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Zbl. Bakt. 276, 556-565 (1992) © Gustav Fischer Verlag, StuttgartlNew York Deutsche GeseUschaft fUr Hygiene und Mikrobiologie Kommission zur Erarbeitung von Verfahrensrichtlinien fur die mikrobiologische Diagnostik (DGHM-Verfahrensrichtlinien) Isolierung und Identifizierung von Micrococcaceae, insbesondere der Gattung Staphylococcus 1 GEORG PETERS I. Definition der Micrococcaceae und ihre humanmedizinische Bedeutung Die Familie der Micrococcaceae besteht aus grampositiven und katalasepositiven Kokken. Eine Ausnahme bilden die Staphylococcus aureus subsp. aureus anaerobius die katalasenegativ ist und die Gattung Stomatococcus, wo die Katalasebildung nur schwach ausgepriigt oder negativ sein kann. Sie wachsen fakultativ anaerob mit Aus- nahme der Gattung Planococcus und der Mehrzahl der Micrococcus-Spezies. Bis auf die Gattung Planococcus sowie Micrococcus agilis sind sie unbeweglich. Man unter- scheidet heute vier Gattungen: Planococcus, Staphylococcus, Stomatococcus und Mi- crococcus. Die Gattung Stomatococcus wurde fruher als Mikrokokkenspezies-M. mu- cilaginosus (= Staphylococcus salivarius) - gefUhrt. Diese Gattungen lassen sich zwar durch grundlegende Merkmale charakterisieren und voneinander abtrennen (Tab. 1); aufgrund von DNS-rRNS-Hybridisierungs- und 16S-rRNS-Katalogisierungsergebnis- sen konnen jedoch die Gattungen Micrococcus und Stomatococcus einerseits und Plan- coccus und Staphylococcus andererseits zwei vollig verschiedenen phylogenetischen Linien zugeordnet werden. Daher stellt sich die Frage, ob es taxonomisch uberhaupt sinnvoll ist, diese Bakteriengruppen in einer Familie zusammenzufassen. So gibt es z.B. Bestrebungen, aus der Gattung Micrococcus und der Arthrobacter-Gruppe eine neue Familie zu bilden. Bezogen auf die humanmedizinische, vor allem pathogene Bedeutung, und damit fur klinisch-mikrobiologisch-diagnostische Belange ist diese Diskussion von nur relativer Bedeutung. Dnter diesen Gesichtspunkten ist bis auf wenige Ausnahmen (siehe unten) nur die Gattung Staphylococcus wesentlich. Die Gattung Planococcus enthiilt nahezu ausschlie15lich marine Stiimme und kommt im menschlichen Dntersuchungsmaterial nicht vor. 1 Erarbeitet von der Arbeitsgruppe Micrococcaceae Obmann: Prof. Dr. G. Peters, Munster Mitglieder: Dr. F. Schumacher-Perdreau, Koln Prof. Dr. Dr. h.c. G. Pu/verer, Koln

Isolierung und Identifizierung von Micrococcaceae, insbesondere der Gattung Staphylococcus

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Page 1: Isolierung und Identifizierung von Micrococcaceae, insbesondere der Gattung Staphylococcus

Zbl. Bakt. 276, 556-565 (1992) © Gustav Fischer Verlag, StuttgartlNew York

Deutsche GeseUschaft fUr Hygiene und Mikrobiologie

Kommission zur Erarbeitung von Verfahrensrichtlinien fur die mikrobiologische Diagnostik (DGHM-Verfahrensrichtlinien)

Isolierung und Identifizierung von Micrococcaceae, insbesondere der Gattung Staphylococcus1

GEORG PETERS

I. Definition der Micrococcaceae und ihre humanmedizinische Bedeutung

Die Familie der Micrococcaceae besteht aus grampositiven und katalasepositiven Kokken. Eine Ausnahme bilden die Staphylococcus aureus subsp. aureus anaerobius die katalasenegativ ist und die Gattung Stomatococcus, wo die Katalasebildung nur schwach ausgepriigt oder negativ sein kann. Sie wachsen fakultativ anaerob mit Aus­nahme der Gattung Planococcus und der Mehrzahl der Micrococcus-Spezies. Bis auf die Gattung Planococcus sowie Micrococcus agilis sind sie unbeweglich. Man unter­scheidet heute vier Gattungen: Planococcus, Staphylococcus, Stomatococcus und Mi­crococcus. Die Gattung Stomatococcus wurde fruher als Mikrokokkenspezies-M. mu­cilaginosus (= Staphylococcus salivarius) - gefUhrt. Diese Gattungen lassen sich zwar durch grundlegende Merkmale charakterisieren und voneinander abtrennen (Tab. 1); aufgrund von DNS-rRNS-Hybridisierungs- und 16S-rRNS-Katalogisierungsergebnis­sen konnen jedoch die Gattungen Micrococcus und Stomatococcus einerseits und Plan­coccus und Staphylococcus andererseits zwei vollig verschiedenen phylogenetischen Linien zugeordnet werden. Daher stellt sich die Frage, ob es taxonomisch uberhaupt sinnvoll ist, diese Bakteriengruppen in einer Familie zusammenzufassen. So gibt es z.B. Bestrebungen, aus der Gattung Micrococcus und der Arthrobacter-Gruppe eine neue Familie zu bilden.

Bezogen auf die humanmedizinische, vor allem pathogene Bedeutung, und damit fur klinisch-mikrobiologisch-diagnostische Belange ist diese Diskussion von nur relativer Bedeutung. Dnter diesen Gesichtspunkten ist bis auf wenige Ausnahmen (siehe unten) nur die Gattung Staphylococcus wesentlich. Die Gattung Planococcus enthiilt nahezu ausschlie15lich marine Stiimme und kommt im menschlichen Dntersuchungsmaterial nicht vor.

1 Erarbeitet von der Arbeitsgruppe Micrococcaceae Obmann: Prof. Dr. G. Peters, Munster Mitglieder: Dr. F. Schumacher-Perdreau, Koln

Prof. Dr. Dr. h.c. G. Pu/verer, Koln

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Tabelle 1. Genusdifferenzierung der Familie Micrococcaceae (Basiskriterien)

Merkmale Plano- Staphylo- Stomato- Micro-coccus coccus coccus coccus

Guanin-Cytosin-Gehalt der DNS (%) 40-51 30-35 56-60 70-75

Zellwand: > 2 Mol Glycin pro Mol Glutamin- + saure im Peptidoglykan Teichonsaure +

Fructose-1,6-diphosphat -Aldolase-Typ n 11 II II

Cytochrom C n + +

n = nicht bekannt 1 = Ausnahmen moglich (S. sciuri).

Die Angehorigen der Gattung Micrococcus treten ubiquitar in groger Artenvielfalt auf. Sie gehoren auch zum festen Bestandteil der normalen aeroben Mikroflora der Haut- und Schleimhaute von Saugetierorganismen und Menschen. Ihre Bedeutung im Sinne einer physiologischen Rolle in der menschlichen Mikroflora kann heute noch nicht exakt beschrieben werden. Eine pathogene Bedeutung kommt ihnen nach heuti­gem Wissen nur in Ausnahmefallen zu. Hier konnen sie aus Blutkulturen bei Septika­mien abwehrgeschwachter Patienten sowie bei Prothesenendokarditis isoliert werden. Systematische Untersuchungen iiber klinische Relevanz und mogliche Pathomechanis­men fehlen jedoch bisher. Deshalb ist eine endgiiltige Einschatzung ihrer humanmedizi-­nischen Bedeutung derzeit noch nicht moglich. Ihr Vorkommen im menschlichen Un­tersuchungsmaterial kann daher iiberwiegend als Ausdruck einer blogen Besiedlung oder als Kontamination gedeutet werden.

Dies trifft in ahnlicher Weise fiir die Organismen der Gattung Stomatococcus zu. Sie konnen aus Materialien des Mund-Rachen-Raumes normalerweise isoliert werden, wo ihnen eine Rolle als Vertreter der normalen physiologischen Flora zugesprochen wird. Auch ihre pathogene Bedeutung ist noch nicht endgiiltig geklart. Die bisher nur verein­zelt vorliegenden Literaturberichte geben eine Isolierung aus Blutkulturen bei Septika­mie abwehrgeschwachter Patienten sowie bei natiirlicher Klappenendokarditis und Prothesenendokarditis an. Auch hier gilt, dag ihr Vorkommen im menschlichen Unter­suchungsmaterial daher iiberwiegend als Besiedlung oder Kontamination gedeutet wer­den kann.

Die humanmedizinisch bedeutungsvollste Gattung Staphylococcus weist eine groge Artenvielfalt auf. Die grogte pathogene und damit klinisch-bakteriologische Bedeutung kommt der koagulasepositiven Spezies S. aureus zu. S. aureus ist iiberwiegend an Mensch oder Tier adaptiert, kommt aber auch im umgebenden Milieu sowie im Frei­land vor. Beziiglich der "spezifischen" Pathogenitat lassen sich tierische und mensch­liche Stamme unterscheiden. Die beschriebene Subspezies S. aureus subsp. anaerobius kommt im menschlichen Untersuchungsmaterial nicht vor. Weitere koagulasepositive Spezies sind S. intermedius und S. delphini. Aufgrund des hohen Grades ihrer geneti­schen Verwandtschaft werden die koagulasevariable Spezies S. hyicus und die koa­gulasenegative Spezies S. chromogenes mit den vorgenannten koagulasepositiven Spezies iiblicherweise zu einer Gruppe zusammengefagt (Tab. 2). S. delphini wird in

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Tabelle 2. Differenzierung koagulasepositiverl und -variabler Staphylokokken-Spezies (Basiskriterien)

Merkmale S.aureus S. intermedius S.hyicus S. chromogenes

Zellwand: Peptidoglykantyp L-Lys-GlY5_6 L-Lys-GlY4_5, L-Lys-GlY5-6 L-Lys-Gly 5-6

L-Ser T eichonsaure Ribir Glyzerin Glyzerin Glyzerin

Milchsaurekonfiguration D, L3 L L L

Protein A +4

Pigment + +

1 Die koagulasepositive Spezies S. delphini kommt in menschlichem Untersuchungsmaterial nicht vor; dies gilt auch rur S. aureus, subsp. anaerobius.

2 Ausnahme Phagentyp 187 (= Glyzerin). 3 Bei ca. 5% nur L-Milchsaure. 4 Ausnahmen moglich.

menschlichem Untersuchungsmaterial nicht gefunden, die Spezies S. intermedius, S. hyicus und S. chromogenes nur sehr selten und dann nur bei Personen mit engem Kontakt zu Haustieren. Zudem ist ihre Pathogenitat ftir den Menschen noch nicht geklart. Daher besteht nur selten die Notwendigkeit, diese Spezies ftir Belange der Humanmedizin von S. aureus abzugrenzen. 1m veterinarmedizinischen Bereich sind sie dagegen von gr6gerer Bedeutung. .

Koagulasenegative Staphylokokken sind wie S. aureus an Mensch oder Tier adap­tiert, konnen aber in der unmittelbaren Umgebung sowie im Freiland ftir einige Zeit tiberleben; Sie bilden einen grogen Teil der aeroben Flora von Haut- und Schleimhaut. Ihr Vorkommen im bakteriologischen Untersuchungsmaterial ist daher sehr haufig Ausdrack einer blogen Kolonisierung oder kontaminationsbedingt. Die atiologische Bedeutung mug daher individuell im Einzelfall beurteilt werden.

Die koagulasenegativen Staphylokokken lassen sich aufgrund ihrer unterschiedli­chen Empfindlichkeit gegentiber Novobiocin (s. unten) in Novobiocin-resistente und Novobiocin-empfindliche Spezies unterteilen. Die Novobiocin-resistenten Spezies S. sciuri, S. lentus, S. gallinarum, S. arlettae, S. equorum und S. klosii kommen aus­schlielSlich in der normalen Standortflora verschiedener Tierarten vor. Dagegen kon­nen die Spezies S. saprophyticus, S. xylosus und S. cohnii aus menschlichem Untersu­chungsmaterial isoliert werden, tiberwiegend aus Urin. Es besteht heute kein Zweifel daran, dag diese Spezies - vor allem die am haufigsten gefundene Spezies S. saprophyti­cus - pathogene Bedeutung haben k6nnen. Sie k6nnen ftir das Dysurie-Syndrom der Frau, bzw. fur eine unspezifische Urethritis des Mannes verantwortlich sein, k6nnen in Einzelfallen jedoch auch Zystitis, Pyelonephritis und Urosepsis verursachen. Bei Isolie­rung dieser Spezies in Reinkultur und einem korrelierenden klinischen Bild mug des­halb von einer atiopathogenen Bedeutung ausgegangen werden. Ohne entsprechende Klinik stellt ihr Nachweis jedoch nur den Ausdruck einer Kolonisierung dar.

Bei den Novobiocin-empfindlichen koagulasenegativen Staphylokokken werden die Spezies S. saccharolyticus (frtihere Bezeichnung: Peptostreptococcus saccharolyticus), S. carnosus, S. caseoiyticus, S. caprae und S. Felis nicht in menschlichem Untersu-

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chungsmaterial gefunden, sondern gehoren zur Haut- und Schleimhautflora verschie­dener Tierarten, bzw. konnen aus Tierprodukten isoliert werden. Die wichtigsten im menschlichen Untersuchungsmaterial vorkommenden Novobiocin-empfindlichen Sta­phylokokkenspezies sind einmal die der Staphylococcus epidermidis-Gruppe, mit den Spezies S. epidermidis (etwa 75% aller Isolate!), S. haemolyticus, S. hominis, S. capitis und S. warneri. Dazu kommen noch die Spezies S. simulans und S. auricularis - wird ausschlieBlich im Material des auBeren GehOrganges gefunden - sowie die neubeschrie­benen Spezies S. lugdunensis und S. schleiferi. Die Gruppe der Novobiocin-empfindli­chen koagulasenegativen Staphylokokken besitzt mit Ausnahme seltener virulenter oder bekapselter Stamme fur immunkompetente Patienten keine pathogene Bedeutung. Pradisponiert fur Infektionen mit koagulasenegativen Staphylokokken dieser Gruppe sind jedoch abwehrgeschwachte Patienten, insbesondere Hamoblastose-Patienten in der Aplasiephase nach Zytostatikatherapie und unreife Fruhgeborene, und Patienten mit implantierten Plastikfremdkorpern bzw. liegenden intravasalen oder anderen Ka­thetern. Hier sind diese koagulasenegativen Staphylokokkenspezies von erheblicher klinischer Relevanz, im Falle der Polymer-assoziierten Infektionen sogar die am haufig­sten isolierten Erreger. In Einzelfallen konnen auch immunkompetente Patienten ohne Plastikfremdkorper betroffen sein, vor allem in Form einer Endokarditis (native Kiap­penendokarditis, Rechtsherzendokarditis bei parenteral Drogenabhangigen). In allen anderen Fallen kann bei Nachweis aus menschlichem Untersuchungsmaterial uberwie­gend von einer Besiedlung bzw. Kontamination ausgegangen werden.

Anzumerken ist noch, daB die taxonomische Neuordnung der koagulasenegativen Staphylokokken sicher noch nicht als abgeschlossen bezeichnet werden kann. In eini­gen Fallen wurden auch bereits innerhalb der schon bestehenden Spezies Subspezies vorgeschlagen.

II. Gang der Untersuchung zur Staphylokokkendiagnostik

1. Gewinnung und Transport des Untersuchungsmaterials

Die bakteriologische Diagnostik von Staphylokokken erfordert keine besonderen Vorkehrungen. Die Art der Proben hangt von Art und Ort der Erkrankung, der diagno­stische Wert des erhobenen Befundes von der des entnommenen Materials abo Ein besonderes Transportmedium ist nicht erforderlich, doch sollte die Austrocknung der Probe verhindert werden. Die Herstellung von Abstrichtupfern fur Abstriche zur Aus­schaltung schadigender Einflusse von Fettsauren aus Baumwollfasern ist in der Richt­linie 1.5 - FuBnote - beschrieben. Transportsysteme wie Kulturflaschen und Anaero­biermedien haben keine negativen Auswirkungen.

2. Mikroskopische Untersuchung von Originalmaterial

Die mikroskopische Untersuchung von Originalmaterial erlaubt keine definitive Diagnose, kann aber den Verdacht auf eine Staphylokokkeninfektion lenken und ist daher haufig wertvoll fur den Kliniker. Abstriche und zahflussiges Material werden direkt, flussige Materialien wie Z. B. Liquor und zellarme Exsudate nach Zentrifugieren gramgefarbt. Staphylokokken zeigen sich als grampositive, uberwiegend in Haufen­form gelagerte Kokken. Von Bedeutung ist auch der gleichzeitige Zellbefund (Granulo­zyten, Epithelzellen). Zu beachten ist dabei, daB sich bei einer vorausgegangenen Anti­biotikatherapie als Folge der Antibiotikawirkung die Morphologie deutlich andern

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kann. 1m Kulturpraparat ist wegen der meist vorhandenen Haufenlagerung die Ab­grenzung von anderen grampositiven Kokken wesentlich einfacher.

3. Isolierung

Die Isolierung von Staphylokokken erfordert keine spezieIlen Niihrboden. Da sie zudem von der Begleitflora in den iiblichen Proben vom Menschen im Wachstum nicht unterdriickt werden und morphologisch von anderen Bakterien normalerweise gut abgrenzbar sind, sind auch keine Selektivniihrboden erforderlich. Lediglich bei Unter­suchung von Stuhlproben kann die Isolierung von S. aureus bei Verwendung spezieIler Selektivniihrboden wie Mannit-Kochsalz-Agar oder Chapman-Stone-Agar verbessert werden. Die Anlage der Proben soIlte auf festem Niihragar mit Zusatz von Schafblut erfolgen. Die Verwendung von Blut anderer Tierarten oder von Menschenblut ist moglich, es mu~ aber mit einem anderen Hiimolyseverhalten gerechnet werden. Zu­siitzlich soIlten Kulturen in einem Fliissigmedium wie z.B. Traubenzucker-, Tryptic Soy- oder Hirn-Herz-Bouillon angelegt werden und bis zu zwei Tagen bei 36°C bebrii­tet werden. 1m positiven FaIle zeigt sich ein starkes Wachstum unter Triibung und Bodensatzbildung. Bei Untersuchung von intravasalen oder anderen Kathetern sowie von Implantaten mu~ die Bebriitung in einem Fliissigmedium iiber mindestens 1 Wo­che erfolgen, da die Staphylokokken auf der Polymeroberfliiche in einer Schleimmatrix eingebettet sein konnen und daher bei zu kurzfristiger Bebriitung dem Nachweis entge­hen konnen. Ma~nahmen wie Schiitteln mit Glasperlen oder UltraschaIlbehandlung konnen die Nachweisrate erhOhen, sind aber mit einem hohen Kontaminationsrisiko behaftet. Die fiir die Diagnostik von Katheterinfektionen in den USA iibliche Dberagar­roIltechnik wird in ihrer diagnostischen Relevanz iiberschiitzt. Die Verarbeitung von Blutkulturen und Fremdkorpermaterialien ist besonders anfiillig fiir eine sekundiire Kontamination und soIlte daher moglichst auf einer reinen Werkbank erfolgen.

4. Identifizierung

Die Koloniemorphologie ist ein wesentliches Merkmal, das nahezu immer die Zu­ordnung zur Familie Micrococcaceae gestattet. Nur selten ist die Absicherung der Diagnose durch Gram-Fiirbung und Katalasereaktion (mit 2%iger H20rLosung, von blutfreiem Medium) erforderlich. Lediglich bei der Gattung Stomatococcus kann der AusfaIl der Katalasereaktion nur schwach sein oder vollig fehlen. Hier kann es gele­gentlich zu Differenzierungsschwierigkeiten gegeniiber Streptokokken kommen, ein wichtiges diagnostisches Merkmal ist dann die charakteristische Haftung von Stomato­coccus an der Niihrbodenoberfliiche.

Auch die Diagnose der Gattung Staphylococcus ist meistens aufgrund der Morpho­logie moglich. S. aureus wiichst in gro~en bis mittelgro~en wei@ch-gelben bis goldgel­ben, aber auch wei~en Kolonien, koagulasenegative Staphylokokken in mittelgro~en wei~en bis beigen Kolonien. Die meisten Mikrokokken zeigen schon nach 18-24-stiindiger Bebriitung ein kriiftiges zitronengelbes (M.luteus) oder rosafarbenes Pigment (M. roseus, einzelne Stiimme von M. varians). Einige Mikrokokkenarten wie z. B. ockergelb oder weig pigmentierte Stiimme der Spezies M. lylae, M. kristinae und M. varians sind von Staphylokokken, vor aIlem koagulasenegativen Staphylokokken, morphologisch nicht zu unterscheiden. Die sichere Abgrenzung zu S. aureus gelingt hier mit der Bestimmung der Plasmakoagulase und des Protein A (s. unten). Die Ab­grenzung von koagulasenegativen Staphylokokken ist durch Priifung der Lysostaphin­oder Bacitracinempfindlichkeit moglich (Tab. 3). Organismen der Gattung Stomatoco-

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Isolierung und Identifizierung von Micrococcaceae 561

Tabelle 3. Genusdifferenzierung der Familie Micrococcaceae (Diagnostische Kriterien)

Merkmale

Beweglichkeit

Kapsel

Wachstum bei 5% NaCl

Lysostaphinempfindlichkeit

Bacitracinempfindlichkeit

n = nieht bekannt 1 = Ausnahmen moglich. 2 = M. agilis +.

Plano-coccus

+

+

n

Staphylo- Stomato- Micro-coccus coccus coccus

2

+ + + +

3 n +

3 = Ausnahmen bei S. aureus haufiger moglich; sichere Abtrennung durch positive Koagu­lase.

cus wachsen in kleinen weiBlichen bis nichtpigmentierten Kolonien, die stark an der Agaroberflache haften. Ihre Abgrenzung gegeniiber den Gattungen Staphylococcus und Micrococcus ist durch die schwache oder fehlende Katalasereaktion, die Kapselbil­dung und das fehlende Wachstum in BHI-Bouillon mit 5% Kochsalz moglich (Tab. 3). Insgesamt ist die Abgrenzung der Gattung Staphylococcus zu den Gattungen Micrococ­cus und Stomatococcus nur sehen notwendig und dann aufgrund der in Tabelle 3 aufgefiihrten diagnostischen Kriterien moglich.

Die Anforderungen an eine weitere Spezifizierung innerhalb der Gattung Staphylo­coccus miissen je nach klinischer Relevanz differenziert werden. Obligat ist hierbei die Differenzierung in koagulasepositive und koagulasenegative Staphylokokken. Dabei bedeutet die Diagnose koagulasepositive Staphylokokken praktisch immer gleichzeitig die Speziesdiagnose S. aureus. Die zuverlassigste Methode fiir die Identifizierung von S. aureus ist der Nachweis der freien Plasmakoagulase im Rohrchen-Test iiber 24 h bei einer Bebriitungstemperatur von 36°C: Die zu priifende Kolonie wird in 0,5 ml Zitrat­plasma vom Kaninchen oder vom Menschen eingerieben, in gleicher Weise ein negati­ver sowie positiver Stamm als Kontrollen. Ais Leerkontrolle wird das Plasma mitbebrii­tet. Die Gerinnung des Plasmas zeigt die Bildung der freien Plasmakoagulase durch den Priifstamm an. Abgelesen wird nach 4 und 18-24 h. Die Mehrzahl der Stamme gibt schon nach 4 heine positive Reaktion. Einzelne Stamme besitzen aber auch fibrinolyti­sche Aktivitat und konnen nach langerer Bebriitung das zunachst koagulierte Plasma wieder verfliissigen. Bei der Verwendung von menschlichem Plasma kann es haufiger Probleme bei der Interpretation des Reaktionsausfalls geben. AuRerdem t,nuJS der Test bei jeder neuen Plasma charge neu standardisiert werden. Die in seltenen Fallen not­wendige Abgrenzung zu S. intermedius und S. hyicus kann durch den Nachweis der aeroben/aneroben Mannitspaltung oder der fehlenden p-Galactosidasebildung erfolgen (Tab. 4).

Der Nachweis der Plasmakoagulase erfordert Zeit, daher wird heute als Standard­reaktion der Nachweis des Clumping factors (= Fibrinogenrezeptor) durchgefiihrt: Mit einer ase wird etwas Bakterienmasse in physiologische Kochsalz16sung sowie in Zitratplasma auf einem Objekttrager verrieben. 1m positiven Fall kommt es unmittel-

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Tabelle 4. Differenzierung koagulasepositiverl und -variabler Staphylokokken-Spezies (Diagnostische Kriterien)

S.aureus S. intermedius S. hyicus S. chromogenes

Pigment + + Koagulase2 + + d

Clumping factor + d

~-Galactosidase + Mannit:

aerob + + anaerob +

DNase + + + d/-

1 Die koagulasepositive Spezies S. delphini kommt in menschlichem Untersuchungsmaterial nicht vor; dies gilt auch fiir S. aureus, subsp. anaerobius.

2 Kaninchenplasma

bar zur Verklumpung der Bakterien, bei negativem Ausfall zur homogenen Triibung. Eine verzogert eintretende schwach positive Agglutination gilt als fraglich und muB im Rohrchentest iiberpriift werden. Nachteile sind die mogliche Eigenklumpung in der Kochsalzkontrolle sowie die Nicht-Erkennung von Clumping factor-negativen S. au­reus-Stammen, die etwa in einer Haufigkeit von 4-8% auftreten konnen. Dagegen konnen Stamme der Spezies S. intermedius positiv sein (Tab. 4). Bei der Verwendung von Zitratplasma yom Menschen sind auch die neuen koagulasenegativen Staphylo­kokkenspezies S. lugdunensis und S. schleiferi Clumping factor-positiv.

Diagnostische Alternativmoglichkeiten zum oben beschriebenen Clumping factor­Test bieten im Handel befindliche Objekttragertests: Ein Teil (z. B. der Staphyslide®, Api, BioMerieux) weist den Fibrinogenrezeptor mit Fibrinogen-sensibilisierten Schaf­erythrozyten nach mit einer insgesamt geringeren Versagerquote als bei der Priifung mittels Zitratplasma. Ein weiterer Test (z. B. StaphaurexD®, Deutsche Wellcome) weist sowohl den Fibrinogenrezeptor wie Protein A durch an Latexpartikel gekoppeltes EDT A-Humanfrischplasma nach, mit Identifizierungsergebnissen annahernd dem PI as­makoagulase-Rohrchentest.

Weitere Merkmale brauchen im diagnostischen Labor zur Identifizierung von S. aureus nicht bestimmt zu werden - bei im Einzelfall auftretenden Schwierigkeiten bestatigt eine positive anaerobe Mannitspaltung die Diagnose (Tab. 4).

Eine generelle Spezifizierung der koagulasenegativen Staphylokokken in die aufge­fiihrten Spezies ist wegen der hohen Kosten in der allgemeinen Diagnostik nicht mog­lich und fiir medizinische Belange auch nicht erforderlich. Obligat ist jedoch die Unter­scheidung in Novobiocin-empfindliche und Novobiocin-resistente koagulasenegative Staphylokokken. Als Referenzmethode gilt das Wachstum auf P-Agar mit 1,6 f.tglml Novobiocin mit einem Inoculum von ca. 105 KBE. Stattdessen kann auch die Agardif­fusionsmethode auf Miiller-Hinton-Agar mit Novobiocin-Testblattchen mit einer Be­schickung von 5 f.tg angewandt werden. Als sensibel gelten Stamme ab einem Durch­messer von 16 mm. Da in menschlichem klinischen Untersuchungsmaterial die Spezies S. epidermidis innerhalb der Novobiocin-empfindlichen koagulasenegativen Staphylo-

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kokken bei weitem am haufigsten gefunden wird und die Spezies S. saprophyticus innerhalb der Novobiocin-resistenten koagulasenegativen Staphylokokken, erscheint es gerechtfertigt, Novobiocin-empfindliche koagulasenegative Staphylokokken als S. epidermidis-Gruppe und Novobiocin-resistente als S. saprophyticus-Gruppe zu be­zeichnen.

In klinisch bedeutsamen Einzelfallen, bei bestimmten Patientengruppen (siehe oben) oder fur epidemiologische oder wissenschaftliche Fragestellungen kann eine exakte Identifizierung in Spezies erforderlich sein. Dies ist mit der Biotypisierung nach Kloos und Schleifer in einem MaSe moglich, wie dies auch fur die Biotypisierung anderer Bakterien z. B. Enterobacteriaceae als akzeptiert gilt. In den T abellen 5 und 6 wird fur die Novobiocin-empfindlichen wie die Novobiocin-resistenten koagulasenegativen Sta­phylokokken ein auf dem Kloos-Schleifer-System beruhendes, abgekurztes Identifizie­rungs schema angegeben. Alternativ kann das kommerziell erhaltliche Kitsystem ATB 32 (Api Biomerieux) verwandt werden. Bei den Novobiocin-empfindlichen koagulase­negativen Staphylokokken konnen innerhalb der S. epidermidis-Gruppe die am haufig­sten isolierten und klinisch wichtigsten Spezies S. epidermidis sensu stricto und die haufig durch Multiresistenz auffallende Spezies S. haemolyticus durch Bestimmung der Trehalosespaltung und der Ureasebildung fur diagnostische Belange ausreichend sicher differenziert werden: S. epidermidis ist Trehalose-negativ und Urease-positiv, S. hae­molyticus ist Trehalose-positiv und Urease-negativ.

Tabelle 6. Differenzierung Novobiocin-resistenter koagulasenegativer Staphylokokken 1

Spezies

S. saprophyticus-Gruppe: S. saprophyticus S. xylosus S. cohnii

Saccharose

+ (+) (80) - (10)

Xylose

+

Zahlen in Klammern, neben +, (+) und -: % der positiven Ausfalle. () = schwacher Reaktionsausfall. 1 = nur in menschlichem Untersuchungsmaterial vorkommende Spezies.

In der Gattung Stomatococcus gibt es bisher nur eine definierte Spezies, S. mucilagi­nosus. Neben den schon genannten Gattungskriterien (Tab. 3) zeigen Bakterien dieser Spezies weiter eine Azetoin-Produktion, Hydrolyse von Aeskulin und Gelatine, Nitrat­reduktion und Saurebildung aus Glukose, Fruktose, Saccharose, Trehalose, Mannose und Salicin. Mikroskopisch zeigen sich grampositive, meist in Trauben, gelegentlich aber auch in Diplo- oder Tetradenform gelagerte Kokken mit einer fast immer vorhan­denen, mehr oder weniger stark ausgepragten Kapsel. Kulturell zeigen sich meist erst nach 2-tagiger Bebrutung kleinere, transparente oder weiSliche, mukoide, stark am Agar haftende Kolonien mit schwach positiver oder negativer Katalase.

Innerhalb der Gattung Micrococcus werden mehrere Spezies beschrieben. In menschlichem Untersuchungsmateriallassen sich meist aufgrund der unterschiedlichen Pigmentbildung folgende Spezies unterscheiden: M. luteus (gelb), M. lylae (cremeweiS), M. varians (gelblich), M. kristinae (mattorange), M. nishinonmyaensis (orange), und

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Isolierung und Identifizierung von Micrococcaceae 565

M. sedentarius (cremeweiB, buttergelb). Diese Spezifizierung gilt jedoch he ute als noch unvollstandig und nicht gesichert. Mikroskopisch zeigen sich Mikrokokken uberwie­gend in Paar- oder Tetradenform gelagert, wesentlich seltener in Traubenform. Bis auf die Spezies M. kristinae wachs en aile Spezies nur aerob bei einem Bebrutungsoptimum von 32°C, Die typische Pigmentausbildung wird meistens erst nach 2-tagiger Bebru­tung und folgendem 18-stundigen Stehen bei Raumtemperatur charakteristisch.

Professor Dr. Georg Peters, Institut fur Med. Mikrobiologie der Universitat, Domagkstr. 10, D-4400 Munster