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Entomologische Nachrichten und Berichte, 54, 2010/3-4 269 IN MEMORIAM Dr. Hubert Schumann zum Gedenken (7.5.1930-10.4.2010) Nach kurzer Krankheit verstarb am 10. April 2010, nur wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag, der langjäh rige Mitarbeiter des Museums für Naturkunde in Ber lin, Dr. H ubert S chumann . Wir verlieren in ihm einen geachteten Kollegen, der auch wegen seines aufrich tigen und herzlichen Wesens sehr geschätzt wurde. Er war von 1962 bis 1995 Kustos der Dipteren-Abteilung und seit 1980 auch Hauptabteilungsleiter der Entomolo gie. Besonders durch seine Publikationen zur Parasito logie hat er sich auch international einen Namen ge macht. Abb. 1: Dr. H ubert S chumann neben seiner Frau in Friedrichsbrunn im Harz bei einem Treffen ehemaliger Parasitologen im September 2009. Neben Frau Schumann sitzt Frau Sommer, im Hintergrund Herr Dr. H. Steinbrink. Foto: Dr. U. Sellensciilo. Aufgewachsen in dem kleinen Dorf Zorbau bei Wei ßenfels im heutigen Land Sachsen-Anhalt, fand Hu bert S chumann schon frühzeitig Interesse an der Natur seiner ländlichen Umgebung. Nach seiner Schulzeit wurde er im Alter von 14 Jahren zum Militärdienst ein gezogen. Glücklicherweise war das Kriegsende nahe. So konnte er im Herbst 1945 nach kurzer amerika nischer Gefangenschaft seine Ausbildung fortsetzen und 1948 das Abitur in Weißenfels ablegen. Noch im gleichen Jahr begann er das Studium der Biologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Sein späterer Diplom- und Doktorvater Professor K eilbach begeisterte ihn hier für die Entomologie. Auch war es der persönlichen Fürsprache seiner Professoren K eil bach und F reund zu verdanken, dass H ubert S chu mann nach einer 1951 aus politischen Gründen er folgten Exmatrikulierung sein Studium bald wieder aufnehmen konnte. Mit der Diplomarbeit über morpho logisch-systematische Studien an Larven hygienisch wichtiger mitteleuropäischer Calliphoridae und Musc- idae schloss er 1953 sein Studium in Halle ab. An schließend folgte er Professor K eilbach als Assistent an die Ernst-Moritz-Arndt-Universität nach Greifswald und promovierte hier 1957 zum Thema „Morphologie und Biologie coprophager und carnivorer Dipterenlar ven“ Im folgenden Jahr absolvierte er am Hamburger Bemhard-Nocht-Institut für Schiffs- und Tropenkrank heiten eine zusätzliche Ausbildung, die er mit einem Diplom über Tropenmedizin und medizinische Parasi tologie abschloss. Ab 1960 war er in Greifswald als wissenschaftlicher Oberassistent mit dem Aufbau und der Leitung der Entomologischen Abteilung des Zoolo gischen Instituts betraut. Entscheidend für seine weitere berufliche Laufbahn war die Übernahme des Kustodiats Diptera & Siphona- ptera am Museum für Naturkunde Berlin als Nachfol ger von Professor P eus im Jahre 1962. An diesem Ar beitsplatz standen ihm nun schon als junger Mann eine bedeutende Sammlung und die umfangreiche Biblio thek zur Verfügung. Beides diente ihm mehr als 32 Jah re als wesentliche Basis für seine berufliche Arbeit. Ein Schwerpunkt seiner Forschung waren Arbeiten zur Taxonomie und Systematik, Morphologie, Biologie und Faunistik der Dipteren. Sein besonderes Interesse galt dabei den Calliphoridae (Schmeißfliegen, Gold fliegen) und später auch den Inklusen des Sächsischen Bernsteins. Ein anderes wesentliches Arbeitsgebiet war die Nutzbarmachung von Erkenntnissen der Grundla genforschung für die Praxis. So interessierte ihn schon früh die Rolle von Insekten als medizinisch bedeut same Vektoren. Viele blutsaugende Arten wurden von ihm auch gezüchtet. Später hat er durch seine Lehrtä tigkeit im Fach „Medizinische Entomologie“ zur Wei terbildung von Ärzten beigetragen. Gut in Erinnerung ist ebenfalls sein Einsatz für die Nutzbarmachung von Ophyra aenescens (W iedemann , 1830) zur biolo gischen Bekämpfung der Stubenfliege Musca domesti ca L innaeus , 1758 in Tierställen. Auch forensische Un tersuchungen faszinierten ihn immer wieder. Selbst nach seiner Pensionierung war er als Gutachter auf die sem Gebiet tätig und konnte zur Klärung von Mordfal len in Berlin beitragen. Darüber hinaus hielt er viele Jahre Vorlesungen, führte Praktika für Studenten durch und betreute Diplomanden und Doktoranden. Beson deres zu würdigen ist auch der Einsatz von Dr. S chu mann bei der Erhaltung der umfangreichen Bibliothek der Deutschen Entomologischen Gesellschaft, deren ehrenamtlicher Leiter er seit 1963 war und deren Grundstock er trotz aller politischen Wirren in Deutsch land über die Zeit rettete.

IN MEMORIAM - Zobodat€¦ · seine freundliche und liebenswerte Art und typisch für die da malige Landjugend während des Krieges und in den schweren Nachkriegsjahren war: „Trotz

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Page 1: IN MEMORIAM - Zobodat€¦ · seine freundliche und liebenswerte Art und typisch für die da malige Landjugend während des Krieges und in den schweren Nachkriegsjahren war: „Trotz

Entomologische Nachrichten und Berichte, 54, 2010/3-4 2 69

IN M EM O RIAM

Dr. H u b e r t S c h u m a n n zum Gedenken (7.5.1930-10.4.2010)

Nach kurzer Krankheit verstarb am 10. April 2010, nur wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag, der langjäh­rige Mitarbeiter des Museums für Naturkunde in Ber­lin, Dr. H u b e r t S c h u m a n n . Wir verlieren in ihm einen geachteten Kollegen, der auch wegen seines aufrich­tigen und herzlichen Wesens sehr geschätzt wurde. Er war von 1962 bis 1995 Kustos der Dipteren-Abteilung und seit 1980 auch Hauptabteilungsleiter der Entomolo­gie. Besonders durch seine Publikationen zur Parasito­logie hat er sich auch international einen Namen ge­macht.

Abb. 1: Dr. H u b e r t S c h u m a n n neben seiner Frau in Friedrichsbrunn im Harz bei einem Treffen ehemaliger Parasitologen im September 2 0 0 9 . Neben Frau Schumann sitzt Frau S o m m e r, im Hintergrund Herr Dr. H . S te in b r in k . Foto: Dr. U. S e l l e n s c i i l o .

Aufgewachsen in dem kleinen Dorf Zorbau bei Wei­ßenfels im heutigen Land Sachsen-Anhalt, fand Hu­b e r t S c h u m a n n schon frühzeitig Interesse an der Natur seiner ländlichen Umgebung. Nach seiner Schulzeit wurde er im Alter von 14 Jahren zum Militärdienst ein­gezogen. Glücklicherweise war das Kriegsende nahe. So konnte er im Herbst 1945 nach kurzer amerika­nischer Gefangenschaft seine Ausbildung fortsetzen und 1948 das Abitur in Weißenfels ablegen. Noch im gleichen Jahr begann er das Studium der Biologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Sein späterer Diplom- und Doktorvater Professor K eilb a c h begeisterte ihn hier für die Entomologie. Auch war es

d e r p e rs ö n lic h e n F ü rsp ra c h e s e in e r P ro fe ss o re n K eil­bach u n d F reund z u v e rd a n k en , d a ss H ubert S ch u ­m a n n n a c h e in e r 1951 au s p o litis c h e n G rü n d e n e r ­fo lg te n E x m a tr ik u lie ru n g se in S tu d iu m b a ld w ie d e r a u fn e h m e n k o n n te . M it d e r D ip lo m a rb e it ü b e r m o rp h o ­lo g is c h -sy s te m a tisc h e S tu d ien an L a rv e n h y g ie n isch w ic h tig e r m itte le u ro p ä is c h e r C a llip h o rid a e u n d M u sc - id ae s ch lo ss e r 1953 se in S tu d iu m in H a lle ab . A n ­s c h lie ß e n d fo lg te e r P ro fe ss o r K eilbach a ls A ss is te n t an d ie E rn s t-M o r itz -A rn d t-U n iv e rs itä t n a c h G re ifs w a ld u n d p ro m o v ie r te h ie r 1957 zu m T h e m a „ M o rp h o lo g ie u n d B io lo g ie c o p ro p h a g e r un d c a rn iv o re r D ip te re n la r­v e n “ Im fo lg e n d e n J a h r a b so lv ie r te e r am H a m b u rg e r B e m h a rd -N o c h t- In s ti tu t fü r S ch iffs- u n d T ro p e n k ra n k ­h e ite n e in e z u sä tz lic h e A u sb ild u n g , d ie e r m it e in e m D ip lo m ü b e r T ro p en m e d iz in u n d m e d iz in isc h e P a ra s i­to lo g ie a b sc h lo ss . A b 1960 w a r e r in G re ifs w a ld a ls w is se n sc h a f tl ic h e r O b e ra ss is te n t m it d e m A u fb a u un d d e r L e itu n g d e r E n to m o lo g isc h e n A b te ilu n g d es Z o o lo ­g is ch e n In s titu ts b e tra u t.

Entscheidend für seine weitere berufliche Laufbahn war die Übernahme des Kustodiats Diptera & Siphona- ptera am Museum für Naturkunde Berlin als Nachfol­ger von Professor P e u s im Jahre 1962. An diesem Ar­beitsplatz standen ihm nun schon als junger Mann eine bedeutende Sammlung und die umfangreiche Biblio­thek zur Verfügung. Beides diente ihm mehr als 32 Jah­re als wesentliche Basis für seine berufliche Arbeit.

Ein Schwerpunkt seiner Forschung waren Arbeiten zur Taxonomie und Systematik, Morphologie, Biologie und Faunistik der Dipteren. Sein besonderes Interesse galt dabei den Calliphoridae (Schmeißfliegen, Gold­fliegen) und später auch den Inklusen des Sächsischen Bernsteins. Ein anderes wesentliches Arbeitsgebiet war die Nutzbarmachung von Erkenntnissen der Grundla­genforschung für die Praxis. So interessierte ihn schon früh die Rolle von Insekten als medizinisch bedeut­same Vektoren. Viele blutsaugende Arten wurden von ihm auch gezüchtet. Später hat er durch seine Lehrtä­tigkeit im Fach „Medizinische Entomologie“ zur Wei­terbildung von Ärzten beigetragen. Gut in Erinnerung ist ebenfalls sein Einsatz für die Nutzbarmachung von Ophyra aenescens ( W ie d e m a n n , 1830) zur biolo­gischen Bekämpfung der Stubenfliege Musca domesti­ca L in n a e u s , 1758 in Tierställen. Auch forensische Un­tersuchungen faszinierten ihn immer wieder. Selbst nach seiner Pensionierung war er als Gutachter auf die­sem Gebiet tätig und konnte zur Klärung von Mordfal­len in Berlin beitragen. Darüber hinaus hielt er viele Jahre Vorlesungen, führte Praktika für Studenten durch und betreute Diplomanden und Doktoranden. Beson­deres zu würdigen ist auch der Einsatz von Dr. S c h u ­m a n n bei der Erhaltung der umfangreichen Bibliothek der Deutschen Entomologischen Gesellschaft, deren ehrenamtlicher Leiter er seit 1963 war und deren Grundstock er trotz aller politischen Wirren in Deutsch­land über die Zeit rettete.

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Als Mitherausgeber und zeitweiliger Chefredakteur der Reihe D a h l „Die Tierwelt Deutschlands“ hat Dr. S c h u ­m a n n für die Publikation diverser Bände gesorgt. Wei­ter gehörte er zum Herausgeberkollegium des „Catalo­gue of Palaearctic Diptera“ Von 1990 bis 1995 war er der Chefredakteur der „Deutschen Entomologischen Zeitschrift“ Außerdem war er mit eigenen Beiträgen an der „Exkursionsfauna von Deutschland“, der Enzy­klopädie „Urania-Tierreich“ und der „Checkliste der Dipteren Deutschlands“ beteiligt. Eine Zusammenstel­lung der wissenschaftlichen Publikationen von Dr. S c h u m a n n ist in der im Druck befindlichen Arbeit von W e r n e r et al. zu finden.

In den Jahren nach seiner Pensionierung hat sich Dr. H u b e r t S c h u m a n n vor allem mit der Faunistik der deutschen Dipteren beschäftigt. Neben den Novellie­rungen der „Checkliste der Dipteren Deutschlands“ ar­beitete er auch an der Erstellung einer Landesfauna von Berlin und Brandenburg. Darüber hinaus war er ein all­zeit gefragter und geschätzter Experte, der sowohl sein umfangreiches Wissen hinsichtlich der Dipteren und Siphonapteren als auch zu den Themen forensische und medizinische Entomologie gern an Kollegen und ande­re Interessierte weitergab. Sein reiches entomolo­gisches Lebenswerk fand entsprechende Würdigung und im Jahre 1997 zeichnete ihn die Deutsche Gesell­schaft für allgemeine und angewandte Entomologie mit der Meigen-Medaille aus.

Sein Engagement als Wissenschaftler ist im Berliner Naturkundemuseum und speziell in der Dipteren- Sammlung dauerhaft dokumentiert und sehr präsent - der Mensch H u b e r t S c h u m a n n lebt vor allem in den Erinnerungen seiner Kollegen und Freunde fort.

L ite ra tu r

R ib b e c k , R ., M ü l l er , P. & G. H a rtw ic h (1990): Dr. rer. nat. H ubert S ch u m a n n - 60 Jahre. - Angewandte Parasitologie 31: 107-111.

K o c h , F. (1996): Dr. rer. nat. H u be rt S c h u m a n n -z u m 65. Geburts­tag. - Deutsche Entomologische Zeitschrift 43: 5-8.

K o l b e , W. (1997): Laudatio für Herrn Dr. H u be rt S c h u m a n n . - Mit­teilungen der Deutschen Gesellschaft für allgemeine und ange­wandte Entomologie 11: 24-25.

W e rn e r , D., W e n d t , H. & Z ie g ler , J. (im Druck): ln memoriam Dr. rer. nat. H u b e r t S c h u m a n n (7. Mai 1930-10. April 2010). - Stu­dia dipterologica 16 (2009) Heft 1/2.

Z ie g l e r , J. (2006): H u be r t S ch u m a n n - 75th birthday. - Mittei­lungen aus dem Museum für Naturkunde in Berlin, Deutsche Entomologische Zeitschrift 53 (1): 3-4.

Anschrift des Verfassers:Dr. Joachim ZieglerKustos für Diptera & SiphonapteraMuseum für NaturkundeLeibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsfor- schung an der Humboldt-Universität zu Berlin Invalidenstraße 43 D -10115 Berlin

PERSONALIA

Dr. rer. nat. W o l f g a n g Z i m m e r m a n n

zum 75. Geburtstag

W o l f g a n g Z im m e r m a n n wurde am 9. November 1935 in Eickendorf, damals Kreis Haldensleben im Bezirk Magdeburg, später auch Ohrekreis (OK) und heute Bördekreis (BK) in Sachsen-Anhalt (ST), als Sohn des Lehrers K u r t Z im m e r m a n n und seiner Ehefrau E l is a ­b e t h , geb. Z ie g e l e r , geboren.

Abb. 1: Dr. W . Z im m erm a n n auf der 22. Jahrestagung der Gesell­schaft deutschsprachiger Odonatologen (GdO) in Potsdam am08.03.2008. Foto: J. M ü l l er .

W o l f g a n g Z im m e r m a n n s eigene Erinnerungen charakterisieren seinen jungen Lebensabschnitt am besten, der so prägend für seine freundliche und liebenswerte Art und typisch für die da­malige Landjugend während des Krieges und in den schweren Nachkriegsjahren war: „Trotz Krieg und NS-Einflüssen, trotz der Abwesenheit des Vaters (Wehrdienst, Gefangenschaft, 1940-1947) hatte ich eine glückliche Kindheit, mit vielen Frei­heiten im ländlichen Raum. Die Höfe und Stallungen der be­nachbarten Landwirte waren meine Spielplätze, m ehr noch