4
Das Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) wurde im Januar 1992 gegründet. Die Meeresforschung in Rostock-Warnemünde kann jedoch auf eine längere Tradition zurückblicken. Bereits 1958 wurde hier das Institut für Meereskunde Warnemünde gegründet, eine Einrichtung der Akademie der Wissenschaften der DDR. Mit der Auflösung der Akademie nach der Wende entstand daraus ein Institut der „Blauen-Liste“ (heute Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz). Abb. 1 zeigt das Institutsgebäude. Meeresforschung in Küsten- und Randmeeren – das ist die Aufgabe des IOW.Die Ostsee dient dabei als ideales Fallbeispiel direkt vor der Haustür. Die junge Ostsee, deren Umwelt- parameter sich im Bereich weniger Seemeilen drastisch ändern, hat in vielerlei Hinsicht Modellcharakter: Als vor rund 30 Jahren Satellitenaufnahmen zum ersten Mal den Blick auf die Ozeane und ihre Strömungsdynamik ermöglichten, wurde deutlich, dass den meso- skaligen Prozessen eine überragende Bedeu- tung zukommt und auf diesem Gebiet ein hoher Forschungsbedarf besteht. In der Ostsee sind diese mesoskaligen Prozesse die Regel. Hier lassen sie sich in idealer Weise studieren und mit Hilfe von Strömungsmodellen nach- bilden, die dazu dienen, die Dynamik der mesoskaligen Prozesse genauer verstehen zu lernen. Über die Wechselwirkungen zwischen Strömung und Verteilungsmustern von Nähr- stoffen und Plankton entsteht auf engstem Raum eine Vielfalt unterschiedlicher biogeo- chemischer Prozesse – ein optimales Arbeits- feld für Meeresforscher, da die in der Ostsee gewonnenen Erkenntnisse meist auf andere Küstenmeere übertragbar sind und auch zur Erklärung von Phänomenen im offenen Ozean herangezogen werden können. Vier Akteure – ein Programm Am Institut für Ostseeforschung Warnemünde sind alle vier Grunddisziplinen der Meeres- forschung vertreten: die Sektionen Physikali- sche Ozeanographie, Meereschemie, Biologi- sche Meereskunde und Marine Geologie. Damit ist gewährleistet, dass alle wesentlichen Aspekte einer marinen Ökosystemforschung gebührend berücksichtigt werden können. Gleichzeitig erlaubt die personelle Ausstattung in den einzelnen Fachsektionen ein auf breiter Basis fundiertes Expertenwissen. Die Sektionen werden jeweils von zwei erfahrenen Wissen- schaftlern mit internationalem Renommee geleitet. Sie sind gleichzeitig Professoren der Universität Rostock, bzw. im Falle der Geo- wissenschaften, der Ernst-Moritz-Arndt-Uni- ersität Greifswald. Eine weitere Professur ist mit der Leitung der Querschnittsgruppe Öko- systemmodellierung verbunden. Alle Sektionen gemeinsam arbeiten an einem Forschungsprogramm, das engen Bezug zu aktuellen Problemen von Küsten- und Rand- meeren nimmt, dabei aber gleichzeitig Schnitt- stellen zu den wichtigsten internationalen Programmen der Meeresforschung, wie dem Global Ocean Observing System (GOOS) oder den Kernprojekten des ’International Geosphere-Biosphere Programms‘ (LOICZ, JGOFS, GLOBEC, PAGES, SOLAS) beinhal- tet. Dieses langfristig angelegte Forschungs- programm gliedert sich in drei Schwerpunkte: Unter dem Überbegriff Transport und Trans- formationsprozesse im Meer wird die Entste- hung von Gradienten unter dem Einfluss externer Kräfte untersucht und der Frage nachgegangen, welche biogeochemischen Aus- wirkungen die Ausbildung und Veränderlich- keit dieser Gradienten hat. Ein weiterer Schwerpunkt lautet Marine Lebensgemein- schaften und Stoffkreisläufe. Er bündelt Forschungsaktivitäten, die die Frage unter- suchen, welche Wechselwirkungen zwischen der Zusammensetzung mariner Artengemein- schaften und quantitativen Veränderungen in Stoffmenge und Stofftransporten existieren und wie Anpassungsprozesse auf Organismen- und Gemeinschaftsebene in die Stoffkreisläufe eingreifen. Der dritte Schwerpunkt untersucht Marine Ökosysteme im Wandel und damit die Frage, inwieweit empirisch belegte Ver- änderungen im Ökosystem Klimaschwankun- gen oder menschlichen Aktivitäten oder einem Wirkungsgeflecht beider Komponenten zuzu- ordnen sind.Abgeleitet aus historischen Daten und dem heutigen Verständnis von Klimaent- wicklung soll außerdem versucht werden, zukünftige Veränderungen zu prognostizieren. Das übergeordnete Ziel des gemeinsamen For- schungsprogramms ist, Zusammenhänge zwi- schen einerseits den menschlichen Einwirkun- gen und dem externen Antrieb durch das gekoppelte Ozean-Atmosphären-System und andererseits der Veränderlichkeit mariner Ökosysteme einschließlich ihrer Organismen besser zu verstehen. Die Entwicklung eines Ökosystemmodells für die Ostsee spielt dabei eine wichtige Rolle und ist deshalb eine Querschnittsaufgabe am IOW. In ein solches Computermodell fließen Informationen und Datenströme aus allen Fachgebieten der Ostseeforschung ein. Zusammengesetzt aus physikalischen, chemischen, biologischen und sedimentologischen Komponenten soll es komplexe ökosystemare Abläufe simulieren und dadurch das Verständnis für die Dynamik des Ökosystems Ostsee fördern. Insgesamt arbeiten rund 160 Personen am IOW, davon sind rund die Hälfte Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Haus- halt des IOW umfasst pro Jahr rund 11 Mio Euro. Zusätzlich wirbt das Institut bei diversen Förderinstitutionen regelmäßig Drittmittel ein.Im Jahr 2002 standen auf diesem Wege dem IOW zusätzlich 2,5 Mio Euro zur Verfügung. 108 promet, Jahrg. 29, Nr. 1- 4, 108-111 (Juni 2003) © Deutscher Wetterdienst 2003 Institute stellen sich vor Das Institut für Ostseeforschung – Tradition mit Zukunft Abb. 1: Das Hauptgebäude des IOW.

Institute stellen sich vor - met.fu-berlin.dedmg/promet/29/29_IOW.pdf · Unter dem Überbegriff Transport und Trans-formationsprozesse im Meerwird die Entste-hung von Gradienten unter

  • Upload
    others

  • View
    5

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Institute stellen sich vor - met.fu-berlin.dedmg/promet/29/29_IOW.pdf · Unter dem Überbegriff Transport und Trans-formationsprozesse im Meerwird die Entste-hung von Gradienten unter

Das Institut für Ostseeforschung Warnemünde(IOW) wurde im Januar 1992 gegründet. DieMeeresforschung in Rostock-Warnemündekann jedoch auf eine längere Traditionzurückblicken. Bereits 1958 wurde hier dasInstitut für Meereskunde Warnemündegegründet, eine Einrichtung der Akademie derWissenschaften der DDR. Mit der Auflösungder Akademie nach der Wende entstanddaraus ein Institut der „Blauen-Liste“ (heuteWissenschaftsgemeinschaft Gottfried WilhelmLeibniz).Abb. 1 zeigt das Institutsgebäude.

Meeresforschung in Küsten- und Randmeeren– das ist die Aufgabe des IOW.Die Ostsee dientdabei als ideales Fallbeispiel direkt vor derHaustür. Die junge Ostsee, deren Umwelt-parameter sich im Bereich weniger Seemeilendrastisch ändern, hat in vielerlei HinsichtModellcharakter: Als vor rund 30 JahrenSatellitenaufnahmen zum ersten Mal den Blickauf die Ozeane und ihre Strömungsdynamikermöglichten, wurde deutlich, dass den meso-skaligen Prozessen eine überragende Bedeu-tung zukommt und auf diesem Gebiet einhoher Forschungsbedarf besteht. In der Ostseesind diese mesoskaligen Prozesse die Regel.Hier lassen sie sich in idealer Weise studierenund mit Hilfe von Strömungsmodellen nach-bilden, die dazu dienen, die Dynamik der

mesoskaligen Prozesse genauer verstehen zulernen. Über die Wechselwirkungen zwischenStrömung und Verteilungsmustern von Nähr-stoffen und Plankton entsteht auf engstemRaum eine Vielfalt unterschiedlicher biogeo-chemischer Prozesse – ein optimales Arbeits-feld für Meeresforscher, da die in der Ostseegewonnenen Erkenntnisse meist auf andereKüstenmeere übertragbar sind und auch zurErklärung von Phänomenen im offenen Ozeanherangezogen werden können.

Vier Akteure – ein Programm

Am Institut für Ostseeforschung Warnemündesind alle vier Grunddisziplinen der Meeres-forschung vertreten: die Sektionen Physikali-sche Ozeanographie, Meereschemie, Biologi-sche Meereskunde und Marine Geologie.Damit ist gewährleistet, dass alle wesentlichenAspekte einer marinen Ökosystemforschunggebührend berücksichtigt werden können.Gleichzeitig erlaubt die personelle Ausstattungin den einzelnen Fachsektionen ein auf breiterBasis fundiertes Expertenwissen.Die Sektionenwerden jeweils von zwei erfahrenen Wissen-schaftlern mit internationalem Renommeegeleitet. Sie sind gleichzeitig Professoren derUniversität Rostock, bzw. im Falle der Geo-wissenschaften, der Ernst-Moritz-Arndt-Uni-ersität Greifswald. Eine weitere Professur istmit der Leitung der Querschnittsgruppe Öko-systemmodellierung verbunden.

Alle Sektionen gemeinsam arbeiten an einemForschungsprogramm, das engen Bezug zuaktuellen Problemen von Küsten- und Rand-meeren nimmt, dabei aber gleichzeitig Schnitt-stellen zu den wichtigsten internationalenProgrammen der Meeresforschung, wie demGlobal Ocean Observing System (GOOS)oder den Kernprojekten des ’InternationalGeosphere-Biosphere Programms‘ (LOICZ,JGOFS, GLOBEC, PAGES, SOLAS) beinhal-tet. Dieses langfristig angelegte Forschungs-programm gliedert sich in drei Schwerpunkte:Unter dem Überbegriff Transport und Trans-formationsprozesse im Meer wird die Entste-hung von Gradienten unter dem Einflussexterner Kräfte untersucht und der Fragenachgegangen, welche biogeochemischen Aus-

wirkungen die Ausbildung und Veränderlich-keit dieser Gradienten hat. Ein weitererSchwerpunkt lautet Marine Lebensgemein-schaften und Stoffkreisläufe. Er bündeltForschungsaktivitäten, die die Frage unter-suchen, welche Wechselwirkungen zwischender Zusammensetzung mariner Artengemein-schaften und quantitativen Veränderungen inStoffmenge und Stofftransporten existierenund wie Anpassungsprozesse auf Organismen-und Gemeinschaftsebene in die Stoffkreisläufeeingreifen. Der dritte Schwerpunkt untersuchtMarine Ökosysteme im Wandel und damit die Frage, inwieweit empirisch belegte Ver-änderungen im Ökosystem Klimaschwankun-gen oder menschlichen Aktivitäten oder einemWirkungsgeflecht beider Komponenten zuzu-ordnen sind.Abgeleitet aus historischen Datenund dem heutigen Verständnis von Klimaent-wicklung soll außerdem versucht werden,zukünftige Veränderungen zu prognostizieren.

Das übergeordnete Ziel des gemeinsamen For-schungsprogramms ist, Zusammenhänge zwi-schen einerseits den menschlichen Einwirkun-gen und dem externen Antrieb durch dasgekoppelte Ozean-Atmosphären-System undandererseits der Veränderlichkeit marinerÖkosysteme einschließlich ihrer Organismenbesser zu verstehen. Die Entwicklung einesÖkosystemmodells für die Ostsee spielt dabeieine wichtige Rolle und ist deshalb eineQuerschnittsaufgabe am IOW. In ein solchesComputermodell fließen Informationen undDatenströme aus allen Fachgebieten derOstseeforschung ein. Zusammengesetzt ausphysikalischen, chemischen, biologischen undsedimentologischen Komponenten soll eskomplexe ökosystemare Abläufe simulierenund dadurch das Verständnis für die Dynamikdes Ökosystems Ostsee fördern.

Insgesamt arbeiten rund 160 Personen amIOW, davon sind rund die Hälfte Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Haus-halt des IOW umfasst pro Jahr rund 11 MioEuro. Zusätzlich wirbt das Institut bei diversenFörderinstitutionen regelmäßig Drittmittelein.Im Jahr 2002 standen auf diesem Wege demIOW zusätzlich 2,5 Mio Euro zur Verfügung.

108 promet, Jahrg. 29, Nr. 1- 4, 108-111 (Juni 2003)© Deutscher Wetterdienst 2003

Institute stellen sich vor

Das Institut für Ostseeforschung – Tradition mit Zukunft

Abb. 1: Das Hauptgebäude des IOW.

Page 2: Institute stellen sich vor - met.fu-berlin.dedmg/promet/29/29_IOW.pdf · Unter dem Überbegriff Transport und Trans-formationsprozesse im Meerwird die Entste-hung von Gradienten unter

Für die Arbeiten auf See stehen dem IOW zweiForschungsschiffe zur Verfügung:das zum Poolder mittelgroßen deutschen Forschungsschiffegehörende FS A. V. HUMBOLDT und das kleinereFS PROFESSOR ALBRECHT PENCK (Abb. 2).

Zurzeit wird in der Kröger-Werft bei Schacht-Audorf an einem Ersatz für das 36 Jahre alte FSA.V.HUMBOLDT gebaut.Das neue Schiff soll imSommer 2004 in Dienst gestellt werden undden Namen FS MARIA SIBYLLA MERIAN tragen.Es wird am IOW beheimatet sein und von hieraus für die Meeresforschung eingesetzt wer-den. Sein Einsatzgebiet umfasst die Ostsee, dieNordsee und den Nordatlantik bis hin zu seinennördlichen Eisrandbereichen.Die Finanzierungerfolgte gemeinsam durch den Bund sowie dieLänder Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremenund Mecklenburg-Vorpommern.

Die Zusatzaufgabe „Monitoring“

Bereits in den siebziger Jahren starteten dieOstsee-Anrainerstaaten ein Programm zur Um-weltüberwachung der Ostsee (Monitoring),das die Grundlage für die regelmäßigenZustandseinschätzungen und die umwelt-politischen Empfehlungen und Maßnahmender Helsinki-Kommission (HELCOM) bildet.Für die Bundesrepublik Deutschland führt dasIOW im Auftrag des Bundesamtes für See-schifffahrt und Hydrographie (BSH) die ent-sprechenden Untersuchungen in der Ostseedurch – eine Aufgabe,an der alle Sektionen desIOW beteiligt sind.

Das Monitoring-Programm umfasst Unter-suchungen über die Belastung der Ostsee mitNähr- und Schadstoffen, deren Ausbreitung,Vermischung und Ablagerung sowie ihreAuswirkungen auf die Lebensgemeinschaften.Alle Daten, welche die Ostseeanrainer imRahmen des Monitoring messen, werdenzentral in einer Datenbank der HELCOMgesammelt und geben ein Gesamtbild vom„Gesundheitszustand“ des Ökosystems Ost-see. Ergänzend zu den SchiffsgebundenenArbeiten liefern automatische Messstationenin Schlüsselpositionen rund um die Uhr Daten.Das IOW betreibt für das Bundesamt fürSeeschifffahrt und Hydrographie drei solcher

Stationen und zwar auf der Darßer Schwelle, inder Oderbucht und der Arkonasee. Sie lieferndas ganze Jahr über und mit hoher zeitlicherAuflösung physikalische, chemische und bio-logische Messwerte aus dem Meer sowie diezugehörigen Wetterdaten. Sie sind Bestandteildes seit über 10 Jahren bestehenden stationä-ren Umweltmessnetzes MARNET des BSHmit 3 Stationen in der Nordsee und insgesamt5 Stationen in der Ostsee. Im Sommer 2002brachte das IOW die vorerst letzte Ostsee-station in der Arkonasee aus (siehe Abb. 3).Die neue Mess-Station ist eine so genannteHalbtaucher-Boje. Sie besteht aus zwei Alu-minium-Rohrsektionen, im unteren Teil mit2,3 m und in der oberen Hälfte mit 1 m Durch-messer. Im unteren Bereich ist die Boje mit 22 tBlei gefüllt. Auf ihrer Spitze sitzt eine 3 x 6 m2

große Arbeitsplattform, die etwa 5 m über derWasseroberfläche liegt. Die gesamte Boje istrund 17 m hoch und hat ein Gewicht von 32 t.Fast Dreiviertel des Geräteträgers verschwin-den somit im Wasser und bringen die nötigeStabilisierung, so dass der Geräteträger auchbei schlechtem Wetter relativ ruhig liegt undhochwertige Unterwassermessdaten liefernkann. Die Mess-Station Arkonasee liefertaktuelle Informationen zu den Eigenschaftendes Ostseewassers, wie zum Beispiel Tempe-ratur, Salz-, Sauerstoff und Nährstoffgehaltsowie die Strömung. Ausgerüstet mit einerzusätzlichen Messeinrichtung werden auchmeteorologische Daten wie Lufttemperatur,Windrichtung und -geschwindigkeit automa-tisch erfasst. Die Messwerte der Arkona-Bojewerden wie bei allen MARNET-Stationenüber den Meteosat-Satelliten stündlich an das

109promet, Jahrg. 29, Nr. 1- 4, 2003 Das Institut für Ostseeforschung

Abb. 2: FS PROFESSOR ALBRECHT PENCK

Abb. 3: Die automatische Mess-Station „Arkonasee“.

Page 3: Institute stellen sich vor - met.fu-berlin.dedmg/promet/29/29_IOW.pdf · Unter dem Überbegriff Transport und Trans-formationsprozesse im Meerwird die Entste-hung von Gradienten unter

BSH übertragen und dort direkt einemnationalen und internationalen Nutzerkreiszur Verfügung gestellt.

Autorin: Dr. Barbara Hentzsch

Aktuell: Salzwassereinbrüchen auf der Spur

Vom 16. bis 25. Januar 2003 wurde durch dieautonomen Mess-Stationen auf der DarßerSchwelle und im Arkonabecken der Einstromvon stark salzhaltigem, kaltem Nordseewassermit extrem hohem Sauerstoffgehalt registriert.An der Darßer Schwelle, die den Zugang zuden tieferen Ostseebecken bildet, wurden vom18. - 23. Januar im Oberflächenwasser Salz-gehalte über 17 psu gemessen. Der Einstromkonnte online beobachtet werden, weil dieMessdaten der Stationen über Satellit direktan das IOW und das BSH in Hamburg über-tragen wurden. Abb. 4 zeigt die an der StationDarßer Schwelle gewonnenen Messergebnisseaus dieser Zeit. Parallel zu diesem Einstromdurch die Belte wurde durch das Schwedi-sche Meteorologische und HydrographischeInstitut (SMHI) der Einstrom durch den Sundgemessen.

Die Ursache für dieses ungewöhnliche Ereig-nis lag in dem relativ niedrigen Wasserstandder Ostsee (20-30 cm unter dem Normalstandbei Stockholm, freundliche Mitteilung desSMHI), verursacht durch eine stabile Hoch-drucklage über Skandinavien und den dazu-gehörenden nordöstlichen Winden. Nachdemder Wind über der westlichen Ostsee am11. Januar auf West gedreht und Sturmstärkeangenommen hatte (15 m/s, freundliche Mit-teilung des DWD), sank der Wasserstand derwestlichen Ostsee plötzlich auf -80 cm und einstarker Einstrom setzte ein. Der Salzwasser-einbruch setzte sich mit heftigen Schwankun-gen fort, bis der Wind am 18. Januar nachließ.Zu diesem Zeitpunkt lag der Wasserstand beiStockholm 25 cm über normal. Mit einerVerzögerung von einigen Tagen begann dasNordseewasser über die Schwelle in die tieferenBecken zu strömen. Dieser Prozess wurde da-durch befördert, dass bis zum 24. Januar konti-nuierlich Südwind wehte. Hierdurch konnte dasschwere Salzwasser,das sich in der flachen west-lichen Ostsee gestaut hatte, weiter nach Ostenfließen.So wurde verhindert,dass das Salzwasserdirekt wieder aus dem Kattegat heraus floss.

Alarmiert durch die Daten der autonomenMess-Stationen,führten die Forscher vom IOWvom 24. bis 26. Januar eine adhoc-Expeditionmit dem FS PROFESSOR ALBRECHT PENCK

110 promet, Jahrg. 29, Nr. 1- 4, 2003Das Institut für Ostseeforschung

Abb.4: Wetter- und Salzgehaltsdaten, letztere aus vier verschiedenen Wassertiefen, vomMessmast „Darßer Schwelle“ aus der Zeit des Salzwassereinbruchs im Januar 2003.

Page 4: Institute stellen sich vor - met.fu-berlin.dedmg/promet/29/29_IOW.pdf · Unter dem Überbegriff Transport und Trans-formationsprozesse im Meerwird die Entste-hung von Gradienten unter

durch, um die aktuelle räumliche und zeitlicheVerteilung der Wassermassen zu verfolgen.Das Untersuchungsgebiet umfasste die Ostseezwischen der Mecklenburger Bucht und demBornholm-Becken. Der Schwerpunkt lag beihydrographischen Messungen, ergänzt durchzahlreiche Sauerstoffbestimmungen.

Das eingeströmte Salzwasser hatte zu diesemZeitpunkt das Arkona-Becken erreicht, wo eseine 10 m dicke Salzwasserschicht am Bodenbildete. Dieses Wasser war mit Sauerstoff gutangereichert (etwa 8 ml/l). Im Bornholmsgatwurde stark salzhaltiges Wasser mit bis zu24,5 psu am Boden beobachtet, was auf denZustrom durch den Sund zurückgeführtwerden kann. Auch im Bornholm-Beckenkonnten bereits die Auswirkungen des Ein-stroms nachgewiesen werden. Im westlichenTeil des Beckens war die gesamte Wassersäulegut mit Sauerstoff versorgt mit 6,69 ml/l inBodennähe. Der Salzgehalt betrug hier 18,7psu. Auch in der Mitte des Bornholmbeckens(Station BY5) konnten erste Anzeichen desEinstroms entdeckt werden. Eine sauerstoff-arme Schicht wurde durch neu einströmendesWasser, welches in einer Tiefe von 87 m 16,2psu und 2,98 ml/l Sauerstoff hatte, unterströmtund angehoben.

Solche Einströme von stark sauerstoffhaltigemWasser sind die einzige Möglichkeit, dasTiefenwasser in der zentralen Ostsee zuerneuern und die Sauerstoff-Situation dort zuverbessern. Aus diesem Grund werden dieEinströme sowohl von den Forschern als auchvon den Fischern begrüßt. Der letzte Salz-wassereinbruch dieser Größenordnung fandim Winter 1993/94 statt. Seitdem verarmte dasWasser in den Tiefenbecken an Sauerstoff undbeträchtliche Mengen des toxischen Schwefel-wasserstoffes entstanden.Obwohl ein Einstrommittlerer Stärke im September 1997 das Tiefen-wasser durch außergewöhnlich warmes Wasserersetzte, änderte dies an dem schlechten Belüf-tungszustand der Becken nachhaltig nichts.

Zum jetzigen Zeitpunkt können die genauenAusmaße des Salzwassereinbruchs nur ge-schätzt werden. Das schwedische FS ARGOS

berichtet, dass durch den Sund 40 km2

Salzwasser geströmt sind. Was hier einströmtist normalerweise ein Drittel des Gesamt-zustroms durch Sund und Beltsee. Folglichkann davon ausgegangen werden, dass rund120 km3 Salzwasser in die Ostsee gelangten.Berechnungen auf der Basis von 50 cm Wasser-standsdifferenz am Landsorttief führen zu

geschätzten 180 km3. Der momentane Ein-strom kann aufgrund seiner Ausmaße undbesonders wegen seiner Sauerstoff-Sättigungals wichtigstes Ereignis seit dem Winter1993/94 gewertet werden. Da sein Volumen(vor der Vermischung) kleiner als 225 km3 ist(das Volumen des Bornholm Beckens unter-halb der Schwelle des Stolpe Kanals), wirderwartet, dass das einströmende Salzwasser das„alte“ Bodenwasser des Bornholm-Beckensanhebt. Daraus könnte resultieren, dass dieses„verbrauchte“ Wasser durch den Stolpe Kanalins Gotland-Becken vordringt.Momentan kannnoch nicht vorhergesagt werden, wie stark inder Stolper Rinne die Vermischung zwischendem angehobenen alten Bodenwasser unddem eingeströmten Wasser sein wird.

Auf den im Februar und März stattfindendenregulären Monitoringfahrten des IOW wirddas weitere Fortschreiten des einströmendenWassers und seine Auswirkung auf das östlicheGotland-Becken zu untersuchen sein. Erstdanach kann der Salzwassereinstrom abschlie-ßend bewertet werden.

Autoren: Dr. Rainer Feistel,Dr. Hans-Ulrich Lass,

Dr. Günther Nausch

Anschrift des InstitutesInstitut für Ostseeforschung WarnemündeSeestraße 1518119 RostockTel.: 0381 5197-0Fax: 0381 5197-440E-Mail: [email protected] IOW im Internet:http://www.io-warnemuende.de

111promet, Jahrg. 29, Nr. 1- 4, 2003 Das Institut für Ostseeforschung