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Inhalt (rot = in Leseprobe enthalten)

Von Mäusen & Menschen Der Junge mit dem Besen Anfänge

Vorgänger & Vorbilder In the Army now

Karriere bis 1969 Auf dem Weg ins All

Das Monterey Pop Festival And you’ll never hear surf music again: Singles & Alben bis zum Tourneestart 1969

Die Welt im Januar 1969: Nixon, Heintje & Jan Palach

Europa-Tournee Die Ochsentour

Mit 24 Songs im Gepäck

Es geht los: Eklat in London, not Oldies but Baddies in Stockholm Die Bayern-Connection Der verrückte Neger in München

Eine Ansichtskarte mit Alpenblick

Die schwäbischen Go-Go-Girls Nemberch Halbstarke & Gwerch in den 60ern

Die Vorboten: The Who 1967

Das wilde Tier ist endlich hier

Die Stadt am 16. Januar 1969

Die erste Show

Die Bootlegger Die zweite Show

Bilanz

Die Zigarette danach: Begegnungen mit JH Das Nürnberger Feuilleton: Jimmy Hendrix, Joel Redding & Mitch Mitchum

Tour-Ende - Woodstock - Tod Was bleibt

Der Gitarrist, der aus dem Weltall kam. Erinnerungen an die Nürnberger Auftritte von Jimi Hendrix und die lokale Musikszene von Hendrik Bebber

Vorbemerkung Medusa in der Meistersingerhalle

Gigs nach Hendrix

London

Glossar

Gedruckte Quellen & Literatur Internet-Quellen Impressum

(c) Verlag testimon Nürnberg, Germany

Tel.: (0162) 75 15 840 E-Mail: testimon-transiturs[ät]gmx.de Internet: http://testimon.de

Nürnberg 2021

Herausgeber, Autor, Grafik, Layout Gerhard Jochem

Druck noris inklusion gGmbH Dorfäckerstraße 37 90427 Nürnberg

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Von Mäusen & Menschen

Ob Sie’s glauben oder nicht: Am 16. Januar 1969 um etwa 19 Uhr fiel Klaus, die Maus, bewusstlos aus der von ihm bewohnten größten Orgelpfeife in der Nürnberger Meis-tersingerhalle (MSH), herausgeblasen von der Druckwelle, die die 30 Marshall-Boxen der Band The Jimi Hendrix Experience (JHE) erzeugten. Als er wieder zu sich kam, spitzte er die Öhrchen: So etwas hatte er noch nie gehört - und es gefiel ihm.

Trotzdem kann man die Frage stellen: Warum schreibt der Verfasser (Vf.), damals noch Windelträger, über zwei Konzerte vor 52 Jahren? Und warum soll das Ergeb-nis jemand lesen, der kein Fan von Rockmusik und Jimi Hendrix (JH) ist?

Die einfache Antwort lautet: Weil mit ihm einer der größten Musiker des 20. Jahr-hunderts in Nürnberg auftrat. Wenn nicht nur für Klaus, sondern auch viele zwei-beinige Zeitzeug(inn)en (der Vf. macht an dieser Stelle eine artige Verbeugung vor allen Mit-Menschen, gebraucht aber sonst keine Genderformen) Auftritte von JH Highlights in ihren Bios waren, müssen sie etwas Besonderes gewesen sein.

Außerdem kann man an diesen beiden Shows viel mehr festmachen als eine Epi-sode im kurzen Leben des besten E-Gitarristen aller Zeiten: Was war damals auf der Welt, in der BRD und unserem geliebten Nemberch los? Das alles muss man wissen, um das Phänomen JH zu verstehen, und lernt nebenbei einiges darüber, woher wir gekommen und wo wir gelandet sind, auch aus dem Text des Experten Hendrik Bebber, der ebenfalls weit über den fränkischen Tellerrand und die 60er hinausblickt. Deshalb lohnt es sich für die Angehörigen der Erlebnisgeneration ebenso wie die Nachgeborenen, die folgenden Seiten entspannt zu konsumieren: Let Jimi take over (Lass da mal Jimi ran).

Ansonsten ist über Musik zu schreiben natürlich wie ein Gemälde zu tanzen - nur ein schwacher Abglanz der wahren Pracht. Darum sollte man die hier genannten Songs der JHE auf YouTube anhören, um sich selbst ein Urteil zu bilden - und danach vielleicht sogar eine CD kaufen. So gesehen ist dieses Heft auch eine äußerst handliche Jukebox mit kleiner Rockfibel (s. Glossar). Die Ochsentour

Vom 4. Januar bis 24. Februar 1969, also mitten im Winter, schickte Chas Chan-dler die JHE auf einen Höllentrip quer durch Europa. Die Stationen waren:

04.1. London (UK), BBC Television Centre 08.1. Göteborg (SWE), Lorensbergs Circus 09.1. Stockholm (SWE), Konserthuset 10.1. Kopenhagen (DK), Falconer Salen 11.1. Hamburg (GER), Musikhalle 12.1. Düsseldorf (GER), Rheinhalle 13.1. Köln (GER), Sporthalle 14.1. Münster (GER), Halle Münsterland 15.1. München (GER), Kongresssaal Deutsches Museum 16.1. Nürnberg (GER), Meistersingerhalle

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17.1. Frankfurt (GER), Jahrhunderthalle 19.1. Stuttgart (GER), Liederhalle 21.1. Straßburg (F), Hall du Wacken 22.1. Wien (AT), Konzerthaus 23.1. Berlin (GER), Sportpalast 18. & 24.2. London (UK), Royal Albert Hall

Auf dem Kontinent ergab das zwischen dem 8. und 23. Januar 16 Tage mit 24 Auftritten in fünf Ländern bzw. 14 Städten, davon allein neun in Deutschland, denn in Göteborg, Stockholm, Kopenhagen, Hamburg, Düsseldorf, München, Nürnberg, Frankfurt, Stuttgart und Wien trat die Band am selben Tag zweimal auf! Die längsten Strecken legten die Jungs über Nacht zwischen Münster und Mün-chen (14./15., 510 km) und von Wien nach Berlin (22./23., 524 km) zurück. Die Distanz von Stockholm, dem Nordpol der Tour, bis Wien, ihrem südlichsten Punkt, beträgt 1240 km. Ihr Manager ließ ihnen ganze zwei auftrittsfreie Tage (18. & 20.), an denen sie wahrscheinlich mehr tot als lebendig in ihren Betten lagen.

Auch für drei gesunde junge Männer war das ein ohne chemische Hilfsmittel nicht durchzuhaltender körperlicher und mentaler Dauerstress - täglich gut zwei Stun-den mit hundertprozentigem Einsatz auf der Bühne sind heftiger als ein Bürojob. Bassist Noel Redding sagte später: Wir tourten zu viel, waren zu erschöpft und nahmen zu viele Drogen. Warum gaben sie sich für solche Harakiri-Aktionen her? Weil sie das rauschhafte Leben liebten und niemand sie warnte, zumindest keiner, auf den sie hörten.

Ein solch mörderischer Takt war auch eine logistische Herausforderung: Nicht nur die Akteure mussten innerhalb von 18 Stunden von einem Veranstaltungsort zum nächsten verfrachtet werden, auch das Equipment wollte abgebaut, abgefahren und wieder zusammengeschraubt sein - eine Großtat der Roadies. Heutzutage hätte man dafür vielleicht zwei rollierende Sets, damals war das wegen der Kosten sogar für Stars unvorstellbar.

Anfang und Ende der Tour in London waren Heimspiele, die Musiker konnten da-nach nachhause fahren, duschen und in ihre Schlappen schlüpfen. Göteborg, Stockholm, Kopenhagen, Hamburg, München und Berlin kannten die JHE schon von Konzerten 1967/68 - wenn sie sich daran erinnern konnten. Die zweite Show

Den JHE blieb keine Zeit zur Regeneration, denn schon um etwa 22 Uhr ging es weiter. Vor der Gruppe lag wieder musikalische Schwerstarbeit, von der unser Hei-ner eine Stunde dokumentierte - und das fränkische Gschmarri zweier namenloser Fans, die neben ihm saßen.

Auffällig ist, dass von Anfang an mehr Geschrei, Pfiffe und lautes Klatschen zu hören sind. Offenbar war die Late Night Crowd aufgekratzter, was vielleicht daran lang, dass sich in ihr mehr G.I.s befanden.

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Als Konsequenz aus dem ersten Auftritt krempelte JH die Setlist total um: Er warf zwei Songs aus dem Programm, spielte vier neue und legte eine andere Reihenfolge fest, die zu einer besseren Dramaturgie führte. Die Mischung von schnellen und langsamen Nummern war ausgeglichener, die Eröffnung mit Fire und der Ab-schluss mit Purple Haze wirken runder als am frühen Abend.

Nach der Aussage einer Zeitzeugin war die MSH bei der zweiten Show nur etwa zur Hälfte gefüllt. Als die JHE die Bühne betraten und Hendrix die leeren Plätze sah, forderte er die Zuhörer auf nach vorne zu kommen, sonst würde er nicht spielen. Auch die damals Fünfzehnjährige und ihr Begleiter stürmten auf dem Balkon so nahe es ging zum Schauplatz des Geschehens.

Die Band begann selbstredend mit einem Soundcheck. Ins Klimpern und Klopfen wünschte JH den Anwesenden alles Gute und kündigte für den weiteren Verlauf hin und wieder kleine Anpassungen an (minor adjustments here and there), was zu vereinzelten Pfiffen führte. Die Leute hatten den Klangmatsch der ersten Show nicht erlebt.

Nach einem kurzen Anzählen von Jimi (one, two) starteten die JHE mit Fire. Die Abstimmung der Anlage zeigte Wirkung: Vocals und alle Instrumente waren deut-lich zu unterscheiden, das Publikum ging sofort mit. Im Überschwang scheint Hen-drix eine falsche Bewegung gemacht zu haben, denn mitten im Solo fiel kurz seine Gitarre aus - er hatte wohl versehentlich einen Stecker gezogen.

Diesmal bedankte sich nach dem Lied Bassist Noel Redding mit Thank you very much, danke zweisprachig - er hatte schon vor den JHE Deutschland-Erfahrung und ein eigenes Mikro, weil er die zweite Stimme sang.

Es folgten Hey Joe und davor wie in Stockholm und im ersten Auftritt die Ansage, die Band spiele den Song schon seit dem 18. Jahrhundert. Offenbar hatten die Jungs eine Wette laufen, wie oft JH den Joke bringen konnte, bevor ihn das Pub-likum kannte und mitsprach.

Das Lied setzte unvermittelt ein. Man merkt, dass Jimi unter den verbesserten Bedingungen in Spiellaune war, was die Zuhörer mit starkem Applaus honorierten.

Neu auf der Setlist war Spanish Castle Magic, mit dem die JHE zum ersten Mal an die Lautstärkeobergrenze gingen. Jimi holte in einem epischen Höhenflug, der vom Schlagzeug mühsam an der Leine gehalten werden musste, unglaubliche Töne aus seinem Instrument.

Danach kommt der humoristische Höhepunkt des Bands in Form einer fränki-schen Kurzkritik eines Sitznachbarn von Heiner B.: Aldä, dou woar Dremolo und alles Mögliche drin. Däi Bladdn habbi, ne, aba des Solo woar nie so lang. Trotz der eigenwilligen Diktion zeugt das Statement von einiger Expertise: Das Wissen, was ein Dremolo (Tremolo) ist, deutet darauf hin, dass der Kommentator selbst die E-Saiten zupfte. Däi Bladdn mit Spanish Castle Magic war die zweite LP der JHE, Axis: Bold as Love, die keine Single-Hits enthielt, also nur ein echter Fan kannte.

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Nachdem wohl ein anderer Besucher wegen seines auffälligen Verhaltens mit der Bemerkung Der spinnt a aweng bedacht wurde, kam erneut der unschlagbare Blues Red House zum Einsatz.

Bei Foxy Lady drohte ein Rückfall in die Zustände der Frühabend-Show, denn Drums und Gitarre erschlugen den Gesang. Vorstellbar, dass JH deshalb danach erstmals an diesem Abend etwas angepisst wirkte, als ihm hartnäckige Fotografen nachstellten: Don’t take pictures, alright, because we came here to give you some music and if you only want to take pictures you should go back home. (Macht keine Fotos, in Ordnung? Wir sind hergekommen, um für euch Musik zu spielen. Wenn ihr nur fotografieren wollt, solltet ihr wieder nachhause gehen.) Das Auditorium applaudierte zustimmend.

Der Augenzeuge Charles Bauer erinnert sich im Netz so an die Szene:

Jimi verbat sich in netter Weise das Blitzen und ging dann auch mal mit der Gitarre in Rich-tung eines Fotografen, so als Scheinangriff. Anschließend kamen viele aus den Sitzplätzen in die Gänge, was die Ordner sofort unterbinden wollten, aber damals waren das so alte Rentner und die haben’s nach vielen Versuchen aufgegeben. Wir saßen dann auch im Gang, vorn, obwohl wir relativ gute Plätze hatten, aber das passte nicht, nicht für uns 68iger, hahah!

Mit dem schon erwähnten, neu ins Programm aufgenommenen Sunshine Of Your Love kriegten die JHE klanglich die Kurve. Jimi nutzte es als Startrampe zu einem Trip outa space. Nach der Rückkehr zur Melodie wählte er ein originelles Ende, in dem er eine langsam zum Stehen kommende Dampflok imitierte. Das Publikum war begeistert. Zweimal wurde mit deutschem Akzent Jimi forever skandiert.

Es war ein Wagnis, die Instrumental-Ballade Little Wing von der Axis-LP ins Pro-gramm zu nehmen, schließlich wurde den zahlenden Gästen der Auftritt eines Rock-Monsters versprochen. Doch das Experiment klappte und verschaffte den An-wesenden Gänsehautmomente.

Im Anschluss setzte Voodoo Child (Slight Return) einen genialen Kontrapunkt: JH ließ die Sau raus bzw. seine Gitarre schreien, wimmern, knurren, fauchen, singen - mit ganz viel Dremolo. Heiners Magnetophon packte das nicht und übersteuerte mehrmals. Das Lied endete in einem Feedback-Gewitter, von dem sich die Audience erst erholen musste, bevor sie jubeln konnte.

Ermutigt von der guten Stimmung und des Meisters Spaß am Spiel machten diesel-ben Fans, die ihn zuvor hatten hochleben lassen, in einem Sprechchor einen Vor-schlag zum weiteren Ablauf: viermal Wodschdauä. Das Wunder geschah, Jimi ver-stand Fränkisch und antwortete bescheiden: We only played it once before but we’ll try. (Wir haben es bisher nur einmal - zwei Tage zuvor in Münster - gespielt, aber wir werden es versuchen.) Die Rufer freuten sich und klatschten, JH sagte one, two und den Nürnbergern wurde ein echtes Special geboten, denn All Along the Watch-tower brachten die JHE, soweit überliefert, im Januar 1969 nur zweimal. Außerdem machten sie jetzt, ohne den Druck eines nachfolgenden Termins, für ihre Anhänger Überstunden, denn sie spielten zwei Lieder mehr als ab 19 Uhr. Ein zusätzliches war durch die generelle Kürzung der Nummern möglich, Wodschdauä legten sie (am

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Ende ihres 16. Gigs) großzügig drauf. Von mangelnder Übung war in dem Midtempo Song nichts zu hören.

Jetzt wollten die drei aber endlich zurück ins Grand Hotel. Mit Thank you very much, I’d like to say goodnight, gab JH den Abschiedssegen und stieg ansatzlos in Purple Haze ein. Die Ausschmückungen im Intro zeugten von seiner Erleichterung, aber er lieferte bis zum letzten Takt und setzte gemäß dem einzigen anwesenden Pressevertreter noch einmal seine Zähne ein. Die Rock-Rakete hatte ihr Ziel er-reicht: Thank you very much.

Die Menschen gingen etwas benommen von der MSH durch die kalte Nacht zur letzten Straßenbahn:

Purple haze, all in my brain Lately things they don’t seem the same

Ein lila Schleier, überall in meinem Gehirn Jetzt scheint nichts mehr so, wie es war

Was bleibt

1992 wurden die JHE in die U.S. Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. In der Begründung hieß es:

Jimi Hendrix war wahrscheinlich der größte Instrumentalist in der Geschichte der Rockmu-sik. Hendrix dehnte die Reichweite und Ausdrucksmöglichkeiten der E-Gitarre in Bereiche aus, die kein Musiker vor ihm erforscht hatte. Seine grenzenlose Energie, seine technischen Fähigkeiten und sein kreativer Einsatz von Effekten wie Wah-Wah und Verzerrungen verän-derten für immer den Sound des Rock and Roll.

Glücklicherweise saß keiner der hinterfränkischen Beckmesser in der Jury, sonst hätte es knapp werden können.

Am 16. Januar 1969 streifte der Mantel der Rockgeschichte Nürnberg. Dieses Heft soll die Erinnerung an die Ereignisse wachhalten. Jimis viel zu früher Tod verhin-derten seine Rückkehr, aufs Zeppelinfeld, vor 100.000 Fans - ein unerfüllter Traum.

Doch nach ihm kamen noch viele andere hierher, deren Konzerte denkwürdig wa-ren: Led Zeppelin, AC/DC, Nirvana … - es gibt viele unerzählte Geschichten. And he said: “Fly on, fly on” Und er sagte: Flieg weiter und weiter

n-lite #10: HENDRIX 69 MEISTERSINGERHALLE

Verlag testimon 2021, 32 Seiten, DIN A 5, mit 4 Farbgrafiken & 1 Schwarz-weißabbildung, 5 EUR zzgl. 1,55 EUR Porto

Bestellung unter: testimon-transiturs[ät]gmx.de (Versand mit Rechnung)

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