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Klimawandel im
ULFMit Industriepartnern und den Wiener Linienfeilen TU-Forscher an energieeffizienterenSTRASSEN SAH NEN. Schon die Windkanal-tests gestalteten sich aufregend.TEXT: DANIEL POHSELT
26 FORSCHUNG
Auch Martin Kozekist Besit-zer einer Netzkarte.Alssol-cher tut sich der TU-For-
scher leicht, Fahrgästen,die mit der NiederflurstraßenbahnULF unterwegs sind, Wünsche vonden Augen abzulesen: Für die Mehr-heit, soKozeksEindruck,seialles eitelWonne. Dann gebe es aber auch die,denen "immer zu kalt oder immer zuwarm ist': beobachtet Kozek.Klar:Einverschwitzter Radfahrer empfindetanders als ein altes Mütterchen, dasohne Westeunterwegs ist.In dem aus Mitteln des Klima- und
Energiefonds finanzierten Projekt"EcoTram" schenkt Kozek den Ein-drücken der Passagierenun vermehrtBeachtung. Mehr Behagen bei denFahrgästen sei aber nicht das erklär-te Ziel. "Uns geht es um energieef-fiziente Garnituren'; stellt der For-scher vom Institut für Mechanik undMechatronik klar. Mit Siemens, demKlimagerätehersteller Vossloh Kiepeund den Wiener Linien lotet er des-halb die Möglichkeiten aus, die Hei-zungs-, Lüftungs- und Klimaanlagendes ULF energetisch zu optimieren.Für ihre 300 Fahrzeuge starke Flot-
Alt und neu. Seit 1998 fahren in Wien ULF-
Straßenbahnen (Ultra Low Floor) mit der
weltweit niedrigsten Einstiegshöhe(r.).
te versprechen sich die Wiener Lini-en jährliche Einsparungen von 3000Megawattstunden. Keine Kleinigkeit,weiß Kozek:"Das ist in etwa der En-ergiebedarf einer kleinen Ortschaft:'Die Projektidee geboren hat die 1996gegründete Schieneninfrastrukturge-sellschaft Schig. Sie will den Schie-nenverkehr als umweltfreundlicheAlternative fördern. "Entstehen solleine Software,mit der die Herstellerschon bald die Thermik im Fahrzeugsimulieren können'; erklärt Kozek.Das soll nicht nur die Optimierungbestehender Fahrzeuge beschleuni-gen. Später ginge, so hofft man, auchdie Entwicklung neuer Verkehrsmit-telleichter von der Hand.
Gefinkelte Sensoren. Die theore-
tische Vorarbeit ist schon geleistet.Wochenlang nahmen Kozekund seinDissertant Raphael Hofstädter - einausgebildeter Verfahrenstechniker- mathematische Grundgesetze undGleichungen in die Softwareauf: "Et-waWarmeübergänge an Oberflächenund deren Abhängigkeit von Wind-geschwindigkeiten:' Auch erste Er-fahrungswerte aus der Praxis liegen
Pferde undDampf. Bevor die
Elektrifizierung
Einzug in Wien hielt,wurden Straßen-
bahnen von Pferden
gezogen oder mit I
Dampf betrieben. I
Energieeffizienz war früher im Verkehrs-bereich kaum ein Thema. Nun rückt sie
allerdings in den Vordergrund.
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nun vor. Denn im Mai dirigierte maneine ULF-Kurzversion in den Klima-Wind- Kanal der Rail TecArsenal. Wiealle anderen kurzen Straßenbahnen
besaß dasausgewählte Fahrzeug dreiHeiz- und Klimaeinheiten. Und je-de Menge Fronterfahrung: "Wir ent-schieden uns für ein repräsentativesFahrzeug mit vielen Betriebsstun-den'; betont Kozek.Für die herzschlagbeschleunigendenTestsin der Riesenröhreverteilte manim Fahrzeugraum Sensoren für Tem-peratur, Feuchtigkeit und Luftge-schwindigkeit. 37 Grad warme Heiz-matten auf den Sitzensimulierten die
Körperwärme der Fahrgäste.MitLuft-befeuchtern empfand man sogar dasSchwitzender Fahrgäste nach. "Dann
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um energIe-effizienteGarnituren, "
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~a:aJ<i"-U)0f-0"- MARTIN KOZEK, TU WIEN
Elektrifiziert. Anfang 1897 fuhr erstmalseine elektrische Straßenbahn in Wien: auf
der heutigen 5er-Linie.
simulierten wir Sonne und Wind'; er-zählt Kozek. Hilflos war das Testob-
jekt Außentemperaturen von minus20bis plus 30 Grad preisgegeben. Fürnoch mehr Realismus öffnete undschloss man während der Versuchedie Türen. "Wir ließen die Steuerungdes Klimagerätsglauben, tatsäcWichim Regelbetrieb unterwegs zu sein';schmunzelt Kozek.
Fahrenim Feld.Noch mehr Infor-mationen soll ein groß angelegterFeldversuch liefern. Seit Anfang Ju-ni weichen Sensoren und ein Daten-speicher einem Fahrzeug der Linie62 nicht von der Seite.Vom KärntnerRingbis nach Lainzspult die Straßen-bahn jeden Tagviele Kilometer ab. Jenach Witterung sollen die Fahrtenmit dem Testvehikel sechs bis achtMonate in Anspruch nehmen - vonder strahlenden Jahreszeit bis in dentiefsten Winter hinein: "Wir wollenextreme Temperaturen einfangen'; soKozek. Rund hundert Kanäle liefernim Zehnsekundentakt Informationen- selbst wenn die Bim in der Remi-se steht. Auch auf dem Dach existiertein Ezzesgeber: Ein Strahlungssen-
sor stellt dort die Intensität und denEinfallswinkeldes Lichts fest.Außer-dem zapftman den Klimaanlagenbusan. Gegen Unfälle oder Vandalismusist man abgesichert: Der Fahrgast be-merkt die gut versteckten Sensorennicht.Nach Abschluss d~r Tests will mandie Garnituren schnellstens optimie-ren. Eine Vorselektiongibt es bereits.Vielverspricht man sich von modifi-zierten Klimaanlagen: "Bisher mes-sen sie beim Einregeln nur die Luft-temperatur'; so Kozek. Intelligentgesteuert könnten sie aber auch denStreckenverlauf und die Sonnenein-strahlung berücksichtigen. Gleichesgilt für den Wind. "Bei Windstille istdas subjektive Kälteempfinden ge-ringer, der Wagen müsste also weni-ger stark aufgeheizt werden'; erläu-tert der Forscher.
Eine andere Option wäre es, die Küh-lung bei Tunneleinfahrten vollau-tomatisch herunterzuregeln. BeimMatzleinsdorferPlatzkönnte das viel-leicht von Nutzen sein: Minutenlangist dort der 62erim Untergrund unter-wegs. Ein variabler Kompressorwiir-de hingegen die Funktionsweise der»
Tradition der Bim.
Mit den Trieb- und
Beiwagen aus
vergangen Jahr-zehnten kann man
noch heute - als
Sonderzug-in
Wien fahren.
ÖFFIS UND UMWELT
RUND35 PROZENTaller Wegewerden in Wien mit öffentlichenVerkehrsmitteln zurückgelegt- international ist man damit imSpitzenfeld vertreten. Der Auto-verkehr landet laut Wiener Linienmit32 Prozentauf Rangzwei.
DERWIENERVERKEHRist miteinem Drittelder Gesamt-emissionen größter Verursachervon Kohlendioxid-Emissionen.Im privaten Wiener Pkw-Verkehrwurden im Vorjahr525 Millio-nen Liter Kraftstoff verbraucht- das entspricht 4,8 MilliardenKilowattstunden, der fünffachenErzeugungsmenge des Donau-kraftwerks Freudenau. EinÖffi-Fahrgast verbraucht dagegennur ein Zehntel der Energie einesAutofahrers.
FORSCHUNG 27
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» Klimaanlage verbessern: "Man er-reicht so fast die Funktion einer War-
mepumpe, die mit Umgebungsluftheizt und kühlt:' Unterdessen könntedie ABS-Bremse des ULF,die schonbisher Informationen zur Beladungder Straßenbahn nutzt, auch demHeizgerätDaten zugänglichmachen.Gegen eine bessere Isolierung derBim spricht das erforderliche Mehr-gewicht: "Isolierwandstärken, wieman sie aus Passivhäusern kennt,machen das Fahrzeug wohl zuschwer'~ vermutet Kozek. Denkbarwären aber eine Fußbodenheizungund Farbanstriche an der Außenhaut,die bestimmte Wellenlängen des
ABS-Bremsen könntenInformationen an das
Heizgerät schicken.28 FORSCHUNG
Extremsituationen. Im Klima-Wind-
Kanal werden die ULF-Straßenbahnen bei
Temperaturen von minus 20 bis plus 30
Grad getestet. Im Fahrzeugraum werden
Sensoren für Temperatur, Feuchte und
Luftgeschwindigkeit verteilt, warme Heiz-matten und Luftbefeuchter simulieren die
Gäste auf den Sitzplätzen.
Lichts absorbieren. Auch organischeLeuchtdioden (kurz: OLED),auf denFensterscheiben angebracht, stehenzur Diskussion.Mitihnen würde man
zwei Fliegen mit einer Klappe schla-gen: Die dünnen Folien verhindernnicht nur ein starkes Autheizen desInnenraums. Alsanimierte Werbeflä-che spülen sie auch Geld in die Kassedes Betreibers.Schließlichhat der Forscher noch ein
Beispielparat, wie selbst das Wohlbe-finden der Passagiere zu steigern ist:Das Türöffungssignalmüsste in dieHeizungslogikEinzug finden. "Dannwäre es schon wohlig warm, wenndie Tür aufgeht'; so Kozek.Die Rea-lisierbarkeit der verschiedenen An-sätze wird sich spätestens Mitte 2011zeigen. Für die Zeit danach hat manschon geplant. "In einem Folgepro-jekt soll ein Prototyp mit allen Neue-rungen entstehen ,~ verrät Kozek. Läuftallesglatt,wird der Netzkartenbesitzerdann bald schon mit einer energieef-fizienteren Bim zur Uni fahren. 8
ZUM PROJEKT
EINE STRASSEN BAHN verbraucht
jährlich rund 100.000 kWhStrom. Könnte man nur zehnProzent davon einsparen, dannwürde das - neben der deut-lichen Reduktion der Betriebs-kosten - eine Verringerung desCO2-Ausstoßes durch die WienerBim-Flotte um 600.000 Kilo-gramm pro Jahr bringen.
UMDIESESZIELzu erreichen,haben sich die Wiener Linien,Siemens, Vossloh Kiepe, RailTecArsenal, die Schig mbH und dieTUWien in dem auf eineinhalbJahre angelegten Forschungs-projekt EcoTramzusammen-getan. Die Kosten dafür liegenbei rund 900.000 Euro, davonwerden 600.000 Euro im Rahmendes Programms "Neue Energien2020" von der FFG aus Mittelndes Klima- und Energiefondsgefördert.
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