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in Marzahn-Hellersdorf Jugendliche Aussiedler und Gewalt

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in Marzahn-Hellersdorf

Jugendliche Aussiedler

und Gewalt

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Bezirksamt Marzahn-HellersdorfDie Migrantenbeauftragte

Konzentrationsschwerpunkte:Großsiedlung in Marzahn Mitte, Marzahn Nord-West, Marzahn-Süd, Hellersdorf NordNeuer Trend: im Süden wird gebaut => man bleibt im Bezirk in der Nähe zur Gruppe

Schätzung: 13 – 15 % Bevölkerungsanteil (30. – 35.000 Personen). Keine Wegzugstendenzen (sicherer Bevölkerungsteil)Dauer des Aufenthaltes maximal 15 Jahre, im Schnitt 5-8 Jahre,Zuzug hält an (auch Nachzug, Umzüge aus anderen Bezirken)

Großfamilienverbände aus mehreren Generationen und Verzweigungen, auch regionale Bezüge des Zusammenhaltes

Erheblich höherer Anteil an Kindern und Jugendlichen unter 25

Aussiedler/-innen in MaHe

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1994 - 98 standen sich 2 Faktoren gegenüber - in großem Umfang Wegzug von Familien aus großen Wohnungen in bestimmten Quartieren - eine Gruppe, die in großem Umfang große Wohnungen brauchte

Bedürfnis der Familienverbände, so kompakt wie möglich zu einander zu leben => Kern und Kettenwanderung

Hohe Geschwindigkeit der Ansiedlung – die Gruppe wurde rasch sehr groß, später aussiedlerbezogene Infrastruktur

Warum Marzahn?

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Herkunftsgebiete aus 13 geographischen Zeitzonen => unterschiedliche soziale und kulturelle PrägungenUnterschiedlicher Status nach BFVG § 4 Statusdeutsche/r => Ableitungen: § 7 Deutsch: Ehegatten, Abkömmlinge §§ 4 und 7 sind Doppelstaatler § 8 Ausländer/-innen Umsiedler/-innen

Ca. 80 % der Familien sind bi- und gar mehrnational

Stark heterogene Gruppe

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Gemeinsam ist

Die Sozialisation in postsowjetischen Gesellschaften und die russische Sprache als Emotions-, Familien- und Gruppensprache

Das kollektive Gedächtnis über Siedlungs- und Verfolgungsgeschichte

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Privilegierte Migration

• Einreise im Familienverband als Statusdeutsche gem. Art. 116 GG, auch von Ehepartnern anderer Nationalitäten bei Ehedauer über 3 Jahre

• Es überwiegen die (ohne Begrenzung) einbezogenen Familienangehörige => Verhältnis ca. 20 : 80 %

• Keine Anforderungen für die Einreise Einbezogener

bis 2005, nach 2005 Sprachtest

• Gezielte Förderung für §§ 4 und 7 BFVG

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Selbst in einer Familie können die Motive zur Aussiedlung der Generationen und Einzelpersonen unterschiedlich sein: vom Mythos Deutschland bis hin zum Mitreißen mit dem Strom der Ausreisenden.

Es ist ein Konglomerat aus Pull- und Push-Faktoren

Ängste vor Diskriminierung einer lang anhaltend verfolgten und diskriminierten Minderheit Seit den 80-Jahren sozial integriert und gar assimiliert

Motive für die Aussiedlung

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Rolle der Familie

Allerwichtigster Bezugspunkt: Gemeinschaft, deren Zusammenhalt für die einzelnen Mitglieder von existenzieller Bedeutung ist - Familienbegriff sehr weit gefasst - Autoritäten und Rollenverteilung meist traditionell - Gegenseitige Verpflichtung der Generationen

Aber auch Mauer und Schutzschild gegen „Angreifer von Außen“, seien es Opfer von Straftaten oder sei es der Staat und seine Strukturen („verfolgte Aussiedler“)

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Große Teile des einheimischen Umfeldes reagiert mit Unverständnis und ethnisiert ebenso => Projekte zur Förderung von Gemeinsamkeiten=> Nachbarschaftsarbeit => Normalisierung

Kürzungen der staatlichen Integrationsleistungen tragen negative Früchte => Selbstgenügsamkeit und Rückzug

Problem Nr. 1: Die ArbeitslosigkeitAkademiker besonders betroffen => soziale Degradierung

Es entwickeln sich aber Nischen- und ErgänzungsökonomienSoziale Segregation fördert negative kollektive Befindlichkeiten der Ausgrenzung => es wird ethnisiert

Soziale Lage

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Migrationsbedingte Brüche (Schule, Ausbildung, Freunde)Aufwachsen in unterprivilegierten Bedingungen Weniger Partizipationschancen sozial & ökonomisch

Fremdheits- und Ausgrenzungserfahrungen

Sprachdefizite Russisch und Deutsch in ihrer Bedeutung ver-“rückt“ Defizite an AnerkennungNiedergeschlagenheit der Eltern (Arbeit, soz. Status)Die Schwierigkeit liegt in der Kumulation

Besondere Belastungen

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Jugendgerichtshilfe MaHe

Hilfebeginn 01.01.2005

59 Fälle, darunter 27 (18 – unter 21 Jahre)

32 (14 - unter 18 Jahre), davon 4 weibliche Jugendliche

Herkunftsgebiete: 32 Russland 26 Kasachstan 1 Armenien

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69 Strafverfahren: - Körperverletzung - Raub - räuberische Erpressung - Bedrohung

Trendeinschätzungen: JGH: Trend bei Gewalttaten 2005 leicht ansteigendStreetwork: Trend leicht ansteigend OGJ: Trend rückläufigJugendsozialarbeit: Trend rückläufig

Gewaltdelikte:

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Annahmen zu Ursachen:

Erfahrungen mit den Regeln des Rechtsstaates => Arbeit der Polizei (Durchgreifen & kultursensible Prävention: Gespräche, individuelle Arbeit mit „Cliquenköpfen“) Interkulturelle Öffnung der Jugendhilfe => Vernetzung => Präventionsrat

Normalisierung des Verhältnisses zu jungen Einheimischen durch Gewöhnung und Arrangieren miteinander

Wirksame Integrations- und PräventionsprojekteStreetwork => Türen öffnen und offen halten

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126 sonstige Strafverfahren: 9 Sachbeschädigung

7 Verkehrsvergehen

83 Diebstahl

8 Leistungserschleichung

19 andere (Verstoß gegen das Waffengesetz, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Falschaussage, Beleidigung, Sexualdelikte, Betrug, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz)

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Im Durchschnitt: 4 – 6 Strafverfahren

1 x 23 Strafverfahren

1 x 14 Strafverfahren

Mehrfachtäter:

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Fazit

Der überwiegender Teil der Aussiedlerjugendlichen ist

nicht delinquent Gelungene Integration ist leise !

Ihre zum Teil enormen Integrationsleistungen werden

öffentlich kaum wahr genommen

„Fit für Bildung – Fit für bürgerschaftliches Engagement“

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Mädchen haben zumeist klare Vorstellungen von ihrer Entwicklung => häufig Leistungsschere

Jungen (14 – 18 Jahre) sind sich oft nicht im Klaren, dass sie ein kleines Fenster haben, um Entscheidungen zu treffen, die für das ganze Leben entscheidend sind : - Null-Bock und Macho-Gehabe - Zivilrechtliche Konsequenzen (ab 7 Jahre: 30 Jahre Haftung für Schäden)

Mädchen und Jungen

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Belastung Kollektivverdacht:Die meisten jungen Aussiedler/-innen kommen nach etwa 3 Jahren Aufenthalt ganz gut zurecht: - Schulnoten zumindest akzeptabel, meist gut - Gymnasien, Studium: es geht aufwärts ! - Das Wohlbefinden gleicht sich dem der gleichaltrigen Einheimischen Dennoch bleiben sie in der Freizeit zumeist unter sich Straße und öffentliche Plätze beliebte Aufenthaltsorte => sie sind sichtbar, fallen auf

Räumliche Konzentration wirkt begünstigend

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allerdings: Schätzung: Hohe Dunkelziffer vor allem bei Gewalttaten unter einander

- werden kaum angezeigt - Klärung unter sich, ohne Hilfe von außen - Kick, Konsens bezüglich traditioneller Konfliktlösungsmodelle (Faustrecht des Stärkeren) - Ehrenkodex (Anzeige: Verrat und Schwäche) - mitgebrachter problematischer Umgang mit der Polizei und Obrigkeit

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Intensität der Gewalttaten

Intensität hat zugenommen => Gruppendynamik Alkohol und Drogen als Auslöser spielen eine große Rolle

Neu: Genuss von Alkohol an öffentlichen Plätzen ist keine Ordnungswidrigkeit mehr und wird nicht von der Polizei geahndet

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2/3 der ca. 230 Heroinkonsumenten in MaHe sind jugendliche Aussiedler Eigene Szene Folgen: steigende Zahl HIV-Infektionen Folgekriminalität , Aggressivität, Tote Turbo-Karrieren – über Nacht von Kiffen zum Heroin Die Meisten bleiben aber beim gelegentlichen Kiffen

Problem Drogen

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Sprachprobleme nicht überwunden, besonders Seiteneinsteiger und Ältere, die nicht zur Schule gehen

Keinen Kontakt mit gleichaltrigen Einheimischen undEinbindung oder Nähe zu einer Clique von männlichen gewaltbereiten Jugendlichen

Keinen Rückhalt in der Familie (Konflikte, überforderte Eltern, innerfamiliäre Gewalt als Konfliktlösungsmodell)

Risikogruppen:

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Die Familie als Ressource

JFG, Drogenberatungsstellen, JVA berichten darüber, dass die Familie auch zu den jugendlichen Delinquenten steht.

JGH: Nachhaltigkeit jedoch häufig gering => Überforderung & Resignation & Ohnmacht der Eltern

Systemischer Ansatz besonders wichtig !!!Kontakt mit der Familie aktiv und offensiv suchen, Familie stärken und in Präventions- & Therapiearbeit einbeziehen => Vernetzung mit Anlaufstellen

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Innerfamiliäre Gewalt

Intervention bei sichtbaren Spuren => Fälle der Familienhilfe ansteigend - falsches Vorbild - reduziert das Selbstwertgefühl - mindert die Konfliktfähigkeit - reduziert die Empathiefähigkeit (Mitleid mit dem Opfer => „Schlechtes Gewissen nur, wenn mich die Polizei erwischt“) Trend: je länger der Aufenthalt, desto schlimmer !

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Männerdominanz: Muskeln & Trinkfestigkeit & Potenz - Männertugenden familiär gefördert - Rituallisiertes Rollenverhalten, langen schnell zu => Männlichkeitsmuster in Gewaltkontext - Abfällige Bemerkungen über Mädchen

Gewaltbereite Cliquen - mehrere Cliquen haben Hausverbot überall - Musik (u.a. AGGRO Berlin, vulgärer HipHop) - Sprayer (zwei gewaltbereite Sprayergruppen in MaHe sind von Aussiedlern dominiert) - sehr schwer erreichbar für die Sozialarbeit => personelle Kontinuität sehr wichtig!

Männlichkeitsmuster

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Cliquen

- Bedingungsloser Zusammenhalt Wagenburgmentalität Interne Hierarchien

- Eigener Ehrenkodex Eigene bzw. vorgebliche Gemeinschaftsinteressen sind auch mit Gewalt durchzusetzen „Ein Mann redet nicht, er handelt“

- Druck auf einzelne Mitglieder

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Eine wirkungsvolle (sozial-) pädagogische und gewaltpräventive Arbeit mit Aussiedlerjugendlichen ist ohne grundlegende Kenntnisse ihrer soziokulturellen Hintergründe nicht möglich

Fazit

Echte Integrationschancen bietet nur eine Politik, die klar und eindeutig dem russischen Identitätsteil eine Existenzberechtigung zuspricht, ihn akzeptiert und in seiner Bedeutung für die Entwicklung der Betroffenen würdigt (damit er positiv und aktiv arbeitet) und darüber hinaus die erforderliche Förderung sichert

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BezirksamtFrühzeitige Thematisierung =>

Kriterien, ProjekteInterkulturelles Konzept 2003

RegionalisierteStadtteilstrukturen

und Dienste

BVV-Ausschuss für Integration und Migration

Quartiersmanagement

Fachtage: Jugendhilfe, Gesundheit, PflegeMigranten-

beirat/AG‘sInputs Migranten-

perspektive

SelbsthilfeinitiativenStadtteilbezogene Lokale Netzwerke

Vorbildlich: LNW Mehrower Allee(Jugendhilfe, Schule, Kirche, WBG.

diverse Projekte)

Streetwork und Fachdienste

Selbsthilfeinitiativen

Kirchen

Partizipationsstrukturder Aussiedler/-innenintegration in Ma-He

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Vielen Dank für Ihre

Aufmerksamkeit !