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Insel Verlag...çstliche Kultur der Sptantike, stellt. Das bedeutet, daß der Koran nicht mehr, wie in den bisherigen Einfhrungen b - lich, ›hagiographisch‹, als ein Text der islamischen

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ANGELIKA NEUW IRTHDER KORAN

ALS TEXT DERSP�TANTIK E

E I N EU RO P� I S C H E RZ U GA N G

V E R LAG DE RW E LT R E LIGION E N

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Gefçrdert durch dieUdo Keller Stiftung Forum Humanum

Bibliographische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographischeDaten sind im Internet abrufbar.

http://dnb.ddb.de

� Verlag der Weltreligionenim Insel Verlag Berlin 2010

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der �bersetzung,des çffentlichen Vortrags sowie der �bertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert

oder unter Verwendung elektronischer Systemeverarbeitet, vervielf�ltigt oder verbreitet werden.Einband: Hermann Michels und Regina Gçllner

Satz: H�mmer GmbH, Waldb�ttelbrunnDruck: Druckhaus Nomos, Sinzheim

Bindung: Buchbinderei Lachenmaier, ReutlingenPrinted in GermanyErste Auflage 2010

ISBN 978-3-458-71026-4

1 2 3 4 5 6 – 15 14 13 12 11 10

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DE R KO R A N A L S T E X TDE R SP� TA N T I K E

E I N EU RO P� I S C H E R Z U GA N G

Meiner Familie

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I N H A LT

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Der Koran als Dokument einer Religionsent-

stehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Eine ›europ�ische Lekt�re . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Der Koran als Verk�ndigung‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Zwei Zerrspiegel des Koran: Teleologie und

Epigonalit�tssyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Die ›koranische Gemeinde‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 Koranforschung als historisch-literaturwissen-

schaftliches Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 Der Koran als Panorama – beleuchtet in

13 Kapiteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

I Wie der Koran bisher gelesen wurde: ein For-schungsabriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 Biblistische Ans�tze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682 Eine große Forschungstradition und ihr gewalt-

samer Abbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763 R�ckzug auf islamgeschichtliche Positionen . . . . . 804 Der Koran ohne das Ged�chtnis der Gemeinde?

Neuere Stimmen zur Echtheitsfrage . . . . . . . . . . . . 915 Die arabische Seite des Koran: Spiegel der

altarabischen Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1046 Das neue Zentrum: nicht Buch noch Prophet,

sondern Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

II Koran und Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1201 Herabsendung, tanzıl, und Eingebung, wah

˙y . . . . . . 120

2 Al-qur’an: Vermittlung von Texten aus derhimmlischen Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

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3 M�ndlichkeit als Theologumenon . . . . . . . . . . . . . . 1354 Sp�tmekkanische Reflektionen �ber himmlische

und irdische Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1415 Inlibration oder koranische Logos-Theologie? . . . 1586 Medialit�ten des Koran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

III Koran und Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1821 Geschichte der kommunizierten Rede . . . . . . . . . . 1822 Zwei Manifestationen des Koran . . . . . . . . . . . . . . . 1883 Das Gespr�ch mit den �lteren Traditionen:

Stationen der Gemeindebildung . . . . . . . . . . . . . . . 2004 Geschichtsdiskurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2055 Geschichte im Koran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2226 Prophetensukzession, counter-history und Zeit-

geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

IV Redaktions- und Textgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . 2351 �berlieferungsgeschichte bis zur uthmanischen

Redaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2352 Die ›erste offizielle Koranausgabe Uthmans‹ . . . . 2453 Das imperiale Projekt Abd al-Maliks . . . . . . . . . . . 2494 Textgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2535 Anweisungen f�r die Koranlesung und Kontrolle

der Textgestalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2636 Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

V Surenstrukturen und Chronologie . . . . . . . . . . . . . . . . 2761 Die Sure als Novum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2762 Die fr�hmekkanische Sure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2803 Die sprachliche Form der Suren . . . . . . . . . . . . . . . 3134 Kriterien der Chronologiebestimmung . . . . . . . . . 3185 Mittel- und sp�tmekkanische Suren . . . . . . . . . . . . 3216 Medinische Suren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

VI Der liturgische Koran: Zur Kultentwicklung in derZeit der Verk�ndigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332

1 Die altarabischen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 332

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2 Kult und Kanon im Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3453 Entstehung einer Liturgie in fr�hmekkanischer

Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3504 Kult- und Text-Entwicklung in mittelmekkani-

scher Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3605 Kult- und Text-Entwicklung in sp�tmekkanischer

Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3736 Kult- und Text-Entwicklung in Medina . . . . . . . . . 3797 Vom Koran zum islamischen Kultus . . . . . . . . . . . . 388

VII Stationen der Gemeindebildung in fr�hmekkani-scher Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394

1 Gemeindebildende Auseinandersetzungen mitlokalen Traditionen: ›Diskurse‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . 394

2 Psalmengepr�gte Frçmmigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 3983 Exkurs: Sind die fr�hmekkanischen Suren

prophetenbiographisch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4074 Das Prophetenamt der Warnung vor dem Gericht 4175 Reflektion �ber die Zeichen der Schrift und die

Zeichen der Schçpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433

VIII Stationen der Gemeindebildung in mittel- undsp�tmekkanischer Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451

1 Von der realen Welt zur Textwelt: das neueGottesvolk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453

2 Von Mekka nach Jerusalem: neue liturgischeFormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459

3 Mythische Erz�hlung, biblische Geschichte undkoranische ›Korrektur‹: Maria und Jesus . . . . . . . . . 472

4 Antipagane Polemik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4895 Neue homiletische Instrumente: Gleichnisreden

und Parabeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498

IX Stationen der Gemeindebildung in Medina . . . . . . . 5101 Die Wende des Exils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5102 Die Entdeckung des Gotteszorns . . . . . . . . . . . . . . 5183 Die Entdeckung von Ambiguit�t in der gçttlichen

Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528

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4 Von Jerusalem zur�ck nach Mekka . . . . . . . . . . . . . 5425 Koran und M�rtyrertum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548

X Koran und Bibel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5611 Koran und Bibel: �hnlichkeiten, Un�hnlich-

keiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5612 Auf der Suche nach Allegorie und Typologie im

Koran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5733 Allegorien im Koran? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5804 Entallegorisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5905 �berlegungen zur koranischen Prophetenrede . . . 5956 �berlegungen zum koranischen Erz�hlen . . . . . . . 603

XI Biblisch-koranische Figuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6131 Akteure und Interaktionsszenarien . . . . . . . . . . . . . 6132 Noah – seine koranische Entwicklung . . . . . . . . . . 6233 Abraham – seine koranische Entwicklung . . . . . . . 6334 Mose – seine koranische Entwicklung . . . . . . . . . . 653

XII Koran und Poesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6721 Prophetie und Dichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6722 Das ambivalente Erbe von Dichtertum und

Sehertum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6813 Poetische Topoi im Koran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6974 Dichterisches Operieren im Koran . . . . . . . . . . . . . 7065 Kontingenzbew�ltigung in Dichtung und Koran . 7116 Die Dichter im Koran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716

XIII Der rhetorische Koran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7231 Der Koran – Dokument eines ›Zeitalters der

Rhetorik‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7232 ›Außergefechtsetzende‹ Rhetorik . . . . . . . . . . . . . . . 7323 Ein Wettstreit noch vor der Polemik: vom bibli-

schen Hymnus zur koranischen Par�nese . . . . . . . . 7444 Rhetorische R�ckbindung weltlichen Geschehens

an den transzendenten Weltenlenker . . . . . . . . . . . 7535 Rhetorischer Triumph �ber das j�dische und das

christliche Credo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761

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Abk�rzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 769Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 771Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 833Zur Transliteration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 847Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 849

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VO RW O RT

Dieses Buch h�tte nicht geschrieben werden kçnnen ohne dielangj�hrige eigene Anschauung vom lebendigen Umgang mitheiligen Schriften in den drei monotheistischen Religions-kulturen. Es basiert letztlich auf Einblicken, die zeitlich weitzur�ck, in meine Studienzeit in Jerusalem in unmittelbarerNachbarschaft zum Haram al-Sharif und den orientalischenKirchen und Synagogen, zur�ckreichen. Was anderswo in derImagination erst zusammengestellt werden muß: die Erfah-rung von Koranrezitation als klar heraushçrbarer Stimme ineinem Konzert liturgischer Ges�nge und von Koranschriftals eigener, abstrakt-geometrischer Repr�sentationsform un-ter allgegenw�rtigen religiçsen Bildern, gehçrt dort zum All-tag, so daß sich mir der Koran nie anders als im Ensemble vonverwandten heiligen Schriften darbot. Diese Erfahrung vorallem schl�gt sich in dem hier vorgelegten Band nieder. DerKoran ist aber zugleich das Herzst�ck der arabischen Sprach-schçpfung. Die einzigartige Mçglichkeit, diese Sprache in ih-rer t�glichen Performanz und zugleich als Gegenstand wissen-schaftlicher Begeisterung f�r feinste Nuancen nicht nur alsBeobachter, sondern teilnehmend zu erleben, erçffnete sichmir durch eine Gastprofessur an der University of Jordan in Am-man. Von den vielf�ltigen Anregungen, die mir arabische Stu-denten und Kollegen in Jordanien vermittelten, mit denen ich�ber Jahre klassische Texte der arabischen Literatur lesenkonnte, zehren hermeneutisch die hier dargelegten Ausf�h-rungen. Alte Erfahrungen wurden immer wieder durch neueaktualisiert, vor allem bei Studienaufenthalten in �gypten,w�hrend einer Direktorent�tigkeit im Libanon und in der T�r-kei und nicht zuletzt durch j�hrliche Lehrveranstaltungen amTheologischen Studienjahr der Dormitio-Abtei in Jerusalem.

Aber auch die universit�re Lehrerfahrung in Deutschland

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hat Anteil an diesem Buch. Sie machte schmerzlich klar, daßf�r die in unserer Zeit dringend geforderte Zusammenf�h-rung der in Ost und West so verschiedenen Wahrnehmungendes Koran und der arabischen Sprache noch wichtige Voraus-setzungen fehlen. Arabisch-islamische Studien werden an denUniversit�ten Europas und der islamischen Welt in fast g�nz-licher Isolation voneinander betrieben. Beide akademischeTraditionen sind je eigenen hermeneutischen Prinzipien ver-pflichtet, so daß die Deutung der Grundschriften des Islam,besonders des Koran, nicht selten zu kontr�r verschiedenenErgebnissen f�hrt, die sich in der westlichen Forschung nocheinmal in unterschiedliche Modelle auff�chern. Wer sich indieser Situation einen Weg durch das Dickicht der kursieren-den Thesen und Hypothesen �ber den Koran bahnen will, istauf eine zusammenfassende Darstellung der bisherigen For-schungsergebnisse dringend angewiesen. Sie soll hier geliefertwerden; doch reicht eine Nachzeichnung nicht aus. Die west-liche Forschung zum Koran ist nicht nur fast un�berschaubarverzweigt, sie ist mit ihren einander oft diametral widerspre-chenden Einzelthesen auch hochgradig kontrovers. Will mannicht einfach eine der angebotenen Optionen �bernehmen,sondern sein Bild des komplexen Ph�nomens ›Koran‹ auf eine�berpr�fbare Basis stellen, so hat man vor allem die Fragenach der historischen Verankerung des Koran in Zeit undRaum neu zu stellen. Eine radikale Drehung der Perspektivevon der gegenw�rtig im Mittelpunkt stehenden Rezeptionsge-schichte zur Entstehungsgeschichte und damit eine Neurefle-xion des Koran im Lichte der erst in neuerer Zeit systema-tisch auf den Nahen Osten ausgedehnten Sp�tantikeforschungist also unumg�nglich.

Obwohl dieser Band in erster Linie die Grundlage f�r denin mehreren Folgen zu verçffentlichenden »Handkommentarzum Koran«1 legen will, kann er auch als eine allgemeine Ein-

1 Der Handkommentar wiederum ist als Pilotprojekt des gegenw�r-tig an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaf-ten vorbereiteten Projekts Corpus Coranicum – Textdokumentation

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f�hrung in den Koran gelesen werden, die ihn erstmals syste-matisch in den Kontext seines Entstehungsmilieus, die nah-çstliche Kultur der Sp�tantike, stellt. Das bedeutet, daß derKoran nicht mehr, wie in den bisherigen Einf�hrungen �b-lich, ›hagiographisch‹, als ein Text der islamischen Tradition,sondern historisch, als Dokument einer Gemeindebildung in-mitten einer christlich-j�disch-synkretistisch gepr�gten De-battenlandschaft, betrachtet wird. Diese ›Drehung der Per-spektive um 180 Grad‹ vom islamischen zum sp�tantiken Ko-ran hat eine f�r die heutige Zeit kulturkritisch hochrelevanteImplikation: Sie macht den bisher einzig als islamisches Doku-ment betrachteten Koran – zugespitzt ausgedr�ckt – nunauch als europ�isches Erbe erkennbar, als eine Stimme indem Konzert von Traditionen einer Zeit, die wir gewohntsind als formative Epoche f�r das sp�tere Europa zu reklamie-ren. Der Koran wird so zu einem f�r Europ�er signifikantenText, einem Text, der nichtmuslimische Europ�er und Mus-lime verbindet.

Um sowohl wissenschaftlich ausgerichtete als auch allge-mein an Religionen interessierte Leser zu erreichen, sindKompromisse eingegangen worden. Einzelne Teilkapitel desBandes, die aus Vortr�gen �ber bereits Bekanntes hervorge-gangen sind, sind lesbarer als andere, die neue Thesen aufstel-len und den Leser zu einer kritischen Pr�fung anhand derangegebenen Forschungsliteratur herausfordern wollen. Woimmer es nçtig erschien, wurden Einzelprobleme aber im In-teresse der Allgemeinverst�ndlichkeit durch ihren weiterenKontext beleuchtet. Die sich dabei gelegentlich ergebendenWiederholungen waren in Kauf zu nehmen, um die Einzel-kapitel in sich verst�ndlich zu halten. Mit der Erkl�rung vonFachbegriffen und der systematischen �bersetzung aller Zi-tate wurde daf�r gesorgt, daß der Text auch dem Nichtspe-zialisten ohne Probleme zug�nglich ist. Die Wiedergabe auchl�ngerer arabischer Originalzitate in wissenschaftlicher Um-

und histor isch-kr itischer Kommentar zum Koran vorgesehen, dessen er-ste Folgen noch 2010 ins Internet gestellt werden sollen.

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schrift mag auf den ersten Blick irritieren. Sie war jedoch un-verzichtbar, weil die sprachliche Einkleidung der koranischenRede ein wesentlicher Teil der Botschaft selbst ist und folglichTextdiskussionen oft auf den Sprachstil des Koran Bezug neh-men. Zitate sind durch bloße Verweise auf den gedrucktenOriginaltext nicht ersetzbar, weil dieser die koranischen Versezu einem Fließtext verschmolzen hat, so daß ihr poetischerCharakter visuell nicht mehr unmittelbar erkennbar ist. Leser,die mit dem Arabischen nicht vertraut sind und am Lautbilddes Koran kein Interesse haben, kçnnen leicht �ber die kursivgesetzte Transliteration hinweglesen.

Der hier vorgelegte Band ist ein Zeugnis des kontinuier-lichen Austausches mit Kollegen, Mitarbeitern und Studieren-den in Berlin, die nicht ungenannt bleiben d�rfen; an derFreien Universit�t waren es vor allem Gottfried M�ller undDirk Hartwig – der auch den gesamten Text mit unerschçpf-licher Geduld Korrektur las –, Andreas Kellermann, AndreasRadtke, Kirill Dmitriev, Isabel Toral-Niehoff, Renate Jacobi,Ghassan Masri, Peter Poekel, Omar Hamdan und vor allemIslam Dayeh, dessen Kritik mir wichtige Korrektive vermit-telte, und am dortigen Sonderforschungsbereich 626 �stheti-sche Er fahrung im Zeichen der Entgrenzung der K�nste HanneliesKoloska und Amina Avdovic, die sich im Teilprojekt »�stheti-sche Dimensionen der arabischen Sprache« mit Aspekten desKoran befassen. Maßgebliche Anregungen verdanke ich mei-nen Kollegen am Wissenschaftskolleg zu Berlin, im Projekt J�-dische und Islamische Hermeneutik als Kulturkr itik und sp�ter imProjekt Europe in the Middle East – the Middle East in Europe(EUME), wo Nasr Hamid Abu Zaid, Navid Kermani, AlmutBruckstein, Husain Qutbuddin, Walid Saleh, Stefan Wild, Da-niel Boyarin, Michael Fishbane, Erich Zenger, Frank-LudwigHossfeld, kontinuierlich und stets kritisch aber vor allemGeorges Khalil, inspirierende Ansprechpartner waren, sowiedem Zentrum f�r Literatur- und Kulturforschung (ZfL), woich mit Sigrid Weigel, Martin Treml, Daniel Weidner sowie Sil-via Horsch und Sasha Dehghani in anregendem Austauschstand. Das Konzept dieses Bandes w�re aber auf einen viel en-

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geren Radius beschr�nkt geblieben ohne die kontinuierlichenGespr�che mit der Forschergruppe am Projekt Corpus Corani-cum, David Kiltz, Yousef Kouriyhe, allen voran aber MichaelMarx und Nicolai Sinai, die diesem Band in vieler Hinsicht ih-ren Stempel aufgepr�gt haben. Beide haben inzwischen in ei-genen Publikationen Teile des hier vorgestellten Spektrumsvon Forschungsfragen durch eigene feinstrukturelle Untersu-chungen vertieft. Ihre neuesten Arbeiten, insbesondere Nico-lai Sinais methodisch bahnbrechendes Buch Fortschreibung undAuslegung. Studien zur fr�hen Koraninterpretation (Wiesbaden2009), konnten allerdings nur noch in Form von Verweisenin die Darstellung einbezogen werden.

Das Buch w�re nicht beendet worden ohne die Unterst�t-zung verschiedener akademischer Institutionen, die mir einezeitweilige Befreiung von meinen Lehr- und Verwaltungsver-pflichtungen ermçglichten. Eine großz�gige Fçrderung durchdie Fritz-Thyssen- und die Volkswagen-Stiftung, die mir 2006-2007 ein Opus-magnum-Stipendium gew�hrten, erlaubte mir,mich f�r ein Jahr der Forschung zu widmen und auf mehrerenReisen Gespr�che mit nahçstlichen Kollegen zu f�hren, unterdenen vor allem Muhammad Vasfi, Mehmet PaÅacı und �mer�zsoy, Ridwan Sayyed, Tarif Khalidi, Maher Jarrar, VahidBehmardi, As’ad Khairallah, Nasr Hamid Abu Zaid, FathiTriki, Mohamed Charfi, Nayla Selini und Hamdi Mehrez dan-kend erw�hnt seien. Die Abfassung des Buches wurde mirdurch ein 2009 von der School of Advanced Study in Prince-ton gew�hrtes Fellowship erleichtert, das mir erlaubte, an derErfahrung internationaler Kollegen, vor allem Patricia Crone,Michael Cook, Oleg Grabar, Glen Bowersock, Andras Hamoriund Joseph Witztum, zu partizipieren. Beiden Institutionenund im besonderen dem Stifterpaar Agnes Gund und DanielShapiro mçchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Daß derBand in der vorliegenden Form im Verlag der Weltreligionenim Insel Verlag erscheinen konnte, ist reichlich Anlaß, derVerlegerin Ulla Unseld-Berk�wicz, der Udo Keller StiftungForum Humanum, den Verlagsleitern Hans-Joachim Simm,Claus-J�rgen Thornton sowie dem Lektor Josef Jeschke, die

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den Herstellungsprozeß vorbildlich betreuten, herzlich zudanken.

Nicht in Worte faßbar ist der Dank, den ich meiner Familieschulde: meinen Kindern, die nicht nur mit großer Geduldund viel Nachsicht �ber lange Jahre hinweg mein ›Doppelle-ben‹ in einer Realwelt und einer Textwelt ertragen haben, son-dern mir auch weiterhin immer wieder neue Kraft und Hoff-nung schenken.

18 vorwort

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EI N L EI T U N G

1 de r kor an a ls dokume nt e ine r

rel ig ionse nt ste hung

Der mit diesem Band erhobene Anspruch, die Entstehung ei-ner neuen Religion an der sich schrittweise entfaltenden Text-gestalt ihres Gr�ndungsdokuments ablesen zu wollen, maghochgegriffen erscheinen. Doch gibt es im Fall des Islam kei-ne ernsthafte Alternative. Sp�tere Geschichtszeugnisse wiedie Prophetenbiographie reflektieren den bereits erreichtenSieg des Islam, dem sie ihrerseits literarische Gestalt verlei-hen. Einzig der Koran ist das genuine Zeugnis der Entwick-lung jener kultisch gepr�gten Bewegung, aus der noch w�h-rend der Wirkungszeit des Propheten die fr�he Gemeindehervorging. Eine solche Fokussierung auf den ›Korantext inseinem Entstehen‹ ist heute allerdings ungewçhnlicher dennje. Sie hat sich nicht nur hermeneutisch der Herausforderungganz anders ausgerichteter konkurrierender Ans�tze zu stel-len, sondern muß auch von einem Koranbegriff ausgehen,der nicht identisch mit dem der bisherigen Forschung ist. Dennes ist nicht die �berlieferte ›anthologische‹ Textgestalt mit ih-ren der Textl�nge nach angeordneten 114 Suren, in die sich dieentstehende neue Religion eingeschrieben hat, sondern dieVorform dieses Textes: die seiner Kodifizierung vorausgehen-de m�ndliche Verk�ndigung.

Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Erscheinungs-formen des Koran ist keine textgeschichtliche Bagatelle, viel-mehr impliziert die Fokussierung der Verk�ndigung eine herme-neutisch folgenreiche Revision, die den Koran buchst�blich ineine andere, bisher nicht mit ihm verbundene Epoche ›ver-schiebt‹. Denn in seiner vorkanonischen m�ndlichen Manife-station kann der Korantext noch nicht als exklusiv ›islamisch‹

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