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5 holztechnologie 56 (2015) 3 © IHD, Dresden Einleitung Ein neues Schlagwort „Industrie 4.0“, das für ein Fertigungs- konzept der Zukunft steht, wird zunehmend zum Leitthema von Kongressen, Tagungen, Journalen und Fachbüchern. Ist das nur ein Relaunch der bereits bekannten CIM-Technologie oder steht die gewerbliche Produktion wirklich an der Schwel- le einer völlig neuen Fabrikorganisation? Im vorliegenden Po- sitionspapier versuchen die Autoren, die wesentlichen Kern- punkte des Produktionskonzeptes Industrie 4.0 darzustellen und daraus die Herausforderungen, Chancen und Handlungs- schritte für die Holzwirtschaft zu formulieren. Dazu werden der Stand der Technik auf Basis aktueller Fachbeiträge und Fachtagungen analysiert und mögliche Umsetzungen in der Holzwirtschaft diskutiert. Die technologische Entwicklung der industriellen Produktion Die industrielle Produktion war durch mehrere technologi- sche Entwicklungen gekennzeichnet, die in der Industriege- schichte häufig als „industrielle Revolutionen“ bezeichnet werden. So war die erste industrielle Revolution Ende des 18. Jahrhunderts durch die Einführung mechanischer Produkti- onsanlagen mithilfe der Energie von Wasser und Dampf ge- kennzeichnet. Die zweite industrielle Revolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts war durch die Einführung der arbeitstei- ligen Massenproduktion mithilfe elektrischer Energie geprägt und das Fließband wurde damit zum Symbol für eine effiziente Fertigung. Zu Beginn der 1970er Jahre erfolgte in der dritten industriellen Revolution durch den Einsatz von Elektronik und Informationstechnologien eine weitere Automatisierung der Produktion (Kagermann et al., 2013). Die industrielle Produktion in Europa steht unter starkem Wettbewerbsdruck. Viele Standorte und industrielle Sektoren haben zudem Nachteile auf dem Gebiet der Energie- und Ar- beitskosten sowie beim Zugang zu verschiedenen Ressour- cen. Andererseits bestehen nach wie vor Vorteile im Bereich der Produktionstechnik, die zunehmend um Elemente der In- formationstechnologie ergänzt werden. Mit der – stark von Deutschland aus forcierten – Initiative der Vernetzung und Kommunikation von Ressourcen, Informationen, Objekten Teil 1 Industrie 4.0 steht für eine Vision der Produktion der Zukunft, in der in intelligenten Fabriken das „Internet der Dienste“ und das „Internet der Dinge“ so miteinander kommunizieren, dass die einzelnen Werkstücke im Fertigungsprozess selbstkonfiguriert und selbstoptimiert ihren Weg durch die Produktion finden. Dies ermöglicht eine hoch flexible Produktion mit individualisierten Produkten bis zur Losgröße 1 unter den Rahmenbedingungen einer Massenproduktion. Der Beitrag analysiert den Stand der Technik zum Thema Industrie 4.0 und diskutiert dessen Einsatzpotenzial für bestimmte Prozessketten und Fertigungsbereiche der Holzwirtschaft. Es wird gezeigt, dass das primär für die Automobilindustrie entwickelte Produktionssystem auch für bestimmte Fertigungsprozesse in der Holzwirtschaft sehr inter- essant ist. Im Teil 2 werden dann ganz bestimmte Einsatzgebiete in der Holzverarbeitung analysiert. Schlüsselwörter: Industrie 4.0, intelligente Fabrik, Fertigungstechnik Holz Industrie 4.0 – Die Produktion in der Holzwirtschaft von morgen? Manfred Gronalt, Alfred Teischinger Sonderdruck aus Holztechnologie

Industrie 4.0 – Die Produktion in der Holzwirtschaft von ... · Telekommunikation und neue Medien e. V. (BITKOM), Ver - ... Häuslmayer et al. (2006) angedacht und simuliert wurde,

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holztechnologie 56 (2015) 3© IHD, Dresden

Einleitung Ein neues Schlagwort „Industrie 4.0“, das für ein Fertigungs-konzept der Zukunft steht, wird zunehmend zum Leitthema von Kongressen, Tagungen, Journalen und Fachbüchern. Ist das nur ein Relaunch der bereits bekannten CIM-Technologie oder steht die gewerbliche Produktion wirklich an der Schwel-le einer völlig neuen Fabrikorganisation? Im vorliegenden Po-sitionspapier versuchen die Autoren, die wesentlichen Kern-punkte des Produktionskonzeptes Industrie 4.0 darzustellen und daraus die Herausforderungen, Chancen und Handlungs-schritte für die Holzwirtschaft zu formulieren. Dazu werden der Stand der Technik auf Basis aktueller Fachbeiträge und Fachtagungen analysiert und mögliche Umsetzungen in der Holzwirtschaft diskutiert.

Die technologische Entwicklung der industriellen Produktion

Die industrielle Produktion war durch mehrere technologi-sche Entwicklungen gekennzeichnet, die in der Industriege-schichte häufig als „industrielle Revolutionen“ bezeichnet

werden. So war die erste industrielle Revolution Ende des 18. Jahrhunderts durch die Einführung mechanischer Produkti-onsanlagen mithilfe der Energie von Wasser und Dampf ge-kennzeichnet. Die zweite industrielle Revolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts war durch die Einführung der arbeitstei-ligen Massenproduktion mithilfe elektrischer Energie geprägt und das Fließband wurde damit zum Symbol für eine effiziente Fertigung. Zu Beginn der 1970er Jahre erfolgte in der dritten industriellen Revolution durch den Einsatz von Elektronik und Informationstechnologien eine weitere Automatisierung der Produktion (Kagermann et al., 2013). Die industrielle Produktion in Europa steht unter starkem Wettbewerbsdruck. Viele Standorte und industrielle Sektoren haben zudem Nachteile auf dem Gebiet der Energie- und Ar-beitskosten sowie beim Zugang zu verschiedenen Ressour-cen. Andererseits bestehen nach wie vor Vorteile im Bereich der Produktionstechnik, die zunehmend um Elemente der In-formationstechnologie ergänzt werden. Mit der – stark von Deutschland aus forcierten – Initiative der Vernetzung und Kommunikation von Ressourcen, Informationen, Objekten

Teil 1

Industrie 4.0 steht für eine Vision der Produktion der Zukunft, in der in intelligenten Fabriken das „Internet der Dienste“ und das „Internet der Dinge“ so miteinander kommunizieren, dass die einzelnen Werkstücke im Fertigungsprozess selbstkonfiguriert und selbstoptimiert ihren Weg durch die Produktion finden. Dies ermöglicht eine hoch flexible Produktion mit individualisierten Produkten bis zur Losgröße 1 unter den Rahmenbedingungen einer Massenproduktion. Der Beitrag analysiert den Stand der Technik zum Thema Industrie 4.0 und diskutiert dessen Einsatzpotenzial für bestimmte Prozessketten und Fertigungsbereiche der Holzwirtschaft. Es wird gezeigt, dass das primär für die Automobilindustrie entwickelte Produktionssystem auch für bestimmte Fertigungsprozesse in der Holzwirtschaft sehr inter-essant ist. Im Teil 2 werden dann ganz bestimmte Einsatzgebiete in der Holzverarbeitung analysiert.

Schlüsselwörter: Industrie 4.0, intelligente Fabrik, Fertigungstechnik Holz

Industrie 4.0 – Die Produktion in der Holzwirtschaft von morgen?

Manfred Gronalt, Alfred Teischinger

Sonderdruck aus Holztechnologie

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und Menschen in der Produktion stehen wir vor einer neuen Revolution industrieller Produktion, die unter dem Schlag-wort „Industrie 4.0“ kommuniziert wird. In Abb. 1 ist diese Systemarchitektur dargestellt. Im Zentrum steht die Smart Factory (intelligente Fabrik), die ihre Leistungen über neue Kommunikationsmedien bezieht und auch wieder weitergibt. Das Internet der Dinge und Dienste stellt die organisatorische Hülle für die Produktion dar.Im Zuge dieser Entwicklung hat sich in Deutschland aus den Trägerverbänden Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (BITKOM), Ver-band Deutscher Maschinen und Anlagenbau e. V. (VDMA) und Zentralverband Elektronik- und Elektroindustrie e. V. (ZVEI) eine eigene Plattform „Industrie 4.0“ etabliert (http://www.plattform-i40.de/).

Industrie 4.0 – die kommunikationsbasierte Pro-duktion

Herzstück von Industrie 4.0 sind sogenannte „Cyber-Physical Systems“ (CPS), das sind in Produkte bzw. Werkstücke ein-gebettete Micro- oder Nanocomputer, Sensoren und Funk-schnittstellen, die mit ihrer Umgebung kommunizieren und den Maschinen mitteilen, wie sie bearbeitet werden sollen (Buck, 2014). Im Speicher der CPS sind für den Dialog zwi-schen Werkstück und Maschine alle Informationen über das herzustellende Produkt und die nötigen Bearbeitungsschritte abgelegt, was die Fertigung deutlich flexibler macht. Indus-trie 4.0 zielt somit auf intelligente vernetzte Produkte, Ver-fahren und Prozesse (Smart Production) gleichermaßen, mit der Smart Factory als Kernelement (Abb. 1). Diese soll die steigende Komplexität beherrschen und darüber die Effizienz in der Produktion spürbar steigern, indem Menschen, Maschi-nen und Ressourcen unmittelbar miteinander kommunizieren,

eigenständig Informationen austauschen, Aktionen auslösen und sich gegenseitig selbstständig steuern. Intelligente Pro-dukte (Smart Products) kennen ihren Herstellungsprozess und künftigen Einsatz. Mit dieser Kenntnis unterstützen sie aktiv den Fertigungsprozess und die damit verbundene Dokumen-tation.In den neuen Fabriken steuern somit Maschinen selbst die Fer-tigung individueller Kundenwünsche und entsprechen so dem Trend zum Einzelstück vom Band zum Preis von Massenware. Mit ihren Schnittstellen zu Smart Mobility, Smart Logistics und Smart Grid ist die intelligente Fabrik ein wichtiger Be-standteil künftiger intelligenter Infrastrukturen (Heng, 2014). Damit werden sich die etablierten Wertschöpfungsketten wei-ter entwickeln und völlig neue Geschäftsmodelle, wie bspw. virtuelle (ad hoc) Wertschöpfungsnetzwerke, entstehen.Das Konzept Industrie 4.0 muss damit sowohl die Wertschöp-fung an sich, aber auch die Arbeitsorganisation, Geschäfts-modelle und nachgelagerte Dienstleistungen umfassen. Dazu verknüpft es Produktion, Marketing und Logistik über die In-formationstechnologie miteinander und erfasst dabei alle Be-triebsmittel, Produktionsstätten und Lagersysteme. Die Re-Organisation erstreckt sich von der Energieversorgung, den intelligenten Energienetzen (Smart Grids) bis hin zu moder-nen Mobilitätskonzepten (Smart Mobility, Smart Logistics).

Soziotechnische Faktoren

Menschen sind über multimodale Mensch-Maschine-Schnitt-stellen mit dem CPS verbunden und können diese steuern. Diese echtzeitorientierte Steuerung verändert Arbeitsinhalte und -umgebungen radikal und erfordert neue Qualifikations-profile für Produktionsmitarbeiter.Die Entwicklung zur total vernetzten Fabrik macht natürlich Sorgen im Hinblick auf Datensicherheit und Datenschutz so-wie der Zukunft der Arbeit an sich. Eine Diskussion dazu mit der Forderung im Hinblick auf diese Fragen auch die Sozial-wissenschaften verstärkt einzubeziehen, erfolgte anlässlich eines Programmpunktes der Technologiegespräche 2014 im Rahmen des Europäischen Forums in Alpbach (Österreich). Eine kurze Zusammenfassung der Herausforderungen und möglichen Veränderungen in der Arbeitswelt durch Industrie 4.0 findet sich bei Anonymus (2014a).

Voraussetzungen für die Einführung bzw. Ent-wicklung von Industrie 4.0

Als Voraussetzungen für die Einführung bzw. Entwicklung von Industrie 4.0 gilt das Zusammenspiel der Elemente Big Data, Cloud Computing und autonome Sensorik-Aktoren-Systeme, wie in Abb. 2 dargestellt. Diese Elemente sind in betriebliche Anwendungssysteme wie Product Life Cycle oder Management Informationssystem (MIS) zu integrieren (Sivard et al., 2014). Die bei der autonomen Steuerung an-fallenden Daten müssen jederzeit von autorisierten Systemen abgelegt und abgerufen werden können. Andere Elemente im System können die hinterlegten Daten für neue Aufgaben ana-lysieren und aufbereiten. Der Zugriff auf diese Daten und neu-erliche Berechnungen ist nicht auf das gerade produzierende

Abb. 1: Industrie 4.0 und die „Smart Factory“ als Kernstück des Internets der Dinge und der Dienste (nach Kagermann et al., 2013)Fig. 1: Industry 4.0 and „Smart Factory“ as core part of the Internet of Things and Services (according to Kagermann et al., 2013)

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Unternehmen beschränkt, sondern kann global gesteuert wer-den. Für ein Unternehmen steht so Rechenleistung anderer Anbieter bei Bedarf zur Verfügung. Intelligente Aktoren re-agieren angepasst auf aktuelle Umweltbedingungen und diese benötigen wiederum Zugriff auf Datenspeicher und Rechen-kapazität zur Analyse der Produktion und eigener Aktivitäten.

Industrie 4.0 in der Holzwirtschaft

In einem Produktionsprozess im engeren Sinne wird in einem Betrieb durch eine standardisierte Be- und Verarbeitung von Rohstoffen oder Zwischenprodukten in mehreren Prozess-schritten ein verwertbares Produkt hervorgebracht (Erlach, 2010). Die Verarbeitung des Rohstoffes Holz zu Werkstoffen, Halbzeugen und Produkten ist durch verschiedene sequenti-elle Produktionsschritte der diskreten Fertigung, wie Trennen, Sortieren, Fügen, Formen, Bohren, Beschichten usw., gekenn-zeichnet, die jeweils auf eine spezifische Produktanforderung bzw. auf ein Produktdesign ausgerichtet sind. Aufgrund der vielen Ausgangsstoffe (unterschiedliche Holzarten und Sor-tierklassen, verschiedene Holzwerkstoffe usw.) sowie der Fremdteile (z. B. Beschläge, Verbindungselemente, Glas etc.) und Ausführungsvarianten ist der Produktionsprozess bis zum Endprodukt bei vielen Holzprodukten in der Regel sehr kom-plex.Im Bereich der Möbelherstellung sind entsprechende Ansätze einer vernetzten Produktion (Abb. 3) dokumentiert. Nach Flik (in Molinskiy und Graffé, 2014) wird über diese Vernetzung von Mechanik, Elektronik und Daten eine kundenindividuelle Fertigung in kleinsten Losgrößen möglich und damit kann der Industriebetrieb „handwerklicher“ und der Handwerksbetrieb industrieller und somit produktiver arbeiten. Damit werden

die Charakteristika von Industrie 4.0, nämlich die horizon-tale Integration über Wertschöpfungsnetzwerke, die digitale Durchgängigkeit des Engineerings über die gesamte Wert-schöpfungskette und die vertikale Integration verwirklicht (acatech, 2013).Kortüm et al. (2014a) werfen mit Hinblick auf den Nutzen für die Holzbranche einen kritischen Blick auf die Aktivitäten rund um Industrie 4.0 und zeigen dazu in Kortüm et al. (2014b) ein konkretes Beispiel am Ergebnis eines Forschungsprojektes, wie Teilbereiche von Industrie 4.0 in der Holzwirtschaft umgesetzt werden können. Grundsätzlich bestehen jedoch zwischen der Holz- und Möbelindustrie und der Automobilindustrie mit de-ren Zulieferketten, die im Fokus von Industrie 4.0 stehen, gro ße Unterschiede, sodass eher davon auszugehen ist, dass sich die Produktion im Bereich der Holz- und Möbelindustrie evolutio-när in Richtung dezentral vernetzter Ansätze zur Produktions-optimierung mit modernen IT-Lösungen und Web-Technologi-en entwickeln wird. Mit Hilfe von „Augmented Reality“ lassen sich beispielsweise Arbeitsprozesse in der Montage oder In-standhaltung unterstützen, ebenso wie Werkzeugaufbereitung, Werkzeugmonitoring und Standzeitprognose.Die Möbelproduktion mit einer hohen Vielfalt an Varianten (Korpusgrößen und Ausführungen, Oberflächenvarianten auf Möbelfronten etc.) ist im Hinblick auf die Komplexität der Produktion wohl geeignet, Industrie-4.0-Ansätze umzu-setzen (Anonymus, 2014b), aber auch die Fensterproduktion, der Treppenbau oder die Fertighausproduktion sind aufgrund ihrer komplexen Fertigungsstrukturen und ihrer Varianten-vielfalt mit Anspruch auf Individualisierung durchaus mög-liche Zielgruppen für weitere Vernetzungen. Möglicherweise ließen sich auch Ansätze der kundenindividuellen Fertigung von Parkettböden auf Basis von kundenspezifischen Sortier-

Abb. 2: Zusammenwirken von Basisbausteinen Cyber-physika-lischer Systeme und ihre Integration in betriebliche Anwen-dungssystemeFig. 2: Interaction of the main buildings blocks of cyber-physical systems and their integration into the production management

Abb. 3: Vernetzte Produktion realisiert durch die Fa. HOMAG (nach Flik, 2013)Fig. 3: Networked production realized by HOMAG company (according to Flik, 2013)

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mustern, wie sie beispielsweise als Ansatz von kundenindi-vidueller Massenproduktion in der Parkettmanufaktur von Häuslmayer et al. (2006) angedacht und simuliert wurde, in einer Smart Factory gut umsetzen.Es stellt sich zudem die Frage, inwieweit bestimmte Lieferket-ten, beispielsweise vom Sägewerk zum Holzbauprodukt oder der komplette Objektbau, im Sinne von Industrie 4.0 vernetz-bar sind und vor allem, welche Produktivitätspotenziale da-mit gehoben werden können. Durch das internal Scanning von Rundholz vor dem Sägeeinschnitt und eine darauf basierende Einschnittplanung kann der Materialfluss und vor allem die Sortierung von Schnittholz neu gestaltet werden (Teischinger, 2001). Eine stammbezogene Rückverfolgbarkeit der Schnitt-ware brächte zumindest eine genauere bzw. einfachere Liefe-rantenbewertung als bisher möglich. Durch die Nutzung der gescannten Produktdaten werden sich aus der Kombination von virtuel lem und realen Schnittholzlager neue Aspekte bei der Planung der Produktion ergeben, die im Stande sind, ge-nau jene Qualitäten zu produzieren, die aktuell nachgefragt werden.Es stehen aber auch neue Möglichkeiten einer effizienteren Fertigung von Engineered Wood Products im Sinne von Ma-terialhybriden aus verschiedenen Holzarten (z. B. Nadelholz und Laubholz) unter Einbeziehung von speziellen Holzwerk-stoffen offen. Eine genaue Dokumentation über Trocknungs-daten (wann wurde was unter welchen Bedingungen verklebt usw.) brächte die notwendige Sicherheit im Hinblick auf die Produktionsüberwachung und das Qualitätsmanagement. Bis zur sich selbst organisierenden Smart Factory ist es aber sicher noch ein weiter Weg.Interessante Möglichkeiten einer firmenübergreifenden Ko-operation ergeben sich bei der Vernetzung mehrerer hoch spezialisierter Gewerbebetriebe für bestimmte Fertigungen (z. B. Fenster/Türen, Möbel, Treppen etc.) und Kooperationen zwischen kleineren Zulieferbetrieben und der Industrie, wie beispielsweise im Bereich der Fertighausindustrie oder der Althaussanierung, Gebäudeumbauten und Ausbauten etc. In einem Forschungsprojekt in der Schweiz (NFP 66, 2015) wird eine robotergestützte Assemblierung komplexer und materi-aleffizienter Holztragwerke untersucht und so die Grundlage einer computerunterstützten und effizienten mechanischen Zusammensetzung von Einzelbauteilen an der Baustelle ge-schaffen (Abb. 4).Ansätze von Vernetzungen unter Einbeziehung moderner In-formationstechnologien und computergesteuerter Produkti-onssysteme sind bei Teischinger (2012) als Chance für Klein- und Mittelbetriebe beschrieben. In entsprechend adaptierter Form könnte Industrie 4.0 somit auch für die gewerbliche Produktion eine Chance für die Produktion von morgen sein.

Literatur

acatech (2013) Deutschlands Zukunft als Produktionsstandort sichern – Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Indus-trie 4.0. Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0

Anonymus (2014a) Die total vernetzte Fabrik. In: Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG) (Hrsg.) Forschung

Abb. 4: Roboterunterstütztes Zusammensetzen von Holzstä-ben zu komplexen Tragstrukturen (Projekt NFP 66, ETH Zürich und FH Biel)Fig. 4: Robot supported assembly of wooden components to complex timber structures (Project NFP 66, ETH Zürich and FH Biel)

– Jubiläumsmagazin zehn Jahre FFG. Die Presse Verlags- Gesell-schaft mbH & Co. KG, Wien (Red.), S. 28-31

Anonymus (2014b) Die Zelle managt sich selber. DDS das maga-zin für möbel und ausbau (5): 58-59

Bauernhansl T, ten Hompel M, Vogel-Heuser B (Hrsg.) (2014) In-dustrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik. Springer Fachmedien, Wiesbaden, E-Book-ISBN 978-3-658-04682-8

Buck C (2014) Wie werden wir morgen produzieren? Technology Review Special – Die neue digitale Revolution – 50 Antworten auf die wichtigsten Fragen. S. 58-60

Erlach K (2010) Wertstromdesign – Der Weg zur schlanken Fabrik. 2. Auflage, Springer, Deutsche Akademie der Technik-wissenschaften, In: acatech (2013) Deutschlands Zukunft als Produktionsstandort sichern – Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0. Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0

Flik M (2013) Vernetzte Produktion realisiert durch HOMAG Group. In: Tagungsband Die WELT-Konferenz Industrie 4.0, Ber-lin (http://www.welt-industrie-4-0.rubach-konferenzen.de/, Zugriff 03.01.2015)

Häuslmayer H, Gronalt M, Teischinger A (2006) Mass Customi-zation in the Wood-Working Industry: Simulation based Research of New Production Concepts. In: Blecker T, Friedrich G, Hvam L, Edwards K (eds) Customer Interaction and Customer Integration Series on Business Informatics and Application Systems – Vol. 2. pp 183-198, GITO mbH – Verlag für Industrielle Informations-technik und Organisation, Berlin, ISBN 3-936771-73-1

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holztechnologie 56 (2015) 3© IHD, Dresden

Zeit als Assistent und Dozent der Universität Wien arbeitete er an Konzepten der Produktionsplanung und -steuerung in der Elektro-nikmontage. Seit 2002 ist er Professor für Betriebswirtschaftslehre der Holzwirtschaft an der Universität für Bodenkultur Wien, Ins-titut für Produktionswirtschaft und Logistik, Feistmantelstraße 4, A-1180 Wien, Österreich. Aktuelle Arbeiten beschäftigen sich u. a. mit computergestützter Layout-Planung und Advanced Planning in der [email protected]

Prof. Dipl.-Ing. Dr. Alfred Teischinger, Jahrgang 1954, studierte Holzwirtschaft an der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien, war anschließend Professor für Holztechnologie und Leiter der Ver-suchsanstalt für Holzindustrie an der HTBL u. VA Mödling. Er ist heute Universitätsprofessor für Technologie des Holzes am Insti-tut für Holztechnologie und Nachwachsende Rohstoffe und Leiter des Departments für Materialwissenschaften und Prozesstechnik. Gleichzeitig ist Teischinger wissenschaftlicher Leiter der Kompe-tenzzentrum Holz GmbH (Wood K plus). Seine aktuellen Arbeiten liegen u. a. im Bereich von Technologiekonzepten.

Heng S (2014) Industrie 4.0 – Upgrade des Industriestandortes Deutschland steht bevor. Deutsche Bank AG, Deutsche Bank Re-search, Aktuelle Themen, 04.02.2014, Frankfurt am Main

Kagermann H, Wahlster W, Helbig J (Hrsg.) (2013) Deutschlands Zukunft als Produktionsstandort sichern – Umsetzungsempfehlun-gen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0. Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0, acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften e. V.

Kortüm C, Riegel A, Hinrichsen S (2014a) Industrie 4.0 – Potenti-ale in der Holz- und Möbelindustrie – Teil 1. HOB Die Holzbear-beitung 61 (4): 29-33

Kortüm C, Riegel A, Hinrichsen S (2014b) Industrie 4.0 – IT-Inte-gration in verketteten Prozessketten in der Holz- und Möbelindus-trie – Teil 2. HOB Die Holzbearbeitung 61 (5): 77-80

Molinskiy G, Graffé H (Red.) (2014) Handwerkliche Revolution? dds das magazin für möbel und ausbau (4): 86-87

NFP 66 (2015) http://www.nfp66.ch/D/projekte/holz-als-material-fuer_tragwerke-und-gebaeude/roboter-assemblierung-holztrag-werke/Seiten/default.aspx, Zugriff am 22.01.15

Sivard G, Shariatzadeh N, Lindberg L (2014) Engineering Innova-tion Factory. Procedia CIRP 25: 414–419

Teischinger A (2001) Rohstoffeigenschaften und Produktqualität – Neue Konzepte zu einer besseren Ausnutzung des Rohstoffes Holz. In: Moser A (Hrsg) Beiträge zur Österreichischen Forstta-gung 2001. Universität für Bodenkultur Wien, 04.-07.07.2001, S. 173-176

Teischinger A (2012) Small and medium sized wood businesses – Opportunities and challenges for a sustainable regional develop-ment. In: Neményi M, Heil B (eds) The impact of urbanization, industrial, agricultural and forest technologies on the natural en-vironment. pp 343-358, Nyugat-magyarországi Egyetem, Sopron, ISBN: 978-963-19-7352-5

Autoren

Prof. Dr. Manfred Gronalt studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Graz und promovierte an der Wirtschaftsuniver-sität Wien im Bereich Produktionsmanagement. Während seiner

ABSTRACT

Industry 4.0 – Future of wood manufacturing – State of the

art and perspective for the wood industries

Part 1

Industry 4.0 is the vision of tomorrow's manufacturing where in intelligent factories, machines, raw materials, and products are con-nected by Cyber-Physical-Systems and communicate within an “In-ternet of things" and cooperatively drive production. Products find their way independently through the production process which ena-bles a highly flexible, individualized and resource-friendly mass pro-duction. Based on the general state of the art of industry 4.0, which is strongly related to the automotive industries and their supply chains, some perspectives of such intelligent manufacturing systems for the wood industries are reviewed and discussed in the current paper. Part 2 will introduce some more specific potential applications in the wood industry, where complex manufacturing steps are self-organized to a flexible and efficient production system.

Keywords: Industry 4.0, smart factory, wood manufacturing