geleiteten Verhinderungs-planung nicht erkennen. Im Vergleich zu der am 9. 7. 1998 beschlos-senen Ergänzung des Regionalplans, mit der für das Verbandsgebiet erstmals eine Steuerung der raumbedeutsamen Windenergienut-zung auf der Ebene der regionalen Raumordnungsplanung vollzo-gen worden war, wurden einige Vorrangstandorte aufgegeben bzw. verkleinert, was im Wesentlichen auf das Anlegen des Abstandskrite-riums von 1000 m zu Siedlungsflächen zurückzuführen war (vgl. Ta-belle 2 der Begründung). Dagegen ist gerichtlich nichts zu erinnern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil v. 17. 12. 2002, a. a. O.; vgl. auch Urt. d. Sen. v. 24. 1. 2008 – 12 LB 44/07, juris) ist es im Rahmen der Bauleitplanung – Gleiches gilt für die Regionalplanung – zulässig, Pufferzonen und pauschale Abstände zu geschützten Nutzungen festzusetzen und auf eine konkrete Prü-fung der Verträglichkeit einer Windenergienutzung an jedem ein-zelnen Standort zu verzichten. Dies gilt namentlich für Mindestab-stände zu Siedlungsbereichen, die auf der Ebene der Bauleitplanung oder wie hier der Regionalplanung bereits im Vorfeld einer Abwehr schädlicher Umwelteinwirkungen festgelegt werden können, sofern sie städtebaulich bzw. raumordnungsrechtlich begründbar sind. Zu beanstanden ist das pauschale Anlegen derartiger Kriterien allerdings dann, wenn der Planungsträger erkennt, dass mit der gewählten Me-thode der Windenergie nicht ausreichend substantiell Raum geschaf-fen wird. Er hat dann sein Auswahlkonzept nochmals zu überprü-fen und ggf. abzuändern ( BVerwG, Urteil v. 24. 1. 2008, a. a. O.). Das Anlegen eines pauschalen Mindestabstands von 1000 m zur Wohn-bebauung begegnet nach der Rechtsprechung des Senats im Re-gelfall keinen Bedenken. Auch vorliegend durfte der Antragsgeg-ner den Mindestabstand unter Vorsorgegesichtspunkten im Einklang mit dem Windenergie-Erlass 2004 bei der Flächenauswahl zugrunde legen, ohne die Schutzbedürftigkeit einzelner betroffener Wohn-siedlungen oder Einzelnutzungen im Detail zu untersuchen. Der ge-nerelle Abstand von 1000 m zur Wohnbebauung orientiert sich regel-mäßig daran, beim Immissionsschutz auf der sicheren Seite zu liegen, ohne eine übertriebene Vorsorgepolitik zu betreiben. Bedenken be-stehen dagegen nicht. Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers war es auch nicht erforderlich, das Abstandskriterium als oder wie ein (negatives) Ziel der Raumordnung nach § 3 Nr. 2 ROG abschließend abzuwägen. Das Auswahlkriterium wurde weder in der Beschreiben-den noch in der Zeichnerischen Darstellung der Planänderung als Ziel der Raumordnung festgelegt und hatte nicht den Charakter ei-ner strikten Vorgabe. Vielmehr gehörte es mit zahlreichen weiteren Auswahlkriterien zum Abwägungsmaterial, welches seinerseits einer abschließenden Abwägung nicht zugänglich war und deshalb auch nicht zugeführt werden musste.

In dem Anlegen des genannten Abstandskriteriums liegt die pla-nerische Rechtfertigung für den Wegfall des Vorrangstandortes GF 11 (Böckelse). Wie sich anhand der Zeichnerischen Darstellung der Planergänzung vom 9. 7. 1998 nachvollziehen lässt, lag der Vor-rangstandort in einem Abstand von nur etwa 500 m südlich des Sied-lungsbereichs von Böckelse, auch zu der westlich im Landkreis Celle gelegenen Bebauung des Ortsteils Wiedenrode der Gemeinde Lang-lingen hielt der Vorrangstandort einen Abstand von nur etwa 500 m – jedenfalls deutlich unter 1000 m – ein. Bei dem Verzicht auf diesen Vorrangstandort hat der Antragsgegner auch nicht verkannt, dass hier bereits Vorhaben mit dem Ziel der Errichtung von Windkraftanla-gen – u. a. auf dem Flurstück des Antragstellers – geplant waren und das vom Antragsteller in Bezug genommene Bauvorbescheidsverfah-ren der P & T Technology AG geführt worden war. Diesen Umstand hat der Antragsgegner in die Abwägung eingestellt. Er hat sich mit der Vorbelastung des Standortes befasst und ist unter Berücksichti-

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gung der seinerzeit – und auch jetzt – noch nicht rechtsverbindlich geklärten Frage des Bestandsschutzes gemäß dem Bauvorbescheid vom 25. 7. 2001 für die Errichtung von vier bzw. fünf Windkraftan-lagen auf Flächen des Vorrangstandortes zu der planerisch vertretba-ren Entscheidung gelangt, den Standort aufzugeben. Der Planungs-träger ist an Zielfestlegungen in vorherigen Raumordnungsplänen nicht gebunden und – wie dargelegt – nicht dazu verpflichtet, Kon-zentrationsflächen weiterhin dort festzulegen, wo Windkraftanlagen bereits vorhanden oder genehmigt sind. Den betroffenen Bauherrn und Vorhabenträgern werden dadurch etwaige bestehende Baurechte nicht genommen, vielmehr wirken diese im Rahmen des Bestands-schutzes, sofern er besteht, fort. Soweit allerdings Erweiterungsmög-lichkeiten und auch ein etwaiges Repowering der Anlagen plane-risch erschwert oder verhindert worden sind, war dies vom Ermessen des Planungsträgers gedeckt.

Entgegen dem Antragsvorbringen kann es nicht als abwägungs-fehlerhaft angesehen werden, dass der Antragsgegner das Abstands-kriterium von 1000 m zu Siedlungsflächen nicht durchgängig zur Anwendung gebracht, sondern einzelne Standorte trotz geringerer Abstände zu nächstgelegenen Siedlungsbereichen als Vorrangstand-orte für Windenergienutzung festgelegt hat. Namentlich bei den Vorrangstandorten GF 2 (Wittingen), GF 3 (Wittingen), PE 3 (Ho-henhameln/Peine) und PE 5 (Hohenhameln) wurde auf die strenge Einhaltung des Abstandskriteriums verzichtet. Der Antragsgegner hat dies in vertretbarer Weise damit begründet, dass die bauliche Entwicklung hier im Vergleich zum vormaligen Vorrangstandort GF 11 (Böckelse) weiter fortgeschritten und deshalb der Vorbelas-tung der Standorte Rechnung getragen worden sei. Auch dagegen ist nichts zu erinnern. Die Überlegung, die Flächenauswahl und den Zuschnitt der Gebiete an dem vorhandenen Bestand auszurichten, stellt eine planerisch vernünftige Erwägung dar, die hier auch nach-vollzogen werden kann. Für die Vorrangstandorte GF 2, GF 3, PE 3 und PE 5 lagen bereits rechtsverbindliche Bauleitpläne vor, d. h. Flä-chennutzungspläne mit entsprechenden Darstellungen zur Wind-energienutzung, und für die Standorte GF 2 und GF 3 darüber hi-naus auch Bebauungspläne mit Festsetzungen von Baufeldern für die Errichtung von Windkraftanlagen. Die Standorte waren bei Auf-stellung der 4. Änderung des Regionalplans mit Windkraftanlagen bebaut. Dadurch war eine Vorbelastung der Standorte bereits einge-treten, während dies bei dem Standort GF 11 noch nicht – jedenfalls nicht durch entsprechende Bebauung – der Fall war. Mit Größen von 54 ha (GF 2), 114 ha (GF 3), 259 ha (PE 3) und 67 ha (PE 5) erfüllten die Vorrangstandorte das für die Standortauswahl angelegte Krite-rium einer Mindeststandortgröße von 50 ha, durch das gewährleistet werden sollte, dass auf den Konzentrationsflächen zumindest 10 bis 15 Anlagen errichtet werden können (…). Der Standort GF 11 wies eine Größe von nur 38 ha auf und blieb hinter dem Erfordernis zu-rück. Dieser Umstand sprach ebenfalls gegen eine weitere Berück-sichtigung des Standortes, auch wenn nicht verkannt werden kann, dass das genannte Auswahlkriterium der Mindeststandortgröße nicht starr angewendet wurde und Standorte mit geringerer Größe durch-aus als Vorrangstandorte festgelegt wurden (…).

Die Möglichkeit, dass wegen der Wegplanung des Standortes GF 11 Ansprüche auf Planungsentschädigung geltend gemacht wer-den könnten, musste der Antragsgegner über die Erwägung, dass et-waige Baurechte an dem Standort (lediglich) in ihrem Bestand ge-schützt sein könnten, nicht zusätzlich als relevanten Gesichtspunkt in die Abwägung einbeziehen. Soweit der Antragsgegner die Re-gionalplanung nicht als entschädigungsrelevanten Sachverhalt an-gesehen hat (…), ist das nicht zu beanstanden. Die Steuerung von Windkraftanlagen durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder wie hier Ziele der Raumordnung kann Entschädigungspflich-ten nach § 42 BauGB nicht auslösen, weil Nutzungsmöglichkeiten, die § 35 BauGB eröffnet, nicht auf einer in § 42 BauGB vorausgesetz-ten eigentumsrechtlichen Rechtsposition beruhen ( BVerwG, Urt. v. 27. 1. 2005, a. a. O. unter Hinweis auf BT-Drs. 15/2996, S. 62; Hoff-mann, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, § 42 Rdnr. 11.1; vgl. auch Breuer, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl., § 42 Rdnr. 26a; Bielenberg/Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a. a. O., § 42 Rdnr. 65). Entschädigungsansprüche wegen Amtspflichtverletzung oder Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff mussten schon deshalb nicht in die Abwägung mit einbezogen werden, weil sie die Folgen einer fehlerhaften (rechtswidrigen) Planung betreffen.“

Die Klägerin trägt keine Gesichtspunkte vor, die zu ei-ner anderen Beurteilung führen. Der Planungsträger hat – entgegen der Annahme der Klägerin – die Belange der betroffenen Grundstückseigentümer und der R. AG als In-haberin des Bauvorbescheids nicht verkannt. Der Senat

hält nach nochmaliger Überprüfung an seiner im zitierten Urteil geäußerten Auffassung fest, dass die Steuerung von Windkraftanlagen durch Ziele der Raumordnung Entschä-digungspflichten nach § 42 BauGB nicht auslöst. Nach § 42 Abs. 1 BauGB kann der Eigentümer nach näherer Maß-gabe des § 42 Abs. 2–10 BauGB eine angemessene Entschä-digung in Geld verlangen, wenn die zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder geändert wird und da-durch eine nicht nur unwesentliche Wertminderung des Grundstücks eintritt. Eine zulässige Nutzung im Sinne der zitierten Vorschrift ist anzunehmen, wenn die Nut-zungsmöglichkeit die Qualität einer eigentumsrechtlichen Rechtsposition hat ( BVerwG, Urt. v. 27. 1. 2005 – 4 C 5.04, BVerw GE 122, 364, juris; Bielenberg/Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Kommentar, Stand. Nov. 2011, § 42 Rdnr. 21 ff.). Werden – wie hier – Ziele der Raumordnung revidiert, wird eine eigentums-kräftig verfestigte Rechtsposition nicht berührt. Mit der raumordnungsrechtlichen Festlegung des Vorranggebiets für Windenergie wurde die nach § 35 Abs. 1 BauGB pri-vilegierte Nutzung unter Anwendung der sog. Raumord-nungsklausel des § 35 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 BauGB verstärkt. Damit wird indes ein Baurecht oder ein Nutzungsanspruch nicht begründet. Es handelt sich lediglich unverändert um eine unter dem Vorbehalt sonstiger öffentlicher Belange stehende Nutzungsmöglichkeit, deren Entzug entschädi-gungsfrei möglich ist ( BVerwG, Urt. v. 27. 1. 2005 – 4 C 5.04, BVerw GE 122, 364; Breuer, in: Schrödter, BauGB, Kommentar, 7. Aufl., 2006, § 42 Rdnr. 19 ff., 26a; Bielen-berg/Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Kommentar, Stand. Nov. 2011, § 42 Rdnr. 32, 65). Der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des Bun-desverwaltungsgerichts (Urt. v. 26. 4. 2007 – 4 CN 3.06, BVerw GE 128, 382) Darstellungen mit den Rechtswir-kungen des § 35 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 BauGB eine dem Be-bauungsplan vergleichbare Funktion haben und sie des-wegen zum Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO gemacht werden können, zwingt nicht zu der Annahme, die durch die Festlegung ei-nes Vorranggebiets eingeräumte Nutzungsmöglichkeit sei mit derjenigen gleichzustellen, die durch einen Bebauungs-plan eingeräumt worden sei (in diesem Sinne wohl Paetow, Berliner Kommentar zum BauGB, Band 2, 3. Aufl., Stand: Dez. 2011, § 42 Rdnr. 8 ff., 12). Gegen die Gleichstellung sprechen vielmehr die oben angeführten Erwägungen. Dem Zweckverband Großraum Braunschweig als Träger der Regionalplanung kann im Übrigen auch nicht angelas-tet werden, er habe bei seiner Planänderung 2005 die Be-deutung der Belange der betroffenen Grundstückseigentü-mer verkannt, die ihnen nach dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. 4. 2007 (– 4 CN 3.06, BVerw GE 128, 382) zuzumessen seien. Die Entscheidung ist späteren Datums und konnte vom Zweckverband Groß-raum Braunschweig bei seiner Abwägung folglich nicht be-rücksichtigt werden.

Soweit die Klägerin meint, dem Urteil des Bundesverwal-tungsgerichts vom 24. 1. 2008 (– 4 CN 2.07, NVwZ 2008, 559) lasse sich entnehmen, dass allgemein – und damit auch im Fall der Änderungsplanung durch den Zweckverband Großraum Braunschweig – die schematische Handhabung eines Schutzabstands nicht angemessen sei, ist dem nicht zu folgen. Das genannte Urteil des Bundesverwaltungsge-richts betrifft einen Fall, in dem infolge einer schemati-schen Handhabung von Schutzabständen der Windenergie nicht in substantieller Weise Raum geschaffen worden war und deswegen die methodischen Schritte für die Standort-wahl noch einmal hätten hinterfragt werden müssen. Dem-gegenüber hatte der Senat in seinem Urt. v. 28. 1. 2010 (– 12 KN 65/07, BauR 2010, 1043) für den vorliegenden Fall ausdrücklich geprüft, ob infolge der hier in Rede stehen-den Änderungsplanung der Windenergie noch substantiell Raum eingeräumt sei, und dies bejaht. Der Verweis der

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Klägerin auf die Entscheidung des VGH München vom 9. 11. 2011 (– 4 N 10.1322, DVBl. 2012, 250) führt eben-falls nicht weiter. Das Urteil betraf die Streichung einer im Regionalplan ausgewiesenen Vorrangfläche für Wind-energie, ohne dass – anders als hier – eine Abwägung statt-gefunden hätte.

Auch soweit die Klägerin das RROP 2008 beanstandet, trägt sie nichts vor, was zu einer anderen als der im Urteil des Senats vom 28. 1. 2010 (– 12 KN 65/07, BauR 2010, 1043) vorgenommenen Beurteilung führt.

Sicherungsmaßnahmen zur Durchsetzung von Handlungs-und Unterlassungspflichten

BBergG §§ 51, 55, 58, 71 Abs. 3, BBodSchG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 3, § 10 Abs. 1; InsO § 80

1. Eine Anordnung, Sicherungsmaßnahmen, die im Wege der Ersatzvornahme erfolgen, zu dulden, kann selbständig auf § 10 Abs. 1 BBodSchG gestützt werden, wenn die Maßnahme der Erfüllung von Sanierungs-pflichten nach den §§ 4,7 BBodSchG dient.

2. Im Rahmen von notwendigen Maßnahmen i. S. v. § 10 Abs. 1 BBodSchG kann im Wege der Ersatzvor-nahme auch auf Sachen zugegriffen werden, von denen selbst die Gefahr nicht verursacht wird.

3. Jedenfalls bei schädlichen Bodenveränderungen, die vor einer Insolvenz entstanden sind, ist allein nach den Vorschriften des öffentlichen Rechts zu entschei-den, ob und wie die für die Durchsetzung des Um-weltrechts zuständigen Behörden eingreifen können. Insoweit kann weder im Hinblick auf die Kosten der Ersatzvornahme noch im Hinblick auf die direkte In-anspruchnahme der Insolvenzmasse zu Zwecken der Ersatzvornahme mit Erfolg eingewendet werden, die Insolvenzmasse stehe allein den Insolvenzgläubigern zu.OVG Magdeburg, Beschluss vom 9. 5. 2012 – 2 M 13/12 –

Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma und wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen die für sofort vollziehbar erklärte Duldungsanordnung des Antrags-gegners vom 4. 4. 2011, mit der ihm aufgegeben wurde, es zu dulden, dass der Antragsgegner Ton aus der Tongrube, die im Bergwerksei-gentum der Gemeinschuldnerin steht, im Rahmen der Ersatzvor-nahme für die Errichtung von Dichtwänden verwendet.

Die Gemeinschuldnerin baute seit den 1990er Jahren in den Ton-gruben M. und V. Ton im Tagebaubetrieb ab. Der letzte gültige Hauptbetriebsplan lief bis zum 31. 8. 2008. Unter dem 5. 3. 2004 ließ der Antragsgegner einen Sonderbetriebsplan zu, der nach Ziff. III nur in Verbindung mit einem zugelassenen Hauptbetriebsplan bzw. Ab-schlussbetriebsplan gelten sollte. Im Rahmen dieses Sonderbetriebs-plans wurde der Gemeinschuldnerin erlaubt, bestimmte, nicht aus dem Abbaubereich stammende Fremdmassen im Rahmen der Wie-dernutzbarmachung im Tagebau zu verwerten. Insoweit führte der Sonderbetriebsplan bestimmte AVV-Schlüssel auf, so u. a. die AVV-Ziff. 191212 mit der Bezeichnung „sonstige Abfälle einschließlich Mineralmischungen aus der mechanischen Behandlung von Ab-fällen (Vorabsiebung aus Sortieranlagen 1. Stufe)“, sowie unter der AVV-Ziff. 190203 „vorgemischte Abfälle, die ausschließlich aus nicht gefährlichen Abfällen bestehen“. Unter Ziff 3.3 bestimmte der Sonderbetriebsplan: „(…) das zu verfüllende Material darf die Zu-ordnungswerte Z 2 im Eluat gemäß den Anforderungen an die stoff-liche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen -techni-sche Regeln – LAGA 20 – Länderarbeitsgemeinschaft Abfall nicht überschreiten. (…)“. In der Folgezeit verfüllte die Gemeinschuld-nerin die Tongrube insbesondere mit Abfällen der AVV-Schlüssel 191212 und 190203. Hierauf wurden die Behörden im Laufe des Jah-res 2007 aufmerksam, insbesondere bemerkten sie, dass die Gemein-schuldnerin nicht nur mineralische Abfälle einlagerte, sondern in großem Umfang auch Hausmüll.

Der Antragsgegner nahm daraufhin mit Bescheid vom 11. 3. 2008 die Sonderbetriebsplanzulassung vom 5. 3. 2004 teilweise mit Wir-kung für die Zukunft zurück, schloss insbesondere die Abfallarten mit dem AVV-Schlüssel 191212 und 190203 von der Zulassung aus und ordnete die sofortige Vollziehung an. Hiergegen hat der An-tragsteller sowohl Klage bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg er-hoben (AZ: 3 A 50/08 MD) als auch einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt (3 B 53/08 MD). Der Antrag auf einstweiligen Rechtschutz war auch in zweiter Instanz erfolgreich (2 M 103/08). Der Antragsgegner hatte aus Sicht des Senats verkannt, dass als ein-schlägige Norm nicht § 48 VwVfG, sondern die bergrechtliche Spe-zialnorm des § 56 BBergG heranzuziehen und die Entscheidung da-her ermessensfehlerhaft war. Die Klage blieb ohne Erfolg, da das Verwaltungsgericht sowohl das Rechtsschutzbedürfnis als auch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse verneinte, insbesondere weil ein Amtshaftungsprozess ohne Aussicht auf Erfolg sei. Hiergegen hat der Antragsteller einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt (2 L 25/12.Z).

Mit Bescheid vom 18. 4. 2008 wurde der Gemeinschuldnerin un-ter Anordnung des Sofortvollzugs insbesondere in Ziffer 1 untersagt, andere Materialen als durch die Betriebsplanzulassung vom 5. 3. 2004 genehmigt, in den Tontagebau V. einzubringen. Dies bedeute, dass dort nur mineralische Stoffe eingelagert werden dürften. Die übrigen Regelungen des Bescheides hob der Antragsgegner mit Bescheid vom 25. 8. 2011 auf. Auf den Antrag der Gemeinschuldnerin stellte das Verwaltungsgericht Magdeburg (3 B 126/08 MD) die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid erhobenen Klage (3 A 382/09 MD) wieder her, die hiergegen eingelegte, auf Ziffer 1 des Beschei-des beschränkte Beschwerde des Antragsgegners wies der Senat (2 M 143/08) zurück; der Bescheid könne nicht allein auf § 71 Abs. 1 Satz 1 BBergG gestützt werden, es lägen daher Ermessensfehler vor.

Am 11. 2. 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet und der Antragsteller zum Insol-venzverwalter bestellt. Am 23. 12. 2009 nahm er die Führung der bis dahin anhängigen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Mag-deburg auf.

Mit Bescheid vom 3. 2. 2010 gab der Antragsgegner dem Antrag-steller auf, folgende Sicherungsmaßnahmen durchzuführen: …

Aus den Gründen:

Die Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg. … Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen

Vollziehung in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise begründet. Dies erfordert nicht nur eine den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügende Begründung, sondern darüber hinaus gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in materieller Hin-sicht das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses an der Vollziehung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 80, Rdnr. 90, 92 m. w. N.), das über das allgemeine Inte-resse am Verwaltungsakt selbst hinausgehen muss und das von der Behörde in der Regel „schlüssig“ zu rechtfertigen ist (vgl. OVG Magdeburg, Beschl. v. 6. 7. 2004 – 2 M 232/04, juris). Vorliegend hat der Antragsgegner ausgeführt, die so-fortige Vollziehung sei angesichts der tatsächlichen örtli-chen Verhältnisse notwendig, ein weiteres Zuwarten führte zu akuten Gesundheits- und Umweltgefährdungen. Diese Begründung zeigt zumindest, dass der Antraggegner er-kannt hat, dass die sofortige Vollziehung ein besonderes Vollzugsinteresse erfordert. Insbesondere der Verweis auf „akute“ Gefahren macht deutlich, dass er nicht lediglich das allgemeine, jedem Gesetz innewohnende öffentliche Interesse am Vollzug des Gesetzes zum Anlass genommen hat, die sofortige Vollziehung anzuordnen.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung liegen auch vor. An die Voraussetzungen der sofortigen Vollziehbarkeit ist wegen des hier stattfinden-den Eingriffs in das Eigentum, mit dem vollendete Tatsa-chen geschaffen werden, ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. OVG Magdeburg, Beschl. v. 6. 7. 2004, a. a. O.). Da-raus folgt, dass das Interesse des Ordnungspflichtigen an der Erhaltung des Suspensiveffekts regelmäßig das öffentliche Interesse daran überwiegen dürfte, einen solchen Verwal-tungsakt sofort zu vollziehen. Das hinter dieser Bewertung stehende Gebot, durch effektiven Rechtsschutz eine unan-

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