4
14 BUSINE $LOGI SIC MÄRZ/APRIL 2016 1 14 1 14 14 1 14 4 4 1 14 14 14 4 1 14 1 1 1 1 14 4 4 4 14 1 1 14 4 14 4 14 14 4 1 1 1 1 1 1 14 14 4 4 4 4 14 4 14 1 1 1 1 14 1 1 1 1 1 1 14 4 4 14 1 1 1 1 4 1 1 1 1 1 14 1 1 1 1 1 1 1 1 14 1 14 1 1 4 4 1 4 1 4 1 4 1 14 1 1 1 1 1 14 4 4 1 1 4 FOTO: HENRIK GEROLD VOGEL/WWW.PIXELIO.DE D ie echtzeitfähige, intelligente Vernet- zung von Menschen, Maschinen, Objekten und IKT-Systemen zum dynamischen Management komple- xer Systeme ist Kernpunkt der Industrie 4.0. Im „Internet der Dinge“ wird das reale System (Produktion, Supply Chain etc.) vir- tuell abgebildet. Elemente können durch Vernetzung miteinander kommunizieren und selbstständig Entscheidungen treffen. Schöne neue Welt? Nicht unbedingt für den Einkauf, denn der muss seine Rolle innerhalb dieses Zukunftsszenarios erst noch finden. Wie das aussehen kann, wird derzeit innerhalb der Community intensiv diskutiert. Ein Problem, mit dem aber nicht nur der Ein- kauf zu kämpfen hat: es ist viel Theorie im Umlauf, die aber in der Praxis kaum erprobt ist. Die Einkaufsverbände in Öster- reich und Deutschland (BMÖ und BME) bemühen sich daher redlich, die Bedeutung des Einkaufs innerhalb der Industrie 4.0 zu postulieren: durch Studien, spezielle Veran- staltungsformate und Aktionen wie die BMÖ-Task Force Einkauf 4.0. Es gilt vorbe- reitet zu sein, denn die Geschwindigkeit wird rasant zunehmen und die Echtzeit- kommunikation wird komplett neue Rah- menbedingungen schaffen, in denen sich traditionell geschulte Menschen erst zurechtfinden müssen. Herausforderung. Wie lassen sich äußerst heterogene Gegenwartsstrukturen fließend an Zukunftsanforderungen anpassen, damit das eigene Unternehmen mit Partnern innerhalb der vierten industriellen Revolu- tion wettbewerbsfähig zu agieren vermag? Der Weg ist steinig, denn das Silodenken in Unternehmen beim Einsatz von IT-Syste- men führt abteilungsübergreifend zu Irrita- tionen und behindert schnellen Fortschritt. Dabei stehen sich Strategien für unter- schiedliche Wertschöpfungsstufen diamet- ral gegenüber. Die Situation. So haben Großunterneh- men wie die Deutsche Lufthansa heute mit- unter rund 40 unterschiedliche EDV-Sys- teme im Einsatz (Airline-Chef Carsten Spohr in einer Mitarbeiterversammlung) – mit allen erdenklichen Reibungspunkten an diversen Schnittstellen. Die Frage im fikti- ven „Schauspiel Industrie 4.0“ ist daher nicht nur, wer welche Hauptrollen über- nimmt, sondern ob Regisseure in der Lage sein werden, die teilweise wirren IT-(Hand- lungs-)Strukturen der Unternehmen im Sinne aller beteiligter Akteure zeitnah zu harmonisieren. IT gibt Takt an, Einkauf folgt Angesichts einer nicht unerheblichen Anzahl Einkäufer, die bis vor kurzem noch Scanner, Faxgerät und Excel-Listen als „Haupttools“ eingesetzt haben, ist es nicht verwunderlich, dass die IT-Abteilung vehe- ment auf ihr Hoheitsgebiet pocht – die Aus- wahl unternehmensweiter Systeme; der Einkauf wird in der Regel nicht nach seinen Aufgaben, Bedürfnissen und benötigten Funktionalitäten gefragt. Vorrang haben traditionell die Belange von Produktion, Finanzen und Controlling. Weit verbreitete Denke: Ein Meta-System (meist SAP) für alle im Unternehmen bringt’s, und schließ- lich bietet es ja auch Bausteine für den Ein- kauf. Spätere Probleme der internen Bedarfsträger, etwa bei der Bestellung von Dienstleistungen, werden somit billigend in Kauf genommen, ebenso wie die Tatsache, dass insbesondere bei Großen so manches Feature einer arg komplexen Unterneh- menssoftware ungenutzt bleibt, weil es von Mitarbeitern im Alltag als untauglich emp- funden wird. Ein eigenes Einkaufssystem gilt vielerorts als Blinddarm, der sich – bit- teschön – reibungslos an die SAP-Land- schaft anzuflanschen hat. „Es fehlt eine übergreifende intelligente IT-Strategie, die alle Abteilungen und Know-how-Träger bei Auswahl, Nutzen und zukünftigen Anforde- Hype, Prophezeiungen, Visionen: Das Thema Industrie 4.0 wabert einer riesigen Cloud gleich über allen Branchen. Der Einkauf reklamiert sein Mitspracherecht für die Lieferketten der Zukunft. Gefordert sind handfeste Argumente und eine laute Stimme, denn es ist nicht einfach, wenn man sich der IT-Abteilung unter- zuordnen hat. EIN BEITRAG VON SABINE URSEL* EINKAUF 4.0 System-Wirrwarr behindert smarte Prozesse Industrie 4.0-Wirrwarr: Viel Theorie, wenig Praxis und viele Meinungen. 2014 wurde am Karlsruher Institut für Tech- nologie (KIT) das „Industrie 4.0 Collaboration Lab“ im LESC (Lifecycle Engineering Solutions Center) eröffnet. Unter dem Motto „Mittel- stand trifft Forschung“ gehen Partner aus Wirtschaft und Forschung Projekte gemein- sam an. Ziel ist, mittelständige Unternehmen bei der Umstellung auf Industrie 4.0 zu befä- higen. Eine integrierte Software- und Hard- wareumgebung ermöglicht es, den Lebenszy- klusgedanken in der Produktentwicklung kon- kret umzusetzen. https://www.imi.kit.edu/2754.php Industrie 4.0 Collaboration Lab

Industrie 4.0-Wirrwarr: und viele Meinungen. System ... › downloads › Presse › Presse_2016 › Business... · zung von Menschen, Maschinen, Objekten und IKT-Systemen zum dynamischen

  • Upload
    others

  • View
    5

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Industrie 4.0-Wirrwarr: und viele Meinungen. System ... › downloads › Presse › Presse_2016 › Business... · zung von Menschen, Maschinen, Objekten und IKT-Systemen zum dynamischen

14

BUSINE$+LOGISICMÄRZ/APRIL 2016

14141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414141414

FOTO: HENRIK GEROLD VOGEL/WWW.PIXELIO.DE

Die echtzeitfähige, intelligente Vernet-zung von Menschen, Maschinen, Objekten und IKT-Systemen zum dynamischen Management komple-

xer Systeme ist Kernpunkt der Industrie 4.0. Im „Internet der Dinge“ wird das reale System (Produktion, Supply Chain etc.) vir-tuell abgebildet. Elemente können durch Vernetzung miteinander kommunizieren und selbstständig Entscheidungen tre,en.

Schöne neue Welt?

Nicht unbedingt für den Einkauf, denn der muss seine Rolle innerhalb dieses Zukunftsszenarios erst noch finden. Wie das aussehen kann, wird derzeit innerhalb der Community intensiv diskutiert. Ein Problem, mit dem aber nicht nur der Ein-kauf zu kämpfen hat: es ist viel Theorie im Umlauf, die aber in der Praxis kaum erprobt ist. Die Einkaufsverbände in Öster-reich und Deutschland (BMÖ und BME) bemühen sich daher redlich, die Bedeutung des Einkaufs innerhalb der Industrie 4.0 zu postulieren: durch Studien, spezielle Veran-staltungsformate und Aktionen wie die BMÖ-Task Force Einkauf 4.0. Es gilt vorbe-reitet zu sein, denn die Geschwindigkeit wird rasant zunehmen und die Echtzeit-kommunikation wird komplett neue Rah-menbedingungen scha,en, in denen sich traditionell geschulte Menschen erst zurechtfinden müssen.

Herausforderung. Wie lassen sich äußerst heterogene Gegenwartsstrukturen fließend an Zukunftsanforderungen anpassen, damit das eigene Unternehmen mit Partnern

innerhalb der vierten industriellen Revolu-tion wettbewerbsfähig zu agieren vermag? Der Weg ist steinig, denn das Silodenken in Unternehmen beim Einsatz von IT-Syste-men führt abteilungsübergreifend zu Irrita-tionen und behindert schnellen Fortschritt. Dabei stehen sich Strategien für unter-schiedliche Wertschöpfungsstufen diamet-ral gegenüber.

Die Situation. So haben Großunterneh-men wie die Deutsche Lufthansa heute mit-unter rund 40 unterschiedliche EDV-Sys-teme im Einsatz (Airline-Chef Carsten Spohr in einer Mitarbeiterversammlung) – mit allen erdenklichen Reibungspunkten an diversen Schnittstellen. Die Frage im fikti-ven „Schauspiel Industrie 4.0“ ist daher

nicht nur, wer welche Hauptrollen über-nimmt, sondern ob Regisseure in der Lage sein werden, die teilweise wirren IT-(Hand-lungs-)Strukturen der Unternehmen im Sinne aller beteiligter Akteure zeitnah zu harmonisieren.

IT gibt Takt an, Einkauf folgt

Angesichts einer nicht unerheblichen Anzahl Einkäufer, die bis vor kurzem noch Scanner, Faxgerät und Excel-Listen als „Haupttools“ eingesetzt haben, ist es nicht verwunderlich, dass die IT-Abteilung vehe-ment auf ihr Hoheitsgebiet pocht – die Aus-wahl unternehmensweiter Systeme; der Einkauf wird in der Regel nicht nach seinen Aufgaben, Bedürfnissen und benötigten Funktionalitäten gefragt. Vorrang haben traditionell die Belange von Produktion, Finanzen und Controlling. Weit verbreitete Denke: Ein Meta-System (meist SAP) für alle im Unternehmen bringt’s, und schließ-lich bietet es ja auch Bausteine für den Ein-kauf. Spätere Probleme der internen Bedarfsträger, etwa bei der Bestellung von Dienstleistungen, werden somit billigend in Kauf genommen, ebenso wie die Tatsache, dass insbesondere bei Großen so manches Feature einer arg komplexen Unterneh-menssoftware ungenutzt bleibt, weil es von Mitarbeitern im Alltag als untauglich emp-funden wird. Ein eigenes Einkaufssystem gilt vielerorts als Blinddarm, der sich – bit-teschön – reibungslos an die SAP-Land-schaft anzuflanschen hat. „Es fehlt eine übergreifende intelligente IT-Strategie, die alle Abteilungen und Know-how-Träger bei Auswahl, Nutzen und zukünftigen Anforde-

Hype, Prophezeiungen, Visionen: Das Thema Industrie 4.0 wabert einer riesigen Cloud gleich über allen Branchen. Der Einkauf reklamiert sein Mitspracherecht für die Lieferketten der Zukunft. Gefordert sind handfeste Argumente und eine laute Stimme, denn es ist nicht einfach, wenn man sich der IT-Abteilung unter-zuordnen hat. EIN BEITRAG VON SABINE URSEL*

■ EINKAUF 4.0

System-Wirrwarr behindert smarte Prozesse

Industrie 4.0-Wirrwarr: Viel Theorie, wenig Praxis und viele Meinungen.

2014 wurde am Karlsruher Institut für Tech-nologie (KIT) das „Industrie 4.0 Collaboration Lab“ im LESC (Lifecycle Engineering Solutions Center) eröffnet. Unter dem Motto „Mittel-stand trifft Forschung“ gehen Partner aus Wirtschaft und Forschung Projekte gemein-sam an. Ziel ist, mittelständige Unternehmen bei der Umstellung auf Industrie 4.0 zu befä-higen. Eine integrierte Software- und Hard-wareumgebung ermöglicht es, den Lebenszy-klusgedanken in der Produktentwicklung kon-kret umzusetzen. https://www.imi.kit.edu/2754.php

Industrie 4.0 Collaboration Lab

Page 2: Industrie 4.0-Wirrwarr: und viele Meinungen. System ... › downloads › Presse › Presse_2016 › Business... · zung von Menschen, Maschinen, Objekten und IKT-Systemen zum dynamischen

15

BUSINE$+LOGISIC MÄRZ/APRIL 2016

FOTO: AMC

EINKAUF+BUSINE$

rungen einbezieht und rei-bungslos korrespondierende Bausteine identifiziert“, sagt Joachim von Lüninck, Mana-ging Partner der auf Einkauf und Supply Chain spezialisier-ten Unternehmensberatung AMC Group (Niederkassel/Bonn). Auch Florian Winter-stein, Vorstand des internatio-nalen Systemanbieters BravoSo-lution, verweist auf den Zeitfaktor: „Diejenigen CPOs und Einkaufsabteilungen, die das Potenzial in den nächsten zwei Jahren abgreifen, scha,en in Zeiten immer wichtigerer Time-to-Market einen erhebli-chen Wettbewerbsvorteil für ihre Unternehmen und damit den erfolgreichen Start zu Ein-kauf 4.0.“ Digitalisierung im Einkauf bringe nicht nur dis-ruptive Chancen, sondern auch „lower hanging fruits“ durch fachliche Ausprägung und zeit-nahen, praxisorientierten Ein-satz neuer Informationsquellen und Technologien.

Einkaufssysteme und Gegenwartsprobleme

Die Hausaufgaben, vor denen der Einkauf tagtäglich steht, haben oftmals mit Zukunft wenig zu tun. „Viele Unternehmen implementieren Einkaufssysteme, die an der Jetztzeit ausgerichtet sind; das Thema Zukunft steht nicht im

Scope“, so die Erfahrung von Lünincks. Derzeit beschäftigen sich viele Einkaufsabteilungen mit der technischen Realisie-rung des Verfahrens Procu-re-to-Pay (Bestellung, Ausliefe-rung, Zahlungseingang und Mahnwesen innerhalb der Debitoren-/Kreditorenbuchhal-tung) – das ist State-of-the-Art, mehr nicht. Weil strategische, taktische und operative Aufga-ben laut von Lüninck in Zukunft noch schlanker werden müssten, gehöre das Thema Prozesse eigentlich auf jede Einkaufsagenda. Nur wenige Entscheider realisierten aber die Notwendigkeit, IT-Prozesse unternehmensweit zu durch-denken und zukünftig zu har-monisierende Anforderungen aller Abteilungen zu antizipie-ren – eigentlich die Vorausset-zung, um in das Thema Indust-rie 4.0 zeitnah, gezielt und professionell einzusteigen.

Schnittstelle Buchhaltung. „Im Bereich der A-Produkte sind viele Einkaufsabteilungen recht gut aufgestellt“, sagt Joachim von Lüninck. Bestellungen, Bestätigungen, Wareneingänge, Rechnungen und mit Abstri-chen Gutschriftsverfahren lie-fen insbesondere bei bestands-geführtem Material via SAP reibungslos. Auch Kataloge und Webshops seien gut eingeführt.

Probleme gäbe es hingegen oft an der Schnittstelle zur Buch-haltung, wenn diese das Thema Bezahlen außerhalb des Ein-kaufssystems abwickelt. Accounts Payable (Lieferanten-verbindlichkeiten) seien nicht immer eindeutig zuzuordnen, oft fehlten notwendige Einträge der Bedarfsträger, die sich über ihre to dos bis zum Punkt „Bezahlung“ nicht im Klaren seien. Auch bei der Abwicklung indirekter Materialien und B-Teile täten sich viele Fragen auf, und insbesondere das Vor-gehen bei Dienstleistungen sei vielfach nicht geregelt.

Welche Systeme – welche Leistungen

Die Verantwortlichen könn-ten oft wichtige Fragen nicht beantworten, hat von Lüninck festgestellt. Was wollen wir erreichen und wie scha,en wir, dass alle Bedarfsträger, nicht nur der Einkauf, unser System verstehen und im Alltag kom-plikationslos annehmen? Nicht alles, was vom technischen Dienstleister als „amazon-like“

angekündigt werde, komme dann nach der Implementie-rung auch so „easy“ daher… Es fehle an Überblick, welche Sys-teme welche Leistungen abbil-den. Hinzu kommt: Je mehr Features ein System abdecken soll, desto weniger Anbieter ste-hen zur Auswahl.“ Die Komple-xität eingesetzter Tools sei teil-weise „hanebüchen“ und mithin der Nutzungsgrad. Von Lünin-cks Rat: „Einkaufsverantwortli-che sollten sich mehr in Diskus-sion über Systeme einmischen, schließlich müssen sie damit arbeiten. Und sie stehen in der Verantwortung, weiteren Bedarfsträgern eine komforta-ble, smarte Lösung an die Hand zu geben, die auch in Zukunft stringentes, strategiekonformes Handeln erlaubt.“

Industrie 4.0 und Einkauf

Was im Einkauf vielerorts fehlt, sind technische Basislö-sungen für SCM 4.0; wenige bieten technische Ausstattung und das Rüstzeug für weiterge-hende Entwicklungen im Bereich Industrie 4.0 und Ein-

ORDNUNG

IST DAS GANZE

LEBEN

UNSERE PRODUKTPALETTE

RegaleEinrichtungssystemeLager- und TransportbehälterFördertechnik Automatische LagersystemeGesamtlogistiksysteme

HLF Heiss Ges.m.b.H.Viktor Kaplan Allee 1A-7023 Pöttelsdorf+43 (0) 2626 / [email protected]

IHR SPEZIALIST FÜR LAGER- UND

FÖRDERTECHNIK

Kontaktieren Sie uns unter [email protected] oder 02626 / 5870Wir beraten Sie gerne!

„ WICHTIG IST FÜR EINKÄUFER IN DIE-SEM ZUSAMMENHANG, IM SINNE VON SUPPLY CHAIN MANAGEMENT ÜBER WERTSCHÖPFUNGSKETTEN HINWEG ZU DENKEN“ Joachim von Lüninck, Gerschäftsführer AMC

Page 3: Industrie 4.0-Wirrwarr: und viele Meinungen. System ... › downloads › Presse › Presse_2016 › Business... · zung von Menschen, Maschinen, Objekten und IKT-Systemen zum dynamischen

16

BUSINE$+LOGISICMÄRZ/APRIL 2016

FOTO: KIT

kauf 4.0“, sagt Prof. Dr. Ronald Bogaschew-sky von der Universität Würzburg. Dabei erho,en sich die Einkäufer unisono eine Erhöhung der Produktivität und E:zienz ihrer Produktionssysteme durch den Ein-satz von Instrumenten aus der Industrie 4.0-Welt, wie die jährliche Studie von Uni-versität Würzburg und HTWK Leipzig mit den Partnerverbänden BME und BMÖ ergeben hat (März 2016). Thema: „Indust-rie 4.0: Wie verändern sich die IT-Systeme in Einkauf und SCM?“ (Mehr hierzu: https://shop.bme.de/products/elektroni-sche-bescha,ung-2016)

Unklare Vorstellungen. „In der Breite wis-sen die Unternehmen bisher nicht, wie sie aus der Industrie 4.0 Profit generieren und welche Lösungen sie entwickeln sollen, auch wenn es einige Best-Practice-Unter-nehmen gibt“, sagt Bogaschewsky. In Bezug auf die E-Supply Chain hat die Studie erge-ben: Die erwarteten Veränderungen bewer-ten 18 Prozent der Befragten aus Deutsch-land und Österreich als sehr hoch, 47 Prozent als hoch – 57,4 Prozent sehen diese in drei bis fünf Jahren, 29,7 Prozent später. Starke Veränderungen erwartet man vor allem im verstärkten IT-Einsatz, im Auto-matisierungsbereich und in der Verbesse-

rung der Transparenz und Kontrolle. Eine Schwächung der Rollen von Einkauf und SCM wird nicht erwartet.

Strategie und Einbindung des Einkaufs. 47,8 Prozent der Unternehmen verfügen laut Studie über keine Industrie 4.0-Strategie, 38,1 Prozent haben allenfalls eine grobe Vorstellung und lediglich 9 Prozent eine konkretisierte Strategie. 5,2 Prozent mei-nen, eine sehr konkrete Strategie entwi-ckelt zu haben. KMU liegen mit 54,9 Pro-zent ohne Strategie deutlich hinter den Großen (32,6 Prozent). Die Funktion Ein-kauf/SCM ist zu 45,2 Prozent nicht an der Entwicklung der Industrie 4.0-Strategie beteiligt; 8,1 Prozent werden nicht infor-miert. 25,8 Prozent partizipieren als gleich-berechtigter und 12,9 Prozent als nachge-ordneter Partner. Die Verantwortung für das Thema Industrie 4.0 im Bereich Ein-kauf/SCM liegt primär auf der obersten Leitungsebene (41,2 Prozent), wobei 29,4 Prozent der Unternehmen eine Stabsstelle oder ein Projektteam einsetzen. Bei 17,6 Prozent ist niemand primär zuständig.

Industrie 4.0-Applikationen. Bei der Frage nach der Einbindung Industrie 4.0-bezoge-ner Lösungen in die bestehende IT-System-

landschaft sticht die Verknüpfung mit E-Ausschreibungstools (55 Prozent aktuell; 25 Prozent zukünftig) heraus. Zwar liegt der Zwang zur IT-Systemintegration insge-samt mit 91,6 Prozent und zur Verknüpfung mit SRM-Tools mit 89,5 Prozent summa-risch vorne, jedoch hat hier die langfristige (zukünftige) Sicht deutlich höhere Bedeu-tung. Probleme bei der Einführung von Industrie 4.0-Applikationen werden im Mit-tel nur in leichtem bis schwachem Maß gesehen, wobei fehlende Standards, IT-Si-cherheit, Datensicherheit und Know-how-Schutz, Folgen von Technikausfällen und mangelnde Qualifikation der Mitarbeiter am ehesten als Schwachpunkte gesehen werden. Hinsichtlich der Themen elektro-nische Unterstützung des Risikomanage-ments in der Supply Chain und Industrie 4.0 sei die Lage „mehr als ernüchternd“, so Bogaschewsky. Zudem konzentrierten sich die erwarteten Anwendungen auf mehr oder weniger evolutionäre Verbesserungen innerhalb bestehender Systeme, wohinge-gen „disruptive Innovationen“ unter Ent-wicklung neuer Geschäftsmodelle nur in Ausnahmefällen in der Vorstellungskraft der Verantwortlichen lägen.

Chance zur Positionierung

Das Thema Industrie 4.0 bietet neben allen Unwägbarkeiten zugleich die histori-sche Chance, sich mit starken Argumenten in die Zukunftsdiskussion einzubringen: „Die stärkere Einbindung des Einkaufs im Bereich von Strategieerarbeitung und -umsetzung ist für die Zukunft empfehlens-wert, die Digitalisierung der Wirtschaft kann ohne Einkauf und SCM nicht stattfin-den“, betont Prof. Dr. Ronald Bogaschewsky. Noch wird das Thema Industrie 4.0 von der Produktion getrieben, der Einkauf unter-stützt allenfalls. „Wichtig ist für Einkäufer in diesem Zusammenhang, im Sinne von Sup-ply Chain Management über Wertschöp-fungsketten hinweg zu denken“, betont AMC-Chef Joachim von Lüninck. Es gelte zugleich, den Einkauf und SCM so attraktiv zu machen, dass junge Leute aufmerksam werden und Spaß an Mitarbeit haben.

Wer bringt Gesamtkomplex „4.0“ voran?

„Gefragt sind Menschen mit der Fähigkeit des vernetzten Denkens und Handelns und mit dem Blick für das große Ganze“, so Jivka Ovtcharova, bulgarische Ingenieurwissen-schaftlerin und Professorin am Karlsruher Institut für Technologie. Der Übergang zum „Mensch im Mittelpunkt der Betrachtung“ setze allerdings eine zukunftsfähige Innno-vationskultur voraus, die ein grundlegend verändertes Verständnis der menschlichen Möglichkeiten und Bedürfnisse im Umgang mit Technologien, Arbeitssystemen und natürlichen Ressourcen, aber auch mit den Menschen selbst erfordere. Telekom-Vor-

„ GEFRAGT SIND MENSCHEN MIT DER FÄHIGKEIT DES VERNETZTEN DENKENS UND HANDELNS UND MIT DEM BLICK FÜR DAS GROSSE GANZE.“ Jivka Ovtcharova, bulgarische Ingenieurwissenschaftlerin und Professorin am Karlsruher Institut für Technologie.)

EINKAUF+BUSINE$

Page 4: Industrie 4.0-Wirrwarr: und viele Meinungen. System ... › downloads › Presse › Presse_2016 › Business... · zung von Menschen, Maschinen, Objekten und IKT-Systemen zum dynamischen

17

BUSINE$+LOGISIC MÄRZ/APRIL 2016

FOTOS: SABINE URSEL,BMÖ

EINKAUF+BUSINE$

■ GAST-KOLUMNE

„Es gibt nichts Gutes,…“Ohne Einkauf 4.0 wird es keine Industrie 4.0 geben, so die These. Doch dafür muss dem Einkauf eine strategische Position eingeräumt werden.

H. Pechek ist geschäftsführender Vorstand des BMÖ und Leiter der BMÖ-Akademie www.bmoe.at

„Sie haben mit allem Recht, was Sie uns über die strategische Bedeutung des Einkaufs, sei-nen Einfluss auf das Unternehmensergebnis und seine Hebelwirkung erzählen. Wir haben dies in unserem Unternehmen seit langem erkannt. Genau deswegen kaufen wir in der Produktion auch selbst ein“ Punktum! Genau so meldete sich vor längerer Zeit der Produktionsleiter eines sehr er-folgreichen, österreichischen, mittelständischen Unternehmens bei einer meiner Vorlesungen an der FH Wien zu Wort.

Was wir von dieser Aussage lernen

Die betriebswirtschaftliche Bedeutung des Ein-kaufs ist längst unbestritten. Es hängt nur von den Rahmenbedingungen und natürlich der Qualifikati-on der Leistungsträger ab, diese im Unternehmen auch effektiv zur Geltung zu bringen. Leider hören wir auch heute, bei allen Veranstaltungen, Semina-ren sowie Konferenzen immer noch Wortmeldun-gen, die zum Ausdruck bringen, dass dem Einkauf noch immer nicht überall jener Stellenwert einge-

räumt wird, den er für die Nutzung des gesamten Hebelpotentials und der Ausschöpfung aller Res-sourcen benötigt. Dabei ist nicht nur vordergründig Spend gemeint, sondern vor allem das gesamte Wertschöpfungs- und Innovationspotential, das in der rechtzeitigen und umfassenden Einbindung des Einkaufs in den Konstruktions- und Entwick-lungsprozess und in der richtigen Nutzung der Innovationskraft von Lieferanten liegt. Dort sind bis zu 90 Prozent der Herstellkosten begründet. Wenn uns dies in allen Unternehmen gelingt, dann haben wir jenen Reifegrad in der Wirtschaft er-reicht, den wir für die Wettbewerbsfähigkeit im globalen Umfeld dringend benötigen. So stellen wir sicher, fit für Industrie 4.0, Big Data Ökonomie und Internet of Things zu sein. Und: ohne Einkauf 4.0 wird es kein Industrie 4.0 geben. Arbeiten wir also weiter daran. „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ sagte Erich Kästner so schön.

Herzlichst

Ihr Heinz Pechek

standschef Timotheus Höttges fordert ange-sichts der rasanten Veränderungen „eine neue Generation von Managern“ und mehr Risikobereitschaft. Das Risiko des Scheiterns gehöre beim digitalen Wandel dazu, das müssten auch Aktionäre verstehen, zitiert das Wirtschafts- und IT-Magazin CIO in sei-ner Märzausgabe T. Höttges bei seinen Aus-führungen auf der Technologiemesse CeBIT in Hannover.

Erfolgsfaktor Mittelstand. „Unternehmen erho,en sich durch Industrie 4.0 neben neuen Geschäftsmodellen vereinfachte Arbeitsabläufe, einen schnelleren Aus-tausch von Informationen sowie die bessere Abstimmung von Arbeits- und Produktions-schritten“, sagt Prof. Dr. Jivka Ovtcharova. Der Begri, „Industrie 4.0“ werde oft mis-sinterpretiert und vorwiegend in Zusam-menhang mit Industrieriesen gestellt. Medien verbreiteten die Annahme, dass es sich dabei um hochkomplexe, großflächige und investitionsintensive Produktionsein-richtungen handelt. Es werde Zeit, die Umsetzung smarter Produktion aus dem Vortragsmodus in die praktische Arbeit zu überführen. In Hinblick auf KMU seien möglichst einfach umsetzbare Maßnahmen für konkrete Alltagsprobleme gefragt. Smarte Produktion müsse grei[arer wer-den und zeitnah Gestalt annehmen. Fragen:

Wann sind wir in Sachen Industrie 4.0 vollumfänglich arbeits- und handlungsfä-hig? Wie kommen wir vom Ist- auf den Soll-zustand? Wie generieren wir messbare Mehrwerte für das Tagesgeschäft? Ovtcha-rova: „Wandel ist ohne Veränderungen in jedem einzelnen Unternehmen nicht denk-bar. Der Wandel zu Industrie 4.0 findet an der Basis statt, in den Keimzellen unserer Wirtschaft – im Mittelstand.“ Zulieferer und Kunden seien dabei die wichtigsten Kooperationspartner – wobei die Vernet-zung der kleinen Unternehmen mit bis zu 100 Mitarbeitern mit externen Partnern deutlich stärker sei als die großer Unter-nehmen. Der Übergang von der heutigen IT-zentrierten Systemsicht zu einer flexib-len flächendeckenden Prozessvernetzung in unterschiedlichen Unternehmensberei-chen sollte laut Informationsmanage-ment-Expertin Ovtcharova idealerweise „schrittweise mit dem Blick auf das Ganze erfolgen, also auf Praxisrelevanz, Potenzial, Umsetzbarkeit und Mehrwert“.

Resumee. Eine große, weitgefasste und höchst verantwortungsvolle Aufgabe also, vor der Industrie 4.0-Regisseure stehen. Das Casting ist bereits angelaufen: Smarte Akteure aus Einkauf und auch aus dem Bereich Dienstleistung sollten sich umge-hend um tragende Hauptrollen im gar nicht

mehr so weit entfernten 4.0-Szenario bewerben. Das Gute: Der Ausgang des Dra-mas darf mitgestaltet werden. Ein starres Drehbuch gibt es nicht.

Sabine Ursel leitete von 2001 bis 2015 die Abteilung Kommunikation/Presse beim BME (Frankfurt/Main), seit April 2015 ist sie Jour-nalistin und Kommunikationsberaterin mit Schwerpunkt Einkauf/Vertrieb. www.sabine-ursel.de

*Zur Autorin