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 INTERNATIONALE LIEFERVERTRÄG E Prof. Dr. Hanns-Christian Salger Dr. Jochen Reichardt SALGER Rechtsanwälte

Internationale Liefervertraege

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INTERNATIONALE LIEFERVERTRÄGE

Prof. Dr. Hanns-Christian SalgerDr. Jochen Reichardt

SALGER Rechtsanwälte

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I. Juristische Grundstrukturen eines internationalen Liefervertrages 

Die Grundstruktur eines internationalen Liefervertrages ist im Prinzip einfach. Der

Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer die Ware zu liefern und diesem Eigentum daran

zu verschaffen. Der Käufer ist zur Abnahme und vor allem Zahlung in Geldverpflichtet. In der Lebenswirklichkeit sind internationale Lieferverträge dagegen

äußerst vielfältig. Der Kreis derer, die an der Veranstaltung teilnehmen, beweist das.

Lieferverträge unterscheiden sich in erheblicher Weise voneinander, vor allem

hinsichtlich der konkret zu liefernden Waren, der beteiligten Parteien mit ihren

 jeweiligen Interessen und hinsichtlich der Staaten, in denen sich diese befinden und

wohin die Ware geliefert werden soll. Diese Variablen bedingen eine unendlich große

Vielseitigkeit bei solchen Verträgen. Wir werden versuchen, gemeinsame Grundlinien

wiederzugeben.

II. Der Weg zum Vertrag

Die erfolgreiche Durchführung von Lieferverträgen hängt wesentlich davon ab, dass

Sie bereits bei den Verhandlungen mit Ihrem Vertragspartner, der Gestaltung des

Liefervertrages und der Art und Weise seines Abschlusses potentielle

Schwierigkeiten bei seiner Abwicklung erkennen, diesen vorbeugen und damit

zukünftigen Rechtsstreitigkeiten aus dem Weg gehen. Hierzu sollen die

nachfolgenden Ausführungen eine Hilfestellung bieten.

1. Unterschiedliche Rechts- und Verhandlungstraditionen

a) Sprachschwierigkeiten

Ein Liefervertrag setzt Kommunikation voraus, die mittels der Sprache realisiert wird.

Erste Probleme zeigen sich im Zusammenhang mit Lieferverträgen bei zum Teil von

dem allgemeinen Sprachgebrauch erheblich abweichenden Fachsprachen. Es ist

hinreichend bekannt, dass Berufsfelder nicht nur eigene Vokabeln, sondern einen

eigenen Sprachduktus entwickeln und Begriffen des vermeintlich allgemeinen

Sprachgebrauchs eine teilweise vollständig andere Bedeutung zuweisen.

Beispielsweise misst der Jurist dem Wort „billig“ eine ganz andere Bedeutung zu als

der juristische Laie. So kommt es häufig vor, dass sich auch Muttersprachler nicht

„verstehen“. Die Verständigungsschwierigkeiten nehmen weiter zu, wenn, wie häufig,

Verhandlungen zunächst zwischen Technikern, danach zwischen Kaufleuten und erst

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dann auch mit Juristen, bisweilen auch zwischen zusammengesetzten Delegationen,

geführt werden.

Noch schwieriger wird die Situation, wenn Beteiligte, wie bei internationalen

Lieferverträgen üblich, unterschiedliche Muttersprachen sprechen. In der Praxis

wird in solchen Fällen fast selbstverständlich das Englische gewählt, und zwar sowohl

als Verhandlungs- wie auch als Vertragssprache. Dies ist zwar in den meisten Fällen

sinnvoll, da die meisten Akteure im internationalen Wirtschaftsverkehr mit dieser

Sprache vertraut sind. Allerdings empfiehlt es sich unter Umständen, gerade in

Fällen, in denen ein Akteur das Englische nicht in der erforderlichen Weise

beherrscht, Verhandlungen mit Hilfe von Dolmetschern und Übersetzern zu führen.

b) Bedeutung unterschiedlicher Rechtstraditionen

Haben sich die Parteien auf eine gemeinsame Sprache geeinigt, müssen die

Unterschiede der Rechtstraditionen beachtet werden. Die zunehmende

wirtschaftliche Verflechtung hat, insbesondere im Bereich der Lieferverträge, eine

zunehmende Konvergenz der nationalen und internationalen materiellen Regeln

herbeigeführt. Dennoch sind noch drei große Rechtskreise zu erkennen, nämlich der

kontinental-europäische, der anglo-amerikanische und der islamische. Für die

Vertragspraxis sind dabei vor allem die ersten beiden von Bedeutung. Der islamische

Rechtskreis betrifft zwar eine Vielzahl von Jurisdiktionen und weitet sich zunehmend

aus. Allerdings ist sein Schwerpunkt die Konsolidierung von religiösen und staatlichen

Verhaltensregeln, die hier nicht von Bedeutung sind. Als Ausnahme ist lediglich das

Zinsverbot und die hierzu bestehenden Ersatzkonstruktionen nennenswert.

Der kontinental-europäische Rechtskreis ist von seinem strukturiertenZivilrechtssystem geprägt. Dieser Rechtskreis zeichnet sich durch das

Vorhandensein von allgemeinen, abstrakten Regelungen aus. Dieses Recht ist

bemüht, sowohl im Gesetzgebungsverfahren wie in der Rechtsanwendung sämtliche

Einzelfälle unter eine solche abstrakte Regelung unterzuordnen. Dies erklärt den,

insbesondere in Deutschland vorzufindenden, hohen Stellenwert der Dogmatik. Dies

spiegelt sich auch in den Lieferverträgen wieder. Kontinental-europäische Verträge

gelten als desto besser, je kürzer sie sind. Sie entsprechen auch im Übrigen den

Gesetzen, regeln etwa erst das Allgemeine und dann das Besondere, sind in logische

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Gruppen unterteilt, und sind, um möglichst sämtliche Sachverhaltskonstellationen zu

regeln, so abstrakt wie möglich formuliert.

Der anglo-amerikanische Rechtskreis beruht auf einem völlig unterschiedlichen

Rechtsverständnis. Primäre Rechtsquelle ist das durch Richterrecht gebildete

common law, was nur punktuell durch Gesetzesbestimmungen geändert wird. Die

fehlende Systematisierung lässt sich auch an der im Verhältnis zum kontinental-

europäischen Rechtskreis bemerkbaren untergeordneten Bedeutung der Lehre in

common law Staaten bemerken. Dementsprechend sind anglo-amerikanische

Verträge meist sehr ausführlich und außerordentlich detailliert gefasst. Die

Vertragsparteien sind bemüht, sämtliche maßgebliche Punkte mit einer Anhäufung

aller erdenklichen Synonyme zu umschreiben. Mangels eines alle Fälle regelnden

Gesetzes werden Verträge häufig mit Legaldefinitionen versehen, die künftige

Meinungsverschiedenheiten ausschließen sollen.

c) Unterschiedliche Verhandlungsmentalitäten

Dissense können aber nicht nur wegen unterschiedlichen Sprachen oder der Herkunft

aus verschiedenen Rechtskreisen entstehen, sondern auch wegen abweichenden

Ansichten zu Verhandlungen. Dies wird etwa bei Verhandlungen mit

nordamerikanischen Geschäftspartnern deutlich. Diese gehen in der Praxis sehr

rasch in die Details, haben ein großes Faible für kreative Lösungswege und Optionen

und scheuen nicht davor zurück, über Preise und Konditionen ausgiebig zu

verhandeln. Gerade die börsennorientierten amerikanischen Unternehmen achten

zudem auf schnelle Erfolge, sodass der Erfüllungszeitraum relativ kurz ist und viel

Wert auf schnelle Vertragsabschlüsse gelegt wird.

2. Die Vertragsverhandlungen

Wesentlich für den Erfolg von Vertragsverhandlungen ist es, gerade bei

Lieferverträgen die folgenden Grundregeln der Verhandlungsführung zu

berücksichtigen:

• keine Versprechungen machen, die über das hinaus gehen, was Sie als

Vertragspartner tatsächlich leisten können,

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• in jeder Phase aus Ihrer Sicht den breitest möglichen Konsens herstellen

und unaufgefordert dokumentieren,

• mögliche Abwicklungsschwierigkeiten vorhersehen, besprechen und

regeln.

Zudem sollte man sich darüber im Klaren sein, dass Rechtspflichten der späteren

Vertragspartei nicht erst nach Vertragsabschluss, sondern schon während der

Verhandlungsphase bestehen, und dass die Verletzung dieser Pflichten durchaus

gravierende Rechtsfolgen nach sich ziehen kann.

Wir Deutsche verhandeln in dem Glauben, dass nur das zählt, was später im

Liefervertrag schriftlich niedergelegt wird. Wir fühlen uns sicher, wenn wir später

unter „Sonstiges“ in die Vertragsurkunde hineinschreiben, dass mündliche

Nebenabreden nicht getroffen wurden und der Liefervertrag alle vorherigen

Absprachen ersetzt. Vertragspartner aus anderen Ländern sehen dies häufig anders.

a) Vorvertragliche Rechtspflichten nach ausländischem Recht

Sie als Verhandlungsteilnehmer verhandeln nach dem Recht, das später auf den

Liefervertrag anzuwenden ist, sei es kraft ausdrücklicher Vereinbarungen oder kraft

Gesetzes. Wird nichts vereinbart, gilt für Vertragsverhandlungen immer das Recht an

der Hauptniederlassung des Verkäufers beziehungsweise des Dienstleisters als des

Erbringers der vertragscharateristischen Leistung.

Andere Rechtsordnungen können in vorvertraglichen Gesprächen und in

vorvertraglichen Dokumenten, insbesondere den Aussagen in Werbebroschüren,

eine größere Bedeutung beimessen, als Sie zunächst annehmen.

Hieraus folgt, dass Sie sich mit Versprechungen zurückhalten sollten, die über das

hinausgehen, was Sie schlussendlich nach dem Vertragstext leisten können. Der

Eindruck, den Ihr Kunde aus den Vorverhandlungen mitnimmt, bestimmt seinen

Erwartungshorizont. Wecken Sie größere Erwartungen als Sie bei der

Vertragsdurchführung erfüllen können, ernten Sie zunächst Kundenunzufriedenheit.

Diese Unzufriedenheit fördert die Neigung, Verträge auf Rechtsansprüche

abzuklopfen.

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b) Rechtspflichten bei Vertragsverhandlungen nach deutschem Recht

Im deutschen Recht ist heute allgemein anerkannt, dass mit dem Eintritt in

Vertragsverhandlungen ein „vertragsähnliches Vertrauensverhältnis“ unter den

Beteiligten erzeugt wird, das zur Beachtung erhörter Sorgfalts- und

Rücksichtspflichten führt. Ein solches Vertrauensverhältnis entsteht durch die

Aufnahme von Vertragsverhandlungen, die vertrauensvolle Anbahnung eines

Vertrages oder ähnliche geschäftliche Kontakte (§ 311 Absatz 2 Bürgerliches

Gesetzbuch, „BGB“). Durch dieses Schuldverhältnis wird der Beteiligte zur Rücksicht

auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet. Konkret

werden Rechtspflichten in zweierlei Richtungen gebildet:

• Eine Partei muss die andere über solche Umstände aufklären, die für

deren Entscheidung von wesentlicher Bedeutung sind, wenn sie nach den

geführten Verhandlungen darüber eine Aufklärung erwarten durfte.

Beispiel: Das von dem Kunden verlangte Produkt ist für den 

geschilderten Verwendungszweck offensichtlich ungeeignet.

• Eine Partei darf die Vertragsverhandlungen nicht ohne Grund abbrechen,

wenn sie beim Vertragspartner in zurechenbarer Weise Vertrauen auf das

Zustandekommen des Vertrages erweckt hat.

Beispiel: Gescheiterte Übernahmeverhandlungen über einen 

Zeitschriftenverlag, bei denen der Erwerbsinteressent den Verkäufer 

in Glauben wiegte, er würde den Verlag übernehmen, dann jedoch 

im letzten Moment absagte (BGH NJW-RR 1989, 627).

Die Verletzung dieser Rechtspflichten führt nicht zum Abschluss des Vertrages, wohl

aber zum Schadensersatz. Unter gewissen Umständen kann die andere Partei

Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wonach das positive Interesse

auszugleichen ist, d. h. die andere Partei ist so zu stellen, wie sie stehen würde,

wenn die rechtsbrüchige Partei den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte (vgl. § 282

BGB).

c)  Entwurfsregie und Entwurfsherrschaft

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Mit Entwurfsregie und Entwurfsherrschaft sind diejenigen Instrumente der

Vertragsgestaltung gemeint, die für den Gang der Verhandlungen und den Inhalt des

Liefervertrages wesentlich sind, also das weitere Vertragsverhältnis „prägen“, um

Abwicklungsschwierigkeiten vorzubeugen. Sie sind vor allem eine Chance für den

vermeintlich schwächeren Vertragspartner, seine Vorstellungen durchzusetzen.

Die Entwurfsregie besteht darin, möglichst frühzeitig (aber zum richtigen Zeitpunkt)

einen konsistenten Text des Liefervertrages vorzulegen. Hat nämlich die eine Seite

einen Vertragsentwurf vorgelegt, so verzichtet in den meisten Fällen die andere Seite

auf die Erarbeitung eines eigenen Entwurfes, entweder, weil sie die Bedeutung der

Entwurfsregie zu gering einschätzt, generell zu bequem ist, zu langsam handelt oder

die Kosten fürchtet. Die Entwurfsregie bietet also gerade für den vermeintlich

schwächeren Vertragspartner, der aber schneller, professioneller, flexibler handelt,

Chancen, die Herrschaft über den Entwurfswortlaut und damit das letzte Wort über

Änderungsvorschläge zu behalten (Entwurfsherrschaft). Die Entwurfsregie besteht

weiterhin darin, den richtigen Zeitpunkt für die Vorlage von Überarbeitungen des

Entwurfes festzulegen und somit den Gang der Verhandlungen zu bestimmen.

Selbst mit dieser Psychologie vertraute Verhandlungsführer können einen

vorgelegten Entwurf nicht mit dem Argument, sie würden selbst einen erstellen, vom

„Tisch wischen“. Derjenige, der seinen Entwurf zuerst vorlegt, zwingt die andere

Seite, sich damit auch inhaltlich zu befassen. Sachliche Argumente für eine Negation

des Entwurfes lassen sich kaum finden.

Die Entwurfsherrschaft findet dort ihre Grenzen, wo mächtige Vertragspartner ihre

Geschäftsbedingungen „stellen“, also schon ein konkretes Regelwerk vorgeben. Hier

neigen wir zur Empfehlung, über dieses Regelwerk gar nicht erst zu verhandeln. Hier

zeigt sich die Entwurfsregie darin, dass das Regelwerk unterlaufen oder überlagertwird durch eine möglichst große Zahl individueller Absprachen in den konkreten

Verhandlungen. Die Aufgabe für Sie als „Entwurfsregisseur“ besteht in einer solchen

Situation in Folgendem:

• Schon in der Angebotsphase ein möglichst umfassendes Angebot zu

stricken, das möglichst viele Eventualitäten vorwegnimmt und

• danach die Ergebnisse aus den Verhandlungen möglichst umfangreichfestzuschreiben.

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d)  Eckpunktevereinbarungen 

Lieferverträge entstehen selten von heute auf morgen. Insbesondere bei komplexen

Lieferungen nähern sich die Parteien einem endgültigen Vertrag häufig in einzelnen

Schritten. In solchen Fällen empfiehlt es sich – und ist es regelmäßig auch

erforderlich – vor Abschluss des eigentlichen Vertrages zunächst verschiedene, das

Vertragsziel nach und nach einengende und präzisierende

„Eckpunktevereinbarungen“ abzuschließen. Mit anderen Worten: Sie sollten den

Liefervertrag nicht als punktuelles Ereignis verstehen, sondern als Prozess der

Konsensbildung, den sie möglichst in jeder Phase kontrollieren und steuern. Dies

kann in folgenden Schritten geschehen:

(a) Annäherungsphase

Bereits in den ersten Gesprächen ermitteln Sie die Interessen des

Vertragspartners und Ihre eigenen Möglichkeiten. Diese finden Ausdruck in

dem ersten Schreiben an Ihren Vertragspartner.

(b) Angebotsphase

Die Ausarbeitung eines schriftlichen Angebotes zwingt den Lieferanten dazu,

seine Leistung näher zu definieren. Sie zwingt den Abnehmer der Leistung

dazu, seine Wünsche genauer zu spezifizieren. Die Angebotsphase ist wichtig

für das Verständnis der Vertragspartner voneinander und von der

Interessenlage. Bei Rechtsstreitigkeiten fällt häufig auf, dass die

Vertragsparteien diese Phase entweder übersprungen haben oder die

handelnden Personen in oder nach dieser Phase ausgetauscht wurden.Ebenso häufig ist der Fall, dass Angebot des Lieferanten und Spezifizierung

der Wünsche des Käufers nur unvollständig erfolgen oder vor dem

Hintergrund eines scheinbar günstigen Preises nachlässig gehandhabt

wurden.

(c) Absichtserklärung („Letter of Intent“)

Der “Letter of Intent” ist auch in Deutschland nicht ungewöhnlich, um einerreichtes Verhandlungsergebnis und die Abschlussbereitschaft zu

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dokumentieren. Man versteht darunter die Bekundung der Bereitschaft, mit

dem oder den Adressaten einen Vertrag abschließen zu wollen. Er löst

grundsätzlich keine Bindungen aus, es sei denn, sie sind in ihm selbst

vereinbart (wie zum Beispiel Vertraulichkeit, Aufwendungsersatz für die

Erbringung von Vorleistungen, Exklusivität der Verhandlungen, etc.). Davon

unberührt bleiben Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo. Die

Abgrenzung zum bindenden Vertragsangebot ist jedoch fließend. Es empfiehlt

sich daher dringend, die Unverbindlichkeit der Erklärung ausdrücklich mit

deren Abgabe zu verbinden („non binding clause“).

Der Letter of Intent zwingt die zukünftigen Vertragsparteien wiederum dazu,

sich wechselseitig zu definieren und sich ihre Ernsthaftigkeit zu versichern. Er

setzt einen relativ breiten Grundkonsens voraus, der auch möglichst

weitgehend dokumentiert werden sollte. Zudem schützt er vor übereilt

eingegangenen Verträgen. Die Auflistung der noch ungelösten Fragen führt zu

einer sorgfältigen Behandlung auf beiden Seiten mit dem Willen, sie zu lösen.

Darüber hinaus hat der Letter of Intent den positiven Nebeneffekt, dass sich

die Vertragsparteien leichter über interne oder vertrauliche Aspekte des

Geschäfts öffnen, die sie an sich vor Vertragsabschluss nur ungern

offenbaren wollen. Indem die Gemeinsamkeiten der Parteien betont und

formalisiert werden, wird die Verhandlungsbeziehung zwischen ihnen

insgesamt belastbarer. Typischer Inhalt des Letter of Intent sind folgende

Klauseln:

• Einräumung der Verhandlungsexklusivität,

Geheimhaltungsvereinbarungen für bestimmteVerhandlungsthemen,

• Wechselseitige Verpflichtung zur Erbringung von Vorleistungen,

die ansonsten nur bei einem Vertragsverhältnis denkbar wären,

• Aufwendungsersatz für die Vorleistungen,

• Regelung des Umfangs der Verbindlichkeit und

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• Haftungsausschlüsse für bestimmte Fallkonstellationen,

insbesondere beim Scheitern der Vertragsverhandlungen.

(d) Punktuation („Heads of Agreement”)

Ein aus der angelsächsischen Methodik von Vertragsverhandlungen

entlehntes Instrument ist die schriftlich niedergelegte Einigung über die

Eckpunkte oder von Grundsatzfragen. Auch sie löst in der Regel keine

Bindungen aus, dient aber dazu,

• Verhandlungsergebnisse festzuzurren,

• den Vertragsabschluss vorzubereiten und

• den Übergang vom Allgemeinen ins Besondere zu erleichtern.

Insofern ist dieses Instrument konkreter als der Letter of Intent, der mehr einer

Bekundung des Geschäftswillens dient. Diese Vereinbarungen sollten Sie

entwerfen und dem Vertragspartner vorlegen. Sie erreichen dadurch

Folgendes:

• Sie machen sich selbst noch einmal Gedanken über das

bisherige Verhandlungsergebnis und Ihre weiteren

Verhandlungsziele.

• Sie fassen den erreichten Konsens in eigene Worte, werden also

„geistiger Vater“ beziehungsweise „spirituelle Mutter“ der

Einigung.

• Sie übernehmen damit nahezu automatisch die Entwurfsregie,

besorgen also die weitere Ausarbeitung des Vertragskonzeptes.

Die Bezeichnung „Memorandum of Understanding“ findet sich sowohl für

Letter of Intent als auch für Heads of Agreement.

(e) Anwendbares Recht und Gerichtsstand

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In all diesen Zwischenschritten zum Hauptvertrag sollte man bereits das

anwendbare Recht und einen möglichst damit übereinstimmenden

Gerichtsstand festlegen, um darauf beruhende Rechtsstreitigkeiten so

voraussehbar wie möglich auszuschließen.

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III. Vertragsschluss

Überall in der westlichen Welt kommen Verträge durch Angebot und Annahme

zustande, wobei sich Angebot und Annahme grundsätzlich decken müssen.

1. Angebot und Annahme

Angebot und Annahme decken sich am sichersten dann, wenn die Parteien eine

gemeinsame Vertragsurkunde entwerfen. Das deutsche Recht sieht deshalb auch

für Verträge, die schriftlich abgeschlossen werden müssen, in § 126 Absatz 2

Satz 1 BGB ausdrücklich vor, dass „bei einem Vertrag … die Unterzeichnung der

Parteien auf derselben Urkunden erfolgen“ muss. Eine Erleichterung ist vorgesehen,

wenn über den Vertrag mehrere gleich lautende Urkunden gefertigt werden. In

diesem Fall genügt es, dass jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde

unterzeichnet (§ 126 Absatz 2 Satz 2 BGB). Eine weitere Milderung der

Formvorschriften wurde mit der Aufnahme der elektronischen Form erreicht. Danach

kann die schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden. Die

Vertragsparteien müssen in diesem Fall dasselbe elektronische Vertragsdokument

mit einer qualifizierten elektronischen Signatur signieren (§ 126 a Absatz 2 BGB).

Werden von einem elektronischen Vertragsdokument mehrere inhaltlich identische

Exemplare erstellt, genügt es auch im Falle der elektronischen Form, wenn jeder

Vertragspartner nur die für den jeweils anderen Teil bestimmte elektronische

Ausfertigung signiert.

a) Das „ja, aber“ Phänomen

Lieferverträge, ebenso wie andere Verträge, können zwar auch mündlich oder durchBriefwechsel zustande kommen. Beides birgt aber die Gefahr des Dissenses, also

des gewollten oder ungewollten Missverstehens. Ein Briefwechsel sorgt zudem

häufig auch für eine „ja, aber“ - Haltung bei beiden Vertragspartnern. „ja, aber“ heißt

in der juristischen Fachterminologie: Zurückweisung des Angebots der anderen

Vertragspartei als Ganzes und Vorlage eines neuen Angebots. Oder mit anderen

Worten: Selbst wenn das „aber“ nur 1 % des Vertragsinhaltes betrifft, ist noch kein

Vertrag zustande gekommen, solange das „aber“ in der Welt ist. Aus der Welt

geschaffen werden kann es nur, wenn entweder die andere Partei dazu„einverstanden“ kommuniziert (und nicht „ja, aber“ repliziert) oder wenn es

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stillschweigend als aus der Welt geschaffen gilt. Die Aufgabe, wie das Schweigen

denn nun zu deuten ist, fällt dann wieder Juristen zu. Um dies zu vermeiden, ist

dringend zu raten, den Vertrag schriftlich in einer Vertragsurkunde festzuhalten.

b) Bedeutung von Präambeln

Für die spätere Auslegung des Liefervertrages kommt den in der Vertragsurkunde

etwa enthaltenen Vorbemerkungen (Präambeln) besondere Bedeutung zu. Diese

Bedeutung wird von Juristen und Nicht-Juristen gleichermaßen unterschätzt.

Vorbemerkungen sind auch unbequem, weil in ihnen beide Parteien noch einmal „auf

den Punkt“ bringen müssen, was sie zum Abschluss des Vertrages bewegt und was

sie sich davon erwarten. Dazu will man sich manchmal nicht bekennen, manchmal

weiß es der Verhandlungsführer selbst nicht.

Dabei handelt es sich um ein entscheidendes Instrument des vorbeugenden

Rechtsschutzes. Ihre wichtigste Funktion ist es, Anhaltspunkte für die

Geschäftsgrundlage festzuschreiben. Sie zwingt die Parteien noch einmal zu

überprüfen, ob sie den Status Quo und das Vertragswerk richtig verstanden haben.

Die Vorbemerkungen schaffen zwar keine eigenen Rechte und Pflichten, sind aber

als Vertragsinhalt für die Vertragsauslegungen – nach deutschem Recht stets, nach

anglo-amerikanischen in der Regel – verbindlich. Sie erschließen insbesondere für

Dritte (zum Beispiel Richter, Revisoren, Betriebsprüfer, Nachunternehmer, etc.)

Interessenlage und Verständnis für die vertraglichen Vereinbarungen.

Vertragsstreitigkeiten werden begünstigt, wenn die Vorbemerkungen entweder ganz

fehlen oder den von einer Partei verfolgten Geschäftszweck gerade nicht

widerspiegeln.

Wir empfehlen daher, bei dem Erstellen der und dem Verhandeln über die Präambelebenso vorsichtig umzugehen wie bezüglich des übrigen Vertragstextes.

Verinnerlichen Sie sich stets, dass die Präambel ein – bedeutender – Bestandteil des

Liefervertrages ist.

2. Vertretungsregelungen und Einbeziehung verbundener Unternehmen

Derjenige, der den Liefervertrag einer Partei unterzeichnet, muss für diese, falls es

sich bei ihr nicht um eine für sich handelnde natürliche Person handelt,vertretungsberechtigt sein. Zur anwaltlichen Fürsorge beim Abschluss eines

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Vertrages gehört es deshalb, sowohl die Rechtspersönlichkeit der Vertragspartei

(rechtliche Existenz, zum Beispiel als Gründungsgesellschaft, ihre genaue

Bezeichnung, Gesellschaftsform, Gesellschaftssitz, etc.) als auch die

Vertretungsverhältnisse abzuklären.

Wer den Vertrag unterzeichnet, ist aber nicht nur juristisch, sondern auch

psychologisch von Bedeutung. Juristisch ist nur die Frage erheblich, ob der

Unterzeichner vertretungsberechtigt ist. Nicht jeder juristisch wirksame Vertrag stößt

 jedoch in gleichem Maße auf Akzeptanz beim Vertragspartner. Die Akzeptanz ist in

der Regel umso größer, je höher der Unterzeichner in der Hierarchie der

Vertragspartei angesiedelt ist. Die Unterschrift unter einem Vertrag bewirkt neben der

rechtlichen auch eine ethische Bindung.

Neben dem formellen Aspekt der Vertretungsberechtigung kommt es gerade bei

internationalen Lieferverträgen, an denen stark verflochtene Unternehmen beteiligt

sind, immer wieder vor, dass Mutter-, Schwester-, Tochter-, Nichtengesellschaften

oder auch sonstigerweise verbundene Unternehmen in die Vertragsabwicklung

einbezogen werden (oder werden sollen), ohne Vertragspartei zu sein. Teilweise soll

etwa die Lieferung nicht durch den Vertragspartner selber, sondern durch dessen

selbstständige Filiale in einem Drittstaat erfolgen. Dies führt dazu, dass deren „Input“

nicht abgefordert und durchgesetzt werden kann. Abwicklungsschwierigkeiten sind so

vorprogrammiert. Als Faustregel gilt daher: Alle Parteien, die im Vertragstext erwähnt

sind, müssen im Vertragsrubrum, also bei der Nennung der Vertragsbeteiligten im

Vertragskopf, auftreten. Ist dies nicht möglich, müssen die Folgen des Ausbleibens

klar geregelt sein.

3. Formvorschriften

Die Form als Wirksamkeitsvoraussetzung spielt in jedem Recht eine große Rolle. Die

Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form führt etwa im deutschen

Recht immer, der Mangel der vertraglich vereinbarten Form dagegen nur im Zweifel

zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (§ 125 BGB). In aller Regel sieht das Gesetz

keine Heilungsmöglichkeiten vor. Umgekehrt sind Geschäfte, die in unserem Recht

formbedürftig sind, in anderen Rechten formfrei (zum Beispiel Grundstücksgeschäfte

innerhalb vieler Rechtsordnungen Europas).

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Als Bestandteil eines Liefervertrages, der der notariellen Beurkundung bedarf,

kommt insbesondere die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in

Betracht. Weitere, hier weniger relevante Fälle sind Grundstückskaufverträge,

Gesellschaftsverträge aller Kapitalgesellschaften, Verfügungen über Anteile einer

GmbH, Satzungsändernde Beschlüsse bei Kapitalgesellschaften und eine Vielzahl

von erb- und familienrechtlichen Geschäften.

Notariell zu beglaubigen sind nahezu alle Geschäfte, die in einem Register

(Handelsregister, Grundbuch, etc.) vollzogen werden. Das Gesetz verlangt (nur) die

Schriftform für eine Vielzahl von Verträgen. Hier bedeutsam sind vor allem eine

Reihe von Verbraucherverträgen, Schiedsgerichtsvereinbarungen,

Honorarvereinbarungen für Rechtsanwälte, kartellrechtlich erhebliche

Vereinbarungen etc. Zu beachten ist hierbei der Grundsatz der Einheitlichkeit der

Urkunde. Alle Blätter, Anlagen eingeschlossen, müssen mindestens durch Heftung

miteinander verbunden werden. Der BGH lässt bei einem mehrseitigen Text eine

Unterschrift auf dem letzten Blatt nur genügen, sofern sie eine körperliche

Verbindung wie etwa Fadenheftung, Zusammenleimen oder Tackern darstellt (BGHZ

136, 361). Besonders tückisch ist die Einhaltung der Schriftform bei Sideletters,

Nachtrags- und Ergänzungsvereinbarungen. Auch sie unterliegen grundsätzlich den

gleichen strengen Regeln.

Formverstöße in einem größeren Vertragswerk führen zu einem Dominoeffekt. Nach

der Auslegungsvorschrift des § 139 BGB führt die Teilnichtigkeit grundsätzlich zur

Gesamtnichtigkeit des Vertragswerkes. Auf die Einhaltung von Formvorschriften ist

deshalb beim Vertragsabschluss besonderes Augenmerk zu richten.

Demgegenüber sind im anglo-amerikanischen Recht Verträge mit einem über

einen Mindestgegenstandswert hinausgehenden Vertragswert in aller Regel nurschriftlich beweisbar („statue of frauds“); ähnliches gilt im französischen Recht zum

Nachweis des Bestehens bestimmter Verbraucherverträge. Auch im deutschen Recht

führt die Einführung europarechtlicher Vorschriften immer mehr zum Erfordernis,

Verbraucherverträge in schriftlicher Form fassen zu müssen.

IV. Vertragliche Kernpflichten

Wurde der Liefervertrag geschlossen, richtet sich das weitere Vorgehen nach dessenInhalt. Die Hauptleistungspflichten, also das Prägende des Liefervertrages, sind für

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den Lieferanten die Lieferung der Ware sowie Eigentumsübertragung an dieser und

für den Käufer die Abnahme der Ware sowie die Zahlung des Kaufpreises. Daneben

gibt es aber noch zahlreiche andere Rechte und Pflichten, die im Streitfall ebenso

wichtig wie diese Hauptleistungspflichten sein können.

1. Anwendbares Recht

Welche Pflichten im Einzelnen und zu welchem Zeitpunkt geschuldet werden, hängt

in erheblichem Umfang davon ab, welches Recht auf den Liefervertrag anwendbar

ist.

Die Parteien können in aller Regel vereinbaren, welches Recht für ihre Beziehung

anwendbar ist. Dies gilt sowohl für Deutschland, die übrigen Mitgliedstaaten der

Europäischen Union sowie andere entwickelte Staaten. Lediglich in einigen

südamerikanischen und arabischen Staaten ist die Vereinbarung eines

ausländischen Rechts nur unter engen Umständen möglich.

a) Rechtswahlklausel nach deutschem Recht

Die Rechtswahl geschieht in der Praxis durch Abschluss eines von Juristen als

kollisionsrechtlichen Verweisungsvertrag genannten Vertrages, der der

Einfachheit halber regelmäßig in eine Rechtswahlklausel aufgenommen wird, die mit

dem Liefervertrag verbunden ist. Bedenken gegen diese Praxis bestehen nach

innerstaatlichem deutschen Recht nicht.

(a) Rechtswahlklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Eine Rechtswahl kann auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgenommen werden. Darunter versteht man vorformulierte

Vertragsbedingungen, die in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen

gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Personen verwendet werden

oder verwendet werden können. Voraussetzung für eine wirksame

Rechtswahl durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ist bei Fällen mit

Auslandsberührung, also bei allen internationalen Lieferverträgen, dass die

Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag einbezogen werden. Dies

ist nur dann gegeben, wenn der deutsche Verwender auf seine AllgemeinenGeschäftsbedingungen in verständlicher Weise hinweist. Der Hinweis muss

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nach § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausdrücklich erfolgen, gleichgültig ob schriftlich,

(fern)mündlich oder elektronisch. Nicht ausreichend ist der bloße Abdruck der

AGB auf der Rückseite eines Vertragsformulars oder einem Katalog (BGH

NJW-RR 1987, 112, 114). Bei internationalen Lieferverträgen ist es deshalb

von Bedeutung, dass der Hinweis ausdrücklich und in der

Verhandlungssprache oder in einer Weltsprache erfolgt.

Kompliziert wird die Rechtslage, wenn sowohl Lieferant als auch Käufer auf

ihre jeweiligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen verweisen, die jeweils die

Anwendbarkeit des Staates bestimmen, in dem die Parteien ihren Sitz haben.

Nach allgemeinem deutschem Recht wird man davon ausgehen, dass die

Parteien über die Rechtswahl keinen Konsens erzielt haben, so dass das

Gesetz über das anwendbare Recht entscheidet.

Noch komplexer ist die Lage, wenn die Rechtswahl durch eine Klausel in

Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffen wird, die erstmals durch ein

kaufmännisches Bestätigungsschreiben in den Liefervertrag eingeführt

wird und der ausländische Kunde schweigt. In einem solchen Fall wird man

von einem Konsens der Parteien ausgehen können, wenn das Recht des

Staates, in dem der Kunde sich aufhält, die Grundsätze des kaufmännischen

Bestätigungsschreibens kennt. Selbst wenn dies der Fall ist, kann in

besonderen Situationen eine erhöhte Schutzwürdigkeit des Kunden dafür

sprechen, dass die Rechtswahl unzulässig war.

(b) Konkludente Rechtswahl

Wurde eine Rechtswahl nicht ausdrücklich vorgenommen, so bemühen sich

die Gerichte, eine konkludente Rechtswahl zu finden. Denn eine Rechtswahlkann sich auch aus den übrigen Bestimmungen des Liefervertrages oder aus

den sonstigen Umständen des Falles ergeben. Für eine konkludente

Rechtswahl spricht der Abschluss des Vertrages im Inland in der

Landessprache, die Vereinbarung eines einheitlichen Gerichtsstandes oder

eines institutionellen Schiedsgerichtes mit ständigem Sitz in einem Staat oder

die Verwendung von Formularen, die auf einer Rechtsordnung aufbauen.

Entscheidend sind in solchen Konstellationen alle Umstände des Einzelfalles.

(c) Gesetzliche Rechtswahl

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Gelingt es dem Gericht nicht, eine konkludente Rechtswahl auszumachen,

unterliegt der Liefervertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engste

Verbindung aufweist (Artikel 28 Absatz 1 Einführungsgesetz zum BGB,

„EGBGB“). Entscheidend ist also, wo der räumliche Schwerpunkt der

Vertragsbeziehungen liegt. Der wichtigste Anhaltspunkt für die engste

Verbindungen eines Vertrages mit einem Staat ist die Erbringung der

charakteristischen Leistung, also der Leistung, welche dem Vertragstyp

seine Eigenart verleiht. Dies ist bei Lieferverträgen die Lieferung der Sache.

Bei diesen wird daher vermutet, dass das Recht des Staates anwendbar ist, in

dem der Lieferant seinen Sitz hat. Nur in Ausnahmefällen, in denen besondere

Umstände eine engere Verbindung mit einem anderen Staat verlangen, ist

das Recht des Staates, in dem der Käufer seinen Sitz hat, anzuwenden. In

aller Regel ist aber bei Lieferverträgen, in denen der Lieferant seinen Sitz in

Deutschland hat, deutsches Recht anwendbar.

b) Besonderheiten bei UN-Kaufrecht

Zu beachten gilt Folgendes: Wenn der internationale Liefervertrag deutschem Recht

unterliegt, so findet in aller Regel UN-Kaufrecht Anwendung. Die Regelungen des

Übereinkommens über Verträge über den internationalen Warenverkauf (Convention

on Contracts for the International Sale of Goods, „CISG“) finden bis auf in dem CISG

ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen nur dann keine Anwendung, wenn dessen

Anwendbarkeit nach einer Vereinbarung der Parteien ausdrücklich ausgeschlossen

wurde.

Und in diesem Zusammenhang gelten für die Rechtswahl Besonderheiten. Auch das

UN-Kaufrecht lässt Rechtswahlklauseln in weitem Umfang zu. Allerdings setzt esvoraus, dass eine Vereinbarung nach dessen Vorschriften zustande gekommen ist.

Dies ist bei einzelvertraglichen Klauseln in der Regel unproblematisch. Anderes gilt

für Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Einbeziehung einer Rechtswahl in

einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen setzt voraus, dass die

Geschäftsbedingungen Bestandteil des Angebotes waren. Maßgebend dafür ist, dass

der Kunde die Möglichkeit gehabt hat, von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen

in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen. Das liegt in der Regel nur vor, wenn das

Angebot – wie im deutschen Kaufrecht – einen deutlichen Hinweis auf die

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Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthält und das Klauselwerk in einer dem

Kunden verständlichen Sprache dem Angebot beigefügt wird.

Komplizierter als im deutschen Recht wird es, wenn die Allgemeinen

Geschäftsbedingungen in einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben 

enthalten sind und der Kunde darauf geschwiegen hat. Denn nach UN-Kaufrecht hat

ein Schweigen regelmäßig keine Wirkung (Art. 18 CISG), es sei denn, es bestünden

andere Gepflogenheiten oder Handelsbräuche. Daher kommt in solchen Fällen eine

Rechtswahl regelmäßig nicht in Betracht.

Schließlich ist nach UN-Kaufrecht nicht entschieden, was passiert, wenn Lieferant

und Käufer Allgemeine Geschäftsbedingungen mit sich widersprechenden

Rechtswahlklauseln verwenden. Die einen meinen, in diesem Fall würden sich die

Bedingungen des Annehmenden durchsetzen (sog. last-shot-rule). Die anderen

meinen, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen würden sich gegenseitig

neutralisieren, so dass an deren Stelle die gesetzliche Regelung tritt. Diese Meinung

ist nach unserer Auffassung vorzugswürdig.

c) Zusammenfassung

Um Schwierigkeiten mit dem anwendbaren Recht zu vermeiden, empfiehlt sich in den

meisten Fällen eine ausdrückliche und abschließende Vereinbarung. Soll die

Rechtswahl in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein, so empfehlen wir

dem Vertragspartner eine Kopie der Geschäftsbedingungen in der

Verhandlungssprache samt eines Hinweises zu übergeben, dass diese das

Rechtsverhältnis regeln sollen. Falls die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur

einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben beigefügt sind, ist es ratsam dem

Vertragspartner aufzufordern, eine unterschriebene Kopie als Zeichen desEinverständnisses zurückzusenden. Im Übrigen gilt, dass je früher eine Rechtswahl

getroffen wird, desto unwahrscheinlicher die Entstehung von Streitigkeiten ist. Daher

sollten etwa auch die Eckpunktevereinbarungen schon entsprechende Regelungen

enthalten.

2. Allgemeine Leistungs- und Verhaltenspflichten

Der Abschluss eines Vertrages dient der Gestaltung der Rechtsbeziehungenzwischen den Vertragsparteien. Gerade Lieferverträge zeigen, dass es dabei meist

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um den Austausch von Leistungen geht, vor allem aber auch um die Festlegung von

Regeln für den künftigen Umgang der Parteien miteinander im Rahmen ihres

Vertragsverhältnisses. Wie bereits angedeutet, werden die für den einzelnen Vertrag

kennzeichnenden Hauptleistungspflichten dabei durch Nebenpflichten ergänzt, die

sich aus dem Vertrag selbst, aber auch aus gesetzlichen Vorschriften ergeben

können.

Da der Schuldner so zu leisten hat, wie Treu und Glaube es gebieten, hat er den

Leistungserfolg vorzubereiten, herbeizuführen und zu sichern. Je nach Art des

Vertrages ergeben sich hieraus Aufklärungspflichten, Beratungspflichten,

Auskunftspflichten, Anzeigepflichten, Mitwirkungspflichten,

Unterlassungspflichten und Fürsorgepflichten. Beispielsweise gehört zu den

vertraglichen Nebenpflichten des Verkäufers einer Maschine, den Käufer in die

Bedienung der Maschine einzuweisen. Ebenso muss ein Verkäufer, der mit dem

Käufer vereinbart hat, dass die verkaufte Ware an den Sitz des Käufers gesandt

werden soll, für eine ordnungsgemäße Verpackung der Ware sorgen. Die

Verpackung muss gewährleisten, dass vorhersehbare Einwirkungen während

Transport und Lagerung der Ware keinen Schaden zufügen (Cour de Cassation,

Urteil vom 24. September 2003, CISG-France).

Charakteristisch für diese Art von Verhaltens- und Schutzpflichten ist, dass es bei

ihnen nicht um die primär geschuldete Leistung geht, sondern darum, die Rechte und

sonstigen Rechtsgüter der Gegenpartei zu schützen. Sie entstehen bereits mit der

Anbahnung von Vertragsverhandlungen und sind Grundlage für eine Haftung aus

culpa in contrahendo. Diese Verhaltens- und Schutzpflichten können auch nach

Beendigung des Vertragsverhältnisses fortwirken. Bei der Abwicklung des Vertrages

müssen deshalb beide Seiten auf die Einhaltung der vereinbarten oder sich aus dem

Gesetz ergebenden Verhaltensschutzpflichten achten. Ein klassisches Beispiel fürdiese Haftung ist z. B. der Kunde, der durch Verschulden des Angestellten von einer

umstürzenden Linoleumrolle verletzt wird (RGZ 78, 240 f.) oder die Kundin, die im

Geschäftsraum auf einem Gemüseblatt ausrutscht (BGH NJW 1962, 32).

Je nachdem, um welche Art von Vertrag es sich handelt, bietet es sich an, eine Art

Checkliste in Zusammenarbeit mit den hausinternen Juristen oder sonstigen

rechtlichen Beratern zu erstellen, die womöglich orientiert an einem Zeitplan

bestimmte Verpflichtungen und Obliegenheiten auflistet, die man selbst zu erfüllenhat, aber auch Verpflichtungen und Obliegenheiten der Gegenseite aufführt. Sollte

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man selbst an der Erfüllung eigener Verpflichtungen gehindert werden, ist es nämlich

regelmäßig erforderlich, die andere Seite zumindest zu informieren, und sei es auch

nur, um Schadensminderungspflichten auszulösen. Umgekehrt bedürfen

Nichterfüllungen der Gegenseite häufig einer zum Beispiel verzugsbegründenden

Mahnung, rechtswahrenden Rüge oder Behinderungsanzeige. Von zunehmender

Bedeutung ist das Erfordernis, der anderen Seite eine Frist zu setzen. Darauf gehen

wir aber später noch einmal genauer ein.

Natürlich hängt die Zweckmäßigkeit einer solchen Compliance-Checkliste von der Art

und vor allem der Dauer des Liefervertrages ab. Kurze Kaufgeschäfte, bei denen es

um eine einmalige Warenzusendung und deren Bezahlung geht, werden eine

derartige Checkliste nicht verlangen. Anderes gilt für Dauerschuldverhältnisse, bei

denen über einen längeren Zeitraum Waren in gleich bleibenden oder

unterschiedlichen Mengen geliefert werden. In solchen Fällen sind solche Listen

eigentlich immer erforderlich. Bei derartigen Verträgen wird zudem häufig

vorgesehen, dass die Vertragspartner bestimmte Vertragsverantwortliche oder

Projektleiter benennen, die bei genauerer Betrachtung nicht nur

Vertragsdurchführungsfunktionen haben, sondern im Rahmen nachträglicher

Spezifizierung und sonstiger die Vertrageserfüllung betreffender Vereinbarungen

auch vertragsinhaltlich, also vertragsändernd tätig werden oder jedenfalls werden

können. Ist dies nicht erwünscht, so sollte eine dahingehende ausdrückliche

Regelung in den Liefervertrag aufgenommen werden.

3. Zahlungspflichten und Preisanpassung

Die wichtigste Pflicht des Käufers ist die Bezahlung des Kaufpreises. Zudem ist er

verpflichtet, die Ware abzunehmen, was insbesondere im Fall von verderblicher Ware

von großer Bedeutung sein kann. Findet UN-Kaufrecht Anwendung, ist der Käuferdes Weiteren verpflichtet, bereits im Vorfeld der Zahlungsfälligkeit alle Maßnahme zu

ergreifen, damit die Zahlung rechtzeitig geleistet werden kann (Artikel 54 CISG).

a) Festpreis

Der Liefervertrag kann einen festen Einheitspreis vorsehen, was in der Regel bei

Lieferverträgen über eine begrenzte Anzahl von Waren geschieht. Insbesondere bei

Lieferungen von einer Mehrzahl von Waren kann es jedoch angezeigt sein, diePreisstellung aufzuspalten und separat auszuweisen, welcher Betrag auf jede Ware

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entfällt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die zollrechtlichen Bestimmungen im Staat

des Importeurs für einzelne Waren unterschiedliche Zolltarife und/oder abweichende

Zollwertermittlungsmethoden vorsehen.

b) Andere Preisklauseln

Neben der Möglichkeit des Festpreises kann der Liefervertrag auch Preisvorbehalts-

oder Preisgleitklauseln vorsehen. Bei solchen Klauseln ist jedoch darauf zu achten,

dass sie mit dem Grundsatz der Preisbestimmbarkeit vereinbar sind. Der Preis muss

aufgrund der im Liefervertrag hierzu getroffenen Absprachen objektiv bestimmt

werden können (Artikel 14 CISG). Zudem ist dafür Sorge zu tragen, dass die

Preisgleitklausel auch nach den im Staat des Importeurs geltenden Gesetzen

zulässig ist. Ist dies nicht der Fall, so kann unter Umständen der gesamte Kaufvertrag

nichtig sein.

c) Zahlungsmodalitäten

Die Modalitäten der Zahlung unterscheiden sich je nach anwendbarem Recht und je

nach vertraglicher Gestaltung. Wichtig ist zunächst der Zahlungszeitpunkt. Haben

die Parteien keine abweichenden Regelungen getroffen, so ist nach UN-Kaufrecht

der Kaufpreis zu zahlen, nachdem der Käufer die Ware oder die berechtigenden

Dokumente zur Verfügung gestellt bekommen hat (Artikel 58 CISG). Daraus folgt,

dass der Verkäufer im Zweifel vorleistungspflichtig ist und die Fälligkeit der

Kaufpreiszahlung erst eintritt, nachdem der Käufer über die Ware verfügen kann.

Anders verhält sich dies nach nationalem deutschen Recht. Hier ist der Kaufpreis in

der Regel Zug um Zug gegen die Übertragung des Kaufgegenstandes zu erfüllen.

Unterschiede zwischen nationalem deutschen Recht und UN-Kaufrecht gibt es auchbezüglich des Zahlungsortes. Nach UN-Kaufrecht hat der Käufer dem Verkäufer,

sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, am Ort der Niederlassung

des Verkäufers oder, in Fällen von Zug um Zug-Leistungen, an dem Ort, an dem die

Übergabe der Waren stattfindet, zu zahlen (Artikel 57 CISG). Nach deutschem

Verständnis ist demgegenüber Zahlungsort der Wohnsitz des Käufers, wobei dieser

das Geld auf seine Gefahr und Kosten an den Wohnsitz des Verkäufers zu

übermitteln hat (§§ 269, 270 Absätze 1 und 4 BGB). Während also UN-Kaufrecht von

einer Bringschuld ausgeht, legt deutsches Recht eine Schickschuld fest. Dies hat

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erhebliche Bedeutung etwa im Bereich der internationalen und örtlichen gerichtlichen

Zuständigkeit.

Zu betonen ist jedoch, dass sowohl nach UN-Kaufrecht wie nach deutschem Recht

abweichende Vereinbarungen der Parteien jederzeit möglich sind, und zwar sowohl

hinsichtlich des Zahlungszeitpunktes wie des Zahlungsortes.

4. Sicherheiten

Um den Erfüllungsanspruch der Vertragsparteien zu sichern, werden die Parteien

häufig vereinbaren, dass eine oder beide Seiten Sicherheitsleistungen zu erbringen

haben. Im Zusammenhang mit Lieferverträgen wird regelmäßig der Käufer seine

Pflicht zur Kaufpreiszahlung zu besichern haben.

a) Eigentumsvorbehalt 

Bei Lieferverträgen steht hierfür die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts als der

gebräuchlichsten Form der Sicherheitsleistung zur Verfügung. Bei einem

Eigentumsvorbehalt wird das Eigentum an der Sache nur dann übertragen, wenn der

Käufer den Kaufpreis vollständig bezahlt hat. Der Eigentumsvorbehalt kann in

Deutschland auf verschiedene Art und Weise ausgestaltet werden, beispielsweise als

einfacher oder verlängerter Eigentumsvorbehalt oder als Kontokorrentvorbehalt. In

dem letztgenannten Fall muss nach der neueren Rechtsprechung nicht mehr eine

sogenannte Freistellungsklausel zur Verhinderung einer Übersicherung

aufgenommen werden, da der Käufer kraft Gesetzes einen Anspruch auf Freigabe

nicht mehr benötigter Sicherheiten hat. Unzulässig ist demgegenüber die

Vereinbarung eines Konzernvorbehalts, wonach der Eigentumsübergang davon

abhängig gemacht wird, dass der Käufer Forderungen eines Dritten, regelmäßigeines mit dem Verkäufer verbundenen Unternehmens, erfüllt. Ein solcher Vorbehalt

kann weder einzelvertraglich noch durch allgemeine Geschäftsbedingungen

vereinbart werden.

Zu beachten ist, dass zwar der einfache Eigentumsvorbehalt („retention of title“) auch

im Ausland anerkannt und üblich ist, jedoch die in Deutschland entwickelten

Erweiterungs- und Verlängerungsformen regelmäßig nicht anerkannt werden und

deshalb etwa bei Transport der Ware durch solche Staaten diese Regelungen undgelegentlich sogar der Eigentumsvorbehalt insgesamt entfallen und unter Umständen

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auch bei einem Rücktransport nach Deutschland oder in ein Drittstaat nicht wieder

aufleben.

Vor allem ist aber darauf hinzuweisen, dass, auch wenn ein Eigentumsvorbehalt

zunächst vertraglich nicht abgesprochen und nicht vereinbart wurde, der Verkäufer

einen Eigentumsvorbehalt bei der Vertragserfüllung, d.h. der Lieferung der Ware,

einseitig erklären und dadurch einen uneingeschränkten Eigentumsübergang auf

den Käufer verhindern kann (grundlegend BGH NJW 1982, 1750, 1751). Zwar reicht

ein bloßer Vermerk auf Warenbegleitpapieren in der Regel nicht aus (BGH NJW

1979, 213, 214), andererseits soll ein zum Beispiel in nicht wirksam einbezogenen

oder gegen § 307 BGB verstoßenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen

enthaltener Eigentumsvorbehalt wirksam sein (BGHZ 104, 137).

Ein Eigentumsvorbehalt kann auch stillschweigend vereinbart werden, insbesondere

im Rahmen einer ständigen Geschäftsverbindung oder falls sich eine

Branchenüblichkeit insoweit feststellen lässt. Im Grunde lässt sich generell

empfehlen, bei allen Verkaufsgeschäften als Verkäufer Ware ausdrücklich nur unter

Eigentumsvorbehalt zu liefern, es sei denn, dass dies vertraglich ausdrücklich

ausgeschlossen ist, denn dann würde der vertragswidrig erklärte Eigentumsvorbehalt

einen Vertragsbruch darstellen und den Käufer zu Gegenmaßnahmen berechtigen,

die nicht gewünscht sein können. Da der Eigentumsvorbehalt faktisch nicht zum

Tragen kommt, wenn der Käufer als Händler die Sache weiterveräußert – was er ja

darf – oder vermischt beziehungsweise verarbeitet und nach §§ 947 Absatz 2, 948,

950 BGB auch kein Miteigentum entsteht, ist der dinglichen Sicherung durch

Eigentumsvorbehalt die Sicherung der Kaufpreiszahlung durch ein persönliches

Sicherungsrecht, also insbesondere Bankbürgschaft beziehungsweise Bankgarantie

vorzuziehen.

b) Bankgarantien und Akkreditive 

Wenn irgend möglich, sollte eine Bankgarantie auf erstes Anfordern ohne weitere

Einschränkung vereinbart werden; üblicher sind Akkreditive. Gerade bei

internationalen Lieferverträgen kommt die Vereinbarung eines Akkreditivs als

Sicherungsmittel regelmäßig in Frage. Mit dem Akkreditiv verpflichtet sich eine Bank

gegenüber einem Gläubiger beziehungsweise zumeist dessen Bank – zumeist einem

Exporteur von Waren oder Diensten – im Auftrag des Importeurs zur Zahlung einesKaufpreises, und zwar unwiderruflich. Diese Zahlungsverpflichtung ist regelmäßig

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unabhängig vom Grundgeschäft; Einwendungen aus dem Grundgeschäft sind damit

dem Akkreditivsteller verwehrt.

Wird die Gestellung eines Akkreditivs vereinbart, so ist die Verpflichtung des Käufers,

das Akkreditiv zu stellen, seine Hauptverpflichtung aus dem Kaufvertrag. Verletzt er

diese Pflicht, stehen dem Verkäufer die üblichen Rechte zu. Insbesondere kann er

Schadensersatz statt der Leistung verlangen (§§ 280, 281 BGB) oder vom Vertrag

zurücktreten (§ 323 BGB). Die Verpflichtung des Käufers zur Akkreditivstellung

qualifiziert ferner das Geschäft insoweit zu einem Fixgeschäft, als für die

Akkreditivbestellung ein exakter Termin genau bestimmt ist. In diesem Fall ist es nicht

erforderlich, dass der Verkäufer dem Käufer zunächst eine Nachfrist setzt, wenn

innerhalb der vereinbarten Frist das Akkreditiv nicht vorliegt.

Gegenüber der Bankgarantie auf erstes Anfordern regeln Akkreditive mittels der

Akkreditivbedingungen das Leistungsaustauschverhältnis zwischen Käufer und

Verkäufer ausgewogener. Hier liegt aber auch die große Gefahr für den Verkäufer.

Insbesondere, wenn zu viele Bedingungen für die Ziehung eines Akkreditivs

vereinbart sind und womöglich gar einzelne Bedingungen vom Käufer oder einer vom

Käufer abhängigen dritten Person vereitelt werden können. Durch Verweigerung von

Inspektionszertifikaten kann etwa das Akkreditiv in der Praxis leicht leer laufen,

 jedenfalls insoweit, als nicht nur die mangelnde Bonität des Käufers abgedeckt

werden soll, sondern durch Sicherung schneller unkomplizierter Zahlung auch die

Mühen einer gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Auseinandersetzung vermieden

werden sollen.

Häufig ist in Lieferverträgen zwar die Stellung eines Akkreditivs durch den Käufer

vorgesehen, die Akkreditivbedingungen werden jedoch zunächst nicht näher

spezifiziert. Man kann in diesen Fällen dem Verkäufer nur raten, möglichst keinerleiAkkreditivbedingungen zu akzeptieren mit Ausnahme des Nachweises der Lieferung,

etwa durch Übernahmebescheinigung des Spediteurs. Dem Käufer dagegen ist zu

raten, in die Akkreditivbedingungen ausdrücklich aufzunehmen, dass eine Inspektion

der Ware und Bestätigung der Vertragskonformität erfolgter Lieferungen zur

Auszahlungsbedingung gemacht wird.

V. Vertragsstörungen

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Auch ein guter Liefervertrag bietet keine Erfolgsgewähr. Selbst die auf den Einzelfall

angepassten und dem modernsten Stand der Rechtstechnik entsprechenden

Klauseln können nicht verhindern, dass das Vertragsverhältnis gestört wird. Gründe

hierfür können insbesondere sein, dass

• die Ware nicht die im Vertrag vereinbarte ist;

• die Ware Mängel aufweist;

• die Ware Schutzrechte Dritter verletzt;

• die Ware oder Teile davon nicht rechtzeitig geliefert werden;

• der Käufer nicht rechtzeitig bezahlt.

1. Vorliegen eines Mangels

Die in der Praxis wichtigste Problemquelle ist die Lieferung mit Ware, die nicht den

Anforderungen des Käufers genügt. In diesem Fall müssen sich die Beteiligten stetsfragen, ob die Ware den Anforderungen des Liefervertrages genügt, ob sie rechtzeitig

untersucht und eventuelle Mängel gerügt wurden und schließlich welche Rechte sich

aus den konkreten Mängeln herleiten lassen.

Eine Mängelhaftung ist nur möglich, wenn die Ware mangelhaft ist. Das deutsche

Recht unterscheidet dabei zwischen Sach- und Rechtsmängeln. Die vom Lieferanten

gelieferte Sache ist mangelhaft, wenn sie nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat

(§ 434 BGB). Wurde keine Beschaffenheit vereinbart, liegt ein Sachmangel vor, wennsich die Sache nicht für die nach dem Liefervertrag vorausgesetzte Verwendung,

hilfsweise für die gewöhnliche Verwendung, eignet. In diesem Zusammenhang gilt es

zu beachten, dass mit der neu eingeführten Haftung des Verkäufers für öffentliche

Aussagen und Werbeaussagen eine ergänzende Regelung für die Beschaffenheit,

die der Käufer erwarten kann, getroffen wurde. Ein Sachmangel besteht deshalb

mittlerweile auch in der fehlerhaften Angabe des Kraftstoffverbrauchs eines Kfz

(BGHZ 132, 55). Einem Sachmangel steht es gleich, wenn eine andere Sache oder

eine zu geringe Menge geliefert wird. Ein Rechtsmangel liegt vor, wenn Dritte inBezug auf die Sache Rechte gegen den Käufer geltend machen können (§ 435

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BGB). Als Rechte kommen dingliche Rechte, wie z. B. Pfandrechte, Hypotheken,

Grunddienstbarkeiten, andere absolute Rechte wie das Namensrecht und das

allgemeine Persönlichkeitsrecht, Urheber-, Lizenz- und Patentrechte in Betracht

(Saenger, HR-BGB, 2.Aufl. 2002, § 435 Rdnr. 3).

Nach UN-Kaufrecht setzt die Geltendmachung von Rechtsbehelfen voraus, dass der

Lieferant vertragswidrige Waren geliefert hat. Die Ware ist dann vertragswidrig, wenn

ihre Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit abweicht. Maßgeblich ist dabei,

dass die gelieferte Ware in Menge, Qualität und Art sowie hinsichtlich Verpackung

oder Behältnis den Anforderungen des Vertrages entspricht (Artikel 35 CISG). Die

Ware ist daher in der Regel vertragswidrig, wenn Qualitätsabweichungen,

Quantitätsabweichungen, Verpackungsfehler und Artabweichungen vorliegen. Auch

das UN-Kaufrecht sieht eine Regelung für Rechtsmängel vor, die im wesentlichen

derjenigen des deutschen Kaufrechts entspricht (Artikel 41 CISG).

Es kommt weder nach deutschem noch nach UN-Kaufrecht darauf an, ob der

Lieferant die Vertragswidrigkeit der Ware verschuldet hat. Die Haftung in beiden

Systemen greift als Garantiehaftung zunächst immer ein. Grund hierfür ist, dass der

Lieferant sich im Vertrag verpflichtet hat, mangelfreie Ware zu liefern und sich daran

auch festhalten lassen muss.

Gerade bei längerfristigen Lieferverträgen kann das Festhalten an der vertraglichen

Soll-Beschaffenheit zu Komplikationen bei dem Lieferanten führen, insbesondere

wenn dieser sein Produktsortiment regelmäßig den Marktgegebenheiten anpasst.

Daher kann es sich empfehlen, in dem Liefervertrag vorzusehen, dass Abweichungen

bestimmter Art und/oder in bestimmten Grenzen zulässig sind und keine

vertragswidrige Lieferung begründen. Zudem kann man vorsehen, dass sich der

Verkäufer technische Verbesserungen ausdrücklich vorbehält. Ansonsten kann derKäufer gegebenenfalls geltend machen, dass eine „bessere“ Ware nicht

vertragsgemäß ist.

Der Mangel muss sowohl nach deutschem Kaufrecht wie nach UN-Kaufrecht zum

Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen haben. Wann bei internationalen

Lieferverträgen der Gefahrübergang stattfindet, richtet sich vornehmlich nach den

Vorgaben des Liefervertrages. Frühstmöglicher Gefahrübergang ist die Bereitstellung

der Ware bei dem Verkäufer zur Abholung durch den Käufer, spätestmöglicher dieLieferung der Ware bei dem Käufer. Im dazwischen liegenden Zeitraum kann die

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Gefahr übergehen etwa bei der Übergabe der Ware an den Beförderer des

Verkäufers oder an den Beförderer des Käufers sowie zu dem Zeitpunkt, zu dem der

Käufer Eigentum an der Ware erwirbt. Haben die Parteien den Zeitpunkt nicht

geregelt, so entscheidet das anwendbare Recht. Zu beachten gilt nach UN-Kaufrecht,

dass die Gefahr nur dann übergeht, wenn die veräußerte Ware dem

abgeschlossenen Vertrag zugeordnet werden kann (Artikel 67 Absatz 2 CISG).

2. Notwendigkeit von Untersuchung und Rüge

Die Geltendmachung von Rechten wegen eines Mangels setzt in der Regel voraus,

dass der Käufer die Ware ordnungsgemäß, insbesondere rechtzeitig untersucht und

etwaige Mängel rechtzeitig rügt. Fernen sorgen die in engem Zusammenhang damit

stehenden gesetzlichen Gewährleistungsfristen dafür, dass der Verkäufer nicht

unbegrenzt für etwaige Mängel einer Ware einzustehen hat.

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a) Verjährungsfrist

Das UN-Kaufrecht enthält keine Regelungen zur Verjährung. Maßgeblich sind daher

die jeweils anwendbaren nationalen Vorschriften sowie die vertraglichen Regelungen.

Für die Geltendmachung von Mängeln der Kaufsache nach deutschem Kaufrecht ist

der Zeitpunkt der Ablieferung der Sache von wesentlicher Bedeutung. Denn

sämtliche Gewährleistungsansprüche des Käufers verjähren bei beweglichen Sachen

regelmäßig in zwei Jahren ab dem Ablieferungszeitpunkt (§ 438 BGB). Die

Ablieferung setzt voraus, dass der Käufer die Verfügungsgewalt über die Kaufsache

erlangt und die Möglichkeit zu ihrer Untersuchung erhält. Für die Vertragsgestaltung

und Vertragsabwicklung ist deshalb wichtig, den Umfang der geschuldeten

Leistungen und namentlich den Erfüllungsort genau festzulegen sowie den

Ablieferungszeitpunkt genau zu dokumentieren, zum Beispiel durch Quittung.

Es entspricht guter Praxis bei Lieferverträgen die Gewährleistungsfrist ausdrücklich

zu notieren und vor Ablauf der Gewährleistungsfrist sich als Käufer gegebenenfalls in

einer Besprechung mit den am Geschäft beteiligten Mitarbeitern Rechenschaft

darüber abzulegen, ob etwa Gewährleistungsansprüche bereits bestehen,

Sachmängel oder Ähnliches konkret zu befürchten sind, um dann entsprechend mit

dem Lieferanten über den Mangel in Verhandlung zu treten oder rechtliche Schritte

einzuleiten, die die Verjährung hemmen (§ 203 ff. BGB).

b) Untersuchungs- und Rügefristen

Praktisch größere Bedeutung besitzen jedoch die Untersuchungs- und Rügepflichten

beim Handelskauf nach dem Handelsgesetzbuch („HGB“). Sind Verkäufer und Käufer

Kaufleute und fällt der Kauf in ihr Handelsgewerbe – wovon bei internationalenLieferverträgen in aller Regel auszugehen sein wird –, so muss der Käufer dem

Verkäufer etwaige Mängel unverzüglich nach Ablieferung der Ware, oder, wenn die

Mängel bei der Untersuchung nicht erkennbar sind, nach ihrer Entdeckung anzeigen

(§ 377 HGB). Ein Beispiel für einen Mangel, der bei Vornahme der Untersuchung

nicht erkennbar war, ist der Mangel einer Maschine, der sich erst bei Aufnahme der

Serienproduktion zeigt (BGH NJW 1977, 1150). Unterlässt der Käufer die Anzeige, so

„gilt“ die Ware als genehmigt, es sei denn, dass es sich um einen Mangel handelt,

der bei der Untersuchung nicht erkennbar war (§ 377 Absatz 2 HGB). In diesem Fallwird der Käufer rechtlich so behandelt, als wenn er eine mangelfreie Ware erhalten

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hätte. Er kann nicht mindern und auch nicht vom Vertrag zurücktreten. Er kann

zudem auch keine Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsabschluss oder sonstigen

Vertragsverletzungen wegen Mangelfolgeschäden geltend machen, soweit diese auf

dem nicht gerügten Mangel der Sache beruhen.

(a) Sinn und Zweck der Untersuchungs- und Rügepflichten

Sinn und Zweck der in § 377 HGB vorgesehenen Rügelast ist die

interessengemäße Risikoverteilung zwischen Käufer und Verkäufer. Vor allem

der Verkäufer hat ein berechtigtes Interesse daran, vom Käufer möglichst

frühzeitig von der fehlerhaften Lieferung zu erfahren, einerseits, um die

Mangelhaftigkeit zu überprüfen, andererseits aber auch zum Beispiel um

etwaige Mangelfolgeschäden, die den Wert der Ware um ein Vielfaches

übersteigen könnten, zu verhindern. Rügt der Käufer nicht rechtzeitig, so

verliert er seine Ansprüche. Die Parteien müssen deshalb bei der

Vertragsabwicklung ihren Untersuchungs- und Rügepflichten unbedingt

rechtzeitig nachkommen.

Hat der Käufer sich mit der Untersuchung der Ware womöglich zu viel Zeit

gelassen oder ist er im Zweifel darüber, kann er durch Wahl eines besonders

schnellen Kommunikationsmittels, heutzutage also insbesondere durch Rüge

per Telefax oder E-Mail die letztlich maßgebende Gesamtfrist, die sich aus

„unverzüglicher Untersuchung und unverzüglicher Rüge“ zusammengesetzt,

doch noch wahren. Unsere Empfehlung ist es daher generell, Mängelrügen

immer mit dem zur Verfügung stehenden schnellstmöglichen

Kommunikationsmittel abzugeben, wie gesagt also am besten per Telefax

oder E-Mail.

(b) Notwendiger Inhalt einer Rüge

Auf die Anforderungen an die Intensität der Untersuchung einer Ware wollen

wir hier im Einzelnen nicht näher eingehen, es hängt dies von den jeweiligen

Waren, der Sachkenntnis und den dem Verkäufer zur Verfügung stehenden

technischen Möglichkeiten usw. ab. So darf der Maßstab, der an die

Untersuchung der Ware gestellt wird, nicht von den subjektiven Fähigkeiten

des Käufers abhängig gemacht werden (BGH WM 1970, 1402). Grundsätzlichmuss die Rüge inhaltlich möglichst konkret sein, der Verkäufer muss der Rüge

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Art und Umfang der Mängel entnehmen können. Der Käufer soll nicht

rechtzeitig entdeckte Mängel später nicht nachschieben können.

Daran wird er aber gerade interessiert sein. Es bietet sich deshalb an, zwar

einerseits alle benennbaren Mängel auch tatsächlich konkret zu benennen,

darüber hinaus aber in der Formulierung den Eindruck zu vermeiden, dass die

Liste der angegebenen Mängel bereits abschließend sei. Es ist deshalb immer

gut, schlicht die Vertragswidrigkeit der Ware ganz allgemein, dann näher etwa

Mängel, Art, etc. und schließlich „insbesondere“ die konkret festgestellten

Vertragsabweichungen zu rügen.

(c) Abweichende vertragliche Regelungen

Die Parteien des Liefervertrages können die Rügelast durch

Individualvereinbarung ändern oder ausschließen. Geschieht dies

formularmäßig, so sind die Vorschriften betreffend Allgemeine

Geschäftsbedingungen in dem Bürgerlichen Gesetzbuch zu beachten. Eine in

den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verkäufers getroffene

Bestimmung, wonach alle Mängel der Sache bei der Ablieferung anzuzeigen

sind und anderenfalls eine Haftung ausgeschlossen sein soll, ist sowohl unter

Nicht-Kaufleuten als auch im kaufmännischen Verkehr nichtig (BGH WM

1985, 1145).

Ebenso hat der Bundesgerichtshof („BGH“) eine Klausel in Allgemeinen

Geschäftsbedingungen für nicht mehr hinnehmbar bezeichnet, die eine Rüge

offener und verborgener Mängel nur innerhalb von drei Tagen gestattete. Eine

solche Klausel weicht auch im kaufmännischen Verkehr so weit von dem die

gesetzliche Regelung beherrschenden Grundsatz der Verantwortlichkeit desVerkäufers ab, dass sie nicht mehr hingenommen werden kann. Ein Verlust

des Mängelrügerechts mit der Folge des Anspruchsverlustes ist grundsätzlich

nur dann zu rechtfertigen, wenn der Käufer zumutbaren, zur redlichen

Abwicklung des Vertrages gebotenen Obliegenheiten nicht nachkommt (BGH

NJW 1992, 575, 576). Die Rechtsprechung hat sogar eine Klausel, wonach

offensichtliche Mängel der gelieferten Waren dem Käufer binnen einer Woche

anzuzeigen waren, für unwirksam gehalten, zumindest dann, wenn das

Klauselwerk keine eindeutige Bestimmung darüber enthält, wann die

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Wochenfrist zu laufen beginnt und in welcher Weise sie gewahrt werden kann

(OLG Zweibrücken NJW-RR 1998, 349).

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(d) Falschlieferungen

Die Vorschrift des § 377 HGB ist auch anzuwenden, wenn eine andere als die

bedungene Ware geliefert wird (§ 434 Absatz 3 Alternative 1 BGB). Nach der

seit der Schuldrechtsmodernisierung geltenden Rechtslage kommt es nicht

mehr darauf an, ob die gelieferte Ware offensichtlich von der Bestellung so

erheblich abweicht, dass der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als

ausgeschlossen betrachten musste (sogenannte Genehmigungsfähigkeit des

§ 378 HGB alte Fassung). Nach der geltenden Gesetzeslage ist jede

Falschlieferung eine – mangelhafte – Lieferung, sofern sie in Erfüllung des

Kaufvertrages geliefert wird. Es muss also eine entsprechende

Tilgungsbestimmung des Verkäufers vorliegen, was nach dem objektiven

Empfängerhorizont des Käufers zu beurteilen ist.

Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen ist auch nicht für Extremfälle zu

machen („Gänse statt Karpfen“). Denn dadurch würden die bei der alten

Gesetzeslage vorliegenden Abgrenzungsschwierigkeiten, die beseitigt werden

sollen, nur auf eine andere Ebene verlagert, ohne dass dies vom Ergebnis her

klar vorzugswürdig erscheint und ohne dass sich dafür Anhaltspunkte im

Gesetzestext finden lassen (Bamberger/Roth, BGB, § 434 Rdnr. 108 ff.). Wir

können daher nur raten immer zu rügen, selbst wenn die gelieferte Ware noch

so sehr von der ursprünglich bestellten abweicht. Eine Rüge kann dem

Rügenden nicht schaden, mag sie seinen Vertragspartner auch nerven. Eine

unterlassene Rüge kann dagegen den Verlust erheblicher Ansprüche nach

sich ziehen.

Ferner ist die für die Falschlieferung getroffene Regelung auch maßgebend,

wenn der Verkäufer eine andere als die bedungene Menge von Warengeliefert hat (§ 433 Absatz 3 Alternative 2 BGB). Hat der Käufer nicht gerügt,

so muss er daher grundsätzlich den vollen Kaufpreis zahlen, auch wenn er zu

wenig erhalten hat (BGHZ 91, 293, 300). Er braucht jedoch nur die erhaltene

Ware zu vergüten, wenn es sich um eine offene, aus der Rechnung oder dem

Lieferschein ersichtliche und damit vom Verkäufer selbst deklarierte und

feststehende Minderlieferung handelt. Gesetzlich nicht geregelt ist der Fall,

dass der Verkäufer mehr liefert als geschuldet. Es herrscht daher Streit, was

in einer solchen Konstellation zu tun ist. Die Einen sagen, der Käufer könnedie gelieferte Ware behalten und müsse nur den vertraglich geschuldeten

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Betrag bezahlen. Die anderen sind der Ansicht, der Verkäufer könne auch

eine Bezahlung für die zu viel gelieferte Menge verlangen.

(e) Rügen bei Streckengeschäften

Besonderheiten ergeben sich dann, wenn die Lieferung der Ware unmittelbar

an den Abnehmer des Käufers erfolgt (sogenanntes Streckengeschäft). Ist

der Käufer ein Zwischenhändler, der die gelieferte Ware an einen Abnehmer

weiterverkauft und mit dem Verkäufer vereinbart, er solle die Ware unmittelbar

an den Endabnehmer senden, so kann der Käufer die Untersuchung der Ware

seinem Abnehmer überlassen. Er hat dann aber dafür zu sorgen, dass der

Abnehmer ihn alsbald von etwaigen Mängeln unterrichtet; anderenfalls muss

sich der Zwischenhändler den aus § 377 Absatz 1 HGB ergebenden

Rechtsnachteil von dem Verkäufer entgegenhalten lassen (BGHZ 110, 130;

vgl. auch OLG Köln, NJW-RR 2004, 1141, 1142).

(f) Verzicht

Der Verkäufer kann jederzeit (auch stillschweigend) auf die Rechtsfolgen der

Genehmigung mangels Untersuchung und Rüge verzichten. Ein solcher

Verzicht kann gegeben sein, wenn der Verkäufer vorbehaltlos die zu spät

beanstandeten Waren zurückgenommen oder Nachbesserung versprochen

hat (BGHZ 110, 130, 144). Es kann auch ausreichen, dass er den Einwand

der verspäteten Mängelrüge, nicht erhoben hat. Es genügt aber nicht, dass er

lediglich Verhandlungen über die vom Käufer gerügten Mängel aufnimmt;

hieran ist der bloße Wunsch des Verkäufers zu sehen, zunächst eine gütliche

Beilegung des Streits über die Mängel zu versuchen (BGH WM 1991, 1636,

1637).

Es empfiehlt sich also auf Verkäuferseite, generell bei Eingang von

Mängelrügen oder Mängelanzeigen oder – da diese ja formlos, also auch

mündlich erfolgen können – beim Bericht von Mitarbeitern über Äußerungen

des Käufers hinsichtlich von (angeblichen) Mängeln grundsätzlich vor jeder

weiteren Behandlung und Beantwortung zu prüfen, ob hier nicht eine

Rügeobliegenheitsverletzung vorlag, die den Gewährleistungsanspruch

entfallen lässt. Generell würden wir Verkäufern raten, jede Mängelrügegewissermaßen formularmäßig mit der Behauptung einer Rügeverspätung zu

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beantworten. Des Weiteren empfiehlt es sich aber auch, jegliche Rüge ebenso

sorgfältig zu notieren wie den Zeitpunkt, in dem sie gemacht wurde, falls sich

daraus im Rückschluss etwa aufgrund einer der Rüge vorausgegangenen

umfangreichen Untersuchung die spätere Geltendmachung weiterer Mängel

womöglich abwehren lässt, wenn diese Mängel schon bei der zuvor erfolgten

eingehenden Untersuchung hätten entdeckt werden müssen.

c) Besonderheiten des UN-Kaufrechts

Unterliegt der Vertrag dem UN-Kaufrecht, sind hinsichtlich der Untersuchungs- und

Rügepflichten der Parteien die entsprechenden Regelungen des CISG anzuwenden.

Bei dessen Auslegung sind insbesondere sein internationaler Charakter und die

Notwendigkeit zu berücksichtigen, seine einheitliche Anwendung zu fördern.

Nationales Recht kann also nicht zur Auslegung herangezogen werden, da

anderenfalls das Übereinkommen in den einzelnen Staaten bald einen verschiedenen

Inhalt hätte.

(a) Untersuchungs- und Rügepflichten

Die in den Artikeln 38 bis 41 und 43 CISG geregelten Untersuchungs- und

Rügpflichten entsprechen weitgehend denjenigen des § 377 HGB. Nach

Artikel 38 Absatz 1 CISG hat der Käufer die Ware innerhalb einer so kurzen

Frist zu untersuchen, wie es die Umstände erlauben. Diese Formulierung

bringt ein besonderes Gebot der Eile zum Ausdruck und dürfte dem

deutschen „unverzüglich“ entsprechen. Die deutsche Rechtsprechung legt

 jedenfalls einen strengen Maßstab an (vgl. etwa OLG Düsseldorf DB 1994,

2492, 2494). Der Käufer muss grundsätzlich sofort nach der Lieferung die

Ware untersuchen. Wird die Ware allerdings vom Käufer sogleich ohneausreichende Untersuchungsmöglichkeit weitergeleitet, so beginnt gemäß

Artikel 38 Absatz 3 CISG die Untersuchungsfrist erst mit Eintreten der Ware

bei dem Endabnehmer, sofern der Verkäufer diese Modalitäten bei

Vertragsabschluss kannte oder kennen musste.

(b) Anzeige in angemessener Zeit

Der Käufer verliert sein Recht, sich auf die Vertragswidrigkeit der Ware zuberufen, wenn er sie dem Verkäufer nicht in angemessener Zeit anzeigt 

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(Artikel 39 Absatz 1 CISG). Diese Frist muss zu der Untersuchungsfrist

hinzugerechnet werden und ist nicht so kurz zu bemessen, wie die Frist in

Artikel 38 CISG. In der Literatur wird eine Regelfrist von acht Tagen bis zu

einem Monat vorgeschlagen. Unseres Erachtens widerspricht eine derart

lange Anzeigefrist dem Sinn und Zweck der kurzen Untersuchungsfrist. Eine

Frist von einem Monat dürfte daher regelmäßig zu lang sein. Der BGH hat die

Frage, wann eine Frist angemessen ist, bisher offen gelassen; es scheint

 jedoch auch auf die unterschiedlichen Rechtstraditionen in verschiedenen

Staaten Rücksicht nehmen zu wollen (BGH WM 1995, 932, 935). Das OLG

Düsseldorf hingegen hat schon eine Rüge nach sieben Tagen als verspätet

angesehen (OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 999, 1000). Jedenfalls kann man

sich insoweit nicht an der deutschen Rechtsprechung zur Auslegung des §

377 HGB orientieren (vgl. Artikel 7 Absatz 1 CISG).

(c) Vernünftige Entschuldigung und Verzicht

Eine Besonderheit des UN-Kaufrechts ist, dass der Käufer bestimmte

Rechtsbehelfe geltend machen kann, wenn er eine vernünftige

Entschuldigung dafür hat, dass er die erforderliche Anzeige unterlassen hat

(Artikel 54 CISG). Bei dieser Norm handelt es sich um eine Vorschrift ohne

Vorbild in nationalen Kaufrechten. Sie wird zumindest in den Industriestaaten

sehr eng auszulegen sein. Zudem besteht auch nach UN-Kaufrecht die

Möglichkeit, dass der Verkäufer auf den Einwand der Verspätung einer Rüge

der Vertragswidrigkeit – auch stillschweigend – verzichtet (siehe dazu BGH

NJW 1999, 1259, 1260).

(d) Verjährungsfrist

Wie bereits angedeutet ist die Frist, innerhalb derer der Käufer, der

ordnungsgemäß gerügt hat, seine Rechte geltend machen muss, im CISG

selbst nicht geregelt. Hierüber ist ein besonderes Verjährungsabkommen 

abgeschlossen worden. Die Bundesrepublik Deutschland ist diesem

Abkommen jedoch nicht beigetreten, da die Verjährungsfrist hiernach vier

Jahre beträgt. Stattdessen hat sie in dem Vertragsgesetz zum CISG

(„VertragsG“) eine Sonderregelung über die Verjährung von Ansprüchen

wegen Vertragswidrigkeit der Ware getroffen (Artikel 3). Danach ist auf dieVerjährung der dem Käufer nach Artikel 45 CISG zustehenden Ansprüche

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wegen Vertragswidrigkeit der Ware § 438 Absatz 3 BGB (der die Lieferung

von anderen Waren beziehungsweise die Zuweniglieferung regelt) auch

anzuwenden, wenn die Vertragswidrigkeit auf Tatsachen beruht, die der

Verkäufer kannte oder über die er nicht in Unkenntnis sein konnte und die er

dem Käufer nicht offenbart hat. Diese Norm des VertragsG greift allerdings

nur ein, wenn nach dem Internationalen Privatrecht deutsches

Verjährungsrecht maßgeblich ist, der Vertrag insoweit also dem deutschen

Recht unterläge, falls das Kaufrechtsübereinkommen nicht anwendbar wäre.

(e) Ausschlussfrist

Jedenfalls zwei Jahre nach Übergabe der Ware sind Mängelansprüche

ausgeschlossen (Artikel 39 Absatz 2 CISG). Bei dieser Frist handelt es sich

nicht um eine Verjährungsfrist, sondern um eine absolute Ausschlussfrist. 

Es kommt daher weder eine Hemmung noch eine Unterbrechung der Frist in

Betracht. Die einzige Ausnahme, wonach also auch noch nach Abschluss

dieser Frist ein Anspruch geltend gemacht werden kann, ist das Vorliegen

einer vertraglichen Garantiefrist, die nicht mit der Ausschlussfrist zu

vereinbaren wäre. Im Rahmen einer Garantie kann daher die Frist verlängert,

sie kann aber auch verkürzt werden. Eine ausdrückliche Regelung ist zwar

sinnvoll, jedoch nicht erforderlich. Es kann auch im Wege der Auslegung

ermittelt werden, ob die Parteien eine kürzere oder eine längere

Ausschlussfrist vereinbart haben.

3. Rechtsbehelfe

a) Deutsches Kaufrecht

Ist die gelieferte Sache mangelhaft, so stehen dem Käufer nach deutschem Kaufrecht

eine Reihe von Rechtsbehelfen zur Verfügung, nämlich Nacherfüllung, Rücktritt,

Minderung und Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendung (§ 437 BGB).

(a) Nacherfüllung

Vorgelagerter Rechtsbehelf ist nach deutschem Recht stets die

Nacherfüllung. Die Nacherfüllung ist ein dem Käufer zustehendes Recht,muss von diesem allerdings auch geltend gemacht werden, bevor andere

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Rechtsbehelfe einschlägig sind. Der Käufer muss dem Verkäufer daher

grundsätzlich zuerst eine Frist zur Nacherfüllung setzen und kann die anderen

Mängelrechte erst nach erfolgloser Fristsetzung geltend machen. Eine

Nacherfüllung kann entweder in der Beseitigung des Mangels oder in der

Lieferung eine mangelfreien Sache erfolgen. Die Wahl, welche Alternative

geschuldet ist, obliegt dem Käufer.

(b) Rücktritt

Hat der Käufer eine Frist gesetzt und ist diese erfolglos abgelaufen, so kann

er einen Rücktritt vom Liefervertrag erklären. In diesem Fall sind die

empfangenen Leistungen zurück zu gewähren, der Verkäufer hat also die

Ware an dem Ort, an dem sie sich vertragsgemäß befindet, auf seine Kosten

zurück zu holen.

(c) Minderung

Ein anderes dem Käufer zustehendes Recht ist die Minderung. Eine

Minderung bedeutet, dass der Käufer einen niedrigeren Kaufpreis schuldet als

ursprünglich vereinbart. Dies wird für den Käufer dann interessant sein, wenn

er trotz des Mangels der Ware an deren Erhalt interessiert ist, etwa weil eine

Ersatzbeschaffung nur unter erheblicher zeitlicher Verzögerung möglich wäre

oder sich der Mangel nicht auf die Funktionsfähigkeit für den konkreten

Gebrauch der Ware auswirkt. Im Falle der Minderung ist der Kaufpreis in dem

Verhältnis zu mindern, in dem zur Zeit des Verkaufs der Wert der

mangelfreien Sache zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Ein

gutes oder schlechtes Geschäft schlägt so auch auf die Minderung durch.

Sollte die mangelfreie Ware ursprünglich 70 % des eigentlichen Marktwerteskosten, so kostet die mangelbehaftete Ware auch nur 70 % ihres eigentlichen

Marktwertes.

(d) Schadensersatz

Schließlich kann der Käufer, sofern die von ihm gesetzte Nacherfüllungsfrist

erfolglos abgelaufen ist, Schadenersatz oder Ersatz vergeblicher

Aufwendungen verlangen. Diese Begehren sind an zusätzlicheVoraussetzungen gebunden. Erstens setzen sie Verschulden voraus, welches

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allerdings vermutet wird. Im Einzelfall hat also der Verkäufer darzulegen, dass

er die Mangelhaftigkeit nicht zu vertreten hat. Zweitens ist ein

Schadensersatzanspruch unter Umständen ausgeschlossen, wenn die

Mangelhaftigkeit nur unerheblich ist. Das geltende deutsche Kaufrecht legt

nunmehr ausdrücklich fest, dass Schadensersatz auch dann verlangt werden

kann, wenn der Käufer vom Liefervertrag zurückgetreten ist (§ 325 BGB).

b) UN-Kaufrecht

Unterliegt der internationale Liefervertrag dem UN-Kaufrecht, so stehen dem Käufer

bei Mangelhaftigkeit der Ware ebenso eine Reihe von Rechtsbehelfen zur Verfügung.

Dabei ist zu bemerken, dass das deutsche Kaufrecht in wesentlichen Teilen an das

UN-Kaufrecht angepasst wurde, sich beide also zunehmend ähneln. Anders als das

deutsche Kaufrecht unterscheidet das UN-Kaufrecht bei den Rechtsbehelfen

grundsätzlich danach, ob die Lieferung der vertragswidrigen Ware eine wesentliche

oder eine unwesentliche Vertragsverletzung darstellt.

(a) Rechtsbehelfe bei unwesentlichen Vertragsverletzungen 

Stellt die Lieferung der Ware eine nur unwesentliche Vertragsverletzung dar,

so kann der Käufer zunächst vom Verkäufer durch einfache Erklärung

Nachbesserung (Reparatur) der Ware verlangen, sofern diese nicht

unzumutbar ist (Artikel 46 Absatz 3 CISG). Die Nachbesserung muss

entweder zusammen mit der Mängelrüge oder innerhalb einer angemessenen

Frist danach verlangt werden.

Alternativ hat der Käufer das Recht, den Kaufpreis durch einseitige

rechtsgestaltende Erklärung zu mindern (Artikel 50 CISG). DerMinderungsbetrag bestimmt sich wie bei der Minderung nach deutschem

Kaufrecht nach dem Verhältnis des Vertragspreises der gelieferten Ware zum

Verkehrswert der mangelfreien Ware. Die Minderung ist jedoch

ausgeschlossen, soweit der Verkäufer durch Nachbesserung die Ware in

einen vertragsgemäßen Zustand versetzt oder nacherfüllt beziehungsweise

Ersatz liefert. Sie ist ferner ausgeschlossen, wenn der Käufer eine zulässige

Nachbesserung ablehnt. Verlangt der Käufer Nachbesserung, so ist er

zunächst an die von ihm gesetzte oder eine angemessene Frist gebundenund kann so lange nicht die Minderung erklären.

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(b) Rechtsbehelfe bei wesentlichen Vertragsverletzungen

Im Falle einer unwesentlichen Vertragsverletzung kann der Käufer also nur

„weiche“ Rechtsbehelfe geltend machen, er kann insbesondere keine

Beendigung des Vertrages herbeiführen. Dahingehende Möglichkeiten stehen

ihm nur zur Verfügung, wenn die Lieferung der Ware eine wesentliche

Vertragsverletzung darstellt. Dies ist dann der Fall, wenn die Lieferung der

mangelbehafteten Ware für den Käufer einen solchen Nachteil zur Folge hat,

dass ihm im Wesentlichen das entgeht, dass er nach dem Vertrag hätte

erwarten dürfen, es sei denn, dass der Verkäufer diese Folge nicht

vorausgesehen hat und eine vernünftige Person der gleichen Art diese Folge

unter den gleichen Umständen auch nicht vorausgesehen hätte (Artikel 25

CISG). In Betracht kommen im Rahmen des Artikel 25 CISG insbesondere die

Nichtlieferung der Ware oder begleitender Dokumente sowie die verspätete

Lieferung (vgl. BGHZ 132, 290, 297).

In solchen Fällen kann der Käufer die Ware zurückgeben und durch Erklärung

gegenüber dem Verkäufer Ersatzlieferung vertragsgemäßer Ware verlangen

(Artikel 46 Absatz 2 CISG). Auch diese Erklärung muss zusammen mit der

Rüge oder innerhalb einer angemessenen Frist abgegeben werden. Der

Ersatzlieferungsanspruch ist ausgeschlossen, wenn der Verkäufer

unvereinbare Rechtsbehelfe – also Minderung oder Vertragsaufhebung –

ausgeübt hat, eine Ersatzlieferung unmöglich ist oder der Käufer die Ware

nicht im Wesentlichen unversehrt zurückgegeben hat.

Hat der Käufer kein Interesse mehr an der Aufrechterhaltung des

Liefervertrages, so kann er die Aufhebung des Vertrages erklären (Artikel 49

Absatz 1 lit. a CISG). Die Parteien werden in diesem Fall von ihrenLeistungspflichten befreit, es entsteht ein Rückabwicklungsschuldverhältnis,

welches im Einzelnen durch die Vorschriften des UN-Kaufrechts geregelt wird

(Artikel 81 ff. CISG). Die Vertragsaufhebung ist ausgeschlossen, wenn der

Käufer die Ware nicht im Wesentlichen unversehrt zurückgeben kann, es sei

denn, die Rückgabe ist durch ein Verhalten des Verkäufers unmöglich

geworden oder durch ordnungsgemäßen und üblichen Umfang, etwa bei der

Untersuchung auf Mängel oder im normalen Geschäftsverkehr, vor

Entdeckung des Mangels verursacht worden.

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Besonderheiten gelten bei einem Sukzessivlieferungsvertrag, also einem

Vertrag über aufeinander folgende Lieferungen. In solchen Konstellationen ist

eine Vertragsaufhebung regelmäßig nur für die Zukunft möglich, d. h. bereits

erbrachte Leistungen sind nicht zurück zu gewähren, es sei denn, die

bisherigen Teillieferungen verlieren ohne die zukünftigen ihren Sinn (Artikel 73

CISG). Dies wird etwa zu bejahen sein, wenn mit den verschiedenen zu

liefernden Teillieferungen eine Maschine gebaut werden sollte und dies ohne

die künftigen Lieferungen nicht mehr möglich ist.

(c) Empfehlung: Setzung einer Nachfrist

Da in der Praxis eine Unterscheidung zwischen unwesentlichen und

wesentlichen Vertragsverletzungen schwierig sein kann und diesbezüglich

erfahrungsgemäß Differenzen zwischen den Parteien auftreten, empfehlen

wir, stets eine Nachfrist mit dem Verlangen der Nachbesserung oder

Nachlieferung zu setzen, bevor die Vertragsaufhebung erklärt wird.

Anderenfalls kann sich der Käufer selber schadensersatzpflichtig machen, da

die unberechtigt erklärte Vertragsaufhebung in der Regel selbst eine

wesentliche Vertragsverletzung darstellt. Nach fruchtlos abgelaufener

Nachfrist kann der Käufer auch ohne wesentliche Vertragsverletzung des

Verkäufers die Aufhebung erklären (Artikel 49 Absatz 1 lit. b CISG).

(d) Schadensersatz

Neben allen anderen Rechtsbehelfen kann der Käufer immer

Schadensersatz verlangen (Artikel 74 ff. CISG). Voraussetzung des

Schadensersatzanspruchs ist lediglich eine Vertragsverletzung, also eine

vertragswidrige Lieferung oder die Lieferung einer vertragswidrigen Ware. Eskommt nicht darauf an, ob die Vertragsverletzung wesentlich ist, ob eine Frist

gesetzt wurde oder ob der Verkäufer die Vertragsverletzung zu vertreten hat.

Im Rahmen des Schadensersatzes ist der gesamte Verlust einschließlich des

entgangenen Gewinns zu ersetzen. Der Käufer soll in die Lage versetzt

werden, in der er bei ordnungsgemäßer Erfüllung wäre. Ersetzen muss ihm

der Verkäufer das Erfüllungsinteresse, das Integritätsinteresse und den

Vertrauensschaden.

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Der Käufer kann daher zum Beispiel die Aufwendungen für den Vertrag, für

einen Deckungskauf oder entgangenen Gewinn ersetzt verlangen.

Mangelfolgeschäden, also solche Schäden, die nicht unmittelbar der Ware

anhaften, sondern durch den Mangel an anderen Rechtsgütern entstehen,

werden im Rahmen des Schadensatzes ebenfalls berücksichtigt, soweit kein

Personenschaden oder ein völlig unvorhersehbarer Kausalverlauf vorliegt.

Der Verkäufer hat allerdings dann keinen Schadensersatz zu leisten, wenn er

beweisen kann, dass die Lieferung der vertragswidrigen Ware nicht aus

seiner Sphäre stammt beziehungsweise er sie nicht zu vertreten hat und er

die Vertragswidrigkeit vernünftigerweise nicht in Betracht ziehen musste

(Artikel 79 Absatz 1 CISG).

4. Einwendungen und Haftungsbeschränkungen

Selbst wenn die gelieferte Ware mangelhaft ist und der Käufer die oben genannten

Rechtsbehelfe bei Vorliegen aller Voraussetzungen geltend gemacht hat, so haftet

der Verkäufer unter bestimmten Umständen nicht. Die praktisch bedeutsame

Nichtvornahme einer rechtzeitigen Untersuchung und Rüge wurde in diesem

Zusammenhang bereits erwähnt.

a) Kenntnis

Darüber hinaus haftet der Verkäufer dann nicht, wenn der Käufer bei

Vertragsabschluss schon von dem Mangel der Kaufsache wusste (positive Kenntnis)

oder wenn der Käufer in Folge grober Fahrlässigkeit den Mangel nicht kannte. Dies

gilt – trotz einiger Unterschiede – sowohl im deutschen Recht (§ 442 BGB) wie im

UN-Kaufrecht (Artikel 35 Absatz 3 CISG).

b) Einzelvertraglicher Haftungsausschluss

Von erheblicher praktischer Bedeutung ist die Möglichkeit des Verkäufers, seine

Haftung auszuschließen oder zu begrenzen. Einzelvertraglich können die Parteien,

sofern sie sich an das Gebot von Treu und Glauben halten, die Haftung gänzlich

ausschließen oder zumindest erheblich begrenzen. Grenzen sind dort zu machen wo

der Verkäufer den Mangel der Sache arglistig verschwiegen hat oder eine Garantiefür die Beschaffenheit der Sache übernommen hat (§ 444 BGB). Im Normalfall kann

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 jedoch durch Abschluss einer Individualvereinbarung für den Verkäufer durch

Haftungsausschlüsse und -begrenzungen eine umfassende Rechtssicherheit

herbeigeführt werden.

c) Haftungsausschluss durch Allgemeine Geschäftsbedingungen

Begrenzter ist der Spielraum der Parteien, einen Haftungsausschluss oder

Haftungsbegrenzungen durch Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen

herbeizuführen. Das deutsche Recht sieht hierfür eine Reihe von Einschränkungen

vor, die Ausschlüsse und Begrenzungen teilweise unpraktikabel machen.

Unwirksam sind etwa im Einzelnen Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen,

die einen vollständigen Ausschluss der Rechtsbehelfe des Käufers vorsehen oder

diesen auf Ansprüche gegen Dritte verweisen. Es ist gut vertretbar, dass es jedoch

möglich ist, die Haftung des Verkäufers von der vorherigen erfolglosen gerichtlichen

Inanspruchnahme eines Dritten abhängig zu machen (Wertung des § 309 Nummer

8 b Unterbuchstabe aa BGB).

Darüber hinaus darf der Verkäufer die Rechtsbehelfe nicht ausschließlich auf das

Recht auf Nacherfüllung beschränken (Wertung des § 309 Nummer 8 b

Unterbuchstabe bb BGB). Von besonderer Bedeutung ist die Bestimmung, wonach

dass durch Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Aufwendungen für die

Nacherfüllung nicht auf den Käufer abgewälzt werden können. Das bedeutet, dass

der Käufer stets die im Rahmen der Nacherfüllung anfallenden Transport-, Wege-,

Arbeits- und Materialkosten zu tragen hat (Wertung des § 309 Nummer 8 b

Unterbuchstabe cc BGB).

Unzulässig ist ferner eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonachdie Nacherfüllung von der vorherigen Zahlung des vollständigen Entgeltes oder eines

unverhältnismäßig hohen Teils des Entgelts abhängig gemacht wird (Wertung des

§ 309 Nummer 8 b Unterbuchstabe dd BGB). Bisher ungeklärt ist, inwiefern in

Allgemeinen Geschäftsbedingungen im kaufmännischen Verkehr die Verjährungsfrist

von Gewährleistungsrechten gekürzt werden können. Nach unserer Auffassung

dürfte eine moderate Unterschreitung der einjährigen Mindestverjährungsfrist

zumindest in einigen Konstellationen zulässig sein (Wertung des § 309 Nummer 8 b

Unterbuchstabe ff BGB).

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Die soeben erwähnten Klauseln betreffen lediglich die Geltendmachung von

Gewährleistungsrechten. Daneben besteht die Möglichkeit, dass der Verkäufer sich

generell von der Haftung freizeichnet. Bei solchen Klauseln sind gleichfalls

gesetzliche Schranken vorgesehen. Erstens besteht ein Verbot für die Freizeichnung

von der Haftung für Personenschäden (Wertung des § 309 Nummer 7 a BGB).

Zweitens darf der Verkäufer seine Haftung nicht ausschließen für die Haftung bei

grobem Verschulden, und zwar sowohl für sein eigenes als auch für das von

leitenden Angestellten. Unklar ist bisher, ob er sich von der Haftung für einfache

Erfüllungsgehilfen freizeichnen kann. Dies wird von der Rechtsprechung zumindest

dann verneint, wenn es um die Verletzung von Kardinalpflichten, also Pflichten, deren

Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages überhaupt erst

ermöglichen und auch deren Einhaltung der Käufer regelmäßig vertraut und

vertrauen darf, geht (Wertung des § 309 Nummer 7 b BGB). Unzulässig ist daher

eine Klausel, wonach sich der Verwender von Ansprüchen „wegen irgendwelcher

Schäden, insbesondere Folgeschäden wie Produktionsausfall gleich aus welchem

Rechtsgrund“ freizeichnet, selbst wenn die zwingende Haftung bei Vorsatz und

grober Fahrlässigkeit ausdrücklich ausgenommen wird (BGH NJW-RR 2001, 342).

Während also allgemeine Haftungsausschlüsse nur unter bestimmten Bedingungen

verwendet werden können, empfiehlt sich regelmäßig die Aufnahme von

Haftungsbegrenzungen. Es liegt generell im Interesse des Verkäufers, dass sein

Risiko überschaubar gehalten wird und ungewöhnliche Schadensfälle nicht

übernommen werden müssen. Eine Haftungsbegrenzung kann daher im

unternehmerischen Verkehr – unter Ausschluss des groben Verschuldens des

Verkäufers oder seiner leitenden Angestellten – zulässig sein, wenn die festgelegte

Haftungshöchstgrenze die vertragstypischen und vorhersehbaren Schäden abdeckt.

In diesem Zusammenhang folgt das deutsche Recht dem UN-Kaufrecht, das für den

Schadensersatz eine Beschränkung auf vertragstypische und vorhersehbareSchäden vorsieht (Artikel 74 CISG).

Verstößt eine Klausel gegen eine der oben genannten gesetzlichen Vorschriften, so

ist sie insgesamt unwirksam. Eine Rückführung auf einen Restbestand, der mit den

gesetzlichen Wertungen im Einklang steht, kommt nicht in Betracht (Verbot der

geltungserhaltenden Reduktion). Anstelle der unwirksamen Klausel tritt die

gesetzliche Regelung, der Verkäufer hat also grundsätzlich für die Mangelhaftigkeit

seiner Produkte und die schuldhafte Verletzung von Rechtsgütern Drittereinzustehen.

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5. Lieferungs- und Zahlungsverzug

Neben der Lieferung einer mangelhaften Ware kommen bei internationalen

Lieferverträgen insbesondere drei weitere Vertragsstörungen in Betracht. Erstens

kann es passieren, dass der Verkäufer zwar ordnungsgemäße Ware liefert, dies aber

nicht rechtzeitig geschieht. Zweitens kommt es regelmäßig vor, dass der Käufer den

Kaufpreis nicht rechtzeitig zahlt. Drittens kann der Käufer gegen seine Pflicht

verstoßen, die Ware abzunehmen.

Liefert der Verkäufer nicht rechtzeitig, so stehen dem Käufer sowohl nach deutschem

Kaufrecht wie nach UN-Kaufrecht zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Er kann

einerseits den Verspätungsschaden geltend machen, also den Schaden, der durch

die zu späte Lieferung entsteht. Dieser Schaden ist neben der Erfüllung zu ersetzen.

Andererseits kann der Käufer dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Leistung

oder Nacherfüllung setzen. Verstreicht diese Frist fruchtlos, so kann er vom Vertrag

zurücktreten oder Schadensersatz statt der Leistung verlangen.

Zahlt der Käufer nicht rechtzeitig, so kommt er mit seiner Zahlungspflicht in Verzug.

In diesem Fall kann der Verkäufer den Verspätungsschaden verlangen. Daneben

kann er eine Frist zur Zahlung setzen und nach erfolglosem Ablauf vom Vertrag

zurücktreten.

Nimmt der Käufer die Ware nicht oder nicht rechtzeitig ab, so kann der Verkäufer

erstens die Erfüllung dieser Pflicht verlangen. Zweitens kann er unter bestimmten

Umständen, regelmäßig nach fruchtlosem Ablauf einer von ihm gesetzten

angemessenen Frist, einen Sebsthilfeverkauf oder Deckungsverkauf durchführen.

Drittens kann er stets die Mehraufwendungen ersetzt verlangen, die durch das

erfolglose Angebot und die Aufbewahrung und Erhaltung der Sache nötig sind,insbesondere also Lagerkosten.

VI. Typische Vertragskonstruktionen

In internationalen Lieferverträgen finden sich manche Vertragskonstruktionen

regelmäßig wieder. Im Folgenden wird auf die gängigsten eingegangen.

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1. INCOTERMS

Die INCOTERMS sind ein wichtiger Regelungsbestandteil des internationalen

Warenverkehrs. Sie werden von der internationalen Handelskammer (International

Chambre of Commerce, „ICC“) mit Sitz in Paris aufgestellt und wurden zuletzt im Jahr

2000 revidiert. Sie regeln staatenübergreifend und branchenunabhängig primäre

Käufer- und Verkäuferpflichten, die bei grenzüberschreitenden Lieferverträgen

typischerweise aufkommen. Nicht geregelt werden allerdings die in der Praxis

äußerst wichtigen Konsequenzen von Leistungsstörungen.

Die INCOTERMS sind, anders als das UN-Kaufrecht, nicht automatisch verbindlich,

sie bedürfen vielmehr zu ihrer Geltung der Einbeziehung in den Liefervertrag. In dem

Liefervertrag vereinbarte spezifische Bestimmungen gehen anders lautenden

Aussagen der INCOTERMS darüber hinaus vor.

Die ICC stellt Verkäufern und Käufern unter dem Begriff INCOTERMS verschiedene

Klauselwerke zur Verfügung, die verschiedene Kosten- und Risikotragungsvarianten

für Käufer und Verkäufer vorsehen. Die bekanntesten INCOTERMS sind:

• EXW (Ex Works, ab Werk): Der Verkäufer erfüllt seine Lieferverpflichtung,

wenn er die Ware auf seinem Gelände dem Käufer zur Verfügung stellt;

• FCA (Free Carrier, frei Frachtführer): Der Verkäufer hat seine

Lieferverpflichtungen erfüllt, wenn er die zur Ausfuhr freigemachte Ware

dem vom Käufer benannten Frachtführer am benannten Ort oder an der

benannten Stelle übergibt;

FOB (Free on Board, frei an Bord): Der Verkäufer erfüllt seineLieferverpflichtung, wenn die Ware die Schiffsrailing in dem benannten

Verschiffungshafen überschritten hat;

• CIF (Cost, Insurance and Freight, Kostenversicherung Fracht): Der

Verkäufer muss die Kosten für die Fracht tragen, die erforderlich sind, um

die Ware zum benannten Bestimmungshafen zu befördern, zusätzlich für

die Seetransportversicherung gegen die vom Käufer getragenen Gefahr des

Verlusts oder der Beschädigung der Ware während des Transports;

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• CPT (Carriage Paid To, frachtfrei): Der Verkäufer trägt die Gefahr für die

Beförderung der Ware bis zum Frachtführer an dem benannten

Bestimmungsort; sowie

• DDU (Delivery Duty Unpaid, geliefert unverzollt): Der Verkäufer hat seine

Lieferverpflichtung erfüllt, wenn die Ware am benannten Ort im Einfuhrland

zur Verfügung gestellt wird.

In der Praxis werden neben INCOTERMS auch andere Klauselwerke verwendet, in

den Vereinigten Staaten von America sind etwa die American Foreign Trade

Definitions üblich. Chinesische Importeure schließen gerne Lieferverträge mit

Klauselwerken, die zwar äußerlich den INCOTERMS ähneln, jedoch inhaltlich

deutlich zu Lasten der nicht-chinesischen Lieferanten modifiziert werden.

Die INCOTERMS sowie andere gebräuchliche Klauselwerke bieten eine erhebliche

Erleichterung für den Abschluss von internationalen Lieferverträgen. Jedoch sollte

gerade bei umfangreicheren Lieferverträgen im Einzelnen geprüft werden, ob die

Klauseln tatsächlich den Interessen der Parteien dienen und ob nicht einzelne

Klauseln abweichend geregelt oder ein anderes INCOTERMS Klauselwerk

verwendet werden sollte oder im Einzelfall gar einzelvertragliche Regelungen

förderlicher sind.

2. Höhere Gewalt

In innerstaatlichen Lieferverträgen finden sich nur selten Regelungen über

Ereignisse, die auch durch die äußerste, billigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht

verhütet werden konnten, also höhere Gewalt (vgl. BGH NJW 1973, 698, 699). Auch

wenn diese Praxis unter Verweis auf die angeblich sichere Rechtslage verständlichist, sollte zumindest bei internationalen Lieferverträgen in aller Regel vorgeschrieben

werden, was höhere Gewalt ist und was für Folgen deren Eintritt hat.

Eine genaue Umschreibung ist schon deshalb empfehlenswert, weil erhebliche

Unterschiede zwischen der Definition von höherer Gewalt zwischen den Staaten, ja

sogar innerhalb einer Jurisdiktion, bestehen. Es ist daher ratsam, zunächst die

höhere Gewalt in einem Satz abstrakt zu definieren, etwa anhand der oben

genannten Definition des BGH. Sodann sollten exemplarisch die Fälle der höherenGewalt genannt werden, die für den konkreten Liefervertrag in Betracht kommen.

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Diese variieren erheblich je nachdem wohin die Ware geliefert wird (die höhere

Gewalt in ein von bürgerkriegsähnlichen Zuständen heimgesuchtem Land weicht

selbstverständlich von derjenigen in einem sicheren Staat ab) sowie der Art der

Ware, also ob es sich um verderbliche, empfindliche oder sonstige Ware handelt.

Sodann sollte geregelt werden, was passiert, wenn ein Fall höherer Gewalt vorliegt.

Möglich ist eine Hemmung oder gar der Wegfall der vertraglichen Verpflichtungen.

Anderenfalls kann den Parteien auch ein Auflösungsrecht zugestanden werden.

3. Abtretungsklauseln

Das deutsche Recht sowie die meisten anderen Rechtsordnungen gehen davon aus,

dass Forderungen frei übertragbar sind. Meistens muss der Schuldner der Abtretung

noch nicht einmal zustimmen, muss also an einen Fremden liefern oder zahlen.

Gerade bei Lieferverträgen, die im transnationalen Bereich stattfinden, kommt es den

Parteien jedoch häufig auf die Person der anderen Vertragspartei an. Insbesondere

gilt dies bei länger andauernden Lieferverträgen, die eine besondere

Zusammenarbeit der Parteien verlangen, aber auch eine Bonität voraussetzen, die

bei Dritten noch weniger gewährleistet werden kann als bei dem ausgewählten

Vertragspartner.

In solchen Konstellationen können wir nur raten, die Abtretbarkeit von Rechten und

Pflichten im Liefervertrag auszuschließen. Jedoch ist zu beachten, dass ein solches

Abtretungsverbot für Geldforderungen in den meisten Jurisdiktionen unwirksam ist.

Ein Abtretungsverbot würde die Praxis der Finanzierung des Warenabsatzes durch

Sicherungssession, Factoring oder Forfaitierung unterbinden und wird daher von

nationalen Gesetzgebern ausgeschlossen.

4. Kontrollwechselklausel („Change of Control“)

Ähnliche Gründe, die für ein Abtretungsverbot sprechen, können auch dazu führen,

den mittelbaren Austausch des Vertragspartners unterbinden zu wollen. Unter einem

solchen Austausch versteht man einen vollständigen oder auch einen mehrheitlichen

Wechsel des Eigentümers des Vertragspartners durch Unternehmens- oder

Betriebsveräußerungen, Gesamtrechtsnachfolge bei Fusionen sowie bei Spaltungen.In solchen Fällen gilt eigentlich der Liefervertrag unverändert fort, sofern die

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 juristische Person des Vertragspartners weiterhin besteht. Allerdings wird einem

Dritten, dem Eigentümer des Vertragspartners, nunmehr Einblick in das

Lieferverhältnis gegeben. Um dies zu verhindern, können im Liefervertrag

Kontrollwechselklauseln aufgenommen werden. Insbesondere kommt als Rechtsfolge

eines Kontrollwechsels ein außerordentliches Kündigungsrecht der anderen Partei in

Betracht.

5.  Vertraulichkeit 

Im Rahmen von Lieferverträgen bekommen die Vertragspartner häufig Einblick in das

 – geheime – Geschäftsleben der anderen Seite. Um zu verhindern, dass vertrauliche

Informationen an Dritte weitergegeben werden, sollte bereits vor Kenntniserlangung

eine Geheimhaltungsvereinbarung abgeschlossen werden. Dabei sollten der Inhalt

der übergebenen Informationen, die Adressaten, der Zweck der Übergabe sowie eine

Sanktion für die Verletzung der Vereinbarung geregelt werden. Regelmäßig sind

diese Geheimhaltungsvereinbarungen auf einen bestimmten Zeitraum befristet.

VII. Rechtsdurchsetzung und Rechtsverfolgung 

Machen Käufer oder Verkäufer Rechte aus dem Liefervertrag geltend und ist die

andere Partei nicht gewillt, diese zu erfüllen, so ist zu überlegen, wie der Anspruch

durchgesetzt werden kann. Zunächst ist stets zu empfehlen, mit der anderen Partei

Verhandlungen aufzunehmen. Fruchten diese nicht, so ist die Partei vor Gericht oder

vor einem Schiedsgericht zu verklagen.

1. Konfliktlösungsfilter und -mechanismen

Als Konfliktlösungsfilter kommt zunächst die Vereinbarung einer Konsultationspflichtzwischen den Parteien für den Fall eines behaupteten Vertragsverstoßes durch eine

der beiden Parteien in Betracht. Hiernach haben die Parteien vor einer gerichtlichen

oder sonst zwangsweisen Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Liefervertrag

zu versuchen, im Wege des Dialogs zu einer einvernehmlichen Regelung ihrer

gegenseitigen Ansprüche zu gelangen.

Falls Streit darüber herrscht, wer einen erheblichen Vertragsverstoß zu vertreten hat,

besteht daneben die Möglichkeit zu vereinbaren, dass zur Klärung dieser Frage einexterner Sachverständiger einzuschalten ist, dem entweder insoweit die letzte

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Entscheidungsbefugnis zugestanden werden kann, oder dessen Urteil die

Stellungnahme eines weiteren Sachverständiger gegenüber gestellt werden kann.

2. Gerichtliches Verfahren

In vielen Fällen können Ansprüche nur mit Hilfe eines Gerichts durchgesetzt werden.

Eine internationale Gerichtsbarkeit für Handelssachen besteht bisher nicht. Soll ein

Gericht eingeschaltet werden, so erfolgt dies durch ein nationalstaatliches Gericht.

Dabei ist Folgendes zu beachten:

a) Unterschiedliche Verfahrensregeln

Im Bereich des materiellen Rechts, wie zum Teil aus den obigen Ausführungen

ersichtlich wurde, hat eine weitgehende Konvergenz des Rechts stattgefunden. In der

Regel kann der Käufer also sowohl nach deutschem als auch nach UN-Kaufrecht

ähnliche Rechtsbehelfe geltend machen. Im prozessualen Bereich demgegenüber

findet nahezu keine Konvergenz statt. Die nationalen Vorschriften beruhen weiterhin

weitestgehend auf geschichtlich gewachsenen Traditionen, eine Annäherung findet

nur punktuell statt. Insbesondere wird dies deutlich wenn man den kontinental-

europäischen mit dem anglo-amerikanischen Rechtskreis vergleicht. So ist der

Beklagte etwa in den Vereinigten Staaten von Amerika verpflichtet, im Vorfeld eines

Prozesses eine Fülle von Informationen zu liefern (sogenannte pre-trial discoveries),

während es in Deutschland grundsätzlich Sache des Klägers ist, dem Gericht den

Sachverhalt darzulegen. Ebenso erheblich sind die Unterschiede im Bereich der

Kostentragungspflicht. Eine Erstattung der Prozesskosten ist in Deutschland üblich,

dagegen kennen andere Rechtsordnungen dieses Instrumentarium nicht.

b) Gerichtsstand

Entscheidend ist daher, vor welchem Gericht der Anspruch geltend gemacht werden

kann. Wir empfehlen in der Regel, dass ein Gleichlauf zwischen Gerichtsstand und

anwendbarem Recht hergestellt wird. Erster Grund hierfür ist, dass fast jeder Richter

es bevorzugt, „sein“ Recht anzuwenden. Darüber hinaus spricht auch die bereits

erwähnte unterschiedliche Behandlung von Verfahrensrecht und materiellem Recht

für eine Übereinstimmung. Häufig sind die nationalen materiellen Rechte derart mit

prozessualen Regeln verbunden, dass die Geltendmachung des materiellen

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insbesondere dann ratsam, wenn die Anerkennung eines deutschen Urteils in dem

Staat des Käufers nicht gewährleistet ist. Zudem kann das nationale Prozessrecht

des Käuferstaates durchaus auch dafür sprechen, die Klage dort zu führen. Ist eine

solche Klausel gewollt, so empfiehlt sich folgender Wortlaut:

„Alle Streitigkeiten, die aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag 

entstehen, sind vor dem Landgericht Frankfurt am Main zu entscheiden. Der 

Lieferant ist als Kläger jedoch auch berechtigt, das für den Sitz des Käufers 

zuständige Gericht anzurufen.“ 

Manchmal ist es nicht möglich, Rechtsstreitigkeiten in einem Drittstaat zu vermeiden,

etwa wenn ein marktstarker Käufer Allgemeine Geschäftsbedingungen vorgibt,

wonach die Gerichte in seinem Staat zuständig sind. In so einem Fall können wir

Unternehmen nur raten, sich schnellstmöglich nach qualifizierten Rechtsanwälten, die

befugt sind, vor dem Gericht vor Ort tätig zu werden, umzusehen und diese zu

beauftragen. Rechtsstreitigkeiten, die internationalen Bezug haben, können gar nicht

gründlich genug vorbereitet werden. Ohne die Hilfe erfahrener ausländischer

Kollegen wird kein Verfahren erfolgreich durchgeführt werden. Die richtige Strategie,

die nur in der Anfangsphase eines solchen Verfahrens noch freihändig bestimmt

werden kann, ist essentiell.

Die mit solchen Fällen häufig befassten Rechtsanwaltskanzleien in der

Bundesrepublik Deutschland verfügen über Kooperationspartner, mit denen sie in

aller Regel schon seit Jahren zusammenarbeiten. Darüber hinaus verfügen die

Botschaften der Bundesrepublik Deutschland in den jeweiligen Staaten über Listen,

in denen deutschsprechende Rechtsanwälte und Anwaltskanzleien benannt sind. In

aller Regel lässt sich aus den Listen jedoch nicht ersehen, ob und gegebenenfalls in

welchem Umfang eine bestimmte Kanzlei auf die Führung vonWirtschaftsstreitigkeiten spezialisiert ist. Als Leitfaden bewährt haben sich eine Reihe

von Büchern, in denen die Rechtsanwälte eines Staates nach Region und

Spezialisierung aufgelistet sind, etwa Martindale-Hubbell.

3. Schiedsgerichtliche Verfahren

Sind die Vertragsparteien der Ansicht, dass Streitigkeiten zwischen ihnen nicht durch

die ordentlichen Gerichte entschieden werden sollen, steht es ihnen frei, stattdessen

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die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts zu vereinbaren. Eine Verpflichtung, staatliche

Gerichte in Anspruch zu nehmen, besteht nicht.

In Deutschland ist das Schiedsverfahren in der Zivilprozessordnung („ZPO“) geregelt.

Einem weltweiten Trend zur Vereinheitlichung der Schiedsgerichtsbarkeit folgend hat

Deutschland seine Regelungen der Zivilprozessordnung weitgehend an das

Modellgesetz der United Nations Commission on International Trade Law

(„UNCITRAL“) angepasst. Auch zahlreiche andere Staaten haben ihre

Schiedsgerichtsordnungen dem Modellgesetz angepasst.

Ein wesentlicher Vorteil des Schiedsverfahrens besteht in der besonderen

(technischen oder sonstigen) Sachkunde der zur Streitentscheidung berufenen

Personen. Namentlich in komplexeren Lieferverträgen finden sich deshalb häufig

Schiedsvereinbarungen, aber auch in Verträgen, die die Anwendbarkeit

ausländischen Rechts vorsehen oder die besondere Kenntnisse in bestimmten

Rechtsgebieten (Seerecht, Versicherungsrecht, usw.) voraussetzen.

Das Verfahren vor einem Schiedsgericht ist häufig schneller als das vor einem

ordentlichen Gericht. Dieser Vorteil wird aber bisweilen durch die Notwendigkeit eines

Vollstreckbarerklärungsverfahrens wieder ausgeglichen. Bei internationalen

Schiedsverfahren trägt die Möglichkeit formloser Zustellung zur

Verfahrensverkürzung bei. Diese Vorteile können aber alle verloren gehen, wenn die

Parteien – was leider häufig geschieht – unerfahrene, wenig qualifizierte und

überlastete Schiedsrichter bestellen.

Die Kostengünstigkeit des Schiedsverfahrens wird häufig überschätzt. Denn nach

den üblichen Vergütungsregelungen ist das Schiedsverfahren regelmäßig

kostspieliger als ein Verfahren vor staatlichen Gerichten. Dieser Gesichtspunkt solltedeshalb bei der Entscheidung für oder gegen eine Schiedsvereinbarung nicht im

Vordergrund stehen.

Eher dürfte folgender Aspekt wesentlich sein: Da Schiedsverfahren nicht öffentlich

sind und ohne Zustimmung der Parteien nicht publiziert werden, eignet sich die

Schiedsgerichtsbarkeit besonders für Streitigkeiten, die nicht allgemein bekannt

werden sollen. Namentlich bei Lieferverträgen, von deren Inhalt

Konkurrenzunternehmen der Beteiligten keine Kenntnis erlangen sollen, ist deshalbeine Schiedsverhandlung in Betracht zu ziehen.

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4. Einstweiliger Rechtsschutz

Zur Sicherung ihrer vertraglichen Ansprüche können die Parteien, falls dies

erforderlich ist und nach den Umständen sinnvoll erscheint, auch gerichtlichen

einstweiligen Rechtsschutz in Form von Arrest und einstweiliger Verfügung in

Anspruch nehmen.

Der Arrest dient der Sicherung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche oder

unbewegliche Vermögen wegen einer Geldforderung oder wegen eines Anspruchs,

der in eine Geldforderung übergehen kann. Mit der einstweiligen Verfügung sollen

Individualansprüche, die nicht auf eine Geldforderung gerichtet sind, vorläufig

gesichert beziehungsweise streitige Rechtsbeziehungen vorläufig geregelt werden.

Ein Antrag auf Arrest oder einstweilige Verfügung hat allerdings nur Aussicht auf

Erfolg, wenn sowohl ein Arrest beziehungsweise Verfügungsanspruch als auch ein

Arrest beziehungsweise Verfügungsgrund glaubhaft gemacht werden kann.

Die Darlegung eines Arrests oder Verfügungsanspruchs, also des zu sichernden

materiellen Rechtes, bereitet in der Praxis regelmäßig keine Schwierigkeiten.

Problematisch ist jedoch häufig das Vorliegen eines Arrests oder Verfügungsgrundes.

Hierunter versteht man die besondere Dringlichkeit der einstweiligen Regelung des

streitigen Anspruchs oder Rechtsverhältnisses. Es muss die objektive Gefahr

bestehen, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die

Verwirklichung des Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert

werden könnte. Und es darf keine andere, einfachere Möglichkeit zur Sicherung

dieses Rechts geben. Insbesondere muss es dem Antragssteller unzumutbar sein,

zur Erreichung des gleichen Ziels das normale Klageverfahren durchzuführen. Der

Antragsteller muss darlegen, dass die (einstweilige) Sicherung seines Anspruchs

unbedingt sofort erfolgen muss. Eine besondere Dringlichkeit besteht nicht, wenn erin Kenntnis der Umstände lange wartet, bevor er den Arrest beziehungsweise die

einstweilige Verfügung beantragt.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kann insbesondere zur

Verhinderung einer Auszahlung des Garantiebetrags aus einer Bankgarantie oder

einem Akkreditiv an den Vertragspartner gestellt werden. An sich besteht zwar das

Wesen der Garantie (namentlich der Garantie auf erstes Anfordern) und des

Akkreditivs gerade darin, dass die Garantiesumme auf Verlangen des Begünstigten„ohne wenn und aber“ ausgezahlt werden muss. Insbesondere Einwendungen des

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Garantieauftraggebers aus dem mit der Garantie gesicherten Geschäft haben bei der

Einforderung der Garantiesumme grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Wegen

der Abstraktheit der Garantie beziehungsweise des Akkreditivs gilt der Grundsatz

„erst zahlen, dann prozessieren“.

Der Auftraggeber der Garantie kann aber gegen die Garantiebank einen Anspruch

auf Unterlassung der Auszahlung des Garantiebetrages an seinen Vertragspartner im

Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen, wenn sich die Inanspruchnahme der

Garantie als offensichtlich ungerechtfertigt und damit rechtsmissbräuchlich erweist.

Solche Fälle hat die Rechtsprechung zum Beispiel dann angenommen, wenn der

Verkäufer einer Ware, der die Bank mit Erstellung einer Leistungsgarantie zu

Gunsten des Käufers beauftragt hatte, durch Vorlage des Abnahmeprotokolls

glaubhaft machen konnte, dass die gekaufte Ware „als ordnungsgemäß“

angenommen worden war (so der vom LG Dortmund entschiedene Fall WM 1981,

280, 282). In einem anderen Fall ergab sich die Rechtsmissbräuchlichkeit daraus,

dass der Vertragspartner des Garantieauftraggebers die Garantie in Anspruch

nehmen wollte, weil angeblich die nach dem Vertrag geschuldete Maschinen nicht

geliefert worden waren, tatsächlich aber der Käufer selbst veranlasst hatte, dass die

Maschinen nicht abgeholt wurden, obwohl er hierzu vertraglich verpflichtet gewesen

wäre (LG Frankfurt WM 1981, 284, 286). Der BGH hat schließlich einen

Rechtsmissbrauch bejaht bei der Geltendmachung des Zahlungsanspruchs aus einer

Garantie, die für die Erfüllung der (Rück-) Überlassungspflicht der iranischen

Pächterin eines Grundstücks an die Verpächter gegeben worden war, nachdem das

Grundstück infolge der revolutionären Wirren im Iran im Jahr 1979 „verstaatlicht“ und

den iranischen Behörden aufgrund der behaupteten Enteignung gewaltsam in Besitz

genommen worden war. Nach seiner Auffassung liegt es „für Jedermann ohne

Weiteres auf der Hand, dass die Pächterin den Gläubigerinnen nichts schuldet, wenn

ihr das Grundstück durch staatlichen oder revolutionären Eingriff weggenommenworden ist.“

Die Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit durch eine einstweilige Verfügung

die Auszahlung einer Bankgarantie oder eines Akkreditivs verhindert werden kann,

sind jedoch hoch. Nicht umsonst heißt es in einer Entscheidung des OLG Frankfurt,

die ausnahmsweise Durchbrechung des Abstraktheitsgrundsatzes sei „auf Fälle

offensichtlicher Rechtsmissbräuchlichkeit zu beschränken, d. h. auf solche, in denen

das rechtsmissbräuchliche Ausnutzen der Bankgarantie auf der Hand liegt oder mit`liquiden Beweismitteln´ belegbar ist“ (OLG Frankfurt ZIP 1983, 556). Gerade die

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Sicherung von Beweismitteln bereits während der Vertragsabwicklung wird insoweit

also häufig eine entscheidende Rolle spielen.

Daneben besteht die Möglichkeit, dass ein Schiedsgericht, sofern keine abweichende

Regelungen bestehen, auf Antrag einer Partei vorläufige oder sichernde Maßnahmen

anordnet (§ 1014 Absatz 1 ZPO).