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Vorwort Impressum Herausgeber Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V. Abteilung Tageseinrichtungen für Kin- der Georgstr. 7, 50676 Köln Tel.: 0221/2010-270 Fax.: 0221/2010-395 Verantwortlich Matthias Vornweg Redaktion Markus Linden-Lützenkirchen Grafische Herstellung Alexander Schmid Grafikproduktion Inhalt Liebe Leserin, lieber Leser, am 23. Oktober 2001 fand im Maternushaus in Köln unsere Fachtagung zum Leitthema des Fortbildungsprogramms statt. In der fachpolitischen Diskussion ist der Bildungsauftrag der Tageseinrichtungen für Kinder neu in den Blick ge- nommen worden. Ausgehend von der Situation heutiger Kindheit und neuen Forschungsergebnissen der Humanwissenschaften entwickeln sich neue Vorstel- lungen eines Bildungsbegriffes für die frühe Kindheit. Hochspannend und für die Praxis in den Tageseinrichtungen für Kinder Weg weisend. Die Fachtagung konnte einen aktuellen Überblick eröffnen und einzelne Facet- ten vertieft beleuchten. Im Vordergrund der Vorträge und Foren stand die kon- krete Umsetzbarkeit in die erzieherische Praxis. Im Anschluss an den Eröff- nungsgottesdienst war die Fachtagung in zwei Abschnitte gegliedert: Am Vormittag konnte der Vortrag von Prof. Dr. Gerd E. Schäfer aus Köln in die aktuellen Bildungsdebatten einführen. Dr. Marion Musiol aus Dresden referierte anschließend zum Thema Bildungsauftrag in Tageseinrichtungen für Kinder. Am Nachmittag wurden in den 8 Foren unterschiedliche Modelle vorgestellt, Aspekte und Elemente des Bildungsauftrages der Tageseinrichtungen für Kinder in der Praxis mit Leben zu füllen. Einen besonderen Höhepunkt konnte Konrad Beikircher zum gemeinsamen Abschluss präsentieren. Auf außergewöhnliche Weise kommentierte er poin- tiert die Tagungsinhalte. „Eine gelungene Einführung in ein kompliziertes Thema. So sind Fachtagungen nicht nur lehrreich sondern auch höchst kurzweilig“. Die meisten der fast 400 Teilnehmer-Innen zeigten sich sehr zufrieden mit dem gebotenen Programm und der gelungenen Organisation. Die nun vor Ihnen liegende ausführliche Dokumentation der Fachtagung ist der fachkundigen, engagierten und zügigen Mitarbeit aller ReferentInnen zu ver- danken. Alle Beiträge stellen die Inhalte der Tagung hervorragend dar und fal- ten sie zum Teil noch erheblich aus. Unseres Erachtens ist somit ein äußerst ak- tuelles Grundlagenwerk zum Thema „Bildung in Tageseinrichtungen für Kin- der“ entstanden. Es würde uns außerordentlich freuen, wenn so die Diskussion vor Ort belebt und angeregt wird und sowohl in Konzeptionen als auch im all- täglichen erzieherischen Handeln Eingang findet. Sollten Sie an weiteren Exemplaren dieser Dokumentation interessiert sein, können Sie uns gerne anrufen (0221 / 2010-272). Markus Linden-Lützenkirchen Referent für Fortbildung Begrüßung ................................................................................................................. 5 Matthias Vornweg Leiter der Abteilung Tageseinrichtungen für Kinder im Diözesan-Caritasverband Bildung beginnt mit der Geburt Vortrag zu den Aufgaben frühkindlicher Bildung ................................................... 6 Prof. Dr. Gerd E. Schäfer Universität Köln, EZW-Fakultät, Lehrstuhl Pädagogik der frühen Kindheit, Jugend und Familie Bildung von Anfang an sichert Zukunft Vortrag zum Bildungsauftrag in Tageseinrichtungen für Kinder ........................ 16 Dr. Marion Musiol Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Franckesche Stiftungen, Halle/Saale Leiterin des Projektes zum Bildungsauftrag im Freistaat Sachsen Forum I Die spielen ja nur!? Psychomotorik in der Kindergartenpraxis ............................................................ 22 Hans-Jürgen Beins Sportpädagoge an der Rheinischen Akademie im Förderverein Psychomotorik, Bonn Forum II Bildungsverständnis und Bildungsansätze im Offenen Kindergarten . 26 Thomas Kühne Diplom-Sozialpädagoge, Erzieher und Kollegialer Praxisberater, Garbsen Gerhard Regel Analytischer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut, Diplom-Sozialpädagoge, Wennigsen Forum III Mit Staunen fängt es an Antworten der Religionspädagogik auf die aktuelle Bildungsdebatte ............... 30 Dr. Andreas Leinhäupl-Wilke Diplom-Theologe, Diözesan-Caritasverband Köln Forum IV Impulse aus der Reggio-Pädagogik zum „neuen“ Bildungsbegriff ..... 33 Monika Thissen Diplom-Sozialpädagogin, Hamburg Forum V Forschen in der Kita – wie geht das? Der Situationsansatz als Bildungsansatz ............................................................. 37 Christine Lipp-Peetz Geschäftsführerin im Institut für den Situationsansatz, Berlin 3 Fachkräfte für den Situationsansatz, Hessen Forum VI Der Computer als multimediales Werkzeug Einsatz von zukunftsorientierter Technik in der Kita ........................................... 41 Marlis Körner Lehrerin, EDV-Trainerin, Düsseldorf Forum VII Neues aus der Forschung – Konsequenzen für den ganzheitlichen Bildungsbegriff ....................................... 44 Franz-Josef Kuhn Erziehungswissenschaftler, Leiter der Gesellschaft für ganzheitliches Lernen e.V. Forum VIII „Wie kommt die Welt in den Kopf?“ – Ergebnisse des Bildungs- projektes mit Tageseinrichtungen für Kinder im Erzbistum Köln ....................... 48 Antje Notholt Diplom-Pädagogin, Projektleiterin, Köln Abschluss Aus der Sicht des „normalen Glaubens“ ............................................ 52 Konrad Beikircher Kabarettist

Inhalt - katholische-kindergaerten.de

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Page 1: Inhalt - katholische-kindergaerten.de

Vorwort

Impressum

HerausgeberDiözesan-Caritasverbandfür das Erzbistum Köln e.V.Abteilung Tageseinrichtungen für Kin-der Georgstr. 7, 50676 KölnTel.: 0221/2010-270Fax.: 0221/2010-395

VerantwortlichMatthias Vornweg

RedaktionMarkus Linden-Lützenkirchen

Grafische HerstellungAlexander SchmidGrafikproduktion

Inhalt

Liebe Leserin,

lieber Leser,

am 23. Oktober 2001 fand im Maternushaus in Köln unsere Fachtagung zum

Leitthema des Fortbildungsprogramms statt. In der fachpolitischen Diskussion

ist der Bildungsauftrag der Tageseinrichtungen für Kinder neu in den Blick ge-

nommen worden. Ausgehend von der Situation heutiger Kindheit und neuen

Forschungsergebnissen der Humanwissenschaften entwickeln sich neue Vorstel-

lungen eines Bildungsbegriffes für die frühe Kindheit. Hochspannend und für

die Praxis in den Tageseinrichtungen für Kinder Weg weisend.

Die Fachtagung konnte einen aktuellen Überblick eröffnen und einzelne Facet-

ten vertieft beleuchten. Im Vordergrund der Vorträge und Foren stand die kon-

krete Umsetzbarkeit in die erzieherische Praxis. Im Anschluss an den Eröff-

nungsgottesdienst war die Fachtagung in zwei Abschnitte gegliedert:

• Am Vormittag konnte der Vortrag von Prof. Dr. Gerd E. Schäfer aus Köln in

die aktuellen Bildungsdebatten einführen. Dr. Marion Musiol aus Dresden

referierte anschließend zum Thema Bildungsauftrag in Tageseinrichtungen

für Kinder.

• Am Nachmittag wurden in den 8 Foren unterschiedliche Modelle vorgestellt,

Aspekte und Elemente des Bildungsauftrages der Tageseinrichtungen für

Kinder in der Praxis mit Leben zu füllen.

• Einen besonderen Höhepunkt konnte Konrad Beikircher zum gemeinsamen

Abschluss präsentieren. Auf außergewöhnliche Weise kommentierte er poin-

tiert die Tagungsinhalte.

„Eine gelungene Einführung in ein kompliziertes Thema. So sind Fachtagungen

nicht nur lehrreich sondern auch höchst kurzweilig“. Die meisten der fast 400

Teilnehmer-Innen zeigten sich sehr zufrieden mit dem gebotenen Programm

und der gelungenen Organisation.

Die nun vor Ihnen liegende ausführliche Dokumentation der Fachtagung ist der

fachkundigen, engagierten und zügigen Mitarbeit aller ReferentInnen zu ver-

danken. Alle Beiträge stellen die Inhalte der Tagung hervorragend dar und fal-

ten sie zum Teil noch erheblich aus. Unseres Erachtens ist somit ein äußerst ak-

tuelles Grundlagenwerk zum Thema „Bildung in Tageseinrichtungen für Kin-

der“ entstanden. Es würde uns außerordentlich freuen, wenn so die Diskussion

vor Ort belebt und angeregt wird und sowohl in Konzeptionen als auch im all-

täglichen erzieherischen Handeln Eingang findet.

Sollten Sie an weiteren Exemplaren dieser Dokumentation interessiert sein,

können Sie uns gerne anrufen (0221 / 2010-272).

Markus Linden-Lützenkirchen

Referent für Fortbildung

Begrüßung ................................................................................................................. 5Matthias VornwegLeiter der Abteilung Tageseinrichtungen für Kinder im Diözesan-Caritasverband

Bildung beginnt mit der GeburtVortrag zu den Aufgaben frühkindlicher Bildung ................................................... 6Prof. Dr. Gerd E. SchäferUniversität Köln, EZW-Fakultät, Lehrstuhl Pädagogik der frühen Kindheit, Jugend und Familie

Bildung von Anfang an sichert ZukunftVortrag zum Bildungsauftrag in Tageseinrichtungen für Kinder ........................ 16Dr. Marion MusiolWissenschaftliche Mitarbeiterin, Franckesche Stiftungen, Halle/SaaleLeiterin des Projektes zum Bildungsauftrag im Freistaat Sachsen

Forum I Die spielen ja nur!?Psychomotorik in der Kindergartenpraxis ............................................................ 22Hans-Jürgen BeinsSportpädagoge an der Rheinischen Akademie im Förderverein Psychomotorik, Bonn

Forum II Bildungsverständnis und Bildungsansätze im Offenen Kindergarten . 26Thomas KühneDiplom-Sozialpädagoge, Erzieher und Kollegialer Praxisberater, GarbsenGerhard RegelAnalytischer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut, Diplom-Sozialpädagoge, Wennigsen

Forum III Mit Staunen fängt es anAntworten der Religionspädagogik auf die aktuelle Bildungsdebatte ............... 30Dr. Andreas Leinhäupl-WilkeDiplom-Theologe, Diözesan-Caritasverband Köln

Forum IV Impulse aus der Reggio-Pädagogik zum „neuen“ Bildungsbegriff ..... 33Monika ThissenDiplom-Sozialpädagogin, Hamburg

Forum V Forschen in der Kita – wie geht das?Der Situationsansatz als Bildungsansatz ............................................................. 37Christine Lipp-PeetzGeschäftsführerin im Institut für den Situationsansatz, Berlin3 Fachkräfte für den Situationsansatz, Hessen

Forum VI Der Computer als multimediales WerkzeugEinsatz von zukunftsorientierter Technik in der Kita ........................................... 41Marlis KörnerLehrerin, EDV-Trainerin, Düsseldorf

Forum VII Neues aus der Forschung –Konsequenzen für den ganzheitlichen Bildungsbegriff ....................................... 44Franz-Josef KuhnErziehungswissenschaftler, Leiter der Gesellschaft für ganzheitliches Lernen e.V.

Forum VIII „Wie kommt die Welt in den Kopf?“ – Ergebnisse des Bildungs-projektes mit Tageseinrichtungen für Kinder im Erzbistum Köln ....................... 48Antje NotholtDiplom-Pädagogin, Projektleiterin, Köln

Abschluss Aus der Sicht des „normalen Glaubens“ ............................................ 52Konrad BeikircherKabarettist

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Tagungsverlauf

08:30 – 09:15 Uhr „Was ihr gelernt und angenommenhabt, das tut!“ (Phil.4,9)Eucharistiefeier in der Kirche des Prie-sterseminarsZelebrant: Pater Gerd-Willi BergersS.M.M.Pfarrer, Marienheide

anschließendAnmeldung und Stehkaffee im Foyer

10:00 Uhr BegrüßungMatthias VornwegLeiter der Abteilung Tageseinrichtungenfür Kinder im Diözesan-Caritasverband

10:15 – 11:00 Uhr Aufgaben frühkindlicher Bildung –Übersicht zu aktuellen Forschungs-ergebnissenProf. Dr. Gerd E. SchäferUniversität Köln, EZW-FakultätLehrstuhl Pädagogik der frühen Kindheit,Jugend und Familie

11:00 – 11:15 Uhr Pause

11:15 – 12:00 Uhr Bildung von Anfang an sichert Zukunft– Zum Bildungsauftrag in Tagesein-richtungen für KinderDr. Marion MusiolWissenschaftliche Mitarbeiterin, Fran-ckesche Stiftungen, Halle/SaaleLeiterin des Projektes zum Bildungsauf-trag im Freistaat Sachsen

12:00 – 13:15 Uhr Mittagspause

13:15 – 15:30 Uhr Foren

Forum I Psychomotorik – Die spielen ja nur!?Ein bewegter Beitrag zur aktuellen Quali-tätsdebatteHans-Jürgen BeinsSportpädagoge an der Rheinischen Aka-demie im Förderverein Psychomotorik,Bonn

Forum II Bildungsverständnis und Bildungsan-sätze im Offenen KindergartenThomas KühneDiplom-Sozialpädagoge, Erzieher undKollegialer Praxisberater, Garbsen

Gerhard RegelAnalytischer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut, Diplom-Sozialpädagoge,Wennigsen

Forum III Mit Staunen fängt es an – Antwortender Religionspädagogik auf die aktuelleBildungsdebatteDr. Andreas Leinhäupl-WilkeDiplom-Theologe, Diözesan-Caritasver-band Köln

Forum IV Impulse aus der Reggio-Pädagogik zum„neuen“ BildungsbegriffMonika ThissenDiplom-Sozialpädagogin, Hamburg

Forum V Forschen in der Kita – wie geht das?Der Situationsansatz als Bildungsan-satz’Christine Lipp-PeetzGeschäftsführerin im Institut für den Situa-tionsansatz, BerlinFachkräfte für den Situationsansatz, Hes-sen

Forum VI Neue Medien und Bildung – Der Com-puter als multimediales WerkzeugMarlis KörnerLehrerin, EDV-Trainerin, Düsseldorf

Forum VII Neues aus der Neurophysiologie –Konsequenzen für den ganzheitlichenBildungsbegriffDr. Charmaine LiebertzErziehungswissenschaftlerin, Leiterin desInstituts der Gesellschaft für ganzheitli-ches Lernen e.V.

Forum VIII „Wie kommt die Welt in den Kopf?“ –

Ergebnisse des Bildungsprojektes mitTageseinrichtungen für Kinder im Erz-bistum KölnAntje NotholtDiplom-Pädagogin, Projektleiterin, Köln

15:45 – 16:00 Uhr Aus der Sicht des „normalen Glaubens“Konrad BeikircherKabarettist

Guten Tag meine Damen und Herren!

„Zwischen Klangräumen, Weidentun-neln und Mausklick – der vielfältige Bil-dungsauftrag katholischer Tageseinrich-tungen für Kinder“ – ein verlockenderTitel, aber auch eine Herausforderung –es ist schön und wir freuen uns, dassviele von Ihnen heute kommen konnten.Traditionell wurde die Fachtagung durchdie Feier der hl. Eucharistie eröffnet.Das Leitwort „Was ihr gelernt und an-genommen habt, das tut!“ stimmt unsspirituell auf den heutigen Tag ein. Einherzliches Dankeschön dem Vorberei-tungsteam und den Musikern. Nicht zu-letzt dem Zelebranten Pater Gerd-WilliBergers.Was hat Bildung mit der Bahn zu tun?Nun, vielleicht ist ein Vergleich ein we-nig abgehoben, dennoch, so glaube ich,könnte man Parallelen sehen. In derEntwicklung der Bahn fuhren die Zügezunächst auf 3 Schienen, um sicher undstandfest alle Strecken zu bewältigen.Es folgte eine Konstruktion auf zweiSchienen und die Dampflok wurde ab-gelöst durch einen modernen ICE. Biszu entlegenen Winkeln ist die Nutzungmöglich und alle Gäste kommen zügigan ihr Ziel. Die neueste Entwicklung istnun eine Einschienenbahn. Es geht nochschneller, leiser und komfortabler voran.Leider besteht nur noch die Möglichkeitvon Köln nach Dortmund zu fahren. Dieentlegenen Winkel müssen vernachläs-sigt werden, die Kosten sind zu immensund auch mit der Sicherheit ist es nichtmehr so gut bestellt. Das große Schie-nennetz kann zwar nicht mehr aufrechterhalten werden, für einige wenige an-dere besteht aber eine äußerst komfor-table und zukunftsorientierte Reisemög-lichkeit.Der Kindergarten entwickelte sich etwaum die gleiche Zeit (vor ca. 100 Jahren)als Suppenküche und Spielhof für ver-nachlässigte arme Kinder. In der Päd-agogik hielt eine ideelle und konzeptio-

nelle Reform in den zwanziger Jahrendurch Peter Petersen, Maria Montessoriund anderen namhaften Pädagogen Ein-zug. Es begann ein Modernisierungspro-zess, der zunehmend den Bildungsauf-trag in den Blickpunkt stellte. Leiderwurde dieser reformpädagogischer An-satz nach dem Krieg nur bedingt aufge-griffen. Es dauerte bis in die achtzigerJahre, um den Anspruch auf Bildung,Erziehung und Betreuung zu manifestie-ren. Nun gibt es ein großes Netz vonEinrichtungen mit einem hohen Quali-tätsniveau. Auf die Entwicklung derletzten Jahre möchte ich an dieser Stel-le nicht näher eingehen.„Wir nehmen wie England die Early Ex-cellent Center in den Blick und versu-chen mit dem Einsatz aller verfügbarenRessourcen für einige wenige ein be-sonders gutes Angebot bereitzustellen,mehr kann kaum möglich sein. Das gro-ße Netz mit guter qualifizierter Arbeitkann dabei jedoch nicht mehr aufrechterhalten bleiben.“ Dieser Vision der Entwicklung zur Ein-schienenbahn oder zum Excellent Cen-ter für einige wenige Kinder möchtenwir entgegenwirken, ja müssen es ge-

radezu. Es muss uns gelingen, die in-haltlichen Themen der Pädagogik wieBildung und Erziehung als konzeptionelleHerausforderung in den Vordergrund zustellen.Erste Schritte, meine Damen und Her-ren, sind uns bereits gelungen. Wirkonnten im kooperativen Dialog mit derWissenschaft und Praxis bereits rich-tungsweisende Akzente setzen:• der Qualitätskompass als erstefachliche Orientierung,• der Leitfaden „Qualität in SPE“ zuSelbstevaluation,• die CD-ROM „Quality Pack“ zumAufbau eines QM-Systems,• zahlreiche Fachberatungen, Schu-lungen und Fortbildungen zu QM-Exper-ten, QM-Moderatoren und zum QM-Au-ditor,• der Leitfaden zur Erstellung einerKonzeption sowie• ein gemeinsames Konzept Religions-pädagogik und Kindergartenpastoralsind nur einige Highlights, die dies bele-gen. Als derzeit einzige Diözese inDeutschland gehen alle Einrichtungenmit einem einheitlichen und qualifizier-ten Auftritt ins Internet. Das, meine Da-men und Herren, sind unsere Praxisbau-steine für den Weg in die Zukunft.Wir setzen uns dafür ein, dass der Bil-dungsauftrag in allen Einrichtungen füralle Kinder wichtiger Bestandteil unse-rer Arbeit bleibt, nicht als i-Tüpfelchenfür spezielle Einrichtungsformen undggfs. an wenigen Standorten. Die Dis-kussion um das Thema Bildung stelltunsere wichtigsten täglichen Gäste (imErzbistum Köln nahezu 60.000) in denMittelpunkt: die Kinder!Dies macht sie einerseits so sympa-thisch, stellt uns andererseits aber auchvor große Herausforderungen. Ich freuemich, dass einige der namhaften Vertre-ter der derzeit innovativen und intensi-ven Diskussion hier bei uns sind. Herzli-chen Dank, dass Sie die Einladung heu-te annehmen konnten.

Begrüßung der TeilnehmerInnenund ReferentInnen

Matthias VornwegLeiter der Abteilung Tageseinrichtun-

gen für Kinder im Diözesan-Caritas-

verband, Köln

Page 3: Inhalt - katholische-kindergaerten.de

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I Überlegungen zumVerständnis frühkindlicherBildung1

1 Frühkindliche Bildung istSelbst-BildungEs ist ein gängiges Verfahren in der öf-fentlichen Diskussion, den Bildungsbe-darf von Kinder als Erwartung zu be-schreiben, welche an Kinder gerichtetwird.2 Bildung erscheint dann als etwas,was Kinder innerhalb einer sozialen undkulturellen Gemeinschaft erwerbenmüssen. Ihre eigene Meinung dazu istnicht gefragt.Dieses Bildungsverständnis ist in min-destens dreifacher Hinsicht problema-tisch:• Bei aller Vielfältigkeit der histori-schen Bildungsdiskussion widersprichtes einem wesentlichen Grundgedankender Traditionslinie seit Humboldt, dieBildung wesentlich als das Werk desIndividuums, als Selbstbildung3 begrif-fen hat.• Es ist logisch nicht zu halten, dennauch die einfachste Lerntätigkeit einesKindes ist immer seine eigene Tätigkeit.Niemand kann Kindern etwas beibrin-gen; sie müssen es schon selbst tun.Folglich muss man den Lern- und Bil-dungsprozess an der Tätigkeit des Kin-des orientieren und nicht an einem Mo-dell des Wissenstransfers, wie das z.B.von den Propagandisten der Wissens-gesellschaft ohne genaueres Nachden-ken vorgestellt wird. In dieser Hinsichtbetrachte ich auch die neueste Arbeitvon Elschenbroich kritisch. Ich teile al-lerdings die Ansicht, dass Kinder eineMenge lernen müssten oder sollten, da-mit sie ein sinnvolles Leben in dieserGesellschaft und Kultur führen können.Ich teile auch die Ansicht, dass wir diekleinen Kinder zu wenig und die größe-ren in falscher Weise dazu herausfor-dern.

• Zum Dritten widersprechen wesent-liche Ergebnisse der Kinder- und Kogniti-onsforschung einer derartigen Bildungs-vorstellung. Sie lassen sich nämlich ge-rade in der Weise zuspitzen, dass Kin-der Bilder und Theorien von dieser Weltmit den Mitteln entwickeln, die ihnenzur Verfügung stehen. Eine Bildungs-theorie muss also mit der handelnden,vorstellenden, phantasierenden undtheoriebildenden Leistung des Kindesbei der Deutung seiner Welterfahrungenrechnen. Sie kann dazu beitragen, dassKinder diese Leistungen verändern ent-lang den Anregungen oder Herausforde-rungen, die von außen kommen. Aberdas Verändern selbst kann man demKind nicht abnehmen. Es wandelt seineWeltsicht in dem Maße selbst, in demihm dies aus seinem subjektiven Blick-winkel sinnvoll erscheint.Wir brauchen also ein Modell von früh-kindlicher Bildung, das• nicht nur auf den Anforderungen ei-

ner Gesellschaft und ihrer darin vor-herrschenden Kultur beruht;

• die Tätigkeit, Einschätzungen Welt-bilder und Deutungen der Kinderselbst mit einschließt und damit

• Bildung und Sinnfindung nicht von-einander abkoppelt.

2 Frühkindliche Bildung erfor-dert kreatives DenkenIm schöpferischen Denken geht esstets auch um die Verarbeitung vonPhänomenen, die bislang denkend nochnicht verarbeitet wurden.4 Man musssolche Phänomene wahrnehmen, struk-turieren, ordnen, bis man sie auch in ei-nem logisch rationalen Sinn denkenkann. Genau dies ist es auch, was klei-ne Kinder tun müssen: Weil man ihnendie Welt noch nicht erklären kann,müssen sie in die Lage kommen, ihreWahrnehmungen so zu ordnen, dass siediese zu einem Bild der Wirklichkeit zu-sammensetzen können, das ihnen sinn-voll erscheint. Was kleine Kinder ausNotwendigkeit tun - bislang (von ihnen)Ungedachtes zu denken -, bleibt im Er-wachsenenalter denjenigen vorbehal-ten, die sich an die Ränder dessen be-geben, was unsere Kultur bislang den-kend geordnet hat: Künstlern, Wissen-schaftlern, Erfindern. Wenn wir produk-tives Denken bei Kindern unterstützenwollen, dürfen wir nicht nur ihre logi-schen Denkkapazitäten zu Höchstlei-stungen anspornen, sondern müssenihnen auch ermöglichen, Neues wahr-zunehmen, um aus diesem Neuen pro-duktive Bilder und Fragen zu destillie-ren.

3 Das Lernen lernen oder ver-körperte Erkenntnistheorie?Es wird gerne davon gesprochen5, dasskleine Kinder das Lernen lernen müs-sen. Auch diese Rede ist ungenau, denn

sie müssen noch viel grundlegenderdas Instrument entwickeln, mit dessenHilfe sie dann lernen können. Zwar brin-gen sie elementare Fähigkeiten mit, diees ihnen ermöglichen das Augenmerkauf ihre Umwelt zu richten, für sie be-deutsame Dinge zu erfassen und sie in-nerlich zu verarbeiten. Von diesen Wei-sen wird w.u. zu reden sein. Aber siemüssen dieses Verarbeitungs- undDenkinstrument erst so entwickeln,dass es mit den Gegebenheiten und Ge-pflogenheiten ihrer Umgebung kompati-bel ist. Um in der Computermetapher zusprechen: In der Interaktion mit der so-ziokulturellen Umwelt müssen kleineKinder erst die differenzierten Program-me entwickeln, mit denen sie dann ineiner Weise denken werden, wie sie ineiner bestimmten Gemeinschaft üblichist.6 Das bedeutet, Kinder haben nichtnur zu lernen, wie ein scheinbar durchdie Entwicklung gegebenes Denken aufihre Selbst- und Lebensprobleme erfolg-reich angewandt werden kann, sondernsie müssen die Software selbst erstentwickeln mit welchen sie ihre Lebens-erfahrung denken können und wollen.Die frühen Bildungsprozesse dienen derEntwicklung einer solchen Theorie desErkennens, die auf die Anforderung ei-ner gegebenen Umwelt abgestimmt ist.Es sind vor allem die Bildung des Kör-pers und der sinnlichen Wahrnehmung,die der Vorstellungs- und Phantasie-welt, sowie des sprachlichen Denkens,durch die eine solche Theorie des Erken-nens grundgelegt wird. Diese Erkennt-nistheorie, die den Körper strukturiert,hat Folgen für die Zukunft des Kindes.Sie beantwortet dem Kind Fragen wiez.B.:– Was darf ich wahrnehmen, wasnicht? Die Antwort darauf wirkt sichz.B. darin aus, welche Sinneserfahrun-gen für die Argumentation in einem so-zialen Zusammenhang zugelassen wer-den und welche daraus tendenziell aus-geschlossen werden. Üblicherweise ha-ben bei uns die visuellen Erfahrungenhöchste Beweiskraft, nicht Körperer-fahrungen oder emotionale.– Wie weit darf ich meine Wahrneh-mungshorizonte ausdehnen, wie weitmuss ich sie einschränken? Dürfen siesich z.B. nur auf das beziehen, was fak-

tische Realität zu sein scheint, oderdürfen sie auch psychische, mythische,religiöse, übersinnliche oder magischeWelten usw. mit einbeziehen?– Welcher Zusammenhang von Wirk-

lichkeit und Phantasie wird allge-mein unterstellt und/oder vom sozia-len Umfeld akzeptiert?

– Wofür lassen sich Worte finden,worüber muss man schweigen?

– Mit welchen Theorien oder Mythenlassen sich in einer gegebenen Kul-tur Wirklichkeitserfahrungen deu-ten?

Der Körper prägt sich also entlang vonErkenntnismustern, die subjektive so-wie soziale Möglichkeiten und Grenzenwiderspiegeln In verschiedenen sozialenGruppen, Gesellschaften oder Kulturenkönnen sie durchaus unterschiedlichakzentuiert sein. Ich nenne dies einepräreflexiv verkörperte Erkenntnistheo-rie. Sie ist präreflexiv, weil sie dieWahrnehmungs- und Erkenntniswelt be-stimmt, bevor noch ein Gedanke ge-dacht werden kann (oder, es könnennur Gedanken gedacht werden, die der-art durch eine verkörperte Aufarbeitungvon Wahrnehmungserfahrungen ge-stützt werden). Sie ist verkörpert, weildurch sie die körperlichen Strukturenvon den Wahrnehmungsbereichen undihrer Verarbeitung unhintergehbar ge-prägt werden.

II. Aufgaben frühkindlicherBildungVor diesem Hintergrund scheinen sichmir die folgenden Aufgaben für diefrühkindliche Bildung zu stellen:

• Die Bildung des sinnlichen Körpers(der Wahrnehmung und ihrer inter-nen Verarbeitungsweisen);

• die Bildung des imaginativen Kör-pers (der Imagination, Phantasieund des szenischen Spiels);

• Bildung des Sprechens und derSprache. Dies alles ist eingebettetund unmittelbar verknüpft mit einer

• Bildung des sozialen Körpers (dersozialen Kommunikation und der so-zialen Beziehungen)7

Die Bildung des sinnlichenKörpersKonstruktion einer Tasse„Das ist L. meine Enkeltochter“, berich-tet der Großvater. „Sie ist jetzt vier Mo-nate alt, fast auf den Tag genau. Unddas war so eine Situation, Sonntagmor-gen beim Frühstück. Zwei unrasierteFamilien und ein Kind am Frühstücks-tisch. Und die beiden Eltern, mein Sohnund seine Frau, sitzen auf der anderenSeite des Tisches. L. sitzt auf demSchoß von B. (der Nenngroßmutter;G.E.S.) und sieht beide Eltern sich ge-genüber. Jetzt ist die Frage: Was gehtim Kopf des Kindes vor? Dort drübensitzt die Mutter und hier sitzt der Vater.Und sie guckt ganz unsicher ... Und sieguckt zwischen Mutter und Vater hinund her.“ (Bericht H. L.)Und dann folgt eine Szene: L., auf demSchoß von B. sitzend, folgt mit großenAugen dem Weg der Kaffetasse, die B.zum Mund führt. Man sieht deutlich,wie ihr Blick, um den Bruchteil einer Se-kunde verzögert, dem Weg der Tassenachgeführt wird. Gleichzeitig unterhal-ten sich die Erwachsenen. Lisa folgtauch den gesprochenen Wörtern, denGesichtern, den anderen Bewegungen.Zwischendrin wendet sie immer wiederden Blick ab und schließt die Augen.Man hat den Eindruck, sie brauche klei-ne Auszeiten um das zu verarbeiten,was sie wahrgenommen hat, bevor sieihre Aufmerksamkeit wieder auf etwasNeues richten kann.Versetzt man sich an die Stelle des Kin-des, dann ergeben sich Fragen:• Was ist das für ein Ding, welchesda hochgehoben wird, welches sich voreinem bewegten Hintergrund auf einGesicht - von unten - zubewegt, ein Ge-sicht, dessen Mimik irgendwie bereitsvertraut ist und aus dessen Mund nichtganz unbekannte Laute kommen?• Was sind das für Figuren, die sichvor den Augen des Babys befinden, de-ren Töne aber angenehm und bekannt

Bildung beginnt mit der GeburtVortrag zu den Aufgaben frühkindlicher Bildung

Prof. Dr. Gerd E. SchäferUniversität Köln, EZW-Fakultät,Lehrstuhl Pädagogik der frühenKindheit

[1] Vgl. hierzu auch Schäfer 1995, 1999, 2001a.[2] Vgl. z.B. Sachverständigenrat der HansBöckler Stiftung 2001, Bertelsmannstiftung 1999,Delphi-Studie des Bundesministeriums für Bildungund Forschung, 1999, Elschenbroich 2001.[3] Vgl. hierzu u.a. v. Hentig 1996, Liegle 1999,Neumann, 1999, Thenort 1997.[4] Vgl. Gardner, 1996, 1999, Csikszentmihalyi,M. 1996.[5] Z.B., Delphi-Studie 1998.

[6] Breidbach, 1996 und Singer 1990, 1991,1992, 1994, 2001 belegen diese Auffassung ausder Hirnforschung, Gopnik, Kuhl, Meltzoff, 2000aus der Säuglings- und Kleinkindforschung.[7] Der letzte Punkt wird in dieser Arbeit nichtbehandelt werden. Vgl. hierzu Schäfer 2001b.

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sind - seine Eltern? So hat es die beidennoch wenig gesehen; allenfalls einenvon ihnen, während es von jemandem -dem Anderen? - gehalten wurde. Auchdiesmal wird es auf einem Schoß gehal-ten, mit vertrauten Gesten, aber unver-trauten Details: Die Hände, der Körperfühlen sich etwas anders an als sonst -bei Mama oder Papa.• Was ist das für ein ungewohntesUmfeld, in dem sich dies alles abspielt?Was ist in diesem Umfeld gerade wich-tig, was im Augenblick ohne Bedeu-tung? Wie kann man die Vielfalt ordnen?Wo fängt eine Sache an, wo hört sieauf?Das Baby konzentriert sich auf seineschwierige Aufgabe, etwas wahrzuneh-men, aber noch nicht zu wissen, wiediese Wahrnehmung geordnet, in sichstrukturiert und abgegrenzt werdenkönnte. Es beschäftigt sich damit, wieman aus dem Chaos von EindrückenBilder, Figuren, Gegenstände herauspräpariert, wie man aus Geräuschenzusammenhängende Einheiten bastelt,die sich von anderen Geräuschen abhe-ben lassen.Wir müssen davon ausgehen, dassNeugeborene zwar mit weitgehendfunktionierenden Sinnen auf die Weltkommen, in der Vielfalt und Unstruktu-riertheit der Sinneseindrücke aber erstdie Ordnungen entdecken müssen, diees erlauben, diese Wahrnehmungen zuObjekten und Phänomenen zu sortieren.

Welche Wahrnehmungsbereichemüssen gebildet werden?Ich gehe davon aus, dass es drei For-men der Wahrnehmung gibt:8

1) die Wahrnehmung über die Fernsin-ne (Augen, Ohren, Nase);2) die Körperwahrnehmung, also dieWahrnehmung der Wirkung, die ein Ge-genstand auf den eigenen Körper aus-übt;3) die emotionale Wahrnehmung.

Ad 1) Fernsinne: Kognitionswissen-schaftliche Forschungen - insbesondereaus der Neurobiologie - zeigen, dassWahrnehmung die Wirklichkeit nichtwiderspiegelt, sondern mit den Mittelndes Gehirns nach erfindet. Es kann da-bei nur aufgenommen werden, wofürentweder durch die genetische Ausstat-tung, oder aber durch LernprozesseWahrnehmungs- und Interpretationsmu-ster zur Verfügung stehen. Das bedeu-tet, dass Wahrnehmung aus vergange-nen Erfahrungen lernt. Je vielfältiger et-was wahrgenommen wird, desto diffe-renzierter ist das Wahrnehmungsbild.

Ad 2): Einen zweiten wesentlichen Sin-nesbereich bilden die Wahrnehmungendes Körpers. Dazu gehören die der Kör-pergrenzen, des Tastsinns und der Tem-peratur. Sie werden erweitert durch dieEmpfindungen der inneren Befindlichkeitdes Körpers. Diese differenzieren sich insolche der Raumlage und des Gleichge-wichts, der Körperspannungen und Kör-perrhythmen, sowie des Wohl- oderMissbefindens der inneren Organe.

Ad 3): Den dritten Bereich bildet dieemotionalen Wahrnehmung. Dabei wirddiese als Wahrnehmung von Beziehun-gen verstanden, die zwischen Personen,oder einer Person und ihrer sachlichen

Umwelt, bestehen. Emotionen verleihender Qualität dieser Beziehungen Aus-druck und Form: Liebe/Hass, Wut oderAngst z.B. sind als wahrgenommeneGefühle einerseits Zeichen von Bezie-hung; andererseits zeigen sie diese ineiner situationsbezogenen, qualitativ ab-gestuften Form, als emotionaler Aus-druck. Über Einfühlung wird die emotio-nale Wahrnehmung zur zwischen-menschlichen Verständigung gebrauchtund benötigt.Die Fernsinne interpretieren die Wirk-lichkeit als Wirklichkeit außerhalb desKörpers. Die Wahrnehmung über dieTast- und Körpersinne registrieren dieWirkungen, die eine Wirklichkeit aufdiesen selbst ausübt. Die Realität desWahrgenommenen bleibt dabei relativdunkel. Im Vordergrund steht die Ant-wort des Körpers. Die emotionaleWahrnehmung schließlich richtet sichauf ein Dazwischen, auf die Beziehun-gen zwischen einem Subjekt und etwasanderem. Alle diese Wahrnehmungs-weisen wirken zusammen und entwer-fen ein vielschichtiges Bild der mensch-lichen Wirklichkeit.Wenn ich von einer Bildung des sinnli-chen Körpers spreche, dann meine ichalso die Bildung der Fern- und Körpers-inne, wie auch die Bildung der emotio-nalen Wahrnehmung.

Von der Komplexität der Wahrneh-mungDie frühesten Erfahrungen des Säug-lings sind amodal organisiert, d.h. derSäugling unterscheidet seine Erfahrun-gen nicht getrennt nach den Modalitä-ten der Sinne.9 Visuelle, akustische, ol-

faktorische oder körperbezogene Wahr-nehmungen werden noch nicht vonein-ander getrennt, sondern bilden ein ein-heitliches Wahrnehmungsmuster. DerSäugling kann z. B. problemlos visuelleEindrücke und die dazu passenden ak-kustischen Wahrnehmungen miteinan-der verbinden. Genauso wenig werdenkognitive und emotionale Wahrneh-mungsaspekte getrennt wahrgenom-men. Über die emotionalen Anteile sei-nes Erlebens trifft der Säugling ersteEntscheidungen, indem er sich be-stimmten Erfahrungsmöglichkeiten zuund von anderen abwendet. Aus derAmodalität der Wahrnehmung ergibtsich die Entwicklungsaufgabe, sie ineine Multimodalität zu verwandeln. Ge-schieht dies nicht, gehen die Informatio-nen bestimmter Sinnesbereiche für dieinnere Verarbeitung verloren.

Wahrnehmungen sind letztlich indivi-duellDie basale Ordnung aller sensorischenund emotionalen Wahrnehmungen, wieauch die daraus folgenden Differenzie-rungen, sind für jeden Menschen letzt-lich individuell.10 Sie liegen wohl inner-halb eines Spektrums, welches für allemenschlichen Individuen gilt. Im Rah-men dieses Spektrums entwickeln sichjedoch individuelle Variationen entlangden persönlichen Erlebnissen und Erfah-rungen, die das Individuum im Kontextseines Alltags und seiner Kultur macht,in der es aufwächst. Obwohl wir unsinnerhalb einer Kultur über weite Berei-che von möglichen Wahrnehmungen,die sozial geteilt werden, verständigenkönnen, finden wir für die privatestenFormen des Wahrnehmens und Empfin-dens jedoch kaum Worte.11

Die Bildung des imaginativen Kör-pers, das Spiel als SimulationDie Bildung des imaginativen Körpersermöglicht dem Kind den Gebrauch vonVorstellung, Phantasie, Simulation. Da-bei werden die bisher erworbenen Er-fahrungsmuster nicht nur geordnet, son-dern können auf einer Bühne des Pro-behandelns neu zusammengesetzt, aus-probiert und umgestaltet werden. Deshalbsind Spielen und Gestalten wichtige Bau-steine eines imaginativen Körpers.

Die Muster der Selbst- und Welterfah-rung, sowie die Muster der Nachah-mung dienen der Imagination, Phantasieund dem Spiel als Ausgangspunkt.12

Nachahmung, Imagination, Phantasieund Spiel werden von nun an zu einemwesentlichen Teil der Wirklichkeitser-fahrung und des Umgangs mit ihr.Durch sie öffnet sich ein (innerer undäußerer) Raum der Simulation, in demdas Kind das, was es bisher erfahrenund als Erfahrungsmuster in sich ge-speichert hat, in neuer und individuellerWeise zusammenfügen kann. Es ent-steht damit die Möglichkeit, nicht nurdie konkret erfahrenen Zusammenhän-ge zu denken, nicht nur die Muster derVergangenheit in die Zukunft hinein zuerwarten, sondern mit den Erfahrungs-mustern der Vergangenheit zu spielen,mit ihnen neue Möglichkeiten zu ent-werfen und zu erproben, zu simulierenalso, wie sie zu neuen Erfahrungsmu-stern hypothetisch zusammengesetztwerden könnten und welche Konse-quenzen sich daraus ergeben würden.Das Spiel ermöglicht also dem Kind,sich nicht nur als Spiegelung seiner Um-welterfahrungen wahrzunehmen, son-dern eigentätige Varianten dieser Spie-gelerfahrung zu entwerfen. Nachah-mung und Simulation bilden daher auchdie Grundlage der „Als-ob-Spiele“, dieKinder im Laufe des zweiten Lebensjah-res zunehmend spielen:„Zunächst besteht dieses Spiel ausfeststehenden Stücken wie Geburts-tagskaffe oder Püppchen schlafen le-gen. Dann entwickelt es sich zu Dra-men, in denen ein Geburtstagskaffee,ein Streit, Sich herrichten und Schlafen-gehen einander in rascher Folge ablö-sen, und wenn dann die Darsteller le-bendig werden, beginnt ein ganz neuesAbenteuer. Mit wachsender Komplexi-tät gehen immer mehr Grundthemendes Lebens in das Spiel ein: Fürsorgeund Vertrauen, Selbstbewusstsein und

Aggression, Neugier und Faszination,Empathie und Liebe, Grenzen undSchranken, Ängste und Sorgen. Im Ide-alfall wird das alles zum Bestandteil desreichen kindlichen Innenlebens.“13

In diesen Als-ob-Spielen bildet sich zumeinen die erlebte Wirklichkeit in all denbedeutungsvollen Beziehungen ab, diedem spielenden Kind wichtig sind. In-dem diese Beziehungen inszeniert wer-den, kann das Kind - zum anderen - dar-über „nachdenken“. Das Spielen bildetalso einen Zwischenbereich zwischenhandeln und denken. Es spielt und denktmit Hilfe der szenischen Repräsentationund ihren Variationsmöglichkeiten.

FallbeispielEin kleines Mädchen (1;5) schiebt einKinderstühlchen durch den Raum. Dasist wegen der Fugen des Plattenbelagsnicht ganz einfach. Immer wieder bleibtdas Stühlchen hängen. Sie muss es mitKraft und Geschick dann wieder flottmachen. Trotzdem ist sie ganz vergnügtbei der Sache und fährt mit Ausdauerfort, den Raum zu erobern.Doch dieses Stühlchen ist kein Stühl-chen, sondern ein Auto. „Brmm, brmm,brmm“ macht sie, während sie im Zim-mer herumkurvt. Man weiß nicht sorecht, ob sie Teil des Autos ist - z.B.sein Motor oder seine Lenkung - oderseine Fahrerin. Vielleicht ist sie (ab-wechselnd) beides. Doch wenn sie nunJacke und Hose ins „Auto“ legt umwegzufahren, dann handelt sie gewissals Fahrerin.Für diese Wendung des Spieles ist esvielleicht gut zu wissen, dass das Mäd-chen vor diesem Spiel eigentlich „ada-gehen“ wollte. Doch niemand konntemit ihr gehen. So musste sie im Raumbleiben und hat sich mit ihrem „Auto“selbständig gemacht.Das Spiel geht also von Alltagserfahrun-gen aus: Autofahren. Das Autofahrenwird durch Nachahmung im Spiel verge-genwärtigt. Dabei spielt es keine Rolle,ob es Menschen oder Dinge sind, dieimitiert werden. Beides ist gleicherma-ßen möglich. Hier wird zunächst dasAuto nachgeahmt, dann auch der Fah-rer. Das Mädchen verfügt über die All-tagserfahrungen und die Muster derNachahmung über Erinnerungen an Si-

[8] Vgl. Schäfer 1995, 1999 dort auch weitereLiteraturangaben.[9] „... dass Kleinkinder die Welt nicht entspre-chend den Kategorien unserer akademischenSubdisziplinen erfahren. Das frühkindlicheErleben ist einheitlicher und globaler. DenSäugling kümmert es nicht, in welchem Bereichseine Erfahrungen auftreten. Er nimmt Empfindun-gen, Wahrnehmungen, Aktionen, Kognitionen,innere motivationale und Verhaltenszuständeunmittelbar wahr: als Intensität, Form, Zeitmuster,als Vitalitätsaffekte, kategoriale Affekte, Lust oderUnlust. Dies sind die Grundelemente desfrühkindlichen subjektiven Erlebens. Erkenntnisse,Aktionen und Wahrnehmungen als solche gibt esnicht“ (Stern, 1992, S.102). Vgl. auch Gopnik, Kuhl, Meltzer 2000.

[10] Vgl. hierzu aus der Gedächtnisforschung z.B.Schacter 2001, aus der Neurobiologie Edelman1993, Breidbach 1996.[11] Was dies bedeutet, kann jeder nachvollzie-hen, der versucht hat einen Liebesbrief zuschreiben.[12] Vgl. hierzu Piaget 1975.[13] Greenspan 1997, S. 112.

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tuationen, Handlungen, Bewegungen,emotionale Qualitäten. Sie kann dieseErinnerungen in Szene setzen. Das gibtihr nun die Möglichkeit, über die ge-genwärtige Wirklichkeit hinauszugehenund eine eigene Wirklichkeit zu simulie-ren. Sie bleibt nicht das passive Opferder Gegenwart, in der sie nicht ins Freiegehen kann. In ihrer Spielszene entwirftsie aus den Versatzstücken ihrer verin-nerlichten Erinnerungen eine neue Wirk-lichkeit und probiert aus, was man da-mit alles machen und erreichen kann.Sie entrinnt also der Rolle, nur das pas-sive Opfer der augenblicklichen Verhält-nisse zu sein, indem sie eine innereWirklichkeit arrangiert, die ihren Vor-stellungen besser entspricht.

Die Bildung sprachlichen Denkens14

Die Bildung des Sprechens und dessprachlichen Denkens zielt nicht in er-ster Linie auf die Frage, wie Kinder ihresprachlichen Kompetenzen erwerben.Unter bildungstheoretischem Blickwin-kel wird es wichtig, zu wissen, wieSprechen das kindliche Denken und da-mit die Weisen der kindlichen Welter-fahrung verändert. Dazu gehört auchein Wissen darüber, wie Kinder vor derSprache denken und welche Vorformensprachlichen Denkens bereits vor demeigentlichen Sprechen lernen in Ge-brauch sind. Von der Frage, wie Kindervor dem Eintritt in die Sprache denken,ist in diesem Beitrag insgesamt dieRede. Bleiben für diesen AbschnittÜberlegungen anzustellen, wie sichsprachliches Denken aus seinen Vorfor-men heraus entwickelt und wie sich da-durch die kindlichen Verarbeitungsmög-lichkeiten wandeln.

Ästhetische Vorläufer des SprechensAuch das Sprechen lernen beginnt miteiner Bildung der Wahrnehmung. Einesder grundlegenden Probleme dabei be-steht darin, dass Kinder Laute unter-scheiden, sowie Wörter und Sätze alsEinheiten begreifen müssen. Das ist zu-nächst ein Wahrnehmungs- genauer einästhetisches Problem; denn es gehtdarum das Wahrnehmungsvermögenso zu strukturieren, dass das kleine Kinddadurch in die Lage kommt wird, diespezifischen Klänge, Satzmelodien, In-tonationsformen der Sprache zu erken-nen, in die es hinein geboren wurde.Das Problem des Sprechens beginntnicht mit dem ersten Wort, sondern mitdem Erkennen der Laute. Jede Sprache,ja jeder Dialekt, hat seine eigenen Laut-formen. Ein „a“ wird im Deutschen an-ders ausgesprochen, als im Englischenoder Französischen. Eine fränkisches„a“ hört sich anders an als ein hessi-sches oder hamburgisches. Für einenZuhörer, der in die Sprache nicht einge-führt ist - und dies sind Babys zunächsteinmal - klingen diese „a“-Laute alle un-terschiedlich. Um seine Muttersprachezu erlernen muss es daher erst einmalherausbekommen, welche Klangfarbendem „a“-Laut zuzuordnen sind und wel-che hingegen keine „a“s sind. Es gibteine Lautreihe, in der sich z.B. der „a“-Laut allmählich in einen „o“-Laut ver-wandeln lässt. Rein akkustisch gesehenist dies ein kontinuierlicher Übergang.Dennoch machen wir an einer Stelleeine kategoriale Unterscheidung: Wirkönnen sagen, bis hierher höre ich ein„a“; dies hier erkenne ich bereits als ein„o“. Diese kategoriale Grenze ist nichteindeutig, wenn wir die unterschiedli-chen Dialekte mit einbeziehen. Für jedeSprachgruppe und für jedes Individuumist jedoch eine solche Grenze hörbar.Das bedeutet nun, dass auch das Babylernen muss, das Klangbild zu entziffern,das in seiner Umgebung gilt. Die For-schung hat hierzu ein erstaunliches Er-gebnis zutage gefördert. Bereits sehrkleine Babys - bis zum dritten Lebens-monat - können differenziert Laute un-terscheiden. Ja noch mehr, sie könnenoffensichtlich auch Laute unterschei-den, die nicht zu ihrer sprachlichen Um-gebung gehören. Das bedeutet nichts

anderes, dass Babys ein klangliches Un-terscheidungsvermögen besitzen, dasgewissermaßen alle möglichen Lautealler möglichen Sprachen umfasst. In-dem sie die Sprache hören, die sie um-gibt, lernen sie jedoch, ihr Lautunter-scheidungsvermögen genau auf dieseSprache hin auszurichten. Das Ergebnisist ein scheinbarer Verlust: Etwa biszum achten und dem zwölften Lebens-monat stellen sich die Babys auf dieLaute ihrer jeweiligen Mutterspracheein. Sie können dann keine universellenUnterscheidungen mehr treffen. Dage-gen werden die spezifischen Lautunter-schiede der Muttersprache deutlicherwahrgenommen.Ähnliches gilt für das Erkennen vonWörtern. Ebenfalls bis zum letzten Drit-tel des ersten Lebensjahres haben Ba-bys gelernt, dass es in ihrer Mutterspra-che bestimmte Betonungsmuster gibt,mit welchen man Worteinheiten identi-fizieren kann. Sie können dann bereits„Melodien“ erkennen, welche die Wör-ter im kontinuierlichen Fluss der Spra-che abgrenzen und identifizierbar ma-chen. Darüber hinaus haben sie in die-sem Alter eine Kenntnis erworben, wel-che Lautkombinationen in ihrer Mutter-sprache möglich sind. Und später, imzweiten Lebensjahr, noch bevor siewirkliche zu sprechen beginnen, könnensie auch Satzeinheiten unterscheiden,die ja auch durch ganz bestimmte Mu-ster der Intonation, durch Satzmelodienstrukturiert sind. Kinder sind also be-reits Laut-, Wort- und Satzmusiker,noch bevor sie die ersten Wörter spre-chen.Diesem Prinzip: Aus Mehr mach Weni-ger! folgen viele der frühesten Entwick-lungen des Kindes. Es wurde schon beider Nervenarchitektur festgestellt, dassNeugeboren mit einer Vielzahl vorgege-bener innerer Verknüpfungen im Netzdes Zentralen Nervensystems geborenwerden. Durch die ersten Wahrneh-mungserfahrungen werden die Verbin-dungen ausgewählt, die sich in der ge-gebenen Umwelt bewährt haben. Ingleicher Weise gilt dies offensichtlichauch für die Grundlagen der Sprach-wahrnehmung: Eine Überzahl an Unter-scheidungsmöglichkeiten wird durchdie unmittelbaren Spracherfahrungen

des Babys auf diejenigen reduziert, diesein Sprachumfeld als wesentliche an-sieht. Der scheinbare Verlust wird da-durch wieder aufgewogen, dass nun dieFeindifferenzierung innerhalb des gege-benen Rahmens gesteigert wird. Wirfinden also einerseits eine Reduktiondes Rahmens, der gesamten Reich-weite der Wahrnehmungsmöglichkeitenvor, andererseits kann sich dadurch ei-nen Binnendifferenzierung innerhalb die-ses nun enger abgesteckten Feldes ein-stellen.Dieses Prinzip findet in vorsprachlichenEntwicklung wiederum Anwendung,wenn Kinder anfangen zu glucksen, zulallen und zu brabbeln. Auch diese vor-sprachlichen Dialoge sind zunächst in-ternational. Alle Babys auf der Welt tundies in gleicher Weise:„Babys aus allen Kulturen brabbeln zu-nächst auf identische Weise: Sie produ-zieren Kombinationen aus Konsonantenund Vokalen und benutzen dabei Lautewie b, d, m und g, jeweils zusammenmit dem Vokal ah.“15

„Wenn Babys erst den Meilenstein desBrabbelns erreicht haben, ist die univer-sale Phase der Sprachproduktion zuEnde. Irgendwann im Alter von einembis eineinhalb Jahren beginnen Babysaus verschiedenen Kulturen ... diejeni-gen Geräusche von sich zu geben, diefür ihr eigenes Volk charakteristisch

sind.“16 Das bedeutet, dass sie in dieWelt der Laute Unterscheidungen ein-geführt haben, die - zum einen - in daseher chaotische „Alles-ist-möglich“ äs-thetisch ordnen, sodass sprachliche Ein-heiten, die eine Bedeutung haben, un-terscheidbar werden. Zum anderenträgt diese Ordnung den Stempel derMuttersprache, wie sie im Umfeld desBabys gesprochen wird. Das Baby istalso genau darauf vorbereitet, diejeni-gen zu verstehen, die es verstehenmuss, wenn es in diesem Umfeld über-leben will. Das weist darauf hin, dassdas Eintauchen in die Welt der Sprachenicht nur ein individuelles Bildungspro-blem enthält, sondern auch ein soziales.Von daher wird es wesentlich, in einemzweiten Schritt die sozialen Vorläufergenauer zu betrachten, aus denen diekindliche Sprachwelt hervorgeht.

Wie Bedeutung entstehtDie Entstehung von Bedeutung bis hinzu ihrem sprachlichen Ausdruck ist ein-gebunden in soziale Situationen, allenvoran in die Beziehungen zu den wichti-gen Anderen - in der Regel zu Mutter,Vater, gegebenenfalls Geschwister.Doch zunächst muss man fragen, wiesich aus den konkreten Handlungen eineArt Bedeutungshorizont ergibt.Die Aufmerksamkeit der kleinen Kinderfür Dinge, die in ihrer Umwelt gesche-

hen wächst gerade dann, wenn diegrundlegenden Bedürfnisse gestillt undsie noch nicht wieder müde sind. In die-sen Zeitspannen entwickeln sie eine Artgelassener aber neugieriger Aufmerk-samkeit für alles, was um sie herumgeschieht. Sie bleiben ein Weilchen andas gefesselt, was ihre Aufmerksamkeiterregt. Aber wie nehmen sie das wahr,was sie da bemerken. Natürlich sehen,hören, schmecken, fühlen sie etwas.Wie jedoch bekommt dieses Etwas Ge-stalt, wenn es noch keine inneren Bilderund keine Sprache gibt? Wir wissen esbis jetzt noch nicht. Möglicherweisespielen die rudimentären Formen derNachahmung eine wichtige Rolle dabei.Über die einfachen Formen der Nachah-mung deren elementarste Ausgangs-punkte sich bis kurz nach der Geburt zu-rück verfolgen lassen, sowie deren indi-viduellen Variationen, verschafft sichdas Kind möglicherweise eine Art Kör-perbild von seiner Welt, die es umgibt.Damit ist nun der Ausgangspunkt fürdas gegeben, was Bruner17 Aufmerk-samkeitsverhandlung nennt. Darunterversteht er eine Kommunikation zwi-schen Mutter und Kind (beginnend umden sechsten Lebensmonat), durch wel-che die Mutter die Aufmerksamkeit desKindes auf Gegenstände seiner Umge-bung lenkt, die sie schließlich auch inWorten benennt. Selbst wenn das Kinddas, was da benannt und gesprochenwird, noch nicht im eigentlichen Sinneversteht, so geschieht in diesen Situa-tionen doch dreierlei in Richtungsprachlicher Kommunikation: Erstenssind dies sicherlich die bevorzugten Si-tuationen, in welchen das kleine KindLaut, Wort und Satzmelodien zu erken-nen lernt; zum Zweiten bekommt eseine Ahnung von einem Dialog, der sichnicht nur zwischen Mutter und Kind ab-spielt, sondern über etwas Drittes, einDing oder Ereignis in seiner Umwelt,geht. Drittens schließlich erfährt dasKind über den Handlungszusammen-hang der gesamten Szene und seineemotionale Bewertung etwas über dieBedeutung dessen, was es da erlebt.

[14] Über die wichtigsten Probleme des allmähli-chen Eintauchens in die Welt der Sprache infor-miert das Kapitel:“ Was Kinder über Sprachelernen“. In: Gopnik, Kuhl, Meltzer 2000, S. 117 -160. Den Aspekt der sozialen Formate, die demeigentlichen Sprechen vorausgehen hebt Bruner1987 hervor, als protonarrative Hülle findet sicheine Weiterentwicklung dieses Gedankens beiStern 1998, vgl. zu Sterns Position auch Hambur-ger 1998, S. 246 ff. Empirische Ergebnisse wer-den von Papousek 1994 für die Anfänge derSprachentwicklung zusammengestellt. Breit infor-mieren Hamburger, 1995, Szagun 1966.

[15] Gopnik, Kuhl, Meltzoff, 2000, S.137.[16] ebenda, S.138.[17] 1987

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Gesprochen wird also innerhalb be-stimmter Szenen. Der szenische Zusam-menhang ist wesentlich dafür, dass dasKind die Bedeutung von dem erfasst,was da gesprochen wird. Allmählichentstehen zwischen Mutter und Kindgewissermaßen Situationen, die sichwiederholen. Sie erleichtern dem Kinddas Erfassen von Bedeutungen. Dazugehören insbesondere Formern des Hin-weisens, der Markierung, des Lokalisie-rens, des Hervorhebens bis zum Über-treiben.18 Der Spracherwerb des Kindesbeginnt also bevor das Kind wirklich inWorten zu sprechen beginnt. Er beginnt,wenn Mutter und Kind einen gemeinsa-men Mikrokosmos aus Gesten, vertrau-ten mimischen Äußerungen, einer ruhi-gen, positiv gestimmten Atmosphäreschaffen. Er dient als Hintergrund, vordem sich die neu auftauchenden Gegen-stände und/oder Ereignisse abhebenund vom Kind verstanden werden kön-nen. Bruner nennt diese Standardsitua-tionen Formate.Einen Schritt weiter geht Stern.19 Er un-tersucht die Situation zwischen Mutterund Kind nicht ausdrücklich im Hinblickauf den Spracherwerb des Kindes. Viel-mehr macht er deutlich, dass das ge-samte Leben und Erleben des Säuglingswie eine Erzählung abläuft. Die Dingetreten nicht isoliert auf, sondern als Teilvon Handlungsverläufen, Situationen,Räumen.20 Sie verbinden sich zu szeni-schen Handlungs- und Erlebniszusam-menhängen, die wie eine Geschichteaufgebaut sind.Das Wesentliche an den vorangegange-nen Überlegungen scheint mir zu sein,dass Wörter nicht isoliert vorkommen,sondern in einem erfahrenen Zusam-menhang stehen, in dem sie begriffenwerden können und durch den sie dannauch zu Begriffen werden können.21

Hinweis auf das symbolische DenkenMit dem Eintritt in die Sprache ist dasKind einen wichtigen Schritt auf demWeg zum symbolischen Denken gegan-gen.22 Miteinander sprechen ermög-licht, über die eigene Erfahrung hinaus-zugehen. Man kann dem Kind die Erfah-rungen anderer mitteilen. Und damit istes nicht mehr nur auf seine subjektivenVerständnishorizonte angewiesen,

gen, um sich auch weiterhin so weitwie möglich selbsttätig forschend infür sie neue Bereiche der Selbst- undWelterfahrung hineinzuwagen. Es gehtalso darum, diese Fähigkeiten zu erhal-ten, weiter zu fördern, für die Entdek-kung neuer Wirklichkeitsbereiche zunutzen und sie nicht einfach durch ab-straktes Denken zu ersetzen. Was dasbedeutet, das lässt vielleicht das fol-gende Beispiel erahnen:25

wenn es sich die Welt erschließenmöchte, sondern kann prinzipiell auf al-les zurückgreifen, was eine soziale Ge-meinschaft, eine Kultur zur Interpretati-on von Wirklichkeit an Denkmodellenbereit stellt.Doch man sollte vorsichtig sein, diesalles nur der Sprache, und später derSchrift zu unterstellen. Man sollte dabeinicht vergessen, dass Sprache nur ein -wenn auch sehr wesentliches - Symbol-system ist. Wie uns die Mediendiskus-sion lehrt, haben wir inzwischen sehrwirkmächtige bildhafte Formen derSymbolisierung entwickelt. Wir könnendavon ausgehen, dass jede Form derSinneswahrnehmung im Verbund mitgeeigneten Medien symbolische For-men hervorbringen kann.23

Aber es ist wohl auch so, dass mit derSprache noch nicht alle Symbolsyste-me, die unsere Kultur ausgebildet hat,dem Kind zur Verfügung stehen. DieWelt der Zahlen z.B. dürfte dem kleinenKind zwischen zwei und drei allenfallssehr rudimentär zur Verfügung stehenund wir wissen, dass sie als symboli-sche Welt auch einem großen Teil derErwachsenen kaum verständlich ist.Damit sei nur angedeutet, dass sich invielen kulturellen Bereichen symboli-sche Systeme entwickeln können, dienur speziellen Kennern wirklich begreif-bar sind.24

SchlussMein Ziel in diesem Beitrag war es, et-was über die basalen Bildungsprozesseauszusagen, durch die das Kind sich dieErkenntnistheorie einverleibt, die in sei-nem soziokulturellen Umfeld üblicher-weise verwendet wird. Sobald das Kindin der Lage ist, über die Symbolweltenselbst mit der Kultur, in der es auf-wächst, zu kommunizieren, entsteht einzweiter Bildungsbereich, der mehr nochals dieser erste Schritt, mit dem Eintrittin diese kulturellen Formen selbst zu tunhat. Sprache(n), Kultur(en), Natur, Kün-ste, Religion(en) sind die wesentlichenBereiche dieses zweiten Bildungsschrit-tes, der spätestens mit dem Kindergar-tenalter zunehmend an Bedeutung ge-winnt.Aber warum spreche ich davon nicht?Hauptsächlich deshalb, weil es mir dar-

auf ankam, erst einmal diese basalenBildungsprozesse zu beschreiben, umdeutlich zu machen, dass Bildung be-reits mit der Geburt beginnt. Dann aberauch, um auf die Wahrnehmungs-, Er-lebnis- und Denkweisen aufmerksam zumachen, die wir nicht verkümmern las-sen dürfen, wenn wir den Kindern einenWeg ins kulturelle Erbe vorschlagen.Wenn wir auch bei diesem nächstenSchritt davon ausgehen, dass es dieKinder sind, die sich ein Bild von sichund ihrer Welt machen, aufgrund derErfahrungen, die sie auf ihrem Lebens-weg sammeln, dann müssen wir eineAhnung davon haben, welche Werkzeu-ge sie dazu benutzen. Das, was sie sichbis zum dritten Lebensjahr an sinnli-chen, ästhetischen, sprachlichen unddenkend-forschenden Werkzeugen ge-schaffen haben, das werden sie benöti-

„Bei schönem Wetter mußte ich zwei

Stunden lang lernen, und wenn es

kalt wurde, der Regen andauerte,

wurde ich von meinem Großvater so-

gar während vier Stunden unterrich-

tet ... Vormittags, Ende Mai saß ich

mit dem Großvater in seinem grünen

Zimmer. Es duftete nach den ersten

Rosen, nach Honig und nach durch-

wärmtem altem Holz. Wir saßen, der

alte Mann am schmalen Ende des

grün eingelegten Tisches aus Zitro-

nenholz, ich an der Breitseite zu sei-

ner Rechten. Vor sich hatte mein Leh-

rer den Deckel einer Pappschachtel,

und in diesem Deckel lagen eine klei-

ne Hand voll Kieselsteine. Er nahm

einen Stein heraus und legte ihn auf

den Tisch. ‘Was ist das?’ fragte er. Der

Stein lag in einem gebrochenen Son-

nenstrahl, der durch die Blätter der

rankenden Rosensträucher einfiel. ‘Er

ist schön’, sagte ich. ‘Warum ist er so

rot?’

Aber das wollte der alte Herr nicht

hören. ‘Nein’ sagte er, ‘nimm dich zu-

sammen, was ist das?’ Nun nahm er

einen zweiten Kieselstein. Dieser war

blaßgrau wie die Forellen am Sonn-

tagsessen.

‘Er ist von dort, wo die Forellen woh-

nen’, sagte ich. Darauf der Großvater:

‘Jetzt erzähl mir keine Märchen, du

sollst zählen lernen’; und rasch auf

den roten weisend: ‘Das ist ein Stein.’

Dann hob er den grauen auf und leg-

te ihn neben den anderen: ‘und das

sind zwei Steine. Das ist der Erste,

und das ist der Zweite.’

‘Warum ist der graue nur der Zweite?’

fragte ich. Ich konnte vom Wesen

nicht loskommen.

‘Also nehmen wir nur graue Steine’,

antwortete der Geduldige. Er suchte

zwei weitere graue Steine und legte zu

meinem Bedauern den herrlichen ro-

ten vom Tisch, aus den Lichtstrahlen

in die Schachtel zurück.

‘Zähle sie jetzt!’

‘Der ist etwas größer’, erklärte ich,

‘und er hat einen weißen Strich. Ha-

ben sie Namen? Wer hat sie gemacht?’

‘Hör jetzt auf mit dem Fragen. Der

liebe Gott will, dass du zählen lernst.’

Und er zählte selbst an den Fingern:

‘Eins zwei, drei, sag’s mir nach.’

Ich wiederholte erwartungsvoll: ‘Eins,

zwei, drei’ und fragte gleich: ‘Warum

geschieht jetzt nichs? Wenn der Vetter

Hans zu seinem Hund eins, zwei, drei

sagt, so springt dieser über den Stock.’

Der Großvater lachte. Dann schüttelte

er den Kopf. ‘Sag’s mir nach.’

‘Eins, zwei, drei’, wiederholte ich, und

auf die Drei hin flog eine schwere

Hummel ins Zimmer, sauste um uns-

re Ohren, schlug gegen die Scheiben

und fiel auf den Tisch. Der alte Herr

warf das entfaltete Taschentuch auf

die Surrende, schloß die Hand, hob

sie auf, erhob sich selbst, schüttelte

das Taschentuch zum Fenster hinaus

und schloß das Fenster.

‘Jetzt kann nichts mehr kommen’, sag-

te ich enttäuscht. ‘Eins, zwei, drei - es

kommt nichts mehr.’

‘Nein, aber dein Schädel soll jetzt auf-

gehen. Paß jetzt auf!’ Und wieder

zählte er diesmal bis zehn.

Ich erklärte: ‘Zehn gefällt mir nicht.’

‘Was soll das heißen?’

‘Zehn ist viereckig und böse.’

‘Wer bringt dir solchen Unsinn bei?

Warum soll zehn böse sein?’

‘Ich spür’s.’

‘Warum? Ich bin zehnmal, ja mehr

als zehnmal älter als du. Du wirst

bals sechs Jahre alt.’

‘Was ist das, ein Jahr?’

‘Ein Jahr ist der halbe Winter, der

ganze Frühling, der ganze Sommer,

der ganze Herbst und wieder der hal-

be Winter.’

‘Letztes Jahr war keine Sommer, hat

Dill gesagt (Dill hieß der Pächter).

Gibt es lustige Jahre und auch trauri-

ge?’

‘Um uns zu prüfen und zu bessern.’

‘Warum bessert das Traurige?’

‘Lassen wir das, das wirst du später

[18] Vgl. Gergely, Watson 1996.[19] Stern 1998[20] Wie die Gedächtnisforschung inzwischenhervorhebt, werden sie auch nicht als isolierteDinge dem Gedächtnis einverleibt, sondern findensich dort auch als bedeutsame Aspekteerfahrener Zusammenhänge, als Szenen. Es findetein ständiger Vergleich vergangener Szenen mitgegenwärtigen statt, ein ständiges Umformulierenvergangener Szenen durch gegenwärtige Szenen(vgl. zusammenfassend und sehr lesbar: Schacter2001).[21] Dazu passt es, dass linguistische Untersu-chungen deutlich machen können, wie sehr auchunsere sprachlichen Begriffe - bis hin zu sehrabstrakt erscheinenden - selbst von erfahrbarenLebenskontexten her strukturiert werden. WieLakoff/Johnson (1998) zeigen, reichen unsereBegriffe nur so weit, wie es die in sie eingebau-ten Bilder oder Alltagserfahrungen erlauben. Z.B.verweisen alle hier kursiv geschriebenen Wörterauf solche allgemeinen Lebenserfahrungen, diewir dann so umwandeln, dass wir damit auchabstrakte Gedanken denken können. Dennochbleiben wir mit unserem Denken dieses Bildernund Erfahrungen letztlich verhaftet.[22] Vgl Greenspan, 2001; Übergang vomAktionsmodus des Seins zum symbolischenSeinsmodus, S. 105 ff; Edelman 1989 spricht voneinem szenischen, primären Bewusstsein und voneiner höheren Ordnung des Bewusstseins. Köhler1998 verbindet mit dem Eintritt in die Sprache„eine totale Umorganisation des globalenErlebens...“ S. 185.[23] So könnte man - um nur ein etwas ausgefal-leneres Beispiel zu wählen - z.B. die klassischefranzösische Küche als eine System fürgeschmackliche Symbole ansehen, in welchemdie Gerichte die Symbole wären.[24] Die Vielfalt symbolischen Denkens imBereich des frühen Kindesalters beschreibt auspädagogischer Sicht Gardner (1993, S. 77 ff).[25] Vgl. auch Schäfer 1995, S. 250 ff.

begreifen.’

Hierauf stellte ich die Frage: ‘Wann

mußt du sterben?’

Der Großvater: ‘Das weiß kein

Mensch. Sterben kann man immer;

darum muß man immer gut leben.’

‘Das Sterben ist wie die Zehn, ohne

Farbe’, meinte ich; ‘wenn die Farbe

weggeht, dann kommt es.’

‘Man muß lernen, ohne Farbe zu den-

ken. Die Wahrheit hat keine Farbe. Sie

ist weiß wie das Licht.’

‘Ich will nicht’, sagte ich. Mein ganzes

Wesen zog sich zusammen in großer

Angst.

‘Was willst du nicht?’

‘Ich will nicht weiß denken. Ich will

die Namen nicht, die immer gleich

bleiben für Sachen, die jedesmal an-

ders sind.’

‘Welche Namen?’

‘Das Jahr. Jedes Jahr ist anders. Aber

der Frühling in der Stadt war leer,

weil du nicht da warst; du warst noch

in Rom.’

Und hierauf der Großvater:’ Du sollst

denken lernen wie ein Mann und

nicht wie ein Mädchen’“

(Burckardt, 1977, S. 36 f ).

Der Schweizer Historiker und Schrift-steller Carl Jacob Burckardt berichtet inseinen Lebenserinnerungen, wie er alsSechsjähriger von seinem Großvaterväterlicherseits auf die Schule vorberei-tet wurde und erzählt dabei die folgen-de Geschichte:Ich will die wichtigsten Linien zusam-menfassen, die dieses Beispiel mit mei-nen Überlegungen zu frühkindlichen Bil-dungsprozessen verbinden. Vor allemhabe ich es ausgewählt, weil es an-schaulich macht, wie die vielen Wahr-nehmungs-, Erfahrungs-, Erlebens- undVerarbeitungsebenen in einer Situationzusammenwirken und sie zu einemkomplexen Bildungsereignis machen,welches wert ist, in einer Lebenserinne-rung festgehalten zu werden.Was den Leser betrifft, so wird uns eineSzene vor Augen gestellt. Man sieht einZimmer, einen Tisch aus Zitronenholz,Kieselsteine im Licht eines gebrochenenSonnenstrahls. Was nicht erwähnt wirdund vermutlich zu einem Zimmer (des

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19. Jahrhunderts) gehört, ergänzen wiraus Vorstellungen, die wir im Verlaufunserer Biografie gesammelt haben.Wir riechen abwechselnd den Mai, Ro-sen, Honig oder Holz. Wir empfinden dieKühle des Regenwetters, die Wärmedes Raumes und des Holzes.Carl Jacob sieht die Rosensträucherund den roten Stein, blassgraue Kiesel-steine, eine Hummel. Innere Bilder tau-chen auf: der Bach mit den blassgrauenForellen, der Vetter Hans und sein Hund,der über den Stock springt, Erinnerun-gen an den Frühling ohne den Großva-ter. Die Bilder rufen Geschichten hervor;dass nach eins, zwei, drei was passiert,dass Zahlen gut oder böse, Jahre lustigoder traurig sein können. Philosophi-sche Probleme drängen hervor: Alterund Sterben, Namen, die immer gleichbleiben, während die Sachen sich än-dern. Jede Zahl, jede Farbe, jedes Bild,jede Geschichte, die berichtet wird, istmit intensiven Gefühlen unterlegt, diedem Jungen eine klare Orientierung zwi-schen schön und hässlich, gut undböse, wichtig und unwichtig geben. Ge-heimnisvolle Verbindungen werden ge-schaffen: Zehn ist viereckig, böse underinnert an Sterben; es gibt eine ver-steckte Wertskala der Farben auf derunbegreiflich erscheint, warum blass-grau mit der Zahl zwei verbunden wirdund „weißes Denken“ abgelehnt wird.Das Beispiel stellt deutlich vor Augen,welche Wahrnehmung zur Sprache ge-bracht und im Dialog weiter entfaltetwerden dürfen und welche nicht. CarlJacob, der mit sechs Jahren ein eige-nes Universum der Sprache entwickelthat, setzt seine Sprachspiele gegen diedes Großvaters. Zwei Sprachwelten ri-valisieren miteinander um ihre Geltung:Der Großvater will seine „weiße“, ab-strakte Sprachwelt dem Jungen nahebringen. Der jedoch fühlt sich in seinerSinnen- und Sinnwelt unverstanden,kleidet seine Wahrnehmungen und Deu-tungen in die eigenen Worte und setztsie dagegen. Denkt man drei Jahre zu-rück, dann wird deutlich, dass kleinereund weniger selbstbewusste Kinder dar-auf angewiesen sind, dass ihre Wahr-nehmungen und Weltdeutungen vonden ihnen vertrauten Personen erst an-erkannt werden müssen, damit eine

Sprache für sie gefunden werden kann.Wo sich kein zureichendes Sprechenauf der Basis ihrer Welterfahrungen ent-wickelt, wird es den Kindern erschwert,wenn nicht gar unmöglich gemacht,dass sie für das, was sie für bedeut-sam halten, Wörter finden, in denen siesich authentisch ausdrücken können.Carl Jacob beharrt also auf der Wichtig-keit und Wahrheit seiner vielfältigenWahrnehmungen, Eindrücke, Bilder undGeschichten. Der Großvater pocht aufdie unveränderlichen Wahrheiten derAbstraktion und der Zahlenwelt. Aberhat er nicht Recht, der Großvater, wenner an die Zukunft des kleinen Carl Jacobdenkt? Natürlich muss der auch zählenlernen und anderes abstraktes Denkenauch. Aber ein ganz anderes Problemgerät dabei aus dem Blick: Es sindnicht die Fragen und Absichten desGroßvaters, die Carl Jacob bewegen. Erstellt ganz andere Fragen an die Dinge,die der Großvater ihm zeigt und wirdmehr oder weniger gezwungen, die zu-rückzustellen, um zählen zu lernen.Was dabei auf der Strecke bleibt - dasist im Einzelfall vielleicht nicht sehr be-deutsam, kann es jedoch werden, wennes zu einem durchgängigen Verfahrenwird - sind die Wahrnehmungen und Er-lebnisse des Kindes mit diesen Dingen,

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Sehr geehrte Damen,Sehr geehrte Herren,

Sie haben sich anlässlich Ihrer Tagungein hochaktuelles Thema ausgewählt.Ich bin Ihrer Einladung nach Köln sehrgern gefolgt, da ich dadurch die Mög-lichkeit habe, über Ergebnisse und Er-fahrungen aus dem Bundesmodellpro-jekt „Zum Bildungsauftrag in Kinderta-geseinrichtungen“ zu berichten. Mehrnoch, ich habe in den letzten 1,5 Jahrenmeine Arbeit zum Bildungsauftrag fort-setzten können.Der Freistaat Sachsen hat sich nach derBeendigung des Bundesmodellprojektsentschieden, die Implementation der Er-gebnisse auf verschiedenen Ebenen zusichern:• Zum einen durch die Fortsetzung derwissenschaftlichen Begleitung in denvier Modelleinrichtungen (sie waren vonAnfang an dabei) sowie der Aufbau ei-nes Netzes von Kindertageseinrichtun-gen (weitere acht Einrichtungen sinddazu gekommen), die intensiv über dieDauer von 1,5 Jahren zu Fragen von Bil-dung begleitet werden.• Zum anderen die weitere inhaltlicheKooperationen mit der Expertengruppe(hier sind Beraterinnen, Trägerverant-wortliche, Leiterinnen, ein Geschäfts-führer einer privaten Grundschule sowieje eine Mitarbeiterin des SächsischenStaatsministeriums für Soziales unddes Landesjugendamtes vertreten), dieauch bereits über das Bundesmodell-projekt zu Multiplikatorinnen zum Bil-dungsauftrag fortgebildet worden sind.Ziel ist es, diese Ergebnisse in den Frei-staat Sachsen, d.h. in die verschiede-nen Städte und Landkreise, „zu tragen“- also die Träger, die Eltern, die Öffent-lichkeit insgesamt darüber zu informie-ren, was im Kindertagesbereich, im Hin-blick auf Veränderungen diskutiert wird.

Aus heutiger Sicht kann ich sagen, dasses hervorragend gelungen ist, die ge-stellten Aufgaben umzusetzen und dassomit eine solide Basis für weiterfüh-rende Prozesse geschaffen wurde. DasBildungsthema im Kindertagesbereichist im Freistaat Sachsen zu einem Lan-desthema geworden. Ein Beweis dafürist die überaus hohe Resonanz auf dieAbschlusstagung am 29.11.2001 inMeißen, wo u.a. der zuständige Staats-minister die Grußworte sprechen undsich bei der engagierten Praxis für ihreArbeit bedanken wird. Ich werde als dieProjektleiterin dort über 300 Teilnehmerund Teilnehmerinnen begrüßen können.Genug der Vorrede, nun zu meinem ei-gentlichen Vortrag.Um das Zuhören zu erleichtern und soIhr Interesse zu wecken, möchte ich ihnwie folgt gliedern: Erstens gehe ich derFrage nach, woher das gegenwärtige

Interesse an einer Bildungsdiskussion inunserer Gesellschaft kommt. Zweitenswill ich den Rahmen abstecken, wie Bil-dung in unserem Projekt gesehen wirdund Ihnen dazu wesentliche theoreti-sche Grundannahmen benennen. Ichwerde dann auf das Verhältnis von Bil-dung und Erziehung eingehen, um in ei-nem dritten Teil meines Vortrages eini-ge Aussagen zum beruflichen Selbstver-ständnis des Fachpersonals zu treffenund somit Fragen seiner Qualifizierungaufwerfen.Nun zum ersten Teil meiner Ausführun-gen. Vermutlich erinnern Sie sich alle andie Berliner Rede des ehemaligen Bun-despräsidenten Roman Herzog, der Bil-dung zum Megathema erklärt hat undzugleich die Aufforderung daran knüpf-te, es möge ein Ruck durch die Gesell-schaft gehen. Unser jetziger Bundesprä-sident, Johannes Rau hat in seiner Redeauf dem Ersten Kongress des Forum Bil-dung, am 14. Juli 2000 in Berlin daraufhingewiesen, dass der Kindergarten einOrt des sozialen Lernens sei und auchder Titel meines Vortrages ist aus seinerRede entnommen. Daran lässt sich an-knüpfen und weiterarbeiten.Die Forderung nach einer Reform desBildungswesens, die Umgestaltung derHochschulen und Universitäten sowiedie berufliche Bildung waren (und sind)unüberhörbar. Darüber hinaus wurdenandere Initiativen wie z.B. der „Initiativ-kreis Bildung“ der Bertelsmann-Stiftungoder das „Forum Bildung“ der Bund-Länder-Kommission ins Leben gerufen,um auch dadurch die Bedeutung der Bil-dungsdiskussion zu unterstreichen. Nunkönnten Sie sagen, dass das Thema Bil-dung in unserer Gesellschaft schon im-mer ein Thema war. Auch ein Blick indie Geschichte unterstreicht natürlichdiese Aussage.Seit Amos Comenius, Jean-Jaques

Rousseau, Friedrich Fröbel, JohannHeinrich Pestalozzi bis hin zu MariaMontessori war das Bildungsthema einzentrales Thema. Was also ist dasneue, das andere in der heutigen Dis-kussion? Auffallend ist an der Diskussi-on, dass sich neben hochrangigen Poli-tikern, Vertreter aus der Industrie undder Banken, Wissenschaftler, Vertreterder Gewerkschaften - also Menschenverschiedener beruflicher Herkunftsbe-reiche Gedanken darüber machen, wel-che Qualifikationen zukünftige Arbeit-nehmerInnen benötigen. Die Ergebnisseder Delphistudie 1996/1998 „Potentialeund Dimensionen der Wissensgesell-schaft- Auswirkungen auf Bildungspro-zesse und Bildungsstrukturen“ sind einweiteres Indiz für die Zusammenarbeitder verschiedenen Berufsgruppen.Die Anforderungen an den Menschensind in den Bildungs- und Qualifikations-zielen von morgen formuliert und dabeiwerden folgende Kompetenzen be-schrieben:– Instrumentelle bzw. methodische

Kompetenzen, z.B. Kulturtechniken,Kreativtechniken.

– Personale Kompetenzen, z.B. Selbst-bewusstsein, Identität, Handlungs-kompetenz.

– Soziale Kompetenzen, z.B. Kommu-nikation, Teamfähigkeit, soziale Ver-antwortung.

– Inhaltliches Basiswissen, z.B. überaktuelle Probleme wie Ökologie oderweltweite Abhängigkeiten sowieAlltagswissen über Geld, Gesund-heit und anderes. Auch Grundlagenaus Philosophie, Literatur, Geschich-te und Politik sind gefragt.

Das Forum Bildung geht in seinem Dis-kussionspapier am 3.2.2000 etwas dif-ferenzierter vor und benennt in diesemZusammenhang:– Sprachkompetenz in der deutschen

Sprache und mindestens einerFremdsprache

– Technische und inhaltliche Medien-kompetenz

– Lernen des Lernens– Eigenverantwortlichkeit, Urteilskraft,

Orientierungsfähigkeit im Wandelsowie

– interkulturelle und weltanschaulich-religiöse Kompetenz.

Das mit der Entwicklung dieser Kompe-tenzen nicht erst ab dem Schulalter be-gonnen werden kann, darin sind sichzumindest die Mitarbeiter der PrognosAG sowie des Forums Bildung einig.Übereinstimmung besteht auch darin,dass Bildung als ein lebenslanger Pro-zess verstanden wird. Was in wenigenKöpfen allerdings „verortet“ ist, ist dieTatsache, dass Bildung bereits vor derSchule beginnt. Aus neueren Forschun-gen der Entwicklungspsychologie sowieder Neurobiologie wissen wir, dass ge-wisse wichtige Qualifikationen langevor der Schule erworben werden. In un-serem Projekt gingen wir in dieser Hin-sicht auf „Spurensuche“ und somit binich schon beim zweiten Teil meines Vor-trages, der Herleitung nämlich, was wirunter Bildung verstehen.In den Schriften von Comenius (1960,S.202) finden wir die Aussage, „dasnichts geformt werden darf (und kann),was sich nicht selbst formt oder vonPestalozzi (1946) wird das Kind u.a. alsWerk der Natur, seiner selbst und derGesellschaft beschrieben und er lässtalle drei Bestimmungen gleichzeitig undnebeneinander gelten. Rousseau appel-liert an uns: „Fangt damit an, eureSchüler und Zöglinge zu studieren,denn ihr kennt sie mit Sicherheit nicht.“(zitiert nach Benner 1999, S.5)Nicht zuletzt hat Maria Montessori ihreAuffassung auf kindliches Lernen wiefolgt ausgedrückt: „Die Arbeit“ (sonannte sie die intensive Auseinander-setzung des Kindes mit der Welt) „isteine Aktivität, die weder mit der Beleh-rung noch mit dem Wunsch des Er-wachsenen zusammenhängt. Die Arbeiteint das kindliche Wesen mit der Umge-bung. Die Arbeit zeigt sich nur bei denKindern, die in einer Umgebung leben,die ihnen angepasst ist. Die erzwungeneArbeit schadet dem Kind...“ (Montessori1934)Liegle hat in seinem Aufsatz (1999) indiesem Sinne weiter argumentiert undformuliert:„Erziehung (hier gleichgesetzt mit Bil-dung) als Werk-Zeug der werdendenPerson meint das Handeln des heran-wachsenden Kindes selber in seiner An-passung an die und Auseinandersetzungmit der Welt des Menschen und der

Dinge. Durch Selbsttätigkeit entwickeltsich das Kind. Diese selbsttätige Ent-wicklung nennen wir Lernen. Lernen be-deutet Informationsverarbeitung,Selbstveränderung, Selbsterziehung,Autopoiesis.“ (S.203)Ausgehend von den hier dargestelltenBegriffsableitungen und u.a. untersetztin der Formulierung von Gerd Schäfer:„Der Mensch kann nicht gebildet wer-den, er bildet sich selbst.“, verstehenwir im Projekt Bildung als Selbstbil-dung, die eigene Leistung oder auch Ak-tivität des Subjektes Autopoiesis oderauch als ein selbstorganisiertes Sy-stem. So gewinnt in der heutigen Zeitdie These an Bedeutung, dass frühkind-liche Entwicklung (Liegle 1999) undfrühkindliche Bildungsprozesse (Schä-fer 1999) autopoietischen Charakter ha-ben und wesentlich auf subjektiven Ent-faltungsmustern basieren, deren zeitli-che Horizonte sich deutlich von denenökonomischer Optimierungsperspekti-ven unterscheiden (Peukert 1997).Anders ausgedrückt: Kinder sind For-scher. Sie können nicht gebildet wer-den, sie bilden sich selbst. Sie konstru-ieren ihr Wissen über die Welt durchihre eigenen Handlungen. Das ist dasBild vom Kind in der Theorie des Kon-struktivismus, auf dem das Projekt„Zum Bildungsauftrag in Kindertagesein-richtungen“ im Wesentlichen basiert.Wenn Bildung Selbstbildung ist, alsoetwas, was das Subjekt aus eigenemErmessen heraus tut, kann es von ande-ren nicht gemacht oder veranlasst wer-den. Damit entsteht für den Pädagogenein Problem, da sein bisheriges Rollen-verständnis ein anderes war und ist.Wo bleiben dann nämlich die Erwach-senen in Kindertageseinrichtungen? Biszum heutigen Tag in der Praxis eine vonvielen Fragen, eine, die von Erzieherin-nen immer wieder und mit Nachdruckformuliert und aufgeworfen wird. Daraufmöchte ich an jener Stelle zurückkom-men, wenn ich etwas zum Verhältnisvon Bildung und Erziehung sagen wer-de.Gerade die Kindertageseinrichtung, inder verschiedene Kinder sich regelmä-ßig treffen, miteinander spielen und re-den, bietet ein hervorragendes Feld, woKinder Selbständigkeit, soziales Mitein-

Bildung von Anfang ansichert ZukunftVortrag zum Bildungsauftrag in Kindertageseinrichtungen

Dr. Marion MusiolWissenschaftliche Mitarbeiterin der

Franckesche Stiftungen (Halle/Saale),

Leiterin des Bildungsprojektes im

Freistaat Sachsen

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ander, gegenseitige Achtung und auchdas Aushandeln von Normen und Re-geln erleben und auch gestalten kön-nen. Eine Möglichkeit also, um die Kin-der gut auf die zukünftige Gesellschaftvorzubreiten.So ist dies eine Grundannahme unseresProjekts, dass das Kind von Beginn anmit all seinen Sinnen und Kräften darumbemüht ist, sich ein Bild von der Weltzu machen. Es sorgt selbst für Welter-kenntnis und -deutung, die es in Interak-tionsprozessen als subjektive Entwürfeeinbringen kann. Ausgangspunkt desaktiven Sich-Selbst-Bildens ist das, wasdas Kind wahrnimmt. Als Grundlage fürseine Selbstbildungsprozesse brauchtes komplexe Wahrnehmungs- und Er-fahrungsmöglichkeiten.Die Wahrnehmung ist dabei als Kon-struktionsprozess zu sehen und nicht alsbloße Abbildung der Realität. Die Wahr-nehmung muss also selbst schon alsBildungsprozess des Kindes angesehenwerden und schließt die Emotionalitätund die individuelle Geschichte mit ein.In diesem Zusammenhang ist es inter-essant, der Frage nachzugehen: Wotrifft das Kind in der Institution Kinderta-geseinrichtung auf Komplexität? Woz.B. im Eingangsbereich, in den Räu-men, an den Wänden, im Materialange-bot usw.? Ist es nicht eher so, dass Kin-der auf einfache Strukturen (verniedlich-te Entchenbilder usw.) in den Bildern anden Wänden blicken, sie mit Materialhantieren, an dem es kaum noch was zu

erkunden gibt, keine oder wenig Überra-schungen in der Materialkonsistenzschlummern usw. und das u.a. darum,weil die Erwachsenen davon ausgehen,dass sei kindgerecht und sie, die Kinder,vor der Komplexität, die in Architekturoder Kunst im weitesten Sinne zu findenist, schützen müssen? Oder verstehenErzieherinnen unter komplexer Anre-gung z.B. eine Wandgestaltung, die un-gefähr wie folgt aussieht: Bilder (Pro-dukte) der Kinder - ohne erkennbaresOrdnungssystem, der Speiseplan, derDienstplan der Pädagoginnen, Elternin-formationen an die Erzieherin, eine Ma-gnettafel, eine Uhr (mit großen Augen)ein Kalender für die Kindergeburtstageusw., usw.Ist das anregend hinsichtlich der Wahr-nehmung die Kinder oder fällt das Be-schriebene eher unter die KategorieReizüberflutung, die keine intensiveAuseinandersetzung der Kinder zulässt?Es macht schon Sinn, mit Erzieherinnenüber die genannte Grundannahme - Kin-der brauchen komplexe Wahrneh-mungs- und Erfahrungsmöglichkeiten -ins Gespräch zu kommen.Es hat mich in der Arbeit mit den Erzie-herinnen immer interessiert, was genausie darunter verstehen. Ich habe alsogenauer geschaut, was und wie Erzie-herinnen, um bei der Wandgestaltungzu bleiben, Dinge an einer Wand prä-sentieren und welche Gründe sie ha-ben, diese Herausforderung für die Kin-der anzubieten.

Wichtig für mich ist es, in dem Zusam-menhang auch darauf zu verweisen,dass sich das Kind Wissen nicht des-halb aneignet, weil Erwachsene es ihmerklären, sondern dadurch, dass es sichselbst forschend mit den Dingen und Si-tuationen, die ihm begegnen, auseinan-der setzt und damit umgeht. Das Kindbildet sich also durch seine eigene Akti-vität selbst, es konstruiert sein Wissenum die Bedeutung der Dinge durch sei-ne Handlungen zu verstehen - zu lernen.Das sich selbst bildende Kind wird auchals „konstruierendes“ Kind bezeichnet.Entsprechend seiner genetischen Vor-aussetzungen ist das Kind in der Lage,durch eigenständiges Ausprobieren,durch Experimentieren, sich mit Dingenund Situationen sowie mit sich selbstaus- einander zu setzten. Damit dies fürdas Kind auch wirklich möglich wird,benötigt es und darauf wurde bereitshingewiesen, eine anregungsreiche Bil-dungswelt in der Kindertagesstätteselbst. Es macht also durchaus Sinn,Kindertageseinrichtungen unter diesemBlickwinkel noch stärker als bisher zubetrachten. Hier sind also insbesonderedie Erwachsenen / die Erzieherinnen inentscheidendem Maße gefordert. Sieermöglichen bzw. verhindern Bildungs-möglichkeiten oder Bildungswelten desKindes!Dahinter verbirgt sich die Frage: SindKindertagesstätten Orte der Herausfor-derung, der Experimentierfreude für Kin-der, in denen sie sich allein und gemein-sam mit anderen ihr Wissen konstruie-ren können?Ein Blick u.a. auf das Material sowie dieAnalyse seines „Bildungsgehalts“, sindin diesem Zusammenhang von grundle-gender Bedeutung, wenn es um das Be-reitstellen eines Rahmens für dieSelbstbildungsprozesse des Kindesgeht.Meine Kollegin Frau Dr. P. Völkel hat inihrer Arbeit im Projekt u.a. auf wesentli-che Entwicklungsschritte der Kinder inverschiedenen Altersstufen verwiesenund daran anschließend Konsequenzenfür Kindertageseinrichtungen benannt.Auswählend aus ihrer Arbeit möchteich Ihnen ein Beispiel zur motorischenEntwicklung des Kindes vorstellen:

2-4 Monate:

Im Alter zwischen 2 und 4 Monaten

nehmen die Greifhandlungen des

Kindes zu und es kommt mehr und

mehr zum visuell gesteuerten Grei-

fen. Des Weiteren konstruiert das

Kind seine Körperachse, d.h. es ge-

winnt Kraft im Oberkörper, kann

seinen Kopf in verschiedenen Kör-

perpositionen aufrecht halten und

in der Körpermitte ausrichten. Die

Konstruktion der Körpermitte ist

wichtig für die weitere Orientierung

des Kindes im Raum.

4-8 Monate:

Im Alter um 6 Monate kann das

Kind frei sitzen und dabei den Kopf

drehen, um einen Gegenstand zu er-

greifen, der z.B. neben ihm liegt. Das

Kind erkundet Gegenstände nun we-

niger mit dem Mund, sondern häu-

figer durch Ergreifen, Hantieren und

Befingern. Es greift zielsicher und

wechselt einen Gegenstand von ei-

ner Hand in die andere bzw. hält in

der einen Hand einen Gegenstand

und erkundet ihn mit der anderen

Hand. Durch diese Fortschritte der

Greifentwicklung werden die Erfah-

rungsmöglichkeiten des Kindes zu-

nehmend dreidimensional (Höhe,

Breite, Tiefe).

8-10 Monate:

Das Kind beginnt sich fortzubewe-

gen. Die Methoden, die Kinder zur

Fortbewegung erfinden sind viel-

fältig und sehr unterschiedlich

(z.B. seitliches Rollen, Robben, in

der Sitzposition Rutschen, Krie-

chen, Krabbeln.) Auch hinsichtlich

seiner Greifentwicklung macht

das Kind Fortschritte. Wenn es in

jeder Hand einen Gegenstand

hält, kann es z.B. erkennen, das

der eine Gegenstand schwerer und

der andere leichter ist. Ebenso

kann das Kind bspw. einen Gegen-

stand, den es nur ertastet hat, wie-

der erkennen wenn er ihn sieht.

10-18 Monate:

In diesem Alter lernt das Kind lau-

fen und ist nun mehr und mehr zu

eigenständigem Erkundungsver-

halten in der Lage, das zuneh-

mend variabler und komplexer

wird.

18-24 Monate:

Die Bewegungsabläufe gewinnen

an Routine und Eleganz. Das Kind

vermag nun zu rennen und zu

springen, Bälle zu werfen und her-

um zu tollen.

(Völkel 2000)

Verständigen wir uns an dieser Stelleüber das veränderte Selbstverständnisvon Erzieherinnen, haben unsere Praxis-erfahrungen in der Arbeit in den Modell-einrichtungen Folgendes gezeigt: Besit-zen z.B. Erzieherinnen entwicklungspsy-chologische Kenntnisse, wie in genann-tem Beispiel über die motorische Ent-wicklung kleiner Kinder, schaffen sie fürdie Kinder einen Rahmen, damit dieseermuntert werden, ihre Bewegungenimmer selbständiger zu konstruieren.Erzieherinnen schaffen dann für die Kin-der vielfältige Möglichkeiten für dasAusprobieren unterschiedlicher Bewe-gungserfahrungen. Interessant und ent-wicklungsanregend ist es nämlich fürKinder in diesem Alter, sich allein anGegenständen hochzuziehen und sobaldsie krabbeln oder laufen können, sich

auf schiefen Ebenen, z.B. Podesten zubewegen. Diese Kinder faszinieren gro-ße Flächen sowie Gegenstände unterund auf die sie klettern sowie von de-nen sie herunter springen können (daskönnen auch Tische und Stühle sein).Spielzeug oder andere Erkundungsge-genstände „ordnen“ Erzieherinnen fürdie Kinder, die sich noch nicht selbstän-dig fortbewegen können, in erreichbarerNähe an.Hajo Laewen (Projektleiter im Bundes-modellprojekt zum Bildungsauftrag inKindertageseinrichtungen) hat in seinemAbschlussvortrag im Mai 2000 in Berlin,im Zusammenhang mit der Gestaltungvon Kindertageseinrichtungen auf Fol-gendes hingewiesen:„Neben ihren Versorgungs- und Betreu-ungsfunktionen müssen sich Kinderta-

geseinrichtungen darauf einstellen, For-schungs- und Erprobungslabors für kon-struierende Kinder zu werden. Klassi-sche Musik und komplizierte technischeZeichnungen, Poster mit modernerKunst und Fotografien komplexer Bau-werke gehören schon in die Kinderkrip-pe, um den Kindern eine frühe Orientie-rung an komplexen Ordnungsstrukturenzu ermöglichen.“An dieser Stelle ist noch eine anderewichtige Aussage hinsichtlich derSelbstbildungsprozesse von Kindern inKindertageseinrichtungen zu benennen:Genauso, wie sich das Kind durch aus-probieren, experimentieren usw. Wis-sen über die gegenständliche Welt an-eignet, erwirbt es auch sein Wissenüber sich selbst, d. h. über seine Identi-tät, sowie über Regeln, Normen undWerte, die in unserer Gesellschaft vonBedeutung sind.Für diese Art von Bildungsprozessenbenötigt das Kind andere Kinder. Ge-lingt es dem Kind in Interaktionsprozes-sen mit anderen Kindern sich auf ein ge-meinsames Bild von Welt zu verständi-gen, spricht man von einer sozialen Kon-struktion von Wissen. Kinder unterein-ander - auf einer Ebene von du zu du -verhandeln sowohl leichter als auch in-tensiver als mit Erwachsenen darüber,wer sie sind, wohin sie gehören, wel-che Regeln, Normen und Werte geltensollten und warum man sich daran hal-ten sollte. (vgl. Völkel 2000)Die hier genannten Bildungsprozessesind von einer Erzieherin nicht ganzleicht zu erkennen. Nur wenn es ihr ge-lingt, das Thema des Kindes wahr zunehmen und zu entschlüsseln, wird siein bestimmten Situationen angemessenreagieren können.Denn die Art und Weise, in der Kindermiteinander ihr Wissen erwerben, z.B.wenn sie so wichtige Themen wie Ge-rechtigkeit („Ihr habt mehr Autos als wir....“) oder auch Freundschaft („Dukannst mitspielen, wir sind ja schonFreunde.“) oder Geschlechterrollen („Ichbaue eine Kamera und nur Mädchendürfen damit spielen.“) konstruieren,sind Themen aktiver Konstruktionslei-stungen, die von Erzieherinnen nur aufdem Hintergrund von Wissen erkanntwerden. Erzieherinnen benötigen dem-

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zufolge für das Erkennen der Themender Kinder einen „Interpretationshinter-grund“.Hier verweise ich auf eine zentraleSchlussfolgerung in Bezug auf das ver-änderte Selbstverständnis von Erziehe-rinnen, insbesondere wenn es um Fra-gen hinsichtlich ihres Qualifizierungspro-fils geht. Manche Themen der Kinder,z.B. Was ist denn hier gerecht? - derStreit um ein begehrtes Spielzeug, wir-ken auf Erwachsene manchmal eher un-angemessen und erscheinen unver-ständlich. Kinder beschimpfen sich,schmeicheln einander, zanken und ver-tragen sich, grenzen einander aus undintegrieren den anderen.Erkennen Erzieherinnen solche oderähnliche Themen der Kinder, könnensie diese in ihre Interaktion mit einbezie-hen. Sie haben damit die hervorragendeMöglichkeit für „ernsthafte“ Gesprächeüber Werte oder Normen, mit denensich spätestens drei und vierjährigeKinder regelmäßig auseinander setzenund bieten den Kindern einen geeigne-ten Rahmen für eine Moralentwicklung.(vgl. Völkel 2000)Wie Sie sehen, haben wir Erwachsenendurchaus eine hohe Bedeutung für Kin-der. Die Erzieherin einer Kindertagesein-richtung kann die Kinder sowohl in ih-rem sozialen Miteinander unterstützen,sie kann sie aber genauso verhindern.Zusammenfassend soll an dieser Stellebereits festgehalten werden: Zur Unter-stützung des Umgangs der Kinder mit-einander ist zunächst wichtig, dass dieErzieherin eine Tatsache anerkennt: Kin-der brauchen andere Kinder, mit denensie im gemeinsamen Tun soziales, emo-tionales sowie kognitives Wissen er-werben. Nur wenn die Erzieherin Kennt-nis von den Themen der Kinder hat odersich vorstellen kann, was die Kinderwichtiges „zu besprechen“ haben, kannsie entwicklungsfördernd darauf reagie-ren. Sie bietet den Kindern die emotio-nale Basis, denn sie ist Bindungspersondafür, das diese neugierig sich auf denWeg von Weltverstehen begeben.Entsprechend den in § 22 KJHG festge-legten Grundsätzen der Förderung vonKindern in Tageseinrichtungen, umfas-sen die Aufgaben in Kindertageseinrich-tungen neben der Bildung und Betreu-

ung, auch Aufgaben der Erziehung.Damit bin ich beim zweiten Teil meinesVortrages.In unserem Projektzusammenhang ge-hen wir erst einmal davon aus, das Er-ziehung die Tätigkeit der Erwachsenen/Erzieherin ist. Das aus unserer Sicht exi-stierende Dilemma, welches sich nun-mehr in der Praxis darstellt, lässt sichzusammenfassend wie folgt beschrei-ben: Den Selbstbildungsprozessen desKindes steht eine erwachsene Persongegenüber, die u.a. kulturelle Werte,Normen und Regeln aus dem gesell-schaftlichen Kontext an die Kinder heranträgt. Gegen dieses Anliegen sprichteigentlich nichts, wenn die erzieheri-schen Interessen nicht oftmals gegendie Interessen des Kindes gerichtet wä-ren. Problematisch sind diese „Erzie-hungsbemühungen“ u.a. auch immerdann, wenn die Erwachsenen/die Erzie-herinnen, die Themen der Kinder nichterkennen und somit am Thema der Kin-der „vorbei antworten.“ (Beispiel ausder Welt der Erwachsenen zur Verdeut-lichung)Anhand der nachfolgenden Übersichtwird deutlich, was und wie wir das ver-änderte Verständnis von Erzieherinnenin ihrer Tätigkeit sehen und in welcheRichtung wir gern den Dialog weiterfüh-ren möchten.

Erziehung als konkrete Tätigkeit vermit-telt zwischen dem kulturellen Anliegenund den Bildungsprozessen des Kindes(vgl. Arbeitsmaterialien INFANS e.V.2000)Zusammenfassend möchte ich nocheinmal sagen: Aneignung von Welt unddie Entfaltung aller Kräfte des Kindesfinden von Geburt an statt. Das Kindkann nicht gebildet werden, es bildetsich selbst, ist die zentrale Aussagenaus unserem Forschungsprojekt unddas mit dem Ziel, ein anderes Kindbild,eine andere Pädagogik in den Kinderta-geseinrichtungen zu etablieren.Diesem Anspruch oder auch dieser Her-ausforderung an die einzelne Kinderta-geseinrichtung, steht eine Erzieherin ge-genüber, die vermutlich individuell an-dere Bildungs- bzw. Lernerfahrungengesammelt hat. Wir haben in unsererArbeit in den Modelleinrichtungen er-lebt, dass die Selbstbildungsprozessedes Kindes, z.B. die Konstruktion vonRegeln und Normen in der sozialen Ge-meinschaft, bei einzelnen Erzieherinnenstarke Abwehr, Angst bzw. Bedrohungauslösen.In Interviews mit den Erzieherinnen er-fuhren wir, dass diese in ihrer eigenenSchulzeit oder in der Berufsausbildungdiesbezüglich andere Lernerfahrungen

gemacht haben. Somit ist es für Erzie-herinnen nicht ganz einfach, die Kinderin Bezug auf ihre Konstruktionsprozessezu unterstützen und sich von ihren „al-ten“ bzw. bislang gültigen Denk- undHandlungsmustern zu verabschieden.Aussagen, wie: „Aus den Kindern ver-gangener Zeiten ist doch auch etwasgeworden.“ oder „Die Eltern sind mitunserer Arbeit zufrieden.“ oder „Auch inder heutigen Zeit können die Kinderdoch nicht machen was sie wollen.“,verweisen auf solche Abwehrmechanis-men der Pädagoginnen und unterstrei-chen, dass biografisch erworbene Le-bens- und Berufserfahrungen lange undsehr intensiv nachwirken (unseren bio-grafischen Rucksack tragen wir alleschließlich ständig mit uns herum), vondenen sich Pädagoginnen nicht - „maleben“ - verabschieden können.Wir haben in unserem Projekt, bei derArbeit mit den Erzieherinnen und insbe-sondere in der Arbeit mit den Multipli-katorinnen diesen Aspekt in starkemMaße berücksichtigt und haben sehrgute Erfahrungen damit gemacht. Sosind wir auf der Grundlage speziell ent-wickelter Übungsmodule mit dem bio-grafisch erworbenen Wissen konstruk-tiv umgegangen und haben es genutztin der Auseinandersetzung mit anderentheoretischen Grundpositionen. Eine an-dere Möglichkeit bestand darin, Formenkünstlerischer Wahrnehmung und Pro-duktionstechniken in der Fortbildungvon Erzieherinnen und Multiplikatorin-nen einzusetzen. (vgl. Breie‘ 1999) Eskommt bei solchen Übungselementenim Wesentlichen darauf an, das es fürPädagoginnen sinnlich erfahrbar wird,dass z.B. auch ohne (formale) SpracheVerständigung möglich ist, scheinbarzusammenhanglose Detailwahrnehmun-gen zu „Begriffen“ verdichtet oder miteinfachen Techniken und unstrukturier-tem Material eindrucksvolle Aussagenzur Realität von Vorstellungen formu-liert werden können. (vgl. Laewen1999)An dieser Stelle bin ich am Schluss mei-nes Vortrages angelangt und kann michnur noch für Ihre Aufmerksamkeit undhoffentlich Ihre Neugier auf „Mehr“ be-danken.

Erziehung ist Legitimes kulturelles AnliegenZiele müssen beschrieben werden

Konkrete Tätigkeit:als Gestaltung der Umwelt des Kindes

RaumgestaltungVerfügbares MaterialMobiliarBewegungsräume und -möglichkeitenRaum und Gelegenheit für Ko- KonstruktionMögliche SinneserfahrungenOrganisation des TagesablaufesSpeisenSituationen

als Antwort auf die Bildungsbewegung des KindesThemen der Kinder müssen bekannt seinDokumentation, fachlicher Austausch mit Kolleginnen und ExternenRaum zum aneignenden Umgang mit Themen (z.B. Regeln)ErweiterungsvorschlägeKorrekturen

als Zumutung von ThemenErweiterung des Erfahrungsraumes der KinderVerhaltensvorschläge

LiteraturBree‘, S. (1999)Bildungsfragen als ästhetisches Experi-ment. Bausteine einer Fortbildungskon-zeption für Pädagogen. Unveröffentlich-tes Manuskript. INFANS Berlin.

Liegle, L. (1999)Erziehung als Reaktion auf die Entwick-lung des Kindes und als Entwicklungshil-fe. In: Neue Sammlung - 39. Jahrgang/Heft 2.

Laewen, H.-J.Alien Kind - das unbekannte Wesen.Klein & groß.

Musiol, M. (1999)Bundesmodellprojekt: „Zum Bildungsauf-trag für Kindertageseinrichtungen“. KiTaaktuell Nr. 7/8.

Musiol, M. (2000)Lebensgeschichte und Identität im Erzie-herinnenberuf. Klein & groß 3.

Schäfer, G.E. (1995)Bildungsprozesse im Kindesalter. Wein-heim und München.

Völkel, P. (1999)Die Entwicklung des Denkens. Unveröf-fentlichtes Manuskript. INFANS Berlin.

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Forum I

„Die spielen ja nur!“ Nicht selten drücktdieser Satz eine Geringschätzung deskindlichen Spiels im Vergleich zu ande-ren Tätigkeiten insbesondere des Ler-nens aus. Was tun Kinder, wenn sie„nur“ spielen? Lernen sie dabei nichts?Oder ist das Spiel an sich so reich, dassKinder sich im Spiel ihren Zugang zurWelt erschließen? Wie soll das Spielaussehen, das wir uns vorstellen?In der aktuellen pädagogischen Diskus-sion ist der Begriff der Bildung in denMittelpunkt gerückt; dabei ist die Fra-ge, wie die Bildung qualitätssicherndim Kindergarten umgesetzt werdenkann, von besonderem Interesse. DieserBegriff und die Forderung nach Bildungim Vorschulbereich sind nicht neu. Be-reits seit 1977 ist der Kindergarten imStrukturplan des Bildungswesens alserste Stufe im Bildungssystem aner-kannt worden. Allerdings scheint auchheute der Kindergarten als früheste Bil-dungsphase nicht ausreichend wahrge-nommen zu werden.Das zeigt die zuletzt veröffentlichte Del-phi-Studie (1996-98) des Bildungsmini-steriums. Darin geht es um eine mehr-stufige Befragung von Experten ausWissenschaft, Wirtschaft und Politikzum Thema „Einschätzung zur Zukunftdes Wissens und den vermutlichenRückwirkungen auf das Bildungssy-stem“. Unter 80 Fragen im Entwurf be-fand sich nicht eine Einzige, die denVorschulbereich betraf. Erst im letztenMoment wurde der Katalog um zweiFragen erweitert, die dann aber über-einstimmend die gesteigerten Erwartun-gen an die Bildung in frühen Jahren be-inhalteten.Vergleichen wir den Entwicklungsstandunseres vorschulischen Bildungsbe-reichs mit anderen Ländern, schneidenwir schlecht ab. Es gibt in Deutschlandnur wenige Lehrstühle für die Pädago-gik der frühen Kindheit. Der Status derErzieherausbildung ist gegenüber ande-

ren Ländern eher niedrig. Erzieherinnenwerden beispielsweise in Japan Univer-sitätsprofessoren gleichgestellt und inUngarn gemeinsam mit Grundschulleh-rern an Hochschulen ausgebildet. In derElementarpädagogik besteht daher aufverschiedenen Ebenen Veränderungs-bedarf. Welche gesellschaftlichen Er-wartungen und Wünsche Menschenaller Bevölkerungsschichten für die Ent-wicklungschancen der ersten sieben Le-bensjahre der Kinder äußern, fasst El-schenbroich in ihrem Buch „Weltwissender Siebenjährigen“ zusammen. DieseListe entstand nach 150 Gesprächen inden Jahren 1996-1999. Eine kleine Aus-wahl soll als Denkanstoß dienen.Die Kinder sollten in den ersten siebenJahren können bzw. erfahren haben:Schaukeln; einen Schneemann, eineSandburg, einen Damm bauen; einenBaum erklettern; in einen Bach fallen;säen und ernten; ein Feuer im Freienanzünden und löschen; ein Windrad er-proben; die Natur als Freund und Feinderleben; sich ausruhen und von etwasträumen; Bilder für seelische Bewegun-gen kennen; Haushaltstätigkeiten, ein-fache Küchenchemie und Physik ken-nen; Mengen in Maßeinheiten erleben;einen Raum mit dem eigenen Körperausmessen; ein Selbstportrait malen;erfahren, dass ein eigener Verbesse-rungsvorschlag in die Tat umgesetzt

wird; über Regeln verhandeln und Re-geln ändern; ausreden lassen und war-ten können; eine Ahnung von andernKulturen und Kontinenten haben... (vgl.Elschenbroich 2001, 26 ff.).Dieser kleine, aber doch prägnanteAusschnitt des Bildungsanspruchs be-inhaltet lebenspraktische, soziale, moto-rische, kognitive sowie ästhetische Er-fahrungen der Kinder. Diese finden sichin spielerischen Handlungen in vielfälti-ger Form. Die Meinungen zur Bedeutungund Form des Spiels im Kindergartengehen weit auseinander. Die Frage, wasKinder heute brauchen und was der Kin-dergarten davon vermitteln kann, neh-men (bewusst und unbewusst) Einflussauf Konzeptionen und Praxisangeboteim Kindergarten. Psychomotorische An-gebote im Kindergartenalltag bleibenhiervon nicht unberührt.Ein Beispiel aus der Praxis macht diesdeutlich: In einem Kindergarten hat dasThema „Bewegungsbaustelle“ Hochkon-junktur. Die Meinungen, wie es umge-setzt werden soll, differieren. Einige Kol-leginnen sind der Überzeugung, dass dieBewegungsbaustelle mit der Bereitstel-lung von Material und Raum, sowie derAbsprache einiger Regeln idealtypischumgesetzt ist. Die anderen wollen be-stimmte Aufbauten vorgeben und denKindern dazu Bewegungsmöglichkeitenvorschlagen. Diskutiert wird, welchenFreiraum Kinder benötigen, um selb-ständiges Handeln zu lernen und wo sieüberfordert sind. Auch ist die Sicher-heitsfrage strittig, d.h. wo gefährdensich die Kinder durch unsachgemäßeKonstruktionen.Eine solche Diskussion wird so oderähnlich in vielen Kindergärten geführt.Pädagogische Ansprüche und die prak-tische Umsetzung sind dabei nicht im-mer im Einklang. Einige praxisrelevanteAspekte der pädagogischen Diskussionzum Spiel sollen uns Anregungen ge-ben: „Spielen ist - jedenfalls in seinemKernbereich - durch Freiheit, Spontanei-tät und Zwecklosigkeit bestimmt. Des-

halb scheint zunächst einmal jede Ein-beziehung des Spielens in „Lernprozes-se“ oder gar der Aufbau eines „Spielcur-riculum“ ein Widerspruch in sich. Spielezum Lernen, zur Intelligenzförderung,zum Sozialtraining, zur Traditionsförde-rung und allen möglichen anderenZwecken sind keine Spiele mehr... .Die kindliche Spielentwicklung mög-lichst sich selbst zu überlassen, die Kin-der beim Spielen nicht zu stören und inihr Spiel so wenig wie möglich ... einzu-greifen, galt darum lange als die Haupt-devise für den Kindergarten und für diehäusliche Erziehung.“(Flitner, S. 133)Das freie Spiel nimmt in der Kleinkinder-pädagogik und im Kindergarten einezentrale Stelle ein, Kindern ist vor allemZeit und ein geschützter Raum für einsolches freies Spiel bereit zu stellen. Diegute und zeitgemäße Begründung da-für lautet, dass Kinder Freiheit der Ent-wicklung und Möglichkeiten zur Selbst-steuerung und Autonomie benötigen.Flitner nimmt diese Forderungen unterdie Lupe um ihren Sinn und auch ihreGrenzen genauer kennen zu lernen.Deutlich wird dabei, das die Freiheit da-durch gekennzeichnet ist, dass die Er-wachsenen sie schaffen und begrenzen.Erwachsene bestimmen die Architektur,die Spielmaterialien, die zeitlichenStrukturen und die Gruppenzusammen-setzung. Gespielt wird auf Spielplätzen,in Turnhallen, im Kindergarten, aufSchulhöfen, ... - meistens von Erwach-senen angeleitet oder beaufsichtigt.Freies, selbst organisiertes und eigen-ständiges Spiel scheinen mehr undmehr zu verschwinden.„Das Kind, das - sich selbst überlassen- seinen Weg als individuelle Leistung

aus dem Innersten steuert und alleinefindet, ist eine Illusion ... Im Lebensfeldder Kinder sind die Erwachsenen immerals Lenkende und Modellgebende prä-sent, sie sind verantwortlich auch dann,wenn sie abwesend sind und sich nichtum die Kinder kümmern.“ (Flitner, S.137)Auch die rasanten Veränderungen ge-sellschaftlicher Lebensbedingungen wir-ken sich auf das Spiel der Kinder aus.Wir Erwachsenen bestimmen durch un-sere Lebensweise, unseren Städtebau,unsere Architektur die Spielbedingun-gen der Kinder. Wir überhäufen sie mitpädagogisch wertvollem Spielmaterial,unter dem jegliche Kreativität ersticktwird. Gleichzeitig begrenzen wir Raumund Zeit, was sich auf großräumige Be-wegungsspiele in besonderem Maßeauswirkt.Das Spiel, von dem viele Definitionensprechen, ist von den Straßen, aus denHinterhöfen und von den seltenen Frei-flächen weitgehend verschwunden. DieFreiheit ist dadurch gekennzeichnet, dasdie Erwachsenen sie schaffen und um-zäunen. In der Kindergartenarbeit kön-nen durch die Gestaltung der Außen-und Innenräume viele Freiräume fürSpiel und Bewegung geschaffen wer-den. Ein Konzept, das Kinder zu mehrSelbständigkeit führt und das ihnenschrittweise mehr Freiheiten schafft, istauch im Sinne psychomotorischer Päd-agogik.Psychomotorik im KindergartenAuch psychomotorische Angebote wer-den von Erwachsenen eröffnet undschaffen für Kinder geschützte Spiel-Räume. Pädagogen und Therapeutenschaffen einen Rahmen, bereiten einen

Raum vor und stellen Gruppen zusam-men. Auf dieser „Basis“ ist spontanesHandeln und eine freie Entscheidung derKinder möglich. Nicht die Defizite undSchwächen der Kinder stehen im Mit-telpunkt, sondern ihre Stärken und ihreeigenständiges Handeln. Wenn Kindermit Rollbrettern Polizei, Feuerwehr undVerbrecherjagd spielen, geschieht diesin „ganzheitlichen Bedeutungszusam-menhängen“ (Zimmer, S.92). Das heißt,ihre ganze Person und nicht nur ihre Ko-ordinationsfähigkeit und ihre Wahrneh-mungsleistungen stehen im Vorder-grund. Ziel ist es, dazu beizutragen,dass Kinder „ein positives Selbstkon-zept“ entwickeln. „Körper und Bewe-gungserfahrungen stellen ... für dasKind nicht nur wesentliche Medien derAneignung der Wirklichkeit dar, siewerden auch als Grundlage seiner Iden-titätsentwicklung angesehen“ (Zimmer,S. 45).Ein hohes Maß an Selbstbestimmungund Entscheidungsfreiheit wird ange-strebt und in der Regel auch erreicht.Werden klassische Kinderspiele auspro-biert, wird mit Regeln frei und lebendigumgegangen. Die Regeln dienen denKindern und nicht umgekehrt. Sie sindAbsprachen zur Strukturierung derSpielsituation und können den Bedürf-nissen entsprechend abgeändert wer-den. PsychomotorikerInnen bringen sichdabei als Mitspieler ein, begeben sichmit Kindern auf eine Ebene (z.B. wennsie auf dem Rollbrett liegend mit denKindern auf Augenhöhe sind) und sindnicht immer die Besserwisser. Raumfür Fehler zu geben, gehört zu einerSpiel- und Lernkultur die Entwicklungund nicht Stillstand möchte. So ist esnicht ungewöhnlich, wenn in einer Psy-chomotorikstunde ein Geräteaufbau aufunterschiedlichste Art und Weise vonden Kindern genutzt oder möglicherwei-se komplett umgebaut wird, wenn einAusgangsspiel völlig verändert wirdund die Kinder die Planung einer Stunde„über den Haufen werfen“.Der Erwachsene ist liebevoller und ver-antwortlicher Begleiter. Die Psychomo-torik nach Kiphard hat diesen Gedankenbesonders betont. Sich auf die Bezie-hung zum Kind einzulassen, ihnen in derGegenwart zu begegnen ohne dabei nur

Die spielen ja nur!?Psychomotorik in der Kindergartenpraxis

Hans Jürgen BeinsSportpädagoge an der Rheinischen

Akademie im Förderverein Psycho-

motorik, Bonn

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an die Zukunft der Kinder zu denken, istGrundvoraussetzung für das gemeinsa-me Spiel.„Spielen heißt in der Gegenwart sein.Ein spielendes Kind geht auf in dem,was es tut. Wenn ein Kind einen Arztspielt, dann ist es ein Arzt. Wenn einKind auf einem Stock spielt, ein Pferd zureiten, dann reitet es ein Pferd. Spiel hatnichts mit der Zukunft zu tun. Spiel istkeine Vorbereitung auf irgendetwas.Spiel ist eine Tätigkeit, die ausschließ-lich um ihrer selbst willen getan wirdund alle Überlegungen ausschließt, dieihr zuwider laufen. Wir Erwachsenenspielen gewöhnlich nicht, und all zu oftspielen wir auch nicht, wenn wir sagen,dass wir mit unseren Kindern spielen.Um wieder spielen zu lernen, müssenwir uns auf Situationen einlassen, in deruns nichts anderes übrig bleibt, als inder Gegenwart zu sein.“ (Maturana /Verden-Zöller, S. 159)Dies bleibt auch für die Erzieherin einebesondere Herausforderung, da siedoch ständig gefordert wird, Ziele zuformulieren und an die Zukunft der Kin-der zu denken. Lebendig umgesetztePsychomotorik schafft Räume, wo Kin-der sich bewegen, wo sie handeln, spie-len und lernen. Sie wollen genauso we-nig wie wir Erwachsene belehrt, behan-delt, bespielt und bewegt werden!

(Murmel)BahnvariationenKinder begeistern sich für(Murmel)Bahnen, die beim(gemeinsamen) Bauen entste-hen. Die Bandbreite der Mög-lichkeiten ist groß. Von „ferti-gen“ Murmelbahnen (z.B. Cu-boro siehe Herstellerhinweis)aus Holz, die sehr vielseitigaufbaubar sind und unter-schiedliche Wege zulassen,überHeulrohr(Schleuderhorn)-bahnen, die mit selbstgefertig-ten Zwischenstücken verbun-den werden, bis zu Ballbahnenmit Drainageröhren, die fürdraußen geeignet sind undauch Tennisbälle durchlassen.Die Herausforderung für Kin-der ist es, eine Konstruktion zuschaffen, die genug Gefällehat. Dies geht leichter, wennerhöhte Ausgangspunkte vor-handen sind, wie im Gruppen-raum eine zweite Ebene, imBewegungsraum ein Kletterge-rüst oder eine schiefe Ebeneund im Außengelände ein Hü-gel oder eine Klettermöglich-keit.

Material: 5-20 Heulrohre,selbstgefertigte Zwischen-stücke (ca. 10 cm lang undlängs aufgeschnitten), Mur-meln, Seile und vorhandenesMaterial (Stühle, Tische, Kar-tons, Turnkästen, etc.)

Variationen:- 3-10 Meter Drainagerohr(evt. 2-3 teilig mit Zwischen-stücken), Tennisbälle, Seile- Holzbahnen (z.B. Cuboro-bahn); Murmeln

LiteraturBeins, H.J. / Cox, S. (2001)Die spielen ja nur!? Dortmund.

Beudels, W. / Lensing-Conrady, R. /Beins, H.J. (1998)...das ist für mich ein Kinderspiel. Handbuchzur psychomotorischen Praxis. Dortmund.

Flitner, A. (1996)Spielen-Lernen. Praxis und Deutung des Kin-derspiels. München.

Lensing-Conrady, R. u.a. (Hrsg.) (2000)Adler steigen keine Treppen. Kindesent-wicklung auf individuellen Wegen. Dort-mund.

Maturana, H.R., Verden-Zöller, G. (1997)Liebe und Spiel. Die vergessenen Grundla-gen des Menschseins. Heidelberg.

Schiffer, Eckhard (1999)Warum Huckleberry Finn nicht süchtig wur-de. Weinheim.

Thiesen, P. (1999)Himmel,Hölle & Co. Die schönsten Hof-Platz-Straßen-Garten-Wiesen-Spiele für Kin-dergarten, Schule und Familie. Weinheim.

Zimmer, R. (1999)Handbuch der Psychomotorik. Freiburg.

Aus der Praxis für die PraxisBewegung - Immer und überall?

Mut zum Hut: Zur Begrüßungsetzen wir uns ein Softfrisbee-scheibe als Hut auf und begrü-ßen uns gegenseitig durch kräf-tiges Händeschütteln. DieHüte wackeln oder fallen, dieGesichter sind gelöst, Spaßüberall...

Wilhelm Tell: Die Partner versuchen imWechsel, sich die Hüte vom Kopf zuschießen. Wilhelm Tell hält dabei dieHände wie ein Fernglas vor die Augenum diese zu schützen. Jubel wenn derHut getroffen wird...

Experimentieren: In Gruppen zu vier Personen werden ver-schiedene Möglichkeiten des Werfens, Fangens probieren.Die Spieler nutzen in der Gruppe 1-4 Frisbees, entwickelnZielspiel oder versuchen sich gegenseitig „abzutreffen“. Eswird ausprobiert, diskutiert, verändert, eine Vielfalt von Be-wegungen und Ideen...

Die fliegenden Untertassen: Ein Fangspielbei dem von einigen Außerirdischen Ufos(Frisbees) durch den Raum geworfen wer-den, die bei Berührung sofort zum Erstarrenführt. Die Starre kann durch die Mitspielerdurch Berührung aufgelöst werden. An-strengung in den Gesichtern nach schnel-lem Lauf, Anspannung bei den Erstarrten,Freude nach der Befreiung...

Frischluft: Zur Entspan-nung fächern sich diePartner mit den Frisbeesfrische Luft ins Gesicht.Entspannte, genießendeGesichtsausdrücke...

Praxisbeispiele zum Bauen und Konstruieren

ZollstockkonstruktionenZollstöcke reizen Kinder schon deshalb, weil sie ihnen im häuslichen Spiel nicht im-mer zugänglich sind. Dabei eröffnen sie wunderbare Möglichkeiten, Tätigkeitenaus der Erwachsenenwelt nach zu spielen. Nicht nur alles wird vermessen, auch einHandy oder Funkgerät lässt sich schnell formen über das auch die Erzieherin denKindern wichtige Informationen geben kann... . Straßen werden gelegt, über die wirgehen oder mit Rollern und Rollbrettern fahren. Schmale Stege laden zum Balancie-ren ein und schnell ist ein Zelt oder Haus (Foto) entstanden.

Material: je Kind ein ZollstockOrganisationshilfen: fragen, wer einen Zollstock kennt und ein Kind vormachen las-sen, wie er aufgeklappt wird. Nicht alle Kinder haben Erfahrung damit!

Bewegungsbaustelle - klassischAuch heute noch haben Kinder viel Spaß an der „klassischen Bewegungsbaustelle“!D.h. die Kinder bekommen Baumaterialien wie Reifen und Bretter (gehobelt) zur Ver-fügung gestellt, die sie transportieren können und bauen daraus wackelige Stege,Brücken oder kleine Wippen. Eine gute Erweiterung entsteht natürlich wenn durchzusätzliche Drehscheiben (z.B. das VARUSSELL) Karussells oder durch Aufhängun-gen (Deckenhaken oder Schaukeln mit Gurtsystemen) Schaukeln entstehen können.

Material: 4-10 Autoreifen, 2-5 stabile,gehobelte Bretter, evt. Drehscheibenoder Aufhängungen mit GurtenOrganisationshinweise: Die Bretter soll-ten so leicht sein, dass 2 Kinder sie auchtragen können. Bei den ersten Aufbautensollte ein Erwachsener die Kinder unter-stützen, so dass sie Konstruktionen ent-wickeln, die zu verantworten sind.

Für uns Erwachsene ist es wichtig,selbst immer wieder Spielerfahrungenzu machen.Diese Praxiseinheit zeigt Situationen, diestrukturiert sind auch wenn Freiräumezum experimentieren eröffnet wurden.Der Rahmen (z.B. Zeit, Raum und Grup-penzusammensetzung) ist vorgegebenund beeinflusst das Spiel. Ein Videofilm(Hans Jürgen Beins, Die spielen ja nur!?)aus der Praxis der Kindertagesstätte imFörderverein Psychomotorik Bonn zeigtKinder bei ihren Matsch-Spielen mitWasser und Sand, wie sie klettern,schaukeln oder wippen. Solche basalenErfahrungen halte ich im Kindergarten fürgrundlegend. Sie müssen jedoch durchstrukturierte Spielsituationen ergänztwerden.

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Forum II

Einleitende GedankenDas Thema Bildung ist plötzlich wiederin aller Munde. So etwas gab es schoneinmal in den 70er-Jahren. Damals ent-wickelte sich die Vorschularbeit mitRahmenplänen, Arbeitsmappen, curri-cularen Programm- und didaktischemSpielmaterial. Seinerzeit war der Sput-nikschock Antreiber für eine Bildungsof-fensive. Und heute? Ist es der für unsungünstig ausfallende EU-Vergleichoder der Globalisierungsdruck von Sei-ten der Wirtschaft oder die Tatsache,dass die bezahlte Arbeit immer wenigerwird und nur noch diejenigen eine Chan-ce auf Arbeit haben, die mithalten kön-nen im Konkurrenzdruck und im Kampfum Arbeit? Die jetzige Bildungsdebattesollte auch in den Kindergärten und Ki-tas aufgenommen werden, jedoch nicht,um zu einer hektischen Bildungsaktivi-tät zu kommen, sondern um den Blicknach innen zu richten. Zwei Begründun-gen sprechen dafür:• Kinder bilden sich vom ersten Tagihres Lebens an. Mit Wissen und Erfah-rung kommen sie in den Kindergartenund wollen beides ständig erweitern.Dieses gilt es zu entdecken.• Bildung ist ständiger Bestandteilder Kindergartenarbeit und geschiehtimmer. Es gibt keine Nichtbildung, dar-über sollten sich die Mitarbeiter klarwerden und ihre Bildungsarbeit erst ein-mal kritisch anschauen, um sie dannweiter zu entwickeln.Im Prozess der Bildung bauen sich klei-ne und große Menschen ein Bild vonder Welt auf. Dazu gehören das Bildvon der eigenen Person, von anderenund dem Zusammenleben, von der Na-tur und Kultur und schließlich von Gott,

wenn das Religiöse nicht verleugnetwird. Es ist gut, wenn in den Einrichtun-gen mehr Bewusstsein für Bildung ent-steht und der Anspruch auf Bildung ein-gelöst wird. Am Beispiel des offenenKindergartens soll das transparent wer-den.

1.Teil: BildungsverständnisGrundideeDie Grundidee des Lernens und sich Bil-dens im offenen Kindergartens geht vordem Hintergrund anthropologischerGrundannahmen von einer Individuali-sierung von Lernprozessen aus. Wie wirbereits in den Vorträgen am Vormittaggehört haben, ist Bildung ein Prozess,der vom Kind ausgeht und der von au-ßen nicht machbar - und schon garnicht erzwingbar - ist. Der Leitsatz desoffenen Kindergartes: „Das Kind istSelbstgestalter seiner Entwicklung“ giltauch hier. Demnach ist ein Kind auchSelbstgestalter seiner Bildungsprozes-

se. Der offene Kindergarten stellt mitseinem Raumprogramm, seiner Bezie-hungsgestaltung und der Entwicklungder Mitarbeiter, vom pädagogischen10-Kampf zur Fachfrau mit Spezialge-biet, einen erweiterten Möglichkeits-raum zur Selbstorganisation von Lern-prozessen.Im Selbstanwendungsprinzip werdendie Erzieherinnen zu Selbstgestaltern ih-rer Pädagogik. Sie entwickeln ihre päd-agogische Arbeit aus Grund von Beob-achtungen und ständiger Reflektionfort. Dabei verwenden sie das Metho-denkonzept „Handlungsforschung“, einSchema, welches gleichzeitig Methodeund Konzept darstellt und in dessen Mit-telpunkt die täglichen Praxisproblemestehen.

ein Probehandeln verabredet. Eine Lö-sung zunächst auf Zeit, bei der, nacheinigen Wochen zum Beispiel, reflektiertwird, ob das bestehende Problem ge-löst wurde. Wenn sich herausstellt,dass dies nicht der Lösungsweg war,geht die Methode von vorne los. AmLösen vieler Probleme aus der Praxisentwickelt sich der offenen Kindergar-ten in einem stetigen Prozess weiter.

Voraussetzungen für denSelbstbildungsprozessa. eine entspannte AtmosphäreEs gehört zum Selbstverständnis päd-agogischer Arbeit mit Kindern, dass siesich wohlfühlen. Das dafür erforderli-che Engagement im Kindergarten dientder Entwicklung einer entspannten At-mosphäre. Diese kommt Zustande,wenn folgende Aspekte beachtet wer-den: (Einzelheiten s. Literaturangabenam Ende des Beitrages, S. 22 ff.)

b. Eine vorbereitete und herausfor-dernde UmgebungEine vorbereitete und herausforderndeUmgebung erfordert differenziert gestal-tete Raumstrukturen drinnen und drau-ßen. Ein Grundschema mit fünf Berei-chen, die sich an Grundbedürfnissen(Ruhe-, Bewegungs-, Kommunikations-bedürfnisse sowie das Bedürfnis nachSelbstausdruck) der Kinder ausrichtenhat sich bewährt. In den vergangenenJahren ist dabei zusätzlich das Freige-lände in den Blick genommen worden.Draußen sollten sich den Kindern analogder Strukturen im Haus vielfältige Spiel-bereiche eröffnen. Die Entwicklung inden einzelnen Bereichen geht zurzeit da-hin, dass die Räume und das Freigelän-de auch unter Fachfrau-Aspekten einge-

werkszeug umzugehen, können ei-genständig werken, Spielsachen re-parieren, Gebrauchsgegenständeherstellen und Geräte zerlegen.Ort: Werkstatt für Holz und Metall,Außengelände.

• Kinder können kochen, backen, einFrühstücksbüfett oder einen Eltern-Kind-Nachmittag vorbereiten.Ort: Küche.

• Kinder können drinnen und draußenvielfältig mit Wasser, Sand undLehm spielen.Ort: Waschraum und Außengelände,ggf. Matschraum.

• Kinder finden zusätzlich vielfältigeLernmöglichkeiten in den Fluren. El-tern können im EmpfangsbereichGespräche führen und erhaltenüber Bilder, Fotos, Aushänge, Pla-kate zusätzliche Informationen (Do-kumentation der pädagogischen Ar-beit und Arbeitsvorhaben).Ort: Flure und Eingangsbereich.

c. Ein offenes, soziales, auf Partizi-pation ausgerichtetes SystemOffen steht hier für Freiheit und Freizü-gigkeit. Beides konkretisiert sich in denEntscheidungsmöglichkeiten und -spiel-räumen, die Kindern eröffnet werden,damit sie für ihre Zufriedenheit und fürihr Lernen selbst Verantwortung über-nehmen können. Der offene Kindergar-ten ist jedoch kein Ort der Beliebigkeit.Das zeigt sich in den Strukturen: Tages-und Wochenstruktur, Regeln, Rituale,Grenzsetzung und konsequentes päd-agogisches Handeln, wenn Kinder unan-gemessene Wege gehen. Hinzu kom-men die Herausforderungen durch parti-zipatorische Möglichkeiten. Kinder sol-len und können dadurch Mitverantwor-

Bildungsverständnis undBildungsansätze im OffenenKindergartenVom pädagogischen 10-Kampf zur Fachfrau mit Schwerpunkten

Thomas KühneDiplom-Sozialpädagoge, Erzieher und

Kollegialer Praxisberater, Garbsen

Gerhard RegelAnalytischer Kinder- und Jugendli-

chen-Psychotherapeut

Praxisproblem

Informations-gewinnung

Lösungen im Diskursaller Beteiligten

Probehandeln

Wesentlich an diesem Modell ist beson-ders, dass, nachdem sich alle Beteilig-ten informiert und in einen anschließen-den Diskurs über mögliche Lösungsan-sätze begeben haben, keine so genann-te Patentlösung gesucht wird. Es wird

BindungsbereitErwachsene als Sicher-

heitsbasis

Raum für authentischeBedürfnisse

Willkommen sein

Kinderund Erwachsenefühlen sich wohl Vertraut werden mit einer

einladenden Umgebung

Strukturengeben SicherheitEigenes Wirken braucht

Resonanz und Anerkennung

Kinder mit besonderenEntwicklungsbedürfnissen

Das Erleben authentischerErzieherinnen,

die Interessantes zuvermitteln haben

Partizipation, Teilhabe amKindergarten-Geschehen

richtet werden. Die jeweilige Erzieherinmit einem Spezialgebiet richtet ihrenBereich, für den sie auch eine besonde-re Verantwortung trägt, nach den Erfor-dernissen ihrer Arbeit ein. Sie gestaltetdurch Raumstruktur und Materialaus-wahl die Inszenierung möglicher Lern-prozesse und schafft sich einen Arbeits-bereich, in dem sie gut arbeiten kann.Hier sollen nun ohne Anspruch auf Voll-ständigkeit charakteristische Schwer-punkte benannt werden:• Kinder schaffen sich Bewegungs-

möglichkeiten mit großen und klei-nen Alltagsmaterialien und Kleinge-räten.Ort: Bewegungsraum, Eingangshal-le, Außengelände.

• Kinder können über ruhiges und stil-les Spielen zu Ruhe und Entspan-nung kommen.Ort: Ruheraum, Ruhebereich im Au-ßengelände.

Ruhebereich Bewegungsbereich

„Kreativ“bereichKommunikations-

bereich

Cafeteria

Freigelände

• Kinder können auf vielerlei Weise zukreativem Selbstausdruck kommenund finden immer vielfältige Mate-rialien vor.Ort: Kreativraum / Atelier.

• Kinder können sich im Rollenspielvielfältig ausdrücken.Ort: Rollenspielraum und Außenge-lände.

• Kinder können kreativ bauen undkonstruieren (2-3 wechselnde Sy-steme, Naturmaterial, Figuren undTiere).Ort: Bauraum oder Baubereich.

• Kinder frühstücken zentral an einemOrt, der auch Kommunikation undBegegnung ermöglicht (Kindertreff).Ort: Cafeteria / Kindercafe.

• Kinder lernen selbständig mit Hand-

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tung im Alltagsgeschehen übernehmen,dass sie bestimmte Dienste überneh-men. Sie können aber auch mitwirkendurch unterschiedliche Formen demo-kratischer Mitbeteiligung. Dadurch sol-len sie erfahren, dass sie wirksam wer-den können, wenn es z.B. um Regelun-gen des Zusammenlebens oder um dieGestaltung von Räumen drinnen unddraußen geht. Eine besondere Heraus-forderung ist, den Kindern Feedback zuermöglichen. Die im Sozialen Systemintendierte Bildung umfasst damit dieentscheidenden Dimensionen menschli-chen Daseins : Ich-Findung mit Eigen-sinn sowie Wir-Findung mit Gemein-sinn.d. Lernfreudige ErzieherinnenZum Bildungssystem im offenen Kinder-garten gehören aufgeschlossenen undlernfreudige Erzieherinnen. Sie sind mitihrem Lernen Vorbild und Modell. AlsFachfrauen für ein oder mehrere Spezi-algebiete können sie das Lernen derKinder kompetent und mit Emphase be-

gleiten. Sie können mit ihren Schwer-punkten das Lernen der Kinder anregenund in ihren Bereichen vertiefte Lernpro-zesse der Kinder anregen. Das Lernendes Lernens im Sinne von Forschen undExperimentierten ist es, was den Kin-dern exemplarisch ermöglicht wird. Derpädagogische 10-Kampf hat ausgedientund dennoch können die Erzieherinnenihre Pflicht zur Vermittlung, Anleitungund Orientierung wahrnehmen.

2.Teil: BildungsansätzeDer offene Kindergarten ist eine Weiter-entwicklung der Elementarpädagogik.Das bedeutet, dass bewährte, kindge-mäße Bildungsformen selbstverständ-lich Teil der Arbeit bleiben. Mit dem ver-änderten Verständnis von Kindheit, derWahrnehmung einer sich dramatischveränderten Lebenswelt und dem Be-wusstsein, dass Kinder ihre Umgebungeigenständig erobern wollen und müs-sen, um zu einem umfassenden Bil-dungsprozess zu kommen, sind neueBildungsansätze entstanden. Das wirdmit dem folgenden Schema exempla-risch deutlich.Neben den vielen Bildungsmöglichkei-ten im Kindergarten selbst, kommt esimmer differenzierter zur Entwicklungvon Bildungs- und Lernorten im Lebens-umfeld der Kinder. Wurde früher Bäk-ker, Feuerwehr und Bauernhof aufge-sucht, so gibt es heute zusätzliche The-men, wie, Kirche zum Anfassen, For-schungsreise durch das Rathaus, Be-such von Arbeitsplätzen der Eltern, For-schen und kreativ werden im Museum,etc.

Der offene Kindergarten als Bildungsraum

Bildung als Konstruktions- und Selbstbildungsprozess zum Aufbau von

LEBENSWISSENStärkung der Person

(Persönlichkeitskompetenz)

– um in einer immer schwieriger werdenden Welt handlungsfähigund damit lebensfähig zu werden,

– um aktiv am kulturellen und gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und– um an einer menschenwürdigen Gesellschaft mitzuwirken.

WELTWISSENKlärung der Sachen

(Handlungskompetenz)

Der offene Kindergarten als Möglichkeitsraum steht auf drei Säulen:

GemeinschaftKindergarten als

Lebens- undGestaltungsraum

– Selbstverantwortung– Mitverantwortung

– Mitwirkung

FreispielRäume (drinnen und

draußen) als Gelegen-heitsstrukturen zum

Spielen, Forschen undExperimentieren

Angebot/ProjektErzieherinnen können mitden eigenen Stärken tätigwerden. (Spezialgebiete,Selbstbildung, Fachfrau)

Kultur

des Miteinander Lernkultur

Kind

erku

lturGrundprinzip:

Statt Vorschularbeit und Lernprogrammen Herausforderungen zurSelbsttätigkeit und Selbstorganisation. Das umfasst z.B.:– Sich vom Bildungshunger der Kinder (mit)leiten lassen– Kinder bestimmen die Inhalte mit, sind Forscher und Erfinder– Themen der Kinder aufgreifen– Erzieherinnen sind Begleiter, anregende Vermittlerinnen und ge-

ben Orientierung– Individualisierung bei der Planung und Durchführung– Lerngemeinschaft mit Kindern– Schwerpunktsetzung, exemplarisches Lernen

e. Kooperation mit ElternKinder kooperieren mit ihren Eltern. Sieerspüren, ob es den Eltern mit der Ar-beit im Kindergarten gut geht und ob siezufrieden sind. Sie verschließen sichuns und werden unsicher, wenn siespüren, dass ihre Eltern mit der Arbeitnicht einverstanden sind. Das ist eineErschwernis für ihre Lernprozesse. Wirmüssen darauf hin arbeiten, dass Elternbesonders zu ihren Kindern das nötigeVertrauen aufbauen.

Bildungsansätze zum Erwerb von Kompetenzen, Wissen, Erkenntnissen und Werten

T R A D I T I O N E L L E A N S Ä T Z E

O F F E N E R K I N D E R G A R T E N

Spiel- oderFunktionsecken

SituationsbezogeneAngebote

Bilderbücher undGeschichten

Rollenspielund

Theater

Spielecken

Ausflüge undBesuche

Feste und andereVeranstaltungen

W E I T E R E N T W I C K L U N G W E I T E R E N T W I C K L U N G

u.a.

Waldtag,Waldwoche

Geschenke-werkstatt

Forschungslaborund Montessori-

Material

Kinderparlament,-konferenz

GemeinsameRaumgestaltung

Themen und Projektein Verbindung mitder Raumstruktur

Kennenlernendes kulturellenund politischen

Umfeldes

Cafeteria

Von Spaziergangzur Exkursion

AusweitungEntscheidungs-

spielräume

Vormittag in derSporthalle

Raumstruktur,drinnen und draußen

als Gelegenheits-struktur

Aufnahme allerKinder, Nichtaus-

sonderung

Werkstatt fürHolz, Metalloder Textil

Computer, Foto,Video

Vollversammlung

LiteraturKühne, Th. / Gerhard Regel, G. (2000)Bildungsansätze im offenen Kindergar-ten. Erzieherinnen im Mittelpunkt päd-agogischer Arbeit. Hamburg.

Basteln

Bewegungs- undFörderstunden

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Forum III

In Forum 3 wurde vor dem Hinter-

grund der im Erzbistum Köln gerade

entstehenden „Kindergartenpastoral-

konzeption“ diskutiert, welche kon-

kreten Antworten die Religionspäd-

agogik in den Diskurs um den Bil-

dungsbegriff einbringen kann, wel-

ches Verständnis von Bildung und Er-

ziehung aus theologischer Perspektive

der alltäglichen Arbeit in den Tages-

einrichtungen für Kinder zugrunde

liegt. Der zusammenfassende Beitrag

versucht den Gang der Gespräche im

Forum mit dem aktuellen Stand der

Forschung in Korrelation zu setzen.

„Beziehung statt Erziehung“ -Der Bildungsbegriff aus religi-onspädagogischer Sicht

1.1 Zielvorstellungen von Erziehungund mögliche Ergänzungen aus einerchristlichen PerspektiveBezug nehmend auf die einführendenVorträge der Fachtagung lässt sich einallgemeiner Bildungsbegriff mit folgen-den Stichworten auf den Punkt bringen:Erziehung und Bildung verstehen denMenschen als ein „sich entwickelndesWerdewesen“, das sich die Welt umsich herum erschließt. Dabei spielt derFaktor „Kommunikation“ eine wesentli-che Rolle, denn zur Selbst- und Welter-schließung des Menschen ist Beziehungunerlässlich. Folgende Schlagwörtercharakterisieren umfassend ein moder-nes Verständnis von Bildung: Begleiten,unterstützen, fördern, anleiten, vermit-teln, entdecken, erfahren lassen, erpro-ben, animieren, provozieren, konfrontie-ren, korrigieren. Fazit: Bildung ist nichtallein gekennzeichnet durch den Erwerbeinzelner Kenntnisse und Fähigkeiten,

sondern zielt auf die Verwirklichung desWesens des Menschen als Person.Dieser allgemeine pädagogische Be-fund erfährt fundamentale Ergänzun-gen, nimmt man die religiöse Dimensi-on hinzu: Für das Verständnis der Per-sönlichkeitsentwicklung ist hier die Ein-sicht entscheidend, dass der Menschseinen Zweck nicht allein in sich selbsthat. Es geht um die Fragen nach dem„woher“ und „wohin“, nach dem „war-

um“ und „wozu“. Die Frage nach denSinnzusammenhängen des Lebens,nach Verbindlichkeiten und Orientierungtritt in den Vordergrund, kurz: die Fragenach dem, „was uns unbedingt angeht“.Ein solches Eingehen auf die existentiel-len Lebensfragen macht eine Grunddi-mension von Bildung und Erziehung ausreligiöser Sicht deutlich: Die Selbstwer-dung des Menschen wird durch das An-gebot von Glaubensüberlieferungen undderen Relevanz für die Findung von Le-benssinn und Handlungsmaßstäbenentscheidend geprägt.

1.2 „Kinder brauchen Hoffnung“: Di-mensionen der religiösen Erziehungim KindergartenDiese grundlegenden Bestimmungenlassen sich anhand eines ausgewähltenKonzeptes konkretisieren: Ein AutorIn-nenteam um Christoph Th. Scheilke undFriedrich Schweitzer haben unter demTitel „Kinder brauchen Hoffnung“ einenAnsatz zur religiösen Erziehung entwik-kelt, der auf der Interaktion verschiede-ner Dimensionen beruht:

Zu den einzelnen Dimensionen seienhier stichwortartig einige Punkte be-nannt, die auch die Diskussion im Fo-rum bestimmten:Raum: Räume für Kinder müssen sein:Bewegungs- und Handlungsräume,Wahrnehmungs- und Erfahrungsräume,Treffpunkt und Aktionsräume, Rück-zugs- und Stilleräume. Entscheidend istbei alledem, nicht die Kinder den Räu-men anzupassen, sondern mit Räumenden Kindern zu ermöglichen, mensch-lich zu leben.Zeit: Zeit gehört zu den Grunderfahrun-gen und zu den Grundfragen des Men-schen. Zeit bestimmt den Alltag in denEinrichtungen mit (Jahreszeiten, beson-dere Zeiten am Ort, Wochenzeiten, Ta-geszeiten). Zeit als Geschenk Gottessetzt Erwartungen, Sehnsucht, Hoff-nung, Freude frei.Beziehung: Das Leben in der KiTa er-möglicht neues Beziehungsgeschehen.Die Veränderung der vertrauten Umge-bung bedeutet Verlust und Gewinn.Über die Beziehung zu anderen Bezugs-personen tritt die Beziehung zu Gott insBlickfeld. Beziehung kann auch Bela-stung und Konflikte mit sich bringen.Körper und Sinne: Körper und Sinnesind Schlüssel zur Welt und damit auchzur Selbst- und Welterschließung desMenschen. Die körperliche Verfasstheitgehört zur Ebenbildlichkeit Gottes. Reli-giöse Praxis braucht sinnenhaften undkörperlichen Ausdruck.Feste und Rituale: Hier wird Gemein-schaft erfahrbar, Tradition aufgegriffenund neu gestaltet. Feste und Ritualesind sichtbare Zeichen, sie unterbre-chen den Alltag, erinnern bestimmte Er-eignisse und helfen, bestimmte Situatio-nen zu meistern. Hier ist es ganz ent-scheidend, eine kindgerechte Gestal-tung anzubieten.Erzählen: Erzählen gehört zum alltägli-chen Geschehen in der KiTa. Zuhörenschafft innere Bilder; Kinder werdenmotiviert; im Erzählen und Zuhören ent-steht eine gemeinsame Welt. BiblischeGeschichten setzen zentrale Lebensfra-gen ins Bild. Gott muss man ganz kon-kret erzählen.Stille, Meditation, Gebet: Als Unter-brechungen des Alltags stehen hierStichworte wie Freiheit, Geborgenheit,

Sich nach innen Wenden im Mittel-punkt. Das Gebet als zentrale Form reli-giöser Praxis stellt die Kommunikationmit Gott in den Vordergrund. Man kannzwar zum Beten anleiten, entscheidendist jedoch, Beten vorzuleben.Kunst und Kinderkultur: Kinder werdenhier als Schaffende betrachtet. Heraus-zustellen ist die religiöse und christlicheBedeutung von Kunst, Kunst als Hoff-nung auf das heile und Ganze.Gemeinwesen und Gemeinde: Daszentrale Stichwort lautet „Vernetzung“.KiTas und Gemeinden haben einen ge-meinsamen Gestaltungsauftrag.Spiel: Spielen sprengt Grenzen. Im Spielwachsen Kinder, beim Spiel steht vielesauf dem Spiel. Religion kann und mussman „spielend erleben“, denn im Spieleröffnen sich neue Welten.Fazit: Alle Dimension religiöser Erzie-hung gehen Hand in Hand, sie sind voneinander abhängig und bedingen sichgegenseitig. Entscheidend ist die Er-kenntnis, dass sich religiöse Bildung imElementarbereich wesentlich als Bezie-hung manifestiert. In der Beziehung derKinder untereinander sowie in der Bezie-hung der Kinder zu den Erwachsenenwird Gottesbeziehung sichtbar undspürbar und in diesem Sinne auch dieSelbstwerdung des Menschen auf fun-damentale Weise initialisiert.

LiteraturScheilke, Ch. Th. / Schweitzer, F.(Hrsg.) (1999)Kinder brauchen Hoffnung. Religion imAlltag des Kindergartens. Gütersloh.

2. Religiöse Erziehung als le-benswelt- bzw. situationsorien-tierter Prozess

2.1 Der situationsorientierte Ansatzals konzeptioneller StandardDer situationsorientierte Ansatz lässtsich (ohne Anspruch auf Vollständig-keit) mit Hilfe der folgenden Kategoriencharakterisieren:• Bezug zur Lebenswirklichkeit der

Kinder und ihrer Familien• Mitwirkung der Eltern• Lernen als soziales Handeln• Interaktion und Kommunikation als

wesentliche Vollzugsformen• Zusammenspiel von Kindergarten

und Gemeinde

2.2 Der Situationsansatz in der Religi-onspädagogik - Möglichkeiten undGrenzenIn den katholischen Tageseinrichtungenfür Kinder werden religiöse Erfahrungenund Inhalte entsprechend der Lebens-welt und dem Entwicklungsstand derKinder altersgemäß vermittelt. Da esum die Einführung in eine christlicheAlltagspraxis geht, diese aber im Eltern-haus immer seltener erfolgt, liegt hiereine besondere Anfrage an das pädago-gische Personal. Das Gespräch im Fo-rum weist an unterschiedlichen Beispie-len auf, dass die Arbeit in den Einrich-tungen stark geprägt ist von solchensituationsorientierten Vorgängen im re-ligionspädagogischen Bereich, dass je-doch gleichermaßen auch weiterhingroßer Entwicklungsbedarf besteht.

2.3 Das „Recht des Kindes auf Religi-on“Die lebenswelt- und situationsorientier-ten Herangehensweise hat nach Fried-rich Schweitzer ihre Begründung im„Recht des Kindes auf Religion“. Dahin-ter steckt folgende Idee: der Prozessdes Heranwachens ist mitbestimmt vonFragen, die innerweltliche Plausibilitä-ten überschreiten. Der Versuch, Ant-worten darauf zu finden, ist besser mitdem Begriff „Begleitung“ als mit demBegriff „Erziehung“ charakterisiert: Er-wachsene treten als unterstützende Be-gleiter hinsichtlich des Selbstwerdungs-prozesses der Kinder auf. Wichtig ist indiesem Zusammenhang eine Art „Zwi-schenbereich“, die Schnittstelle zwi-schen Phantasie und Realität, zwischenaußen und innen, zwischen Subjekt undObjekt. Hier entspringen Wünsche undHoffnungen, Träume und Visionen. DerSelbstwerdungsprozess orientiert sichnach Schweitzer an fünf entscheiden-den Fragen: Wer bin ich und wer darfich sein? Warum müssen Menschensterben? (die Frage nach dem Ganzen).Wo finde ich Geborgenheit und Schutz?(die Frage nach Gott). Warum soll ichandere gut behandeln (die Frage nachdem Grund ethischen Handelns). War-

„Mit Staunen fängt es an...“Antworten der Religionspädagogikauf die aktuelle Bildungsdebatte

Dr. Andreas Leinhäupl-WilkeDiplom-Theologe, Diözesan-Caritas-

verband Köln

Spiel

Kunst und Kinderkultur

Stille, Meditation,Gebet

Zeit

Feste und Rituale

Gemeinwesen undGemeinde

Erzählen

Raum

Beziehungen

Körper und Sinne

Dimensionender religiösen Bildung

im Kindergarten

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um glauben manche Kinder an Allah?(die Frage nach anderen Religionen).Mit diesen Fragen und den Antwortver-suchen darauf entsteht eine Symbiosevon individueller Entwicklung und derWahrnehmung und Achtung des ande-ren. In dieser Verbindung manifestiertsich nach Schweitzer das Recht desKindes auf Religion.

LiteraturSchweitzer, F. (2000)Das Recht des Kindes auf Religion. Er-mutigungen für Eltern und Erzieher. Gü-tersloh.

3. Religionspädagogische Aus-und Fortbildung von pädagogi-schen MitarbeiterInnen

3.1 Das „Katholische Profil“ der Mit-arbeiterinnen und MitarbeiterDie weitreichende Frage nach dem ka-tholischen Profil der Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter in Tageseinrichtungenfür Kinder wird im Forum kontroversdiskutiert und mit einer Fülle von Bei-spielen verdeutlicht. Es gibt messbareund nicht messbare Kriterien, die fürdas Profil ausschlaggebend sind. Oft-mals sind es gerade die nicht messba-ren Kriterien, die die besonderen Kom-petenzen der ErzieherInnen im religions-pädagogischen Bereich ausmachen, diesie zu ÜbersetzerInnen des Evangeliumsin die Sprache und die Situation der Kin-der werden lassen. Rainer Krockauerhat dies folgendermaßen zusammenge-fasst: „Die Erziehenden sind Fachleutefür religiöse Erziehung auf leisen Soh-len!“

3.2 Berufliche Qualifikationsanforde-rungen für religiöse Elementarerzie-hungGrundlegend für die Weitergabe vonGlaubensinhalten ist neben der eigenenLebenseinstellung eine entsprechendeAusbildung. Einer Studie über die religi-onspädagogische Ausbildung zufolgelassen sich folgende Kriterien zusam-men stellen, die eine Ausbildung bein-halten sollte:• Persönlichkeits- und Identitätsbil-

dung

• Lebensgeschichtliche Orientierungals didaktischer Bezugsrahmen

• Verbindung von Theologie und fak-tisch gelebtem Glauben

• Qualifizierungspotential• Ein reflektiertes Verständnis zu sich

selbst entwickeln• Ein qualifiziertes und reflektiertes

Bild vom Kind entwickeln• Hermeneutische Kompetenz aneig-

nen• Didaktische und Situationskompe-

tenz aneignenDie Diskussion im Forum macht deut-lich, dass viele dieser Punkte nur an-satzweise verwirklicht werden und dasseine tatsächliche religionspädagogi-sche Ausbildung der MitarbeiterInnenweitgehend zu kurz kommt. Die Erstel-lung eines Kindergartenpastoralkonzep-tes für das Erzbistum Köln sowie dieZusammenarbeit von Aus- und Fortbil-dung in Arbeitsgruppen nehmen dieses

Phänomen ernst und suchen nach prag-matischen Lösungen.

LiteraturMöller, R. (2000)Die religionspädagogische Ausbildungvon Erzieherinnen. Bestandaufnahme,Geschichte, Perspektiven. Stuttgart.

Mit Kindern leben und glauben– Religiöse Erziehung in derPraxisAls Fazit sowie als Ausblick bleibt amEnde festzuhalten: Religiöse Erfahrun-gen müssen bei Kindern nicht erst ge-bildet werden, sie gehören gewisser-maßen zur „Grundausstattung“. Religiö-se Bildung versteht sich konsequent alspartnerschaftliche Beziehung, Bildung indiesem Sinne findet in einem Netzwerkstatt. Das religiöse Potential ist funda-mental geprägt von Kategorien wie Ver-trauen, Mündigkeit und Solidarität. Er-zieherinnen und Erzieher fungieren nachdiesem Verständnis als unterstützendeFaktoren bei der Selbstwerdung der Kin-der.

Forum IV

Die in der oberitalienischen Stadt Reg-gio Emilia gemachten Erfahrungen inden Krippen und Kindertageseinrichtun-gen für Kinder im Alter von 3 Monatenbis zur Einschulung werden heute in vie-len Veröffentlichungen zum Thema Bil-dungsprozesse im Kleinkindalter als einebeispielhafte Theorie und Praxis zitiert.Reggio-Pädagogik ist eine andere päd-agogische Denkweise: eine Pädagogikdes Denkens und Handelns in offenenProzessen auf der Grundlage der Begeg-nung, der Bewegung, der Kommunikati-on, der Kooperation und der ständigenReflexion.Die Reggianer sehen die Kinder als For-scher und Entdecker, von Geburt anneugierig und aktiv, ausgestattet mitvielen Kompetenzen und unermüdlich inihrem Tun, sie verknüpfen Neues mitihre bisherigen Erkenntnissen und er-weitern so ihre Fähigkeiten und Fertig-keiten: sie sind Konstrukteure ihrer Um-welt.Dies geschieht alleine und in der Ge-meinschaft mit anderen Kindern und Er-wachsenen. Kinder drücken sich in vie-len Sprachen aus und Kinder brauchenZeit für ihre individuellen Wege. In demnebenstehenden Gedicht „Die hundertSprachen des Kindes“ von Loris Ma-laguzzi kommt dies sehr schön zumAusdruck.

Wolf Singer, der Direktor des Max-Planck-Instituts für Hirnforschungschreibt: „Falsches oder fehlendes Ver-ständnis von Lernprozessen in frühenLebensphasen kann zu Versäumnissenführen, die später kaum durch Bil-dungssysteme wettgemacht werdenkönnen, wie optimiert sie auch immersein mögen.“ und „Da bislang nur we-nig Daten darüber vorliegen, wann dasmenschliche Gehirn welche Informatio-

Impulse aus der Reggio-Pädagogikzum „neuen“ Bildungsbegriff

Monika ThissenDiplom-Sozialpädagogin, Hamburg

Die hundert Sprachen desKindes1

Ein Kind ist aus hundert gemachtEin Kind hathundert Sprachenhundert Händehundert Gedankenhundert Weisen zu denkenzu spielen und zu sprechen.Immer hundert Weisenzuzuhörenzu staunen und zu liebenhundert Weisen zu singen und zuverstehenhundert Welten zu entdeckenhundert Welten zu erfindenhundert Welten zu träumen.Ein Kind hat hundert Sprachendoch es werden ihm neunundneun-zig geraubt.Die Schule und die Umwelt trennenihm den Kopf vom Körper.Sie bringen ihm beiohne Hände zu denkenohne Kopf zu handelnohne Vergnügen zu verstehenohne Sprechen zuzuhörennur Ostern und Weihnachten zu lie-ben und zu staunen.Sie sagen ihm, dass die Welt be-reits entdeckt istund von hundert Sprachen raubensie dem Kind neunundneunzig.Sie sagen ihmdass Spielen und die Arbeitdie Wirklichkeit und die Phantasiedie Wissenschaft und die Vorstel-lungskraftder Himmel und die Erdedie Vernunft und der TraumDinge sind, die nicht zusammenge-hören.Sie sagen also, dass es die hundertSprachen nicht gibt.Das Kind sagt: „Aber es gibt siedoch.“

nen benötigt, ist die beste Strategie, zubeobachten, wonach die Kinder fragen.“„Die differenzierte Entwicklung kogniti-ver Funktionen hängt wesentlich vonden Kommunikationsfähigkeiten und -möglichkeiten der Kinder ab. ... Wichtigist der verstärkte Einsatz nichtrationalerAusdrucksmittel. ... Ein großer Teil dervermittelten Informationen wird aberüber Mimik, Gestik und Intonationtransportiert. Ebenso lassen sich durchbildnerische, musikalische, mimische,gestische und tänzerische Ausdrucks-formen Informationen transportieren.“²Ausgehend von der These „Kinder bil-den sich selber“, gibt die Reggio-Päd-agogik viele Anregungen für die päd-agogische Praxis:• vielfältige zwischenmenschliche Be-

ziehungen und vielfältige Wahrneh-mungen zur sachlichen Umgebung

• Anregungen zur Strukturierung undzur Gestaltung der Wahrnehmungenund des sozialen Miteinanders

• Weiterentwicklung der vorhandenenErkenntnisse und Erfahrungen durchneue Fragestellungen (Forschungenin Theorie und Praxis) und Material-anregungen

• Kinder beobachten und Prozesse do-kumentieren

• gute Zusammenarbeit der Erwach-

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senen (Eltern, PädagogInnen) und dasEinbeziehen von Künstlern und ExpertenDie Bürger der Stadt Reggio in der Emi-lia Romagna in Norditalien verstehendie Kleinkinderziehung als eine gemein-schaftliche Aufgabe von Eltern, denBürgern, den politisch Verantwortlichenund den Pädagog/innen. Die gemein-schaftliche Verantwortung drücktsich auch in der Leitungsverantwortungaus. Bürger, Eltern und PädagogInnenbilden ein Leitungsgremium. Es gibt kei-ne Leiter/in, aber eine intensive fachli-che Beratung; Verwaltungsaufgabenwerden von der Stadt übernommen. DieEinrichtungen für Kinder von 3-6 Jahrenheißen allgemein „Scuole dell’infanzia“– Schulen der Kindheit – der Namedrückt aus, dass es Bildungseinrichtun-gen für Kinder sind - und die Einrichtun-gen für Kinder im Alter von 0-3 Jahrenheißen „Nido“ – das Nest: ein Ort derGeborgenheit, aber auch ein Ort desWachsens und des Lernens. Darüberhinaus hat jede Einrichtung einen Na-men - keine verniedlichen Namen - son-dern einen Namen aus der Geschichteoder Kultur der Stadt Reggio. Die StadtReggio ist eine Stadt mit vielen Plätzen,man trifft sich, redet miteinander. DieRealität der Stadt soll sich in der Ein-richtungen widerspiegeln. Jede Einrich-tung verfügt über einen Ort der Begeg-nung, der Kommunikation – eine Piaz-za. Hier treffen sich die Kinder der ver-schiedenen Altersstufen, die Eltern unddie PädagogInnen. Auf der Piazza findendie Eltern eine Elternecke zum Verwei-len und Informationen über Beobach-tungen der PädagogInnen und die dar-aus abgeleiteten Ideen für die aktuellenProjekte. Im Eingangsbereich werdenBesucher und Eltern herzlich begrüßt (inverschiedenen Sprachen) und infor-miert: hier hängen ein Raumplan, dieMitglieder des Leitungsgremiums stel-len sich vor, die PädagogInnen präsen-tieren sich mit Fotos und es wird überAktuelles berichtet.Die Kinder finden auf der Piazza, Mög-lichkeiten zum Spiel mit der eigenenIdentität: sich Verkleiden, in eine ande-re Rolle schlüpfen, verschiedene Spie-gel: Zerrspiegel, das Spiegelzelt undkleine Spiegel, die nur Ausschnitte vomGanzen sichtbar machen. Weiterhin gibt

es Möglichkeiten zum Puppenspiel,eine Bühne und einen großen Kauf-mannsladen mit einer alten Waage vomMarkt und einer echten Kasse, sowieechte Dinge zum Wiegen und die Zahlenfür den Umgang mit dem Zahlenraumvon eins bis neun. Hier gibt es auchMöglichkeiten für verschiedene Bewe-gungserfahrungen. Verschiedene Kalei-doskope ermöglichen unterschiedlicheBlicke nach innen und außen. Einetransparente Bauweise verbindet dieInnenwelt der Einrichtung und die Au-ßenwelt der Stadt Sie ermöglicht denKindern, ihre Außenwelt und die Gege-benheiten in den anderen Räumenwahrzunehmen. Die Glaswände sindauch ein Medium für verschiedeneLernerfahrungen:• Wie sieht die Welt durch bunte

transparente Folien aus?• Wie ist es, wenn ich nur einen Aus-

schnitt wahrnehme?• Wie bewegt sich ein aufgeklebter

Vogel im Laufe des Tages durch denRaum?

Im Tagesablauf gibt es verschiedeneRoutinehandlungen, die den Kindern Si-cherheit und ein Orientierung im Raum,in den Beziehungen mit den anderenKindern und mit der Erwachsenen ge-ben. Während des Tagesablaufs gibt esfür die Kinder• Treffen der gesamten Gruppe: Kin-

derversammlung, Obstmahlzeit, Mit-tagessen und Mittagsschlaf

• Aktivitäten in festen Kleingruppenmit Erwachsenen: Arbeit an Projek-ten und Aktivitäten

• Aktivitäten in selbst gewähltenGruppen (mit allen Kindern der Ein-richtung) oder alleine im gesamtenHaus oder draußen

Die erste gemeinsame Zusammenkunftder Kinder am Morgen ist die Versamm-lung. Hier wird festgestellt, welcheSpielfreunde heute da sind und dieSpielvorschläge der Kinder und die Ide-en Erwachsenen werden im Hinblick aufihre Durchführung am Morgen bespro-chen. Nach dem gemeinsamen Früh-stücksimbiss nehmen alle Kinder an ei-ner Aktivität oder einem Projekt in einerKleingruppe teil. Danach spielen sie mitwem und wo sie möchten bis zur Mit-

tagszeit. Nach dem Mittagsschlaf wer-den einige Kinder schon abgeholt; dieanderen spielen weiter.

„Die Räume sind Werkstättenzur Erforschung der Welt“Alle Räume der Einrichtungen sind äs-thetisch gestaltet: mit viel Licht, in hel-len Farben und mit Pflanzen. Sie bietenden Kindern vielfältigste Möglichkeitenzum Wahrnehmen, Forschen, Experi-mentieren und zum kreativen Gestalten.Neben der Piazza gibt es an weiterengemeinschaftlichen Räumen: dieWaschräume, das Atelier und das Re-staurant.Die WaschräumeSie sind keine reinen Sanitärräume,sondern Orte mit Röhren, verschiede-nen Gefäßen, Sieben, Spiegel, Gegen-ständen, die untergehen und obenschwimmen, Muscheln...Das RestaurantTäglich nehmen die Kinder ein Dreigän-ge - Menü, frisch zubereitetet aus denProdukten der Region, gemeinschaftlichim Restaurant ein. Sie sitzen in kleinenGruppen an Tischen und unterhaltensich beim Essen. Ein Speiseplan mit Fo-tos informiert über die Speisen. Die Kin-der können durch eine Glaswand beider Zubereitung zuschauen und werdenauch mit einbezogen in den Einkauf derProdukte und bei der Zubereitung.Die GruppenräumeDas Erziehungskonzept orientiert sicham Entwicklungsalter der Kinder, an denBeobachtungen der ErzieherInnen undden theoretischen Erkenntnissen ver-schiedener Wissenschaften. Die Kinderleben und lernen in altershomogenenGruppen. Jede Altersgruppe hat einenGruppenraum, ein Miniatelier und einenweiteren kleinen Nebenraum. Hier eineAuswahl der Möglichkeiten:• Jede Gruppe hat eine Schattenspiel-

wand, verschiedene Lampen, dieMöglichkeit den Raum zu verdun-keln, verschiedene Spiegel, Lupen,Kaleidoskope, Overhead- und Dia-projektor.

• Schaumstoffmasken, Marionetten,Finger- und Handpuppen, Bilderbü-cher, Bücher mit realistischen Bil-dern (Fachbücher) einige Spiele,eine Kinderwohnung mit realisti-

schen Töpfen und Geschirr, ver-schiedene Möglichkeiten, sich ei-nen Überblick und einen Durchblickzu verschaffen, Möglichkeiten zubeobachten, ohne gesehen zu wer-den.

• Zum Bauen finden die Kinder in ein-sehbaren Behältnissen: verschiede-ne Schläuche, Steine, Holzreste undHolzbausteine, Möglichkeiten auchin die Höhe zu Bauen, große Papp-röhren, Kartons, Decken, Netze...

Anregungen zur Kommunikation inden verschiedenen Altersstufen• bei den Krabbelkindern: eine Matte

mit einem Vorhang für das berühm-te Spiel: hier bin ich und jetzt bin ichwieder verschwunden

• ein Schlauchtelefon mit zwei Trich-tern zum Telefonieren über Entfer-nungen bei den 3-4-jährigen Kindern

• einen Briefkasten für jedes Kind mitseinem Namen versehen: Nachrich-ten senden und empfangen, sichzum gemeinsamen Spiel verabre-den: entspricht dem Bedürfnis der4-5-Jährigen nach dem Experimen-tieren mit der Schrift und Freunde zufinden

• Computer in den Gruppenräumenfür Kinder, die schon ihren Namenschreiben können

Das Atelier, die MiniateliersNeben den bisher aufgeführten Gestal-tungs- und Ausdrucksmöglichkeiten derKinder bieten die Ateliers den Kindernihre Wahrnehmungen mit weiteren viel-fältigsten Materialien zu kreieren. Inden Miniateliers finden die Kinder in

durchsichtigen Schachteln, offen undansprechend arrangiert: Garnrollen, Mu-scheln, Federn, Steine, kleine Spiegel,Papier in verschiedenen Größen undFarben, sowie Papierreste, transparenteFolien und Papiere, Bonbonpapier, Film-dosen, Korken, Verpackungsmaterial,Wolle, Stoff, Tüll, verschiedene Stifte -vielfach schwarze Stifte zum Zeichnen,Ton, Draht, Fell, alte Zeitschriften, Klei-ster, Klebstoff, leere Teelichter, Kupfers-tücke und Metallfolien, Perlen, Goldpa-pier ... der Phantasie sind hier keineGrenzen gesetzt.Im Atelier finden die Kinder darüber hin-aus: Musikinstrumente, Staffeleien,Brennofen, Tuschen und Pinsel (ver-schiedene Größen), Bibliothek, großeArbeitstische, Computer und Scanner,Lichttische, Lineale, Zirkel, diverse Stif-te, richtiges Werkzeug, Nägel...Im Atelier arbeitet eine Ateliersta, dieeine künstlerische Ausbildung hat unddie ErzieherInnen in dieser Arbeit mitden Kindern und bei der Beobachtung,Dokumentation und Visualisierung derpädagogischen Erfahrungen unterstütztund auch selber mit den Kindern arbei-tet. Die Umgebung und die Impulse derErwachsenen fördern die Kinder in ihrenindividuellen Wahrnehmungs- und Ge-staltungsprozessen, in ihren Selbstbil-dungsprozessen.

Nun einige Beispiele:Experimente mit Materialien (eine Vi-deosequenz)Fragestellung der Kinder: Bewegt dasWasser das Wasserrad oder bewegtdas Wasserrad das Wasser?Die Gestaltung eines Wasserrades mit

verschiedenen Materialien• am Anfang steht die Forschungsfra-

ge• wie können Kinder die Antwort sel-

ber finden?• im Atelier der Einrichtung wird ein

Wasserbassin aufgebaut• die Kinder bekommen Windmühlen,

um vielleicht die Antwort zu finden• die Kinder erkennen, dass das Was-

ser die Windmühlenflügel dazubringt, sich zu drehen

• ein Junge malt das Wasserrad• als Nächstes baut er ein Wasserrad

aus Papier und macht die Öffnungenseitlich

• dies konstruiert er anschließend inTon

• das Wasser bewegt das Wasserradnicht und auch das Wasserrad be-wegt das Wasser nicht: das Wassertrifft nicht auf die Öffnungen: siesind zu klein und sie sind seitlich an-gebracht

• er erkennt, dass das Wasser in Öff-nungen fließen muss, um das Was-serrad zu bewegen

• er bringt von zu Hause Aluschalenmit und baut diese an ein Holzrad

• dieses Rad hält er mit Hilfe einesanderen Kindes unter den Wasser-strahl und erkennt, dass das Wassersich in den Schalen fängt und sichdadurch bewegt

Der Erzieher stellt dem Jungen Fragenund unterstützt ihn bei baulichen Din-gen, die er nicht bewältigen kann undwo er fragt. Der Erzieher lässt ihn mitverschiedenen Materialien experimen-tieren und hilft ihm somit, seine Ant-wort selber zu finden.3

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Ein Gespräch mit Kindern über den Schatten eines Papiervogels

An der Fensterscheibe in der Einrichtung klebt ein kleiner Vogel aus Papier und wirft einen Schatten auf den Boden imGruppenraum.

„Schau, der Vogel ist hierhin geflogen.“

„Nein, er ist noch da auf der Fensterscheibe.“

„Das ist sicher seine Frau oder sein Bruder.“

„Dieser hier ist nur aus Schatten, aus schwarzer Luft.“

„Es wird ihn jemand dahin gelegt haben. Oder er ist so geboren.“

Die Erzieherin schlägt vor, ihn mit weißer Kreide zu umranden.

„Ja, so sieht man ihn besser.“

„Und der Vogel von der Fensterscheibe kann kommen und ihn sich wiederholen.“

Die Kinder gehen in den Hof und als sie zurück kommen, trauen sie ihren Augen nicht.

„Der Schattenvogel ist nicht mehr da.“

„Nein, er ist noch da. Er ist mehr nach dort gerückt.“

„Er ist ein bisschen geflogen.“

„Vielleicht war es nicht gut, dass wir ihn mit weißer Kreide eingeengt haben.“

„Ich sage, er hat sich einen Spaß mit uns gemacht.“

„Für mich ist es klar; der Schatten fliegt, auch wenn er aus Schatten gemacht ist.“

Die Kinder bitten die Erzieherin, noch einmal die Umrisse des Vogels nachzuzeichnen. Aber bald darauf wiederholt sichdas, was vorher geschah: der Vogel rückt wieder ein Stück weiter. Allgemeines Staunen und große Aufregung.

„Das ist ein Zauberkunststück.“

„Ich glaube, es hat etwas mit Stärke zu tun.“

„Ja, er ist stark.“

Die Stärke des Vogels war dann etwas, was alle beeindruckte, und Lorenzos Erklärung gefiel allen ungeheuer gut.

„Wir stoppen ihn jetzt mit Klebestreifen und drum herum machen wir auch einen Käfig aus Klebestreifen.“

Die Kinder hatten ihn gerade sicher und siegreich mit Klebestreifen gefangen gesetzt, als der Schattenvogel sich unverse-hens anschickte, seinen Gittern zu entschlüpfen. Das war zu viel! Die Kinder stützen sich auf den Vogel, treiben ihn in dieEnge, pressen ihn auf den Fußboden. Jetzt ist alles Aggressivität und Provokation.

„Wir müssen ihm eine Kordel um den Hals binden!“

Die Provokation setzt sich fort mit wachsender Erregung, während der Schattenvogel unbeeindruckt und unerbittlich wei-ter aus dem Käfig kommt, als Beweis für die totale Machtlosigkeit der Kinder.

Alan, der mehrmals mit einem Blick den Schattenvogel und den Papiervogel auf der Fensterscheibe miteinander in Verbin-dung gebracht hat, ruft:

„Die Sonne ist es, die den Schatten des Vogels verschiebt.“

Alle verstummen

„Warum?“ fragt Andrea.

„Darum“ antworten die anderen.

Und damit war die Angelegenheit erst einmal erledigt und wird an einem anderen Tag fortgesetzt.4

Die ErzieherInnen in Reggio verstehenihre Aufgabe darin, die Kinder dabei zuunterstützen, ihre Antworten selber zufinden.

„Jedes Mal, wenn man dem Kind et-

was erklärt, nimmt man ihm die

Freude, etwas selber zu entdecken.“ 5

(1) Übersetzung von Annette Dreier in „Wasmacht der Wind, wenn er nicht weht?“ FIPP Ver-lag 1993

(2) alle Zitate aus dem Artikel „Lernen, bevor eszu spät ist“ Süddeutsche Zeitung am 28./29. Juli2001

(3) Video: An Amusement Park for Birds Hrsg.Reggio Children

(4) Mariano Dolci in Hamburger Dokumentation(S. 137) 1988 in: Hrsg. Projektgruppe Reggio/Hamburg

(5) aus „Spiele mit Licht und Schatten“ (S. 12) BABerlin-Schöneberg, Abt. Jugend und Sport

Forum V

1. Der Situationsansatz als Bil-dungsansatz – Thesen zur aktu-ellen Debatte

Christine Lipp-PeetzGeschäftsführerin im Institut für den

Situationsansatz der INAgGmbH an

der Freien Universität Berlin und Do-

zentin in den Evang. Ausbildungs-

stätten für Soziale Berufe in Darm-

stadt

ERSTE THESE: Der Situationsansatzist von seiner Entstehungsgeschichteher ein Bildungsansatz und besinntsich – nach zeitweiser Verlagerungdes Schwerpunktes auf Soziales Ler-nen –wieder stärker auf diese Wur-zeln.Einer der Väter des Situationsansatzesist S. B. Robinsohn. Er war als Wissen-schaftler am Max-Planck-Institut für Bil-dungsforschung in Berlin ein radikalerKritiker der fachdidaktischen Zugängezu Bildung. Er kritisierte an der schuli-schen Bildung, „daß sich die Fachdidak-tiken einseitig an ihren Wissenschafts-disziplinen orientieren und den Bezug zuLebens- und Verwendungssituationenvernachlässigen würden“ (INAgGmbH1997, S. 73). In seiner Revision des Cur-riculum forderte er eine Orientierung anSchlüsselsituationen und an komplexenund relevanten Realsituationen (s. vorS. 10). Damit hat er auch den BegriffSITUATIONSANSATZ geprägt. In deraktuellen Qualitätsentwicklung spieltder Bezug auf Robinsohn nach wie voreine orientierende Rolle:„Nicht die Logik des ‘Lernstoffs’ und deraus ihren Zusammenhängen gerissenenund deshalb unveränderlichen ‘Inhalte’,die von Erwachsenen wie auf einer Ein-

bahnstraße zu den Kindern transportiertwerden müssen, orientieren die Prozes-se, sondern das ‘Verhalten in der Welt’(Robinsohn). Es geht um spezifische,konkrete und komplexe Situationen, dieautobiographische Dimensionen (Leu)haben, weil handelnde Individuen in ih-nen eine Rolle spielen und sie mit Sinnund Bedeutung versehen.“ (Vgl. INA/ISTA 2001, S. 53)

ZWEITE THESE: Der Situationsansatzund seine pädagogischen Prinzipienerfahren durch neue Erkenntnisse zuBildung eine fachliche Bestätigung.Hier insbesondere die Ergebnisse• des INFANS-Projektes überSelbstbildungsprozesse und• des BILDUNGS-DELPHI über lern-fördernde Faktoren und zukünftigenCharakter der AllgemeinbildungSelbstbildungsprozesse setzen die Ge-währung von Freiräumen für die

Selbsttätigkeit der Kinder voraus. Dieswird im Situationsansatz großgeschrie-ben und ist mittlerweile durch zwei em-pirische Studien wissenschaftlich be-legt: „Insgesamt gesehen ist ‘Gewäh-rung von Autonomie für Kinder’ einAspekt, der bei der externen Empiri-schen Evaluation in den Modelleinrich-tungen des Projekts ‘Kindersituationen’besonders hohe Werte erzielt.“ (Wolf2001, S. 435) Damit haben Kinder, diein einer Einrichtung sind, die nach demSituationsansatz arbeitet, höhere Chan-cen für Selbstbildungsprozesse als Kin-der in anderen Einrichtungen.Das Bildungs-Delphi (bmb+f, 1998) dia-gnostiziert das Lernen in Realsituatio-nen und ausgehend von Lebenssituatio-nen sowie die Trias von Ich-, Sozial- undSachkompetenz als besonders zukunfts-fähig. Damit werden zentralen Grund-sätzen des Situationsansatzes beschei-nigt, Kinder in besonders zu empfehlen-der Weise auf die Wissensgesellschaftvorzubereiten.

DRITTE THESE: In der gegenwärtigenDebatte um Bildung von Kindernkommt das SPIEL zu kurz. Im Situati-

Forschen in der Kita –wie geht das?Der Situationsansatz als Bildungsansatz

Christine Lipp-PeetzGudrun EhlhardRegina DelarberGabriele Virnkaes

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onsansatz dagegen erfährt das kindli-che Spiel eine neue Aufwertung.Im Bestreben, Kinder gut auf die Wis-sensgesellschaft vor zu bereiten und aufzu zeigen, dass Kindergärten heute die-se Aufgabe oft ungenügend erfüllen,gerät das kindliche SPIEL in den Hinter-grund. Dabei ist es die zentrale Art undWeise, wie Kinder die Welt begreifen.Im Situationsansatz ist das „der engeBezug des Spiels zur Lebenswirklichkeitder Kinder, und zwar so, wie sie ist, sowie Kinder sie wahrnehmen, und so,wie sie diese in ihren Spielen widerspie-geln“ (Naumann, S. 10). In den Quali-tätskriterien ist ein Grundsatz dem kind-lichen Spiel gewidmet. Darin wird dieErzieherin aufgefordert, Kinder zu unter-stützen, „ihre Phantasie und ihreschöpferischen Kräfte im Spiel zu ent-falten und sich die Welt in der ihrer Ent-wicklung gemäßen Weise anzueignen.“(INA/ISTA 2001, S. 23

VIERTE THESE: Die Ergebnisse desQualitätsprojektes des ‘Instituts fürden Situationsansatz’ (Berlin 2001)helfen ErzieherInnen, auch ihre Bil-dungsarbeit Arbeit im Einzelnen zubelegen, zu überprüfen und weiter zuentwickeln.Die Qualitätsdebatte kann auf Praktike-rInnen als neuer Druck wirken. Wer sichdie ersten Ergebnisse des Projektes desInstitutes für den Situationsansatzdurchliest wird dagegen erkennen, dassdas Material in hervorragender Weiseder Entlastung und Qualifizierung dienenkann. Denn eine Kita mit einer guten Bil-dungsqualität realisiert vieles von dem,was an Qualitätskriterien aufgeschlüs-selt ist. Hier steht es schwarz auf weiß,was ErzieherInnen alles leisten können.Außerdem dienen die Grundsätze undKriterien - gerade weil sie so konkretsind und die Arbeit der Erzieherin bis insDetail untersucht - der Entwicklung vonPerspektiven und konkreten nächstenSchritte der Qualitätsverbesserung inSachen Bildungsauftrag.

FÜNFTE THESE: Es ist jetzt die Aus-und Weiterbildung von ErzieherInnengefragt, um den pädagogischenNachwuchskräften neues Grundla-genwissen und Möglichkeiten der

Umsetzung einer qualifizierten Bil-dungsarbeit auf der Basis des ‘Situa-tionsansatzes’ zur Verfügung zu stel-len.Hierzu bietet das Institut für den Situati-onsansatz seit einiger Zeit eine zweitei-lige Langzeitweiterbildung zur ‘Fachkraftfür den Situationsansatz’ an, die imJahr 2002 auch in Köln, in Kooperationmit dem Diözesan-Caritasverband fürdas Erzbistum Köln e.V. angebotenwird.

2. Forschen in der Kita –Drei Beispiele aus der Praxisdes SituationsansatzesDie folgenden Praxisberichte stam-

men aus der Feder von Erzieherinnen,

die sich auf den Weg zur ‘Fachkraft

für den Situationsansatz’ gemacht

(Regina Delarber und Gudrun Ehl-

hardt) bzw. den Abschluss erreicht

haben (Gabriele Virnkaes).

„Wie wird ein Stein ein Stein?“Kinder als Forscher und Entdecker –was hat das mit mir als Erzieherin zutun?

Gabriele VirnkaesLeiterin im Evang. Kindergarten in

Lorsch und Fachkraft für den Situati-

onsansatz

Ein Zitat, das nachdenklich stimmte:Kindertagesstätten könnten For-schungsinstitute sein, „in denen sichdie Kinder intensiv und mit allen Sinnenbemühen, durch Versuch und Irrtum,durch die Bildung von Arbeitshypothe-sen und ihre Prüfung, ein Welt- undSelbstbild zu entwickeln.“ (Hans-Joa-chim Laewen)• Warum zeigen meine Kindergarten-kinder trotz vorhandener Materialien sowenig Interesse am Forschen und Expe-rimentieren?• Nach ausgiebiger Literaturrecherchewurde mir bewusst: Meine Rolle als Er-zieherin spielt auch bei diesem Themaeine große Rolle. Ich brauche bestimm-te Qualifikationen, um Kindern forschen-des und entdeckendes Lernen zu er-möglichen. Mein Ziel war deshalb keineinmaliges Forschungsprojekt, sondern

das Installieren eines Forschungsklimasin den Alltag des Kindergartens.• Erste Anläufe rund um das Wettermisslangen, weil ich den Kindern zuschnell Antworten vorgab, nicht dierichtigen Fragen stellte und sie mit lang-wierigen Erklärungen demotivierte.• Bei der Frage von Kindern: „Wiewird ein Stein ein Stein?“ erkannte ichdas Interesse der Kinder und entwickel-te die nötige Geduld, eigene Experimen-te zu zu lassen.Hypothese eins: ein Stein ist =wenn nasser Sand trocknetHypothese zwei: ein Stein ist =wenn nasser Sand gefriertBeides wurde überprüft – im Garten inder Sonne – im Gefrierschrank des Kin-dergartens – und verworfen. Bücherwurden zurate gezogen und Expertenbefragt. Allmählich entstand ein Wis-sen über Steine. Die Kinder interessier-te Unterschiedliches: Manche das Aus-sehen, die Schönheit, manche dasSpielen mit Formen und andere wand-ten sich den Edelsteinen zu. Ein Projektund eine Fensterbank mit verschiede-nen Materialien entwickelte sich. Ichlernte mit Kindern gemeinsam.Fazit: Ein Forschungsklima im Kinder-garten hat ganz viel mit der Erzieherin zutun. Sie muss den Mut haben, sich aufThemen der Kinder einzulassen, auf diesie zunächst keine Antworten weiß. Siemuss heraus finden, wo Forschungsin-teressen der Kinder liegen und sie unter-stützen. Und sie sollte die Kunst derrichtigen Fragen zur richtigen Zeit be-herrschen. Fragen, die weiterhelfen, diezum neuen Ausprobieren anregen, zumVergleichen und Messen, zum Überprü-fen eigener Annahmen.

„Je mehr es stinkt, desto bes-ser riecht man’s“

Gudrun EhlhardtLeiterin des Kindergartens ‘Küken-

nest’ in Pfeffelbach, Pfalz

Anlass des Projektes:In unserer Einrichtung kommt das Aus-probieren und das freie Schaffen mitverschiedenen Materialien noch zu kurz.Ich beobachte, dass z.B. abgelaufene

Lebensmittel das Interesse der Kinderwecken. Sie sind mit viel Ausdauer undKonzentration dabei auszuprobieren,was man mit diesen Lebensmitteln allesmachen und bewirken kann.Ich erinnere Grundsätze des Situati-onsansatzes: „Kinder sind Gestalter ih-rer eigenen Entwicklung. Sie sind in derLage, eigene Bedürfnisse zu erkennen,auszudrücken und handelnd zu bewälti-gen.“Ich erkenne: Wir Erwachsenen unter-schätzen oft die Kinder in ihren Fähig-keiten und ihren Bedürfnissen nach Ent-deckung der Welt oder erleben sie alsstörende „zu gefährlich, zu viel Dreck“.

Kinder experimentieren mit abgelau-fenen Backzutaten:Am Anfang probierten die Kinder wahl-los die ihnen zur Verfügung stehendenDinge aus: Ausschütten, berühren, rie-chen, das Ganze verschließen, beobach-ten, was daraus entsteht. Das prozesso-rientierte Arbeiten der Kinder war starkerkennbar, das ganze Vorgehen dauertewochenlang. Verschiedene Material-Kombinationen zeigten unterschiedlicheReaktionen: Schimmelbildung; Backpul-ver mit Wasser erinnerte die Kinder andas Brauen von Bier „Es schäumt wieBier“, verschiedene Gerüche wurdenwahrgenommen. Dabei äußerten dieKinder:• „Hier können wir so richtig arbeiten

mit stinkigem Schlabberzeug!“• „Je mehr es stinkt desto besser

riecht man’s!“Zum Schluss wurde dann mit frischenBackzutaten und einem selbst zusam-mengestellten Rezept ein Kuchen ge-backen und verzehrt.

Welche Erfahrungen kann ich weiter-geben?Durch das Projekt haben die Kinder eingroßes Stück an Autonomie gelebt, wa-ren solidarisch miteinander und habenWissen erworben. Wir erleben Kinder,die ihre Bedürfnisse nach Neugier undForscherdrang leben können und Faszi-nation zeigen. In unserer Einrichtung be-steht mittlerweile ein angenehmes For-schungsklima mit der Motivation, stetsgemeinsam offen zu sein für Neues. Ichals Erzieherin war Lehrende und Lernen-

de zugleich. Es muss Raum und Zeit ge-schaffen werden, in denen sich die Kin-der ungestört von den fertigen Antwor-ten der Erwachsenen distanzieren kön-nen, umso beim Arbeiten Vieles selbstheraus zu finden.Jedes Ergebnis, ob positiv oder negativ,bedeutet für die Kinder ein Lernerfolg.Dabei ist es ganz wichtig, dass die Er-zieherin als Partnerin auftritt (beratend,geduldig, zurückhaltend), die selbstneugierig und begeisterungsfähig fürdie Sache ist. So entsteht ein optimalesForschungsklima, in dem die Kindermit Hand, Herz und Kopf lernen.

„Komm wir springen über’nZaun“

Regina DelarberLeiterin der Kita ‘Siebenstark’ in

Steinwenden, Pfalz

Anlass für das Aufgreifen derSituationFür die allgemeine Situationsanalysemachte ich ein Interview mit unserenKindern. Bei der Auswertung der Fragenzeigte sich, dass von 82 befragten Kin-dern 53 davon überzeugt waren, mehraußerhalb der Kita erleben zu wollen.Besonders die Aussage von Ruben hat-te für uns große Aussagekraft: „Wirmöchten gerne öfters über’n Zaunspringen, auch wenn Du dies nicht hö-ren willst!“

SituationsanalyseSubjektive SituationsanalyseDurch dieses Ergebnis wurde ich zumNachdenken und Analysieren angeregt.Je mehr ich darüber nach dachte, destobewusster wurde mir, dass unser Kita-Alltag fast ausschließlich in der Einrich-tung stattfindet. Meine Energie richtetesich hauptsächlich auf das Gewährenvon Freiräumen, auf das Miteinbeziehender Kinder bei allen Entscheidungen undauf vielfältige Entfaltungsmöglichkei-ten. Das Umfeld wurde jedoch meistausgegrenzt.

Konkrete SituationsanalyseKinder: Die Kinder wollen sich die Um-gebung aktiv aneignen und forschenderkunden. Sie möchten die Lern &Spielorte außerhalb der Kita kennen ler-nen.ErzieherInnen: Wir sind zu sehr in denKita-Alltag eingebunden und haben da-durch keine Zeit mehr für Freiräumeund neue Projekte, die von den Kindernkommen. Wir wünschen uns mehr aufdie Bedürfnisse der Kinder eingehen zukönnen. Dies sehen wir als Chance, unsmit den Kindern auf den Weg zu ma-chen Lernorte, vor Ort auf zu suchenund kennen zu lernen.Eltern: Eltern wollen auch auf ihrer Ar-beitsstelle besucht werden und bietenihre Hilfe bei Exkursionen an.Theoretische SituationsanalyseFür die Entwicklung der Kinder ist dieLebensnähe, die konkrete Wirklichkeit,

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die Umwelt und der Erwachsenenalltagwichtig. Denn erst die Begegnung mitlebensnahen Lernsituationen und die Er-schließung von Erfahrungsräumen imUmfeld eröffnet Kindern alle möglichenRessourcen.

Entscheiden und Ziele festlegenKinder: Die Kinder haben die Möglich-keit, sich in der Alltagswelt vor den Tü-ren der Kita zu bewegen. Die Kinder ha-ben die Möglichkeit, ihre Erkundungs-gänge eigenständig zu planen. Die Kin-der üben sich in sozialen- und kommu-nikativen Fähigkeiten. Sie haben dieMöglichkeit, ihrer Umgebung offen zubegegnen und somit selbstsicherer ih-ren Platz in der Gruppe, in der Familieund in der Öffentlichkeit einzunehmen.Erzieher: Dem Wunsch, der Neugierder Kinder nach kommen und mit ihnengemeinsam die Welt hinter dem Kinder-gartenzaun zu erforschen. Die Lernorteaußerhalb in unsere alltägliche Arbeitzu integrieren und somit neue Erfah-rungsräume zu erschließen. Wir wün-schen uns, den Kindern genügend Zeitund Raum geben zu können, zum Ausle-ben ihrer Erlebnisse und Eindrücke.Eltern: Die Eltern erfahren, wie ein Pro-jekt geplant und durchgeführt wird. Siestellen fest, dass ihre Kinder sichselbstständiger in ihrer Umgebung be-wegen.Träger: Der Träger macht die Erfah-rung, dass die Kinder im ganzen Dorfsichtbar werden.

Literatur

Bundesministerium für Bildungund Forschung (1996/1998)

Delphi-Befragung. Integrierter Ab-schlussbericht. München/Basel.

Delarber, R.Komm wir springen über’n Zaun,Unveröffentlichte Abschlussarbeitder Weiterbildung Level A ‘Grund-kenntnisse im Situationsansatz’.

Ehlhardt, G.Kinder sammeln, forschen und ex-perimentieren mit verschiedenenMaterialien, Unveröffentlichte Ab-schlussarbeit der Weiterbildung Le-vel A ‘Grundkenntnisse im Situati-onsansatz’.

INAgGmbH (1997)(Internationale Akademie für inno-vative Pädagogik, Psychologie undÖkonomie): Gründungsschrift. Ber-lin.

INAgGmbH, ISTA (2001)(Institut für den Situationsansatz):Qualität im Situationsansatz. Kon-zeptionelle Grundsätze, Qualitäts-kriterien und Theoretische Dimen-sionen. Ergebnisse des 1. Projekt-jahrs. Berlin.

Naumann, S. (1998)Hier spielt sich das Leben ab. WieKinder im Spiel die Welt begreifen,Praxisreihe Situationsansatz. Ra-vensburg.

Viernkaes, G.Wie wird ein Stein ein Stein, Unver-öffentlichte Abschlussarbeit derWeiterbildung Level B ‘Fachkraftfür den Situationsansatz’.

Wolf, B. u.a. (1999)Der Situationsansatz in der Evaluati-on. Landau.

Wolf, B. u.a. (2001)Und sie haben doch etwas bewegt.Auswirkungen von ‘Kindersituatio-nen’ vier Jahre danach, ZeitschriftEmpirische Pädagogik.

Öffentlichkeit: Die Kommune erfährt,dass Kinder etwas zu sagen haben undihre Meinung auch vertreten können,man muss sie nur sprechen lassen undihnen zuhören.

HandlungsinhalteLernorte außerhalb aufsuchen, mit vonKindern selbst organisierten Dorferkun-dungstagen wie: Wie kommt der Apfelin die Flasche? Wer macht die Lockenmit dem Waffeleisen? Abenteuer Kir-che! Wir erforschen das Zusammenle-ben in der Gemeinde. Mit dem Jägerunterwegs. Wir informieren die Anwoh-ner über unser Laternenumzug. Werbackt denn hier das Brot? Wer machtuns wieder gesund? Erstellen von Pro-jektmappe und Ortsplanerarbeitung.

Nachdenken und AuswertenUnsere gesamte pädagogische Arbeithat sich verändert. Uns wurde bei derProjektentwicklung bewusst, dass wirim Alltag mit unserem Umfeld kooperie-ren müssen. Nur so können die Kinderauch außerhalb der Kita in realen Le-benssituationen lernen. Hieraus ergebensich wiederum realistische Rollenspielewie Kaufladen, Frisör usw.Wir haben die Erfahrung gemacht, nichtnur den Kindern neue Lebens und Erfah-rungsräume zu eröffnen, sondern ihnenauch genügend Freiräume zu schaffenum ihr Erlebtes und Gesehenes aufzuar-beiten.

Forum VI

Der Computer als multimediales, zu-kunftsorientiertes Werkzeug bestimmtedie zentrale Thematik dieses Forums.Sein heute noch eher unüblicher Einsatzim Alltag des KiTa-Geschehens bildetedie Grundlage für Überlegungen undRealisierungsansätze. Bis heute hat die-se Thematik Eingang in die unterschied-lichsten Lernkonzepte aller Schulformengefunden und ihre Bedeutung für dieZukunft unserer Kinder ist unumstritten.Jeder wird der Tatsache zustimmen,dass der Computer als vielfältiges mul-timediales Handwerkszeug einerseits infast jedem Berufsbild vertreten ist, an-dererseits im Bereich des schulischenLernens völlig neue Perspektiven undLernchancen eröffnen kann. Ganz abge-sehen von der immer selbstverständli-cher werdenden Existenz und Nutzungvon Computern in privaten Haushalten.Beobachtungen des Unterrichtsgesche-hens in einer Computerschule zeigenmir persönlich seit einiger Zeit beson-ders deutlich, dass Vorschulkinder demThema Computer / Computerlernen sehraufgeschlossen und neugierig begeg-nen. Im Gegensatz zu vielen Erwachse-nen gehen sie unbefangen auf die ihnenweitgehend fremde Technik zu. Gerneerforschen sie den Computer als vielfäl-tiges „Handwerkszeug“. Geschieht dieszusammen mit pädagogisch geschultenFachkräften, so erhalten die Kinder be-reits im Vorschulalter Gelegenheit, denPC kreativ einzusetzen. Speziell für die-se Altersgruppe sorgfältig ausgewähltekreative Spiel- und Malprogramme kön-nen unterstützend helfen, die Vielseitig-keit dieses technischen Gerätes spiele-risch kennen zu lernen. So bietet sichbereits in diesem Alter die Gelegenheit,einen ersten Grundstein für eine im

Weiteren kritische Auseinandersetzungmit dem Computer zu legen, der passi-ven Konsumierung entgegen zu wirken.Viele Kinder sind dem „Gerät“ Compu-ter in der eigenen Familie oder beiFreunden ohne pädagogische Heran-führung ausgeliefert, erliegen viel zufrüh der Reizüberflutung durch oftschlechte oder gewalttätige Computer-spiele, vor allem wenn auch die Elternnoch unerfahren auf dem Gebiet desComputerlernens sind. Hier nun liegt dieChance wie auch die notwendige Auf-gabe der Bildungseinrichtungen, unsereheranwachsende Gesellschaft pädago-gisch fundiert an eine reflektierendeUmgehensweise mit dieser aus der Zu-kunft nicht mehr wegzudenkendenTechnik heranzuführen. Da immer mehrKinder Computer als selbstverständli-che Bestandteile des täglichen Alltagserleben, kann die KiTa nur dann einenBeitrag zur Medienerziehung leisten,wenn auch sie diese technischen Gerä-te mit zum Bestandteil ihrer täglichenArbeit macht. Eine Betrachtung der KiTaals Schonraum, der technische Medienso weit wie möglich aus seinen „Ar-

beitsgeräten“ ausgrenzt, läuft Gefahr,nur Teilaspekte der kindlichen Entwick-lung zu fördern. Die Erziehung zur Medi-enkompetenz bliebe in diesem Falle an-deren Institutionen überlassen, die die-se möglicherweise gar nicht leistenkönnen. Vgl. dazu die zahlreichen Haus-halte und Familien, in denen Kinderrecht unkontrolliert Fernseher, Compu-ter und weitere Technik dieser Art be-nutzen. Nicht erst im Schulalter odernoch später, wenn die meisten Kinderbereits feste (oft genug nur passiv kon-sumierende) Gewohnheiten im Umgangmit diesen Medien entwickelt haben,sondern bereits im Kindergartenalter be-steht die Gelegenheit, einen aktives undkritisches Bewusstsein technischenMedien gegenüber anzubahnen.Fortbildungen und Gespräche mit Erzie-herInnen bezüglich dieser Thematik er-gaben einen Strukturierungsansatz, derim Folgenden vorgestellt wird und des-sen Erarbeitung jedem Einsatz von Com-putern in der KiTa vorausgehen sollte.Gliederungsaspekte helfen, das komple-xe Thema derart zu strukturieren, dasswesentliche Details im Hinblick auf dieUmsetzung / Anwendung in der KiTa er-arbeitet, ständig ergänzt und fixiertwerden können.

1. Begrifflichkeit / Begriffsklä-rung• Was ist Multimedia?1) allgemein: aufeinander abgestimmteVerwendung versch. Medien, Medien-verbund.2) Computertechnik, Informatik: Zusam-menwirken versch. Medientypen (Tex-te, Bilder, Grafiken, Töne, Filme, Anima-tionen) in einem M.-System, in dem In-formationen empfangen, gespeichert,präsentiert und verarbeitet werdenkönnen.

Der Computerals multimediales WerkzeugEinsatz von zukunftsorientierter Technik in der Kindertagesstätte

Marlis Körner

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3) Kunst: Mixed Media, künstlerischeAusdrucksformen, die eine Verbindungmehrerer Kunstbereiche (z. B. bildendeKunst, Theater, Tanz) anstreben undsich dazu visueller und akust. Medienbedienen.(Quelle: Der Brockhaus in einem Band, 9. voll-ständig überarbeitete und aktualisierte Auflage.Verlag: © F.A. Brockhaus GmbH, Leipzig - Mann-heim)

• Warum ist der Computer als multi-mediales Werkzeug zu bezeich-nen?

Die vorstehende Definition zeigt, dassMultimedia (Medienvielfalt) bedeutet,Dinge wie Text, Bild, Ton, Film, Anima-tion usw. mit Hilfe eines einzigen tech-nischen Systems zu verarbeiten sowiewiederzugeben. Als Werkzeug selbstließe sich das Gerät bezeichnen, mitdessen Hilfe diese einzelnen Produkteerstellt werden. Wir kennen dieSchreibmaschine (→ Text), das Ton-band od. den Kassettenrecorder (→Tö-ne), die alte Filmkamera (→ Filmen)oder Pappe, Schere, Stifte (→ Daumen-kino) als hierfür nutzbare Einzelgeräte.Diese Ergebnisse lassen sich heutzuta-ge durch ein einziges Gerät / Mediumrealisieren, durch einen modernen Com-puter mit seinen Peripheriegeräten. So-mit kann dieser als sehr vielfältigesmultimediales Werkzeug funktionierenund eingesetzt werden.

Um schon Kindern den Computer nichtals nur einseitig nutzbares technischesGerät gegenüber zu stellen, sollte derihm immanente Werkzeugcharakter im-mer im Vordergrund seiner Anwendungstehen. Daraus resultiert die Ergrün-dung möglicher sowie verschiedenarti-ger Einsatzbereiche des Computers imKiTa-Geschehen als primäre Vorgehens-weise, um von vornherein die multime-diale Vielfalt zu gewährleisten und zunutzen.

2. Einsatzbereiche in der KiTa(KiGa / Hort)• Lernen (Wissenserwerb, Schreiben,

Rechnen, Üben → Formerkennung,Farberkennung, Zahlen, Buchstaben,„geduldiger Lehrmeister“)

• Spielen (Entdecken, Strategie, etc.)• Gestalten (Malen, Basteln, allg. Er-

stellen von Bildern / Grafik)• Informations- / Wissensbeschaffung• Internet, E-Mail, Homepage• Foto, Film (digitale Camera)• Animationen (Trickfilm, Comic, Dau-

menkino)• Tonaufnahme, Musikbearbeitung• Hardware (+ Bedienung derselben,

„Begreifen“ d. techn. Gerätes)• Grundfragen wie →„Welche Einsatz-bereiche sind nur mit dem Computerrealisierbar?“ →„Welche Tätigkeiten /Aktionen vereinfacht der Computer?“→„Welche Tätigkeiten / Aktionen kanner sinnvoll ergänzen?“ →„Welche sindohne ihn besser realisierbar?“ könnenhelfen, eine Entscheidung für oder ge-gen den Einsatz des Computers in denunterschiedlichen Arbeitsbereichen zufinden.

3. Realitäts-Check (= Realitäts-Schock?) – Eine Sichtung desIst-Zustandes• Schlechte, stark veraltete Ausstat-

tungen in der KiTa (Arbeiten mitausrangierten Geräten, „Verwertungvon Müll“?) oder zukunftsorientier-tes Arbeiten an modernen Geräten?

• Unzulängliche Wissensbeständebei den Erzieherinnen(fehlende Hard-und Soft-ware-Kenntnisse, fehlendepädagogische Ansatzmöglichkeitenund Konzepte oder fundierte Grund-kenntnisse von Hard- und Software?

4. Technische Mindestausstat-tung einer KiTa (aus Punkt 3 fol-gernd)An dieser Stelle wäre es nicht sinnvoll,detaillierte konkrete Daten zu Hard- undSoftware vorzustellen. Einerseits wärendiese nach wenigen Wochen bereitswieder veraltet, andererseits ergibt jedeDiskussion mit ErzieherInnen unter die-sem Aspekt, dass ein Arbeiten mit zeit-gemäßen Geräten sicherlich am mei-sten der realistischen Lebenssituationder Kinder entspricht, dies jedoch fastimmer an den fehlenden finanziellenMöglichkeiten scheitert. Folgerichtigmuss ein Mittelweg gefunden werden,um den Einstieg in die Materie zeitnahzu ermöglichen, nicht um weitere Jahrezu verschieben. Um den Charakter desmultimedialen Werkzeugs realisieren zukönnen, sollten einige Mindestdatenseitens der Hard- und Softwareausstat-tung erfüllt sein. Diese werden im Fol-genden aufgeführt und können helfen,evtl. gespendete (anderweitig längstausrangierte) Geräte auf ihre Brauch-barkeit hin zu beurteilen:– ab 266 MHz– ab 64 MB RAM (Arbeitsspeicher)– Festplatte > 1,6 GB– Diskettenlaufwerk– CD-ROM-Laufwerk > 16 x– Soundkarte– Monitor ab 15 Zoll, empfohlen 17

Zoll (horizontale Frequenz ab 75 Hz)– Farbdrucker (Tintenstrahl)– Maus, Tastatur– ab Windows 95Einen Überblick über die aktuellen Hard-und Software-Leistungen moderner Ge-räte lässt sich jederzeit auch durch dasStudium diverser Computerprospektegewinnen.

5. Notwendiges Fachwissenseitens der ErzieherInnen (ausPunkt 3 folgernd)Aus unterschiedlichen Diskussionen re-sultieren Fortbildungsnotwendigkeitenbei den ErzieherInnen, ohne die ein sinn-volles Entwickeln wie auch Umsetzender Konzepte nicht erfolgen kann. Diesebetreffen Hardwarekenntnisse, Pro-gramm-Kenntnisse ( Windows, Office-Programme, Kindersoftware, Internetbe-dienung, sowie methodisch-didaktische

obachtung der Kinder während derArbeit am PC)

• erforderliche Hardwareausstattung• Pflege v. Hard- u. Software / Soft-

warebeschaffung• Elternarbeit• eigene Wissenserweiterung / Fort-

bildungen

7. Aspekte der ElternarbeitVoraussetzung einer erfolgreichen Her-anführung der Kinder an einen kriti-schen und bewussten Umgang mit demComputer ist die Einbeziehung der Elternin die Planung und Umsetzung des Pro-jekts. Mögliche Ansatzweisen sind bei-spielsweise projektähnliche Tage, andenen die Eltern eingeladen sind, sich inder Kita über das Arbeiten der Kinderam PC zu informieren, vor Ort selbsteinmal mitzumachen. Angebotene Mit-arbeit von engagierten Eltern kann evtl.als nützliche Unterstützung dienen.

Abschließend stichwortartig einige Fak-ten und Anregungen, die zahlreichenDiskussionen gemeinsam sind und dieden Ist-Zustand bezüglich der bespro-chenen Thematik noch einmal realitäts-nah beschreiben:

Kenntnisse, die für die Umsetzung indie Praxis erforderlich sind. Ein Einstiegin die Materie ohne die notwendigenGrundkenntnisse führt zu Frustrationenund kann dem Einsatz des Computersals multimediales Werkzeug nicht ge-recht werden. Eine aktuelle und fachlichsehr fundierte Einführung mit vielenPraxustipps wurde vor einigen Wochenvon der Abteilung Tageseinrichtungenfür Kinder als Sonderheft Multimediaveröffentlicht.(Bestellung unter: 0221-2010-272)

6. Mögliche Gestaltung einesKonzeptesJedes Konzept zur Einführung des Com-puters als multimediales Werkzeug inder KiTa ist selbstverständlich in Ab-hängigkeit zu sehen vom Gesamtkon-zept, das der jeweiligen KiTa als Grund-lage dient. Es sollte alle aufgeführtenAspekte im Hinblick auf das KiTa-inter-ne Arbeitskonzept einbeziehen, um Lö-sungsmöglichkeiten zu erstellen, diesich - ausgehend von den aufgeführtenAspekten - in die individuelle Situationintegrieren und somit ein realistischesArbeiten ermöglichen.Es folgen einige exemplarische Aspek-te, die bei der Planung eines Konzeptesals Strukturansatz dienen können:• Einsatzbereiche / Anwendungsmög-

lichkeiten• Regeln für die Computerbenutzung• Standort (Computerecke oder Com-

puterraum)• Beobachtungskriterien (für die Be-

• Austausch von Erfahrungenist sehr wichtig

• mehr Fortbildungen sollten dieLücken zwischen Theorie undPraxis schließen

• fehlende Programmkenntnisseals Problem

• Fortbildungen sollten grundle-gende Programmkenntnisseeinfühlsam vermitteln

• Ängste abbauen und Hemm-schwellen nehmen als Vor-aussetzung

• Feststellung: Ich bin mit mei-nen Problemen nicht alleine.

Der Diözesan-Caritasverband hat mitt-lerweile auf diese breiten Erwartungenreagiert und bietet im Fortbildungspro-gramm weit über 50 Seminare in denBereichen EDV und Multimedia an.

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Forum VII

(Während der Veranstaltung wurden

viele Farbfolien aufgelegt und auf

dem OHP eine Reihe von Grafiken

entwickelt, Tests, Anspannungs- und

Entspannungsübungen und Spiele

durchgeführt. Diese können hier lei-

der nicht gezeigt, dargestellt bzw.

durchgeführt werden.)

Sehr geehrte Damen!Nicht einen einzigen Herren kann ichhier begrüßen. Eigentlich ist es schade,dass in Kindergarten, Vor- und Grund-schule so wenig Männer aktiv sind.Herzlichen Dank für den freundlichenEmpfang und die Gelegenheit mit Ihnenzusammen zu arbeiten. Die Gesellschaftfür ganzheitliches Lernen folgt demMotto - Menschen stärken, Sachen klä-ren (einem Wort von v. Hentig). Mit derArbeit der Gesellschaft möchten wir ei-nen Beitrag leisten, dass junge Men-schen eigen- und mitverantwortlich, to-lerant und solidarisch werden.Wir möchten, dass sie mit allen Sinnendie Welt begreifen, mit hoher Effektivi-tät lernen und so lange wie möglichpersönliche und konkrete Erfahrungenmachen, damit sie nicht nur aus zweiterHand, in einer von anderen gemachtenBilderwelt, leben. Unser Beitrag dazuist, Methoden und Materialien für dasganzheitliche Lernen zu entwickeln undzu verbreiten, damit alle Facetten derPersönlichkeit der Kinder entwickeltwerden.Dass vielfältige Sinneserfahrungen fürdie kindliche Entwicklung bedeutsamsind, erkannten Pädagogen, Philoso-phen und Psychologen schon vor langerZeit:• Comenius (1592-1670) wies darauf

hin, dass Wissen auf Sinneserfah-rung beruht.

• Der Philosoph John Locke (1632-1704) verkündete: Nichts ist imVerstand, was nicht vorher in denSinnen war.

• J.J. Rousseau (1712-1778) schriebin seinem berühmten Erziehungsro-man - Emile - ein Kapitel über die´Übung der Organe und Sinne´.

• Den vielzitierten Spruch, Lernen mitKopf, Herz und Hand, verdanken wirJ.H. Pestalozzi (1746-1827).

• Die Vorläufer und Ideengeber vonMaria Montessori J.M Itard (1775-1838) und sein Schüler E. Seguin(1812-1880) erkannten die Wech-selwirkung von Sinnesarbeit und In-tellekt, von Motorik und Geist. Sieentwickelten die ´physiologischeMethode´ mit der sie von der Peri-pherie auf das Zentrum wirken woll-ten.

• Und natürlich Maria Montessoriselbst(1870-1952), die erste ital.

Ärztin, entwickelte sinnesaktivieren-des Material. Nach ihrem Motto:Hilf mir, es selbst zu tun, lerntenKinder selbständig, einem ´innerenBauplan´ folgend, entsprechend ih-rer Entwicklungsphasen. Ihre Er-kenntnisse beeinflussen, wie siewissen, die pädagogische Praxisbis heute erheblich und nachhaltig.

• Und ein letzter Zeuge: Felix Krueger(1874-1948) begründete die Ganz-heitspychologie - das Ganze istmehr als die Summe der Teile - dieGanzheit des Erlebens besteht vorallen Teilen.

Dieser kleine, natürlich unvollständige,historische Exkurs soll zeigen, dass Sin-nesschulung keine Erfindung neuzeitli-cher Pädagogik ist. Vielmehr ist Lernenmit allen Sinnen eine wieder entdeckteForderung. Jetzt aber ist sie wissen-schaftlich untermauert und wir bewe-gen uns auf sicherem Gelände.Wie aber eignen sich heute MenschenKultur an? Die angestrebte Entwicklungmüsste doch sein, dass junge Men-schen durch Eigentätigkeit Primärerfah-rungen machen. Die wirkliche Tendenzin der Gegenwart ist aber, dass über-wiegend durch Konsumieren Sekundär-erfahrungen gemacht werden und dasmit schwerwiegenden Folgen für dieEntwicklung des Einzelnen und der Ge-sellschaft.Sehr geehrte Damen, wir machen unsimmer und überall Bilder von der Wirk-lichkeit. In einem Museum in Los Ange-les hängt ein Ölgemälde von Magritte.Er hat eine große Pfeife gemalt und dar-unter geschrieben: Ceci n’est pas unepipe. Das ist keine Pfeife. Als ich dasBild sah, dachte ich wie trivial unddann, was will er damit sagen. Bis beimir der Groschen fiel: Das ist keine Pfei-fe. Es ist ein Bild von einer Pfeife. Sie

riecht, duftet oder stinkt nicht,schmeckt nicht, qualmt nicht, ist nichtwarm oder gar handschmeichlerisch.Wir nähern uns durch unsere Bemü-hungen und Forschungen mit unsereneingeschränkten, sinnlichen Möglich-keiten immer nur den Wirklichkeiten an.6 Milliarden Menschen auf der Weltmachen sich 6 Milliarden Bilder von derWirklichkeit. Jeder sein eigenes und an-deres, weil jeder andere erziehliche, kul-turelle, umweltliche, und genetische Be-dingungen, also andere Lern-, Denk- undLebensvoraussetzungen hat. Jeder istanders und keiner ist im Besitz derWahrheit. Daraus ergibt sich für michu.a. das Toleranzgebot. Wir müssen ler-nen, den Anderen, anders sein zu las-sen. Ein Afghane macht sich ein ande-res Bild von den USA als ich! Zumal un-ser Gehirn immer auch auf Grund be-stimmter, eigener Erfahrungen und ge-machter Gefühle entscheidet.Wie nun das Gehirn jede Wahrnehmunginterpretiert, wie wir etwas bewertenund in das Gedächtnis sortieren, ist eingroßes Geheimnis, sagt Prof. JürgenSchwarz. Alles, was wir aus dem Ge-dächtnis produzieren auch unsere Spra-che ist ungeheuer vielfältig und immerwieder anders. Gehen wir davon aus,dass all unsere Reaktionen aus der Ge-samtheit unserer Erfahrungen immerwieder neu zurechtgeschüttelt, neu ge-schaffen werden, so auch unsere Erin-nerungen.Wahrscheinlich lebt jeder in seiner eige-nen, konstruierten Welt und nimmt an,dass die auch der Welt der anderen ent-spricht. Aber das ist letztlich nur eineAnnahme. Denken Sie bitte in diesemZusammenhang an Zeugenaussagen!Wie nah sind sie an der Wirklichkeit?Und was macht der Richter damit? Esist also noch ungewiss, nach welchenKriterien eine Wahrnehmung gespei-chert, verdrängt oder in eine fest ver-schlossene Region verbannt wird, wennsie etwa zu unangenehm oder im Mo-ment überflüssig erscheint.Das Kurzzeitgedächtnis schluckt erstmal fast alles, und sei es nur für einpaar Minuten, bevor es Überflüssigeswieder rauswirft. Eine Telefonnummerzum Beispiel behält es in der Regel nurso lange, wie wir sie direkt brauchen.

Das Langzeitgedächtnis scheint überunendliche - unberechenbare - Reservenzu verfügen. Immerhin tauchen langevergessene Erinnerungen oft nach Jah-ren wieder auf; als quälende oder er-freuliche Botschaften aus der Vergan-genheit, als pure Information oder imneuen Kleid, etwas hübscher, ein wenigschmückender.Weil jede Wahrnehmung durch komple-xe Vernetzung der Neuronen, der Ner-venzellen, immer auch einen direktenDraht zu den Gefühlszentren im Gehirnhat, sind die meisten Erinnerungen mitGefühlen verbunden. Diese sind mehrals emotionale Zugaben. Je tiefer dieGefühle, mit denen ein Erlebnis, eineWahrnehmung verbunden ist, um so in-tensiver und dauernder ist die Erinne-rung. Oder um so radikaler die Verdrän-gung unangenehmer Erfahrungen.Wahrscheinlich sind Gefühle oft die´Entscheider´, wenn es um speichernoder nicht speichern geht. Dies hat manbis jetzt kaum zur Kenntnis genommen,wenn es um Lernbedingungen und -mi-lieu geht.Die etwa 100 Milliarden Nervenzellendes menschlichen Gehirns sind alle un-terschiedlich. Die mögliche Zahl derQuerverbindungen untereinander wer-den auf 10 hoch 800 geschätzt. Mehrals astronomische Mengen. Diese unbe-grenzten Möglichkeiten stehen jedem´Durchschnittsmenschen´ zur Verfü-gung. Ihnen und mir! Die Frage ist nur,wie nutzen wir sie. Die Kapazität jedochhat und wird kein noch so großes Genieder Menschheitsgeschichte je aus-schöpfen können. Lange dachte man,dass entweder die linke oder rechte Ge-hirnhälfte genial ausgeprägt sein müs-se, bei besonderen, bestimmten Bega-bungen. Dies wird jedoch der immensenLeistungsfähigkeit des Gehirns nichtgerecht. Im Gegenteil, gelingt es beideBereiche des Gehirns in Gang zu setzen,ergeben sich Synergien und enorm hö-here Potentiale. Ein Grund mehr dasmehrkanalige , ganzheitliche Lernen zunutzen.Kürzlich hat RTL mit einem groß ange-legten IQ-Test die klügsten Deutschengesucht. Manche von Ihnen erinnernsich sicher noch, oder haben mitge-macht. Seitdem gilt der Moderator

Jauch als der klügste Mann im Land,weil er immer alle Antworten parat hat-te, ablesen konnte. Man hat versucht,den Test, der extra neu dafür entwik-kelt wurde, mit seinen 81 Fragen eini-germaßen ausgewogen zu gestalten. Essollten viele Areale im Gehirn angespro-chen werden. Die Antworten wurden imMultiple-Choice-Verfahren gegeben. Eswurden Wortanalogien, Sprichwörter,das Merken von Adressen, Abwickelnvon Körpern, logische Reihen und Ent-sprechungen, Rechenaufgaben, dasMerken von Symbolen und Ähnliches inbestimmten Zeitgrenzen abgefragt. 320Teilnehmer haben in Gruppen von Haus-frauen, Lehrerinnen, Beamten, Studen-ten, Handwerkern direkt im Saal undüber 100 000 per Internet daran teilge-nommen. Jetzt weiß man, dass in die-sem Test, die Lehrerinnen 119, die Be-amten 118, die Studenten 117, dieHandwerker 111, die Hausfrauen 101 IQPunkte erreichten. Zwei Saalgewinnerhatten 139, zwei Prominente 132. ÜberInternetteilnahme wurde festgestelltdas Schleswig-Holsteiner 122 und Thü-ringer 108, Männer 119 und Frauen 113Punkte hatten, was ja unbedingt zu be-weisen war. In der Punktetabelle warübrigens ein Altersbonus eingebaut.Seit den zwanziger Jahren haben Gene-rationen von Psychometrikern an ihrenVerfahren zur Messbarkeit von Intelli-genz gefeilt. Sie gingen immer davonaus, dass die Verteilung der Intelligenzin der Bevölkerung einer glockenförmi-gen Funktion, der so genanntenGauß‘schen Normalverteilung entspre-che. Danach sollten 50 % der Bevölke-rung zwischen 90 und 110 Punkten ha-ben, zwischen 130 und 140 sollen dieMenschen hoch intelligent, zwischen 70und 60 sehr dumm sein. Also haben siesolange die Frageserien verändert undmanipuliert, bis die Ergebnisse dieserstatistischen Norm genügten, also zudieser Kurve passten.Es kam vor, dass sich bei Tests Mäd-chen den Jungen überlegen zeigten.Weil nicht sein kann, was nicht seindarf, änderten die Tester ihre Fragen solange, bis es keine Unterschiede zwi-schen den Geschlechtern gab.Als aber Testbögen unterschiedlicheWerte aus Arbeiterschaft und Mittel-

Neues aus der Forschung –Konsequenzen für den ganzheitlichen Bildungsbegriff

Franz-Josef KuhnErziehungswissenschaftler, Leiter der

Gesellschaft für ganzheitliches Ler-

nen, Köln

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stand, oder gar zwischen schwarz undweiß ergaben, hielt man das prompt fürechte, grundlegende Unterschiede imIntelligenzgrad. So hat man in den USARassismus betrieben. Schwarze habendort einen 15 Punkte niedrigen IQ. Manbrauchte nur Testserien zu entwickeln,die ihrem Milieu entsprachen und in ih-rer Welt häufiger vorkamen, um richti-ge Ergebnisse zu finden. Mit den Ergeb-nissen aber wurde Politik gemacht, (beiSchwarzen hat es ja sowieso keinenZweck) oder Machverhältnisse gerecht-fertigt und sich vor sozialer Verantwor-tung gedrückt und natürlich Geschäftegemacht.So sagen jede Woche andere Wissen-schaftler - moderate Trinker sind intelli-genter als Abstinenzler. Oder Olivenölmacht geistig heller als andere Öle. Voreiniger Zeit geisterte die Behauptungdurch die Medienwelt: ´Die Menschenwerden immer klüger.´ Der Anstieg desIQ stieg um 3 Punkte pro Jahrzehnt. Dasheißt , wer zu Anfang des vorigen Jahr-hunderts zu den Klügsten gehörte,wäre heute am Ende der Skala. DenWissenschaftlern war offensichtlichentgangen, dass die Tests im Laufe derZeit in bestimmten Abständen immerwieder dieser beschriebenen Kurve an-gepasst wurden, so dass 50 % der Be-völkerung zwischen 90 und 110 liegen.James Flynn, ein australischer Psycho-loge hat dies nun genau untersucht.Die Frage ist nun, warum fallen dieTestergebnisse heute besser aus alsfrüher. Das genetische Potential kannsich in so kurzer Zeit nicht so veränderthaben. Wir werden heute von der Mut-terbrust an mit visuellen Reizen über-schüttet, wir decodieren immer mehrSymbole, müssen immer mehr techni-sche Geräte bedienen, und abstrakteZeichensprachen, die in solchen Testseine Rolle spielen, verstehen. Vielleichtsind das die Gründe. Festhalten kannman, der IQ ist nur bedingt aussagefä-hig. Er stellt nur fest, dass ein MenschFertigkeiten im Lösen von bestimmtenTestaufgaben entwickelt hat, weil diesein unserer Kultur gegenwärtig sind.Intelligenztests messen alles Mögliche,nur nicht das vielschichtige Phänomender menschlichen Intelligenz. Es gibtmehr als eine Intelligenz und es gibt

eine Reihe von Talenten, die die Denk-maschine Gehirn bewegen. Heute ge-nießt der Kognitionsspychologe HowardGardner von der Havard Universität inBoston weite Anerkennung. Gardnerspricht von sieben Intelligenzen, die vonmathematischen Intelligenzen, extremausgeprägt bei Einstein, über das musi-kalische Genie eines Mozart, bis zurGabe Darwins, Abläufe in der Natur zuentdecken, reichen. Das GardnerscheModell der ´Multiplen Intelligenzen´ isthoch aktuell:

Zahl nach Hause. Der Test nach demBerliner-Intelligenz-Strukturmodell (BIS)erstellt ein komplettes Profil der intel-lektuellen Fähigkeiten des Menschen.Zur Optimierung des Tests wurden bisheute über 3000 Versuchspersonen ge-testet, mit 300 Einzelaufgaben und 2½Stunden Dauer. Einer der Entwickler,Heinz-Martin Süß, sagt, im Gegensatzzu Gardner gehe es ihnen nicht nur umdie umfassende Beschreibung aller Fä-higkeiten des Menschen, sondern umseine Geisteskraft, Probleme zu lösen.Beim BIS beschreiben 8 Talente dieHardware im Kopf:• Einfallsreichtum – die Kreativität,

möglichst viele Ideen zu entwickeln• Geschwindigkeit – wie schnell ar-

beiten wir, wie schnell fassen wirauf?

• Merkfähigkeit – wie gut wir uns et-was einprägen und es reproduzieren

• Kapazität – komplexe Informationenverarbeiten und in Beziehung setzen

• Verbales Denken – wie kompetentwir mit Sprache umgehen

• Numerisches Denken – wie gut wirmit Zahlen zurecht kommen

• Figurales Denken – die FähigkeitBilder und Objekte zu verarbeiten

• Allgemeine Intelligenz – die etwadem herkömmlichen IQ entspricht

Der Schachweltmeister Kasparow er-zielte in allen Disziplinen herausragendeErgebnisse. Nur nicht im Fach Einfalls-reichtum. Süß ist überzeugt, dass vorallem die Verarbeitungskapazität, alsodie Fähigkeit des Denkers, möglichstviele Einzelfaktoren im Kopf zu behaltenund gegeneinander abzuwägen im Zu-sammenhang mit dem beruflichen Er-

folg steht. Der Faktor hohe Intelligenzallein ist es nicht. ‘Wir suchen nichtden, der alles brillant analysiert, abermit keinem Mitarbeiter zurecht kommt.Daneben zählen mehr und mehr soziale,emotionale und auch praktische Intelli-genzen.’Bei einem Gespräch mit den BerlinerForschern, fragte ich nach einem abge-speckten, praktikablen Test für Kinder,um festzustellen, wer vor einem steht.Welche Talente zu fördern, welche De-fizite abzubauen sind. Sie haben leider,obwohl sie den Vorschlag wichtig fan-den, wegen des hohen Aufwandes anGeld und Zeit für die Forschungsarbeitabgewunken.Es geht also um Handlungskompetenzund Erfolgsintelligenz. Für eine rundumerfolgreiche Karriere müssten dreiAspekte aufeinender Treffen, so RobertSternberg von der Yale-Universität -klassische IQ-Fähigkeiten, kreative undpraktische. Menschen, die Erfolgsintelli-genz besitzen, verstehen es zum Bei-spiel, die verschiedenen Komponentenauszubalancieren. Sie überlegen sich,ob sie die richtigen Probleme angehen,egal ob es sich um einen Autounfall,eine Beziehungskiste oder ein Jobpro-blem handelt. Sie kontrollieren ihre Im-pulse und bringen trotzdem kreative Ide-en hervor und haben, besonders wich-tig, ein Gefühl für Situationen.

Vor allem brauchen wir Fantasie!Fantasie ist Voraussetzung für die Krea-tivität. Fantasie liefert sozusagen Ideen,die Einfälle. Kreativität geht damit um,verwirklicht sie, verleiht ihnen Leben.Wir müssen alles daran setzen, sie im-

mer wieder zu entdecken. Jede An-strengung sollte uns recht sein, die Fan-tasie und Kreativität unserer Kinder zuunterstützen, zu stabilisieren und über-haupt zu ermöglichen. Unser besterVerbündeter ist die Neugier. Nebendem Aggressionstrieb, dem Nahrungs-trieb und dem Sexualtrieb ist er ein Ur-trieb, der oft nach dem Kindergarten inder Grundschule schnell zugeschüttetwird. Wir brauchen viele sinnliche, gei-stige, bildliche und besonders konkreteErfahrungen, die im Gehirn immer neuzurecht geschüttelt werden. Wir brau-chen eine Schule der Fantasie, eine Kul-tur der Fantasie.Einstein hat gesagt, Fantasie ist wichti-ger als Wissen. Denn Wissen ist be-grenzt, wohingegen Fantasie die ganzeWelt umfasst, dem Fortschritt Impulsegibt, die Evolution gebiert.Meine sehr verehrten Damen, lassenSie mich bitte zum Schluss hinweisenauf die Workshops und Seminare derGesellschaft für ganzheitliches Lernen.Sie als Pädagogen sind oft der Prell-bock der Gesellschaft, kämpfen mit un-zureichenden Mitteln und leeren Kas-sen, vor zu großen Gruppen und mit zuwenig Personal. Sie verdienen unserenRespekt, denn sie schaffen die grundle-gende Bildung und leisten wichtige, inmanchen Familien vernachlässigte, Er-ziehungsarbeit.Die Gesellschaft bietet Ihnen professio-nelle Hilfe für viele Ihrer Probleme an.Sie hat mit tausenden Pädagogen invielen Workshops sehr erfolgreich zu-sammen gearbeitet. Frau Dr. Liebertzund die Trainerinnen der Gesellschaftkommen auch in ihre Einrichtung, ma-chen also mobile Teamfortbildung, El-ternabende, Konzeptentwicklungen.In den Büchern von Frau Liebertz, er-schienen beim Don Bosco Verlag,„Schatzbuch zum ganzheitlichen Ler-nen“ und „Spiele zum GanzheitlichenLernen“ finden sie viele, sehr praxisna-he Ideen, Spiele und Anregungen für dieGestaltung ihres Arbeitstages, für dasLernen und Erziehen.

Herzlichen Dank, alles Gute für Sie, IhreKinder und Ihre Arbeit!

1. Sprachliche Intelligenz (Schwerpunkt linke Gehirnhälfte)• komplizierte Sachverhalte erklären, flüssig diskutieren, andere überzeugen• angeboren, aber durch Anregungen und Übungen entwickelbar• der Psycholinguist Chomsky stellte fest, dass das Gehirn eine angeborene

Grammatikstruktur besitzt

2. Musikalische Intelligenz• Verhältnis zur Musik, vom Vogelgesang bis zu Symphonieklängen• angeboren, aber auch entwickelbar• Rhythmus auch ein Transportmittel für Lerninhalte

3. Logisch-mathematische Intelligenz• Konfrontation mit der Welt der Dinge• zunächst konkrete Logik, erst später abstrakte• entspricht dem westlichen Verständnis von Intelligenz

4. Räumliche Intelligenz (Schwerpunkte in der rechten Gehirnhälfte)• am Stadtplan orientieren, Auto in enge Lücke parken• Formen in ihrer räumlichen Lage vorstellen, Gegenstände im Kopf drehen• Architekten, Bildhauer

5. Interpersonale Intelligenz• Verhältnis des Menschen zu anderen• Sensibilität für Stimmungen und Situationen anderer• kontaktfreudig, gerne Arbeit in Gruppen• Außendienstler, Politiker, Diplomaten, Pädagogen

6. Intrapersonale Intelligenz• Fähigkeit, sich selbst zu erkennen, Zugang zu eigener Gefühlswelt• Tendenz zur Selbständigkeit, Bedächtigkeit, ungern in Gruppen• autistischen Kindern fehlt die Ich-Vorstellung, das Selbst-Verständnis

7. Körperlich-kinästhetische Intelligenz• körperliche Bewegungen vielfach und kontrolliert variieren• motorisch sehr geschickt, großes Bewegungsbedürfnis• Tänzer, Sportler, Handwerker

Moderne Wissenschaftler, die mensch-liche Fähigkeiten messen, sind über-zeugt, dass nur mehrere Faktoren denmenschlichen Geist beschreiben. Be-denkt man auch die ‘emotionale Intelli-genz’ und die Macht der Gefühle, wiesie Daniel Goleman beschreibt, kommenwir zu einem besseren Bild der viel-schichtigen Persönlichkeit.Nach langer Entwicklungszeit bringenjetzt deutsche Psychologen einen neuenTest heraus. Dieser Check schickt diePrüflinge nicht mit einer ominösen IQ-

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Forum VIII

„Wie kommt die Welt in den Kopf?“ lau-tete die Ausgangsfrage des vom Diöze-san Caritasverband für das ErzbistumKöln (DiCV) durchgeführten Modellpro-jektes im Frühjahr 2001. Ausgangs-punkt der Pläne für dieses Projekt warein anderes, wesentlich größer und um-fassender angelegtes Modellprojekt.Das Berliner infans-Institut hatte sich ineinem u. a. vom Bundesministerium fürFamilie, Jugend und Soziales unter-stützten Projekt „Zum Bildungsauftragvon Kindertageseinrichtungen“ zum Zielgesetzt, Vorschläge, für die Konkretisie-rung des Bildungsauftrages zu erarbei-ten, der den Kindertageseinrichtungenvom Gesetzgeber vorgegeben ist. Die-ses Ziel wurde vom infans-Institut in en-ger Zusammenarbeit mit Praxisvertre-tern dreier beteiligter Bundesländer um-gesetzt1.Die Frage nach der Bildung des Kindesbzw. danach, was Bildung in Tagesein-richtungen heute heißen kann, sollte imMittelpunkt des Projektes „Wie kommtdie Welt in den Kopf?“ stehen. Nebender Klärung des abstrakt anmutendenBildungsbegriffes, speziell in seinen Be-deutungszusammenhängen für den

frühpädagogischen Bereich, waren dieFolgen, die sich aus diesen Bildungsvor-stellungen für die Praxis ergeben, zen-tral. Die Fähigkeit der Erzieherin, kindli-che Tätigkeiten im Kontext von Bil-dungsprozessen identifizieren zu kön-nen, sowie eine verbesserte Kompetenzin der Unterstützung dieser Prozessewaren das Ziel des Projektes.Sechs teilnehmende LeiterInnen ausverschiedenen zumeist katholischen Ta-geseinrichtungen trafen sich mit derProjektleiterin in insgesamt vier Fortbil-dungssequenzen. Zwischen diesen Fort-bildungseinheiten, die in Kölner Räu-men des DiCV stattfanden, lagen Beob-achtungsphasen der Teilnehmerinnen inihren Einrichtungen. Im Mittelpunkt derBeobachtungen standen die Eigentätig-keiten der Kinder im Alltag der Einrich-tung, die in Protokollen fixiert und je-weils in der folgenden Fortbildungsein-heit reflektiert wurden. Im Folgendenwerden die inhaltlichen Grundlagen desProjektes dargestellt, bevor an einem

Fallbeispiel exemplarisch die Arbeits-weise im Projekt erläutert wird.

Bildung als Selbst-BildungSpätestens, seitdem im Kinder- und Ju-gendhilfegesetz die Bildung neben derErziehung und der Betreuung der Kinderals Aufgabe für Kindertageseinrichtun-gen fixiert ist, besteht auch in frühpäd-agogischen Zusammenhängen die Not-wendigkeit der Auseinandersetzung mitdem Bildungsbegriff. Was kann Bildungfür die Arbeit in einer Kindertagesstätteheißen?Der Blick auf die Geschichte der Bildungbzw. die Verwendung des Bildungsbe-griffs zeigt, dass sich nicht eindeutigfestlegen lässt, was Bildung ist. In un-terschiedlichen zeitlichen Epochen wirdder Begriff der Bildung jeweils verschie-den verwendet. Auch heute wird derBildungsbegriff nicht einheitlich ge-braucht. In der Alltagssprache wird un-ter Bildung oft das verstanden, wassich vielleicht zutreffender als Schulbil-dung bezeichnen ließe: Lesen, Schrei-ben, Rechnen als erste Schritte zu einerumfassenden Bildung.Untersucht man demgegenüber Bildungnach seinem eigentlichen Wortsinn,stößt man auf das Wort Bild. Bildungenthält Bild – und könnte insofern et-was damit zu tun haben, dass im Men-schen ein Bild von der Welt entsteht.Ein solches Verständnis von Bildung,als Prozess, indem der Mensch ein Bildvon der Welt gewinnt, entspricht demursprünglichen Bildungsbegriff wesent-lich besser2.

Es geht also darum, dass ein Mensch,ein Kind, ein Bild von der Welt gewinnt,dass die Welt in den Kopf kommt. DerSinn der Dinge und der Personen, diedas Kind umgeben, müssen verstandenwerden. Wie geschieht dieses aber nun,wie kommt die Welt in den Kopf? Damitdie Welt im Kopf des Kindes an Raumgewinnt, damit etwas in seinem Sinnverstanden, also wirklich aufgenommenund eingeordnet werden kann, muss esfür das Kind zunächst an Sinn, an Be-deutung gewinnen. Diese Bedeutung,so lautet nun die Ausgangsthese desProjektes, kann nicht von außen quasiin das Kind „hineingefüllt“ werden, die-sen Sinn kann es nur selber konstruie-ren. Warum kein Mensch gebildet wer-den kann, warum jedes Kind sich selbstbildet, soll im Folgenden verdeutlichtwerden.Das Kind wird bereits nach seiner Ge-burt mit bestimmten äußeren Bedeu-tungsangeboten konfrontiert, mit Ge-genstands- und Wirklichkeitsbereichender äußeren Welt. Diese Dinge der äu-ßeren Welt sind bereits mit einer be-stimmten geschichtlich, kulturell oderökonomisch geprägten Bedeutung be-haftet, Bedeutungen also, die dem Kindgewissermaßen von außen vorgegebenwerden.Von diesen äußeren Bedeutungen, diedas Kind umgeben, lässt sich seine In-nenwelt unterscheiden, seine eigenenindividuellen Bedeutungen, die starkvon ursprünglichen Gefühlen geprägtsind. Was muss nun passieren, damitdie Dinge der äußeren Welt für ein Kindan Sinn gewinnen, dass es versteht?Damit sich eine neue Geschichte bildet,müssen äußere, sozusagen vorgegebe-ne Bedeutungen und innerer, subjekti-ver Sinn miteinander in Austausch tre-

ten und eine Beziehung miteinander ein-gehen, die äußere Welt muss für dasKind an Bedeutung gewinnen. In diesemProzess der Bedeutungsbildung spielendie sinnliche Wahrnehmung und ihreVerarbeitung eine zentrale Rolle. Dabeilassen sich verschiedene Formen sinnli-cher Wahrnehmung unterscheiden: dieWahrnehmung über den Körper, dieWahrnehmung über die Fernsinne undschließlich die Gefühlswahrnehmungen.Mit Hilfe der verschiedenen Wahrneh-mungsformen, die zusammenspielen,ordnet sich das kleine Kind die Welt,macht sich einerseits ein Bild von ihrund bildet sich so andererseits selbst.Über die sinnliche Wahrnehmung nimmtder Säugling die Bedeutung der äuße-ren Welt zunächst so wahr, wie siesich ihm zeigt. Bereits der neu in dieseWelt gesetzte Säugling, verfügt überumfassende Möglichkeiten, die Welt,die Personen und die Dinge, die ihn um-geben wahrzunehmen3. Darüber hinausstehen ihm verschiedenste sehr kom-plexe Mechanismen im Gehirn zur Ver-fügung, die die Verarbeitung der sinnli-chen Wahrnehmungen ermöglichen.Wahrnehmungen, werden im Gehirnverarbeitet und dieses geschieht bereitsab der Geburt. Zunächst werden einzel-ne, über die Augen, die Ohren, dieNase, die Hände, Füße, die Haut, dengesamten Körper und das Gefühl ge-machte Wahrnehmungen im Gehirn zuzusammenhängenden Ordnungen ver-bunden, die es ermöglichen, Dinge alsDinge, eine Tasse zum Beispiel als eineTasse und Personen als Personen, dieMutter als Mutter wahrzunehmen4. Dieanhand dieser Sinneswahrnehmungengebildeten Ordnungen werden vom Kindim Folgenden in einen szenischen Zu-sammenhang gestellt. Die Verbin-dung der einzelnen, im ersten Schrittidentifizierten Gegenstände und Perso-nen zu szenischen Sequenzen erfolgt an-hand von Gefühlen, die mit den jeweili-gen Wahrnehmungen verknüpft wer-den.Durch mit den Wahrnehmungen ver-knüpfte Gefühle werden die verschie-denen Szenen voneinander unterschie-den. Über Gefühle werden sowohl Be-ziehungen zwischen Personen und zwi-schen Personen und Gegenständen als

auch die Qualität dieser Beziehungenwahrgenommen5. Gefühlsregungenstellen also die anhand von Sinneserfah-rungen hergestellten Ordnungen in ei-nen zusätzlichen szenischen Sinnzu-sammenhang. Als solche werden sie imEpisodengedächtnis gespeichert und,wenn sie in vergleichbarer Weise noch-mals auftreten, wiedererkannt.Indem also das Kind von Geburt an sinn-lich wahrnimmt und diese Wahrneh-mungen in seinem Gehirn verarbeitet,vollzieht sich Bildung von der Geburt an,bildet das Kind Sinn. Diesen Sinn bildetes sich durch sein eigenes Wahrneh-men selbst. Das Kind gewinnt ein Bildvon der Welt in der es lebt, ordnet dieDinge, die es wahrnimmt, indem es Be-deutungen, die von außen an es heran-getragen werden, mit innerem Sinn ver-bindet.Der kindliche Bildungsprozess kann soals Integrationsprozess beschriebenwerden, in dem innere und äußere Be-deutungsdimensionen integriert wer-den. Das Kind muss diese Integrationselbsttätig (denn innere Bedeutungenkann es nur selbst gewinnen) im Dialogmit der Umwelt (der von außen an esherantretenden vorgegebenen Bedeu-tungen) leisten.In einem zweifachen Sinn lässt sich da-her besonders in Bezug auf die früheKindheit von Bildung als Selbst-Bildungsprechen. Zum einen bringt sich dasKind, der junge Mensch, durch seineAktivität selbst, mit seinen ihm eigenenEigenschaften, Vorlieben, Abneigungenund Einstellungen, seinem Wissen undNicht-Wissen hervor. Zum Zweiten ge-schieht dieses, wie oben beschrieben,selbsttätig, bildet sich das Kind selbst,kann es sich nur selbst bilden.

Folgen für die Praxis –Die Rolle der ErzieherinWas ergibt sich aus diesen Vorstellun-gen von Bildung, die durch Erkenntnisseaus der Kognitionsforschung, der Neuro-

„Wie kommt die Welt in den Kopf?”Bericht zum Modellprojekt im Erzbistum Köln zum Bildungsbegriff

Antje NotholtDiplom-Pädagogin, Projektleiterin,

Wissenschaftliche Assistentin, Köln

[1] vgl. Laewen 1998 und 2000.[2] Von Hentig (1998) versteht in seinem Essayüber die Bildung das Verb ‘bilden´ zwar als ‘for-men´, als das „einen Eindruck in der plastischenMasse hinterlassen” (von Hentig, 1998, S.19).Indem es „einer Materie oder einem Ding eineForm” (ebda. S.37) gibt, legt sich das Wort ‘bil-den’ jedoch nach seiner Auffassung nicht auf einebestimmte Bedeutung hin fest. Bildung wird durch

von Hentig dementsprechend als Prozess be-zeichnet, „durch den etwas Gestalt (...) annimmt”(ebda.).Auch Humboldt (1793) prägte diesen Begriff vonBildung, in dem das Element der Selbständigkeit,des Sich-Bildens eine große Rolle spielt. Er ver-stand Bildung als „die Anregung aller Kräfte einesMenschen, damit diese sich über die Aneignungder Welt in wechselseitiger Ver- und Beschrän-kung harmonisch-proportionierlich entfalten undzu einer sich selbst bestimmenden Individualitätoder Persönlichkeit führen, die in ihrer Idealitätund Einzigartigkeit die Menschheit bereichere“.

[3] vgl. Dornes, 1999; Gopnik, 2000.[4] Singer hat diese Zusammenhänge aus neuro-physiologischer Perspektive umfassend belegt(vgl. Singer, 2001 und Singer in Schmidt, 1996.[5] Zum Zusammenspiel von Gefühlen und denFunktionen des menschlichen Gehirns vgl. Dama-sio, 2000.

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biologie, sowie der modernen Säug-lingsforschung begründet werden, fürden Alltag in den Kindertageseinrichtun-gen? Wenn sich das Kind nur selbst bil-den kann, wie können diese Bildungs-prozesse institutionell unterstützt wer-den?Zwei Aspekte lassen sich in diesem Zu-sammenhang als zentral bezeichnen undwurden als solche im Projekt immerwieder deutlich. Die bildenden Tätigkei-ten des Kindes bewegen sich, das dürf-te oben deutlich geworden sein, zwi-schen der Innen- und der Außenweltdes Kindes.Die Erwachsenen prägen die Außen-welt des Kindes nicht nur, sie sind ihrBestandteil. Indem die Erwachsenen dieRäume gestalten, in denen das Kindaufwächst, bestimmen sie die Reize derAußenwelt, die das Kind wahrnimmt,aus denen es sein Bild von der Welt„bastelt“. Ein zentraler Aspekt, über denjeder Erwachsene die Bildungsprozessedes Kindes prägt, ist die Gestaltung derUmwelt. Für die Kindertageseinrichtunglassen sich konkrete Folgerungen fürdie Gestaltung der Räume ableiten:wenn das Kind komplexe Strukturen be-nötigt, damit es ein der Komplexität derWelt entsprechendes Bild dieser Weltkonstruiert, müssen Räume in Kinderta-geseinrichtungen diese vielfältigenStrukturen beinhalten6.Daraus, dass jedes Kind der es umge-benden Welt eigene Bedeutungen, eige-nen Sinn zuschreiben, das Außen mitdem Innen in eine verträgliche Verbin-dung bringen muss, darf nicht derSchluss gezogen werden, man könnedie Kinder mit und in diesen Konstrukti-onsprozessen alleine lassen. Jede In-nenwelt, jeder konstruierende Organis-mus benötigt einen Rahmen, einen si-cheren Hafen, der hält und aushält,denn jeder Konstruktionsprozess ist mitAnstrengung, Unsicherheit und notwen-diger Haltlosigkeit verbunden. DieseHaltlosigkeit begleitet alles Neue undUnbekannte und ist eben deswegen not-

wendig. Sie muss „ausgehalten“ wer-den, damit Bildung stattfinden kann. EinKind kann die mit jedem Bildungspro-zess verbundenen Unsicher- und Haltlo-sigkeiten nur begrenzt alleine aushalten.Wenn diese Grenze des Alleine Aushal-tens überschritten ist, wird das Kinddieses deutlich machen. Es brauchtdann ein Halten von außen, durch Er-wachsene, die für Sicherheit und Aus-gleich sorgen7.Aus der Tatsache, dass sich jedes Kind,jeder Mensch nur selbst bilden kann,ergibt sich für die Erwachsenen, die mitKindern umgehen, eine zwingende Not-wendigkeit. Die Handlungen, Reaktio-nen, Tätigkeiten, das Verhalten des Kin-des gilt es sensibel wahrzunehmen. Nurdurch wirklich einfühlsames Beobach-ten wird eine Annäherung, die nie mehrals eine solche sein kann, an die kom-plexen Konstruktionsprozesse der Kin-der möglich. Nur indem immer wiederdiese Annäherung versucht wird, ist einVerhalten möglich, dass den Bildungs-prozessen des Kindes entspricht.Genau diese sensibilisierte Wahrneh-mung, das differenzierte Beobachtender kindlichen Tätigkeiten stand im Zen-trum des Projektes „Wie kommt dieWelt in den Kopf?“. Indem die beteilig-ten LeiterInnen zwischen den Fortbil-dungseinheiten, in denen theoretischeHintergründe zum Bildungsverständniserarbeitet wurden, eigene Beobachtun-gen in ihren Einrichtungen anstellten,diese schriftlich festhielten und im Ge-spräch in der folgenden Fortbildungs-einheit reflektierten, sollte ein Nachden-ken über die kindlichen Bildungsprozes-se angeregt werden.

FallbeispielNina (3 Jahre, 10 Monate) findet einenGorilla in einer Kiste. Sie überlegt laut,wem er gehören könnte: „Vielleicht derLara?“. Schließlich fragt sie Ben, der ihrjedoch nicht weiterhelfen kann. Den-noch gibt Nina sich nun zufrieden. Sielässt den Gorilla vor sich stehen undschaut Ben zu. Er baut mit Bauklötzenvon „Modularix“ einen Turm.Nina nimmt sich zwei Bauklötze undlegt sie in der Hand zusammen. Sieschaut zu Ben und nimmt sich einenweiteren Stein, den sie auf die zwei an-

deren legt. Nach und nach holt sie sichimmer wieder einen neuen Stein undlegt ihn auf die anderen. Es entsteht einTurm. Ben schaut zu, ohne eine Reakti-on zu zeigen. Während des Bauenslacht Nina herzlich und gibt dabei einQuietschen von sich. Der Turm wird im-mer höher. Um die nächsten Steinedarauf zu legen stellt sie sich auf einenStuhl. Als der Turm umfällt, lacht sielaut und herzlich. Sie sammelt alle Bau-steine ein und beginnt einen neuenTurm zu bauen. Erneut legt sie zweiBausteine nebeneinander und legt dar-auf die weiteren Steine. Der Turm wirdimmer größer. Nina verwendet alleBausteine, Ben reicht ihr die Steine zu.Als sie gerade die letzten Steine auflegt,fällt der Turm um. Sie schreit, quietschtund lacht. Ben geht weg.Nina baut erneut einen Turm. Diesesmal legt sie drei Steine nebeneinanderund baut darauf den Turm. Sie summtdabei eine Melodie. Rike kommt dazuund baut nach einer Weile mit. Nacheiniger Zeit ist der Turm fertig. Nina undRike spielen nun mit dem Turm, indemsie Teile von ihm vorsichtig erst ausein-ander und dann wieder zusammenrük-ken. Bei einer zu schnellen Bewegungfällt ein Teil des Turmes auseinander.Die Mädchen schreien, lachen und zer-stören den Rest des Turmes.Nina sucht sich nun aus den herumlie-genden Steinen alle blauen Steine her-aus. Sie baut einen blauen Turm. Rikebeginnt daraufhin die roten Steine her-auszusuchen. „Und was machen wir mitden gelben?“- fragt sie. Nina schaut sienachdenklich an, dann lacht sie laut auf:„Eine Straße zu deinem Turm!“. Rikeschaut sie ernst an: „Die reichen abernicht aus!“. „Da springen wir eben!“-kichert Nina und legt die Steine zwi-schen die zwei Bauten. Beide kichern.Nina nimmt den Gorilla in die Hand undlässt ihn von Stein zu Stein springen.„Jetzt ich!“- ruft Rike. Die Sprünge wer-den immer schneller und höher, bis derAffe auch auf die Türme springt. Allesfällt um.Vergnügt sammeln sie die Bausteineein und bauen wieder neue Türme. Sieverändern sie immer wieder und be-schauen gegenseitig ihre Werke. JedesMal, wenn sie einen neuen Turm baut,

sagt Nina: „Jetzt habe ich eine Idee!“und unternimmt Veränderungen an ih-rem Bau.Plötzlich will Nina wieder mit allen Stei-nen bauen. Rike ist damit einverstan-den, unter der Bedingung, dass danachsie mit allen Bausteinen bauen darf. Sosetzt sich das Spiel fort.Nach einer Weile nähert sich Kirstendem Tisch, an dem die Mädchen spie-len. Sie will mitspielen und fordert fürsich auch ein paar Bausteine. Rike gibtihr welche ab, aber Nina möchte dasnicht. Sie umarmt ihre Klötze und legtsich auf sie. Kirsten versucht mit Ninaeinige Steine zu tauschen: „Ich gib direinen roten und du gibst mir den blau-en“. Der Tausch dauert jedoch nur kurzeZeit. Nina sagt mit ernstem Gesicht:„Du kannst alle haben!“ und geht weg.(die Beobachtung wurde angefertigt vonFrau Christine Zwiorek, Kindertages-stätte St. Hubertus, Neuss-Reuschen-berg. Die Namen der Kinder wurden vonder Verfasserin geändert.)Der oben beschriebene Dialog zwischenInnen und Außen, in dem sich das Kindbildet, in dem die Welt für das Kind anBedeutung gewinnt, vollzieht sich in derfrühen Kindheit konkret in der Phanta-sie, im Spiel und im Gestalten. Warumund inwiefern das so ist, soll im Folgen-den deutlich werden.Nina, sozusagen die Protagonistin derBeobachtung, konstruiert verschiedeneTürme. Der Bau dieser verschiedenenTürme, das immer neue Ausprobierenverschiedener Turmkonstruktionen zu-nächst mit dem Ziel diese stabil zu hal-ten, sie dann jedoch dennoch auf viel-fältige Weise zum Umstürzen zu brin-gen, scheint im Mittelpunkt von NinasHandeln zu stehen. Der gesamte Hand-lungsverlauf ist geprägt durch ihrePhantasien - Ideen davon, wie ein neuerTurm aussehen und konstruiert sein,wie er zum Umstürzen gebracht wer-den, wie der Gorilla einbezogen werdenkönnte etc..Das Phantasieren bildet einen wesentli-chen Teil des kindlichen Denkens. Zu-nächst sind Phantasien Mitteilungenaus der Innenwelt des Subjekts, die inn-erpsychischen Prozessen entspringen.Diese inneren Gedanken, die Phantasi-en, werden allerdings deutlich durch

Formen der äußeren Wirklichkeit. In Ni-nas Fall artikulieren sich ihre innerenVorstellungen schwerpunktmäßig mitHilfe von Bausteinen, die sie in eine be-stimmte Ordnung bringt. Inneres benö-tigt eine äußere Gestalt um so erfahr-und kommunizierbar zu werden. Gleich-zeitig erweitern Phantasien aber auchdie äußere Wirklichkeit. Ohne NinasVorstellungen eines immer neuen Tur-mes, wären in diesem Fall die Baustei-ne bloß Bausteine geblieben und ebennicht zu einem bzw. hier sogar zu immerneuen verschiedenartigen Türmen ge-worden. Phantasien bereichern die „Au-ßenwelt“ durch subjektive innere Antei-le, durch eigene Erfahrungen. Als Aus-druck des kindlichen Innenlebens gebenPhantasien der Welt eine subjektive Be-deutung, indem in ihnen Sach- und Af-fektwelt miteinander verknüpft werden.Indem also der äußeren Welt durchPhantasien eine innere Bedeutung gege-ben wird, findet Bildung statt. Auch inNinas Fall wird der Umgang mit der äu-ßeren Welt, hier mit den Bausteinen, somit inneren Zuschreibungen und Vor-stellungen versehen, dass Bedeutungentsteht. In Ninas Phantasie entstehenimmer neue Ideen, wie ein Turm stabilergebaut, aber auch wie er dann wiederumgeworfen werden könnte. Diese Ide-en bringt sie mit den Gegebenheiten deräußeren Welt, hier eben den Baustei-nen, in Verbindung, indem sie immerneue Türme konstruiert. Sie schreibtdamit der sie umgebenden Welt subjek-tiven Sinn zu. Das Wirklichkeitsverhält-nis des Menschen ist, wie oben bereitsbeschrieben, abhängig von solchensubjektiven Bedeutungen. Phantasienwerden in der frühen Kindheit ge-braucht, um subjektive Möglichkeitenzu entfalten mit der Welt umzugehen,um den Dingen eine eigene Bedeutung,einen Sinn zuzuschreiben, um die Weltzu verstehen.Die erworbenen Erfahrungsmuster wer-den in der Phantasie nicht nur geordnet,sondern können in einer Art Probehan-deln neu zusammengesetzt, ausprobiertund umgestaltet werden. Dieses ge-schieht zum Beispiel, wie auch hier inNinas Fall, im Spiel.Das Spiel ist zunächst die Form kindli-chen Handelns, die dem Beobachter von

Kindern, wie auch hier, spontan insAuge fällt. Spiel ist zunächst ein allge-meiner Oberbegriff für eine Fülle vonTätigkeiten, die in sehr unterschiedli-chem Grad als Spiel erlebt werden. Ge-rade im Spiel kann das Kind die Balancezwischen Innen und Außen, von deroben schon immer wieder die Redewar, ausloten. Die innere Spannung, mitder Nina an ihrem Spiel beteiligt ist,wird deutlich, wenn sie immer wiederlaut quietscht und lacht. Die immer wie-der neuen Versuche einen Turm so zukonstruieren, dass er nicht umfällt, ihndann aber doch selbst zum umfallen zubewegen, löst Spannung aus. Diese in-nere Spannung wird jedoch ertragen,scheinbar sogar als angenehm empfun-den, denn Nina lacht immer wieder undsetzt ihr Spiel fort. Wenn das Kindspielt, befindet es sich in einer Art Zwi-schenraum, sozusagen zwischen Innenund Außen. Das Kind kann hier innereBedeutungen mit äußeren Gegebenhei-ten verbinden und diese Verbindung er-proben, bevor es dieses in der Realitätwirklich tun muss.Auch im Gestalten werden innere Vor-stellungen und Eindrücke mit der äuße-ren, das Kind umgebenden Welt kon-frontiert und findet so Bildung statt. Ni-nas vielfältiger Turmbau lässt sich hierals solcher Gestaltungsprozess be-schreiben. Im Gestalten bestimmter äu-ßerer Materialien und Gegenstände,hier der Bausteine, durch innere eigeneVorstellungen werden Innen und Außenerneut verknüpft. Indem Nina immerneue Türme baut, verschiedene Funda-mente und schließlich eine farblicheOrdnung wählt, verbindet sie die Bau-steine mit subjektiven Deutungen. In-dem das Kind gestalterisch bestimmteäußere Materialien subjektiv deutet,entsteht Bedeutung, bildet sich dasKind.Ninas Turmbau bzw. das damit verbun-dene Umwerfen desselben, also ihr Um-gang mit der äußeren Welt, ist eng mitGefühlen, Spannungen und subjektiven,inneren Zuschreibungen verwoben. Derreine Konstruktionsprozess, das Lerneneinen Turm zu bauen, der stehen bleibenwürde, wenn man es denn wollte, unddie damit verbundenen Erkenntnislei-stungen, wie eine Vorstellung von

[6] Anregungen zur praktischen Umsetzung einervielfältigen Raumgestaltung in Kindertagesstättenfinden sich bei von der Beek, 2001.[7] vgl. Schäfer, 1995.

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Gleichgewicht, Stabilität, physikalischeGrundkenntnisse hängen mit dieser in-neren Beteiligung zusammen. Nina istinnerlich beteiligt, bringt Innen und Au-ßen in Verbindung und bildet sich so.Neben den hier aufgezeigten Aspektenspielen verschiedene weitere Bedingun-gen und Momente in Ninas Bildungspro-zess in diese Situation mit ein. Deutlichwird, dass frühkindliche Bildung kom-plex ist und nicht auf den Erwerb einzel-ner Funktionen beschränkt werdenkann. Für jedes Kind besteht die Aufga-be aus der Vielfalt der sie umgebendenWelt „die Aufmerksamkeitszonen her-auszufiltern, denen Bedeutung zu-kommt“8. Auch Nina entscheidet sich.Sie wendet sich zunächst von dem Go-rilla ab, entdeckt die Bausteine und hältdiesen die Treue - auch als verschiede-ne andere Kinder auftauchen. Dennoch,auch diese anderen Aspekte neben denBausteinen der Gorilla, Ben, Rike undKirsten spielen eine Rolle in Ninas Bil-dungsprozess und werden ebenso sel-ber wechselseitig herausgefordert.In regelmäßigen Abständen wurden dievon den TeilnehmerInnen angefertigtenBeobachtungen im gemeinsamen Ge-spräch reflektiert. Es wurde versucht,eigene persönliche Zuschreibungen zuverdeutlichen und von dem zu trennen,was wirklich in der Situation zu sehenwar. Verschiedene Deutungen wurdenim Gespräch abgewogen und immerwieder am Inhalt der ursprünglichenBeobachtung gemessen. Facetten früh-kindlicher Bildung wurden fixiert,Aspekte der (Selbst-) Bildung des Kin-des in der Einrichtung ebenso geklärt,wie kindliche Tätigkeiten im Kontextvon Bildungsprozessen beispielhaft fest-gehalten.Die Themen der vielfältigen Bildungs-prozesse der Kinder waren immer ande-re. Weiterhin sensibel das kindlicheHandeln und Nicht-Handeln wahrzuneh-men bleibt insofern auch nach Ab-schluss des Projektes dringende Not-wendigkeit. Nur so ist es möglich, denselbsttätigen Bildungsprozessen desKindes angemessen gerecht zu werden.

LiteraturDamasio, A. R. (2000)Descartes Irrtum - Fühlen, Denken unddas menschliche Gehirn. 5. Auflage.München.

Dornes, M. (1999)Der kompetente Säugling. 10. Auflage.Frankfurt a.M.

Gopnik, A. / Kuhl, P. / Meltzoff, A.(2000)Forschergeist in Windeln - Wie ihrKind die Welt begreift. München.

Humboldt, W. v. (1960)Werke I. Schriften zur Anthropologieund Geschichte. Stuttgart.

Laewen, H.-J. (1998)Zum Bildungsauftrag von Kindertages-einrichtungen. Skript des Vortrages„Auf dem Weg zu einem Bildungsauf-trag von Kindertageseinrichtungen“.Berlin.

Laewen, H.-J. (2000)Zum Bildungsauftrag von Kindertages-einrichtungen. Skript zum Referat zurAbschlusstagung des gleichnamigenModellprojektes. Berlin.

Schäfer, G. E. (1995)Bildungsprozesse im Kindesalter.Weinheim/ München.

Schäfer, G. E. (1999)Sinnliche Erfahrung bei Kindern. In: Le-penies, A./ Nunner-Winkler, G./ Schä-fer, G. E./ Walper, W.: Kindliche Ent-wicklungspotentiale. Normalität, Ab-weichung und ihre Ursachen. Mün-chen.

Schäfer, G. E. (2001)Frühkindliche Bildung - Zehn Thesen.in: klein & groß. Heft 9. S. 6-11.

Singer, W. (1996)Die Entwicklung kognitiver Strukturen -ein selbstreferentieller Lernprozess. in:Schmidt, S. J. (Hrsg.): Gedächtnis:Probleme und Perspektiven der inter-disziplinären Gedächtnisforschung.Frankfurt a.M.

Singer, W. (2001)Was kann ein Mensch wann lernen.Vortrag anlässlich des ersten Werk-stattgespräches der Initiative Mc Kin-sey bildet. http://www.mpih-frankfurt.mpg.de/global/np/mckinsey.htm. Frankfurt a.M.

von Hentig, H. (1998)Bildung. Weinheim / Basel.

von der Beek, A. / Buck, M. / Rufen-ach, A. (2001)Kinderräume bilden -ein Ideenbuch fürdie Raumgestaltung in Kitas. Neuwied/ Berlin.

[8] Schäfer, 2001, S.8.

Konrad BeikircherKabarettist

„Wer Bildung für Kinder will, brauchtmehr als Bücher und gute Konzepte. Erbraucht Lebenserfahrung und besondersLebensfreude. Auf den Punkt gebracht:Humor!“ Das ist nur eine der Aussagen,die Konrad Beikircher den tosenden Ap-plaus der über 400 TeilnehmerInnen derFachtagung einbrachte. In seiner bekan-ten, von vielen so geliebten offenen unddirekten Art, gab er persönliche Erfah-rungen aus seinem Privatleben als Ehe-mann und fünffacher Vater preis, ganznach dem Motto „Bildung von Anfangan – aber wer bildet hier eigentlichwen?“ In einer flotten Folge von Anek-doten zu seinen Erfahrungen mit der All-tagspraxis in Tageseinrichtungen fürKinder war nicht nur sein sozialpädago-gischer Sachverstand zu erkennen, son-dern er konnte auch reizvolle Impulseaus der Sicht eines Außenstehendenliefern. Als Organisatoren der Fachta-gung waren wir ziemlich aufgeregt, obdas alles klappen würde, mit einem inund um Köln so prominenten Zeitgenos-sen. Jetzt, mit einigen Tagen Abstandzu diesem Ereignis, sind wir dankbarund froh, dass unsere ehemalige Kolle-gin Hedwig Andreae dieses unbezahlba-re Ereignis vermittelt hat.Markus Linden-Lützenkirchen

Aus derSicht des„normalenGlaubens“Abschlussplenum