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2. Informations-, Kommunikations- und Entscheid ungsmodelle "Wir lassen uns am liebsten von den Argumenten iiberzeugen, die uns selbst eingefallen sind." (Blaise Pascal) "Fortschritt ist der Weg vom Primitiven iiber das Komplizierte zum Einfachen." (Laotse) Wirtschaftliches Handeln bedingt ein geeignetes Zusammenspiel von Wis- sen und Entscheidungsprozessen. Daraus resultiert die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit den Begriffen Information und Kommunikation so- wie deren Einbindung in Entscheidungsmodelle. Nach einem ersten Einstieg in die Problematik der Informationsversorgung und Entscheidungsfindung (siehe Abschnitt 1.2) soll in diesem Kapitel zunachst der Informationsbegriff naher beleuchtet und in Verbindung zu Kommunikationsmodellen gesetzt werden. Entscheidungsmodelle und Modelle des Informationsverhaltens von Individuen werden im darauffolgenden Abschnitt 2.3 genauer behandelt. Informationsbeziehungen sowie die Informationsbereitstellung und -verar- beitung sind immer im Zusammenhang mit Kosten zu sehen (siehe Abschnitt 2.4). Hier werden u.a, die Zielkonflikte, die Teil unseres ersten Modells sind, anhand von Theorien der Betriebswirtschaftslehre verdeutlicht. 2.1 Der Informationsbegriff "Information existiert nur im Zusammenwirken von einem komple- xen System mit einem stofflich-energetischen Trager. Das Ergebnis dieses Zusammenwirkens ist das vom Trager zum System Getragene. In diesem Getragenen sind folglich auch viele Eigenschaften des Sy- stems enthalten. Informationsaufnahme ist daher iiberwiegend kein passiver Vorgang. Der Trager von Informationen lost meist ein recht komplexes Geschehen im Empfangssystem aus." (Volz (1994), S. 9) Diese (lediglich auf den ersten Blick) recht komplizierte Darstellung soll aufzeigen, daB Daten, Dokumente oder Wissen nicht mit Informationen gleichzusetzen sind. Ansatze zum Begriff der Information, fiir den bereits eine erste intuitive Definition angegeben wurde , lassen sich beziiglich der fol- genden sechs Dimensionen klassifizieren; vgl. Bode (1997): S. Voß et al., Informations-management © Springe-Verlag Berlin Heidelberg New York 2001

Informationsmanagement || Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

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2. Informations-, Kommunikations- undEntscheidungsmodelle

"Wir lassen uns am liebsten von den Argumenten iiberzeugen, dieuns selbst eingefallen sind ." (Blaise Pascal)

"Fortschrit t ist der Weg vom Primitiven iiber das Komplizierte zumEinfachen." (Laotse)

Wirtschaftliches Handeln bedingt ein geeignetes Zusammenspiel von Wis­sen und Entscheidungsprozessen. Daraus resultiert die Notwendigkeit derAuseinandersetzung mit den Begriffen Information und Kommunikation so­wie deren Einbindung in Entscheidungsmodelle. Nach einem ersten Einstiegin die Problematik der Informationsversorgung und Entscheidungsfindung(siehe Abschnitt 1.2) soll in diesem Kapitel zunachst der Informationsbegriffnaher beleuchtet und in Verbindung zu Kommunikationsmodellen gesetztwerden. Entscheidungsmodelle und Modelle des Informationsverhaltens vonIndividuen werden im darauffolgenden Abschnitt 2.3 genauer behandelt.

Informationsbeziehungen sowie die Informationsbereitstellung und -verar­beitung sind immer im Zusammenhang mit Kosten zu sehen (siehe Abschnitt2.4). Hier werden u.a, die Zielkonflikte, die Teil unseres ersten Modells sind,an hand von Theorien der Betriebswirtschaftslehre verdeutlicht.

2.1 Der Informationsbegriff

"Information existiert nur im Zusammenwirken von einem komple-xen System mit einem stofflich-energetischen Trager. Das Ergebnisdieses Zusammenwirkens ist das vom Trager zum System Getragene.In diesem Getragenen sind folglich auch viele Eigenschaften des Sy­stems enthalten. Informationsaufnahme ist dah er iiberwiegend keinpassiver Vorgang . Der Trager von Informationen lost meist ein rechtkomplexes Geschehen im Empfangssystem aus." (Volz (1994), S. 9)

Diese (lediglich auf den ersten Blick) recht komplizierte Darstellung sollaufzeigen , daB Daten, Dokumente oder Wissen nicht mit Informationengleichzusetzen sind. Ansatze zum Begriff der Information, fiir den bereitseine erste intuitive Definition angegeben wurde , lassen sich beziiglich der fol­genden sechs Dimensionen klassifizieren; vgl. Bode (1997):

S. Voß et al., Informations-management© Springe-Verlag Berlin Heidelberg New York 2001

20 2. Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

• Trager: Mensch oder Medium• Neuheitsgrad: Unterscheidung eines subjektiven und eines objektiven In­

formationsbegriffs beziiglich des Wissensstands des Empfangers• Wahrheitsgehalt: Unterscheidung eines wahrheitsabhangigen und eines

wahrheitsunabhangigen Ansatzes• Zeitbezug: prozessuraler Ansatz (Information als ProzeB des Informierens)

oder statischer Ansatz (Information als Zustandsgrofie, die nur Vorausset­zung und Ergebnis des Informierens betrachtet)

• Semiotik: Informationen als reine Zeichenreihen (Syntaktik) , zur Abbil­dung von Teilen der Welt (Semantik) oder zur Vorbereitung von Entschei­dungen (Pragmatik)

• Reprasentation: numerisch, linguistisch (Texte), universell (unter Ein­schluB von Bildern und Klangen)

In der Literatur finden sich unterschiedliche Definitionsansatze fiir In­formationen, von denen einige in den folgenden Unterabschnitten bespro­chen werden. Aus der klassischen Informationstheorie kann dariiber hinausein weiterer Informationsbegriff abgeleitet werden, auf den im Kontext vonKommunikationsmodellen im Kap. 2.2 einzugehen sein wird. Die fiir den wei­teren Verlauf dieses Buches giiltige Definition von Information findet sich imAbschnitt 2.1.3.

2.1.1 Das Informationsmodell der klassischen okonomischenTheorie

Entscheidungshintergrund in der klassischen okonomischen Theorie ist einereibungs lose Koordination zwischen Wirtschaftssubjekten und eine optimaleAllokation von Ressourcen aufgrund der folgenden Pramissen.!

• Vollstandige Information iiber Gegenwart und Zukunft• Fehlende Praferenzen der Entscheider• Unendlich hohe Reaktionsgeschwindigkeiten• Vollstandig rationales Verhalten der Entscheider• Vernachlassigung von Transaktionen und damit verbundener Kosten

Diese Pramissen sind in der Realitat allerdings nicht erfiillt. Das fiir dasrationale Verhalten erforderliche vollstandige Wissen (vollstandige Informa­tionsverteilung) , z.B. iiber alle Handlungsalternativen eines Entscheidungs­problems, ist Ld.R. nicht gegeben. Die Informationsbeschaffung als Problemder Entscheidungsfindung ist in der klassischen Entscheidungstheorie nichtabgebildet . Hayek hat bereits 1945 herausgestellt, daB das Grundproblem

1 Vgl. zu Ansatzen der klassischen okonomischen Theorie z.B. Cezanne (1993). Inder Volkswirtschaftslehre werden hauptsiichlich die Ressourcen (Produktionsfak­toren) Arbeit, Kapital (Geld- und Sachkapital) und technisches Wissen unter­schieden. Wissen wird hier als die Fiihigkeit verstanden, die iibrigen Faktorenmoglichst giinstig zu kombinieren (vgl. Cezanne (1993), S. 4) .

2.1 Der Informationsbegriff 21

der Koordination wirtschaftlicher Aktivitaten in der ungleichen Informati­onsverteilung und der Aufwendigkeit der Informationsbeschaffung besteht;vgl. Hayek (1945). Unternehmertum und Wettbewerb liegen vielmehr ge­rade im Erkennen von wirtschaftlich relevanten Informationen und Wissens­vorspriingen und der praktischen Ausnutzbarbeit solcher Divergenzen (Pi­cot et al. (1996), S. 33).2 In der Regelliegen Informationsasymmetrien vor,d.h. der Wissensstand verschiedener Entscheider in der gleichen Situation istunterschiedlich. Tausch- und Koordinationsprozesse, urn diese Asymmetrienaufzuheben, verursachen (entscheidungsrelevante) Transaktionskosten.

Es ist weiterhin zu bedenken, daB die vollstandige und sichere Antizipa­tion von Ergebnissen, die in der Zukunft liegen, aufgrund von Unsicherheitbzw. Risiko nicht moglich ist . Zudem kann es in dem Fall, daB zwei Personendieselben Informationen erhalten, aufgrund eines unterschiedlichen Vorwis­sens zu unterschiedlicher Verarbeitung der Informationen und somit zu un­terschiedlichen Entscheidungen kommen . Dariiber hinaus ist das Konzept derRationalitat an sich nicht unumstritten, da das menschliche Verhalten nichtallein rational gesteuert wird, sondern allgemein Emotionen unterliegt."

Aufgrund der genannten Mangel bzw. Unwagbarkeiten erscheint es sinn­voll, sich mit grundlegenden Begriffen im Umfeld von Information und Ent­scheidung zu befassen. Verhaltensweisen der personlichen Informationsbe­schaffung und -verarbeitung (dem Entscheidungsverhalten) sind dabei alsgrundlegend zu erachten. Fur unsere Betrachtungen benotigen wir ein Bilddieser Verhaltensweisen, urn realitatsnahe (deskriptive) Entscheidungsmo­delle zu definieren, aus denen Vorgaben fiir eine sinnvolle Bereitstellung vonInformationen bzw. Kommunikations- und Organisationsstrukturen abgelei­tet werden konnen.

2.1.2 Algorithmischer Informationsbegriff

Wir verbinden mit Informationen oftmals einen gewissen Wert, den wir uns ,z.B. als Folge einer Entscheidung, erhoffen . Aus Sicht der Informationserstel­lung, z.B. der Auswertung von langen Bestandslisten, kann man folgendenBegriffsansatz fiir Information angeben: Die (minimale) GroBe eines (abstrak­ten) Programms zur Generierung einer Information reprasentiert eine intrin­sische Eigenschaft dieser Information. Die Programmgrofe (algorithmischerInformationsgehalt) wird als MaB fur die Komplexitat der jeweiligen Infor­mation betrachtet.

2 Das Buch von Picot et al. (1996) liegt mittlerweile in der vierten Auflage (Picotet al. (2000)) und einer englischen Version von Wigand et al. (1997) vor . In dervierten Auflage wurde vor allem die Darstellung der IT auf den neuesten Standgebracht , und es wurden einige weitere Aspekte, z.B. des Controlling und desInformations- und Wissensmanagements, aufgenommen. Der Leser wird an dieserStelle aber vor allem auf die englische Fassung aufgrund der iiberaus pragnantenDarstellung verwiesen .

3 Mit dieser Sichtweise beschaftigt sich insbesondere die Psychologie; vgl. z.B.Gilbert et al. (1998).

22 2. Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

Varianten des algorithmischen Informationsgehalts konnen z.B . die Pro­grammgrofse oder die Evaluationszeit sein. Der algorithmische Informations­begriff unterscheidet weiterhin zwischen Informationsgehalt und Informati­onstiefe. Als Beispiel HiBt sich ein Buch zur Tabellierung der Positionen desMondes und der anderen Planeten unseres Sonnensystems angeben. Der iden­tische Informationsgehalt ist auch durch Bewegungsgleichungen ausdriickbar.Der Wert des Buches besteht allerdings in seiner Informationstiefe, da keineReproduktion der Information notwendig ist.

Wie wir an diesem Beispiel sehen, ist Information nur bedingt iiber denTrager der Information (ein Buch bzw. eine Formelsammlung) vergleich­bar. Gerade diese Vergleichbarkeit von Informationen ist aber aus betriebs­wirtschaftlicher Sicht notwendig, um Information als okonomisches, immate­rielles Gut betrachten zu konnen, Dies bedeutet, daB wir uns mit dem Nutzenvon Informationen beschaftigen miissen.

2.1.3 N utzenorientierter Informationsbegriff

"Das unserem Handeln zugrunde liegende Wissen sei kiinftig als In­formation bezeichnet. Information ist zweckorientiertes Wissen, alsosolches Wissen, das zur Erreichung eines Zweckes, namlich einermoglichst vollkommenen Disposition eingesetzt wird." (Wittmann(1959), S. 14)

Diese Definition findet sich in fast allen Lehrbiichern zum Informations­management. Aus ihr lassen sich folgende Schliisse ziehen, obwohl Informa­tion durch den Begriff Wissen erklart wird:

• Information wird als (immaterielles) Gut betrachtet.• Zur Vergleichbarkeit miissen Bewertungsmaflstabe angesetzt werden.

Es stellt sich nun die Frage, ob Informationen vergleichbar sind. Ver­gleichbarkeit bedingt eine Skalierung von Information, d.h . der Nutzen derInformation lieBesich nach der Definition Wittmanns messen. Hier sollen zweimogliche Definitionen fiir den Nutzen bzw. Wert einer Information genanntwerden:

• Der Nutzen einer Information fiir eine Person wird definiert als Aufwand,den sie bereit ist zu betreiben, um diese Information zu beschaffen (vonWeizsacker (1985)).

• Der Nutzen Weiner Information I wird in Abhangigkeit der Wahrschein­lichkeiten, ein Ziel ohne die Information (p) bzw. unter Einbeziehung derInformation (pi) zu erreichen, bestimmt (Bongard (1967)) :

I

W(I) = IgE..p

2.1 Der Informationsbegriff 23

Die Logarithmierung hat dabei den Effekt, daf sich fiir den Fall P = p' einWert der Information W(I) von °ergibt. Ist die Wahrscheinlichkeit, ein Zielohne die Information zu erreichen, hoher als unter Einbezug der Information,so ergibt sich dariiber hinaus ein negativer Wert fiir W(I) . Problematischgestaltet sich allerdings die Betrachtung von mehr als einer Information ineiner entsprechenden Entscheidungssituation. Es seien zwei InformationenII und 12 mit P~ = P~ = 0,9 gegeben . Fiir den Fall, daf keine der beidenInformationen vorliegt , sei p = 0,5. Sind diese unabhangig voneinander, d.h.P = PI = Pz , so ergibt sich als Wert fiir beide Informationen:

W(Id = W(I2) = 19 0°,9 ~ 0,255,5

Beide Informationen zusammen ergeben damit einen Wert von W(Id +W(I2 ) = 0,51. Fiir die Entscheidung geht bei Nutzung beider Informationendie Wahrscheinlichkeit einer Fehlentscheidung (Ziel nicht erreicht) auf einenWert von 0,01 zuriick (1- [(1- p~) . (1- p~))). Damit ergibt sich ein Nutzenvon:

( )0,99

W It + 12 = 19 0,5 ~ 0,297

Dieser Wert entspricht allerdings nicht der Summe der EinzelnutzenW(II) und W(I2) .4 Neben dieser (rein mathematischen) Problematik derBewertung des Nutzens mehrerer Informationen fiir eine Entscheidung sindweitere Probleme fiir beide Ansatze festzustellen . So gehen fiir beide Defini­tionen die Folgen einer Information in die Betrachtung mit ein, d.h. es wirdvon der Annahme ausgegangen, daf die Folgen absehbar sind . Problematischan der ersten Definition ist vor allem, daf der Nutzen zweier Informationen,die mit gleichem Aufwand beschafft wurden, identisch ist, auch wenn sich dieeine Information im Kontext der Entscheidung als wert los herausstellt. Fiirdie zweite Definition muf die Folge explizit bekannt sein, d.h . ein objektiverInformationsbegriff wird vorausgesetzt.

Eine Informationstheorie auf einem objektiven Informationsbegriff zu kon­struieren, erscheint aus zwei Griinden nicht sinnvoll. Zum einen ist der Werteiner Information in vielen Fallen erst mit Erhalt der Information bekannt(Informationsparadoxon), zum anderen konnen unterschiedlich (aus-) gebil­dete Personen die gleiche Information in der gleichen Entscheidungssituationunterschiedlich nutzen. Anders ausgedriickt kann die Information nicht los­gelost von der Rezeption des Individuums betrachtet werden, d.h. das Vor­wissen (Rezeptionsniveau) spielt fiir die Bewertung und weitere Verarbeitung

4 Daraus ergibt sieh, daB mehrere Informationen beziiglich eines Zielerreichungs­grads im allgemeinen nicht unabhiingig voneinander sind. Statt einer einfa­chen Addition der Einzelnutzen sind fiir jede weitere Information die ber eitsberiicksiehtigten Informationen mittels bedingter Wahrscheinlichkeiten einzube­ziehen. So ergibt sieh in unserem Fall W(h + 12 ) = W(h) + W(hlh liegt vor)= W(h) + W(h112 liegt vor) :::::: 0,255 + 19~ :::::: 0,297.

24 2. Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

der Information eine entscheidende Rolle. Die Qualitat (als MaB des Nutzens)der Information entsteht erst aus ihrer Einordnung in Zusammenhange (Rie­senhuber (1987), S. 17).

Von einem objektiven Informationsbegriff ist dann auszugehen, wenn einabgeschlossenes Methodengeriist zur Verarbeitung der Informationen existentist und die Entscheidungstrager dariiber hinaus mit diesem vertraut sind.Dies gilt im wesentlichen fiir das Controlling, das sich weitestgehend mit derErmittlung objektiver Informationsbedarfe zur Konzeption von sogenannten(Controlling-) Informationssystemen befaBt.

Nach dem Ansatz Riesenhubers gelangen wir aber wieder zur Darstellungdes Lernprozesses zuriick , wie er in der Einleitung skizziert wurde. Allein dasErgebnis der Einordnung einer Information in Zusammenhange - und nichtdie primate Information - ist entscheidend fiir deren Qualitat. Auf dieserBetrachtungsebene befinden wir uns beim subjektiven Informationsbegriff.

So kann Unsicherheit aufgrund der Informationsiiberflutung zu einemEntscheidungshemmnis fiihren , 1st die Information nicht einzuordnen, so liegtdie Situation tauter Erstmatigkeit vor (von Weizsacker (1974)).5 Die Infor­mation ist dann eventuell nutzlos (personenspezifisch). Wird sie aber vomEntscheider nicht als nutzlos eingestuft, so bewirkt sie eventuell sogar Chaos.1st die Information bereits bekannt, so liegt eine reine Bestatigung vor, undes wird keine Veranderung der Entscheidung (vgl. Bongard (1967): p = pI)evoziert.

Nach unserer Auffassung ist die Definition Wittmanns nach den obigenUberlegungen zu revidieren, so daB sich der subjektive Informationsbegriff inder Definition wiederfindet und eine Abgrenzung zu Daten und Wissen - wiesie bereits in Kap . 1.2 implizit eingefiihrt wurde - moglich ist:

Unter Daten versteht man eine Folge von Zeichen, iiber deren Bedeu­tung weitestgehend Konsens besteht, d.h. die verstanden und prinzi­piell von einer Person aufgenommen werden k6nnen.

Information ist ein immaterielles Gut, das dazu dient, zweckorientier­tes Wissen zu bilden.

Wissen wird als Kenntnis von Sachverhalten (Mustern) oder als Be­wuBtsein entsprechender Denkinhalte definiert ; der Zweck von Wissenbesteht in der Vorbereitung und Durchfiihrung von Handlungen undEntscheidungen.

Informationen k6nnen zwar auf Daten basieren, es ist aber zu beden­ken, daB Informationen auch durch reine Beobachtung iibermittelt werdenkonnen; vgl. hierzu die in Kap . 1.2 vorgestellten Typen der Wissenserzeu­gung. Diese Definition von Information, die im folgenden - sofern nicht anders

5 In seinem Modell der Erstmaligkeit und Bestatigung geht von Weizsacker (1974)davon aus, daf dieses Gegensatzpaar fiir jede Information konstitutiv ist, d.h.daf jede Information irgendwie wirkt.

2.2 Grundmodelle der Kommunikation 25

gekennzeichnet - zugrundegelegt wird, liiBt sich zudem mit dem Informati­onsparadoxon vereinbaren, denn Informationen sind zwar zielgerichtet aufdie Wissensvermehrung, miissen aber nicht grundsiitzlich zum Erfolg in be­zug auf eine anstehende Entscheidung fiihren. Auch wird so eine Trennungvon Informationsbesehaffung und -verarbeitung impliziert, und Informationals Gut bleibt weiterhin handelbar.

Die letztendliehe Konsequenz der Fokussierung auf den subjektiven In­formationsbegriff besteht darin, daf nicht allein die Information als Gut Be­traehtungsgegenstand sein kann, sondern daf auch das Informationsverhaltenund das Rezeptionsniveau des Entseheiders die Entscheidungsgiite bestim­men. In Ubertragung auf Suchverfahren (als EntseheidungsprozeB) bedeutetdies, daf die richtige Information (idealisiert) in Abhiingigkeit eines eben­falls bestehenden oder zu erreichenden Rezeptionsniveaus zwar besteht, dieseKombination aber erst gefunden werden muB. Die Suehe fiihrt natiirlich iiberviele Enttiiuschungen, Verwirrungen und "lokale Optima" (eventuell gekenn­zeichnet dureh Veriinderung der bestehenden Denkmuster). Das Suehverhal­ten in bezug auf Informationen wird im Abschnitt 2.3 genauer betraehtet.Simon (1978) bezeichnet die Unterstiitzung der Selektion von Informationenals rationale Suchverfahren.

2.2 Grundmodelle der Kommunikation

"Wir sind wie eingesponnen in Kommunikation und sind doch - odergerade deshalb - fast unfahig, iiber Kommunikation zu kommunizie­ren." (Watzlawick et al. (1996), S. 38)

Wie wir in der Einleitung bereits dargelegt haben, stellen Transaktionsko­sten einen wesentlichen Kostenfaktor fiir Unternehmen dar. Je spezieller einAufgabenbereich - in dem Entseheidungen zu treffen sind - im Unternehmenist, desto mehr Koordination ist i.d.R. erforderlich. Fur unterschiedliehe Pro­bleme konnen neben unterschiedlichen Losungsverfahren auch unterschied­liehe Kommunikationsformen notwendig sein. Diese einfache Tatsaehe wirdvon der Informatikseite bei der Gestaltung von Kommunikationssystemenhaufig unberiicksichtigt gelassen. Die Kommunikationsanforderungen set zender Umsetzung teehniseher Moglichkeiten hier Grenzen. Informations- undKommunikationsaktivitiiten lassen sich folgendermaBen unterseheiden:

• Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung (IV)• Informationsspeicherung• Informationsbewertung• Informationsaustausch (Informations- und Kommunikationsverhalten)

In den folgenden Unterabschnitten geben wir Grundmodelle zur Kommu­nikation an, die in der Literatur genannt werden und fiir das Aufgabenfeld desInformationsmanagements relevant sind; zu einer Ubersicht vgl. insbesondereReichwald (1993) .

26 2. Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

2.2.1 Das pragmatische Kommunikationsmodell

Das pragmatische Kommunikationsmodell (Watzlawick et al. (1996)) bildeteinen geeigneten Einstieg in die Kommunikationstheorie. Die Autoren habenein sozialpsychologisches Modell der menschlichen Verstandigung entwickeltund fiinf Axiome definiert:

1. Man kann nicht nicht kommunizieren.2. Jede Kommunikation besitzt einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt.3. Die Beziehungen zwischen Kommunikationspartnern sind durch die In­

terpunktionen von Kommunikationsablaufen gepriigt.4. Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Moda­

litaten,5. Kommunikation kann auf symmetrischen und komplementaren Beziehun­

gen beruhen.

Das erste Axiom verdeutlicht, daB auch das Anschweigen eines Mitarbei­ters Kommunikation bedeutet, da der Angeschwiegene mit diesem Verhalteneine bestimmte Bedeutung verbindet." Das zweite Axiom soIl aufzeigen, daBnicht nur die gesagten Worte (Fakten) fiir die Botschaft relevant sind, son­dern zudem auch , wie es gesagt wurde. Das zwischenmenschliche Verhaltnisder Kommunikationspartner findet sich hier wieder . Je unproblematischer diesozialen Beziehungen sind, desto einfacher lassen sich Fakten austauschen, dafiir die Klarung des Beziehungsaspektes nur ein geringer Kommunikations­aufwand erforderlich ist ; vgl. Picot et al. (1996). Die sogenannte Face toface-Kommunikation stellt den Beziehungsaspekt in den Vordergrund und istfiir viele Probleme die erforderliche Kommunikationsform.

Unter Interpunktion (Axiom 3) verstehen die Autoren die Interpretations­weisen und Wahrnehmungen von Aussagen und Verhaltensweisen der Kom­munikationspartner. Gerade zwischen Beteiligten unterschiedlicher Kulturenkann es hier zu Interpunktionsproblemen (Mifrverstandnlssen) kommen. Aufsolche moglichen Kommunikationsstorungen ist bei der Gestaltung von Kom­munikationssystemen besonders zu achten.

Die digit ale Kommunikation umfaBt die gesprochene und geschriebeneSprache, wiihrend die analoge Kommunikation den Beziehungsaspekt wie­dergibt, d.h. die Gestik, die Mimik oder den Tonfall. Symmetrische Bezie­hungen sind durch gleichberechtigte Kommunikationspartner gekennzeich­net, komplementare bzw. asymmetrische Beziehungen liegen vor, wenn dasVerhaltnis der Kommunikationspartner durch eine Abhangigkeitsbeziehung,wie z.B. Vorgesetzter und Mitarbeiter, gekennzeichnet ist.?

6 "Deine Korpersprache ist laut und deutlich."7 Eine Unterscheidung von symmetrischer und asymmetrischer Kommunikation

Hifit sich auch in zeitlicher Dimension als synchrone Kommunikation (z.B,personliches Gespriich oder Telefonat) bzw. asynchrone Kommunikation (z.B.E-Mail) angeben; vgl. hierzu die Ausfiihrungen in Kap. 6.2.5.

2.2 Grundmodelle der Kommunikation 27

2.2.2 Klassische Informationstheorie

"It is surprising but true that, from the present viewpoint, two mes­sages, one heavily loaded with meaning and the other pure nonsense ,can be equivalent as regards information." (Weaver (1949), S. 12)

Die klassische Informationstheorie nach Shannon und Weaver (1976)beschaftigt sich mit der theoretischen Beschreibung der Kommunikation zwi­schen Quelle und Empfanger, wobei allein die Dateniibertragung Betrach­tungsgegenstand ist. Information wird als "MaB der Reduktion der Unbe­stimmtheit" definiert. Eine Informationsquelle erzeugt Nachrichten, die dieResultate von einzelnen Experimenten sind . Je unwahrscheinlicher eine Nach­richt ist, desto grofier ist die Information, falls sie gesendet wird. Als MaBder Unbestimmtheit wird die Entropie genommen. Sie hangt ab von

• der Wahrscheinlichkeitsverteilung moglicher Ereignisse,• der Anzahl rnoglicher Ereignisse,• aber nicht vom Inhalt dessen, was gesendet wird.

Da der Inhalt des Gesendeten in diesem Modell keine Rolle spielt, istdieser Informationsbegriff fiir unseren Ansatz zunachst einmal wenig sinnvoll .Ergebnisse dieser Theorie bieten aber eine theoretische Ausgangsbasis fiir dasManagement von Daten und Kommunikationsmitteln (z.B. Rechnernetzen).Anwendungen der klassischen Informationstheorie sind:

• Optimierung der Kodierung• Optimierung der Dateniibertragung

Die Anwendungsgebiete verdeutlichen, daB wir hier den Pfad des Informa­tionsmanagements, den wir urspriinglich eingeschlagen haben, verlassen undweit in einen speziellen Bereich der Nachrichtentechnik vordringen wiirden."Im nachsten Unterabschnitt kehren wir aber zu unseren urspriinglichen Un­tersuchungen zuriick.

2.2.3 Semiotik

"[Es ist] in vieler Hinsicht zutreffend, zu sagen, die Syntax entsprecheder mathematischen Logik, die Semantik der Philosophie oder derWissenschaftslehre und die Pragmatik der Psychologie, doch sinddiese Gebiete nicht klar voneinander abgrenzbar." (George (1973))

8 So zitiert von Weizsiicker (1974) verschiedene Teilnehmer eines interdiszipliniirenGesprachs, die zu dem Ergebnis kommen, daB die Shannon'sche Informations­theorie fiir die Wissenschaften der Informatik, Psychologie und der Sprachtheorienutzlos ist .

28 2. Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

In der Semiotik (Sprachtheorie)" findet sich auf der Basis eines Kommu­nikationsmodells ein moglicher Unterscheidungsansatz zur Abgrenzung undzweckgerichteten Definition von Daten und Informationen. Diese begriffiicheTrennung geht auf Morris (1979) zuriick. Gemafi der Sprachtheorie lassensich die folgenden vier Ebenen unterscheiden:

• Syntaktik: Auf dieser Ebene werden das Verhaltnis der Zeichen und Signaleuntereinander sowie die formalen Regeln, nach denen Zeichen zusammen­gesetzt werden, betrachtet (Strukturlehre) .

• Sigmatik: Die Ebene beschreibt die formalen Beziehungen zwischen Zeichenund bezeichnenden Gegenstanden (Bezeichnungslchre).

• Semantik: Auf dieser Ebene erfolgt eine Erweiterung der Sigmatik urn eineinhaltliche Bedeutung der Zeichen, wobei einem Gegenstand unterschied­liche Bedeutungsgehalte zugemessen werden konnen,

• Pragmatik: Die Ebene betrachtet zusatzlich die Beziehungen zwischen denZeichen und den zeichengebrauchenden Verwendern, d.h. Konsequenzenauf Sender und Empfanger.

Eine weitere Ebene stellt die Apobetik dar. Bei Unterscheidung zwischenSender und Empfanger werden hier die Zielvorgaben des Senders mit einbe­zogen; vgl. Gitt (1989).

Die Aussage" I ist Information" wird nach der Semiotik erganzt um "vonA fiir B tiber den Sachverhalt Q vermittelt tiber das Medium M in derKodierung C" unter zusatzlicher Betrachtung der Intentionen von A sowie derKonsequenzen fiir B. Dieser erweiterte Begriff lafit sich auf das Begriffssystemder Semiotik abbilden, wie es in Abb . 2.1 dargestellt ist.

Auf der untersten, d.h. der syntaktischen Ebene konnen Informationenals (akustische, optische etc.) Signale bezeichnet werden. Diese Ebene ent­spricht der Definition von Information in der klassischen (mathematischen)Definition.

Auf den beiden darauf aufsetzenden Ebenen entstehen aus Signalen Datenbzw. Nachrichten, bestehend aus Denotationen (genau definierbaren Objek­ten, Sachverhalten oder Eigenschaften, frei von Wertung oder Empfindung)und Konnotationen (Komplex von Assoziationen, die mit einer Denotation inVerbindung stehenj.!? Sie sind fixiert und jederzeit auf unterer Ebene (mittelsder elektronischen Datenverarbeitung (EDV) bzw. der Kommunikationstech­nik) zuganglich. Der algorithmische Informationsbegriff ist im wesentlichenauf der sigmatischen sowie der semantischen Ebene anzuordnen, da der mitdiesem Informationsbegriff verbundene Informationsgehalt unabhangig vonjeglicher Interpretation ist .

Diese Daten oder Nachrichten werden auf der pragmatischen Ebene zuInformationen im engeren Sinne, wenn sie einen Sachverhalt widerspiegeln,

9 Fur eine Einfiihrung in die Semiotik siehe z.B. Eco (1985) .10 Nach einem anderen Definitionsansatz fur Daten ordnet Becker (1999) diese be­

reits der syntaktischen Ebene zu . Erst Nachrichten werden auf der semantischenEbene angesiedelt.

2.2 Grundmodelle der Kommunikation 29

Semant ikPragmatik

I BedeutungI

Sigmatik

I Bezeichne tes ISyntaktik

I Zusammensetzung II Intention I I Konsequenz I

I IIIZeichensen der IZeichen

IIZeichenempfanger

Abbildung 2.1. Eb enen der Semiotik

der dem Empfanger noch nicht bekannt ist (oder nicht bekannt sein konnte)und ihm einen Nutzen stiftet (oder st iften konnte). Der nutzenorient ierteInformationsbegriff findet sich somit auf der obersten Ebene, der Pragmatik,wieder.

2.2.4 Kommunikationsprobleme und die Media Richness-Theorie

Picot (1993) unterscheidet vier Grundprobleme der Kommunikation und ord­net diese nach dem Grad der Strukturierbarkeit einer betrachteten Aufgabe(vgl. Abb. 2.2). Zum Problem "Genauigkeit" zahlen z.B. das formalisierte Be­richtswesen, Hausmitteilungen, Rechnungsstellungen, Auftragsbestatigungenund der Aust ausch von Massendaten. Zum Kommunikationsproblem "Schnel­ligkeit , Bequemli chkeit" gehoren z.B. kurze Anfragen bei Arbeitspar tnernoder die Reaktion auf iiberr aschende Ereignisse. Zum P roblemtyp "Vert rau­lichkeit" gehoren Informationen iiber Personalangelegenheiten oder Vermu­tungen iiber geschaftliche Risiken und Chancen. Zum letzten Kommunika­t ionsproblem "Kornplexitat" zahlen z.B. die arbeitste ilige Losung neuar ti­ger Probleme, Verhandlungen und Mitarb eitergesprache oder die Erlauterungkomplizierte r Zusammenhange.

Die Wahl geeigneter Kommunikationsmittel kann auf diesem einfachenModell beruhen. Die Einordnung neuer Medien in den Bereich effekt iverKommunikation findet sich in der Media Richness-Theorie (vgl. Abb . 2.3).Als Informationsreichhaltigkeit eines Mediums wird die potenti elle Inforrnati­onsiibertragungskapazitat verstanden; vgl. Daft und Lengel (1984). J e groflerdie Reichhaltigkeit ist , desto eher kann neben dem Inhaltsaspekt auch der

30 2. Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

Kommunikations ­problem"Genauigkeit"

Kommunikations­problem.Schnelligkeit,Bequemlichkeit"

Kommunikations­problem.Vertraulichkeit"

Kommunikations­problem.K ornplexitat"

hoch

Grad der Strukturiertheit

niedrig

zunehmende Wichtigkeit miindlicher und synchroner Medien

zunehmende Notwendigkeit riiumlichcr Niihe zwischen Sender und Empfangcr ..

~ehmende Wichtigkeit schriftlicher und asynchroner Medien

i'nehmende Miiglichkeit riiumlicher Distanz zwischen Sender und Empflinger

Abbildung 2.2. Grundprobleme der organisatorischen Kommunikation undWahl von Kommunikationsmitteln; nach Picot (1993), S. 151

Beziehungsaspekt wiedergegeben werden; vgl. hierzu die Ausfiihrungen zumpragmatischen Kommunikationsmodell in Abschnitt 2.2.1, S. 26.

Daft und Lengel (1984) ordnen der Face to face-Kommunikation diehochste Informationsreichhaltigkeit zu, die bei der Kommunikation per Vi­deokonferenz geringer ist . Die Videokommunikation wird schlieBlich hi:ihereingestuft als Telefax oder E-Mail, die aber noch reichhaltiger sind (aufgrundder besseren Mi:iglichkeit , schneller auf die Nachrichten zu reagieren) als Brief­post, der die niedrigste Informationsreichhaltigkeit beigemessen wird. In Abb.2.3 sind diese Medien gemaf ihrer Reichhaltigkeit angeordnet . Der Bereicheffektiver Kommunikation hangt dabei von der betrachteten Aufgabe abo 1stdie Komplexitat der Aufgabe niedrig (z.B. Durchgabe von Kontrollinforma­tionskennzahlen), so birgt z.B. eine Videokonferenz bei dieser Kommunikati­onsaufgabe zu viele Nebeninformationen (Overcomplication) . Werden auf deranderen Seite Mitarbeitergesprache (zur Motivation) per Briefpost gefiihrt ,so liegt aufgrund des unpersi:inlichen Charakters der Kommunikation (ohneFeedback) gegebenenfalls eine Oversimplification der Aufgabe vor.

2.3 Modelle des individuellen Entscheidungs- undInformationsverhaltens

"I am not aware that there has been any systematic developmentof a theory of information and communication that treats attention

2.3 Modelle des individuellen Entscheidungs- und Informationsverhaltens 31

Medium

Face to face-Dialog"Meeting"

Videokommunikation

Voice-Mail

MediaRichness

BereichHoch Overcomplication

Computerkonferenz

Telefax

Mittel BereicheffcktiverKommu nikation

BereichOversimplification

E-Mail

Briefpost I DokumentNiedrig

'-----'-- - - - - - --toNiedrig Mittel )loch

Komplexltat derKommunikationsaufgabe

Abbildung 2.3. Die Media Richness-Theorie, vgi. Rice (1992), S. 482, sowiePribilla et ai. (1996), S. 21

rather than information as the scarce resource." (Simon (1978), S.13)

Eine wesentliche Fragestellung im Rahmen des Informationsmanagementsist, welche Informationen in welcher Form bereitgestellt werden sollten. Indiesem Zusammenhang lassen sich Forderungen definieren , die in eine ob­jektive und eine subjektive Sicht unterschieden werden konnen: vgl. auchWeiBenberger (1997). Aus objektiver Sicht sollten Informationen prazise,vollstandig und relevant, aus subjektiver Sicht verwendungsbereit und in­teressant sein. Dabei konnen allerdings die Forderungen nach Vollstandigkeitund Verwendungsbereitschaft in einem Widerspruch zueinander stehen. DennVollstandigkeit der Informationen kann zu Unsicherheit des Entscheidersfiihren, die dann einer direkten, angemessenen Verwendung der Informationenentgegenstehen kann . Unsicherheit , die unter Umstanden entscheidungshem­mend wirkt, tritt dann auf, wenn man Daten (oder Informationen) in einerFiille zur Verfiigung gestellt bekommt, ohne iiber ausreichendes Verstandnisder (benotigten) Muster zu verfiigen, d.h. man kann die Informationen ent­weder nicht in ein Entscheidungsmodell einordnen oder kein Entscheidungs­modell mehr aufstellen (vgl. Dorner (1989)). Anders ausgedriickt, die Inte­gration, die dem Verstehen entspricht, ist nicht gegeben . Dorner beschreibtdiese Situation recht anschaulich:

" Man merkt, daB man noch nicht alles weiB, bekommt das starkeBediirfnis nach noch mehr Wissen, sammelt weitere Informationen,merkt noch mehr, daf man eigentlich fast iiberhaupt nichts weiB. . . "(Dorner (1989), S. 145)

32 2. Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

Eine mogliche Folgerung ist , daf ein System nur dann vollstiindig be­herrscht werden kann, wenn die Losung zu einem Problem aus diesem Sy­stem die gleiche Komplexitat aufweist wie das Problem selbst. Nun mag esaber iibertrieben sein, von jedem Entscheider zu verlangen, die vollstandigeKomplexitiit zu erfassen, also quasi Weisheit vorauszusetzen. Ist diese nichtgegeben, und das ist wahrscheinlich der Regelfall, so kann es aufgrund der ent­scheidungshemmenden Wirkung der Unsicherheit in gewissen Entscheidungs­situationen sogar von Vorteil sein, einen geringeren Informationsstand an­zustreben. Nach Krcmar (2000) kann diese Vorgehensweise bei Fiihrungs­entscheidungen von Vorteil sein, wenn diese auf unsicheren und unscharfenInformationen basieren. Hier wirke sich ein vergrofertes Angebot an Infor­mationen nur bedingt auf die Entscheidungsgiite aus . Aufgrund der Komple­xitiit dieser Probleme sei die Optimalitat der Entscheidung, die sich aber erstex-post bestiitigt, in den meisten Fallen sogar " Zufall" . Fiir solche Entschei­dungsprobleme tritt die Art der Informationsversorgung in den Vordergrundder Betrachtung. Nach Dorner (1989) geniige dem Entscheider ein grobesBild der Informationslage; und tendenziell kann die Informationssammlungsogar institutionell in Organisationen vom Entscheider getrennt sein.'!

Was wir aus dieser einfiihrenden Darstellung zunachst lernen konnen, ist ,daf Informationsmanagement keine Entscheidungen vorwegnehmen kann. Eslauft vielmehr Gefahr, Entscheider mit Details zu verwirren.

2.3.1 Die klassische normative Entscheidungstheorie

Die klassische normative Entscheidungstheorie beschiiftigt sich mit Aufgaben ;zu einer Einfiihrung vgl. z.B. Bitz (1981), Dinkelbach und Kleine (1996) sowieLaux (1998). Sie basiert auf der Grundlage des Homo Oeconomicus, des ratio­nal handelnden Menschen , der seinen Nutzen maximieren will. Die Pramissender normativen Entscheidungstheorie verdeutlichen den Aufgabencharakter:Grundlage ist , daf aIle Entscheidungsalternativen und aIle moglichen Um­weltzustiinde bekannt sind, d.h. daB vollstiindige Information vorliegt , wel­ches ein identisches Rezeptionsniveau der Entscheider implizit mit einschlieBt.Der " EntscheidungsprozeB" besteht nun darin , eine Nutzenfunktion unter Be­achtung individueller Priiferenzen (im Sinne der Risikobereitschaft des Ent­scheiders) aufzustellen. Die Auswahl aus den moglichen Alternativen auf derBasis bekannter Methoden (Mittel) schlieBt sich an den ersten Schritt an . Dieklassische Entscheidungssituation ist durch eines der folgenden Merkmale ge­kennzeichnet:

• Sicherheit (determinierte Umweltzustiinde)• Risiko (Eintrittswahrscheinlichkeiten der Umweltzustiinde sind "bekannt")

11 Dieses grobe Bild (Modell) entspricht aber oftmals bereits einer Strukturie­rung der Probleme, so daf der Entscheider mit bekannten Mustern, z.B.Losungsverfahren, die Problcme angehen kann.

2.3 Modelle des individuellen Entscheidungs- und Informationsverhaltens 33

• VngewiBheit (filr mindestens einen Vmweltzustand sind keine Wahrschein­lichkeiten bekannt)12

In den meisten Problemstellungen werden keine Interdepenzen zwischenEinzelentscheidungen verschiedener Entscheider, die quasi als Gegner auftre­ten, beriicksichtigt. So werden z.B. bei Entscheidungen iiber den Produk­tionsplan i.d .R. keine (Folge-) Entscheidungen der Mitbewerber (als Vm­weltzustande) abgebildet. Anders verhalt es sich wahrscheinlich bei Fir­meniibernahmen. Hier sind Uberlegungen dariiber anzustellen, wie Konkur­renten reagieren konnten, denn erwartete Reaktionen (oder Aktionen) stehenin der Weise mit der eigenen Entscheidung in Verbindung, daf die Einzelent­scheidungen zu einem Gesamtergebnis fiihren, das wiederum aIle Beteiligtenbetrifft. Mit solchen Problemstellungen beschaftigt sich die Spieltbeorie, inder Ld.R. zwei Arten von Spielen unterschieden werden:

• Kooperative Spiele: Hier sind Vereinbarungen zwischen den Handelndenmoglich , deren Einhaltung erzwungen wird.

• Nicht-kooperative Spiele: Hier werden Kooperationen von vornherein ausge­schlossen, oder es wird unterstellt, daf die Einhaltung von Vereinbarungennicht erzwungen werden kann.

Das sogenannte Gefangenendilemma kann im Rahmen der Spieltheorie alseinfiihrendes Beispiel fiir gesellschaftliche Probleme, die als nicht-kooperativzu bezeichnen sind , herangezogen werden. Das Dilemma besteht darin, dafzwei Einbrecher getrennt voneinander verhort werden. Fiir jeden ergebensich die gleichen Handlungsalternativen: Schweigen oder Gestandnis. Das Di­lemma besteht darin, daf beide auf eine Kronzeugenregelung hoffen konnen,bei der keine Haftstrafe verhangt wird. Die Kronzeugenregelung tritt abernur in Kraft , wenn nur einer der beiden gesteht. Schweigen beide, ist dieHaftstrafe niedriger als fiir den Fall, daf beide gestehen.

In Lehrbiichern zur Entscheidungstheorie findet man fiir Auswahlpro­bleme oftmals eine Darstellung als Entscheidungsmatrix. Dabei wird jederKombination von Umweltzustand und Alternative ein Nutzen zugeordnet.Unter Beachtung der unterschiedlichen Umweltzustande konnen dann unter­schiedliche Auswahlregeln angegeben werden, urn sich fiir eine Alternative zuentscheiden; vgl. z.B. Adam (1996) :

1. Unter Einbeziehung aller Umweltzustande: Zum Vergleich der Hand­lungsalternativen konnen z.B. (gewichtete) Durchschnittswerte oder Er­wartungswerte gebildet werden .

2. Unter ausschlieBlicher Einbeziehung der Extremfalle: Zum Vergleich kon­nen z.B. Min-Max-Kriterien oder die Savage-Niehans-Regel angewendetwerden.

Das Gefangenendilemma laBt sich fiir beide Gefangene ebenfalls als Ent­scheidungsmatrix darstellen; vgl. Tab . 2.1 sowie die Ausfilhrungen in Bitz

12 Risiko und UngewiBheit werden Ld.R. auch als Unsicherheit aufgefaBt.

34 2. Informations-, Kommunikations- und Entseheidungsmodelle

(1981). Die angebenenen Werte entsprechen dabei den zu erwartenden Haft­monaten. Jeder Gefangene hat zwei Handlungsalternativen (schweigen odergestehen) und muB zwei Umweltzustande beachten (der andere schweigt, derandere gesteht) .

ieh sehweigeieh gestehe

II der andere sehweigt der andere gesteht-60-36

Tabelle 2.1. Entseheidungsmatrix der Gefangenen ohne Kooperation

Wie der Matrix zu entnehmen ist, stellt sich der betrachtete Gefangenebesser, wenn er gesteht, denn die zweite Alternative dominiert die erste, d.h.fiir jeden Umweltzustand ergibt sich ein gleich guter oder besserer Ergebnis­wert gegenuber der ersten Alternative. Wenn sich beide Gefangene nach die­ser Auswahlregel entscheiden, betragt die Haftstrafe jeweils 36 Monate, beiAbsprache (und ausreichend gegenseitigem Vertrauen) hatten sie die Haft­strafe allerdings auf jeweils 3 Monate reduzieren konnen - ein echtes Di­lemma. Im Fall einer solchen Absprache kann man das Problem auch alskooperatives Spiel auffassen, d.h. die Ergebniswerte sind zu addieren, urndie vier Kombinationen der beiden Handlungsalternativen zu bewerten; vgl.Tab. 2.2. Der Tabelle kann entnommen werden, daB nun die erste Alternative(schweigen) die zweite (gestehen) dominiert.P

ich sehweigeieh gestehe

der andere sehweigt-6

-60

der andere gesteht-60-72

Tabelle 2.2. Entseheidungsmatrix der Gefangenen mit Kooperation

Fur alle derartigen Entscheidungsmodelle wird von der Pramisse ausge­gangen, daB alle Umweltzustande und Handlungsalternativen bekannt sind.Diese Annahme ist Ld.R. allerdings unrealistisch. Selbst wenn ein Informa­tionsmanagement sehr viele Informationen (und damit Handlungsalterna­tiven) erreichbar macht, kann natiirlich nicht davon ausgegangen werden,daB auch alle relevanten Informationen und Handlungsalternativen erkannt

13 Spatestens seit dem " Paten" wissen wir, daB kooperative Spiele in diesem Mi-lieu die Regel sind, denn es existiert eine iibergeordnete Kontrollinstanz, dienieht-kooperatives Verhalten in iiberaus unangenehmer Form bestraft, d.h . derEntfall einer Haftstrafe kann - in gewissen Situationen - in der entspreehendenEntseheidungsmatrix aueh dureh "Tod des Entseheiders" ersetzt werden .

2.3 Modelle des individuellen Entscheidungs- und Informationsverhaltens 35

(und verarbeitet) werden . Eine Theorie, die nur eine Alternativenauswahlberiicksichtigt, ist aber auch deshalb sehr eingeschriinkt, weil die Problemer­kennung nicht einbezogen ist .

Weiterhin ist zu bedenken, daB in einem Unternehmen immer eine Folgevon Entscheidungen zu treffen ist. Dabei ist das Ergebnis einer Entscheidungauch als Input folgender Entscheidungen zu sehen. Ob durch Optimierung imRahmen der Einzelentscheidungen (bei ausschlieBlicher Beachtung der par­tiellen Probleme) auch immer im Sinne des globalen Ziels (z.B. Erhalt desUnternehmens oder langfristige Gewinnziele) entschieden wird, ist aufgrundder Teilbetrachtungen ebenfalls fraglich. Simon (1981) beschreibt Entschei­dungsprozesse als "organisiertes System von Beziehungen" , in dem Menscheniiber die Input Output-Beziehungen ihrer Entscheidungen diese Systeme de­finieren.

Ein weiteres Problem besteht darin, daB in vielen Entscheidungssituatio­nen, auch wenn alle Alternativen prinzipiell bekannt sind, die Berechnungdes Nutzens aller Alternativen (und der Vergleich dieser) - nach heutigemErkenntnisstand - quasi unmoglich ist. So reicht fiir viele Problemstellun­gen die Lebensdauer des Universums nicht aus, urn sie optimal zu losen,was auch durch eine (wesentliche) Verbesserung der Rechengeschwindigkeitennicht umgangen werden kann.!" Im Bereich des Operations Research werdenVerfahren entwickelt, die bei einer groBen Anzahl an Alternativen eine ge­eignete Auswahl an Alternativen treffen und diese miteinander vergleichen.Dieser Bereich der Heuristiken beschreibt im wesentlichen eine "lokale" Suchenach "guten" Alternativen, d.h . es werden bestehende Losungen sukzessiveveriindert (oder miteinander kombiniert), urn zu besseren Losungen zu ge­langen.

Der wesentliche EngpaB im EntscheidungsprozeB liegt aber nicht unbe­dingt in der Auswahl und dem Vergleich der Alternativen; vielmehr ist dieBeschaffung der Informationen ein wesentlicher, realer EngpaB im Entschei­dungsprozeB. Fiir die Phasen der Problemerkennung und des Aufstellensvon Handlungsalternativen sind Daten (und/oder Informationen) notwendig.Dariiber hinaus sind Kommunikationsprobleme, d.h. Probleme beziiglich derVerstiindigung mit anderen Personen zur Informationsgewinnung bzw. -ver­breitung zu beachten.!" In den beiden folgenden Unterabschnitten werden

14 Den theoretischen Hintergrund hierzu bildet die Komplexitatstheorie, die u .a.besagt, dafi fiir eine bestimmte Klasse von Problemen kein Verfahren bekanntist, urn Instanzen dieser Probleme mit polynomialem Zeitaufwand zu losen. Diesbedeutet, daf fiir solche Probleme der Rechenaufwand zur Bestimmung eineroptimalen Losung exponentiell mit der Problemgrofle ansteigt . Zu einer Klassi­fikation von Problemen gemaf ihres "Schwierigkeitsgrades" wird auf Garey undJohnson (1979) verwiesen; vgl. auch Papadimitriou (1994), Fink und Vo13 (1998a)sowie Vollmer (1999) .

15 Schneider (1995) versucht - im Zusammenhang mit den bisher erfolgten kriti­schen Anmerkungen zur normativen Entscheidungstheorie - , eine (ganzheitliche)Informations- und Entscheidungstheorie zu skizzieren. Dabei steht die Kritik anbestehenden Modellen der klassischen Entscheidungstheorie im Vordergrund der

36 2. Inforrnations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

wir daher auf Engpasse, die in der Problemerkennung und der Suche nachHandlungsalternativen auftreten, genauer eingehen .

2.3.2 Problemerkennung

Die individue11e Entscheidungssituation ist durch die Umwelt, das individu­e11e Realitatsmodell und das (sich darin befindliche) Problem gekennzeichnet.Um Probleme zu erkennen, benotigt man Informationen. Nach Adam (1996)konnen diese sogenannten Anregungsinformationen sowohl intern als auch un­ternehmensextern vorliegen. Externe Informationen sind z.B. Informationeniiber die neuen Produktionsverfahren eines Konkurrenten, die zum AnlaB ha­ben, die eigene Produktion zu iiberdenken. Interne Anregungsinformationensind meist das Ergebnis bereits abgeschlossener Planungsprozesse, in denenAbweichungen von 8011- zu Istgroflen als Problem identifiziert werden. Hierzudienen unternehmensweite Kontro11en, die den Grad der Ubereinstimmungder beiden GroBen iiberpriifen. Diese reaktive Vorgehensweise kann um eineproaktive, d.h . antizipative Anpassungs- und Innovationsfunktion (des Con­trolling) erganzt werden . Ein friihzeitiges Erkennen von Gefahren, aber auchvon Moglichkeiten der Verbesserung von z.B. internen Ablaufen ist Basis fiirAnregungsinformationen.

Die Problemerkennung kann grob in eine prezeptive und in eine rezeptive"Vorgehensweise" unterschieden werden . In der prezeptiven Problemwahr­nehmung werden aggregierte Daten (und/oder Informationen) in Verbindungzu einem ganzheitlichen Realitatsmodell gesetzt, und das Problem wird als

Betrachtung; neue, als normativ zu erachtende Konzepte und Methoden wer­den hingegen nicht prasentiert. Seine Kritik bezieht sich im wesentlichen auf dieGrenzen verniinftiger Erwartungen und ein "Abkanzeln" des Konzepts subjek­tiver Wahrscheinlichkeiten iiber das Eintreten von Umweltzustiinden. An vielenStellen schlieBt er , daf ein Anwenden normativer Modelle aus Grunden der Un­sicherheit - z.B. auch dariiber, ob aile Alternativen erkannt wurden - unsinnigist . Diese als absolut zu bewertenden Aussagen bilden allerdings nicht die Basisfur die weiteren Ausfiihrungen dieses Buches. Wir teilen vielmehr die Kritik vonLaux (1996) an den Ausfiihrungen Schneiders: Wesentliche Probleme bezuglichder Bewertung von Eintrittswahrscheinlichkeiten werden auch in der Literaturzur Entscheidungstheorie erkannt und behandelt. Die Modelle und Vorgaben derEntscheidungstheorie sind trotz dieser Probleme als wesentliche Gestaltungsvor­schliige zur Strukturierung von Entscheidungsproblemen und der Alternativen­auswahl zu bezeichnen. Das Informationsmanagement hat in diesem Kontextdie Aufgabe, den Entscheidern die Aufstellung von Alternativen und die Be­wertung von subjektiven Wahrscheinlichkeiten zu erleichtern, indem eine Basiszum vereinfachten Erreichen (und Verarbeiten) von Informationen bereitgestelltwird. Ob damit in jeder Situation auch global betrachtet eine bessere Losunggefunden wird, ist nahezu irrelevant. Wichtig ist, daB durchschnittlich bessereLosungen gefunden werden . So kann der mittel- bis langfristige Erfolg von nor­mativen Methoden der Entscheidungstheorie fur viele Entscheidungssituationen,z.B. im Bereich des Wertpapierhandels, tatsachlich auch beobachtet werden .

2.3 Modelle des individuellen Entscheidungs- und Informationsverhaltens 37

Abweichung identifizlert.!" Die rezeptive Problemwahrnehmung geht von ei­nem Detailwissen, also einer breiten Informationsbasis, aus, von der der Ent­scheider spezifisches Wissen ableiten kann , d.h. daf er die Fahigkeit besitzt,relevante Informationen herauszufiltern.

In diesem Zusammenhang sind die Arbeiten von Schon (1983) und Goff­man (1989) zu nennen, die Problemwahrnehmung und -strukturierung, dieeng miteinander verkniipft sind, mit den Prinzipien Framing und Namingangehen, urn aufzuzeigen, warum unterschiedliche Personen unterschiedlicheProbleme identifizieren. Framing ist ein Synonym fiir die Art, wie eine PersonDinge realisiert, indem sie Schemata zur Interpretation (Frameworks) nutzt.Goffman geht davon aus, daf Menschen geschichtete Rahmenwerke als Re­ferenzen entwickeln, die zur Erkennung von Dingen dienen und somit einganzheitliches Realitatsmodell definieren.

Schon (1983) beschreibt die Art, wie Manager bzw. Berater in bezug aufdie Problemerkennung agieren. Teil des Prozesses, den er Problem Settingnennt, ist Framing der eigenen Rolle und der Situation sowie ein Namingder Aspekte, die anzugehen sind; d.h. wir benennen die Dinge und schaffengleichzeitig , und eventuell unbewuBt, den Rahmen, wie wir an sie herange­hen. Pidd (1996) beschreibt die Problemstrukturierung als einen interaktivenProzeB von Naming und Framing, der einer Kunst naher kommt als einerWissenschaft, zumal normalerweise mehrere Personen in diesem Prozef ko­operieren.

Die rezeptive Wahrnehmung kann auch unter dem Aspekt der Strategic­entwicklung betrachtet werden . Mintzberg (1991) argumentiert, daf viele er­folgreiche Strategien nicht analytisch geplant werden, sondern eher Ergebnisvon Adaption und Lernen im aktuellen Kontext des Unternehmens sind. Inkleinen Veranderungen, z.B. in Arbeitsablaufen, werden Muster (Patterns) er­kannt und zu Strategien entwickelt . Der rezeptiv wahrnehmende Entscheiderist somit durch das Erkennen von Mustern (z.B. in Entwicklungen) befahigt,Visionen zu entwickeln . Diese Wahrnehmung ist im wesentlichen auf eine er­folgreiche Verstandigung zuriickzufiihren, Eine empirische Analyse des Kom­munikationsverhaltens von mittleren und hoheren Managern kommt zu demErgebnis, daf ca. zwei Drittel der Arbeitszeit fiir Kommunikation und Infor­mation genutzt werden; vgl. Picot und Reichwald (1987), S. 30.

Die Entscheidungsfindung kann analytisch-systematisch erfolgen, d.h. imSinne der oben angegebenen Phasenmodelle von Entscheidungsprozessen sindProbleme zu analysieren und zu strukturieren, urn dann zu einer quantitati­ven (eventuell exakten) Losung zu gelangen. Viel haufiger ist der individuelleEntscheidungsprozeB aber heuristisch-intuitiver Natur und durch eine "ganz­heitliche" Problemwahrnehmung gekennzeichnet, wobei einzelne Problem­aspekte nicht formuliert werden. Dies bedeutet, daf der Entscheider zwariiber ein Modell verfiigt , dieses aber nicht explizit formuliert oder erst gar

16 Eine Formalisierung dieses Konzepts der Messung von Abweichungen findet sichin der Betriebswirtschaftslehre als Plan-, 8011- und Ist-Vergleich.

38 2. Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

nicht formulieren kann ; d.h . daB er nicht die Fahigkeit besitzt, implizitesin explizites Wissen zu transformieren; er also nicht iiber ein ausreichendes"Meta-Wissen" verfiigt.

Es bleibt anzumerken, daB eine Kombination dieser beiden Formen zurEntscheidungsfindung in Form einer Zusammenarbeit von Analytikern, diemit Verfahren der Modellierung vertraut sind, und Personen (z.B. Mana­gern), die Detailwissen und den Kontext der Entscheidungssituation kennenund deren Entscheidung ansonsten eher auf (kreativer) Intuition beruht, vongroBer Bedeutung sein kann:

"Perhaps the role of reason is to test out intuition and perhaps therole of intuition is to prevent paralysis by analysis ." (Pidd (1996»

Informationsmanagement muB demnach die notwendige Transparenz imUnternehmen und seinen Ablaufen schaffen, urn Muster individuell erkennenoder Detailwissen extrahieren zu konnen. Die hierzu notwendige DatenbasismuB sich aber gleichzeitig fiir analytische Verfahren eignen .'"

2.3.3 Informationssammlung und Informationsverhalten

Jede Entscheidung ist ein individueller ProzeB, wobei das Entscheidungsver­halten durch individuelle Eigenarten, den kognitiven Stil, die Ausbildung, Er­fahrung, Risikobereitschaft und das Umsystem gekennzeichnet ist. Wir habenfestgestellt , daB das Bereitstellen aller relevanten Informationen kein Garantdafiir ist, daB die richtigen Entscheidungen auch getroffen werden.P Informa­tionen sind diesbeziiglich in Informationen, die in (bekannte) Entscheidungs­modelle, -techniken, -verfahren eingehen (als Entscheidungsparameter), und

17 Diese Anforderungen konnen sich sowohl auf Daten, die in elektronischer Formvorliegen, als auch auf andere Dokumente beziehen. Im Bereich der elektronischvorliegenden Daten sind Datenbanken von besonderer Bedeutung fiir unsere Be­trachtungen. Unter einer Datenbank (DB) verstehen wir eine rechnergestiitzteSammlung von Daten, die von den Anwendungen, die auf ihnen aufsetzen, ge­trennt ist . Ein Datenbanksystem (DBS) ist ein Hilfsmittel zur effizienten, rech­nergestiitzten Organisation, Erzeugung, Manipulation und Verwaltung von ent ­sprechenden Datensammlungen. Neben einer oder mehreren Datenbanken ist dasDatenbankmanagementsystem (DBMS) als Schnittstelle zum Benutzer der we­sentliche Teil von DBS; vgl. Vossen (2000). Datenbanken lassen sich zusatzlichin formatierte und unformatierte Datenbanken unterscheiden, wobei sich insbe­sondere formatierte Datenbanken fiir analytische Verfahren eignen, da hier denDaten ein gemeinsames Schema zur Ablage zugrundeliegt, wahrend der Nutzenunformatierter Datenbestande, wie es z.B. das World Wide Web (WWW) dar­stellt, eher in einer kreativen, ganzheitlichen Problemerkennung und Entschei­dungsfindung gesehen werden kann; vgl. hierzu die Ausfiihrungen in Kap . 7.

18 Es ist noch einmal festzuhalten , daf in kaum einer Entscheidungssituati­on vollstandige Information vorliegt. Dies liegt sowohl am gewahlten Rea­litatsausschnitt (Anzahl der Handlungsalternativen) als auch an den gewahltenMethoden der Entscheidungsfindung bzw. Modellierung der Entscheidungssitua­tion.

2.3 Modelle des individuellen Entscheidungs- und Informationsverhaltens 39

Informationen fiber Entscheidungsmodelle, -techniken, -verfahren zu unter­scheiden . Adam (1996) klassifiziert Entscheidungsinformationen in:

1. Informationen iiber die Ziele, die mit der Losung eines Problems verfolgtwerden sollen

2. Informationen iiber die Handlungsalternativen bzw. die Variablen einesProblems

3. Informationen iiber die okonomisch relevanten Konsequenzen von Ent­scheidungen

Eine fiir das Informationsmanagement wichtige Fragestellung ist, was Ent­scheidungen unter der Annahme, daf der Entscheider gewillt ist, rational zuentscheiden, schwierig macht. Neben den oben bereits genannten Problemendes Erkennens von Handlungs- und - daraus abgeleitet - Entscheidungsbedarfund die Unsicherheit iiber die Zukunft, liegt zudem oftmals ein mehrdimen­sionales Zielsystem (mit eventuell konkurrierenden Zielen) vor.

Es ist daher wichtig, das individuelle Informationsverhalten naher zu be­trachten. Problem ist, daB nicht nur der Nutzen einer Entscheidung subjek­tiv anders empfunden wird als z.B. aus Unternehmensgesamtsicht, sondernauch das AusmaB der notwendigen Informationen, urn ein gegebenes Problemvollstandig zu identifizieren oder eine Entscheidung rational zu treffen.

Ein wesentliches Problem stellt hier die Beschranktheit der menschlichen,kognitiven Informationsverarbeitungskapazitat dar; vgl. z.B. Miller (1956).Diese (natiirliche) Begrenzung laBt sich zwar durch verschiedene Technikenerweitern, prinzipiell laBt sich aber der Schluf ziehen, daB "die kognitivenFahigkeiten von Menschen in aller Regel kaum ausreichen, urn komplexe Auf­gabenstellungen vollstandig zu durchdringen, den relevanten Informationsbe­darf festzustellen und aIle Informationen vollstandig zu verarbeiten" (Picotet al. (1996), S. 87).

Dies fiihrt uns zu dem Begriff der eingeschriinkten Rationalitiit. Diese kannals beabsichtigtes verniinftiges Handeln, das aber nur begrenzt verniinftigmoglich ist, verstanden werden . Das Satisficing Concept nach Simon (1982)ist ein Modell der eingeschrankten Rationalitat, das darauf beruht, daf dieAlternativensuche (Design-Phase von Informationsaktivitatenl") nur solangefortgesetzt wird, bis eine (individuell) bestimmte Anzahl von Kriterien erfiilltist . Das Entscheidungsverhalten richtet sich demnach auch am Anspruch desEntscheiders aus, der eine sukzessive Alternativenauswahl durchfiihrt, bis einbestimmtes Niveau erreicht ist . Dieses Anspruchsniveau kann sich am Zieldes Entscheiders (z.B. Anerkennung durch den Chef oder eine rein monetareGroBe) oder an seinem personlichen Aufwand orientieren, urn iiberhaupt zueiner Entscheidung zu gelangen . Es laBt sich also festhalten, daB die Auswahlan Handlungsmoglichkeiten von einer Fiille von Handlungsmotiven und der

19 Hierunter werden aile Aktivitiiten zusammengefaJ3t , die ein Entscheider unter­nimmt, urn in den Besitz der Informationen zu gelangen, die er (aus subjektiverSicht) fur eine Entscheidung benotigt.

40 2. Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

Unbequemlichkeit der Informationsbeschaffung und -auswertung abhangt.Nach diesem Ansatz ist der Mensch kein maximizing Animal, sondern eherein satisficing Animal; statt der Nutzenmaximierung liegt eher eine Anpas­sung des Anspruchs auf Rationalitat an vorgegebene bzw. bequem erreichbareInformationen VOL Die Auseinandersetzung mit der Beschleunigung entspre­chender Suchprozesse bietet hier ein breit gefachertes Aufgabenfeld fiir dasInformationsmanagement.

Es ist dabei weiterhin zu beachten, daB das Anspruchsniveau Schwan­kungen untcrliegt . Die Suche nach neuen Alternativen wird zwar fortgesetzt ,wenn die Kriterien durch bisherige Alternativen nicht erfiillt werden, zugleichkann aber auch die Situation eintreten, daB das Niveau aufgrund vieler, klei­ner MiBerfolge schlieBlich gesenkt wird.

Die Unbequemlichkeit der Informationsbeschaffung setzt der Suche nachInformationen somit eine Grenze. Diese Grenze ist in vielen Fallen natiirlichsinnvoll. O'Reilly (1983) benennt in seinem Modell des Informations- undKommunikationsverhaltens weitere EinfluBfaktoren fiir das Informationsver­halten. Die Beriicksichtigung von Informationen hangt von folgenden Fakto­ren ab:

1. Bedeutung fiir die AufgabenerfUllung2. Deutlichkeit der Verkniipfung mit dem fiir den Entscheider relevanten

Planungs-, Kontroll- und Bewertungssystem, d.h. den Moglichkeiten vonBelohnung oder Bestrafung

3. Positive Sanktionierung durch das Kontrollsystem4. Einklang mit den personlichen Zielen des Entscheiders5. Wenige Konflikte mit arbeitsteilig erforderlichen Kooperationspartnern6. Zuganglichkeit (organisatorisch, raumlich, intellektuell)7. Darstellung (Verstandlichkeit, Kompaktheit)8. Vertrauen in die Informationsquelle9. Macht des Informanten gegeniiber der Macht des Entscheiders

Ein Punkt, den wir bisher noch nicht angesprochen haben, ist die Ef­fizienz von Informationsaktivitaten. Betrachtungsgegenstande sind der Zu­sammenhang zwischen Inforrnationsaktivitaten und EntscheidungsprozeBver­besserung sowie die Form der Kommunikation im Hinblick auf die Entschei­dungsfindung (auch bei Gruppenentscheidungen) . Ein zu hohes Anspruchs­niveau des Entscheiders kann unter Umstanden dazu fiihren, daB die Suchesoweit ausgedehnt wird, daB die Kosten der Suche den zusatzlichen Nutzeniibersteigen. Witte (1972) hat hierzu folgende Hypothesen aufgestellt:

1. Die ErhOhung der Informationsaktivitat wirkt sich zunachst positiv aufdie Entscheidungseffizienz aus .

2. Es gibt allerdings einen Sattigungspunkt, bei dessen Uberschreitung wei­tere Informationsaktivitaten keine Effizienzerhohung mehr bewirken , son­dern nur zusatzliche Informationskosten.

2.3 Modelle des individuellen Entscheidungs- und Informationsverhaltens 41

Als eine (weitere) Anforderung an das Informationsmanagement HiBt sichsomit die Bereitstellung von Werkzeugen und Methoden zur effizienten Ge­staltung von Inforrnationsaktivitaten definieren. Hier sind primar Informati­onskanale zu nennen, wie sie in Tabelle 2.3 aufgefiihrt sind.20

Informationskanalformlose KorrespondenzFormularverkehrtabellarische Berichte,

Analysen

VeroffentlichungenNotizen

Tabelle 2.3. (Neue) Werkzeuge und Methoden der Informationsbereitstellung

Fur welche Aufgaben sich welche Inforrnationskanale eignen, ist damitaber noch nicht gesagt. Hier ist es notwendig, noch einmal die Kommunikati­onsmittel auf die unterschiedlichen Kommunikationsaufgaben abzustimmen(vgl. die Media Richness-Theorie) .

Eine weitere Hypothese Wittes ist, daB bei steigender Komplexitat derProblemstellung die Effizienz dezentraler Netzstrukturen steigt.F! Die Kom­plexitat der Entscheidungssituation kann es tatsachlich erforderlich machen,Informationsbeschaffung und Entscheidung institutional zu trennen, urn denStrukturierungsprozeB (der Problemformulierung und der Aufstellung vonAlternativen) auf mehrere Personen (und Ebenen) zu verteilen; denn derBedarf einer Unterstiitzung durch formalisierte Regeln und Prozeduren, dieeiner dezentralen, systematischen Erfassung und Verarbeitung der relevantenInformationen dienen, steigt mit der Komplexitat der Problemstellungen; vgl.Eisenfiihr und Weber (1994), S. 3.

20 EDI beschreibt einen standardisierten elektronischen Datenaustausch und stelltsomit eine zwischenbetriebliche Kommunikationsform fiir den Austausch von ko­dierten Informationen (zwischen Rechnern) mit spezifizierbarer Semantik dar;vgl. Abschnitt 6.2.4. Entscheidungsunterstiitzende Systeme (DSS) fassen wir alsoffene Systeme auf, mit den en der Benutzer Informationen (durch Modellbildungund -anwendung) verarbeitet ; vgl. Abschnitt 8.1.2.

21 In diesem Zusammenhang kommt Buxmann (1999) bei einer Untersuchung desEinflusses von Entwicklungen der IT auf betriebliche Entscheidungssysteme zu­dem zu dem Ergebnis, daB Fortschritte auf dem Gebiet der KommunikationsnetzeInformationskosten senken und damit letztendlich dezentrale Entscheidungssy­sterne starker begiinstigen als zentrale. Allerdings fiihren Fortschritte in derProzessortechnologie aufgrund vcrbesserter Rechengeschwindigkeiten zu einertendenziellen Bevorteilung zentraler Entscheidungssysteme. Dieser Geschwindig­keitsvorteil ist allerdings immer vor dem Hintergrund der Komplexitatstheoriezu bewerten; vgl. z.B. Garey und Johnson (1979) sowie Fink und VoB (1998a) .

42 2. Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

Als eine Anforderung an das Informationsmanagement laBt sich somit dieBereitstellung von Informationen zur Reduktion der Unsicherheit des Ent­scheiders, die durch fehlende oder unzureichende Strukturierungsfahigkeit(Modellierungsfahigkeit) und fehlende Daten evoziert werden kann , definie­ren .

2.3.4 Gruppen und Gruppenentscheidungen

In den vorangegangenen Abschnitten haben wir uns im wesentlichen mitindividuellen Informations- und Entscheidungsprozessen auseinandergesetzt.Viele betriebliche Entscheidungen enst ehen aber im Kontext von Teamarbeitund entsprechenden Gruppenentscheidungsprozessen. Aus diesem Grund wol­len wir abschlieBend auf Besonderheiten dieser Entscheidungsprozesse undpotentielle Ansatze zur Unterstiitzung durch das Informationsmanagementeingehen.

Der Begriff der Gruppe ist in der Literatur nicht einheitlich definiert ; vgl.hierzu z.B. Teufel et al. (1995) . Ein Ausgangspunkt einer fiir unsere Betrach­tungen sinnvollen Definition findet sich bei Shaw (1976). Eine Gruppe bestehtaus zwei oder mehreren Personen, die miteinander in einer Beziehung stehen,so daB jede Person die andere(n) beeinfluBt und von ihr (ihnen) gleichzeitigbeeinfluBt wird. Die erste Erweiterung der Definition stellt die Forderung nacheinem gemeinsamen Ziel- und Normensystem dar. Eine zweite Erweiterungder Definition kann in der Identifikation der Gruppenmitglieder mit einergemeinsamen Bezugsperson bestehen. Mit diesem erweiterten Definitonsan­satz sind Gruppen, die innerhalb eines Unternehmens agieren, weitestgehendspezifiziert. Das gemeinsame Zielsystem resultiert hier zum Teil aus den Un­ternehmenszielen.

Gruppenentscheidungen sind in Unternehmen wahrscheinlich der Regel­fall. Es besteht aber kein genereller Leistungsvorteil der Gruppe (speziellgroBer Gruppen) gegeniiber Individualentscheidern. Es lassen sich hierzu dreiEffizienzhypothesen aufstellenr'''

1. Die Gruppe leistet weniger als ihr bestes Mitglied (inkompetente Mehr­heit der Gruppe, Diskrepanz von Qualifikation und Dominanz einzelnerGruppenmitglieder, Gruppendruck).

2. Die Gruppe leistet soviel wie ihr bestes Mitglied (das qualifiziertesteGruppenmitglied setzt sich durch) .

3. Die Gruppe leistet mehr als ihr bestes Mitglied (Heterogenitat der Mit­glieder hinsichtlich der Kenntnisse und Sichtweisen , kein Gruppendruck

22 Vgl. z.B. O 'Leary (1998) zu einer vergleichenden Studie im Rahmen der Wis­sensakquisition, in der Experten bzw. Gruppen von Experten befragt wurden,bestimmte Wirkungszusammenhange mit Wahrscheinlichkeiten zu belegen . Indieser Studie wirkte sich die parallele Befragung mehrerer Experten aufgrundder Kompensation der Fehler einzelner - und weiterer Synergieeffekte - als po­sitiv auf die Ergebnisgiite aus .

2.4 Neue Institutionsokonomik 43

und positive Synergieeffekte - z.B. die Kompensation von Fehlern einzel­ner).

Kritische Faktoren im Rahmen von Gruppenentscheidungen sind dieGruppenuniJormitiit, die durch einen Autoritatsdruck (z.B. rhetorische Fa­higkeiten eines Mitglieds) oder einen allgemeinen Gruppendruck ausgelostwerden konnen, die K ompromiflfindung als Koordinationsproblematik unter­schiedlicher Informationsstande oder unterschiedlicher Ziele, der relativ hoheZeitauJwand durch die Notwendigkeit der Koordination und die Tendenz zurisikoreichen Entscheidungen ("risky-shift"), der durch ein Gefiihl der Si­cherheit einzelner Mitglieder in der Anonymitat der Gruppe evoziert werdenkann. Daneben haben der angewendete Fiihrungsstil in Verbindung mit derGroBe der Gruppe sowie die raumliche Verteilung der Mitglieder wesentlichenEinfluB auf die Entscheidungseffizienz. So fiihrt eine raumliche Verteilungder Gruppenmitglieder oftmals zu einer hoheren Genauigkeit in bestimmtenAufgaben, wahrend auf der anderen Seite ein hoheres Konfliktpotential ent­steht, die Kommunikation weniger effizient ist und die Zufriedenheit iiber dieGruppenarbeit abnimmt; vgl. hierzu DeSanctis und Gallupe (1987) sowie dieAusfiihrungen zur Media Richness-Theorie (Kap. 2.2.4).

Ein Entgegenwirken der Gruppenuniformitat sollte (vor allem) zur Ideen­generierung durch eine Unterstiitzung von Anonymitat sowie eine geregeltePartizipation zur Senkung der Dominanz einzelner Teilnehmer erfolgen. DieKompromiBfindung (Koordinationsproblematik) kann durch die Schaffung ei­ner einheitlichen Informationsbasis und einer Strukturierung und Koordina­tion des (Gruppen-) Entscheidungsprozesses unterstiitzt werden. Der mit ei­ner Gruppenentscheidung verbundene relativ hohe Zeitaufwand kann durchdie Unterstiitzung paralleler Problemlosungsaktivitaten und kurze Antwort­zeiten an eingesetzte Informationssysteme gesenkt werden. Urn risikorei­che Entscheidungen zu vermeiden, ist eine Erhohung der Transparenz desEntscheidungsprozesses (z.B. durch Kennzeichnung der Beitrage einzelnerMitglieder) notwendig. Dieser Gestaltungsvorschlag wirkt allerdings Ld.R.Bemiihungen entgegen, Gruppenuniformitat zu vermeiden. Das Informati­onsmanagement hat in diesem Zusammenhang die Aufgabe, entsprechendePotentiale zur Unterstiitzung und Verbesserung von Gruppenentscheidungs­prozessen durch den gezielten Einsatz von Groupware-Systemen umzusetzen;vgl. Kap . 9.1.

2.4 Neue Instrtutionsokonomik

In diesem Abschnitt wollen wir die Blickrichtung auf die Begriffswelt Informa­tion und Kommunikation noch einmal verschieben und auch den Bezug zurUnternehmensfiihrung verdeutlichen. Wie oben beschrieben, dienen alle In­formationsaktivitaten dazu, Entscheidungsprozesse zu induzieren. Man kann

44 2. Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

Informations- und Kommunikationsbeziehungen auch als (notwendigen) Ko­ordinationsaufwand (im EntscheidungsprozeB) betrachten, und Transaktions­kosten treten in den Mittelpunkt der Betrachtung. Diese konnen als Kostenfiir die Produktion einer Koordinationsleistung bezeichnet werden (Coase(1979)) . Sie beinhaltet die Anbahnung, Vereinbarung, Abwicklung , Kontrolleund Anpassung einer Transaktionsbeziehung. Die Transaktionskosten entste­hen zum gr6Bten Teil durch die Beschaffung , Verarbeitung und Bereitstellungvon Informationen; vgl. Picot et al. (1996).

Innerhalb der Institutionsokonornik und der Organisationstheorie wirddie Frage diskutiert, welche Koordinationsmuster fiir Teilaufgaben, wie sieim Unternehmen vorzufinden sind, die damit verbundenen Transaktions­kosten minimieren. Die Transaktionskostentheorie ist neben der PropertyRights- und der Agency-Theorie ein Teil der Neuen Institutionsiikonomik. Inder Neuen Institutionsokonomik wird die statische Betrachtung und Analysevon Produktionsfunktionen (der Mikro6konomie) aufgegeben; iibernommenwird hingegen das Prinzip des methodologischen Individualismus, d.h. derindividuell praferierten Nutzenmaximierung. Das neoklassische Modell ei­ner Realitiit ohne Transaktionskosten, in der symmetrische Information undvollstiindige Voraussicht herrschen, wird aufgegeben. Die Handlungen dereinzelnen Individuen sind in der Neuen Institutionsokonomik nicht mehr vonallen anderen Individuen beobachtbar. Ferner sind kiinftige Umweltzustiindenicht mehr einschlieBlich ihrer Eintrittswahrscheinlichkeiten bekannt. Auf­gabe der Modelle innerhalb der Neuen Institutionsokonornik ist es, herauszu­stellen, welche institutionellen Voraussetzungen (z.B. in Form von Vertriigen)zu schaffen sind , urn Informations- bzw. Transaktionskosten zu senken; vgl.Richter und Furubotn (1996).

Wenn nun dem Aufgabengebiet des Informationsmanagements die stra­tegische Ausgestaltung der Informations- und Kommunikationstechnologieobliegt und gleichzeitig verlangt wird, daf sich diese an den Zielen der Unter­nehmensfiihrung orientieren soll, so ist dies eine nur bedingt sinnvolle Tren­nung, denn durch die Veriinderung der Art der Beschaffung, Verarbeitungund Bereitstellung von Informationen (und zwar als Aufgabengebiet des In­formationsmanagements) wird eine Verringerung der Transaktionskosten an­gestrebt und somit zwangsweise auch eine implizite Veranderung der Koor­dination der Arbeit, d.h. auch der Organisation, gefordert .

An der Trennung von Technik und Organisation sind bereits in den 70erJahren die ersten Versuche gescheitert , entscheidungsunterstiitzende Systemeeinzufiihren. Viele Experten auf diesem Gebiet dachten, eine "Wunderwaffe"gefunden zu haben:

" Basically, we thought we had on our hands a business, a big business ,or at least a 'solution' to business problems, but all we had was atechnology. And moving a technology into widespread commercial userequires much more than finally getting the documentation writtenfor the LISP code. [. .. ] While Business Process Reengineering is

2.4 Neue Institutionsokonomik 45

a child of the '90s, we realized ten years ago that to get adequatereturns from technologies like expert systems that were being usedto automate or support decision making, those business processesoften had to be radically altered. 'Organizational Change,' the lastthing a marketing guy wants on his products ' requirements specs,was often the essential ingredient in the implementation of a usefulknowledge system." (Barr und Tessler (1995))

Aus dieser Sichtweise erklart sich auch die Einfiihrung von Standardsoft­ware wie z.B. SAP R/3 weniger als Sammlung von betriebswirtschaftlichenVerfahren, sondern vielmehr als (gewiinschte) Initialziindung fiir organisato­rische Veranderung. Die Transaktionskostentheorie kann in Abhangigkeit derAufgaben Aufschluf iiber zu wahlende kostenminimale Kooperationsformengeben . Wir werden in den folgenden Unterabschnitten auf die Kosten, diefiir das Informationsmanagement relevant sind, naher eingehen und moglicheAufgabenfelder aus dieser kostenorientierten Sichtweise explizit nennen.

2.4.1 Property Rights-Theorie

Die Property Rights-Theorie bietet die Basis fiir die Betrachtung der Gestal­tung (Koordination) der Informationsbeziehungen innerhalb einer Organisa­tion . Sie basiert auf den Annahmen, daB jedes Individuum in der Organisa­tion seinen individuellen Nutzen maximieren will, daB Property Rights explizitvorliegen, mit der Verteilung der Rechte Transaktionskosten verbunden sindsowie weitere ext erne Effekte vorliegen.

Unter Property Rights versteht man alle Handlungsalternativen von In­dividuen, die in einer Gruppe oder Gesellschaft akzeptiert bzw. erlaubt sind.Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind dies Handlungs- und Verfiigungsrechte,die institutional festgelegt und rechtlicher, okonomischer oder sozialer Natursind. In der Property Rights-theoretischen Analyse stehen Fragen der Spe­zifizierung und Verteilung der Rechte sowie der damit verbundenen Anreiz­wirkungen fiir das Verhalten der Individuen innerhalb der Organisation imVordergrund der Betrachtung. Property Rights werden unterschieden in:

• Usus: Recht zur Nutzung eines Gutes• Abusus: Recht zur formalen und materiellen Veranderung eines Gutes• Usus Fructus: Recht zur Einb ehaltung von Nutzungsertragen• Recht zur vollstandigen oder teilweisen Veraufierung eines Gutes

Die Rechte konnen in Hinblick auf ein Gut (z.B. eine Datenbank) teilweiseoder vollstandig spezifiziert sein, und sie konn en einem Individuum oder meh­reren Individuen zugeordnet sein. Transaktionskosten entstehen durch dieBildung, Zuordnung, Ubertragung und Durchsetzung von Property Rights.Transaktionskosten, die im wesentlichen durch Information und Kommuni­kation entstehen, konnen somit als Bewertungskriterium fiir die Verteilungder Rechte herangezogen werden; vgl. Picot et al. (1996).

46 2. Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

Im Rahmen der Reorganisation von Unternehmen wird im Kontext derUnternehmensmodellierung auch oftmals eine detaillierte Aufschliisselung derProperty Rights angestrebt, da die Modularisierung und Dezentralisierungvon Funktions- und gleichzeitig Kompetenzbereichen als Neuverteilung derProperty Rights verstanden werden kann. In diesem Zusammenhang ist wei­terhin anzumerken, daB eine aufgabenorientierte Verteilung der PropertyRights (im Sinne der Entscheidungskompetenz) zu einer Reduzierung der Ar­beitsteilung und Spezialisierung fiihrt. Ziel ist hierbei auch, die Motivationund Verantwortung der einzelnen Aufgabentrager fiir ihre Aufgabenerfiillungzu steigern; vgl. Picot et al. (1996) .23

Die Sicherung und Durchsetzung der Property Rights ist von wesentlicherBedeutung, insbesondere in bezug auf eine innovative Wissensproduktion.Hat ein Entscheider keinen (privaten) Nutzen seiner Handlungen oder eineWissensmehrung (und -verbreitung) , so besteht wenig Anreiz, iiberhaupt zuhandeln.

2.4.2 Transaktionskostentheorie

Transaktionskosten sind Kosten der Information und Kommunikation fiir dieAnbahnung, Vereinbarung, Abwicklung, Kontrolle und Anpassung eines Lei­stungsaustausches. Transaktionskosten entstehen z.B. bei der Bildung, Nut­zung und dem Tausch von Property Rights.

Die Hohe der Transaktionskosten ist abhangig von der Art und Haufigkeitder zu erbringenden Leistung, von den Verhaltensmerkmalen der beteiligtenPersonen und der gewahlten Organisationsform; vgl. Williamson (1979). AlsKoordinationsformen kommen Markt , Hierarchie und alle Zwischenformen inFrage. Zur Begrenzung der Transaktionskosten sind gegebenenfalls Koordi­nationsformen zu bilden, die die Transaktionspartner starker einbinden undopportunistisches Verhalten unterdriicken, z.B . durch Bildung hierarchischerStrukturen mit langerfristigen Beziehungen und Anreiz- und Kontrollsyste­men .24

Eine detailliertere Aufstellung der Einfluflgroflen auf die Transaktionsko­sten findet sich bei Williamson (1991) in seinem Modell des OrganizationalFailure Framework; eine Beschreibung findet sich z.B. auch bei Picot et al.(1996). Hier werden explizit die beschrankte Rationalitat der beteiligten Per­sonen, der Hang zu opportunistischem Verhalten, asymmetrische Inforrnati­onsverteilung (die Ausgangspunkt der Agency-Theorie ist), Unsicherheit iiberAufgabenveranderung etc. sowie die Spezijitiit als Einfluflgrofen genannt.

23 In der Argumentationskette von Simons Modell der eingeschrankten Rationalitiitware dies gleichbedeutend mit einer Anhebung des individuellen Anspruchsni­veaus, dem eine vom Entscheider gefundene Handlungsalternative geniigen muB.

24 Verschiedene Strategien im Rahmen der Wahl effizienter Koordinationsformenwerden von Williamson (1979) behandelt . Unternehmen besitzen in diesem Zu­sam men hang nur dann ein Existenzrecht, wenn die (internen) Koordinations­kosten niedriger ausfallen als bei einer Abwicklung mit externen Partnern; vgl.Picot et al. (1996).

2.4 Neue Institutionsokonomik 47

Die Spezifitat ist als ein MaB fiir die Breite an Handlungsspielraum zuverstehen, der sich bei Ubertragung einer Teilaufgabe an eine Person (oderGruppe) daraus ergibt, daf das Ergebnis vom (hierarchisch iibergeordneten)Entscheider nur mit groBem Aufwand kontrollierbar ist .25 Der Spezifitatsgradeiner Transaktion ist umso hoher, je grofer der Werteverlust ist, wenn diezur Aufgabenerfiillung erforderlichen Ressourcen nicht gemaf der angestreb­ten Verwendung eingesetzt werden. Die Spezifitat wird als Haupteinfiufigrofefiir Transaktionskosten betrachtet und kann sich auf das erforderliche Wissen,auf zu tatigende Investitionen, Logistikanforderungen oder auch Geheimhal­tungsbediirfnisse beziehen. Die Spezifitat wird dann zum Problem, wenn diePerson, die eine Aufgabe zu bearbeiten hat, opportunistisch handelt, also be­wuBt die ihm zur Verfiigung stehenden Ressourcen nicht gemaf der (aus Un­ternehmensgesamtsicht) angestrebten Verwendung einsetzt. Effiziente Koor­dinationsformen, gekennzeichnet durch minimale Transaktionskosten, haugensomit wesentlich von der Spezifitat der zu erstellenden Leistung ab; vgl. Abb.2.4.

Transaktions­kosten

Marktliche Koordinations- HierarchischeKoordination form mittleren Koordination

Grades

Spezifitatsgrad

Abbildung 2.4. Koordinationsformen auf der Basis von Transaktionskosten undSpezifitat; vgl. Williamson (1975)

In der Ausgestaltung von hierarchischen Informationsstrukturen liegt einAnsatzpunkt fiir das Informationsmanagement. Einer InformationsbeziehungmiiBte nach diesen Ansatzen die Definition von Verfiigungsrechten und Infor­mationskanalen iiber Informationen vorausgehen. Ziel einer solchen Forma­lisierung ist die zweckgerichtete und effiziente Zuweisung von Informationenim Rahmen eines Kooperationsdesigns. Der Informationsbereitstellung liegthier die Auffassung einer Besteller-Ersteller-Beziehung von Informationen zu­grunde, in der auch Hol- bzw. Bringschulden fiir Informationen definiert sind.

25 Die zur Kontrolle notwendigen Informationen sind in diesem Fall als sticky, d.h.nur mit erheblichem Aufwand transferierbar, zu bezeichnen; vgl. von Hippel(1994).

48 2. Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

Dieser Aspekt wird im Unterabschnitt zur Agency-Theorie noch einmal auf­gegriffen.

Das Informationsmanagement allein als Weg zu verbesserten Kontroll­und Sanktionsstrukturen zu betrachten, ware allerdings zu kurz gefaBt. Wieman der Abb . 2.4 entnehmen kann, wird eine hierarchische Koordinationerst dann erforderlich, wenn eine hohe Spezifitat der Aufgabe vorliegt . Einehohe Spezifitat ist dabei Ld.R. mit einer hohen Stickiness der zur Aufga­benerfiillung - und aus Sicht des Leistungsempfangers der zur Leistungsver­einbarung und Kontrolle - notwendigen Informationen verbunden; vgl. vonHippel (1994) . Die Stickiness von (Vereinbarungs- und Kontroll-) Informa­tionen kann durch neue Technologien in der Datenhaltung und vor allem imDatenaustausch zum Teil gesenkt werden, d.h. es wird ein vereinfachter Zu­griff auf entsprechende Informationen ermoglicht. Durch neue (preiswerte)Technologien konnen somit die entsprechenden Transaktionskosten gesenktwerden; vgl. Abb . 2.5.

Transaktions­kosten

Marktliche Koordinations­Koordination form mittleren

Grades

HierarchischeKoordination

__ ohne angemesseneInformationstechnik

_ mit angemessenerInformationstechnik

Spezifitatsgrad

Abbildung 2.5. Einfluf der Informationstechnik auf Transaktionskosten undKoordinationsformwahl; vgl. Picot et al. (1996a)

Damit errnoglicht der zielgerichtete Einsatz der Inforrnationstechnik, daBAufgaben, die zuvor mit hohem Informations- und Kommunikationsaufwandangegangen werden muBten, nun immer seltener unternehmensintern (oderan einem Standort) durchgefiihrt werden miissen. Es bietet sich somit fiireine grofere Auswahl an Aufgaben eine marktorientierte Koordinationsforman .26

26 Neben dem Transaktionskostenansatz kann auch ein wissensbasierter Ansatz zurBestimmung (optimaler) Koordinationsformen herangezogen werden . Die Bil­dung von Unternehmen (als hierarchische Koordinationsform) Iii-fit sich nachdiesem Ansatz mit der Bildung gemeinsamer Regeln und gemeinsamen Wis­sens begriinden, die beide nur schwer von Konkurrenten zu imitieren sind . DerGrund fur die Wahl einer hierarchischen Koordinationsform wird somit nichtim wesentlichen in der Kontrolle opportunistischen Verhaltens gesehen, sondern

2.4 Neue Institutionsokonomik 49

Hier liegen Potentiale der Informationstechnik zur Erreichung der Zieleder Unternehmensfiihrung, zu denen auch die Moglichkeit der Einfiihrung ob­jektorientierter Organisationsstrukturen gehort; vgl. Keller (1993). Die Reali­sierung solcher Strukturen basiert auf Informationstechnologien und verdeut­licht die Bedeutung des Zusammenhangs zwischen Informationstechnik undMoglichkeiten der Organisationsentwicklung.F"

2.4.3 Agency-Theorie

Der Ansatz der Agency-Theorie basiert darauf, daB Informationsprozesse in­nerhalb von Kooperationen zwischen Wirtschaftssubjekten ablaufen, die inPrinzipale (delegierende Personen) und Agenten (ausfiihrende Personen) un­terschieden werden . Die Agency-Theorie analysiert Anreiz- und Kontroll­probleme bei asymmetrischer Informationsverteilung, die speziell bei derUbertragung von Property Rights vom Prinzipal auf den Agenten (Linienin­stanzen) auftreten. Es werden also hierarchische Strukturen (im Sinne vonDelegationsbeziehungen) untersucht, die aufgrund asymmetrischer Inforrna­tionsverteilung zwischen den Beteiligten durch suboptimale Informationsbe­ziehungen mit Verhaltensrisiken behaftet sind. Die Unternehmung kann soals ein Netzwerk bestehend aus Agency-Beziehungen mit streng rationalenIndividuen und personlichen Zielsetzungen betrachtet werden. Die dabei vor­handenen Informationsasymmetrien verstarken die Notwendigkeit positiverVerhaltensanreize (vgl. Breid (1995), S. 844).

Es haben sich innerhalb der Agency-Theorie zwei unterschiedliche For­schungsrichtungen entwickelt (vgl. EIschen (1991), S. 43):

• Die positivistische Agency-Theorie beschreibt und erklart die institutio­nelle Gestaltung und das Zustandekommen von Auftragsbeziehungen.

• Die normative oder entscheidungslogische Agency-Theorie ist auch alsPrincipal Agent- Theorie im engeren Sinne bekannt. Sie leitet aus Annah­men mit Hilfe logischer Deduktionen und mathematischer Beweise Gestal­tungsmoglichkeiten fiir Vertragsbedingungen ab oOptirnalitat ist beziiglichdieser Bedingungen dann erreicht, wenn eine Anderung dieser Bedingun­gen nicht mehr moglich ist, ohne einen Vertragspartner schlechter zu stellen(Pareto-Optimalitiit) .

In einer Prinzipal Agent-Beziehung werden vom Agenten Entscheidungengetroffen , die neben dem eigenen Nutzen auch das Nutzenniveau des Prinzi­pals beeintrachtigen, Die Beziehung ist (oftmals) durch einen Informations­vorsprung des Agenten gepragt. Dies errnoglicht dem Agenten prinzipiell die

in der Generierung iiberlegener gemeinsamer Regeln und (implizit vorliegender)Wissensbestiinde, die durch die Motivation der Mitarbeiter errnoglicht wird ; vgl.Osterloh et al. (1999).

27 Auf Moglichkeiten der technischen Realisierung der (raumlichen) Verteilung vonAufgaben und der Zusammenfiihrung informationstechnisch bisher getrennterAblaufe wird in Kapitel 9 eingegangen.

50 2. Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

Moglichkeit, den eigenen Nutzen zum Nachteil des Prinzipals zu steigern (Op­portunismus) . Aus diesen Uberlegungen lassen sich folgende Agency-Kostenableiten; vgl. auch Jensen und Meckling (1976):

• Monitoring Costs: Ressourcenverbrauch des Prinzipals durch Installationvon Uberwachungs- und Anreizsystemen (Kontrollkosten)

• Bonding Costs: Kosten, die der Agent aufwenden muB, urn den Prinzipalzu informieren (Signaling), und Kosten, die durch Unterlassung von denPrinzipal schadigenden Aktionen entstehen

• Residual Loss Costs: Opportunitatskosten optimaler, aber unvollstandigdurchsetzbarer Vertrage (Differenz zwischen optimaler und realisierterLosung)

Ein Ziel des Informationsmanagements ist es, bestehende Informations­asymmetrien aufzuheben oder zumindest abzubauen. Dabei sind folgendeTypen von Informationsasymmetrien zu unterscheiden (vgl. Breid (1995)):

• Hidden Characteristics• Hidden Intention• Hidden Action• Hidden Information

Hidden Characteristics bezeichnen Informationsasymmetrien, die aus ver­borgenen, dem Prinzipal schadenden Eigenschaften des Agenten bestehen; siewerden dem Prinzipal vor VertragsabschluB verschwiegen. Geht der Prinzi­pal die Vertragsbeziehung ein, so besteht die Gefahr einer unerwiinschtenPersonalauswahl (adverse Selection). Urn dies zu vermeiden, wird nach An­zeichen gesucht, die auf bestimmte unerwiinschte Eigenschaften des AgentenschlieBen lassen. Dazu dienen die folgenden Methoden:

• Signaling beschreibt das Ausfiltern bestimmter Bewerber durch Vorgabespezifischer Anforderungen in Vorausscheidungen (Screening).

• Die Selbstauswahl von Kandidaten kann durch die Schaffung bestimmterBedingungen erreicht werden, die es nur fiir eine erwiinschte Gruppe loh­nenswert macht, eine Vertragsbeziehung einzugehen (self Selection). Hierzuwerden verschieden strukturierte Vertrage angeboten. Aus der Wahl desAgenten kann dann auf seine Eigenschaften geschlossen werden (vgl. Spre­mann (1989), S. 11, und Neus (1989), S. 18).

Bestehen die verborgenen Absichten des Agenten sowohl vor als auch nachVertragsabschluB, so wird diese Art der Informationsasymmetrie mit hid­den Intention bezeichnet. Hierdurch wird die Durchsetzung nicht ausdriick­lich im Vertrag formulierter Anspriiche des Prinzipals negativ beeinfluBt. Dadie Existenz unvollstandiger Vertrage annahmegernaf vorliegt, besteht fiirden Prinzipal die Gefahr, daf der Agent als Entscheidungstrager in der Un­ternehmung nicht explizit abgegrenzte Verhaltensspielraume zu Lasten desPrinzipals ausnutzt. So besteht z.B. die Moglichkeit, daf der Agent ihn nach

2.4 Neue Institutionsokonomik 51

VertragsabschluB in einer Notlage erpreBt oder ausnutzt (Hold Up), auchwenn der Prinzipal zuvor viel in die Vertragsbeziehung investiert hat; dieseKosten bezeichnet man als Sunk Costs oder auch irreversible Investitionen.Zur Losung dieses Problems kann entweder erneut das Signaling herange­zogen werden oder die Unternehmung kann einen Ruf aufbauen, der sie fiirbestimmte Bewerber attraktiv oder abschreckend wirken liiBt (Reputation)(vgl. Breid (1995), S. 824).

Die typische Form der verborgenen Handlung (hidden Action) ist die Ver­meidung von Anstrengungen des Agenten nach VertragsabschluB. Fiir denAgenten bedeutet jede Form der Anstrengung eine Wohlfahrtsminderung.Der Prinzipal ist jedoch auf die verstiirkte Wahrnehmung seiner Interes­sen fixiert und daher auf ein hohes Anstrengungsniveau seines Agenten be­dacht, das fiir ihn wohlfahrts- oder nutzenmaximierend ist. Die Handlungdes Agenten kann aber nicht oder zumindest nicht kostenlos iiberwacht wer­den. AuBerdem unterliegt das resultierende Handlungsergebnis des Agentenin hohem MaBe zufallig eintretenden Umwelteinfliissen (Unsicherheit). Da­her ist es dem Prinzipal nahezu unmoglich, die Leistung des Agenten ausdem erzielten Handlungsergebnis konkret abzuleiten. So kann z.B. ein Ak­tionar (Prinzipal) nicht erkennen, ob das Management (Agent) einer Unter­nehmung die Moglichkeiten zur Erzielung des Jahresiiberschusses vollstiindigausgeschopft hat, und in welcher Hohe Umwelteinfliisse das Ergebnis positivoder negativ beeinfluBt haben. Die Gefahr der Ineffizienz als Folge von Lei­stungszuriickhaltung (Shirking), wird als moralisches Risiko (moral Hazard)bezeichnet. Diese Form der Informationsasymmetrie liiBt sich mit Hilfe vonInformations- und Kontrollsystemen sowie der Einfiihrung von Anreizsyste­men in Form von Ergebnisbeteiligungen tendenziell losen (vgl. Picot et al.(1996), S. 151 f.). Dies setzt allerdings isoliert meBbare Einzelbeitriige derLeistungen fiir den Fall gemeinsam handelnder Agenten voraus.

Mit hidden Information wird ein Zustand des Informationsvorsprungs desAgenten beschrieben. Dieser besitzt Informationen, die dem Prinzipal nichtvorliegen oder aufgrund eines Kompetenzdefizits nicht durch diesen beurteiltwerden kdnnen. Daher ist es dem Prinzipal auch nicht ersichtlich, ob ein Er­gebnis in bestrnoglicher Weise durch Einbringung dieser Zusatzinformationendes Agenten unterstiitzt bzw. erzielt wurde. Oftmals beziehen sich hiddenInformation auf die Qualitiitsmerkmale eines Agenten. Am Beispiel dezen­tralisierter sozialistischer Wirtschaft kann gezeigt werden, daB Informations­vorspriinge der Arbeiter (Agenten) hinsichtlich des Produktivitatspotentialszu suboptimalen Ergebnissen fiihren konnen. In diesem Fall werden die Ar­beiter der zentralen Planungsstelle Informationen iiber ihr vollstandiges Po­tential vorenthalten, um ein niedrigeres Anstrengungsniveau verwirklichen zukonnen . Die Planungsstelle wird mit dem Problem konfrontiert, sich diese In­formationen zugiinglich zu machen (vgl. Arrow (1985), S. 38 f.). Analog zumProblem der hidden Action bieten Kontrollsysteme und auf Risikopramienbasierende Anreizsysteme auch hier einen Ansatz zur Losung des Informati-

52 2. Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

onsproblems. Zusatzlicher Einsatz der Methoden der Selbstauswahl und derAufbau eines Image (Reputation) vermindern ebenso Informationsasymme­trien; vgl. Neus (1989).

Es ist also dem Prinzipal im Rahmen des Informationsmanagements ge­nerell die notwendige Transparenz zu errnoglichen, urn aIle Kostenblocke derAgency-Kosten zu senken. Aktionsparameter sind die Ausgestaltung der Mo­tivation (Anreizmechanismen) von Agenten bei gleichzeitiger Gestaltung vonKontrollmechanismen.r''

2.5 Beispiel: Entscheidungsprobleme beiunvollstandigen oder unsicheren Informationen sowieasymmetrischer Informationsverteilung

Neben den bereits skizzierten Probiemstellungen, wie z.B. dem Gefangenendi­lemma, existieren weitere Entscheidungssituationen, die durch unvollstandigeoder unsichere Informationen bzw. durch eine asymmetrische Informations­verteilung gekennzeichnet sind. In diesem Abschnitt gehen wir kurz auf ei­nige praxisrelevante Problemstellungen ein. Ziel ist dabei eine kurze Dar­stellung einiger wesentlicher Forschungsgegenstande der Nobelpreistrager fiirWirtschaftswissenschaften des Jahres 1996.29 Dabei wird sich zeigen, daf siein einigen wesentlichen Fragen ihrer Zeit weit voraus waren und Ergebnisseprasentiert haben, die in Teilen nichts von ihrer Aktualitat verloren haben.

Ein Forschungsgebiet von Vickrey war die okonomisch effiziente Gestal­tung von Auktionen; vgl. hierzu Vickrey (1961). Bei Auktionen existierenasymmetrisch verteilte Informationen iiber den von den Teilnehmern jeweilsdem Objekt zugemessenen Wert . Vickrey analysierte insbesondere die (auchoft nach ihm benannte) "Second-Price-Auction": Dabei werden die Gebotegeheim abgegeben, und der Bieter mit dem h6chsten Gebot erhalt das Ob­jekt zum Preis des zweith6chsten Gebots. Vickrey zeigte, daB bei diesemVerfahren die Beteiligten genau den Preis bieten, den sie bereit sind, fiir dasObjekt zu zahlen . Man kann sich dies leicht iiberlegen, wenn man die beidenfolgenden Falle betrachtet:

28 Der Bezug zum Regelkreiskonzept beziiglich unternehmensinterner Controlling­Strukturen sei an dieser Stelle kurz genannt (vgl. z.B. Huch et al. (1998)) .Ein weitergehender Vergleich zwischen Controlling und Informationsmanage­ment wird in Kap. 3 angegeben.

29 Der Nobelpreis fur Wirtschaftswissenschaften wurde 1996 an die beiden Wis­senschaftler Professor James A. Mirrlees der Universitat Cambridge (GB) ,und Professor William Vickrey der Columbia Universitat (USA) verlie­hen ; vgl. hierzu http://www.nobel.se/announcement-96/economy96.html sowiehttp://www.nobel.se/announcement-96/addecon.html (Stand: 10.01.2000). Diewesentlichen Beitrage der beiden ausgezeichneten Wissenschaftler liegen in demBereich der Grundlagenforschung zu Problemstellungen bei unvollstandigen oderunsicheren Informationen bzw. bei asymmetrischer Informationsverteilung.

2.5. Beispiel : Entscheidungen bei asymmetrischer Informationsverteilung 53

• Bietet man tiber seiner Werteinschatzung, so ist es moglich, daBein andererTeilnehmer fast genau so hoch bietet, und man damit das Objekt zu einemPreis erwirbt, der zu hoch liegt .

• Bietet man dagegen unter seiner Werteinschatzung, so nimmt man dasRisiko in Kauf, daf ein anderer das Objekt zu einem Preis erwirbt, derunter der eigenen Werteinschatzung liegt .

Unter der Annahme des rationalen Handelns liegt es damit im Interessedes Einzelnen, gemaB seiner realen Werteinschatzung zu bieten. Andererseitsist die Auktion aber auch sozial effizient: Das Objekt geht an den Bieter, deram meisten dafiir zu zahlen bereit ist, und er bezahlt die "sozialen Opportu­nitatskosten" (das zweithochste Gebot) .

Dieser Ansatz von Vickrey konnte spater auf andere wichtige Situatio­nen erweitert werden, bei denen es darum geht, Ressourcen fiir offentlicheGiiter effizient zu allokieren. Beispiele sind die Gestaltung staatlich finan­zierter Infrastruktur wie das StraBenverkehrsnetz oder die Informations- undKommunikationsinfrastruktur.

Ein weiterer Forschungsgegenstand leitete sich von der Frage ab, wie Ein­kommen unter Berticksichtigung der beiden nicht unbedingt kornplementarenZiele Effizienz und Gerechtigkeit besteuert werden solI. Ein Ansatz unter derZielsetzung, eine Gleichverteilung der Wohlfahrt zu erreichen, besteht darin,Einkommen ext rem progressiv zu besteuern. Vickrey zeigte in den 40er Jah­ren, daB eine solche progressive Besteuerung den Leistungsanreiz des Ein­zelnen und damit auch die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt stark negativbeeinfluBt. Er formulierte das Problem mittels der expliziten Einbeziehungdes individuellen Leistungseinsatzes neu; vgl. Vickrey (1947). Hierbei bestehteine asymmetrische Informationsverteilung: Die Produktivitat eines Individu­urns ist dem Staat nicht bekannt; trotzdem muB eine Besteuerung festgelegtwerden.

Auch heute wird wieder tiber eine deutliche Senkung der Steuerprogres­sion diskutiert; ein Grund hierfiir ist - neben der Vereinfachung des Steuer­systems - die Erhohung von Leistungsanreizen. Wahrend Vickrey einen prin­zipiellen Ansatz zur Losung solcher Problemstellungen der optimalen Ein­kommensbesteuerung aufzeigte, konnte Mirrlees dann sparer eine mathemati­sche Losung hierfiir angeben, indem er eine kritische Bedingung identifizierte,die das Problem vereinfacht; vgl. hierzu Diamond und Mirrlees (1971) sowieMirrlees (1971). Die Bewaltigung solcher Anreizprobleme mit unvollstandigerInformation ist moglich tiber Allokationsmechanismen, die Individuen dazubringen, ihre (privaten) Informationen offenzulegen (Enthtillungs-Prinzip).

Diese Methode konnte auch bei der Analyse anderer Problembereiche an­gewendet werden, bei denen komplexe Informations- bzw. Anreizaspekte eineRolle spielen; vgl. hierzu Mirrlees (1999), Mirrlees (1976), Mirrlees (1979) so­wie die Ausfiihrungen des vorangegangenen Abschnitts . So ist beispielsweisedie Wahrscheinlichkeit fiir den Eintritt eines Schadensfalles (das Schadens­risiko) bei einer Versicherung von dem Verhalten des Versicherungsnehmers

54 2. Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

abhangig. Vertrage konnen nun so gestaltet werden (z.B. iiber Eigenbeteili­gungen), daB fiir den Versicherungsnehmer Anreize bestehen, sich so zu ver­halten, als bestiinde keine Versicherung. Damit ergibt sich eine fiir beide Par­teien bessere (effizientere) Situation, die durch eine niedrigere zu erwartendeSchadenssumme bei einer niedrigeren Versicherungspramie gekennzeichnetist.

Solche Situationen treten bei vielen aktuellen Problemstellungen auf. Bei­spiele hierfiir sind die Diskussion iiber die Reform des Krankenversiche­rungssystems mittels der Einflihrung bzw. Erhohung von Selbstbeteiligun­gen oder allgemein die Gestaltung sozialer Leistungen unter Beriicksichtigungder Anreizproblematik. Ein anderes Beispiel ist die Gestaltung von Arbeits­vertragen, urn das Verhalten der Angestellten so zu beeinflussen, daB sichder Unternehmensgewinn positiv entwickelt, beispielsweise durch eine teil­weise Vergiitung iiber Firmenanteile. Gemeinsam ist diesen Situationen, daBjeweils eine Risikoiibertragung zwischen den Handelnden stattfindet; dieseagieren dann in gewissem MaBe so, wie es auch im Interesse der anderenPartei (Versicherung, Unternehmer) liegt.

Neben theoretischer Forschung bestand bei Vickrey auch ein groBesInter­esse an der praktischen Anwendung von theoretischen Erkenntnissen. Das be­kannteste Beispiel hierfiir ist seine Studie aus den 50er Jahren iiber die Preis­gestaltung bei Nutzung der New Yorker U-Bahn; vgl. Vickrey (1955). SeineVorschlage waren originare Ansatze zu einer aus okonomischen Gesichtspunk­ten effizienten Preisgestaltung. Ein zentraler Punkt seiner Studie ist, daB derAnsatz einer kostendeckenden Preisgestaltung im 6ffentlichen Personennah­verkehr (OPNV) Ld.R. keine effiziente L6sung erbringt. Vickrey zeigte, daBeine Preissenkung mit Ausgleich der Kosten iiber die Erh6hung von Steu­ern zu einer gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtssteigerung fiihren kann. Dieeigentliche Zielsetzung der Studie bestand in der Analyse von L6sungen, diedas durch den OPNV verursachte Defizit mindern k6nnten. Vickrey zeigt inseiner Studie, daB die Problemstellung sehr vielschichtig ist ; bei der Preis­gestaltung betrachtet er - neben der kostenorientierten Sichtweise der Mini­mierung des Defizits (bzw. des Ausgleichs des Defizits durch die Erhebungvon Steuern) - u.a. folgende Aspekte:

• Politische Kriterien zur Preis- und Angebotsgestaltung (auch unter sozialenGesichtspunkten, z.B. der Restriktion, daB ein bestimmter Maximalpreisnicht iiberschritten wird oder eine bestimmte Transportstrecke auf jedenFall angeboten wird)

• Auswirkungen auf die Einkommensverteilung der Biirger und U-Bahn­Nutzer

• Okologische Auswirkungen

Jede Preisgestaltung kann letztlich nur zu einem KompromiB beziiglichverschiedener Zielsetzungen fiihren. Es existieren somit Ld.R. gewisse Re­striktionen, die der Systemgestaltung einen Rahmen setzen. Vickrey konzen­triert sich in seiner Untersuchung primar auf die Zielsetzung einer m6glichst

2.5. Beispiel : Entscheidungen bei asymmetrischer Informationsverteilung 55

effizienten Nutzung der U-Bahn- Transportleistungen, die durch die Preisge­staltung gesteuert werden kann . Er betont eine globale Sichtweise, bei derman den gesamten Nutzen aller Kunden durch die Wahrnehmung der Trans­portleistung den Gesamtkosten gegeniiberstellt; die Differenz entspricht dersozialen Wohlfahrt beziiglich des betrachteten Bereichs . Wehrend bei einemidealen Markt (mit perfektem Wettbewerb) dieser Betrag automatisch maxi­miert wird, gilt dies fiir den betrachteten Anwendungsfall nicht, wie das fol­gende einfache Beispiel zeigt : Auf wenig befahrenen Strecken (oder zu Zeitenmit wenig Nachfrage) kann es okonomisch effizient sein, die Preise deutlich zusenken , urn zusatzliche Kunden zu gewinnen . Da die zusatzlichen Transport­leistungen Ld.R. nur zu geringen Zusatzkosten fiihren, ergibt sich insgesamteine Wohlfahrtssteigerung. Andererseits kann es in Rush-Hour-Zeiten effizi­ent sein, Preise zu erhohen. Bei solchen Situationen, die sich durch hoheSkalenertrage undjoder sprunghafte Kostenverlaufe auszeichnen, kann Ld.R.durch eine differenzierte Preisgestaltung die Effizienz gesteigert werden.

Vickrey fiihrt in seiner Studie auch quantitative Analysen durch; so wirdbeispielsweise empirisch eine Kostenfunktion in Abhangigkeit verschiedenerEinfluBfaktoren aufgezeigt. Damit werden dann marginale Kostensteigerun­gen bei Erhohung von Transportkapazitaten zu normalen Zeiten und zu Rush­Hour-Zeiten unter verschiedenen Annahmen ermittelt. Zur damaligen Zeit ko­stete die U-Bahn-Nutzung einen von der Lange der Fahrstrecke unabhangigenkonstanten Betrag; Effizienz bedingt jedoch einen an den marginalen Kostenorientierten Transportpreis. Dies impliziert gegebenenfalls einen hohen Fahr­preis zu Rush-Hour-Zeiten fiir iiberlastete Strecken, wahrend sonstige Fahr­ten eventuell vollkommen frei sind; damit einhergehend ergeben sich dannauch Anreize fiir flexible Arbeitszeiten oder fiir die Nahe von Arbeitsplatzund Wohnort.

Vickrey reiBt eine Reihe solcher wichtigen Aspekte kurz an . Urn sinn­voll anwendbar zu sein, muB ein Preissystem fiir den Kunden durchschaubarsein - zumindest regulare Nutzer miissen laut Vickrey die jeweiligen Preiseeinschatzen konnen, In der Studie geht Vickrey auch auf den Aspekt ein, in­wieweit eine differenzierte Preisgestaltung praktisch realisiert werden kann.Vickrey spricht bereits Moglichkeiten einer magnetischen Kodierung von In­formationen iiber Transportstrecke und Zeit an. Zur damaligen Zeit warenaufgrund technologischer Restriktionen bzw. iibermaflig hoher Abrechnungs­kosten bestimmte Preisgestaltungen unmoglich. Heute besitzt man jedochdie Informationstechnologie, die weitergehende Abrechnungsmoglichkeiteneroffnet. So kann man sich die Integration einer "Best Price"-Abrechnungvorstellen, bei der der Kunde nach einer Abrechungsperiode einen Preis zah­len muB, der dem giinstigsten Tarif entspricht. Die Entscheidung, ob z.B. eineMonatskarte sinnvoll ist bzw. war, wird erst am Ende des Monats getroffen.

Eine Voraussetzung fiir solche neuen Tarifsysteme ist die Unterstiitzungdurch die Integration verschiedener Informationstechnologien aus den Be­reichen Datenbanken, Mobilfunk sowie der Chipkartensysteme; zu einer

56 2. Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsmodelle

Einfiihrung in die Informationsgestaltung im OPNV wird der Leser auf Da­duna und VoB (1995) sowie Kap. 3.6 verwiesen . Dem Informationsmanage­ment kommt dabei die Rolle zu, nicht allein den Zugang zu Informationenfiir bestehende Entscheidungsmodelle zu erleichte rn, sondern dariiber hinausauch einen technischen Rahmen zu schaffen, der es - im Sinne kooperativerSpiele - erm6glicht , global betrachtet bessere Entscheidungsmodelle anzu­wenden.