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1 Einleitung Unternehmungen sehen sich einer Aus- gangslage gegenu ¨ber, in der eine unterneh- mensweit konsistente Betrachtung von Ertrags- und Risikogro ¨ ßen zur Unterstu ¨ t- zung einer wertorientierten Unterneh- mensfu ¨ hrung und zur Erfu ¨ llung regulatori- scher Transparenzanforderungen und ge- setzlicher Publizita ¨tsverpflichtungen (z. B. fu ¨r bo ¨ rsennotierte Unternehmungen in Deutschland nach dem KonTraG [SaBr99] bzw. in den USA nach dem Sarbanes-Ox- ley Act [SOA02]) immer wichtiger wird. Dazu ist eine Gesamtbetrachtung der Er- trags- und Risikoposition der Unterneh- mung nicht ausreichend. Eine Unter- nehmung muss auch in der Lage sein, die Ertrags- und Risikobeitra ¨ge ihrer Teilberei- che auf unterschiedlichen Aggregationsstu- fen in unterschiedlichen Dimensionen (z. B. Kunden-, Produktgruppen) bis hin zum Einzelgescha ¨ft zu messen und unter- schiedliche interne Entscheidungstra ¨ger (z. B. Vorsta ¨nde, Bereichsleiter) sowie ex- terne Stakeholder (z. B. Shareholder, Auf- sichtsbeho ¨ rden) konsistent mit zielgrup- pengerechten Ertrags- und Risikoinforma- tionen zu versorgen. Zum Aufbau einer entsprechenden Da- tengrundlage fehlt es jedoch an geeigneten finanzwirtschaftlichen Methoden und Kennzahlensystemen. Speziell die durch- ga ¨ngige Modellierung einheitlicher Risiko- gro ¨ ßen, mit denen eine konsistente Aggre- gation u ¨ ber mehrere Aggregationsstufen in beliebigen Dimensionen mo ¨ glich ist, berei- tet den Unternehmungen Schwierigkeiten. Daru ¨ ber hinaus besitzen Unternehmungen zumeist historisch gewachsene, heterogene Systemlandschaften mit zweckspezifischen „Silosystemen“, in welchen Ertrags- und Risikoinformationen verteilt und nicht in- tegriert vorliegen. Die Unterstu ¨ tzung der Planungs- und Kontrollprozesse erfolgt ha ¨ ufig mit Spreadsheet-basierten „Schatten- systemen“ (bspw. MS Excel). So nutzen nach einer Umfrage [IBM03] unter weltweit ca. 450 Finanzvorsta ¨ nden 81 % der Finanz- bereiche weltweit agierender Unterneh- mungen Spreadsheets zur Unterstu ¨ tzung der internen Planungs- und Kontrollpro- zesse. Zwar wurden vielfa ¨ltige Ansa ¨tze zur technischen Integration [Mert04], wie zur Daten-, Prozess-, Methoden- und Anwen- dungsintegration, entwickelt und erfolg- reich umgesetzt. So sind bspw. die tech- nischen Voraussetzungen zum Aufbau ei- ner konsistenten Datengrundlage durch entsprechende Datawarehouse- und OLAP- WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 6, S. 403 412 Die Autoren Ulrich Faisst Hans Ulrich Buhl Dr. Ulrich Faisst Prof. Dr. Hans Ulrich Buhl Universita ¨t Augsburg Lehrstuhl fu ¨r Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik & Financial Engineering Kernkompetenzzentrum IT & Finanzdienstleistungen Universita ¨tsstraße 16 86135 Augsburg {Ulrich.Faisst|Hans-Ulrich.Buhl} @wiwi.uni-augsburg.de http://www.wi-if.de Integrated Enterprise Balancing mit integrierten Ertrags- und Risiko- datenbanken Kernpunkte Zur Unterstu ¨tzung einer wertorientierten Unternehmensfu ¨hrung sowie zur Erfu ¨llung regulato- rischer Transparenzanforderungen und gesetzlicher Publizita ¨tsverpflichtungen beno ¨tigen Unternehmungen eine unternehmensweit konsistente Datengrundlage mit Ertrags- und Risi- koinformationen. Trotz vorhandener technischer Integrationsansa ¨tze, bspw. auf Basis von Datawarehouse- und OLAP-Lo ¨sungen, fehlen jedoch zum Aufbau integrierter Ertrags- und Risikodatenbanken geeignete finanzwirtschaftliche Methoden und Kennzahlensysteme. Integrated Enterprise Balancing soll daher Unternehmungen aus allen Branchen in die Lage versetzen, ihre Gescha ¨ftsta ¨tigkeit mit unternehmensweit einheitlichen Ertrags- und Risi- kogro ¨ßen zu steuern. Das vorgestellte Kennzahlensystem ermo ¨glicht Unternehmungen, Er- trags- und Risikogro ¨ßen auf beliebig vielen Aggregationsstufen wertadditiv zu verknu ¨pfen sowie derartige Aggregationen auch fu ¨r mehrere Dimensionen durchzufu ¨hren. Es stellt somit einen Lo ¨sungsansatz zum Aufbau integrierter Ertrags- und Risikodatenbanken dar. Stichworte: integriertes IT-unterstu ¨tztes Ertrags- und Risikomanagement, wertorientierte Un- ternehmensfu ¨hrung, Konsistenzanforderungen an Ertrags- und Risikodatenbanken WI – Aufsatz

Integrated Enterprise Balancing mit integrierten Ertrags- und Risikodatenbanken; Integrated Enterprise Balancing with Integrated Return and Risk Databases;

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Page 1: Integrated Enterprise Balancing mit integrierten Ertrags- und Risikodatenbanken; Integrated Enterprise Balancing with Integrated Return and Risk Databases;

1 Einleitung

Unternehmungen sehen sich einer Aus-gangslage gegenuber, in der eine unterneh-mensweit konsistente Betrachtung vonErtrags- und Risikogroßen zur Unterstut-zung einer wertorientierten Unterneh-mensfuhrung und zur Erfullung regulatori-scher Transparenzanforderungen und ge-setzlicher Publizitatsverpflichtungen (z. B.fur borsennotierte Unternehmungen inDeutschland nach dem KonTraG [SaBr99]bzw. in den USA nach dem Sarbanes-Ox-ley Act [SOA02]) immer wichtiger wird.Dazu ist eine Gesamtbetrachtung der Er-trags- und Risikoposition der Unterneh-mung nicht ausreichend. Eine Unter-

nehmung muss auch in der Lage sein, dieErtrags- und Risikobeitrage ihrer Teilberei-che auf unterschiedlichen Aggregationsstu-fen in unterschiedlichen Dimensionen(z. B. Kunden-, Produktgruppen) bis hinzum Einzelgeschaft zu messen und unter-schiedliche interne Entscheidungstrager(z. B. Vorstande, Bereichsleiter) sowie ex-terne Stakeholder (z. B. Shareholder, Auf-sichtsbehorden) konsistent mit zielgrup-pengerechten Ertrags- und Risikoinforma-tionen zu versorgen.Zum Aufbau einer entsprechenden Da-

tengrundlage fehlt es jedoch an geeignetenfinanzwirtschaftlichen Methoden undKennzahlensystemen. Speziell die durch-gangige Modellierung einheitlicher Risiko-großen, mit denen eine konsistente Aggre-gation uber mehrere Aggregationsstufen inbeliebigen Dimensionen moglich ist, berei-tet den Unternehmungen Schwierigkeiten.Daruber hinaus besitzen Unternehmungen

zumeist historisch gewachsene, heterogeneSystemlandschaften mit zweckspezifischen„Silosystemen“, in welchen Ertrags- undRisikoinformationen verteilt und nicht in-tegriert vorliegen. Die Unterstutzung derPlanungs- und Kontrollprozesse erfolgthaufig mit Spreadsheet-basierten „Schatten-systemen“ (bspw. MS Excel). So nutzennach einer Umfrage [IBM03] unter weltweitca. 450 Finanzvorstanden 81% der Finanz-bereiche weltweit agierender Unterneh-mungen Spreadsheets zur Unterstutzungder internen Planungs- und Kontrollpro-zesse.Zwar wurden vielfaltige Ansatze zur

technischen Integration [Mert04], wie zurDaten-, Prozess-, Methoden- und Anwen-dungsintegration, entwickelt und erfolg-reich umgesetzt. So sind bspw. die tech-nischen Voraussetzungen zum Aufbau ei-ner konsistenten Datengrundlage durchentsprechende Datawarehouse- und OLAP-

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 6, S. 403–412

Die Autoren

Ulrich FaisstHans Ulrich Buhl

Dr. Ulrich FaisstProf. Dr. Hans Ulrich BuhlUniversitat AugsburgLehrstuhl fur Betriebswirtschaftslehre,Wirtschaftsinformatik & FinancialEngineeringKernkompetenzzentrum IT& FinanzdienstleistungenUniversitatsstraße 1686135 Augsburg{Ulrich.Faisst|Hans-Ulrich.Buhl}@wiwi.uni-augsburg.dehttp://www.wi-if.de

Integrated Enterprise Balancingmit integrierten Ertrags- und Risiko-datenbanken

Kernpunkte

Zur Unterstutzung einer wertorientierten Unternehmensfuhrung sowie zur Erfullung regulato-rischer Transparenzanforderungen und gesetzlicher Publizitatsverpflichtungen benotigenUnternehmungen eine unternehmensweit konsistente Datengrundlage mit Ertrags- und Risi-koinformationen. Trotz vorhandener technischer Integrationsansatze, bspw. auf Basis vonDatawarehouse- und OLAP-Losungen, fehlen jedoch zum Aufbau integrierter Ertrags- undRisikodatenbanken geeignete finanzwirtschaftliche Methoden und Kennzahlensysteme.Integrated Enterprise Balancing soll daher Unternehmungen aus allen Branchen in die

Lage versetzen, ihre Geschaftstatigkeit mit unternehmensweit einheitlichen Ertrags- und Risi-kogroßen zu steuern. Das vorgestellte Kennzahlensystem ermoglicht Unternehmungen, Er-trags- und Risikogroßen auf beliebig vielen Aggregationsstufen wertadditiv zu verknupfensowie derartige Aggregationen auch fur mehrere Dimensionen durchzufuhren. Es stellt somiteinen Losungsansatz zum Aufbau integrierter Ertrags- und Risikodatenbanken dar.

Stichworte: integriertes IT-unterstutztes Ertrags- und Risikomanagement, wertorientierte Un-ternehmensfuhrung, Konsistenzanforderungen an Ertrags- und Risikodatenbanken

WI – Aufsatz

Page 2: Integrated Enterprise Balancing mit integrierten Ertrags- und Risikodatenbanken; Integrated Enterprise Balancing with Integrated Return and Risk Databases;

Losungen bereits gegeben. Zudem hat dieSAP AG bereits ein mehrzweckfahiges Da-tenmodell zur gemeinsamen Unterstutzungder neuen IFRS- und Basel-II-Anforde-rungen entwickelt. Dennoch fehlen bislangadaquate finanzwirtschaftliche Methodenund Kennzahlensysteme zum Aufbau inte-grierter Ertrags- und Risikodatenbanken,die eine unternehmensweit konsistente In-formationsversorgung mit Ertrags- und Ri-sikoinformationen ermoglichen.Vor diesem Hintergrund besteht die Vi-

sion von Integrated Enterprise Balancingdarin, es Unternehmungen aus allen Bran-chen durch integrierte Ertrags- und Risiko-managementsysteme zu ermoglichen, ihreGeschaftstatigkeit in allen Unternehmens-funktionen konsistent nach einheitlichenErtrags- und Risikogroßen zu steuern(Bild 1). Um optimale Entscheidungen beiZugrundelegung einer Zielfunktion derwertorientierten Unternehmensfuhrungtreffen zu konnen, sollen sowohl regulato-rische Nebenbedingungen als auch Repor-tinganforderungen an unterschiedlicheStakeholder berucksichtigt werden. Einegemeinsame Datengrundlage soll dazu In-formationen aus den Bereichen Return,Risk, Regulations und Reporting (4R)konsistent abbilden.Dieser Beitrag formuliert Anforderun-

gen an ein 4R-Kennzahlensystem und stellteinen ersten Losungsansatz zur Schaffungeiner unternehmensweit konsistenten Da-tengrundlage zum Aufbau integrierter Er-trags- und Risikodatenbanken vor. AufBasis eines kurzen �berblicks uber den

State-of-the-Art der finanzwirtschaftlichenKonzepte zum integrierten Ertrags- undRisikomanagement werden folgende For-schungsfragen untersucht:1. Welche Anforderungen sind an ein

4R-Kennzahlensystem zu stellen? Wel-che finanzwirtschaftlichen Losungs-ansatze gibt es zum Aufbau einer unter-nehmensweit konsistenten Datengrund-lage?

2. Wie kann ein 4R-Kennzahlensystem ei-ne wertadditive Aggregation jeweils vonErtrags- und Risikogroßen sowie Wert-beitragen uber beliebig viele Aggrega-tionsstufen ermoglichen? Wie kann einesolche Aggregation jeweils in mehrerenDimensionen erfolgen?

3. Welche Konsistenzanforderungen sindan die finanzwirtschaftlichen Großenund Parameter zu stellen, um den Auf-bau integrierter Ertrags- und Risiko-datenbanken zu unterstutzen?

Diese Forschungsfragen werden in den fol-genden Abschnitten beantwortet und aufdieser Basis ein Ausblick auf Herausforde-rungen fur die Wirtschaftsinformatik indiesem Bereich gegeben.

2 FinanzwirtschaftlicheMethoden zum integriertenErtrags- und Risikomanagement

Zum integrierten Ertrags- und Risiko-management wurde im Laufe der Zeit eine

Vielzahl von finanzwirtschaftlichen Me-thoden, Konzepten und Kennzahlensyste-men entwickelt. Speziell in der Finanz-dienstleistungsbranche, aber auch in derbetrieblichen Finanzwirtschaft haben sichKennzahlenkonzepte wie risikobereinigteRentabilitatskennzahlen (RAPM: Risk Ad-justed Performance Measures) und Resi-dualgewinnkonzepte (z. B. EVA: EconomicValue Added) etabliert: Bei RAPM bestehtdie grundsatzliche Vorgehensweise in derRisikoadjustierung einer erwarteten Ren-dite um das zur Unterlegung eines risiko-behafteten Geschafts eingesetzte Risikoka-pital mittels Quotientenbildung [BaKu00].RAPM konnen entweder im Zahler oderim Nenner oder in Zahler und Nennerrisikobereinigt sein: RAPM = (risk �adjusted) Return / (risk � adjusted) Capi-tal. Alternativ dazu basieren Residualge-winnkonzepte, wie EVA, auf der Messungdes absoluten Wertzuwachses abzuglichder Kapitalkosten [Host96].Aufgrund ihrer einfachen Anwendbar-

keit besitzen RAPM und EVA eine großeVerbreitung in der Praxis. Der Aufbau vonkonsistenten, integrierten Ertrags- und Ri-sikodatenbanken ist mit diesen Konzeptenaber i. d. R. nicht moglich, da bei derenAnwendung insb. folgende Probleme auf-treten:& Bei RAPM und EVA werden Risiko-

bewertungen auf niedrigen Aggrega-tionsstufen normalerweise als Stand-alone-Bewertungen von Einzelgeschaf-ten (bzw. Teilportfolios) eines Portfoliosdurchgefuhrt. Bestehende Diversifika-tionseffekte zwischen Einzelgeschaften(bzw. Teilportfolios) werden erst nachder Aggregation zu einem Portfolio aufeiner hoheren Aggregationsstufe be-rucksichtigt. Daher entspricht die Sum-me der Einzelrisikobewertungen derEinzelgeschaften (bzw. Teilportfolios)i. d. R. nicht der Gesamtrisikobewer-tung des Portfolios. Eine einfache addi-tive Aggregation der Einzelrisikobewer-tungen zu einer Gesamtrisikobewertungist daher nicht moglich.

& Werden die verwendeten Ertrags- undRisikogroßen bereits auf niedrigerenAggregationsstufen zu einer risikoadjus-tierten Performancekennzahl (RAPM)bzw. zu einem Wertbeitrag (EVA) ver-knupft, so tritt ein Informationsverlustauf hoheren Aggregationsstufen ein, so-fern die entsprechenden Inputgroßenund Parameter nicht – jeweils separiert –auch auf hoheren Aggregationsstufenbestimmt werden.

& Auch wenn die Inputgroßen separiertauf jeder Aggregationsstufe bereitgehal-

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 6, S. 403–412

4R-Steuerungsmethodik

Unternehmensfunktionen

Branchen

WertorientierteUnternehmensführung

Return RiskReportingRegulations 4R

Integriertes Ertrags-/Risikomanagement unter Zugrunde-legung einer Zielfunktion der wertorientierten Unterneh-mensführung und unter Berücksichtigung regulatorischerNebenbedingungen und Reporting-Anforderungen

Finanzdienst-leistungen

Handel

Industrie

Finanzen Marketing Produktion …

Bild 1 Integrated Enterprise Balancing – Ein funktionsubergreifendes Konzept furUnternehmungen aus allen Branchen

404 Ulrich Faisst, Hans Ulrich Buhl

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ten werden, so besteht bei RAPM einzusatzliches Problem durch die Quo-tientenbildung: Durch die Verknupfungvon Ertrags- und Risikogroßen zu rela-tiven Großen ist eine Aggregation aufhoheren Aggregationsstufen nicht ohneweiteres moglich. Es konnen prinzipiellFalle auftreten, bei denen trotz Verbes-serung der RAPM aller Einzelgeschafte(bzw. Teilportfolios) eines Portfolios aufGesamtebene des Portfolios eine Ver-schlechterung eintritt und umgekehrt.Dies stellt den Einsatz als Kennzahlen-system zum integrierten Ertrags- undRisikomanagement zusatzlich in Frage.

Der Aufbau von bottom-up aggregations-fahigen, multidimensionalen Datenbankenfur Ertrags- und Risikogroßen sowie Wert-beitragen kann daher mit den bislang in derPraxis sehr verbreiteten finanzwirtschaft-lichen Kennzahlensystemen nicht erfolgen.Es bedarf eines neuartigen Losungsansat-zes als fachliche Grundlage zum Aufbaukonsistenter, integrierter Ertrags- und Risi-kodatenbanken.

3 FinanzwirtschaftlicheAnforderungen und Losungs-ansatze fur ein unternehmens-weit konsistentes 4R-Kenn-zahlensystem

Ausgehend von grundlegenden Aufgabenund Anforderungen wird in diesem Ab-schnitt ein finanzwirtschaftlicher Losungs-ansatz fur den Aufbau eines unterneh-mensweit konsistenten 4R-Kennzahlensys-tems vorgestellt.

3.1 Grundlegende Aufgabenund Anforderungen an ein4R-Kennzahlensystem

Um den Aufgaben einer wertorientiertenUnternehmensfuhrung einerseits und denAnforderungen regulatorischer Trans-parenzanforderungen und gesetzlicher Pub-lizitatsverpflichtungen (wie bspw. desKonTraG) andererseits gerecht werden zukonnen, muss ein 4R-Kennzahlensystemeine konsistente Ertrags- und Risiko-steuerung und -uberwachung durchgangiguber alle Hierarchieebenen ermoglichen[Huth03]. Die Ermittlung der Ertrags- undRisikoposition auf Ebene der (Gesamt-)Unternehmung ist nicht ausreichend, son-dern bedarf zusatzlich einer unterneh-mensweiten, kontinuierlichen Analyse derErtrags- und Risikobeitrage der Teilberei-

che der Unternehmung auf unterschied-lichen Aggregationsstufen. Dazu sind Risi-koverbundeffekte fur die unterschiedlichenTeilbereiche der Unternehmung bis hinzum Einzelgeschaft zu berucksichtigen.Daruber hinaus muss ermittelt werdenkonnen, ob ein Teilbereich der Unterneh-mung einen positiven oder negativen Wert-beitrag erbringt. Das 4R-Kennzahlensys-tem muss in der Lage sein, Ertrags- undRisikogroßen sowie Wertbeitrage jeweilsfur beliebige Dimensionen auf beliebig vie-len Aggregationsstufen zusammenzufas-sen, um so konsistente Sichten fur unter-schiedliche Unternehmensfunktionen (z. B.Finanzen, Marketing, Produktion) gemaßBild 1 zu ermoglichen.

3.2 Bewertung unsichererZahlungsstrome durch Ertrags- undRisikogroßen

Zunachst soll begrundet werden, warumunsichere Zahlungsstrome und nicht an-dere Rechengroßen, wie bspw. Gewinneoder Deckungsbeitrage, als Basis eines4R-Kennzahlensystems dienen:& Am Kapitalmarkt stellen Investoren ei-

nen Marktwert fur unsichere Zahlungs-strome insb. anhand der Barwerte unsi-cherer Zahlungsstrome und derenSchwankungen fest. Unsichere Zah-lungsstrome sind daher eine objektiveGrundlage fur Investitionsentscheidun-gen unter Unsicherheit [FrHa03].

& Zwar gibt es in Unternehmungen nebenZahlungsstrombetrachtungen auch diebuchhalterische Rechnungslegung sowiedie Kosten- und Leistungsrechnung, je-doch zeigen sich diese als Grundlage fureine marktorientierte Unternehmens-steuerung – aufgrund der mit ihnen ver-bundenen (subjektiven) Bewertungen –weitaus weniger geeignet als unsichereZahlungsstrome.

& Zusatzlich kann eine im Zeitablauf zu-nehmende Kongruenz der internen undexternen Rechnungslegung festgestelltwerden, welche die Bedeutung von Zah-lungsstromen zusatzlich steigert: So se-hen die Bewertungsansatze nach IFRS/IAS eine marktgerechte Bewertung derInvestitionen einer Unternehmung aufBasis von Zahlungsstromen vor.

Eine (Kapital-)marktorientierte Unterneh-menssteuerung stellt daher Zahlungsstromebzw. Barwerte von Zahlungsstromen sowiederen Schwankungen in den Fokus der Be-trachtungen. Um eine Bewertung von Ein-zelgeschaften anhand von Zahlungsstro-men zu ermoglichen, sind den jeweiligen

Einzelgeschaften die durch sie verursach-ten direkten und indirekten Ein- und Aus-zahlungen zuzurechnen. Im Folgenden solldavon ausgegangen werden, dass fur jedesEinzelgeschaft die unsicheren Zahlungs-uberschusse sowie deren Verteilung be-kannt sind bzw. mit Hilfe von �berfuh-rungsrechnungen aus alternativen Rech-nungsgroßen generiert werden konnen,wenngleich in der Praxis ggf. derartige In-formationen nicht generell auf Einzel-geschaftsebene vorliegen durften und ge-schatzt werden mussen. Je mehr historischeDaten jedoch vorliegen bzw. je mehrgleichartige Einzelgeschafte dazu in einemPortfolio zusammengefasst werden kon-nen, umso eher gelingt eine solche Schat-zung in der Praxis. Zuordnungsproblemesollen im Rahmen des Beitrags nicht be-trachtet werden.

Zur Bewertung der unsicheren Zah-lungsstrome sollen Ertrags- und Risiko-großen wie folgt begrifflich aufgefasst wer-den:& Der Begriff Ertragsgroße wird in der all-

gemeinen Betriebswirtschaftslehre ub-licherweise als eine buchhalterischeGroße verstanden. Aufgrund der Ver-breitung des Begriffs Ertrags- und Risi-komanagement, welcher hinsichtlich derverwendeten Großen praziser „Manage-ment der erwarteten Barwerte aus Zah-lungsuberschussen und deren Risiken“heißen musste, wird der Begriff Ertrags-große abweichend davon als Erwar-tungswert des unsicheren Barwerts einesZahlungsstroms definiert.

& Die entsprechende Risikogroße soll dieSchwankungen des betrachteten, unsi-cheren Barwerts bewerten.

Auf Basis unsicherer Zahlungsstrome undderen Bewertung durch Ertrags- und Risi-kogroßen werden im Folgenden das4R-Kennzahlensystem vorgestellt und dieAnnahmen A1–A6 getroffen; in Anhang 1werden – zur besseren �bersichtlichkeitund aufgrund der Langenbegrenzung desBeitrags – zusatzliche formale Erganzun-gen der Annahmen vorgenommen:A1) Unsichere Zahlungsstrome und

Barwerte der Einzelgeschafte i: Eine Un-ternehmung besitze zum Zeitpunkt t ¼ 0ein Portfolio aus den laufenden Einzel-geschaften i. Fur jedes Einzelgeschaft i lasst

sich der unsichere Zahlungsstrom ~~ZZ~ZZi an-hand der unsicheren Zahlungsuberschusse~zzit uber eine Laufzeit Ti zu den Zeitpunk-ten t ¼ 0 bis t ¼ Ti in der folgenden Form

angeben: ~~ZZ~ZZi ¼ ð~zzi0, ~zzi1, ~zzi2, . . . , ~zziTiÞ. Der un-

sichere Barwert ~BBWð~~ZZ~ZZiÞ eines Zahlungs-

stroms ~~ZZ~ZZi berechnet sich durch die Diskon-

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Integrated Enterprise Balancing mit integrierten Ertrags- und Risikodatenbanken 405

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tierung der Zahlungsuberschusse ~zzit zumZeitpunkt t ¼ 0 mit dem risikolosen Zins-satz rip (jeweils fur die Perioden p):

~BBWð~~ZZ~ZZiÞ ¼ ~zzi0 þPT

i

t¼ 1

~zzitQt

p¼ 1ð1þripÞ

Die Dichtefunktionen aller betrachteten

Zufallsvariablen ~zzit bzw. ~BBWð~~ZZ~ZZiÞ sowie derrisikolose Zinssatz rip seien bekannt.A2) Ertragsgroße: Eine Ertragsgroße Ei

ist definiert als der Erwartungswert

Eð~BBWð~~ZZ~ZZiÞÞ des Barwerts ~BBWð~~ZZ~ZZiÞ zum

Zeitpunkt t ¼ 0. Es gilt: Ei ¼ Eð~BBWð~~ZZ~ZZiÞÞ.A3) Risikogroße: Die unsicheren Zah-

lungsstrome ~~ZZ~ZZi der Einzelgeschafte i wer-den zu einem unsicheren Gesamtzahlungs-strom des Portfolios U der Unternehmung~~ZZ~ZZU mit ~~ZZ~ZZU ¼ P

i

~~ZZ~ZZi zusammengefasst. Eine

Risikogroße Ri bewertet den absoluten Ri-

sikobeitrag des Barwerts ~BBWð~~ZZ~ZZiÞ einesEinzelgeschafts i zum absoluten Gesamt-

risiko RU des Barwerts ~BBWð~~ZZ~ZZUÞ der Un-ternehmung. Zur Bewertung wird die Ko-

varianz zwischen dem Barwert ~BBWð~~ZZ~ZZiÞ desEinzelgeschafts i und dem Barwert~BBWð~~ZZ~ZZUÞ des Portfolios U der Unterneh-mung zum Zeitpunkt t ¼ 0 verwendet[Huth03]. Es gilt:

Ri ¼ Covi;U ¼ ri;U � si � sU

mit:Covi;U: Kovarianz zwischen dem Bar-

wert ~BBWð~~ZZ~ZZiÞ und dem Barwert ~BBWð~~ZZ~ZZUÞ,jeweils in t ¼ 0.ri;U: Korrelation zwischen dem Barwert

~BBWð~~ZZ~ZZiÞ und dem Barwert ~BBWð~~ZZ~ZZUÞ, je-weils in t ¼ 0.

si: Standardabweichung des Barwerts~BBWð~~ZZ~ZZiÞ in t ¼ 0.sU: Standardabweichung des Barwerts

~BBWð~~ZZ~ZZUÞ in t ¼ 0.In den folgenden Abschnitten wird eine

eindimensionale und darauf aufbauend einemultidimensionale Aggregation der Er-trags- und Risikogroßen der Einzel-geschafte i durchgefuhrt.

3.3 Eindimensionale Aggregationvon Ertrags- und Risikogroßen ineiner hierarchischen Baumstruktur

Zunachst wird untersucht, wie Ertrags-und Risikogroßen auf beliebig vielen Ag-gregationsstufen bei eindimensionaler Be-trachtung aggregiert werden konnen. Umdie Ertrags- und Risikogroßen der Einzel-geschafte i einer Unternehmung auf belie-big vielen Aggregationsstufen konsistentverknupfen zu konnen, wird in A4 einehierarchische Baumstruktur zur Abbildungeiner hierarchischen Organisationsstrukturdefiniert.

A4) Hierarchische BaumstrukturDie Einzelgeschafte i einer Unternehmunglassen sich uber Teilportfolios auf n Aggre-gationsstufen in einer hierarchischenBaumstruktur bis hin zum Portfolio U derUnternehmung zusammenfassen (mitn 2 N). Eine solche hierarchische Baum-struktur umfasst die Knoten x(A_k) aufden Aggregationsstufen A_k (mitk 2 f1, ng): Der Knoten U(A_1) auf derhochsten Aggregationsstufe A_1 (Wurzel-knoten) reprasentiert das Portfolio U, wel-ches alle Einzelgeschafte i der Unterneh-mung umfasst. Die Knoten x(A_k) (furk 2 {2, n� 1}) der darunter liegenden Ag-gregationsstufen A_2 bis A_n� 1 (Teil-baume) stellen Teilportfolios der Unter-nehmung dar. Die Knoten i(A_n) der nied-rigsten Aggregationsstufe A_n (Blatter)vertreten die Einzelgeschafte i der Unter-nehmung.Bild 2 zeigt eine hierarchische Baum-

struktur zur Aggregation der Einzel-geschafte einer Unternehmung uber belie-big viele Aggregationsstufen. So konnenEinzelgeschafte bspw. zunachst zu Teil-portfolios einzelner Untergeschaftsberei-che, dann zu Teilportfolios der Geschafts-bereiche und schließlich zum Portfolio Uder Unternehmung zusammengefasst wer-den. Fur jedes Teilportfolio bzw. Portfoliox(A_k) soll je eine Ertragsgroße und eineRisikogroße durch Aggregation der ent-sprechenden Großen der Einzelgeschafteermittelt werden. Eine solche Aggregationder Einzelgeschafte, uber Teilportfolios bishin zum Portfolio der Unternehmung ubermehrere Aggregationsstufen hinweg, wirdwesentlich erleichtert, wenn die betrachte-ten Großen die Eigenschaft der Wertadditi-vitat erfullen.

Die folgende Definition nach [FrHa03]legt allgemein die Eigenschaft der Wert-additivitat von finanzwirtschaftlichen Gro-ßen als Bewertungsfunktion fur unsichereZahlungsstrome fest.

Definition: Wertadditivitat einerBewertungsfunktion fur unsichereZahlungsstrome

Eine Bewertungsfunktion Vð~~ZZ~ZZÞ fur unsi-

chere Zahlungsstrome ~~ZZ~ZZ ist wertadditiv,wenn bei deren Anwendung auf jeweils

zwei beliebige Zahlungsstrome ~~ZZ~ZZi und ~~ZZ~ZZj

stets gilt, dass die Summe der Bewertungen

der beiden Zahlungsstrome ~~ZZ~ZZi und ~~ZZ~ZZj derBewertung der Summe der Zahlungsstrome~~ZZ~ZZi und ~~ZZ~ZZj entspricht:

Vð~~ZZ~ZZi þ ~~ZZ~ZZjÞ ¼ Vð~~ZZ~ZZiÞ þ Vð~~ZZ~ZZjÞ .

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 6, S. 403–412

Aggregation der Ertrags- und Risikogrößensowie Wertbeiträge einer Unternehmungin einer hierarchischen Baumstruktur

.. .. .. ..

.. ..

.. ..

Aggregationsstufen

A_1: Portfolio derUnternehmung

A_2:z. B. Teilportfolios derGeschäftsbereiche

A_n-1:z. B. Teilportfolios vonUntergeschäftsbereichen

A_n:Einzelgeschäfte

..

........

WertbeitragW

ErtragE

RisikoR

Bild 2 Hierarchische Baumstruktur

406 Ulrich Faisst, Hans Ulrich Buhl

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Die Eigenschaft der Wertadditivitat wirdim Folgenden fur Ertrags- und Risikogro-ßen sowie Wertbeitrage auf beliebig vielenAggregationsstufen untersucht.

Wertadditive Aggregation von Ertrags-großen

Die Eigenschaft der Wertadditivitat vonErtragsgroßen setzt die Einhaltung der fol-genden Konsistenzanforderung K1 voraus([FrHa03]; siehe Beweis in Anhang 2):Konsistenzanforderung K1: Die Konsis-

tenzanforderung K1 besteht in der einheit-lichen Verwendung eines risikofreien Zins-satzes rp fur alle Einzelgeschafte i (mitrp ¼ rip8i), der fur die Diskontierung derZahlungsuberschusse ~zzit in der jeweiligenPeriode p anzuwenden ist.Ergebnis 1: Wenn die Annahmen A1,

A2 und A4 sowie die Konsistenzanforde-rung K1 erfullt sind, dann konnen Ertrags-großen auf beliebigen Aggregationsstufeneiner hierarchischen Baumstruktur wert-additiv verknupft werden:& Der Gesamtertrag Eiþ j aus den Einzel-

geschaften i und j entspricht der Summeder Ertrage Ei und Ej der Einzelgeschaf-te i und j: Eiþ j ¼ Ei þ Ej (mit i 6¼ j).

& Betrachtet man die einem Portfolioy(A_k) auf einer hoheren Aggregations-stufe A_k (8k mit 1 � k < n) zugeord-neten jeweils paarweise disjunkten Teil-portfolios xðAk þ 1Þ einer niedrigerenAggregationsstufe Ak þ 1, so gilt fur dieErtragsgroßen ExðA kþ 1Þ Wertadditivitat:EyðA kÞ ¼ P

xðA kþ 1Þ� yðA kÞExðA kþ 1Þ :

& Fur das Portfolio U der Unternehmungergibt sich die Ertragsgroße EU durcheine wertadditive Verknupfung der Er-tragsgroßen ExðA kÞ der Teilportfoliosx(A_k) einer bestimmten Aggregations-stufe A_k (8k mit 1 < k � n):EU ¼ P

xðA kÞExðA kÞ ¼ P

iEi. Der Ge-

samtertrag des Portfolios U der Unter-nehmung ist somit unabhangig von derAggregationsstufe A_k, auf der die Er-tragsgroßen ExðA kÞ der Teilportfoliosx(A_k) wertadditiv aggregiert werden,immer gleich hoch.

Im Folgenden wird gezeigt, dass bei Ver-wendung von geeigneten Kovarianzen alsRisikogroße eine wertadditive Aggregationmoglich ist.

Wertadditive Aggregation von Risiko-großen

Zur Wertadditivitat von Risikogroßen ist –zusatzlich zu K1 – auch die folgende Kon-

sistenzanforderung K2 erforderlich (sieheBeweise in den Anhangen 3-1, 3-2 und3-3):Konsistenzanforderung K2: (vgl. An-

hang 5 fur eine formale Darstellung)K2a): Die Korrelation ri;U zwischen einem

Einzelgeschaft i(A_n) und dem Port-folio der Unternehmung U(A_1)entspricht dem Produkt der n� 1Korrelationen zwischen den Teil-portfolios und den Portfolios auf je-weils benachbarten Aggregations-stufen, deren Knoten durch jeweilsgenau eine Kante verbunden sind.

K2b): Fur die Korrelationen zwischen denTeilportfolios und den Portfoliosunterschiedlicher Aggregationsstu-fen 1 � m < k < n muss gelten,dass die Korrelation rxðA kþ 1Þ; yðA mÞzwischen einem Teilportfoliox(A_kþ 1) und einem Portfolioy(A_m) dem Produkt der Korrela-tionen zwischen den Teilportfoliosauf den dazwischen liegenden Ag-gregationsstufen entspricht, derenKnoten durch jeweils genau eineKante verbunden sind.

K2c): Fur die Standardabweichung syðA kÞeines Portfolios y(A_k) auf einer be-liebigen Aggregationsstufe A_k (mit1 � k < n) muss gelten, dass dieseder Summe aus den Produkten derStandardabweichungen sxðA kþ 1Þ derim Portfolio y(A_k) enthaltenen Teil-

portfolios x(A_kþ 1) und der jewei-ligen Korrelationen rxðA kþ 1Þ;yðA kÞzwischen einem Teilportfoliox(A_kþ 1) und dem Portfolioy(A_k) entspricht.

Bei der Anwendung empirischer Schatz-verfahren zur Bestimmung der Korrelatio-nen und Standardabweichungen ist sicher-zustellen, dass die formulierte Konsistenz-anforderung K2 erfullt wird.

Ergebnis 2: Wenn die Annahmen A1,A3 und A4 sowie die Konsistenzanforde-rung K1 und K2 erfullt sind, dann konnenRisikogroßen auf beliebigen Aggregations-stufen wertadditiv verknupft werden:& Das Gesamtrisiko Riþ j aus den Einzel-

geschaften i und j entspricht der Summeder Risiken Ri und Rj der Einzel-geschafte i und j: Riþ j ¼ Ri þ Rj (miti 6¼ j).

& Betrachtet man die einem Portfolioy(A_k) auf einer hoheren Aggregations-stufe A_k (mit 1 � k < n) zugeordnetenTeilportfolios x(A_kþ 1) einer niedrige-ren Aggregationsstufe A_kþ 1, so giltfur die Risikogroßen RxðA kþ 1Þ Wert-additivitat:RyðA kÞ ¼ P

xðA kþ 1Þ� yðA kÞRxðA kþ 1Þ.

& Fur das Portfolio U der Unternehmungergibt sich die Risikogroße RU durch ei-ne wertadditive Verknupfung der Risi-kogroßen RxðA kÞ der Teilportfoliosx(A_k) einer bestimmten Aggregations-

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 6, S. 403–412

0,6� = 0,5� =

-0,2� = 1� = 0,8� =0,4� =0,5� =

Beispiel: Konsistente Aggregation der Ertrags- bzw. Risikogrößen unter Einhal-tung der Annahmen A1-A4 und der Konsistenzanforderungen K1-K2.

EU=100

RU=100

Ebene derUnternehmung U

Ebene derProdukte P und Q

Ebene der Einzel-geschäfte1, 2, 3,4 und 5

EP=55

RP=60

EQ=45

RQ=40

E1=20

R1=36

E2=35

R2=24

E3=5

R3=-10

E4=10

R4=25

E5=30

R5=25

1 2 3 4 5

P Q

U

Bild 3 Verteilungsfreie, eindimensionale Aggregation von Ertrags- bzw. Risikogroßenin einer hierarchischen Baumstruktur

Integrated Enterprise Balancing mit integrierten Ertrags- und Risikodatenbanken 407

Page 6: Integrated Enterprise Balancing mit integrierten Ertrags- und Risikodatenbanken; Integrated Enterprise Balancing with Integrated Return and Risk Databases;

stufe A_k (8k mit 1 < k � n):RU ¼ P

xðA kÞRxðA kÞ ¼ P

iRi. Das Ge-

samtrisiko des Portfolios U der Unter-nehmung ist somit unabhangig von derAggregationsstufe A_k, auf der die Risi-kogroßen RxðA kÞ der Teilportfoliosx(A_k) wertadditiv aggregiert werden,immer gleich hoch.

Legt man wertadditive Risikogroßen zu-grunde, so konnen integrierte Ertrags- undRisikodatenbanken Anfragen zur Bottom-up-Aggregation auf sehr einfache Weise,ohne Zuhilfenahme von Simulationsver-fahren, bearbeiten.Das Beispiel in Bild 3 veranschaulicht ei-

ne solche bottom-up Aggregation von Er-trags- bzw. Risikogroßen einer Unterneh-mung auf analytischem Wege (vgl. Anhang6-1 fur die Berechnungen). Eine derartigewertadditive Aggregation setzt die Einhal-tung der Konsistenzanforderungen K1–K2an die eingehenden Parameter, insb. Dis-kontierungszinssatze, Korrelationen undStandardabweichungen, voraus. Mag einesolche Aggregation fur funf Einzelgeschaf-te, wie im Beispiel, auch ohne die Bildungvon Zwischenaggregationsstufen noch ein-fach durchfuhrbar erscheinen, so zeigensich jedoch bei großen Portfolios Vorteiledurch die Moglichkeit der Parallelisierungder Berechnungen auf Zwischenaggrega-tionsstufen fur Teilbereiche und die Ver-hinderung einer Parameterexplosion bei

den Vorberechnungen zur empirischenSchatzung der Risikoparameter.

Im Folgenden wird dargelegt, dass beiAnwendung multidimensionaler, hierar-chischer Baumstrukturen ebenso einewertadditive Aggregation der Ertrags- undRisikogroßen moglich ist.

3.4 MultidimensionaleAggregation von Ertrags-und Risikogroßen

Eine multidimensionale Betrachtung derEinzelgeschafte ist zur Unterstutzungmehrerer Unternehmensfunktionen (nachBild 1) erforderlich, um eine Aggregationjeweils in mehreren Dimensionen (bspw.Kunden, Produkte) zugleich durchfuhrenzu konnen.

A5) Multidimensionale, hierarchischeBaumstrukturUm multidimensionale Sichten auf die Un-ternehmung zu unterstutzen, wird fur jedeDimension Dim_d (mit d 2 N) jeweils einehierarchische Baumstruktur abgebildet.Die Einzelgeschafte i, reprasentiert durchdie Knoten i(A_n), und das Portfolio Uder Unternehmung, reprasentiert durchden Knoten U(A_1), sind einheitlich fur al-le Dimensionen. Auf den Aggregationsstu-fen A_k mit k 2 N und 1 < k < n repra-sentieren die Knoten x(A_k, Dim_d) je-

weils Teilportfolios der Unternehmung beieiner Betrachtung in einer bestimmtenDimension Dim_d.Bild 4 zeigt die gleichzeitige Anwendung

hierarchischer Baumstrukturen fur mehre-re Dimensionen, eine so genannte multi-dimensionale, hierarchische Baumstruktur.Beispielhaft wird fur die beiden Dimensio-nen Dim_1 bzw. Dim_2 jeweils eine Zu-ordnung der Einzelgeschaften i zu denTeilportfolios x(A_2, Dim_1) bzw. y(A_ 2,Dim_2) vorgenommen. Wie durch dieDreiecke in Bild 4 angedeutet, kann eineAggregation dieser Teilportfolios in denjeweiligen Dimensionen auf weiteren di-mensionsspezifischen Zwischenaggregati-onsstufen gemaß A5 stattfinden. Auf dieDarstellung weiterer Zwischenaggrega-tionsstufen wurde aus Grunden der leich-teren Anschaulichkeit verzichtet und nureine Aggregationsstufe in beiden Dimen-sionen verwendet. Bei multidimensionalenAggregationen sind weitere Konsistenzan-forderungen an die verwendeten Großenund Parameter zu stellen. Aufgrund derBetrachtung der Korrelationen im Anhang3-3 stellt sich folgende Konsistenzanforde-rung K3 an die Risikoparameter innerhalbmultidimensionaler, hierarchischer Baum-strukturen:Konsistenzanforderung K3: (vgl. An-

hang 5 fur eine formale Darstellung)K3a): Unabhangig von der betrachteten

Dimension sind folgende Parametereinheitlich zu schatzen, da sie zu-gleich fur alle betrachteten Dimen-sionen relevant sind:& die Standardabweichungen si der

Einzelgeschafte i,& die Standardabweichung sU des

Portfolios U der Unternehmungsowie

& die Korrelationen ri;U zwischenden Einzelgeschaften i und demPortfolio U der Unternehmung.

K3b): Bei Betrachtung beliebiger Dimen-sionen Dim_e und Dim_f gilt: In je-der betrachteten Dimension mussdie Korrelation ri;U zwischen einemEinzelgeschaft i und dem PortfolioU der Unternehmung jeweils demProdukt der Korrelationen zwischenden Teilportfolios und den Portfo-lios auf jeweils benachbarten Aggre-gationsstufen einer Dimension ent-sprechen, deren Knoten durch je-weils genau eine Kante verbundensind.

K3c): Fur die StandardabweichungsyðA k;Dim dÞ eines Portfolios y(A_k,Dim_d) auf einer beliebigen Aggre-gationsstufe A_k (mit 1 � k < n) ei-

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 6, S. 403–412

Beispielhafte Zuordnung der Einzelgeschäfte i einer Unternehmung Uzu Teilportfolios in mehreren Dimensionen (hier: zwei Dimensionen)

Dimension Dim_1mit den Teilportfoliosx(A_2, Dim_1)

Dimension Dim_2mit denTeilportfoliosy(A_2, Dim_2)

Einzelgeschäftei(A_3)

UnternehmungU(A_1)

Jedes Einzelgeschäft i wird jeweils in den betrachtetenDimensionen einem bestimmten Teilportfoliox(A_2, Dim_1) bzw. y(A_2, Dim_2) zugeordnet.

Bild 4 Multidimensionale, hierarchische Baumstruktur

408 Ulrich Faisst, Hans Ulrich Buhl

Page 7: Integrated Enterprise Balancing mit integrierten Ertrags- und Risikodatenbanken; Integrated Enterprise Balancing with Integrated Return and Risk Databases;

ner beliebigen Dimension Dim_dmuss gelten, dass diese der Summeaus den Produkte der Standard-abweichungen sxðA kþ 1;Dim dÞ der iny(A_k, Dim_d) enthaltenen Teil-portfolios x(A_kþ 1, Dim_d) mitden jeweiligen KorrelationenrxðA kþ 1;Dim dÞ; yðA k;Dim dÞ zwischeneinem Teilportfolio x(A_kþ 1,Dim_d) und dem Portfolio y(A_k,Dim_d) entspricht.

Ergebnis 3: Wenn die Annahmen A1–A5sowie die Konsistenzanforderungen K1–K3erfullt sind, dann ist eine wertadditive Ag-gregation von Ertrags- und Risikogroßenauch in mehreren Dimensionen auf konsis-tenteWeise moglich:& Ertragsgroßen sind deterministisch und

konnen bei uberschneidungsfreier Zu-ordnung in multidimensionalen Baum-strukturen (nach A5) wertadditiv aggre-giert werden.

& Durch die Verwendung von Kovarian-zen als Risikomaß der Einzelgeschafteist auch bei multidimensionaler Betrach-tung eine wertadditive Aggregation derRisikogroßen bis hin zum Portfolio Uder Unternehmung unter Berucksichti-gung der Korrelationseffekte moglich.Eine wertadditive Aggregation der Risi-kogroßen der Einzelgeschafte i uber dieTeilportfolios x(A_k, Dim_d) kann furjeweils eine bestimmte DimensionDim_d bis hin zum Portfolio U der Un-ternehmung durchgefuhrt werden.

Auf Basis des 4R-Kennzahlensystems auf-gebaute integrierte Ertrags- und Risiko-datenbanken sind in der Lage, OLAP-An-fragen uber Ertrags- und Risikogroßen inmultidimensionalen Sichten auf konsistenteWeise zu unterstutzen.Das Beispiel in Bild 5 illustriert, dass

wertadditive Ertrags- bzw. Risikogroßeneine konsistente Aggregation uber Zwi-schenaggregationsstufen in mehreren Di-mensionen, hier zugleich nach Produktenund nach Kunden, auf analytischem Wegeerlauben (vgl. Anhang 6-2 fur die Berech-nungen). Eine derartige wertadditive Ag-gregation setzt zusatzlich die Einhaltungder Konsistenzanforderungen K1–K3;insb. an die eingehenden Korrelationenund Standardabweichungen in den unter-schiedlichen Dimensionen, voraus.

3.5 Verknupfung undAggregation von Wertbeitragen

Im Folgenden wird dargelegt, unter wel-chen Bedingungen Ertrags- und Risikogro-

ßen zu Wertbeitragen im Sinne von Sicher-heitsaquivalenten verknupft werden kon-nen und wie diese uber beliebig vieleAggregationsstufen in beliebigen Dimen-sionen aggregiert werden konnen.

Additive Verknupfung von Ertrags-und Risikogroßen zu Wertbeitragen

Im Sinne einer wertorientierten Unterneh-mensfuhrung stellt ein (barwertiger) Wert-beitrag eine risikoadjustierte Große fur denabsoluten Wertzuwachs dar, welche durchdie Verknupfung von Ertrags- und Risiko-großen berechnet wird. Die bisher definier-ten Ertrags- und Risikogroßen sind fur alleVerteilungen der zu bewertenden unsiche-ren Barwerte anwendbar. Um Wertbeitrageim Sinne von Sicherheitsaquivalenten er-mitteln zu konnen, sieht Annahme A6 vor,dass die zugrunde liegenden unsicherenBarwerte der Einzelgeschafte i der Unter-nehmung normalverteilt sind. Eine solcheAnnahme normalverteilter Barwerte derEinzelgeschafte erscheint fur Einzel-geschafte, die hauptsachlich Markt- undKreditrisiken aufweisen, ggf. unter Zuhil-fenahme entsprechend transformierter Zu-fallsvariablen, gut bis sehr gut geeignet,i. d. R. jedoch nicht fur operationelle Risi-ken.

A6) (Barwertiger) WertbeitragEs wird angenommen, dass die unsicheren

Barwerte ~BBWð~~ZZ~ZZiÞ der Einzelgeschafte i derUnternehmung als normalverteilte Zufalls-

variablen (mit der Notation ~BBW?ð~~ZZ~ZZiÞ) be-trachtet werden konnen. Mit Hilfe einerIntegrationsfunktion VInt;BW? ðEi

BW? ;RiBW?Þ

auf Basis einer klassischen Praferenzfunk-

tion der Form Fðm; sÞ ¼ m� a

2s2 aus der

Entscheidungstheorie [vgl. z. B. Schn67]werden eine (barwertige) Ertragsgroße undeine (barwertige) Risikogroße zu einem(barwertigen) Wertbeitrag Wi

BW? additivverknupft:

WiBW? ¼ VInt;BW?ðEi

BW? ;RiBW?Þ

¼ ai � EiBW? � bi � Ri

BW?

¼ ai � Eð~BBW?ð~~ZZ~ZZiÞÞ

� bi �CovBW?ði;UÞmit:ai: Konstante 2 <þ; bi: Konstante 2 <Ein (barwertiger) Wertbeitrag Wi

BW?2 < istskalar und wird in Geldeinheiten aus-gedruckt. Wi

BW? wird im Weiteren verein-fachend als Wertbeitrag bezeichnet.

Anmerkung zur Praferenzfunktion inA6: Die dargestellte Praferenzfunktionstellt eine betriebswirtschaftliche fundierte

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 6, S. 403–412

0,6� =

0,5� =

Beispiel: Konsistente Aggregation der Ertrags- bzw. Risikogrößen unter Einhal-tung der Annahmen A1-A5 und der Konsistenzanforderungen K1-K3.

31� =

0,48� =

0,2� �=

95� =

1� =

-0,2� = 1� = 0,8� =0,4� =0,5� =

0,5� =

0,9� =

0,4� =

E=20

R=36

E=35

R=24

E=5

R=-10

E=10

R=25

E=30

R=25

E=55

R=60 E=

45R=40

E=30

R=25

E=30

R=61

E=40

R=14

E=100

R=100

Einzelgeschäfte 1, 2, 3, 4 und 5

Produkte P und Q

Kunden K, L und M

Unternehmung U

1

2 3

4

5M

L

K

P QU

Bild 5 Verteilungsfreie, multidimensionale Aggregation von Ertrags- bzw. Risikogro-ßen in einer multidimensionalen, hierarchischen Baumstruktur

Integrated Enterprise Balancing mit integrierten Ertrags- und Risikodatenbanken 409

Page 8: Integrated Enterprise Balancing mit integrierten Ertrags- und Risikodatenbanken; Integrated Enterprise Balancing with Integrated Return and Risk Databases;

Variante der Risikoabschlagsmethode dar.Die Bildung von risikoadjustierten Wert-beitragen ergibt sich in der Praxis haufigdurch die Durchfuhrung eines methodischi. d. R. weitaus weniger fundierten Risiko-abschlags auf die Ertrage risikobehafteterEinzelgeschafte, wie in Abschnitt 2 dis-kutiert.Ergebnis 4a: Fur die Einzelgeschafte i

kann bei einem gegebenen Portfolio an-hand des Wertbeitrags Wi

BW? deren absolu-ter risikoadjustierter Beitrag zum Ver-mogenszuwachs der Unternehmung abge-lesen werden. Sofern Annahme A6 gilt,entspricht ein Wertbeitrag Wi

BW? dem Si-cherheitsaquivalent eines unsicheren, nor-

malverteilten Barwerts ~BBW?ð~~ZZ~ZZiÞ. Die Kons-tante bi in obiger Integrationsfunktiondruckt die individuelle Rendite-/Risikoein-stellung aus: bi ¼ 0: Risikoneutralitat;bi > 0: Risikoaversion; bi < 0 Risikofreude.

Wertadditive Aggregation von Wert-beitragen

Zur Wertadditivitat von Wertbeitragenwird vorausgesetzt, dass die folgende Kon-sistenzanforderung K4 erfullt ist (vgl. Be-weis in Anhang 4):Konsistenzanforderung K4: Es sind un-

ternehmensweit einheitliche, konstante Pa-rameter a und b mit a ¼ ai ¼ aU 8i und

b ¼ bi ¼ bU 8i in der IntegrationsfunktionVInt;BW?ðEi

BW? ;RiBW?Þ fur alle Teilportfolios

x(A_k, Dim_d) anzuwenden.Ergebnis 4b: Wenn wertadditive Er-

tragsgroßen und wertadditive Risikogro-ßen verwendet werden, zugleich Ertrags-und Risikogroßen additiv verknupft wer-den und zusatzlich die Annahme A6 unddie Konsistenzanforderung K4 erfullt sind,dann sind Wertbeitrage wertadditiv. Wert-additive Wertbeitrage konnen fur beliebigeEinzelgeschafte uber Teilportfolios in be-liebigen Dimensionen bis hin zum Portfo-lio U der Unternehmung verknupft wer-den. Die konsistente Verwendung von aund b sichert eine unternehmensweit ein-heitliche Rendite-/Risikoeinstellung undsomit einheitliche ,Preise‘ pro Einheit Er-trag (bewertet mit dem Faktor a) bzw. proEinheit Risiko (bewertet mit dem Faktorb) bei der Bestimmung der Wertbeitrage.Das Beispiel in Bild 6 demonstriert die

Verknupfung von Ertrags- und Risikogro-ßen zu Wertbeitragen (vgl. Anhang 6-3 furdie Berechnungen). Man erhalt jeweils dasgleiche Ergebnis fur den Wert der Unter-nehmung und seiner Teilportfolios unab-hangig davon, ob Ertrags- und Risikogro-ßen zunachst zu Wertbeitragen verknupftund anschließend uber Zwischenaggrega-tionsstufen zum Wert(-beitrag) der Unter-nehmung aggregiert werden, oder ob diesin umgekehrter Reihenfolge geschieht.

Dies unterstreicht die Konsistenz des vor-gestellten 4R-Kennzahlensystems.

4 Fazit und Ausblick

Unternehmungen benotigen im Rahmeneiner wertorientierten Unternehmensfuh-rung, insb. zur Unterstutzung von Ent-scheidungen, zur Performanceanalyse so-wie zur �berwachung der Risikotragfahig-keit Informationen uber die Ertrags- undRisikobeitrage ihrer Teilportfolios zumUnternehmensportfolio. Fur jeden dieserBlickwinkel erscheint eine marktgerechteBewertung auf Basis unsicherer Zahlungs-strome und deren Barwerte objektiver alsdie Anwendung von subjektiven bewer-tungsabhangigen Rechengroßen, wie Ge-winnen oder Deckungsbeitragen. Dazuwird im Rahmen dieses Beitrags ein4R-Kennzahlensystem vorgestellt, welchesUnternehmungen bei der Bewertung unsi-cherer Zahlungsstrome durch Ertrags- undRisikogroßen unterstutzt und – vertei-lungsfrei – eine konsistente Aggregationvon Ertrags- und Risikogroßen auf beliebi-gen Aggregationsstufen (z. B. Einzel-geschafte, Geschaftsbereiche, Unterneh-mung) in beliebigen Dimensionen (z. B.Kundengruppen, Produktgruppen) ermog-licht. Unter der zusatzlichen Annahmenormalverteilter Barwerte werden die Er-trags- und Risikogroßen zu (risikoadjus-tierten) Wertbeitragen verknupft. Daruberhinaus konnen – bei Vorliegen normalver-teilter Barwerte – die betrachteten Risiko-großen mit Hilfe einfacher Quantil-Fak-toren zu Value-at-Risk-Großen umgerech-net werden (vgl. Anhang 7).Um den Aufbau integrierter Ertrags-

und Risikodatenbanken, speziell die bot-tom-up Aggregation, wesentlich zu er-leichtern, setzt das vorgestellte 4R-Kenn-zahlensystem auf einem wertadditiven An-satz fur Ertrags- und Risikogroßen sowieWertbeitragen auf. Wahrend erwartete Bar-werte mehrerer Zahlungsstrome bei Ver-wendung einheitlicher, periodischer Zins-satze unproblematisch wertadditiv aggre-gierbar sind [FrHa03], gilt dies furRisikogroßen nur bei Anwendung des Va-rianz-Kovarianz-Ansatzes [CoWe88]. Umwertadditive Wertbeitrage zu erhalten, sindwertadditive Ertrags- und Risikogroßenadditiv und mit einheitlichen Parameternzu verknupfen.Der vorgestellte Ansatz ist unterneh-

mensweit einsetzbar, sofern die eingehen-den Großen und Parameter fur die betrach-teten Teilbereiche der Unternehmung be-kannt sind bzw. uberfuhrt oder geschatzt

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 6, S. 403–412

Beispiel: Verknüpfung der Ertrags- und Risikogrößen zu Wertbeiträgen unter der zusätzlichenAnnahme der Normalverteilung und der einheitlichen Parameter a=1 und b=0,5.

0,6� =

0,5� =

31� =

0,48� =

0,2� �=

95� =

1� =

-0,2� = 1� = 0,8� =0,4� =0,5� =

0,5� =

0,9� =

0,4� =

E=20

R=36

E=35

R=24

E=5

R=-10

E=10

R=25

E=30

R=25

E=55

R=60 E=

45R=40

E=30

R=25

E=30

R=61

E=40

R=14

E=100

R=100

Einzelgeschäfte 1, 2, 3, 4 und 5

Produkte P und Q

Kunden K, L und M

Unternehmung U

W=17,5

W=-2,5

W=17,5

W=-0,5

W=50

W=33

W=25 W=25

W=23 W=10

W=2

1

2 3

4

5M

L

K

P QU

Bild 6 Verknupfung und Aggregation von Wertbeitragen in einer multidimensiona-len, hierarchischen Baumstruktur

410 Ulrich Faisst, Hans Ulrich Buhl

Page 9: Integrated Enterprise Balancing mit integrierten Ertrags- und Risikodatenbanken; Integrated Enterprise Balancing with Integrated Return and Risk Databases;

werden konnen. Zugleich mussen die Gro-ßen und Parameter eine Reihe von Konsis-tenzanforderungen erfullen, die bei derUmsetzung in relationalen Ertrags- undRisikodatenbanken durch entsprechendeIntegritatsbedingungen und Trigger zu be-rucksichtigen sind [vgl. z. B. Kemp01].Das 4R-Kennzahlensystem besitzt insb.

folgende Limitationen:& Die Großen und Parameter des

4R-Kennzahlensystems bilden nur daserste und zweite Moment der Verteilungvon Zufallsvariablen (hier: unsichereBarwerte) ab. Zwar konnte eine Be-trachtung hoherer Momente Entschei-dern weitere Informationen uber die zu-grunde liegenden Verteilungen liefern,jedoch ist fur sie eine wertadditive Ag-gregation in mehreren Dimensionen inintegrierten Ertrags- und Risikodaten-banken i. d. R. nicht moglich.

& Die abgebildeten Korrelationen be-schreiben nur lineare Zusammenhangezwischen den betrachteten Zufallsvaria-blen und werden als konstant uber denBetrachtungszeitraum angesehen. Nichtabgebildet werden in der Realwelt zubeobachtende Veranderungen von Kor-relationen sowie nicht-lineare Zusam-menhange zwischen Zufallsvariablen.

& Wahrend eine Aggregation fur Ertrags-und Risikogroßen fur alle zugrunde lie-genden Verteilungen der unsicherenBarwerte von Einzelgeschaften moglichist, setzen Wertbeitrage im Sinne von Si-cherheitsaquivalenten normalverteilteBarwerte der Einzelgeschafte voraus.Eine derartige Modellierung erscheintfur Einzelgeschafte, die hauptsachlichMarkt- und Kreditrisiken aufweisen, imNormalfall gut bis sehr gut geeignet,i. d. R. jedoch nicht fur operationelle Ri-siken.

Es besteht weiterer Forschungsbedarf insb.& in der Evaluation und (Weiter-)Entwick-

lung statistischer Schatzverfahren zurBestimmung von Korrelationen undStandardabweichungen,

& in der Formulierung der spezifischenAnforderungen an die Datenmodellie-rung des 4R-Kennzahlensystems undder zu stellenden Konsistenzanforde-rungen sowie in der Umsetzung in rela-tionalen, integrierten Ertrags- und Risi-kodatenbanken und

& in der Untersuchung, welchen Beitragbspw. Gridtechnologien bei derartigenkomplexen, aber in Teilprobleme zerleg-baren Problemstellungen leisten konnen[BFHH05].

Aus Sicht der WI-IF-Forschungskonzep-tion [BuKu03] stellt die Entwicklung einer

4R-Informationsarchitektur zum Aufbauderartiger Planungs- und Kontrollsystemeeine große Herausforderung insb. fur dieWirtschaftsinformatik als interdisziplinareWissenschaft dar.Bild 7 stellt die 4R-Informationsarchi-

tektur vor, die sich in drei aufeinander auf-bauende Ebenen gliedert (vgl. bzgl. der

Wahl der betrachteten Ebenen bspw.[�sWi00]).

Generell lasst sich dazu festhalten, dassdie bisherige Forschung in der Betriebs-wirtschaftslehre, der Wirtschaftsinformatikund der angewandten Informatik zwar furdie einzelnen Teilbereiche vielfaltige Me-thoden und Konzepte entwickelt hat, je-

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 6, S. 403–412

4R-Informationsarchitektur zur Organisations- undGeschäftsprozessgestaltung

4R-Informationsarchitektur zur Gestaltung derInformations- und Kommunikationssysteme

Fachliche 4R-Informationsarchitektur

Durchgängige, ebenenübergreifende Entwicklungeiner 4R-Informationsarchitektur

WertorientierteUnternehmensführung

ReturnRisk ReportingRegulations4R

Anforderungen

Anforderungen Limitationen

Limitationen

Bild 7 Ebenen der 4R-Informationsarchitektur

Abstract

Integrated Enterprise Balancing with Integrated Return and Risk Databases

To support a value-based management and to satisfy regulatory transparency requirementsand legal reporting obligations, corporations require a corporate-wide consistent databasewith return and risk information. Despite existing technical integration approaches, such asdatawarehouse or OLAP solutions, the development of corporate-wide consistent return andrisk databases is so far impossible, as adequate financial methods and performance mea-surement systems are lacking.Integrated Enterprise Balancing enables corporations of all industries to control their busi-

ness activities with corporate-wide consistent return and risk measures. The presented per-formance measurement system enables corporations to additively connect return and riskmeasures on arbitrary aggregation levels and to perform such an aggregation also withinmultiple dimensions. Hence, it is a conceptual solution for the development of integratedreturn and risk databases.

Keywords: Integrated, IT-enabled return and risk management, Value-based Management,Requirements on the Consistency of Return and Risk Databases

Integrated Enterprise Balancing mit integrierten Ertrags- und Risikodatenbanken 411

Page 10: Integrated Enterprise Balancing mit integrierten Ertrags- und Risikodatenbanken; Integrated Enterprise Balancing with Integrated Return and Risk Databases;

doch interdisziplinare Methoden und Kon-zepten noch weitgehend fehlen. Daher sinddurch die Wirtschaftsinformatik Methodenund Konzepte zu entwickeln, die in derLage sind, ausgehend von finanzwirt-schaftlichen Anforderungen solche an dieOrganisations- und Prozessgestaltung so-wie an die Gestaltung von Informations-und Kommunikationssystemen unterneh-mensweit durchgangig abzuleiten und ab-zubilden. Dabei ist bereits bei der Defini-tion der finanzwirtschaftlichen Anforde-rungen und den Losungsansatzen zuprufen, inwieweit diese im Rahmen der Li-mitationen der darunter liegenden Ebenenuberhaupt umsetzbar sind bzw. welche Er-weiterung und Weiterentwicklungen bishe-riger Ansatze dieser Ebenen erforderlichmachen.Im Rahmen des 4R-Kennzahlensystems

wurde ein wertadditiver Ansatz zur Risi-komodellierung gewahlt, da dieser einespatere Umsetzung im Rahmen integrierterErtrags- und Risikodatenbanken wesent-lich erleichtert bzw. uberhaupt erst diekonsistente Aggregation von Ertrags- undRisikogroßen auf beliebigen Aggregations-stufen in beliebigen Dimensionen ermog-licht. Die Untersuchung derartiger, fach-konzeptioneller Grundlagen einer 4R-In-formationsarchitektur ist eine wichtigeAufgabe der Wirtschaftsinformatik. Nurwenn sie derartige fachkonzeptionelleGrundlagen nicht scheut, wird sie in derLage sein, Standardsoftwarehersteller, wiebspw. die SAP AG, beim Aufbau integrier-ter Planungs- und Kontrollsysteme zu un-terstutzen.Das 4R-Kennzahlensystem stellt einen

Losungsansatz fur eine unternehmensweit

konsistente Datengrundlage mit einheit-lichen Ertrags- und Risikogroßen dar. Die-ser Beitrag ist somit ein erster Baustein zurSchaffung einer 4R-Informationsarchitek-tur, welche den Aufbau integrierter, mehr-zweckfahiger Planungs- und Kontrollsys-teme im Sinne der Vision des IntegratedEnterprise Balancing auf den Weg bringensoll.

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[SOA02] One hundred seventh congress of theUnited States of America: Sarbanes-Oxley Actof 2002. http://www.sarbanes-oxley.com, Abrufam 2005-03-08.

Anmerkung

Eine Reihe von mathematischen Beweis-fuhrungen befindet sich im Anhang diesesBeitrags. Dieser wird den interessierten Le-sern uber die Online-Ausgabe der Zeit-schrift Wirtschaftsinformatik unterhttp://www.wirtschaftsinformatik.de/ unduber die Homepage des Lehrstuhls WI-IFunter http://www.wi-if.de/Publikationen/zur Verfugung gestellt.

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 6, S. 403–412

412 Ulrich Faisst, Hans Ulrich Buhl