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Insel Verlag...Sptantike indergesamtenrçmischenWelt vollzog:Dieser revolutio-nre Wandel erfaßte alle – »Heiden«, Juden und Christen. Stroumsa zeichneteinige wichtigeElemente

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Nur vermeintlich und vordergr�ndig bedeutet der �bergang von derrçmischen Staatsreligion zum Christentum den Sieg des »Mono-theismus« �ber den »Polytheismus« und die Ablçsung einer »Opfer-religion« durch eine »geistige Religion«. In Wirklichkeit ist die Chri-stianisierung des Rçmischen Reichs im Licht des tiefgreifendenreligiçsen, gesellschaftlichen, kulturellen und anthropologischen Um-bruchs zu sehen, der sich von der Zeitenwende bis zur ausgehendenSp�tantike in der gesamten rçmischen Welt vollzog: Dieser revolutio-n�re Wandel erfaßte alle – »Heiden«, Juden und Christen.

Stroumsa zeichnet einige wichtige Elemente der epochalen Ver�n-derungen der Sp�tantike nach, die die Geschichte Europas und desNahen Ostens bis in die Moderne maßgeblich pr�gen sollten. Dabeistellt er auch die h�ufig vernachl�ssigte Rolle des Judentums in die-sem Prozeß heraus.

Das auch ins Englische und Italienische �bersetzte Buch basiertauf vier Vorlesungen, die Stroumsa im Februar 2004 am renommier-ten Coll�ge de France gehalten hat.

Guy G. Stroumsa, geboren 1948, ist seit 1991 Martin-Buber-Profes-sor f�r Vergleichende Religionswissenschaft an der Hebr�ischen Uni-versit�t in Jerusalem und seit 2009 Professor f�r monotheistische Re-ligionen an der Universit�t Oxford. Er ist Mitglied der israelischenAkademie der Wissenschaften und erhielt 2008 den Forschungspreisder Alexander von Humboldt-Stiftung.

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GUY G. STROUMSADAS ENDE

DES OPFERKULTSDI E R E L I G I � SE N M U TAT ION E N

DER SP�TA N T I K E

Aus dem Franzçsischen von Ulrike BokelmannMit einem Vorwort von John Scheid

V E R LAG DE RW E LT R E LIGION E N

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Gefçrdert durch dieUdo Keller Stiftung Forum Humanum

Bibliographische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliographie;detaillierte bibliographische Daten sind im Internet abrufbar.

http://dnb.ddb.de

� Verlag der Weltreligionenim Insel Verlag Berlin 2011

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere dasdes çffentlichen Vortrags sowie der �bertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert

oder unter Verwendung elektronischer Systemeverarbeitet, vervielf�ltigt oder verbreitet werden.Einband: Hermann Michels und Regina Gçllner

Satz: H�mmer GmbH, Waldb�ttelbrunnDruck: Druckhaus Nomos, Sinzheim

Bindung: Buchbinderei Lachenmaier, ReutlingenPrinted in GermanyErste Auflage 2011

ISBN 978-3-458-71036-3Die Originalausgabe erschien unter dem Titel:

La fin du sacrifice. Les mutations religieuses de l’Antiquit� tardiveParis: Odile Jacob 2005

Copyright � 2005 by Odile Jacob

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DA S E N DE DE S OP F E R K U LT S

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I N H A LT

Vorwort von John Scheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Eine neue Sorge um sich selbst . . . . . . . . . . . . . 212 Der Aufschwung der Buchreligionen . . . . . . . . 533 Wandlungen des Rituals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 864 Von der Zivilreligion zur kommunit�ren

Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1205 Vom Weisheitslehrer zum geistlichen Lehrer . . 152Schlußbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

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V O RW O RT

vonJohn Scheid

(Coll�ge de France)

Wir f�hlen uns immer von dem angezogen, was wirnicht kennen, genauer: von dem, was wir nicht rechtverstehen. Die religiçsen Transformationen, die die Sp�t-antike pr�gen, stellen solch faszinierende Sachverhaltedar. Der anschaulichste Beweis daf�r ist das zahlreich er-schienene Publikum aus Kollegen und aufgekl�rten Zu-hçrern, das sich zu den vier Vortr�gen von Guy Stroumsaeingefunden hat; – denn wer kçnnte sich heute noch mitder elementaren Dialektik der Hegelschen Heilsgeschich-te zufriedengeben?

Wie vollzog sich der �bergang von der griechisch-rç-mischen Welt zum Christentum? Seit Bud, Gibbon undHegel mangelt es nicht an Erkl�rungen, die dieses R�tselzu lçsen beanspruchen. Die Kontrastierung von Chri-stentum und »Heidentum«, die der Argumentation dergroßen Theorien zugrunde lag, ist allerdings fruchtlosgeblieben. Hat die Mutation am Ende einer langen undunmerklichen Entwicklung ein und derselben Realit�tstattgefunden? Waren die fr�hen Formen des Christen-tums letztlich vielleicht nichts anderes als ein entwik-keltes »Heidentum«? Oder haben wir es mit einer Re-volution zu tun, die innerhalb weniger Jahrzehnte zum

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unvorhersehbaren Untergang der traditionalen Frçm-migkeit der Griechen und Rçmer f�hrte? Oder war esdie Anziehung, die von der »Vernunft« des Monotheis-mus ausging? Bei genauerem Hinsehen enthielten diegriechischen und rçmischen Kultformen schon immer,implizit oder explizit, einen Diskurs, der darauf abzielte,die gçttliche Macht als eine einzige Wesenheit zu de-finieren. Der rçmische »Polytheismus« beispielsweiseschwankte stets zwischen zwei Auffassungen von derGottheit: Einmal ist sie eine einzige Quelle der Macht,einmal der Bezugspunkt einer Vielfalt von vergçttlich-ten M�chten und Instanzen. In diesem Sinne w�re das,was man als Polytheismus bezeichnet hat, eine Reli-gion, die das Mysterium gçttlicher Macht darstellt, ohnesich zwischen einem einzigen Agenten und den Mani-festationen seiner Macht zu entscheiden. Aber auch denverschiedenen Formen des Christentums war das Pro-blem nicht unbekannt, wie Hermann Usener in seinember�hmten Werk Gçtternamen. Versuch einer Lehre von

der religiçsen Begriffsbildung (Frankfurt/Main 1948, zuerst1895) hervorhob. Denn vom Judentum einmal abgese-hen, waren die Religionen der Antike selten rein mono-theistisch. Auch kann man schwerlich die traditionellenReligionen als rituelle Religionen dem Christentum alsgeistiger Religion gegen�berstellen. Die rituellen Reli-gionen kennen ebenfalls die Geistigkeit, und umgekehrthaben weder das Judentum noch das Christentum je ri-tuelle Pflichten abgelehnt. Muß man deshalb die Zivil-religionen, die mit einem juristischen Status der Indivi-duen verbunden sind, den Religionen gegen�berstellen,die eine persçnliche Entscheidung enthalten? Aber auchdie Nichtchristen trafen eine Entscheidung, wenn sie

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sich zu einer Philosophenschule oder einem bestimmtenMysterienkult bekannten, was noch kein hinreichenderGrund daf�r war, sie zu Gegnern der traditionellen Re-ligionen zu erkl�ren.

Seit einer Generation bringen die f�r die Sp�tantikecharakteristischen religiçsen Transformationen eine Viel-zahl von B�chern und Studien hervor, ohne daß das zueiner �berzeugenden Kl�rung dieser Fragen gef�hrth�tte. Dennoch brachten diese Forschungen eine Reihewichtiger Erkenntnisse. Deshalb schien es mir interes-sant, einen anerkannten Autor dieser Debatte zu bitten,diese wissenschaftlichen Fortschritte vorzustellen undzu versuchen, eine vorl�ufige Bilanz zu ziehen. GuyStroumsa hat dieses Angebot freundlicherweise �ber-nommen und wird seine �berlegungen zum Geheimnisder Bekehrung der antiken Welt darlegen. Ihm ist, wieich meine, eine Synthese aus der Theorie einer unmerk-lichen Entwicklung und der eines bestimmenden histo-rischen Ereignisses gelungen.

Guy Stroumsa legt dar, daß die Abschaffung desOpferkultes, dieser zentralen Handlung der traditiona-len Frçmmigkeit, unbestreitbar den entscheidenden Mo-ment der Mutation darstellt – ganz gewiß bei Griechenund Rçmern, aber vor allem und gewaltsam herbeige-f�hrt bei den Juden. Diese wurden durch die Zerstç-rung des Jerusalemer Tempels im Jahr 70 n. Chr. gezwun-gen, eine neue j�dische Religion zu erfinden. Kaumwahrnehmbar und unter Beibehaltung und stetiger Kom-mentierung der Opfervorschriften, haben die Juden dasTempelopfer aufgegeben. Versuchungen dieser Art hat-ten bereits eine Geschichte im Israel zur Zeit des Zwei-ten Tempels (516 v. Chr. – 70 n. Chr.), aber durch das Ein-

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greifen der rçmischen Legionen wurde der Prozeß be-schleunigt. Guy Stroumsa l�dt uns dazu ein, in diesem,innerhalb des Judentums selbst aufgetretenen geschicht-lichen Ereignis eine der zentralen, aber oft vergessenenKomponenten der Transformationen zu sehen, die inden folgenden Jahrhunderten stattfinden sollten. Indemer das Judentum auf diese Weise in die Argumentationeinbezieht, erçffnet Stroumsa unbestreitbar neue Per-spektiven. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf die Tatsa-che, daß sich unter dem Einfluß des Judentums und sei-ner internen Probleme zun�chst die religiçse Landschaftdes Orients verwandelte, bevor die Ver�nderungen danndie gesamte Oikumene erfaßten. So wird der Leser fest-stellen, daß das Christentum – weit mehr als die Formender Frçmmigkeit, die Franz Cumont vor einem Jahrhun-dert in seinen Vortr�gen am Coll�ge de France in denMittelpunkt der religiçsen Transformationen stellte –die Bezeichnung »orientalische Religion« verdient. DerIsis- und Kybelekult, beide zutiefst in den traditionellenReligionen der antiken Welt verwurzelt, h�tten nie dieGeister und die Welt ersch�ttern kçnnen, wie es dasChristentum unter dem Einfluß des Judentums tat.

Diese Religion, die den Opferkult verloren, bzw. dasOpfer durch andere Devotionsformen ersetzt hatte, die-se Frçmmigkeit, die verschiedene Komponenten dergriechisch-rçmischen Weisheit und Kultur in einen neu-en Bezugsrahmen einf�gt und sich f�r eine einzige undausschließliche Auslegung des gçttlichen Mysteriums ent-scheidet, stellt das entscheidende Element der religiçsenTransformation der Sp�tantike dar, die Guy Stroumsauns in lebendiger und fesselnder Art darlegt.

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E I N L E I T U N G

Non uno itinere perveniri potest adtam grande secretum. (Zu einem sogroßen Geheimnis kann mannicht auf einem einzigen Weg ge-langen.)

Symmachus, Relatio III 10

Der unmittelbare Anlaß f�r dieses Buch sind vier Vor-tr�ge, die ich im Februar 2004 am Coll�ge de France ge-halten habe. Die tieferen Gr�nde sind weniger einfachzu benennen. Vor �ber zwanzig Jahren habe ich begon-nen, mich mit den tiefgreifenden Wandlungen, die dasKonzept der Religion im Rçmischen Reich erf�hrt, zubesch�ftigen – und sie besch�ftigen mich noch immer.Ich habe selbst sogar einmal von »religiçser Revolution«gesprochen, um einige spezifische Merkmale des fr�henChristentums zu beschreiben. Die �beraus zahlreichenVerweise in diesem Buch auf eigene Arbeiten spiegelndie Kontinuit�t gewisser Aspekte meiner Forschung wi-der, von der ich hier eine Art Synthese liefern mçchte.Wenn ich als Religionshistoriker �ber zuweilen radikaleoder marginale Bewegungen – wie beispielsweise die so-genannten »Gnostiker« – arbeite oder �ber Religionenwie den Manich�ismus oder das rabbinische Judentum,die von so vielen Forschern zu Antike und Christentumvernachl�ssigt wurden, dann will ich damit auf verschie-

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denen Wegen einige der beweglichen Grenzen der re-ligiçsen Geographie in der Welt des Mittelmeerraumsund des Nahen Ostens gegen Ende des Altertums –grob gesagt: von Jesus bis Mohammed – aufzeigen. Da-bei reihe ich meine tastenden Forschungen ganz bewußtin den grçßeren Zusammenhang der sehr beeindrucken-den Fortschritte ein, die seit einer Generation an mehre-ren Orten im Bezug auf die Einsch�tzung und Komple-xit�t der religiçsen Ph�nomene der Sp�tantike gemachtwurden.

Seit Fernand Braudel und Shlomo Dov Goitein istder Mittelmeerraum in Mode gekommen. Von der Ar-ch�ologie bis zur Anthropologie fragt man nach dem –verborgenen oder fiktiven – tieferen Zusammenhangder unterschiedlichen Ph�nomene, die sich in den dor-tigen Gesellschaften beobachten lassen. Was die religiç-sen Ph�nomene in dem von uns betrachteten Zeitraumwie auch anderer Zeiten betrifft, bin ich der Auffassung,daß die zwanghafte Suche nach einer solchen gemeinsa-men Identit�t des Mittelmeerraums auf einen Holzwegf�hren muss, weil damit zugleich die zentrale Rolledes Nahen Ostens von der fr�hesten Antike bis zumheutigen Tag verschleiert wird. Es handelt sich hierselbstverst�ndlich um ein Pl�doyer in eigener Sache:durch meinen Wohnort Israel habe ich den Eindruck,mich an der Nahtstelle zwischen Mittelmeerraum undNahem Osten zu befinden. Was einerseits der wissen-schaftlichen Beobachtung fçrderlich sein mag, wird an-dererseits zugleich teuer bezahlt, wie uns die Zeitungenund das Fernsehen t�glich in Erinnerung rufen. Zumtr�gerischen Gegensatz zwischen Mittelmeerraum undNahem Osten kommt ein zweiter, nicht weniger proble-

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matischer hinzu: der zwischen polytheistischen und mo-notheistischen Religionen. Sicher gibt es zuweilen grund-legende Unterschiede zwischen den in der Sp�tantikekoexistierenden und in Konflikt geratenden Religio-nen, aber die wichtigsten davon haben nicht unbedingtetwas mit dem unterschiedlichen Gçtterhimmel zu tun:Es sind die anthropologischen Konzeptionen und ethi-schen Einstellungen, die sich zuweilen viel gr�ndlicherund deutlicher voneinander unterscheiden. Wie demauch sei, alle Gesellschaften des Nahen Ostens und Eu-ropas sind in ihren religiçsen Identit�ten (zuweilen nurentfernte) Erben der neuen Konstellationen, die sich inder Sp�tantike abzeichnen und in den mittelalterlichenGesellschaften zur Struktur gerinnen. In diesem Sinnebedeutet das Reflektieren �ber die religiçsen Transfor-mationen der Sp�tantike zugleich auch Abstand zu neh-men, um die tieferen Wurzeln gewisser – zuweilen dr�n-gender oder ernsthafter – Probleme wahrzunehmen,mit denen wir heute konfrontiert sind.

Die Einladung hat mir die Form vorgegeben: Manhatte mich um vier Vortr�ge gebeten, so mußte ich alsovier grundlegende Schwerpunkte definieren, die dievon mir so genannten »religiçsen Transformationen«der Sp�tantike widerspiegeln (welche ich auf Franzç-sisch als »religiçse Mutationen« bezeichnet habe). Sicherlassen sich auch andere Ver�nderungen ausmachen. Wor-auf man aber in jedem wissenschaftlichen Essay achtensollte: Man sollte sich davor h�ten, teleologisch oderideologisch zu verfahren, d. h. einen einzigen �bergrei-fenden, alles erkl�renden Faktor ausmachen zu wollen;und man sollte Verallgemeinerungen vermeiden, dieden Blick auf die großen Entwicklungslinien verstellen.

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Vielleicht lohnt es sich hier anzumerken, daß Bruce Lin-coln in seiner Studie �ber den �bergang der Religionenvon der Antike zur »Nachantike« vier wesentliche Berei-che ausmacht: Diskurs, Praxis, Gemeinschaft, Institu-tion.1

Vier Vortr�ge 60 Minuten zu halten, dazu schnellgesprochen, das bedeutet im besten Fall, sich einer be-achtlichen Herausforderung zu stellen. Bedrohlich wirddiese Herausforderung, wenn man in einer Sprache vor-tr�gt, die seit langem nicht mehr die eigene Alltags-sprache ist, und wenn all das zudem vor einem großenAuditorium geschieht, das sich sowohl aus offenen undneugierigen Zuhçrern wie aus Historiker- und Philolo-genkollegen mit spezifischeren Erwartungen zusam-mensetzt. �berdies steht die Erwartung im Raum, jedes-mal und f�r alle etwas Neues vorzutragen ohne dabei zutechnisch oder zu rhetorisch zu sein. Ich wurde gebeten,die Vortr�ge so, wie sie gehalten wurden, zu verçffent-lichen. Die vier ersten Kapitel dieses Buches sind folg-lich die nur unwesentlich bearbeiteten Texte der am Col-l�ge de France gehaltenen Vortr�ge. Als f�nftes Kapitelhabe ich eine fr�her verçffentlichte Studie hinzugef�gt,die mir eine nat�rliche Erg�nzung zum allgemeinen Ar-gumentationsstrang dieses Buches darzustellen scheint.Es verstand sich von selbst, daß diese allgemein gehalte-nen und f�r ein breites, informiertes Publikum bestimm-ten Texte nicht durch gelehrte Anmerkungen aufgebl�htwerden sollten. Die Fußnoten verfolgen deswegen ledig-lich den Zweck, eine Orientierungshilfe f�r die For-schung zu sein, eine Behauptung zu bekr�ftigen odermeine Argumentation zu st�tzen. Der Leser wird an die-sen Hinweisen den Umfang (und die Grenzen) meines

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Wissens ermessen kçnnen. Er wird ohne Schwierigkei-ten die Perspektivwechsel erkennen, die durch die unter-schiedlichen Wissenschaftskulturen und intellektuellenVerfahrensweisen bedingt sind. So ber�cksichtigen dievon mir herangezogenen Arbeiten vor allem die eng-lische und amerikanische Forschung und weniger die-jenige, die auf sehr hohem Niveau in Frankreich statt-findet. Ich weiß, daß meine franzçsischen Kollegen oftandere Gewohnheiten pflegen, und hoffe deshalb, daßich mich auf diese Weise ganz bescheiden als F�hrmannin der Republik der Gelehrten bet�tigen kann.

Die Einladung zu diesen Vortr�gen verdanke ich derherzlichen Freundschaft von John Scheid. Ich hoffe, ihnnicht entt�uscht zu haben, auch nicht die Freunde undLehrmeister, die mir die Ehre, meine Vortr�gen zu besu-chen, erwiesen, und meine Frau und mich so freundlichin Paris empfingen haben. Ihnen allen danke ich, ganzbesonders aber Nicole Belayche, die sich bereit erkl�rthat, die Vortragstexte zu lesen, und die viele kritischeAnmerkungen gemacht hat. Dank Winrich Lçhrs Akri-bie konnte ich einige Irrt�mer vermeiden und mehrereAnmerkungen verbessern. Ich danke auch der Fonda-tion Hugot des Coll�ge de France, wo wir w�hrend un-seres Parisaufenthaltes unter außergewçhnlich angeneh-men Bedingungen untergebracht waren.

Im Herbstsemester 2003 habe ich die Grundz�ge die-ser Vortr�ge zusammen mit zahlreichen Prim�rtexten inmeinem Oberseminar zur Diskussion gestellt. Ich dankemeinen Studenten und insbesondere Jonathan Moss undTali Artman f�r ihre große Neugier und geistige Reg-heit. Die außergewçhnlichen Arbeitsbedingungen, dieich am Scholion Center der Hebr�ischen Universit�t in

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Jerusalem genieße, haben es mir ermçglicht, dieses klei-ne Buch in recht kurzer Zeit zu redigieren. Ich mçchteauch Sharon Weisser danken, die das Manuskript auf ih-rem Computer mit franzçsischer Tastatur gegengelesen,mit Akzenten versehen und korrigiert hat. Unsere Rech-ner funktionieren mittlerweile recht gut mit den beidenobligaten Sprachen Hebr�isch und Englisch, aber f�r je-manden aus meiner Generation stellt es eine echte Her-ausforderung dar, ihnen eine dritte Sprache beizubrin-gen. Wie dem auch sei, es hat mir ganz unverhofft eingroßes Vergn�gen bereitet, diese Texte auf Franzçsischzu verfassen.

Ich danke Ulrike Bokelmann f�r die �bersetzung desfranzçsischen Textes ins Deutsche sowie KonstantinKlein f�r zahlreiche signifikante Anregungen und aus-gesprochen n�tzliche Hinweise.

Ich widme dieses Buch dem Andenken an meineSchwiegereltern. Zoshka Wallach, geborene Ludmer,wuchs in Maniawa auf, einem Dorf im ukrainischen Po-len. Ihr ganzes Leben lang erinnerte sie sich lebhaft anden religiçsen Haß, der ihre Kindheit gepr�gt hatte.Zvi Wallach wußte aus dem Czernowitz seiner Jugend,wie wichtig kulturelle Begegnungen und Ver�nderun-gen sind. Er liebte nichts mehr, als �ber ebendiese Ver�n-derungen und ihre Erscheinungsformen nachzudenken,die sie im Verlauf der Geschichte der Vçlker und Kultu-ren annahmen. Beide haben mir in Jerusalem ihr Hausund ihr Herz geçffnet.

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