50

Jagdplanet des Unsterblichen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Jagdplanet des Unsterblichen
Page 2: Jagdplanet des Unsterblichen

Atlan - Der Held vonArkon

Nr. 212

Jagdplanet desUnsterblichen

In der anderen Dimension wartetder Tod - mit Ischtar auf der Welt

der Mutationen

von Hans Kneifel

In einer Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht, steht es mit demGroßen Imperium der Arkoniden nicht zum Besten, denn es muß sich sowohl äuße-rer als auch innerer Feinde erwehren.

Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Im-periums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Fein-de Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Impera-tor Orbanaschol III. – nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemein-wohl völlig außer acht lassen. Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der jun-ge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetigwachsende Schar von verschworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereitsmehrmals erfolgreich vorgegangen.

Gegenwärtig ist Atlan jedoch nicht in der Lage, den Untergrundkampf gegen denUsurpator und Brudermörder Orbanaschol persönlich weiterzuführen, denn durch dieEinwirkung einer Geheimwaffe der Maahks gelangte er erneut in den Mikrokosmos.

Den Verschollenen wiederzufinden, ist Ischtars vordringliche Aufgabe, denn siefühlt, daß ihr Geliebter in Gefahr ist.

Zusammen mit Atlans Kameraden Fartuloon, Corpkor und Eiskralle erreicht dieGoldene Göttin auch schließlich nach vielen gefahrvollen Abenteuern die andere Di-mension, in der sich der Kristallprinz aufhält. Erste Station ihres Weges im Mikrokos-mos ist der JAGDPLANET DES UNSTERBLICHEN …

Page 3: Jagdplanet des Unsterblichen

Die Hautpersonen des Romans:Mantraroggin - Herr des Planeten Xermatock.Mottizzer - Der vierbeinige Jagdgefährte Mantraroggins.Fartuloon, Corpkor, Haitaschar, Ischtar, und Eiskralle - Potentielle Jagdopfer Mantraroggins.

1.

Es gibt zwischen den Sternen kein ge-schriebenes Recht – der Mächtige nimmtsich, was seiner angemessen ist.

BUCH DER WAFFEN UND DER JAGD,Spruchgut der Unsterblichen

Das Tier war riesenhaft. Es wirkte in jederseiner Bewegungen furchterregend undmächtig. Jedes Zucken der großen Muskelnunter dem gestreiften Fell verriet eineschlummernde Energie, die unvermitteltausbrechen und den mehr als büffelgroßenKörper nach vorn schleudern konnte.

»Noch bin ich nicht nahe genug!«brummte Mantraroggin und heftete seineAugen wieder an den federnden Balg desZielfernrohrs. Er befand sich zweihundertSchritte vom Wasserloch entfernt; er lag imSchatten eines der Felsen hoch über dem Ni-veau der steinübersäten Ebene. Es war kurznach Mittag, die Sonne hatte ihren höchstenStand schon erreicht.

Wieder betrachtete Mantraroggin sein Ge-schöpf.

Es wirkte, grob gesehen, wie ein blaurotgestreifter Büffel. Aber viele Einzelheitenunterschieden diese wilde Mutation von ei-nem solchen Tier. Da war der Schädel, aus-gerüstet mit einem nach oben und vorn ge-drehten gewaltigen Gehörn, das in nadelfei-ne Knochenspitzen auslief. Auf der breiten,wulstigen Stirn saß ein drittes Horn, geradewie ein Stilett. Der entartete Büffel, eine Le-bensform, die sich nicht sehr lange auf die-sem Planeten würde halten können, standunübersehbar in der Nähe des ersten Was-serlochs. Noch befanden sich andere Tieredort und tranken, leckten die salzigen Rück-stände am Rand des Tümpels.

Der Riesenbüffel bewegte langsam den

Kopf hin und her.Er schien unruhig. Witterte er den Beglei-

ter des unsterblichen Jägers? Hörte oderroch er Mottizzer?

Kaum möglich! sagte sich der Varganeund setzte die langläufige Waffe mit derstarken Optik ab.

Er mußte noch warten. Er liebte die einfa-che Jagd, die der Beute genügend Chancenließ. Deswegen war er auch nur wie einklassischer Großwildjäger ausgerüstet, des-wegen verließ er die Sphäre. Die Erregungüberkam ihn von Zeit zu Zeit, und dann fander auf seinem Planeten die Entspannung, dieer suchte. Nur dann, wenn er bis ins Extremgefordert wurde, war er befriedigt. Der Taghatte gut begonnen. In der Nacht war dasSchiff gelandet. Es stand abseits des mora-stigen Flußdeltas auf einer felsigen Unterla-ge und war entsprechend gesichert.

Zwischen Sonnenaufgang und Mittag hat-te Mantraroggin, in seinem kleinen Gleiterdas Delta überflogen und anschließend einesteinbedeckte Ebene überquert. Im erstenDschungelstreifen hatte er sich mit Mottiz-zer verständigt und seinen einzigen Beglei-ter ausgesetzt. Seit diesem Augenblick jagteMottizzer allein. Aber sie waren verabredet,dort drüben, vor dem Anfang der langen, ro-ten Schlucht.

»Ein herrlicher Tag für die Jagd!« knurrteMantraroggin zufrieden, lehnte die gesicher-te Waffe gegen den schattigen Teil des Fel-sens und zog langsam sein Vielzweckhemdaus. Er öffnete die große Gürteltasche undentnahm ihr eine Mittagsration, dazu öffneteer eine Stabilpackung seines schweren,dunklen Weines und stellte sie neben sich.

Ein kurzer Blick nach der Wasserstelle –nichts hatte sich geändert. Die riesige Bestiestand noch immer wartend da, die kleinenTiere tranken und leckten Salz. Im fahlblau-en, strahlenden Firmament erschienen die

Jagdplanet des Unsterblichen 3

Page 4: Jagdplanet des Unsterblichen

ersten Vögel des Nachmittags.Auch unter ihnen gab es Mutationen.Der junge, unsterbliche Vargane zog das

Hemd ganz von den Schultern, rollte eslocker zusammen und knotete es oberhalbseines breiten Gürtels um seinen Oberkörpermit den durchtrainierten Muskeln.

Er lachte auf. Das alles war seine eigeneWelt. Niemand machte sie ihm streitig, nie-mand griff ein, keiner jagte hier außer er.Noch nicht.

Der Planet: Es war die Welt der tausendDschungel. Niedrige Poldschungel, die uner-meßlichen Regenwälder nördlich und süd-lich des Äquators, die mittleren Wälder,dunkelgrün oder schwarz, unwegsameBaummeere der gemäßigten Zonen, voll vonWild. Viele tausend Arten, denen man dasGehörn nehmen konnte, deren Felle die Ma-schinen des Schiffes abzogen, deren Gebissedie Wände seines Hauses in der EisigenSphäre zierten.

Oder Mottizzer: Ein Tier, so groß wie einKalb des mutierten Hornbüffels. Halbintelli-gent, eine Jagdbestie mit untrüglichen Au-gen, ebensolchem Gehör und einer unfehlba-ren Spürnase. Die Jagd auf dem PlanetenXermatock war die einzige LeidenschaftMottizzers, mit dem er sich durch Folgenkomplizierter Schnalzlaute und klickenderGeräusche hervorragend verständigen konn-te.

Und die Mutationen: Es war seine Welt,mit der er machen konnte, was er wollte. Indiesem Fall waren es die Tiere, die ihmnicht genügten. Sie waren zu wenig wild, zuwenig exotisch. Also bombardierte er jedes-mal, wenn sein Schiff sich im Landeorbitbefand, Xermatock mit harter nuklearerStrahlung. Sie war breit gestreut, und sie be-einflußte das Erbgut von Fischen ebenso wiedas der Vögel und der Tiere der Dschungel.

Erstaunliche Mutationen waren die unmit-telbare Folge.

Jeder Besuch zeigte ihm abweichendeFormen. Die Norm existierte weiter, und dieMutationen hatten keine wirkliche Zukunft,aber als Opfer seiner Jagden waren sie große

Klasse. Denn ihr Verhalten änderte sichsprunghaft und konnte in keines der bekann-ten Schemata eingeordnet werden.

Der Unsterbliche lächelte. Er war schonin seiner Jugend unsterblich geworden undhatte, bis auf winzige Einzelheiten, seine Fi-gur und sein Aussehen behalten. Er fühltesich wohl in der flammenden Sonne überXermatock, die auf seinen bloßen Rückenund seinen Nacken brannte. Für Augen-blicke kam das Verlangen nach einer Frau inihm hoch, aber er entspannte sich bei einemlangen Zug aus der Weinpackung. Er würdein einer Stunde dort am Wasserloch stehenund sich dem angreifenden Überbüffel stel-len.

»Und es kann durchaus sein«, sagte er,»daß nicht ich der Sieger sein werde.«

Aus dem Wald, rechts neben dem Ein-gang der Schlucht, kamen andere Tiere. Siewirbelten bei ihrem Rennen über die hitzef-lirrende Ebene lange Staubfahnen auf, diesich in der trägen Luft dieser Stunde nurlangsam senkten.

Mantraroggin schob den Hut ins Genick,griff nach seiner Waffe und blickte wiedervoller Interesse nach dem Waldrand. Er saheine Herde von Tieren, denen er den NamenPantherechsen gegeben hatte.

Sie waren schon dagewesen, als er denPlaneten Xermatock entdeckt hatte. Aberauch diese Herde von nicht weniger als hun-dert Exemplaren hatte ihre Mutationen. Sogut er es erkennen konnte, hatte jedes Tierein besonderes Merkmal. Entweder war derelastische Panzer anders gefärbt, oder diePantherfüße besaßen lange, klingenförmiggekrümmte Kampfstacheln, oder die Reiß-zähne waren lang wie die von exotischerenBestien, deren Gebeine er irgendwo in abge-brochenen Erdschichtungen entdeckt hatte.

Die Herde steuerte auf das Wasserloch zu.Diese Wasserlöcher … Nachdenklich

setzte der Vargane, den das eigentliche Fie-ber der Jagd noch nicht ergriffen hatte, dieWaffe wieder ab und sah mit unbewehrtemAuge zu, was sich zwischen dem Wasser-loch und dem Waldrand tat. Die Herde kam

4 Hans Kneifel

Page 5: Jagdplanet des Unsterblichen

näher. Sie wirbelte hinter sich eine gewalti-ge Masse Staub auf, in dessen Wolken sichdas Sonnenlicht in verschiedenen Farbschat-tierungen brach. Ein herrlicher Anblick.Mantraroggin spürte, wie ihn das Fieber er-griff. Er wurde unruhig.

Die traditionelle Jagd mit einfachen Waf-fen und zweckentsprechender Ausrüstungwar seiner angemessen und eines unsterbli-chen Verganen würdig. Er war zu gut, umleichtsinnig sein zu können. Mantrarogginvergewisserte sich vor jedem Schritt, wohinihn dieser bringen würde.

Er benutzte, abgesehen von dem kurzläu-figen und kostbar geschäfteten Magazinre-volver für Fangschüsse und zum Feueran-zünden, keinerlei Strahlwaffen. Er standzwar mit seinem Gleiter in Fernsteuer-Ver-bindung, aber schon die Kommunikationzwischen Mottizzer war mehr zufällig alsgeplant. Die wenige Zeit, die er für Xerma-tock erübrigen konnte, war zu kostbar, alsdaß er sie durch die Anwendung technischerSpielereien verdorben hätte. Er trank denletzten Schluck aus der Weinpackung undschleuderte die leere Hülse mit einer kraft-vollen Bewegung über die Schulter.

Das Material erzeugte auf den Steineneinen klappernden Laut. Mantrarogginschloß die Tasche, sicherte kurz seine ge-samte Ausrüstung und setzte die dunkleBrille wieder auf. Er nahm die schwereBüchse, wand sich den Riemen ums Hand-gelenk, hakte die Fangschnur in die Öse amGürtel und begann den Abstieg von den Fel-sen.

Sein kurzer Marsch würde ihn direkt zurWasserstelle führen. Weit und breit gab eskeine Deckung. In seinem Blut stieg das Fie-ber. Der Puls begann zu hämmern, die lust-volle Unruhe breitete sich wie schleichendesGift in seinem unsterblichen Organismusaus.

Ein junger, braungebrannter Mann mit derGestalt eines schlanken Athleten, mit einerkühn vorspringenden Hakennase und gold-farbenen Habichtsaugen. Jede Bewegungwar gemessen und zweckmäßig. Kein primi-

tiver Schlächter, sondern ein begabter Jäger,der mit der ihn umgebenden Natur ver-schmolz. Ein Mann, für den der Begriff Mo-ral oder seine entsprechende Übersetzungnicht existierte. Unter anderem ein fähigerGenetiker, dem alle Anlagen seines einst-mals gewaltigen Volkes zur Verfügung stan-den.

Er näherte sich schnell, aber mit äußersterVorsicht der Wasserstelle. Ein seltsames Ge-fühl, das sich mit der Erregung der Jagd ver-mischte, breitete sich in ihm aus. Über ihmbegannen die Nachmittagsvögel zu kreisen.Es war das Gefühl kommenden Unheils. Dieblutroten Vögel waren keine Aasfresser – eswaren Raubvögel, die nur Großtiere rissen.

Mantraroggins Schatten war kurz. Aber erzeigte getreulich die Bewegungen des Jä-gers. Er schlich heran wie eines der mutier-ten Raubtiere.

*

Mit einem krachenden Donnerschlag ent-lud sich die doppelläufige Waffe. DasSprenggeschoß des rechten Laufes traf ge-nau den Rand zwischen Wasserloch unddem zertrampelten, feuchten Sand. EineSäule aus Wasser und Erdreich, dreißig Me-ter hoch und zehn Meter durchmessend,breitete sich unmittelbar nach dem schmet-ternden Krach aus, der als Echo rollend überdie Ebene fuhr.

Im selben Moment war die Hölle los.Hundert oder mehr Tiere in allen Größen

und allen Farben rasten nach allen Seitenauseinander. Sie flüchteten in die Felsen, ra-sten in wirren Zickzacksprüngen über dieWüste, hetzten zurück in das schützendefeuchte Halbdunkel des Regenwaldes. Krei-schend und muhend, keckernd und gellend,hustend und röhrend schrien die erschrocke-nen Tiere. Außer dem Blitz und dem Don-ner, der sie ebenso ängstigte, hatten ihreLauscher diese Geräusche und Effekte nochniemals bemerkt. Sie rannten davon und ver-schwanden. Binnen Sekunden war das Was-serloch und dessen Umgebung leer und ver-

Jagdplanet des Unsterblichen 5

Page 6: Jagdplanet des Unsterblichen

waist.Mit zwei Ausnahmen.Die Sicheln der schwarzen Schatten krei-

sten in berechenbaren Bahnen auf dem glei-ßendgelben Sand, mischten sich, verschmol-zen miteinander und drifteten wieder ausein-ander. Die Nachmittagsvögel beobachtetendas Geschehen.

Der riesige Stier stand da wie eine Skulp-tur, scheinbar ungerührt und regungslos.

Mantraroggin ließ ihn, hundert Schritteentfernt, nicht aus den Augen. Zwischen ihmund dem gewaltigen Tier lag das Wasser-loch; ein runder Tümpel, sehr flach, aber auseinem kleinen, dafür um so tieferen Lochgespeist. Durch das poröse Material unter-halb der Sandebene stieg das Wasser unterir-discher Flußläufe hoch und trat hier zutage.

Mantraroggin öffnete das Schloß, suchteanhand der Markierung nach einer bestimm-ten Patrone mit dem richtigen Geschoß undschob sie in den Lauf. Zwei scharfe,knackende Geräusche. Als ob der gespannteMechanismus und der Laut, mit dem die Fe-der einrastete, ein Signal gewesen wären,bewegte sich der Stier.

In den ersten Sekunden verhielt er sichgenauso, wie Mantraroggin es berechnet hat-te.

Das Tier schüttelte den klobigen Schädel,senkte das Gehörn und schleuderte damitSand nach allen Seiten. Dann warf sich derStier vorwärts und nahm den erkannten Geg-ner an; Mantraroggin war weit und breit daseinzige Lebewesen, abgesehen von den un-ablässig kreisenden Schatten.

Mit der Geschwindigkeit eines startendenProjektils rannte der Stier vorwärts. SeineHufe trommelten auf dem Boden und warfenlange Sandfahnen nach hinten. Wie eineMaschine raste das Tier in den Tümpel hin-ein, seine langen Läufe durchfurchten dasaufstäubende Wasser, aber in dem Augen-blick, als der Stier den Tümpel auf der Man-traroggin zugekehrten Seite wieder verließ,änderte das rasende Tier seine Taktik.

Es stemmte die Vorderbeine in den Sand,die hinteren Läufe wurden versetzt, und der

Koloß änderte seine Richtung.Er näherte sich in unberechenbarem Zick-

zack dem Jäger. Mantraroggin wurde unsi-cher, je näher der Koloß kam. Dann, keinezwanzig Schritte vor ihm, riß das Tier denKopf hoch, streckte den wuchtigen Hals undschrie auf.

Der Schrei, urwelthaft und Ausdruckhöchsten Zorns, warnte den Varganen. Erzog den Finger aus dem Abzug, packte dieWaffe am Schaft und blieb breitbeinig ste-hen. Todesahnung und Jagdfieber steigerteneinander zu einer Euphorie. Der Varganeblickte in die großen, halbkugeligen Augendes Tieres, sah drei Hornspitzen auf sichdeuten wie Dolche, sah die Speichelfädenam Maul des Stieres und die Läufe, die sichrasend schnell bewegten.

Als die drei Spitzen keinen Schritt vonseiner Brust entfernt waren, sprang er mit ei-nem gewaltigen Satz nach links, landete imSand und rollte sich ab. Dadurch gewann erweitere zwei Schritte. Als er wieder auf bei-den Beinen stand, hielt er die Waffe bereitsin der richtigen Position. Er hob sie undpreßte den Kolben gegen seine Schulter.

Er zielte zwischen Zielfernrohr und Laufhindurch.

Der Stier war vom Schwung seiner Bewe-gung dreißig Schritte weiter getragen wor-den. Der Gegner, den er niederwalzen undzerfetzen wollte, war plötzlich aus demBlickfeld verschwunden. Jetzt stemmte derStier alle vier Gliedmaßen in den Sand, rißden buschigen Schwanz in die Höhe undhielt auf einer Distanz an, die kürzer war alssein eigener Körper.

Er senkte den Kopf, schrie abermals undentdeckte dann den Gegner. Er warf sichherum. Seine feuchten Augen funkelten bös-artig auf. Als der Stier Mantraroggin dieBreitseite zeigte, krümmte sich der Fingerdes Varganen um den Abzug. Eine donnern-de Detonation, dann hob es den Büffel vonden Beinen, warf ihn einen Schritt zurück,aber das Tier stand noch immer.

Aus einer gewaltigen Wunde sickerte dasBlut. Die Schatten der Nachmittagsvögel be-

6 Hans Kneifel

Page 7: Jagdplanet des Unsterblichen

gannen schneller zu kreisen. Der TrophäenJäger wartete einige Herzschläge lang undzielte dann genauer.

Als sich das Tier mit gesenktem Kopf aufden Jäger warf, ihn mit brechenden Augenfixierend, feuerte Mantraroggin den zweitenLauf leer. Das Tier, genau in die Wirbelsäu-le unter den Bündeln der Nackenmuskulaturgetroffen, brach in vollem Lauf über dieVorderbeine zusammen und rutschte einigeSchritte durch den Sand. Dann atmete eskeuchend aus und war tot.

»Das war knapp!« murmelte Mantrarog-gin und fühlte die Erleichterung, die befrie-digende Schwäche nach dem Erfolg. Er ludaugenblicklich nach und zuckte zusammen,als dicht neben seinem Ohr ein heisererRaubvogelschrei ertönte. Er sah auf und er-kannte, daß sich die ersten Vögel auf dasverendete Tier stürzten. Sie fielen mit ange-winkelten Schwingen schräg aus dem fahlenHimmel, ihre Schnäbel zielten auf den totenSuperbüffel.

»He!« schrie Mantraroggin und schwangseine Waffe wie einen Knüppel. »Er gehörtmir! Ich bin noch nicht fertig.«

Er duckte sich, als zehn scharfe Krallenüber seinem Kopf durch die Luft zischten,dann holte er aus und zerschmetterte dennächsten landenden Nachmittagsvogel. DasTier verendete kreischend in einer Wolkeaus Federn. Der Vargane warf, auf den Büf-fel zurennend, fluchend das Gewehr über dieSchultern und zog das lange Messer und denRevolver. Immer wieder duckte er sich, umden Angriffen der Riesenvögel zu entgehen.Zwei stürzten sich auf ihren toten Artgenos-sen, andere schlugen Mantraroggin dieSchwingen um den Kopf. Er starrte kurz ge-gen die Sonne, zielte und feuerte viermalnacheinander.

Vier kleine, stechende Glutbälle erschie-nen und verbreiteten kugelförmige Zonenvon ungeheurer Hitze. Die Federn der Vögelbegannen zu brennen, es stank unerträglich.Aber es waren jetzt schon Hunderte, die ihreKreise zogen und sich auf den Kadaverstürzten. Der Mann war ihnen im Weg.

»Nicht mit mir, meine Freunde!«Ein böses Grinsen entblößte die Zähne

des Jägers. Jetzt wirkte er wie ein Raubtier.Er benutzte das Messer wie einen Degen.Die Glutbälle, dann die blitzschnell geführ-ten Angriffe und Ausfälle, wieder ein Schuß,und rund um ihn schlugen die schwerenKörper in den Sand ein. Er sprang zurück,schaltete die Vibratoranlage ein und begannin den kurzen Kampfpausen den Schädel desTieres abzusägen. Er wollte die Trophäe ha-ben.

Das rinnende Blut und dessen Geruchschien die Raserei der gierigen Vögel zuvervielfachen. Immer wieder vertrieb er eineRotte Vögel durch einen Schuß oder einenAngriff mit dem Messer. Während er, um-schwirrt von großen Flügeln, immer wiedervon einem Schnabel oder einer Kralle ge-streift, Fell, Muskeln und Knochen durch-trennte, zerfetzten die Vögel bereits dieGliedmaßen und das Hinterteil des Kada-vers. Die Tiere stritten sich um die Beuteund hackten aufeinander los.

Schließlich packte Mantraroggin denSchädel mit der linken Hand an einem Horn,schaltete das Messer aus und steckte es inden Stiefelschaft, behielt aber den Revolverin der Hand.

Er zerrte die blutende Trophäe hinter sichher.

Im selben Augenblick landete ein Vogelmit gespreizten Krallen in seinem Rücken.Der Hakenschnabel kam wie ein Schmiede-hammer herunter und riß die Kopfhaut vonder Schläfe bis zur Wange auf. Mantrarog-gin ließ sich fallen. Durch das sausende Ge-räusch hörte er hechelnde und schnalzendeLaute.

Mottizzer?

2.

Yarden, die Eisige Sphäre, ist nicht nurein Ort, sondern auch die Bezeichnung füreine bestimmte Geisteshaltung

BUCH DER UNSTERBLICHKEIT

Jagdplanet des Unsterblichen 7

Page 8: Jagdplanet des Unsterblichen

Er kam in einem rasenden Galopp daher.Die nach vorn greifenden Hinterläufe setz-ten genau unterhalb der Kiefer des gerade-aus gereckten Kopfes ein, schnellten zurückund schleuderten den großen Körper mit derhohen Kruppe nach vorn. Der gedrungene,aber langläufige Körper war von einemblauschwarzen Fell bedeckt, in dem goldeneund silberne Flecken glänzten. Die dreiecki-gen Ohren waren aufgestellt und nach vorngerichtet. Der lange Schwanz war wie zurBalance fast waagrecht ausgestellt. Das gan-ze Tier war in höchster Anspannung; einBündel aus Nerven, Muskeln und Zähnen,das die Gefahr witterte, die seinen Herrnumgab, seinen klugen, großen Partner.

Mottizzer sah die wild kreisenden Vögel,bemerkte die Dutzende wild um sich schla-gender Aasfresser um den Kadaver. Seineunvergleichlich feine Witterung registrierteeine Vielzahl verschiedener Gerüche, die al-le ihre unverkennbare Bedeutung hatten undzusammen mit den optischen Eindrücken einGesamtbild ergaben.

Dann roch er die Ausdünstung von Wut,Enttäuschung und Haß. Dieser Geruchstammte von seinem Herrn.

Das heranrasende Tier verlangsamte seineGeschwindigkeit, seine Augen suchten dasGelände vor ihm ab. Dann bemerkte er denKörper des Mannes, der auf dem Sand lagund sich rasend schnell bewegte.

Zwei der riesigen Raubvögel hatten sichauf Mantraroggin gestürzt.

Er hielt einen knapp unterhalb des Schna-bels gepackt und versuchte, mit hochgezoge-nen Gliedmaßen die reißenden Stöße derKlauen abzuwehren.

Mit der anderen Hand kämpfte er gegenden anderen Vogel, der jedesmal dann in dieHöhe sprang und wieder zustieß, wenn Man-traroggin nach ihm griff oder schlug. Derhalbintelligente Jagdhund sah nur die Fin-ger, keine Verlängerung, also hatte seinPartner die Waffen verloren.

Während alle dieser Eindrücke in ihn ein-strömten, riß Mottizzer den Rachen auf und

stieß einen halb bellenden, halb röhrendenLaut aus.

Drei gewaltige Sätze, die den Sand hochauf stauben ließen, brachten ihn in die Nähedes Vogels, dessen Schnabel eben wiederwütend nach dem Arm des Varganen hackte.

Mottizzer nahm das Ziel an und sprangvorwärts. Gleichzeitig drehte er Kopf undKörper. Als der Vogel und der Hund in derLuft zusammenstießen, warf der Schwungdes Vierbeiners den Vogel um. Der Aasfres-ser schlug wütend mit den Flügeln, aber diebeiden Tiere flogen als ein Knäuel von Fell,Federn und Gliedmaßen wild um sich schla-gend über den Körper des Jägers hinweg zuBoden. Mottizzer spürte zwischen seinenZähnen Gefieder, Haut und Knochen. Er bißzu, seine starken Kiefer schlossen sich, unddie Gegenwehr des Vogels hörte abrupt auf.Augenblicklich ließ der Hund den toten Vo-gel fallen, drehte sich auf der Stelle undstürzte sich auf das zweite Tier. Er biß in diesplitternden Knochen einer Schwinge, ließlos, prallte zurück und rammte das Tier imSprung mit der breiten Schulter.

Aufkreischend wirbelte der Vogel überden Sand. Ein zweiter schneller Biß in denHals, und auch dieser Vogel war tot.

In der nächsten Sekunde hatte sich Mot-tizzer in ein knurrendes, kläffendes Bündelverwandelt, das sich in Sprüngen immerwieder um den gestürzten Mann herum be-wegte. Die Vögel, die heranschwebten, dieanderen, die über den Boden hüpften und andem Kopf des Bullenkadavers herumzerrten– sie sahen sich einem neuen Gegner gegen-über.

Kreisförmig um Mantraroggin herumbreitete sich ein Ring aus einzelnen, schnel-len Kämpfen aus. Vögel schrien, die Federnflogen, der Sand stäubte hoch.

Du warst rechtzeitig zur Stelle, Mottizzer!gab Mantraroggin zu verstehen, indem er ei-ne Serie schnalzender, gutturaler Laute aus-stieß. Er stand auf, fand seine Waffe undsuchte die Sonnenbrille.

Du warst nicht am Treffpunkt, gab derHund sinngemäß zurück. Er schüttelte sich;

8 Hans Kneifel

Page 9: Jagdplanet des Unsterblichen

er war ausschließlich auf Angriff, Jagd undVerteidigung abgerichtet, und er fühlte sichals halbdomestiziertes Raubtier entspre-chend wohl. Aber auch sein Körper trug dieSpuren des Kampfes.

Wir holen den Flugapparat! schnalzteund bellte Mantraroggin.

Der Hund begriff es nicht, aber irgendwiespürte er es, als die Schüsse über ihn hin-wegfauchten. Mantraroggin suchte den Ner-venkitzel, und auf seinen Jagden setzte erimmer wieder sein Leben aufs Spiel. Er blu-tete aus gut zwanzig Wunden, leichteren undschweren.

Die Nachmittagsvögel, die sich an dieTrophäe gewagt hatten, starben unter denSchüssen und den Bissen des riesigen Hun-des. Aber immer mehr Tiere fielen rund umden Kadaver zu Boden und kämpften mitdenen, die schon dort hackten, mit Fleisch-fetzen in den triefenden Schnäbeln davon-sprangen oder langes Gedärm hinter sichherzogen. Mantraroggin zog aus dem Gürteleine kleine Fernsteuerung und betätigte eini-ge Schalter.

Der Flugapparat kommt, Partner! sagteer in ihrer merkwürdigen, aber umfassendenVerständigungsart.

Die Vögel, Viele, war die Antwort.Mantraroggin wischte sich Blut und Staub

aus dem Gesicht, rannte auf die Trophäe zuund packte eines der Hörner. Er warf sichnach vorn und schleppte das schwere Stückdavon. Der Hund sicherte zwischen ihm undden Vögeln, die wütend vom Kadaver wegs-prangen und in ihrer Gier versuchten, demZweibeiner die Beute wegzureißen.

Mottizzer war eines der genetischen Ex-perimente des Varganen. Aber aus dieserZucht mit allen ihren phantastischen Muta-tionen hatte nur dieses Tier überlebt. Es warvon Mantraroggin gepflegt und ausgebildetworden, als er erkannte, wie intelligent derHund war. Damals hatten sie es auch aufvielen Jagden und im Center des Varganenmit ihrer Verständigung geschafft. Bedeu-tungen von Lauten waren erkannt worden,und sie hatten einen ziemlich großen Wort-

schatz, der in sich variabel war und eine gu-te Verständigung ermöglichte. Das Tierdankte es dem Varganen durch einen beson-deren Mut, durch seine Wildheit, die es ganzin den Dienst der Jagdpartnerschaft stellte.Mottizzer würde sich für Mantrarogginbuchstäblich in Fetzen reißen lassen. Sieflüchteten gemeinsam in die Richtung aufden Rand des Waldes, aber Mottizzer deckteden Rücken seines Herrn.

Dann raste der Gleiter in mittlerer Höheheran. Die Maschine suchte das Dauersignaldes Varganen, identifizierte ihn und kamtiefer herunter, gleichzeitig reduzierte sie ih-re Geschwindigkeit. Schließlich, im Schutzder ersten Büsche, landete das tropfenförmi-ge Gerät mit der umgitterten Ladeflächedicht neben den Jägern.

Mantraroggin blieb keuchend stehen, rißden Verschlag auf und stemmte die schwereTrophäe auf die Ladefläche. Krachendschloß sich der Verschlag. Dann glitten dieTüren auf, und der Vargane aktivierte dieSteuerung.

Mit einem Satz sprang Mottizzer auf denBeifahrersitz und rollte sich zusammen.Noch ehe die Türen wieder zufuhren undsich der Gleiter erhob, begann das Tier seineWunden zu lecken.

Der Gleiter drehte sich, stieg schräg inden Nachmittagshimmel, raste durch einenSchwarm panisch flüchtender Nachmittags-vögel und nahm Kurs auf das kleine Schiff.

*

Mantraroggin benutzte die Gleiterschleu-se wie eine Terrasse.

Sie befand sich dreißig oder mehr Meterüber dem Boden, die Aussicht war hervorra-gend. Das gesamte Delta lag zu seinen Fü-ßen. Er selbst saß in einem bequemen Sesselund trug nichts anderes als einen weißenMantel aus flauschigem Material, dasgleichzeitig hauternährend präpariert war.Auf seiner Stirn leuchtete der feine Film, deralle seine Verletzungen verschloß.

Aus verborgenen Lautsprechern kam Mu-

Jagdplanet des Unsterblichen 9

Page 10: Jagdplanet des Unsterblichen

sik, die wilden Takte einer varganischenJagdsymphonie. Mottizzer lag ausgestrecktim Sonnenlicht und fraß einige Reste desSchädels. Das schwere Stück lag bereits imTank des chemischen Präparators.

Du fühlst dich gut? schnalzte und brumm-te der Vargane.

Der Hund hob den Kopf, stieß einen weit-hin jaulenden Laut aus und scheuchte dieSingvögel der nahen Bäume auf.

Fühle mich gut! schnalzte das Tier zu-rück. Immer nach Jagd.

Sie erholten sich und bereiteten sich aufden nächsten Tag vor. Der Vargane warnoch unentschieden, ob er sich ein besonde-res Exemplar aus einer Art Neosaurierherdeheraussuchen oder mit dem Gleitboot imFlußdelta nach Panzerechsen jagen sollte.Nun, das hatte Zeit, er würde sich morgenentscheiden. Als Mantraroggin das Glas mitdem gekühlten Alkohol hob, hörte er eindumpf dröhnendes Geräusch.

Was ist das? fragte er in der eigentümli-chen Sprache. Auch der Jagdhund hob sei-nen Schädel, zeigte die Zähne und knurrtewütend.

Nicht weiß. Draußen!Das Dröhnen nahm innerhalb weniger Se-

kunden zu, es verwandelte sich in langwelli-ge Schwingungen und erschütterte die Luftwie eine Kette von Donnerschlägen. Dann,als Mantraroggin verblüfft aufsprang, er-schien in genau dem rechteckigen Aus-schnitt, den die Schleusenbegrenzung bilde-te, ein Raumschiff.

Auf den ersten Blick erkannte Mantrarog-gin, daß es sich um ein varganisches Schiffhandelte, um eines der typischen Doppelpy-ramidenschiffe. Einige Sekunden lang hinges dicht über dem Boden regungslos in derAbendluft, dann fiel es senkrecht nach un-ten.

Es landete auf einer langgestrecktenSumpfinsel aus festgebackenem Sand,Schwemmgut und Gewächsen, die daraufFuß gefaßt hatten. Ein Teil des Schiffes fielins träge fließende Wasser und überschüttetedie Umgebung mit einem funkelnden Regen

aus Wassertropfen.Büsche und Bäume wurden unter der

Wucht des fallenden Körpers zerbrochenund in Splitter verwandelt. Sämtliche Lebe-wesen im Umkreis der Einschlagstelle flüch-teten.

»Ein varganisches Schiff, ohne jedenZweifel«, sagte der Unsterbliche laut und zusich selbst. »Aber die Art, wie es hier er-schienen ist, verwundert mich zutiefst!«

Stille breitete sich nur langsam wieder indiesem Teil des Deltas aus. Das varganischeSchiff, das eindeutig abgestürzt war, lag kei-ne fünftausend Schritte von dem eigenenSchiff entfernt. Aber jetzt, da es sich in denUntergrund gebohrt hatte, sah er nur nocheinen kleinen Teil einer Spitze hinter demdunklen Grün hervorschimmern.

Mottizzer!Er lehnte sich an die Kante der Schleuse,

nahm das schwere Fernglas an die Augenund starrte hinüber zu dem abgestürztenSchiff. Er verstand nichts; zahlreiche Theo-rien schossen durch seine Überlegungen.Wie und warum war dieses Schiff hierhergekommen, und warum hatte der Pilot keineLandung mehr durchführen können? SeinInteresse an diesem Schiff brauchte nichtmehr geweckt zu werden, er deutete in dieRichtung und schnalzte aufgeregt:

Erkunde, was dort vorgefallen ist! Wenndie Aufgabe zu schwer ist, kehr um undkomm zurück.

Ich gehe!Das Tier heulte bestätigend auf und trotte-

te aus dem Schleusenraum. Es fand den Wegdurch das Schiff von selbst. Der Schalter fürdie Schleuse war doppelt ausgelegt; dentiefer angebrachten drückte Motizzer mit derSchnauze und verließ das Raumschiff. Bin-nen weniger Minuten war das Tier zwischenden Pflanzen verschwunden und kämpftesich durch den Halbsumpf.

Mantraroggin beschloß, noch heute nach-zusehen. Ein Blick auf die Uhr zeigte, daßihm noch neunzig Minuten Sonnenlicht unddie Zeit einer kurzen Äquatordämmerungblieben. Sofort begann er den Maschinen

10 Hans Kneifel

Page 11: Jagdplanet des Unsterblichen

Befehle zu erteilen. Kurze Zeit später ver-ließ der schwerere der beiden Gleiter dasSchiff, beladen mit Waffen und einer Aus-wahl der Reparaturausrüstung des Schiffes.Mantraroggin saß am Steuer und glaubte zuwissen, daß eine Art Geheimnis diesesSchiff umgab.

In geringer Höhe schwebte der Gleiterüber die Landschaft aus Wasser, Inseln undBaumgruppen, aus trügerischem Sumpf undfestem, teilweise felsigem Untergrund. Jetzttauchte das fremde Schiff auf. Vorsichtigsteuerte der Vargane die Maschine nachrechts und ging in einen großen Kreis. Untersich sah der unsterbliche Jäger die Spurenseines Tieres, das von der Jagd ebenso be-sessen war wie er selbst.

Nichts bewegte sich auf dieser Seite desSchiffes.

Der Gleiter huschte fast geräuschlos wei-ter und näherte sich dem Doppelpyramiden-schiff von der Seite, an der es noch Sonnen-licht gab.

Mantraroggin pfiff scharf durch die Zäh-ne.

»Hier also ist die Schleuse – natürlich ge-schlossen!« murmelte er und schwebte nachmehreren kurzen Testanflügen näher heran.Der Gleiter blieb über der Schleuse in derLuft stehen. Von schräg unten, zwischen dendichten Büschen mit ihren faulig riechendenBlüten, kam ein langgezogenes Heulen. Miteinem Energiehaftstrahl verankerte der Var-gane den Gleiter, klappte die Leiter aus undschnalzte dann seinem Partner einen Befehlzu.

Kommen, wenn du kannst!Der riesige Hund versuchte, die schräge

Fläche zu erklettern. Er sprang in die Höhe,schnappte nach einem federnden Ast undwar schließlich oben. Vorsichtig, mit steifenLäufen, kam er näher. Inzwischen hatte sichsein Herr bereits der Schleuse genähert undblieb stehen, sich schräg nach vorn stem-mend, um nicht abzurutschen.

»Die Schleuse ist natürlich geschlossen!«brummte er ärgerlich. Er fand keinerleiMöglichkeit, sie von außen zu öffnen. Aber

er sah die Angeln und die verstärkten Flä-chen für Schloß und Bewegungsmechanis-mus. Er bückte sich, legte das Ohr an dieFläche und blieb eine Weile lauschend indieser Stellung.

»Nichts!«Keine Spur gefunden. Niemand gesehen!

schnalzte Mottizzer zurück, seine Ohrenspielten in alle Richtungen.

»Es ist niemand ausgestiegen. Vermutlichist dies ein Totenschiff.«

Er mußte nachsehen. Er kletterte zurückin den Gleiter, holte einige Teile der Ausrü-stung und begann dann in großer Eile, dasMetall rund um das Schloß aufzuschweißenund atomar aufzulösen.

Er brauchte etwa dreißig Minuten, dannsetzte er ein halbautomatischen Hebelwerk-zeug an und kippte die schwere Stahlplattehoch. Kaum war sie einen Spalt breit offen,zog er seinen Revolver und stellte die Mün-dung auf mittlere Streuung ein, auf Nah-kampf.

Ich spüre nichts und niemanden. Doch,jetzt! Menschen und Tiere.

Mantraroggin ließ sich in die großeSchleusenkammer hinab und tastete nach ei-nem Schalter. Als sich Mottizzer mit einemwilden Satz nach unten stürzte und auf allenvieren landete, flammte das Licht auf.

Mit einem schnellen Blick orientierte sichder Jäger. Die Anlagen waren nicht neu,aber hervorragend gewartet.

Bleib neben mir, schnalzte er.Ich beschütze dich, Herr!Langsam und vorsichtig tastete sich der

Vargane, dem die Korridore und die Tech-nik dieses Schiffes geläufig waren wie dieseines eigenen, in die Richtung auf die Steu-erräume und die Kabinen. Jetzt roch auch eres: eindeutig tierische Ausdünstungen. Keineinziges Geräusch war zu hören, nicht ein-mal Atemzüge. Im Zickzack ging es vor-wärts, analog zur Oberfläche des Planeten.Und schließlich befand sich der Vargane inder Steuerkabine des Schiffes.

Er hob die Waffe, aber die Gestalten inden Sesseln rührten sich nicht.

Jagdplanet des Unsterblichen 11

Page 12: Jagdplanet des Unsterblichen

Neben Mantraroggins Knien stand mit ge-sträubtem Fell der Hund. Aus seiner Kehlekam ein fauchendes Röcheln, als er die Tieresah, die in den typischen Stellungen desSchlafs oder der Bewußtlosigkeit auf demBoden der schräghängenden Zentrale lagen.

»Fünf Personen. Ich muß sehen, was …«,begann der Unsterbliche und blieb vor je-dem Sessel stehen. Er entdeckte zuerst zweiVarganinnen, die er noch nie zuvor gesehenhatte. Beide waren ausnehmend schön.

»Sie kommen mit einem varganischenSchiff hierher in die Welt der Eisigen Sphä-re. Ich kenne sie nicht. Also sind es Rebel-linnen, die sich im Makrokosmos aufgehal-ten haben!« stellte er laut fest und richtetedie Waffe auf die Stirn der einen goldhäuti-gen Frau.

Ganz in Gedanken schnalzte er:Das kann nur bedeuten, daß der Henker

Magantilliken vergessen hat, sie zu töten.Oder sie nicht hat töten können. Ich erinneremich, daß er einen solchen Auftrag bekam.

Der Hund gab zurück:Ich nicht verstehen.»Das ist auch eine Überlegung, die dich

nicht berührt. Aber ich sehe schon jetzt einesehr interessante Abart unserer Jagd, meinPartner! Ich weiß, was ich tun werde.«

Neben den zwei Varganinnen lagen dreiihm unbekannte Wesen. Auch sie kamendemnach aus dem Makrokosmos. Etwas hat-te dieses Schiff verkleinert und hierher ge-schickt. Ausgezeichnet! Eine merkwürdigeKreatur, die ihn an Glas erinnerte, und zweiMänner von nicht varganischer Abstam-mung. Selbst damals, als er selbst im Ma-krokosmos gewesen war, hatte er solcheWesen nicht kennengelernt. Sein Plan standfest, und er führte ihn sofort aus.

Schleppe diese Kreaturen aus der Schleu-se und wirf sie in den Sumpf! sagte er zuMottizzer und zeigte auf die verschiedenenunzweifelhaft tierischen Wesen, die starr inder Kabine lagen.

Ich gehorche!Er selbst warf sich die erste Varganin

über die Schultern, schleppte sie aus dem

Schiff und ließ sie achtlos neben die Ausrü-stung auf die Fläche des Gleiters fallen. Alsdie Sonne den Horizont berührte, startete derGleiter zu einer merkwürdigen Fahrt. Erhielt an fünf verschiedenen Plätzen der wei-ten Umgebung. An jedem Platz kippte Man-traroggin einen seiner Findlinge zu Boden.Drei in verschiedene Teile des Dschungels,einen in die Sandebene und den merkwür-digsten an einen gefährlich aussehendenPlatz im Dschungel.

Er rechnete damit, daß die Bewußtlosig-keit durch den Transportschock am nächstenMorgen aufgehört haben würde.

In dieser Nacht schlief er tief und traum-los. Als er erwachte, rüstete er sich zu derJagd auf fünf wirklich intelligente Lebewe-sen. Er freute sich darauf. Es würde eineechte Abwechslung sein! Denn die Ausge-setzten hatten jeweils eine Energiewaffe. Ergab ihnen eine gute Chance …

3.

Wer einen ebenbürtigen Gegner überlebt,wird bald entdecken müssen, daß ihm etwasfehlt: Können und Wissen kommen von stän-diger Auseinandersetzung

BUCH DER WAFFEN UND DER JAGD

Der rasende Angriffsschrei warf sie ausder Dämmerung ihres Erwachens.

Sie riß die Augen auf – und gerade sahsie, wie ein gewaltiger blauer Körper ihr ge-samtes Gesichtsfeld ausfüllte. Einen halbenHerzschlag später landeten einige ZentnerRaubtier auf ihr, brachen einige Knochenund rissen lange Wunden in die Haut derBeine und der Brust.

Haitaschar konnte gerade noch den Armhochreißen und das Gesicht schützen. Einkurzer, harter Hieb mit einer Pranke schmet-terte den Arm zur Seite und brach ihn.

Haitaschar versuchte, sich unter demschweren Körper des Raubtiers hervorzu-schieben, aber die Masse drückte sie schwerin den Waldboden. Sie sah vor sich den

12 Hans Kneifel

Page 13: Jagdplanet des Unsterblichen

Schädel der Bestie immer größer werden,und die Varganin verlor das Bewußtsein.

Im gleichen Augenblick biß das Tier zu.Die Zähne bohrten sich in den glatten

Hals der Varganin. Eine halbe Drehung desRaubtierkopfes riß den Körper halb hochund brach die Wirbelsäule im Bereich derHalswirbel. Haitaschar starb, ohne es zumerken.

Das blaufellige Raubtier stand auf, schüt-telte sich und fetzte dann mit einigen Pran-kenhieben die Kleidung vom Körper derjungen Frau. Dann begann das Tier zu fres-sen. Andere fleischfressende Tiere kamenunter den Büschen hervor und wagten sichscheu einige Schritte näher.

Das riesige Tier richtete sich drohend auf,einen Fleischfetzen zwischen den blutigenZähnen. Dann heulte es donnernd auf. Einpaar der Tiere flüchteten mit großen Sprün-gen zurück in die Deckung. Aber aus einemSystem ovaler Löcher im Boden kamengroße, schwarze Insekten. Sie bildeten schonnach einigen Handbreit Marsch eine Schlan-ge und näherten sich zielbewußt der Leiche.Sie kletterten über den unbenutzten Strahler,der über einer Wurzel lag und erreichtennach einer für ihre Größe und Geschwindig-keit erstaunlich kurzen Zeit den Leichnam.Das große Tier fraß und schlang immerlangsamer – es wurde satt.

Offensichtlich hatte niemand gesehen,was hier geschehen war. Niemand hatte denVersuch gemacht, der Varganin Haitascharzu helfen.

*

Die ersten goldenen Strahlen der Sonneberührten die Spitze des Schiffes, als dieAutomatik den Jäger weckte. Er duschteheiß und kalt, ließ sich ein mildes, stimulie-rendes Mittel injizieren, das Schmerzen undMüdigkeit in Langzeitwirkung unterdrückte,ließ sich massieren und die Haut mit eineminfektionshemmenden und insektenabsto-ßenden Mittel einsprühen, dann zog er sichlangsam und methodisch an. Schon viele Jä-

ger waren nicht durch Unvorsichtigkeit um-gekommen, sondern durch ihre mangelhafteAusrüstung.

»Mir wird das nicht passieren!« sagte ergutgelaunt, schloß den Magnetknopf seinesHemdes, ergriff seine Waffen und ging hin-auf in die zweite Schleuse. Auch sie war alskünstliche Terrasse hergerichtet worden. EinUltraschallvorhang hielt die Insekten ab, undein Tisch war von den Maschinen gedecktworden. Mantraroggin hatte darauf verzich-tet, Spionsonden einzusetzen – er wollte dieMenschenjagd allein und in klassischer Ma-nier halten.

Wie geht es dir an diesem Morgen?schnalzte und klickte er zu seinem Hundhinunter. Mottizzer hob den Kopf, knurrtebegeistert und erwiderte:

Gut. Große Freude auf Jagd.Ich auch.Der Hund fraß aus einer flachen Schüssel

Teile von geschossenen Beutetieren und sei-ne spezielle Aufbaunahrung, von den Labo-ratorien Yardens zusammengestellt. Auchfür ihn war von den Maschinen der Sanitär-zelle gesorgt worden, denn Mantrarogginhatte einen Satz Apparate auf dieses Tierprogrammieren lassen. Der Hund genoß es,zu duschen und massiert zu werden. DieVerletzungen durch die Nachmittagsvögelwaren fast verheilt.

Wir gehen! Platz eins ist unser erstesZiel! bestimmte der Jäger und trank den er-sten Schluck aus einem Glas voller Alkohol.

Bin bereit! schnalzte Mottizzer undsprang auf die Füße.

Der Jäger kontrollierte Messer und Revol-ver, Patronenvorrat und Waffe, den Sitz desGürtels, die Verpflegung, das Nothilfepaket,die Fernsteuerung und alle übrigen Ausrü-stungsgegenstände. Dann sicherte er die Ein-gänge des Schiffes, machte einen Kontroll-gang und schleuste schließlich den Gleiteraus. Mottizzer raste in einer immer weiterwerdenden Spirale um das Schiff herum,und als er zurückkam, hechelte er undeutlichschnalzend:

Keine Gefahren, Partner!

Jagdplanet des Unsterblichen 13

Page 14: Jagdplanet des Unsterblichen

Mantraroggin beugte sich weit aus demGleiter, blickte nach oben und sah, wie sichdie nach Osten gerichtete Schleuse desSchiffes schloß. Er schob die Tür auf undließ den Hund hineinspringen.

Hatte auch keine Gefahren erwartet!schnalzte er zurück.

Brummend erhob sich der Gleiter wieder,kletterte einige Meter, dann schwebten derJäger und sein vierbeiniger Partner auf denHügel zu, der annähernd im Schnittpunkt al-ler fünf Plätze lag, an denen gestern abenddie Fremden ausgesetzt worden waren.

Von dort aus bahnten sich Mottizzer undMantraroggin einen Weg auf die Stelle imDschungel zu, an der eine Varganin mit ei-nem Strahler ausgerüstet auf sie wartete.

*

Unaufhörlich zischte das Haumesser mitder gekrümmten Klinge nieder. Die äußersteSchicht war nicht zu sehen, sie vibrierte inhohen Schwingungen und trennten die Lia-nen auseinander, kappte die Zweige, schnittdas Laubwerk auseinander wie eine Hoch-energiewaffe. Schritt um Schritt kämpftensich der Hund und der unsterbliche varg-nische Jäger durch den Dschungel des Pla-neten Xermatock.

Die Sonne hämmerte auf die Blätter undLaubschichten der höchsten Wipfel und er-zeugte darunter ein mörderisches Klima ausHitze, Gestank und Wasserdampf. DerSchweiß zeichnete das Fell des Hundes undrann über Gesicht und Schultern des Jägers.Vor ihnen wurde es jetzt heller.

Eine Lichtung, schnalzte Mottizzer un-deutlich.

Büsche federten rauschend zurück, alsMantraroggin weiter vordrang. Er war si-cher, daß die goldhäutige Varganin sich ir-gendwo hier aufhalten würde.

Mottizzer!Der Hund drängte sich zwischen lang-

gliedrigen Pflanzen, Hochwurzeln und Blät-tern hindurch und blieb zwischen Mantra-roggin und dem Rand der noch unsichtbaren

Lichtung stehen. Auf der gegenüberliegen-den Seite der baumlosen Fläche gab es eini-ge breite Flächen, auf denen es irgendwanngebrannt hatte. Dort, zwischen den Bäumen,hatten sie gestern dieses Mädchen ausge-setzt.

Hier! Sprich! gab der Hund zurück. DieTöne verschmolzen mit den dauernden Ge-räuschen des Urwaldes.

Sichere meinen Weg. Ich gehe dort ent-lang!

Mit der geschwungenen langen Klingedes Haumessers deutete der Vargane nachrechts. Der Hund nickte; er hatte voll begrif-fen. Sein Herr und Partner wollte sich dembewußten Punkt in einem Halbkreis nähernund damit sicherstellen, daß er immer imSchutz der Deckung lief.

Ich spüre keine menschlichen Gerüche!berichtete das Tier, dann warf es sich herumund verschwand wieder zwischen den feuch-ten, stinkenden Pflanzen. Mantraroggin hol-te mit dem rechten Arm über die linkeSchulter aus, schlug waagrecht zu. Ein ge-waltiger Vorhang aus Lianen, Schlingpflan-zen, Blättern und Blüten sank rauschend zuBoden. Handgroße Insekten und winzige,goldfarbene Vögel schwirrten davon. Man-traroggin sah vor sich ein Stück Urwald, dasvon Unterholz frei war.

»Wenn sie noch lebt, wird sie sich be-merkbar machen«, knurrte er und wußte, daßihn wieder das Jagdfieber gepackt hatte.Dieser Tag war die Krönung seines Aufent-halts, die Jagd der Jagden. Das Wild warnicht länger Opfer, sondern Gegner. Er wür-de sich gegen eine fünffache Gegnerschaftbehaupten müssen. Wenn er als Sieger ausdieser Jagd hervorging, war er tatsächlich sogut, wie er sich selbst einschätzte. Er grinstekalt und schob die Machete in die biegsameScheide zurück. Die Waffe flog von seinerSchulter und landete, als sei sie ein Lebewe-sen, wie von selbst in seinen Fingern, dievon dünnen Kühlhandschuhen geschützt wa-ren.

Der Hund hatte sich geräuschlos entfernt.Auch Mantraroggin bemühte sich, jetzt

14 Hans Kneifel

Page 15: Jagdplanet des Unsterblichen

keine Geräusche mehr zu machen. Er lieflangsam über den federnden Waldboden.Die Unterlage aus faulenden Blättern undweißen, fadenziehenden Pilzen war naß undweich. Ein scharfes Klicken war das Zei-chen, daß die Waffe entsichert war.

Schnell und sicher, immer wieder Hinder-nissen ausweichend, schlich Mantrarogginentlang der Lichtung auf das Ziel zu. Seinescharfen Augen musterten das Gelände, dasvor ihm lag. Inmitten der grünen Flächen,unterbrochen von den hellen Punkten derBlüten und den braunen Linien von Rankenund Stämmen, würde ihm jede Bewegungsofort auffallen, ob sie nun von einem klei-nen Tier oder der Varganin kam.

Mantraroggin befand sich jetzt, in dieserSekunde, etwa hundert Sprünge weit von derStelle entfernt, die er ansteuerte.

Schräg vor ihm ertönten schnell hinterein-ander drei verschiedene Geräusche. Wie an-gewurzelt blieb der Jäger stehen und hobseine Waffe.

Ein angsterfülltes Bellen des großen Hun-des. Dann der harte, röhrende Schrei einesgroßen Raubtiers; der Vargane kannte diesesblaufellige Tier seit langem. Und dann dieschnellen Geräusche krachender und split-ternder Holzteile.

»Verdammt!« zischte er, dann spannte erdie Muskeln und begann zu rennen. Er zogden Kopf zwischen die Schultern, bücktesich nach vorn und rammte rücksichtslos dieZweige und die Hängepflanzen, die sich ihmin den Weg stellten.

Wieder schrie das Raubtier auf. Der er-fahrene Jäger erkannte, daß dieses Tier vonMottizzer gestört worden war.

Ranken und Dornen rissen an seiner Klei-dung. Eine Nuß fiel aus einer Baumkroneund krachte dröhnend auf seinen Hinterkopf.Der Vargane fluchte lautlos und spurteteweiter. Er rutschte auf einem großen, fahl-gelben Pilz aus, den er zertrat, versuchtesich abzufangen und schaffte es noch, dieWaffe über den Kopf zu heben, ehe er in ei-ne schlammige Pfütze schlug. Der schwarze,stinkende Brei spritzte nach allen Seiten.

Von oben, vom Ende einer abgerissenenLiane, tropfte eiskaltes Wasser genau zwi-schen die Schulterblätter Mantraroggins.

Erst als er sich aufgerafft und denSchlamm aus den Augen gewischt hatte,vermochte der Jäger zu grinsen. Das war dieJagd! So wollte er es! Echt und voller Ge-fahren!

Er rannte weiter und erfaßte, daß derHund und das Raubtier miteinander kämpf-ten. Die Geräusche und die Schreie der Wutwurden immer deutlicher und lauter. Man-traroggin sprang zwischen zwei Büschenhervor und befand sich unmittelbar an derStelle, an der er gestern den Gleiter angehal-ten hatte. In derselben Sekunde flog Mottiz-zer, sich in der Luft drehend, in einenBusch. Der varganische Hund heulte wütendauf, aber das Raubtier verfolgte ihn nicht.

Es stand wütend da, schüttelte den Schä-del und senkte die Pranke, deren Hieb daskleinere Tier durch die Luft geschleuderthatte.

Der Vargane drehte den Kopf und sah,daß er neben einem Baum stand. Mit zweiSchritten zur Seite sprang er in den Schutzdes Stammes. In dem Busch bewegte sichder Hund und kam wieder auf die Beine.Das Tier schaukelte jetzt von einem Vorder-fuß auf den anderen. Zwischen den blut-geröteten Pranken lag etwas, das der Varga-ne noch nicht erkennen konnte. Auf alle Fäl-le waren es blutiges Fleisch und Knochen,bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt und zerris-sen. Auch das Maul des Tieres war blutig.

Nicht angreifen, Motizzer! schnalzte Man-traroggin schnell und laut.

Ich will töten! gab der Hund zurück undknurrte. Sein Fell war schmutzig und blu-tend, aber gesträubt wie die Schale einerKlette.

Nein!Einige Sekunden lang geschah nichts, das

die Situation hätte ändern können. Der Hundstand zitternd vor Wut und mit gespanntenMuskeln da. Der Vargane senkte die Waffeund zielte auf den Schädel des Tieres. DerLauf und die Zielvorrichtung folgten den

Jagdplanet des Unsterblichen 15

Page 16: Jagdplanet des Unsterblichen

Bewegungen der Bestie, die jetzt fauchteund ihre Beute verteidigte. Die stechendenAugen schnellten vom Hund zum Jäger undwieder zurück.

Nur zwölf Meter trennten die Mündungder Büchse und den Kopf des Tieres. Jetztzog sich das Tier etwas zurück, seine Mus-keln spannten sich, das Tier kauerte sich zuBoden. Am langen Lauf vorbei erkannteMantraroggin Kleidungsfetzen, einen zerbis-senen Stiefel und die Waffe.

Wieder zielte er genau; er wußte, daß dasRaubtier ihn anspringen würde. Seine Händewaren völlig ruhig, und wenn seine Handflä-chen feucht waren, dann kühlten sie dieHandschuhe. In dem Augenblick, als sichdie Raubkatze nach vorn schnellte, krachteder Schuß. Die Wucht des Expreßgeschosseswarf das Raubtier in die Höhe und hielt denSprung mitten in der Luft an. Der Schädelwurde förmlich auseinandergerissen.

Der Jäger sprang automatisch in denSchutz des Baumstamms. Das Raubtierkrümmte sich zusammen, schlug mit denPranken, streckte sich und war tot.

Ein harter Schlag hatte die Hülse ausge-worfen, Mantraroggin lud sofort nach. Dannging er, den Revolver ziehend und auf denRücken der Bestie zielend, näher heran undauf das unkenntliche, zerrissene Bündel zu.

Es ist die Varganin, schnalzte er zu Mot-tizzer hinüber, der sich entspannte und her-antrabte.

Jagd zu Ende für sie, äußerte sich derHund.

»So ist es!«Mantraroggin bückte sich. Er würde ver-

zichten, die Trophäe zu nehmen. Er sah aufseine Uhr. Zwei Stunden waren seit Sonnen-aufgang vergangen, für die anderen vierJagdgegner würde noch genügend Zeit blei-ben. Er hob den unbenutzten Strahler hochund erstarrte mitten in der Bewegung. Ne-ben seinem rechten Stiefel schlängelten sichzwei lange Züge von Insekten von einemunsichtbaren Punkt zwischen den Pilzen unddem Leichnam hin und her. Die Insekten deslinken Zuges waren ohne Last, die andere

Karawane bestand aus Kerbtieren, die ver-gleichsweise gewaltige Lasten an Fleisch-brocken schleppten.

Vorbei!Als die ersten Kerbtiere an seinen Stiefeln

hochzuklettern begannen, sprang Mantrarog-gin zur Seite und steckte den Strahler in denGürtel. Er sicherte die Büchse und schnalz-te:

Zurück zum Gleiter, Mottizzer. Wir ma-chen weiter mit der Jagd.

Der Hund heulte begeistert auf.Verstanden!Sie sahen sich an. Obwohl der gedankli-

che Ansatz dieser Jagd einem pervertiertenVerstand entsprungen war, versagte sichMantraroggin jeden Triumph. Er war an die-sem Debakel nicht direkt beteiligt. In gewis-ser Weise bedauerte er, daß das Raubtier dieschöne Varganin getötet hatte. Aber erwinkte seinem Partner und schulterte dieBüchse.

»Zum zweiten Platz im Dschungel. DieEbene und das Delta kommen zuletzt!«

Er wollte als letzten Teil der Jagd dasDelta absuchen. Vielleicht starb er dabei,weil eines der verbliebenen vier Opfer sichmit Erfolg wehrte. Aber er spürte in seinenAdern die wilde Freude der Todesgefahr, dieultimate Erregung des Verfolgers.

Der Gleiter startete und schwebte in dieRichtung des Platzes, an dem Mantrarogginden zweiten Gegner vermutete.

*

»Eines ist sicher«, brummte er und suchtenach etwas Flüssigkeit, mit dem er seinenschmerzenden Schädel kühlen konnte, »dulebst noch, alter, dicker und unglücklicherFartuloon!«

Er machte sich nicht die geringsten Illu-sionen. Er war aufgewacht und hatte sichnicht mehr in der relativ sicheren Umgebungdes Doppelpyramidenschiffs befunden. ZweiSekunden Überlegungen und einige schnelleBlicke rundum hatten ihm gezeigt, daß ersich erstens allein und zweitens in einem

16 Hans Kneifel

Page 17: Jagdplanet des Unsterblichen

Dschungel, und darüber hinaus in völlig un-bekanntem Gebiet war.

Fartuloon faßte an seinen Gürtel und fanddort das Skarg. Als er aufstand und an sichherunterblickte, sah er neben seinen Füßeneine fremdartig wirkende Waffe. Blitz-schnell bückte er sich, schlug mit dem Kniegegen den Brustharnisch und hob die Waffehoch.

Er zwang sich dazu, trotz der Schmerzen,die durch seinen Schädel dröhnten, logischzu denken.

»Und das hier, fetter alter Mann mitdickem Bauch und kurzem Atem«, erklärteer sich fatalistisch, »ist die Überraschungdes Monats.«

Für ihn war es klar, daß dieser Gegen-stand neben ihn gelegt worden war. Wolltederjenige, der ihn aus dem Schiff entferntund hierher gebracht hatte, daß er nicht ganzwehrlos war? So sah es aus.

»Richten wir uns also nach den sicherlichnicht ganz irrsinnigen Tips des oder der Un-bekannten!«

Fartuloon war mit dem Schock der Er-kenntnis binnen kurzer Zeit fertig. Er kanntederlei Vorkommnisse: die Macht, die ihnhierher gebracht und mit einer, wie er fest-stellte, gut dimensionierten Energiewaffeausgerüstet hatte, würde wohl zusehen müs-sen, wie er sich durchschlug. Eine Art Testalso. Für ihn galt es, zu überleben.

Wo waren die anderen?Fartuloon, der Bauchaufschneider, der

sich zumindestens in der Nähe von AtlansSpur wußte, dachte einige Augenblicke langan Gastmähler mit ausgesuchten Weinen,dampfendem Essen mit allen Raffinessen, anleise Musik im Hintergrund und Mädchenum seinen Sitz herum, dann wischte seineHand durch die Luft. Mit dieser Bewegungwischte er auch alle diese zur Zeit sinnlosenIdeen weg. Immerhin, er erinnerte sich derBlicke, die ihm die goldhäutige Haitascharzugeworfen hatte. Wo war sie jetzt?

Er schüttelte sich und ging langsam fünf-zig Schritte weit in die Richtung, in demihm helleres Licht ein vorläufiges Ende des

Dschungels und der stickendheißen Luftverließ.

Er mußte handeln.»Ich muß herausfinden, was passiert ist«,

knurrte er wütend und fand eine winzigeQuelle. Hier trank er, kühlte seinen Kopfund begann Hunger zu verspüren.

Und wo, dachte er mit ständig steigenderWut, befand sich das verdammte Doppelpy-ramidenschiff? Atlans Lehrmeister undFreund, außerdem der Freund Ischtars, be-schloß in der nächsten halben Stunde, dieVergangenheit vollkommen zu ignorierenund sich auf die Gegenwart zu konzentrie-ren. Die Gegenwart bedeutete Überleben.Und er hatte schon zuviele Planeten und zu-viele Dschungel gesehen und erlebt – ermachte sich keinerlei Illusionen.

Vielleicht lebten seine Kameraden nichtmehr, gleichgültig, welchen Namen dieseWelt trug.

Wenn sie noch lebten, schwebten sie aufalle Fälle in tödlicher Gefahr. Ebenso wie er.

»Sollte ich diesen Bastard erwischen,dann schlage ich ihn zu Brei!« sagte er erbit-tert und begann zu rennen.

4.

»Entweder bringt die Gefahr einen Mannum, oder sie macht ihn besser. Im erstenFall erübrigt sich für ihn weiteres Streben,und im anderen Fall wird er früher oderspäter wissen, wie er zu überleben hat.«

Fartuloons Tagebuch

Seine Fähigkeit, durch sein Aussehen unddurch darüber hinausgehende bewußte Täu-schung und die Begabung zur Mimikry an-dere Wesen zu verblüffen, versagte ange-sichts der unbeeinflußbaren Natur. EinRaubtier fiel einen kleinen, harmlos ausse-henden dicken Mann ebenso leicht an wieeinen großen, hageren, der gefährlich aus-sah.

Fartuloon hielt erst an, als er einen Baumerreichte, den er besteigen konnte. Er stand

Jagdplanet des Unsterblichen 17

Page 18: Jagdplanet des Unsterblichen

zwischen den gewaltigen Wurzeln auf demdicken, von schleimigem, weißem und un-sichtbarem Leben angefüllten Gemenge ausAbfall und Blättern. Zwischen den Ästenstarrte er nach oben und erkannte, daß erdurch Zufall den richtigen Baum ausgesuchthatte – seine Krone ragte weit über die deranderen Hochgewächse hinaus.

»Auch das noch! Auf meine alten Tagemuß ich klettern wie ein Affe!« schrie erwütend auf, aber mit verbissenem Ehrgeizmachte er sich daran, entlang der Aststum-pen, Knoten und mit Hilfe der Luftgewächseund Lianen den Baum zu erklettern. Erschwitzte, als befände er sich im Zentrum ei-ner Dampfwolke, aber er tröstete sich fatali-stisch damit, daß Schwitzen gesund sei undZeichen eines gut funktionierenden Kreis-laufs.

Aber unablässig schoben sich hinter sei-nen sarkastischen Überlegungen die Gedan-ken an seine Freunde und Mitkämpfer hoch.In Wirklichkeit fürchtete er um sein Lebennur wenig, um das der anderen um so mehr.Er zog sich anscheinend mühelos in die Hö-he, passierte die erste Ebene des Baumd-schungels, eine unregelmäßige Fläche ausbuchstäblich ineinander verknoteten Ästenund Zweigen unter einem Laubpolster. DieTiere, die sich hier aufhielten, waren weitauskleiner als er selbst. Entweder erstarrten siein Tarn- und Schutzhaltung, oder sie flohen.

Hätte jemand mit genügend Intelligenzden Mann mit dem zerbeulten und fleckigenBrustharnisch beobachtet, würde ihm diezielsichere Schnelligkeit der Bewegungenaufgefallen. Wie ein junger Mann mit ent-sprechendem Training erklomm er denStamm und passierte die erste und die zwei-te Ebene. Wachsam, aber ohne einen einzi-gen Angriff. Und Minuten später befandsich Fartuloon an derjenigen Stelle, an der esnicht mehr weiterging. Er schaukelte mit derKrone des Baumgiganten hin und her.

Schärfstens konzentriert betrachtete er dieUmgegend. Er befand sich nun – er sah esam Stand der Sonne und an anderen Zeichen– auf der Ostseite eines riesigen Dschungel-

gebiets. Es war so ausgedehnt, daß er nur aneiner Stelle den Rand erkennen konnte.

Fartuloon drehte den Kopf zurück und sahvier verschiedene Dinge, die für ihn interes-sant und vermutlich lebenswichtig waren.

Da weitete sich vor ihm im Osten einesandige Fläche, eine Mischung zwischen Sa-vanne, Wüste und Felsgarten. Sie erstrecktesich zwischen einer bewaldeten Hügelketteund dem Dschungelrand. Etwa drei StundenMarsch.

Jenseits der Ebene voller Geröll undSandwirbel erkannte er die Linie eines Fluß-betts. Er folgte ihr mit den Augen bis zu ei-ner Stelle, wo sie in ein Flußdelta überging,das auch kein Ende zu haben schien. Nurdraußen auf dem Meer schwebten niedrigeWolken; ein deutlicher Hinweis für den er-fahrenen Bauchaufschneider.

Ein silberner Blitz, der sich in einenleuchtenden Punkt verwandelte, schwebteaus der Richtung des Deltas ungefähr dort-hin, woher er kam. Also suchte ihn jemand.

Und einer der Wirbel dort draußen auf derEbene schien kein echter Wirbel zu sein. Eshandelte sich vermutlich um eine Rauchsäu-le, die in der gleichen Art bewegt wurde wiedie Sandschleier und Windhosen.

»Wieder weiß ich etwas mehr!« brummteFartuloon und versuchte, seine verschiede-nen Beobachtungen in ein logisches Systemzu bringen. Während er nachdachte, kletterteer mit mechanischen Bewegungen denStamm hinunter und entfernte sich, soschnell er konnte, in die Richtung der Ebe-ne.

Dort draußen, dieses undeutliche Zeichen– es konnte von einem der Freunde aus demSchiff stammen.

*

Der Sand hatte sich in eine glühende Un-terlage verwandelt, die eine unerträglicheHitze aussandte. Der wolkenlose Himmelwar wie ein riesiger, konvexer Spiegel, derdie Strahlen der Sonne genau auf den Punktkonzentrierte, an dem die zusammenge-

18 Hans Kneifel

Page 19: Jagdplanet des Unsterblichen

krümmte Gestalt lag. Sie bewegte sich lang-sam, wie jemand in einem fürchterlichenTraum. Die Steine und Felswände ringsumwaren hell und spiegelten ebenfalls Hellig-keit und Hitze. Die Haut war an den Stellengerötet, an denen sich kein schützender Stoffbefand. Keine Bewegung war zwischen denabgestorbenen und kalkweiß ausgedörrtenBaumresten außer den langsamen Bewegun-gen des Körpers. Langes Haar ringelte sichüber den Sand. Dann, plötzlich, erklang einlanggezogenes Stöhnen.

Die Gestalt rührte sich stärker. Wie imSchlaf tasteten die Hände umher, die Armewinkelten sich ab, dann richtete sich dieFrau mit geschlossenen Augen auf. Aber-mals stöhnte sie, dann schnappte sie nachLuft und öffnete die Augen.

»Wo bin ich?«Ohne zu begreifen, sah sie Felsen, Baum-

reste, Sand und Licht. Sie hob den Arm undschirmte die tränenden Augen gegen dieLichtflut ab. Mit Mühe stand die Frau auf.Ihre Bewegungen verrieten, daß sie am gan-zen Körper Schmerzen verspürte.

Die Stille herum gab keine Antwort.Ischtar, die Goldene Göttin, blickte umher

und fand keinen Schatten. Sie setzte sichwimmernd in Bewegung und fand nach dreiSchritten, halb vom verwehten Sand be-deckt, eine dunkelblaue Waffe. Sie erkannte,daß es ein Strahler aus varganischer Produk-tion war, eine teure Spezialwaffe. Ohne zuwissen, was die Waffe bedeuten konnte,griff sie danach, hob sie auf und ließ sie miteinem lauten Schmerzensschrei gleich wie-der fallen. Der Giff war glühend heiß.

Schließlich nahm die Varganin den Stoffeines Ärmels zur Hilfe und steckte denStrahler in den Gürtel.

Sie ging mit vorsichtigen Schritten gera-deaus, die Sonne im Rücken. Nach jedemeinzelnen Schritt spürte sie, wie etwas Kraftund Geschmeidigkeit in die Glieder zurück-kehrten. Auch der Verstand begann wiederzu funktionieren. Sie befand sich außerhalbdes Schiffes, jemand hatte sie hier abgesetztund ihr eine Waffe hingeworfen und …

»Mikrokosmos!« flüsterte sie mittrockenen Lippen. Sie blinzelte verwirrt, alssie in undeutlicher Entfernung eine Hitze-säule aufsteigen sah, in der die Luft deutlichflimmerte. Dort schien Wasser zu verdun-sten. Ischtar drehte den Kopf und sah linksvon sich einen Berg aufeinandergeschichte-ter großer Steine.

»Ich muß wissen, wo ich bin!«Brennende Sorge um das Schiff erfüllte

sie. Als sie zu klettern begann und sich auchnoch die Handflächen an den heißen Steinenverbrannte, kamen die Gedanken und Über-legungen in rasender Geschwindigkeit zu-rück. Sie stöhnte auf, diesmal nicht ausSchmerz, sondern deswegen, weil sie ihreLage erkannte.

Sie war niederschmetternd, ohne Aussicht…

Endlich erreichte die Varganin, die selbstschweißüberströmt, mit wirrem Haar undaufgerissener, schmutziger Kleidung nochsehr attraktiv aussah, die Spitze des Stein-haufens.

Sie stand in der Hitze und analysierte dieEindrücke, die sie von hier aus hatte.Schließlich, nachdem sie sich einigermaßenorientieren konnte, fanden ihre überlastetenAugen auch das Wasserloch. Nach demStand der Sonne war es die Zeit zwischenSonnenaufgang und Mittag.

Ischtar blickte nach unten.Deutlich zeichnete sich im Sand die Spur

ihrer Füße ab. Dort drüben befand sich dieRettung, ein großes, flaches Wasserloch. DieUmgebung war zerwühlt von tausend Fuß-eindrücken, also war das Wasser trinkbar.Weit und breit nichts anderes. Ihre Augenfielen auf die weißen Holzstücke, die wiedie bleichen Knochen eines uralten Skelettsaussahen.

»Ich weiß, was ich tun kann!« sagte siesich, kletterte wieder herunter und schlepptedas Holz zusammen. Als der Haufen großgenug war, setzte sie ihn mit dem Strahler inBrand und ging dann, so schnell sie konnte,zum Wasserloch.

Sie erreichte es nach kurzer Wanderung

Jagdplanet des Unsterblichen 19

Page 20: Jagdplanet des Unsterblichen

durch glühende Hitze und durch die Schleieraus Sand, die ein womöglich noch heißererWind immer wieder hochriß, zu Spiralendrehte und wieder zu Boden fallen ließ.Ischtar ging vorsichtig ins Wasser hinein,kniete ebenso vorsichtig, um nicht denSchlamm aufzuwirbeln, nieder und wuschzuerst ihr brennendes Gesicht ab.

Dann erst trank sie in kleinen Schlucken.Als sie sich wieder aufrichtete, sah sie dieRauchsäule. Das Holz brannte ohne vielRauch, aber trotzdem würde das Feuer aufweite Entfernung zu erkennen sein.

Wer würde kommen?Gab es hier überhaupt jemanden, der das

Signal sehen würde? Aber als ihre Hand denStrahler berührte, wußte sie, daß außer ihrund den Freunden aus dem Schiff noch je-mand hier sein mußte.

Sie mußte in den Schatten.Dort drüben, am Waldrand in einigen Ki-

lometern Entfernung, gab es Schatten inHülle und Fülle. Dort gab es ebenfallsFrüchte und Tiere. Sie sprach sich selbstMut zu und setzte sich in Bewegung.

Sie kam an einem großen Skelett vorbei,das vollständig von Fleisch und Haut befreitwar. Seltsam! Das Skelett hatte keinen Kopf.Sie betrachtete das vordere Schultergelenkund die dicke Wirbelsäule. Als sie die glatteSchnittkante sah, schauderte sie trotz derHitze.

Der Kopf war mit einem Vibromesser ab-getrennt worden. Nicht mit einem Strahler,denn sonst hätte es andere Spuren gegeben.

Jäger? Kopfjäger? Menschliche Raubtie-re?

Ohne es zu merken, überschritt sie dieSpuren eines Mannes und eines Tieres, dasAbdrücke wie ein riesiger Wolf hinterließ.

*

Fartuloon sah zwischen den Stämmen dasgrelle Sonnenlicht. Nur noch dreihundertSchritte. Er wurde langsamer, als er den ste-chenden, nicht definierbaren Geruch in dieNase bekam.

Er sah sich um, spähte in das immer zahl-reicher werdende Geflecht kleiner Büsche,sein Blick kletterte an Baumstämmen ent-lang, die in der Richtung auf den Dschungel-rand zu grünbelaubte Zweige trugen.

»Nichts!«Auch der Boden erwies sich nach einigen

prüfenden Schritten als sicher. Trotzdem zogFartuloon die gefundene Waffe, entsichertesie und hielt sie in der linken Hand. Mit derrechten zog er langsam das Skarg aus derScheide und ging weiter. Zweifellos hattedieser Geruch etwas zu bedeuten.

Nach zehn weiteren Schritten merkte er,in welche Falle er getappt war.

Von allen Seiten schwangen sich dünne,zähe Ranken heran. Sie hingen an Ästen undtrugen moosige Bärte. Spiralförmige Fort-sätze krümmten und drehten sich. Eine Ran-ke erreichte den Mann, berührte ihn mit et-wa einem Dutzend dieser weißen Dinge, diewie hakenbewehrte Würmer aussahen. Sieschlangen sich sofort, in einem blitzschnel-len pflanzlichen Reflex um Finger, Hände,Gelenke und Gliedmaßen.

Zweimal feuerte Fartuloon auf die Ran-ken, die sofort aufzischten wie Zunder undrauchend verbrannten. Die Pseudotentakel,die auf der Haut ätzende Stellen hinterlie-ßen, lösten ihren würgenden Griff. Aber an-dere Ranken schwangen heran. Fartuloonbegann zu rennen. Ein paar der Gewächseverfehlten ihn, andere klammerten sich anseine Beine und brachten ihn ins Stolpern.

Eine Ranke riß ab.Es war wie ein Signal. Der Ast, an dem

sie sich aufgehängt hatte, peitschte wie imSturm auf und nieder. Dunkle Klumpen fie-len von diesem Ast. Das Schwert beschriebeinen Halbkreis und zerschnitt vier Ranken.Eine fünfte, sechste, siebente fielen herunter.Andere Äste begannen zu schaukeln.

Die Klumpen fielen drei Meter, dann ent-falteten sich lange Gleitschwingen undstürzten sich auf den Flüchtenden. Es warenTiere, die wie mutierte Fledermäuse aussa-hen. Lange, gebogene Vampirkrallen griffennach Fartuloon. Er drehte sich im Laufen

20 Hans Kneifel

Page 21: Jagdplanet des Unsterblichen

herum, feuerte und schlug mit dem Skargzu. Er sprang kopfüber in einen Busch undentledigte sich dadurch einiger Angreifer,die ihm durch die Zweige hindurch nichtfolgen konnten.

»Verdammter Planet!« stöhnte er und zer-schlug in der Luft mit einem genau berech-neten Hieb eine Ranke und zwei der wildflatternden Schwebetiere. Sie begannenschrill zu pfeifen. Ein Teil ihrer Stimmeschien sich im Ultraschallbereich zu befin-den, denn nach den ersten Pfiffen brach rundum den rennenden und stolpernden Manndie Hölle los.

Wie durch Zauberei fielen ununterbro-chen dünne und dicke Ranken von denÄsten und schnellten sich wie Geschosse aufFartuloon.

»Es wird sich herausstellen, daß wir aufeiner Welt in diesem dreimal verfluchtenMikrokosmos sind!« heulte er grimmig aufund setzte alle seine Fähigkeiten ein, um zuüberleben.

Eines der Tiere verkrallte sich im Kragenseiner Jacke und pfiff derartig schrill undlaut, daß er glaubte, verrückt zu werden. Erstach es mit dem Skarg herunter. DerselbeHieb schnitt zwei Ranken auseinander. Einedritte riß er mit der Hand herunter, um diesie sich geschlungen hatte. Um seinen Ober-körper bildete sich eine braune Wolke, dieatemberaubend stank. Es war der Geruch,den er in schwächerer Form wahrgenommenhatte.

Abermals schoß sich Fartuloon, in rasen-dem Zickzacklauf flüchtend, einen Weg frei.Er sprang über Wurzeln, unter seinen Stie-feln zerbarsten riesige, weiße Pilze, dieeinen aromatischen Staub ausstießen und dieLuft mit ihren winzigen Sporen erfüllten. Erschlug um sich, trat nach einem der heranse-gelnden Tiere und fühlte plötzlich imNacken einen schmerzhaften Doppelstich.Wieder schlug er mit dem Schwert zu, dreh-te das Handgelenk in einem rasenden Wir-bel, der Arm zuckte vor, und ein breitgefä-cherter Blitz zuckte von der Spitze desSkargs nach allen Seiten.

Die enge Lücke zwischen zwei Stämmenbefreite ihn von einigen anderem Blutsau-gern. Er sprang in die Luft, drehte sich dabeiund feuerte in den halbdunklen Raum hin-ein. Schmorende Tiere fielen auf den Wald-boden. Die letzten Ranken pendelten gierighinter ihm her, erreichten ihn aber nichtmehr.

Mit einem rasenden Spurt rannte Fartu-loon weiter, dem Licht entgegen, dann übereinen Wall abgestorbener Gewächse hinwegund durch die letzten Büsche hindurch insSonnenlicht. Er fluchte mit ausgesuchtenWortschöpfungen.

Fartuloon hob den Arm und betrachtetedas Skarg.

Die Doppelschneide war blutig und vollerFetzen aus Fleisch und Haut. Er reinigte dieWaffe, indem er sie an verschiedenen Stel-len ins Erdreich stieß und wieder hervorzog.Dann schob er die Waffe wieder zurück undsah geradeaus.

»Ich kann den Rauch nicht mehr erken-nen!« murmelte er.

Er blickte den Rand des Waldes entlang.Die Grenze zwischen der Geröllebene undden ersten Büschen verlief fast übergangs-los. Keine auffälligen Bewegungen, nur dieUnruhe dort, wo er eben überfallen wordenwar. Keine großen Tiere, also auch keineGefahren.

Wo versteckte sich dieser Jemand, derihm die Waffe übergeben hatte?

Aus dem Hintergrund, der aus dem Weißund Hellgelb des Sandes bestand und ausden Hitzewellen und Sandschleiern, löstesich eine winzige Gestalt. Fartuloon wech-selte den Strahler in die rechte Hand undschirmte die Augen ab. Nach einigen Sekun-den angestrengten Starrens wußte er, daßsein erster Eindruck richtig gewesen war.

Jemand näherte sich von dort. Es sah ausder zu großen Entfernung nicht so aus, alswäre dies ein schnell laufender, kräftigerMann. War es so, dann stieg die Wahr-scheinlichkeit, dort einen Überlebenden desSchiffes zu sehen, stark an.

Fartuloon ging auf den winzigen Schat-

Jagdplanet des Unsterblichen 21

Page 22: Jagdplanet des Unsterblichen

tenpunkt zu. Als er nahe genug heran war,erkannte er die Goldene Göttin, die einenmehr als erschöpften Eindruck machte.

Fartuloon lief heran, hielt in einer Sand-wolke an und kam gerade rechtzeitig, um diezusammenbrechende Frau aufzufangen.

Er schleppte sie zurück in den kühlenSchatten des Waldrands. Er wußte, daß siebeide Wasser und Essen brauchten.

Er bettete Ischtar auf ein Polster ausMoosfetzen und frischen Blättern und ranntedavon. Wieder hätte ein Beobachter staunenmüssen – darüber, wie schnell und sichersich Fartuloon bewegte. Er kappte eine Lia-ne und verschloß sie mit einem vorher zu-rechtgeschnittenen Holzstück. Die Lianeenthielt viele Liter kühlen Wassers.

Fartuloon schoß mehrmals in eine Gebü-schinsel hinein und trieb einige Tiere daraushervor, die offensichtlich geschlafen hatten.Eines davon tötete er durch einen Schuß mitder Waffe und verwendete das Skarg dazu,das Tier aus der Decke zu schlagen. EineStunde später drehte sich ein kleiner Bratenüber einem raucharmen Feuer, und Ischtarkam wieder zu sich.

Sie schrie vor Freude leise auf, als sieüber sich das Gesicht des Bauchaufschnei-ders erkannte.

»Wo sind wir?« war ihre erste besorgteFrage.

»Keine Ahnung!«Fartuloon zog seine Schultern hoch und

schüttelte bedauernd den Kopf.

5.

Freundschaft ist teuer. Sie kann so teuersein, daß man sie mit dem Leben bezahlenmuß. In diesem Fall ist es besser, nicht mitseinem eigenen Leben zu zahlen.

Fartuloon: Unterweisungen Atlans

Mantraroggin setzte lautlos und schnellzur Landung an. Er hatte den zweiten Platzangeflogen, dort, wo er dieses merkwürdigemännliche Wesen mit Harnisch und Schwert

ausgesetzt hatte. Der Gleiter landete in re-spektvoller Entfernung. Der Vargane drehteden Kopf und schnalzte seinem Hund einenBefehl zu.

Es geht weiter. Mittag. Wir haben nochviel vor uns diesen Tag. Suche den zweitenFremden, Mottizzer!

Der gefleckte Hund jaulte begeistert auf.Seine große rote Zunge wischte liebkosendüber die rechte Gesichtshälfte des Varganen.Mantraroggin tätschelte das Fell des Part-ners und öffnete die Tür. Die Gerüche undGeräusche des Dschungels kamen herein.Die Sonne stand kurz vor Mittag.

Raus!Ich werde ihn finden und stellen! schnalz-

te und brummte der Hund und sprang mit ei-nem riesigen Satz in den Dschungel hinein.Mantraroggin stieg aus, sicherte die Maschi-ne und schaltete sie auf Fernsteuerung um.Dann schloß er die Tür und wandte sich indie Richtung, die er kannte.

Nach einem schnellen und ereignislosenMarsch erreichte Mantraroggin den Platzunter dem Baum. Regungslos wartete derHund bereits auf ihn. Mottizzer stand weitnach vorn gestreckt da und starrte den Platzan, der noch den Abdruck eines schwerenKörpers zeigte. Auch der Strahler war ver-schwunden.

»Also hat unser Gegner die Nacht über-lebt. Wir jagen ihn! Nimm die Spur auf,Partner!« sagte der Jäger laut.

Ich habe sie! gab der Hund zurück.Der Hund voraus, der Jäger mit langen,

raumgreifenden Schritten hinterher, so liefensie durch den nassen Dschungel. Dort, wodie Spur nicht aus niedergemähten Pflanzenbestand, verließ sich Mantraroggin auf seinTier. Sie bewegten sich auf einer ziemlichgeraden Strecke aus dem Dschungel in Rich-tung auf die Sandebene, wo der Vargane sei-ne gutaussehende Artgenossin ausgesetzthatte.

Eine Stunde später schnalzte der Hundaufgeregt:

Geruch! Lianenvögel, Partner!Konzentriert zog Mantraroggin die Luft

22 Hans Kneifel

Page 23: Jagdplanet des Unsterblichen

durch die Nase und nahm einen schwachen,stechenden Geruch wahr. Dort vorn war eineKolonie der mutierten Tiere, die sonst nur inder Nacht schwärmten, jetzt aber auch amTag zusammen mit ihren pflanzlichen Sym-bionten nach Beute suchten.

Wir umgehen sie rechts, entschied er laut.Die Jäger wichen aus und umgingen die

stinkende Zone. Ein Instinkt warnte den Un-sterblichen. Er war sicher, daß die Spur desVerfolgten mitten durch die verseuchte Zoneführte. Er kannte die Gefahren der Tagfle-dermäuse und vermied den Kontakt mit denTieren. In wenigen Stunden würden dieNachmittagsvögel ohnehin wieder den Him-mel beherrschen.

Mantraroggin erreichte den Rand desDschungels. Jetzt war die Zeit, in der sichsämtliche Tiere versteckten, um dem betäu-benden Licht und der gewaltigen Hitze desMittags zu entgehen. Nur Narren und ster-bende Tiere hielten sich jetzt noch außerhalbdes schützenden Schatten auf. Und Schlan-gen.

»Irgendwo hier werde ich sie suchen!«murmelte der Vargane.

Er verzichtete freiwillig auf alle Hilfsmit-tel. Er ging zweihundert Schritte weit hinausin die Hitze der Geröllebene. Mottizzersprang vor ihm durch den Sand und bliebnach einigen Minuten aufgeregt stehen. Seinbuschiger Schwanz zuckte und wirbeltedurch die Luft.

Was gibt es? Mantraroggin rannte auf dasTier zu.

Spuren!Ziemlich deutlich, weil noch nicht vom

Sand verschüttet und vom Wind zugeweht,erkannte der Vargane zwei verschiedeneSpuren. Eine, die in die Richtung des Wal-des führte, die Spur eines schmalen Fußes,der einem leichtgewichtigen Menschen ge-hörte. Die zweite Spur führte in die entge-gengesetzte Richtung und gehörte zweifels-frei dem kleinen Mann mit dem kahlenSchädel und dem buschigen Bart.

Klick. Die Waffe wurde entsichert.Mantraroggin wußte, daß die beiden Jagd-

opfer in der Nähe waren. Irgendwo hier ver-bargen. sie sich. Sie konnten seit dem Au-genblick, in dem die Spuren entstanden wa-ren, nicht weit gekommen sein. Der Hundwar darauf trainiert, Spuren nicht zu verwi-schen. Er rannte in einem weiten Kreis ent-lang und blieb immer wieder suchend undschnüffelnd stehen. Mantraroggin ging dieSpuren entlang und kam an eine Stelle, dieer besonders intensiv betrachtete. Dannwußte er, was geschehen war.

Hierher! schnalzte er.Er lief langsam die tief eingedrückte Spur

entlang. Der Mann mit dem zerbeulten Har-nisch hatte die Varganin in die Richtung desDschungelrands geschleppt.

Als die Spur endete, sahen die zwei Jägerdie Feuerstelle, die abgeschnittene Lianeund wußten, daß sie es nicht mit Wehrlosenzu tun hatten.

Mottizzer!Der Hund spitzte die Ohren und starrte

Mantraroggin ruhig an. Er hechelte mit langheraushängender Zunge.

Ich jage allein weiter.Mottizzer heulte gierig auf.Und ich? Befehl?Während er mit dem Tier kommunizierte,

glitt der Blick des Unsterblichen über denDschungelrand, der langgezogen hinunter-schwang bis zu der Stelle, an der sich derFlußlauf gabelte und in das sumpfige Deltaeinsickerte.

Suche den Ausgesetzten im Delta. Ichkomme zum Schiff. Ich jage allein.

Der Hund jaulte schauerlich auf, dann rißdas Geheul plötzlich ab. Er wußte, daß er dieVerfolgten auf sich aufmerksam machte.

Ich gehe!Er knurrte, drehte sich herum und tat sei-

nem Herrn den letzten Gefallen, indem ergenau entlang der Spur lief, die jene zweiFremden hinterlassen hatten. Sie verlief amDschungelrand. Als die Spur, nur noch fürden hochentwickelten Geruchssinn des Tie-res wahrzunehmen, scharf abknickte, bliebdas Tier stehen und machte den Jäger daraufaufmerksam.

Jagdplanet des Unsterblichen 23

Page 24: Jagdplanet des Unsterblichen

Mantraroggin hob den Arm und winkte.Der Hund rannte weiter. Sein Ziel war dasDelta, in dem zwei Raumschiffe und einFremder waren.

*

Nur durch einen Zufall hatte Fartuloon ineiner Tasche eine Tube voller Hautcremegefunden und sie bedenkenlos für Ischtar ge-opfert. Sie gingen im Schatten des Wald-rands, waren satt und hatten ihren Durst ge-stillt. Sie wußten aber noch immer nicht,was sie von allem zu halten hatten.

»Wir sind im Mikrokosmos, das ist sicher,mein Freund!« sagte Ischtar. Auch sie hieltden entsicherten Strahler in der Hand undspähte ununterbrochen um sich. Sie warenüberzeugt davon, daß sie beobachtet wur-den.

»Ich kann keinen einzigen Hinweis dafürentdecken!« widersprach der Bauchauf-schneider grimmig. »Woran siehst du das?«

Sie hob die Schultern und erklärte:»Wir sind auf einem fremden Planeten.

Wenn du dich an die Ereignisse erinnerst,die diesem Sturz vorausgingen, wirst du mirglauben. Diese Welt hier ist ebenso wie eineandere logisch aufgebaut. Alles hat sich ver-kleinert, wir ebenso wie alles andere.«

»Du magst recht haben, aber ich vermages nicht zu akzeptieren. Mein Verstand wei-gert sich. Ich bin ein Mann des Makrokos-mos!«

Sie lächelte ihn an.»Du hast aber die Gefahren im Mikrokos-

mos ebenso besiegt wie die der anderenWelten!« gab Ischtar zurück. »Wo ist unserSchiff?«

»Und wo sind unsere Freunde?« fragte erseinerseits. Auf beide Fragen gab es vorläu-fig noch keine Antwort.

Sie gingen weiter, ständig auf Deckungbedacht. Hin und wieder sahen sie zwischenden Kronen der Bäume große Vögel im wol-kenlosen Blau des Firmaments kreisen. Oh-ne in seinen Überlegungen weiterzukom-men, ließ Fartuloon die Ereignisse der letz-

ten Zeit an seinem inneren Auge vorüberzie-hen.

Die Suche nach den varganischen Rebel-len, der Versuch, das Geheimnis der Absolu-ten Bewegung zu erfahren, die vier Schiffedes Planeten Kryrot und Haitaschar, danndie Detonationen und der Hinweis an Bord,daß sie alle erst wieder im Mikrokosmos zusich kommen würden, verkleinert zur Größevon Mikroben.

Dann der Schock, sich in einer total frem-den Umgebung wiederzufinden.

»Jemand hat uns aus dem Schiff geholt,nicht wahr?« fragte Fartuloon vorsichtig unddachte an sein Erstaunen, als er, waffenlosbis auf das Skarg, den Strahler gefunden hat-te.

»Das ist sicher!«»Und derselbe hat uns – es kann auch eine

Gruppe gewesen sein, die nach Gesichts-punkten handelt, die wir noch nicht verste-hen – hier an verschiedenen Plätzen ausge-setzt.«

»Richtig. Du selbst sagtest, du hättesteinen Gleiter oder einen ähnlichen Flugkör-per gesehen. Noch fehlen Haitaschar, Eis-kralle und der Kopfjäger und Tiermeister.Die Kernfrage ist: was beabsichtigen die an-deren mit dieser Aussetzung?«

Fartuloon lachte sarkastisch auf.»Ich habe einen ganzen Katalog von Din-

gen. Ein Jäger, der uns jagen wird. Jemand,der unser Ziel kennt und uns verwirren will.Etwas, das wir nicht erklären können, alsoein spezifischer Effekt dieses Mikrokosmos.

Jedenfalls müssen wir das Schiff soschnell wie möglich finden.«

Die Goldene Göttin nickte und sagte leise:»Kannst du mir sagen, wo wir das Schiff

finden?«»Natürlich nicht.«Sie alle hatten ihre Probleme. Das Ziel

Ischtars und das von Fartuloon aber war sogut wie identisch. Ischtar wollte Atlan in derEisigen Sphäre finden, weil sie ihn liebteund wiedersehen wollte. Fartuloon liebte At-lan wie einen Sohn und suchte ihn mit nichtgeringerer Dringlichkeit. Im Augenblick

24 Hans Kneifel

Page 25: Jagdplanet des Unsterblichen

aber war ein Hindernis zu überwältigen, dasnicht zu übersehen war, weder die Gefähr-lichkeit noch die Größe. Alles war unklar.

»Weißt du keinen Rat, Fartuloon?«»Nein. Im Augenblick nicht. Es gibt für

uns zwei Möglichkeiten.«Sie versuchten noch immer, die Welt zu

entdecken, in der sie sich befanden. Es schi-en ein Planet voller Dschungel und Wüstenzu sein, ohne Siedlungen oder große Men-schenansammlungen. Es gab weder starten-de oder landende Raumschiffe, keinerleiZeichen von Zivilisation, wenigstens nichtin diesem Teil der Welt.

»Welche Möglichkeiten, Bauchaufschnei-der?«

Er blieb stehen, lehnte sich gegen einenBaumstamm und spähte hinaus in die licht-überflutete gelbe Ebene.

»Entweder warten wir irgendwo, bis et-was passiert, das uns weiterhilft …«

»Oder?«»Oder wir gehen einigermaßen ziellos

weiter. Wir haben ebensoviel Chancen, unsdem Schiff zu nähern, wie auch, uns vonihm zu entfernen.«

»Das ist richtig. Ich schlage vor, wir su-chen nach einer günstigen Stelle und war-ten.«

»Einverstanden, Ischtar!« entgegnete er.Sie versuchten, einen Platz zu finden, der

sie ebenso gegen Zwischenfälle in der Dun-kelheit schützte wie dagegen, von einem un-bekannten Verfolger entdeckt zu werden.

*

Er lief mit langen, federnden Schritten.Da er sich im Schatten bewegte, erschöpf-

te es ihn nicht. Mantraroggin sah links vonsich über der Ebene die Nachmittagsvögelkreisen. Er konnte dieser Gefahr entgehen,wenn er sich in den Wald rettete, falls siewieder angriffen.

Der Vargane achtete genau darauf, wohiner trat und wie er lief. In einem weiten Bo-gen schwang sich der Dschungelrand hinausin die Wüste. Mantraroggin folgte der

Grenzlinie zwischen Pflanzen und Sand, liefin gleichmäßigem Tempo und legte inner-halb kurzer Zeit eine erstaunlich weite Ent-fernung zurück. Er wußte mit der Erfahrungdes Jägers, was die beiden Flüchtenden tunwürden, wie sie sich verhielten. Er würde esin ihrer Lage nicht anders gemacht haben.Sie versuchten zu überleben und zurückzu-finden zu ihrem Schiff.

»Aber sie wissen nicht, wo sie es zu su-chen haben!« murmelte er und blieb stehen,als er die äußerste Spitze des vorgeschobe-nen Waldes erreicht hatte. Er und sein zwei-beiniges Wild hatten sich vom Wasserlochsehr weit entfernt. Hier, in der vorgeschobe-nen Region, gab es auch keine Raubtiere,nicht jetzt in den Stunden des frühen Nach-mittags.

»Halt!« sagte Mantraroggin scharf.Er sprang zurück in den Schatten und

blickte dorthin, wo er Bewegungen gesehenhatte. Keine Täuschung. Der Vargane hobdie Hand an die Augen und konzentriertesich. Er glaubte, sein Blut rauschen zu hö-ren. Wieder packte ihn das Jagdfieber. Erentdeckte deutlich die beiden Gestalten, diehübsche Frau und den Mann mit demSchwert. Das Sonnenlicht, das auf dem Har-nisch geblitzt hatte, war der Impuls gewe-sen, der ihn aufmerksam gemacht hatte.

Die Entfernung betrug nicht einmal einenKilometer.

Aber es war sinnlos, von hier aus schie-ßen zu wollen. Es gab keinerlei Sicherheitfür einen Treffer. Und er selbst hatte sie mitWaffen ausgerüstet. Mantraroggin lachteheiser auf und setzte sich wieder in Bewe-gung.

In wenigen Minuten würde er sie einge-holt haben.

Er entsicherte die Waffe und kontrollierteim Laufen seinen Patronenvorrat. Er würdereichen. Der Gleiter? Erst dann, wenn er diebeiden Trophäen hatte. Die Entfernung ver-ringerte sich, aber es gab keinen weiterenLichtfunken mehr. Die zwei Fremden hattensich in den Wald zurückgezogen und ver-steckten sich. Sie ahnten nicht, daß Mantra-

Jagdplanet des Unsterblichen 25

Page 26: Jagdplanet des Unsterblichen

roggin, der große Jäger des Planeten Xerma-tock, auf ihrer Spur war.

Eine halbe Stunde später sah er sie.Er pfiff voller Anerkennung durch die

Zähne. Der Mann hatte aus zusammenge-flochtenen Lianen eine Art Plattform in hal-ber Höhe eines Baumes zu errichten begon-nen. Eine Strickleiter spannte sich zum Bo-den.

Unhörbar schob sich Mantraroggin zwi-schen Büschen und niedrigen Bäumen hin-durch und blieb stehen, als er freies Schuß-feld hatte.

Rund hundertfünfzig Schritte Entfernung.Die Frau war nicht zu sehen. Der Mann

lief von Baum zu Baum und kappte Lianen,die er über den Schultern zu dem Schlaf-baum schleppte. Durch das Geräusch derSchritte und die Arbeitsgeräusche hörte derVargane das leise Plätschern einer Quelleoder eines versickernden Wasserlaufs. Alsder Mann die Leiter halb herauf geklettertwar und vier Lianenstränge hinter sich herz-errte, um sie in das Netz einzuflechten, hobMantraroggin die Büchse. Mit leisem Sum-men stellte sich die Optik des Zielgerätesein. Der Jäger preßte den Kolben gegen dieSchulter, lehnte den Lauf an den Stamm undzielte sorgfältig.

Sein Zeigefinger spannte sich, berührteden Abzug, drückte weiter … peitschendlöste sich der Schuß.

Im gleichen Augenblick riß eine Lianen-verbindung, der Arm des Mannes verlor denHalt. Der Harnisch gab, als das Geschoß ihnzwischen Gürtel und Achselhöhle traf undeine breite Rille hineingrub, ein blechernesGeräusch von sich. Das Geschoß zerfetzteeine Liane, und die rechte Seite der Strick-leiter riß. Der schwere, breitschultrige Frem-de sackte um zwei Meter tiefer, aber er hattebegriffen, was geschehen war.

Mantraroggin duckte sich, lud nach underhob sich langsam wieder.

Der Fremde hatte sich zu Boden gewor-fen, hielt den Strahler in der Hand und robb-te hinter den Büschen rasend schnell aufdem dicken Baumstamm zu. Auch die Frau

tauchte jetzt auf. Sie sprang durch die Luft,streckte die Arme nach vorn und landetehinter dem Stamm.

Das bedeutete, daß beide erkannt hatten,aus welcher Richtung geschossen wordenwar. Vögel und kleines Baumgetier machteneinen gewaltigen Lärm, sprangen von Ast zuAst und flatterten auf. Blattreste und Rin-denteile regneten zu Boden. Mantraroggingrinste kalt; er genoß dieses Spiel. Sie entka-men ihm nicht, denn er konnte sich immerwieder auf ihre Spur heften. Langsam schober sich hinter der zerklüfteten Säule hochzielte ein zweites Mal und feuerte den ande-ren Lauf leer.

Dort drüben splitterte ein schenkeldickesStück Rinde ab, verwandelte sich vor dembärtigen Gesicht des Mannes in Staub undSplitter und flog nach allen Seiten. Dann,noch in den Donner der Detonation hinein,schossen lange Feuerbahnen hinter demBaumstamm hervor. Sie verwandelten dieBüsche, den Boden und die niedrige Baum-krone rund um Mantraroggins Versteck inFlammen und Rauch. Der jagende Varganebrachte sich mit einem Sprung in Sicherheitund suchte nach der nächsten Deckung, vonder aus er die beiden Opfer aus einer ande-ren Richtung, einem anderen Winkel, unterFeuer nehmen konnte.

Der Rauch verbarg ihn, der Lärm der auf-geschreckten Tiere verdeckte die Geräusche,die er machte. Er blieb dicht über dem Bo-den und schaffte es in rasender Schnelligkeitfast einen Viertelkreis zurückzulegen.

Dann hörte er einen heiseren, harten Be-fehl.

Wieder schossen zwei Waffen auf ihn.Die Fremden schossen gezielt. In wenigenMinuten würden der Wald hier in Flammenstehen.

6.

Jeder, der eine Chance nicht ergreift, ob-wohl sie sich ihm bietet, ist ein Narr – oderein Selbstmörder!

26 Hans Kneifel

Page 27: Jagdplanet des Unsterblichen

Ausspruch Corpkors

Es gab wenige Gefahren, die er nichtkannte.

In dieser Hinsicht ähnelte der TiermeisterFartuloon, und beide wußten es. Als Corp-kor aufgewacht war und entdeckt hatte, woer sich befand, wußte er, was er zu tun hatte.Er setzte zwei seiner Fähigkeiten ein.

Einen großen, langbeinigen und spitz-schnabligen Wasservogel, der neugierig undohne Scheu zu ihm hinübersah, sprach er an,nachdem er eine Weile zugehört hatte, mitwelchen Lauten die Tiere miteinander ver-kehrten. Der Vogel besaß keine bewußteSprache, aber alles, was Corpkor brauchte,waren einige deutliche Hinweise. Er mußteerfahren, was der Vogel dachte.

Er, der Meister der Tiere, setzte sich hinund versenkte seinen Blick in die großenAugen des Vogels. Das Tier hörte auf, imschwarzen Sumpfwasser herumzustolzieren,hob den Hals, drehte den Kopf und starrteihn an. Aufgeregt bewegten sich die Flügel,aber der intensive Blick des Arkonidenbannte das Tier. Es winkelte ein Bein an undstolzierte langsam, wie hypnotisiert, näherheran und blieb schließlich auf Mannslängevor Corpkor stehen.

Corpkor gab einige Laute von sich.Das Tier erwachte aus seiner Starre, riß

den Schnabel auf und begann damit zu klap-pern, dabei verursachte seine Kehle röcheln-de Laute.

Corpkor imitierte diese Laute meisterhaftund schuf dadurch ein Bezugssystem. DasTier sah ihn und wußte instinktiv, daß Corp-kor kein Vogel war, kein anderes Tier, aberder winzige Verstand dieses Lebewesenstäuschte den Organismus.

Der Vogel Corpkor erkundigte sich in fra-genden Lauten, wo ein riesiges glänzendesDing war.

Der andere Vogel erklärte:Gefühl des Schreckens. Sonne mitten am

Tag verdunkelt. Gewaltiger Lärm. Dann einriesiger Stein, der in den Augen blendet. Ei-ne Wassersäule. Aufgewühlter Sumpf. Tote

Fische. Große Beute. Andere Tiere regungs-los.

Corpkor hätte nur einen Bruchteil dieserundeutlichen, fast nur mit Hilfe der kon-struktiven Phantasie zu erkennenden Hin-weise gebraucht, um zu wissen, daß es sichum das Schiff handelte.

Er brauchte nicht mehr zu denken; erschaffte es dank der vielen Jahre, in denen erTiere und deren Sprachen oder Lautmittei-lungen studiert hatte, sofort die richtigenLaute zu imitieren. Wieder richtete er seineFragen in Form von Eindrücken an das Tier.

Futterplatz für mich. Großer Stein. Ichwill hinfliegen. Zeig mir Weg.

Das Sumpf tier schüttelte sein helles Ge-fieder, knickte die langen Beine ab undschwang sich mit einem kurzen Anlauf indie Luft. Es hatte keine andere Möglichkeit,seinem vermeintlichen Artgenossen denWeg zu zeigen, als dorthin zu fliegen.

Kaum war der Vogel in der Luft, sprangCorpkor auf.

Er beschattete die Augen mit der flachenHand und sah dem Tier nach, das mit klat-schenden Schlägen seiner langen Schwingenabstrich. Es flog in die Richtung, die Corp-kor als Nordwest identifiziert hatte, als erdie langsame Wanderung der Sonne beob-achtet hatte.

Corpkor war mit drei Sprüngen am ver-schlungenen und gedrehten Stamm einesniedrigen Sumpfbaums und versuchte hin-aufzuklettern, ohne den Vogel aus den Au-gen zu verlieren. Er riß sich die Unterarmeblutig und verlor den gefundenen Strahleraus dem Gürtel, aber als er mit den Augendie Gerade verlängerte, die der Vogel flog,entdeckte er zwischen Grün und halbver-deckt unter Baumkronen und Sumpfgewäch-sen die charakteristische Außenfläche desDoppelpyramidenschiffs.

»Fabelhaft! Also doch!« rief er.Aber in seinem Hang zur Gründlichkeit,

der ihm schon mehrmals das Leben gerettethatte, wartete er ab, bis das Tier die runddreitausend Meter Entfernung überwundenhatte und lautlos über dem abgestürzten

Jagdplanet des Unsterblichen 27

Page 28: Jagdplanet des Unsterblichen

Schiff zu kreisen begann. Corpkor glaubte,schräg davon in noch größerer Entfernungeinen weiteren Lichtblitz wahrzunehmen,den Reflex des Sonnenlichts an einer Flächeaus Stahl oder Glas, aber als er genauer hin-blickte, sah er nichts mehr.

Er kletterte zufrieden von dem kleinenBaum herunter, fand den Strahler und schrittzum zweitenmal die Grenzen der Sumpfin-sel ab. Alle Gedanken an die vergangenenEreignisse hatte er gewaltsam verdrängt, ob-wohl ihn unzählige Fragen marterten. Jetztgab es eine Frage weniger.

Und ein zusätzliches Problem, dachte er.Die Tiere und ihre Verhaltensweisen wa-

ren ihm nicht unbekannt, aber dieser Planetin der Mikroweit der Varganen konnte unlie-bsame Überraschungen bereithalten. Corp-kors Problem bestand darin, durch die viel-fältigen Teile der Sumpflandschaft zu kom-men. Sie alle hatten eine verderbliche Eigen-schaft: sie waren unbekannt und gefährlich.

Corpkor suchte nach irgend einer Art vonHilfsmittel, die verhindern würde, daß ihmder Sumpf verschluckte. Aber er fand nichts.Nur einige Tiere, die wie eine Kreuzungzwischen Fisch und Echse aussahen und ihnaus dem Wasser heraus anglotzten. Corpkorhatte so gut wie keine Erfahrung mit Fi-schen, denen bei diesen Tieren fehlte einwichtiges Mittel der Kommunikation, näm-lich eine Verständigung durch Laute. Und erbesaß keinerlei Geräte, mit denen er Unter-wasserschwingungen exakt hervorrufenkonnte.

»Verdammter Sumpf!« sagte er laut.Der Vogel, der ihm den Weg gezeigt hat-

te, kreiste verdrossen in der Luft und landetedann in einem anderen Teil des Sumpfes.

Der Tiermeister strich über sein zernarb-tes Kinn, strich sich die nassen Haare in denNacken und zog die Waffe. Er stand amRand der sandigen Insel. Zwischen ihm unddiesem Teil des gegenüberliegenden Ufersströmte relativ klares Wasser vorbei. Etwadreißig Meter Entfernung, ein leicht zu be-wältigender Zwischenraum. Corpkor lachtekurz, dann richtete er die Waffe auf den

Wasserspiegel und drückte ab. Ein donnern-der Krach, dann entstand unter Wasser eineDampf blase, eine Fontäne kochenden Was-sers erhob sich. Der Dampf explodierte inweißem Gischt. Der Tiermeister sah zufrie-den, wie die schwerfälligen Tiere nach allenSeiten auseinanderstrebten, dann schaltete erdie Waffe aus, steckte sie ins Hemd undwarf sich mit einem gestreckten Hecht-sprung ins Wasser.

Er kraulte mit schnellen Bewegungen hin-über, wurde mit der Strömung mitgenom-men und kam genau dort an Land, wo er ge-plant hatte. Seine Schritte knirschten übereinen schmalen Kiesstreifen.

»Das ist glatt gegangen!« murmelte er,drückte das Wasser aus dem Haar und warfden schweren Schopf in den Nacken.

Er starrte auf die Pflanzen, die sich vorihm erstreckten. Sie waren verdächtig grünund saftig. Er sah keinerlei Spuren. Vermut-lich erstreckte sich unterhalb der Pflanzen-decke ein tiefer Sumpf. Der Tiermeisterbückte sich, hob den größten Stein auf undwarf ihn an eine bestimmte Stelle.

Das Geräusch sagte ihm, daß der Bodeneinigermaßen fest war.

Dazu kam, daß in etwa hundert SchrittenEntfernung einige Büsche und, was wichti-ger war, ein ziemlich starker Baum wuch-sen. Corpkor wußte, daß er ein Risiko ein-ging, aber er wagte es. Sein Brustkastendehnte sich, als er tief Luft holte als Zeichenseines Entschlusses. Dann warf er sich vor-wärts und nützte einen alten Trick aus. Jeweniger und je kürzer er den Boden belaste-te, desto weniger würde er einsinken.

Er spurtete über die Fläche und trat je-weils mit der gesamten Sohle auf. Er spürte,daß der Boden nachgab, aber die dickenGräser dämpften diesen Effekt. Er rannte umsein Leben, wurde noch im Laufen schnellerund sah, wie sich Büsche und Baumstammvergrößerten, wie er näher und näher kam.Dann warf er sich förmlich an den Stammund hielt sich schweratmend fest.

»Wieder einmal das Schicksal ein bißchenüberlistet!« murmelte er und beruhigte sich

28 Hans Kneifel

Page 29: Jagdplanet des Unsterblichen

ziemlich schnell. Auf diese oder ähnlicheWeise würde es weitergehen. Er warf einenBlick in die Richtung, in der er das Raum-schiff gesehen hatte, dann zuckte er gleich-mütig mit den Schultern.

Von seinem jetzigen Standort aus war esnicht zu erkennen.

Nach zwanzig weiteren Schritten begannein neuer, träge fließender Flußarm, einervon Hunderten, die sich durch das Deltaschlängelten.

Aber dieses Stück Wasser war eine dun-kelbraune Brühe, auf der gärende und stin-kende Pflanzenreste trieben wie dickerSchaum.

»Kein Sumpf also, sondern ein Stück,durch das ich schwimmen werde!« ver-sprach sich Corpkor grimmig. Er fühlte einekalte Wut auf denjenigen oder diese Macht,die das Schiff zum Absturz gebracht und ihnaus der Steuerkabine herausgerissen undhier abgesetzt hatte.

Mit zehn weiten, kraftvollen Sprüngensetzte er über das weiche Gelände, verließdas letzte feste Stück Boden und sprang indie dunkle Masse hinein. Sie wich mit plat-schenden Geräuschen auseinander. Blasenkamen von unten und platzten mit dumpfenTönen. Zuerst fühlte er noch schlüpfrigenGrund unter den Sohlen, dann zertrat er fau-lende Holzstücke oder ähnliche Dinge, dannmußte er schwimmen. Aber er kam gut vor-an, abgesehen davon, daß sich sein gesamterKörper mit einer zähen, stinkenden Masseüberzog. Der Tiermeister kämpfte sich mithalb schwimmenden, halb gehenden Bewe-gungen durch die Sumpfmasse und erkanntevoraus eine längliche Insel.

Sie erstreckte sich in der Richtung, in derer sich fortbewegen mußte, um das Schiff zuerreichen. Lautlos fluchend erreichte erschließlich die Spitze der Insel und blieb ste-hen. Zwei Schritte vorwärts.

Er zog eine schwarze, tropfende Spur hin-ter sich her. Trotz seines Grimms mußte erlachen. Als nächstes wünschte er sich klaresWasser, möglichst kalt und reißend, aber zu-erst ging er geradeaus über die Insel. Er

stapfte durch Büsche und durch hoheSumpfgräser, deren Kolben platzten und ihnmit Millionen federartiger Sporen oder Blü-tenteile überschütteten. Teilweise streiftendie Blätter die schwarze, zähe Masse ab,aber an die restlichen Stellen hefteten sichdiese Pflanzenteile. Sogar in die Nasenlö-cher und die Ohren drangen sie ein, als wä-ren es wütende Insekten. Die gab es auchnoch, aber der durchdringende Gestank desMoorschleims schien die Plagegeister zuvertreiben. Sie bildeten eine große Wolke,die ihm folgte wie sein eigener Schatten. DieInsel war hundert Meter lang, und erstaunli-cherweise lief an ihrem jenseitigen Ende tat-sächlich ein schmaler, aber tiefer Bachlaufentlang.

Nur die Galaxis mochte wissen, woherdieses Wasser kam.

Corpkor warf sich mit wohligem Grunzenin das Wasser und tauchte den Kopf mehr-mals unter.

Von seinem Körper strömte die schwarzeBrühe mit dem fließenden Wasser ab. Corp-kor hob den Kopf und sah diesen verblüffen-den Effekt. Er blieb liegen, drehte sich undsah die weißen Federn der Samenträger auf-tauchen und bachabwärts schwimmen. Alssein langer Körper und seine Kleidung keineschwarzen Bahnen mehr hervorriefen, stander langsam auf und blieb einen Augenblicklang auf Händen und Knien im kühl strö-menden Wasser. Er griff ins Hemd und holteden Strahler hervor, tauchte ihn unter undwusch auch ihn.

Dann drehte er sich halb herum und ver-suchte, aufzustehen.

Und sah sich einem großen, hundeähnli-chen Wesen gegenüber, das sich gerade aufihn stürzen wollte …

Das Tier stieß ein drohendes Knurren aus.Ein Raubtier … aber das breite Band um denmuskelstarrenden Hals bewies, daß es dome-stiziert worden war. Augenblicklich antwor-tete der Tiermeister und Kopfjäger mit ei-nem anderen Geräusch. Es war das»Demutswinseln« des hoffnungslos Unterle-genen.

Jagdplanet des Unsterblichen 29

Page 30: Jagdplanet des Unsterblichen

Das Tier, eben noch gewillt, sich auf Cor-pkor zu werfen, erstarrte mitten in der Be-wegung. Nur der lange Pantherschwanz be-wegte sich und zeigte die herrschenden Ver-haltensmuster des Hundes an.

Das Tier war verwirrt.Langsam erhob sich der Tiermeister zu

seiner vollen Größe und winselte weiter. Erentsicherte, ohne hinzublicken, den Strahlerund schaltete ihn ein. Er war gefaßt darauf,daß die Waffe sich erhitzen und er sie würdewegschleudern müssen, aber nichts geschah.Ohne seinen Blick aus den Tieraugen zu lö-sen, versuchte er, einen fragenden Laut aus-zustoßen. Er brauchte mehr akustische Infor-mationen.

Das Tier war wie er schlammbespritzt undabgehetzt. Die muskulösen Flanken hobenund senkten sich.

»Das, Corpkor«, murmelte der Arkonideleise zu sich selbst, »ist ein riesiger Jagd-hund. Das ist deutlich zu erkennen.«

Zuerst wich das Tier seinem bohrendenBlick aus.

Aber noch immer stand es am selbenFleck und war bereit, ihn anzuspringen. EinSchuß genügte, um diese Gefahr zu beseiti-gen, aber Corpkor wollte mehr. Er versuchtees auf gut Glück mit einer geschnalztenTonfolge, die Empfindungen ausdrückte, diediesem Tier eigen sein mußten. Er wechselteaugenblicklich in die akustischen Anforde-rungen eines solchen Tieres; er kannte Jagd-hunde besser als jeder andere im Makrokos-mos und im Mikrokosmos.

Er drückte folgende Empfindungen aus –oder versuchte es jedenfalls:

Jagdlust. Verfolgen und Stellen der Beute.Freundschaft innerhalb des jagenden Rudels.Anstrengungen. Lauf und Hetze. Schließlichder Triumph, der sich einstellte, wenn dieBeute erlegt war.

Das Tier stellte die Ohren hoch, wedeltewie besessen mit dem langen Schwanz undschnalzte dann zurück.

Ich Mottizzer.Wenigstens verstand Corpkor diesen Be-

griff oder diesen Namen. Er sah ein wenig

klarer, was das Verständigungsmittel betraf.Noch immer stand er bis über die Knie imreißenden Wasser, das seine Wut nicht küh-len konnte. Aber die neue Aufgabe, die desRätsels Lösung enthalten konnte, verdrängtealles andere.

Die beiden Wesen starrten sich an. Immerwieder aber drehte der Hund den Kopf weg.Er hechelte und war sichtlich stark verunsi-chert.

Corpkor versuchte es und schnalzte lang-sam und so deutlich, daß Raum für Deutun-gen durch eine niedrige Intelligenz möglichwar:

Ich Corpkor. Ich Freund aller Tiere. Ichviel Verständnis. Freundschaft.

Offensichtlich hatte das Tier zu tun, umalles zu verstehen und umzusetzen. Einedrohende Pause entstand.

Dann hörte der Tiermeister zu seiner Ver-blüffung, wie das Tier schnell schnalzte:

Mottizzer soll Corpkor finden und zumJagen treiben.

Mit intuitiver Sicherheit begriff der Mann.Er wußte, wie er mit dem Tier zu»sprechen« hatte, und was der Jagdhundmeinte.

Ein schneller Dialog begann. An den Ant-worten in der eigentümlichen Kunstsprache,die dem Kehlkopf des halbintelligentenJagdtieres angepaßt waren, merkte der Tier-meister, daß er es mit einem geschulten, her-vorragend auf Jagd und Hatz trainierten Tierzu tun hatte.

Ich bin kein Feind.Mein Herr hat dich gefunden und hierher

gebracht.Ich bin dein Freund.Ich muß dich suchen und stellen.Aber dein Herr will mich töten.Das ist sicher.Tötest du den Sohn deiner Mutter?Nein. Mein Bruder.Ich bin der Bruder deines Herrn.Er nennt sich Partner.Ich bin nicht Partner. Ich bin fremd hier

und dein Freund.Ich darf nicht Freund sein.

30 Hans Kneifel

Page 31: Jagdplanet des Unsterblichen

Warum?Mantraroggin, der Partner-Jäger gibt

mir die Befehle und Essen.Ich gebe dir mehr.Was kann für mich mehr sein?Freundschaft. Wir sprechen wie Brüder!Komm aus dem Wasser heraus.Warum?Ich will sprechen. Du hast eine Waffe.

Ich Feind. Warum du nicht schickst Tod ausdem Rohr?

Ich bin dein Freund, nicht dein Töter.Nicht töten?Nein. Nur dann, wenn du mich angreifst!Corpkors Verwunderung stieg. Er hatte

Tiere gezüchtet und besessen, die gelehrigerwaren, und mit denen er bessere Kontaktegehabt hatte als mit diesem großen, offen-sichtlich einer Mutation entsprungenenJagdhund. Aber irgendwie faszinierte ihndas Tier. Er steckte mit einer übertriebendeutlichen Bewegung den Strahler, zwarnoch immer entsichert und schußfertig, zu-rück in den nassen Ledergürtel. Dann wateteer aus dem Bach hinaus und schob das trie-fende Haar zurück.

Er wandte, risikofreudig, wie es die Situa-tion erforderte, einen weiteren Trick derAnimalpsychologie an. Er kauerte sich aufdie Hacken, und somit befand sich sein Kopfauf genau derselben Höhe wie der kantigeSchädel des Tieres.

Der Dialog ging weiter.Corpkor dachte an das Raumschiff und

fragte:Warum bin ich hier im Sumpf?Mantraroggin dich ausgesetzt. Er Jäger.Und die anderen?Auch ausgesetzt.Ein Mann mit gelbem Metall am Ober-

körper?Partner verfolgt ihn.Eine Frau? Eine Partnerin für Jäger wie

Hündin für dich?Tot. Raubtier. Zerrissen.Corpkor schrak zusammen. Mühsam

wahrte er die Beherrschung. Also war ent-weder die Haitaschar oder Ischtar, die Gol-

dene Göttin, zerfleischt worden. Er würdeherausfinden, was geschehen war. Nochnicht jetzt; anderes war wichtiger.

Er fragte:Herausgeschafft aus Raumschiff?Ja. Partner-Herr getragen, dann mit Flu

kästen geflogen. Fünfmal angehalten.Die Tiere in dem Raum?Ich Befehl. Hinausgeschleppt. Vielleicht

getötet oder weggelaufen. Oder im Wassertot.

Seine kleine, sorgfältig ausgesuchte Tier-armee war also abzuschreiben. Die Tiere,ebenso wie sie alle im Übergangsschock der»Absoluten Bewegung« erstarrt, waren ausdem Schiff geworfen worden und, mit Aus-nahmen vielleicht, elend verendet. In dieserSekunde schwor sich der Tiermeister, denunbekannten Jäger ebenso sterben zu lassen.Er bezwang sich und erkundigte sich weiter:

Ich. Zwei Frauen. Kleiner Mann mitgroßem Messer im Gurt. Und der Schlanke,der wie Wasser aussieht?

Er meinte Eiskralle.Im Dschungel. Ausgesetzt. Später Jagd.Auch auf mich?Auf alle. Unsterblicher Jäger. Immerja-

gen auf Xermatock.Corpkor begriff. Der Unsterbliche, also

mit Sicherheit ein Vargane, hatte Eiskralleund Fartuloon, Haitaschar und Ischtar undihn ausgesetzt, um sie nacheinander zu jagenwie Raubtiere oder Wasserbüffel. Er fühlte,wie ihn einige Sekunden lang schwindelte.Dies war die Perversion der Jagd. Sadismusin der Mikroweit. Xermatock, so hieß wohldiese Welt. Ein Dschungelplanet, auf demMantraroggin jagte.

Dagegen war der arkonidische Despot,der Atlan jagen ließ, ein unbedarfter Stüm-per.

Mit Anstrengung unterdrückte der Tier-meister das Gefühl, das zusammengesetztwar aus Ekel, Abscheu, Verwunderung undSchmerz darüber, daß denkende Wesen ineinem solchen Maß entarten konnten. Erselbst würde dafür sorgen, daß diese makab-re Jagd die letzte Hatz von Mantraroggin

Jagdplanet des Unsterblichen 31

Page 32: Jagdplanet des Unsterblichen

werden würde. Aber zu diesem Zweck wa-ren noch einige wichtige Schritte zurückzu-legen. Der erste lag klar vor ihm, und nurder Weg war unklar.

Er schnalzte schnell und im Tonfall dergrößten Dringlichkeit:

Mein Freund Mottizzer!Ich Freund, ja.Bring mich zu meinem Schiff.Kann ich es wagen? Jäger-Partner wird

strafen!Ich werde es ihm nicht sagen. Hilf mir.

Ich bin in Not. Ich bin dein Freund!Ich helfe. Komm!Der Hund sah zu ihm auf, als er sich er-

hob. Dann führte ihn Mottizzer auf Umwe-gen, aber immer über trockenes und festesLand, zum Raumschiff der schönen Varga-nin. Auf diesem Weg erfuhr Corpkor alles,was geschehen war … bis zu dem Augen-blick, da der Jäger den Hund geschickt hatte,um ihn zu stellen und den letzten Abschnittder Jagd einzuleiten.

Am späten Nachmittag erreichte das un-gleiche Paar das Doppelpyramidenschiff.

Corpkor betrat es durch die aufge-schweißte Einstiegsschleuse. Er ließ denHund zurück.

7.

Ich begreife. Da ist Gesetz. Regel des Le-bens. Der Bruder tötet nicht den Bruder.Nur ein Wahnsinniger tötet ohne Not und tö-tet seinesgleichen.

Aus dem »Dialog« Corpkor – Mottizzer

Als Corpkor nach einer Stunde wieder ausder Schleuse kroch, hatte er sich in zweifa-cher Hinsicht verändert. Nicht äußerlich,sondern in seiner inneren Einstellung.

Zunächst war er niedergeschlagen undmehr als nur deprimiert. Er hatte einen er-sten Anfall von echter Daseinsangst.

Das Schiff der Goldenen Göttin war, ein-schließlich der Beiboote, nicht viel mehr alsein Wrack!

Mit diesem Haufen glänzenden Schrottswürden sie nicht mehr von Xermatock star-ten können.

Corpkor schrie einen ordinären Fluch hin-aus. Er mußte sich abreagieren.

Er selbst hatte geduscht, gegessen, einehalbe Flasche Alkohol in sich hineinge-schüttet und sich dann ausgerüstet. Er würdees mit einer halben Armee aus lauter un-sterblichen varganischen Jäger aufnehmenkönnen. Alles, was er an intakten und imAugenblick benötigten Maschinen im Schiffgefunden hatte, war ein zerbeulter Gleiter.

Dies war die eine Veränderung.Die zweite war anderer Natur. Er ver-

mochte es nicht, Menschen gegenüber grö-ßere Mengen von Gefühlen zu verschleu-dern. Es hatte sich bisher nicht gelohnt.Aber er war im Augenblick nicht mehr län-ger gleichgültig und ausgewogen. Er wollteversuchen, die anderen Überlebenden zu ret-ten, und er würde auf alle Fälle versuchen,diesem pervertierten Jäger das Vergnügen sozu vergällen, daß Mantraroggin noch in derSekunde seines Todes wahnsinnig vor Ent-setzen sein würde.

Die Belohnung für Mottizzer:Ein riesiges Stück Fleisch aus den Bord-

speichern, in stärkstem Alkohol eingeweichtund eigentlich dazu bestimmt, die VarganinHaitaschar auf dem Umweg über ein exzel-lentes Essen zu erobern. Corpkor rutschtedie schräge Fläche der Bordwand hinunterund hockte sich nieder.

Das ist für dich, mein Freund! schnalzteer.

Er kannte die Wirkung von Alkohol aufeinen lebenden Organismus, der dieses Sti-mulans nicht gewohnt war. Er selbst war,ohne die Selbstkontrolle verloren zu haben,etwas betrunken. Es würde ihm helfen, dieBarriere des gewaltsamen Todes und Ster-bens anderer Lebewesen niederzureißen, diees für ihn als Tierliebhaber und Animalpsy-chologen gab. Er drängte seinen alten Berufwieder an die Oberfläche seines Bewußt-seins.

Kopfjäger. Prämiensöldner!

32 Hans Kneifel

Page 33: Jagdplanet des Unsterblichen

»Verfluchter Vargane!« heulte er auf undfeuerte einige Schüsse schräg in die Luft.

Gutes Fressen! schnalzte der Hund begei-stert.

Will ich meinen! gab Corpkor zurück, saheinige Sekunden lang zu, wie der Hund denLeckerbissen abfetzte und herunterschlang,dann ging er ins Schiff und kurbelte dieSchleusentür eines kleinen Hangars auf. Erstieg in den Gleiter und schwebte um dashalbe Wrack zurück, landete neben Mottiz-zer.

Corpkor riß die zerbeulte Tür auf undschnalzte dem Hund zu:

Ich bin bereit!Dann wartete er einige Sekunden lang. Er

war einigermaßen sicher, den Jagdhund desVarganen für sich und seinen Zweck gewon-nen zu haben. Das galt bestimmt für dieZeit, in der sie beide allein waren. Es konntesich schlagartig ändern, wenn der Jäger er-schien.

Ich kommel schnalzte der Hund undsprang auf den Nebensitz. Der Gleiter hobsich summend und schwebte dann langsamlos. Corpkor blickte starr in die dunklenTieraugen.

Wohin?Hinter den Bäumen auf der steinernen

Platte! war die Antwort des Tieres.Das komplizierte tierpsychologische Ex-

periment schien gelungen zu sein. Corpkoridentifizierte die Richtung und jagte denGleiter dorthin. Schon nach wenigen Sekun-den Steigflug sah er das kleine Schiff desUnsterblichen. Er steuerte den Apparat di-rekt dorthin und erkundigte sich:

Dein Herr? Ist er im Schiff?Nein. Sicher.Der Hund würde den Varganen gewittert

haben. Corpkor steuerte die Maschine umdas Schiff herum und erkannte, daß es tat-sächlich verlassen war. Die Rampe war aus-gefahren, die Schleuse war durch ein Metall-gitter verschlossen. So kam Luft in dasSchiff, und Tiere blieben außerhalb. DerGleiter landete neben der Schleuse.

Du warnst mich, wenn Mantraroggin

kommt? erkundigte sich der Tiermeister vor-sichtig. Er erkannte klar das Risiko, das Tieraus dem engen Bezugsnetz zu seinem Herrnherauszureißen. Er hatte nicht viel Zeit, dieEinwirkung so massiv zu gestalten, daß dasTier ihn als alleinigen Meister ansehen wür-de. Er stieg aus und zog die Waffe.

Ich warne ihn und dich!Corpkor war mit einigen schnellen Schrit-

ten an der Sperre. Der Alkohol in seinemBlut machte ihn kühn, aber keineswegsleichtsinnig. Er fand den einfachen Schalter,drückte ihn, und rasselnd schob sich das Git-ter auf. Dahinter war eine Hochfrequenz-Insektenabwehr, die er mit einem Schrittüberwand. Dann flammte das Licht auf.

»Eines ist sicher«, sagte Corpkor. »Ichwerde den Jäger auf seinem eigenen Jagdge-biet festhalten.«

Er wußte, daß sich Raumschiffe verschie-dener raumfahrender Völker nicht grund-sätzlich voneinander unterschieden. Meistlag die Steuerzentrale im Mittelpunkt desSchiffes. Abgesehen davon unterschiedensich die zwei Schiffe – das Schiff des Jägersund das von Ischtar – kaum wesentlich von-einander. Corpkor stürmte durch die Hallenund Gänge des Schiffes, schaltete die Lich-ter ein und stand plötzlich in der Steuerzen-trale. Er suchte seine Ziele und feuertemehrmals in die wichtigsten Geräte hinein.Es mußten nur einige wichtige Schaltungenzerstört werden. Sie waren vermutlich zu re-parieren, aber keineswegs in kurzer Zeit.

Corpkor nahm einen Kabelstrang ins Zielund feuerte. Rauch und Flammen schlugenaus der brennenden Isolation, dann knatter-ten die Lichtbogen auf. Corpkor wußte jetztdefinitiv, daß das Schiff in den nächstenWochen nicht starten konnte.

Das war sein erstes Problem gewesen.Jetzt kam der zweite, ebenso dringende

Problemkomplex. Wo waren die anderen,lebten sie noch, und wie waren sie zu retten?

Er verließ, nachdem er das Löschsystemhatte in Tätigkeit treten sehen, die Zentraleund tauchte wieder auf der Rampe auf. Hin-ter ihm rasselte das Schutzgitter wieder vor

Jagdplanet des Unsterblichen 33

Page 34: Jagdplanet des Unsterblichen

den großen Eingang. Der Hund stand auf derSchnauze des Gleiters und drehte unruhigden Schädel. Witterte er etwas?

Der Tiermeister lief die Rampe hinunterund blieb stehen.

Du bringst mich dorthin, wo Mantrarog-gin jagt?

Er würde noch etwa zwei Stunden Son-nenlicht haben. In dieser Zeit mußte er ver-suchen, Fartuloon, Eiskralle und die Varga-nin zu finden. Und natürlich den wahnsinni-gen Jäger aus der Eisigen Sphäre.

Der Hund sprang mit einem Satz von derMaschine und scheuerte seine Schulter anCorpkors Knie. Er heulte und winselte auf-geregt. Dies waren Laute ohne deutlicheAussagen, aber sie zeigten dem Tiermeister,daß das Tier seine Sicherheit verloren hatte.Es war nicht mehr länger an Mantraroggingebunden – aber noch lange nicht an ihn,Corpkor.

Dorthin, ja! Jagd!»Dann fliegen wir!« knurrte der Arkonide

und rieb mit dem Handrücken über sein zer-narbtes Gesicht. Er richtete seinen düsterenBlick auf den Hund und sah zu, wie das Tierin den Gleiter sprang. Aufmerksam die Um-gebung betrachtend, ging Corpkor um dieMaschine herum, schloß die Türen undblickte durch die Frontscheibe zum Himmel.

Nachmittagsvögel, sehr viel! schnalzte derHund aufgeregt. Corpkor spürte die scharfe,animalische Erregung; das Tier hatte einstarkes Erlebnis mit diesen Vögeln hintersich. Mit Sicherheit hing es mit der gemein-samen Jagd zusammen. Der Gleiter erhobsich und schwebte auf den fernen Dschungelim Norden zu.

Wo jagt Mantraroggin?Der Hund blickte starr in eine bestimmte

Richtung. Geradeaus, dorthin, wo der Randdes Dschungels lag. Corpkor trat den Be-schleunigungshebel ganz durch und steuertein mittlerer Höhe auf den Dschungel an.Überall waren diese großen Vögel mit densichelförmigen Schwingen zu sehen, aberüber einem bestimmten Teil des riesigenWaldes kreisten sie in größerer Zahl.

Dort Jagd, wo Nachmittagsvögel sind.»Verstehe, Partner!« knurrte der ehemali-

ge Kopfjäger und versuchte sich vorzustel-len, was er hundert oder hundertfünfzig Me-ter unterhalb der kreisenden Vögel findenwürde.

Der Gleiter mit den beiden ungleichen In-sassen raste über die Sumpfflächen undFlußläufe, die Inseln und die stinkenden undblasenwerfenden Tümpel, die im schwin-denden Licht fast purpurn leuchteten. Je nä-her Corpkor der bezeichneten Stelle desDschungels kam, desto mehr stieg seine Un-ruhe.

Der Gleiter folgte jetzt dem breitestenFlußteil des Deltas, änderte kurz die Rich-tung, befand sich plötzlich über dem Flußund schwang sich über ihn hinweg. Dannglitt unter ihm die Geröllwüste hinweg, diesich mit Tieren bevölkerte. Sie kamen inkleinen Rudeln aus dem Dschungel und nä-herten sich sternförmig dem Wasserloch.Der Gleiter ging abermals tiefer, und in derKabine waren nur die hechelnden Laute desHundes und die schweren Atemzüge des Ar-koniden zu hören.

Dann kniff Corpkor plötzlich überraschtdie Augen zusammen.

»Es brennt!« rief er verblüfft.Er erinnerte sich und schnalzte schnell:Feuer im Dschungel!Blitzartig entsann er sich daran, daß der

wahnsinnige varganische Jäger auch ihmeinen Strahler überlassen hatte. Vermutlichverteidigte sich dort einer von den Freundengegen den Jäger.

Jagd. Schüsse. Holz brennt, schnalzteMottizzer zurück.

Wie elektrisiert umklammerten die kräfti-gen Finger des ehemaligen Kopfjägers dieGriffe der Steuerung. Der Gleiter verließ dieFlughöhe, in der die Raubvögel kreisten undstach in schräger Flugbahn auf den Ort zu,an dem an mehreren Stellen ein Teil desDschungels brannte. Die Flammen fandengute Nahrung, aber Holz und Blätter warenfeucht und entwickelten ungeheure Mengenvon grauem Rauch. Das Sausen des Fahrt-

34 Hans Kneifel

Page 35: Jagdplanet des Unsterblichen

winds machte jede Unterhaltung unmöglich.Mit bohrendem Blick kauerte der Tiermei-ster vor der Steuerung und starrte durch dieFrontscheibe, deren Fläche von zerschmet-terten Insekten übersät war.

Zu schnell, schnalzte der Hund, dannheulte er voller Panik auf. Wie ein Geschoßjagte die Maschine auf die Büsche zu. AberCorpkor fing sie rechtzeitig ab, gab vollenBremsschub und rammte dann die spitzeSchnauze des Gleiters genau dort, wo sichder meiste Rauch hochkräuselte, zwischenden Büschen hindurch. Brummend bewegtesich der Gleiter vorwärts. Er entwurzeltekleine Bäume, zerfetzte Büsche und brachÄste und Zweige ab.

Eine Reihe Baumstämme hielt die Fahrtauf.

Die Rinde der Stämme brannte mit winzi-gen Flämmchen, die an den Spitzen Rauch-fahnen produzierten. Corpkor kümmertesich nicht mehr um den Hund. Er öffnetebeide Türen, schaltete den Gleiter ab undgriff nach den Waffen.

Er sprang seitlich aus dem Gleiter hinaus,rollte sich auf dem Waldboden ab und kamzwischen feuchten Stellen, Brandflächenund zischenden Blättern wieder auf die Bei-ne. In der Hand hielt er einen schwerenStrahlenkarabiner, mit dem er nur mühsameinhändig schießen konnte. Die Waffe warentsichert und auf höchste Intensität ge-schaltet.

Corpkor rannte auf einen Baumstamm zu,der auf einer Hälfte brannte, holte Luft undbrüllte aus Leibeskräften:

»Fartuloon! Haitaschar! Ischtar! Eiskral-le!«

Er sah zwischen den einzelnen Rauchwol-ken und den Stämmen, zwischen brennen-dem Gesträuch und Flammenspeeren eineGestalt von links nach rechts rennen wie vonFurien gehetzt.

Er warf sich herum, hob mit beiden Hän-den die schwere Waffe und versuchte, zu er-kennen, wer dort rannte.

Er erhaschte nur einen flüchtigen Blickauf eine schlanke, hochgewachsene Gestalt,

die in einen Anzug aus sandfarbenem Zeuggekleidet war. Keiner der Freunde trug sol-ches Zeug. Ehe er reagieren und auf denfremden Jäger feuern konnte, verschwandder Mann hinter den Rauchwolken und denStämmen des Regenwaldes. Corpkor schrienoch einmal die Namen seiner Freunde.

»He! Wo seid ihr! Gebt Antwort!« schrieer.

Undeutlich nahm er das verwirrte Kläffendes Hundes wahr. Das Tier raste irgendwodort vorn in dem Inferno aus knisterndenFlammen und brodelndem Rauch umher undsuchte entweder ihn, die Jagdopfer oder sei-nen alten Herrn.

Von fern kam eine Stimme, offensichtlichdurch einen Trick abgelenkt:

»Hier ist Fartuloon! Wer ruft?«Der Tiermeister rannte genau in die Rich-

tung, die sich anbot, wenn er die vermuteteStelle und diejenige, von der der Schall kam,miteinander verband. Er blickte wild umsich und spurtete durch Rauch, rutschte aufnassen Pflanzen aus, sah Pilze, aus denenorangefarbene Stichflammen bis in eine Hö-he von einigen Metern fuhren und brüllte:

»Corpkor! Ich helfe euch!«Er duckte sich unter einem dicken Ast.

Ein Bündel, bestehend aus brennenden Fe-dern und wild um sich schlagenden Glied-maßen fiel zwischen seine Schulterblätterund hackte mit einem scharfen Schnabelnach seinem Nacken. Er packte den bren-nenden Vogel mit einer Hand und schleuder-te ihn ins Gebüsch.

»Hierher, Corpkor!« schrillte jetzt eineweibliche Stimme. Sie schrie von weitrechts.

Corpkor rannte weiter. Wieder erschienzwischen den braunen und schwarzfeuchtenBaumstämmen die sandfarbene Jagdklei-dung. Dies mußte der pervertierte Varganesein. Corpkor blieb stehen, hob die Waffeund zielte dorthin, wo der flüchtende Schat-ten auftauchen mußte.

Nichts!Kalte Wut beherrschte ihn. Er schickte

einen Schuß um den anderen in die Nähe der

Jagdplanet des Unsterblichen 35

Page 36: Jagdplanet des Unsterblichen

Stelle, an der er die Gestalt gesehen hatte.Rechts und links, genau in dieses Ziel,knapp darüber und wieder zwischen den na-türlichen Hindernissen hindurch.

Die Entladungen röhrten auf. Dort, wo dielangen Strahlen einschlugen, entstanden ste-chend helle Lichterscheinungen. Die Deto-nationen rissen Rinde und Holz auseinanderund pulverisierten sie, der Druck verwandel-te Blätter in grüne Masse, entzündete diePflanzen. Wieder heulte der Hund auf, alsdrehe man ein Messer in seinen Eingewei-den herum.

»Wo seid ihr, Fartuloon?« schrie Corpkorund rannte weiter in die einmal eingeschla-gene Richtung.

Nach dreißig Schritten, nach einem rasen-den Zickzacklauf zwischen Stämmen undbrennenden Lianenvorhängen, schrie jemandvon links:

»Hier!«Corpkors Reflexe waren hervorragend. Im

selben Moment ließ er sich fallen und drehtenoch in der Bewegung die Waffe in dieseRichtung. Aber jetzt sah er zwischen rau-chenden Pflanzen tatsächlich den gelbenHarnisch und darüber den kahlen Schädelmit dem Bart.

Es war Fartuloon!Langsam stand der Kopfjäger auf, senkte

den Lauf der Waffe und hob die rechte Handbis in Kopfhöhe. Er ging auf Fartuloon zuund fragte laut:

»Wer ist bei dir?«Fartuloon zog ihn mit sich durch einen

Vorhang aus Pflanzen. Hinter einem dickenBaumstamm kauerte Ischtar auf den Knienund hielt den Strahler in beiden Händen.Von hier also hatten sie gerufen.

Corpkor schwang sich über den Stammund sagte, sich Schweiß und Ruß aus demGesicht wischend:

»Jetzt sind wir zu dritt. Ich weiß, wo dieSchiffe liegen, seines und unseres. Und ichweiß, daß Haitaschar tot ist, vermutlich voneinem Raubtier angefallen und zerfleischt.«

Die beiden anderen, die jetzt seine Handschüttelten und ihn auf die Schulter schlu-

gen, waren im Gegensatz zu ihm einigerma-ßen erschöpft.

Ischtar fragte unruhig:»Wie kannst du das wissen?«Gleichzeitig erkundigte sich der Bauch-

aufschneider:»Und wo ist Eiskralle?«Corpkor sagte ihnen in wenigen Sätzen,

was geschehen war. Als er schilderte, daßein Hund sie zu Eiskralle führen würde, hör-te er hinter sich ein Rascheln und Knistern.Sie fuhren alle drei herum, und genau in die-sem Augenblick sprang Mottizzer fast waag-recht über den Stamm. Corpkors Waffezuckte hoch, der Lauf traf den Strahler Far-tuloons und schlug ihn in die Höhe. DerSchuß fuhr harmlos in die Baumkronen.

»Das ist der Hund des perversen Varga-nen!« erklärte Corpkor und schnalzte laut:

Dein Partner? Geflohen?Der Hund war rußbedeckt, hatte kleine

Brandwunden und war vom Wasser undvom eigenen Schweiß naß. Er sprang aufCorpkor zu und schnalzte:

Partner geflüchtet. Maschine. ZumSchiff!

Mit schweigendem Erstaunen betrachte-ten Fartuloon und Ischtar den Hund. Sie wa-ren nicht nur erschöpft, sondern auch be-drückt. Haitaschar war tot, und sie würdeneinige Zeit brauchen, um diesen Umstand zuakzeptieren.

»Was ist das, Corpkor? Doch nicht einesdeiner Tiere?«

Corpkor schüttelte den Kopf und erklärte:»Meine Tiere sind ebenso wie wir aus

dem Schiff gebracht worden. Aber währendwir an verschiedenen Stellen aufwachten,warf man die Tiere in den Fluß. Sie starben;ich fand keines mehr.«

»Dieser Hund hier …?«»Es ist der dressierte und sprachfähige

Hund des Varganen, der uns jagte«, sagteder Tiermeister. »Er hat mir eben mitgeteilt,daß Mantraroggin, so heißt dieses Scheusal,mit dem Gleiter geflüchtet ist. Zu seinemRaumschiff.«

»Ich begreife nicht alles!« murmelte Isch-

36 Hans Kneifel

Page 37: Jagdplanet des Unsterblichen

tar halb betäubt.»Der Hund verfügt über eine einfache

Sprache. Ich kann mich mit ihm verständi-gen.«

Corpkor tätschelte den Hals des Tieresund winkte.

»Ich habe einen Gleiter hier, aus deinemSchiff, Ischtar. Der Jäger ist zu seinemRaumfahrzeug geflohen und wird versu-chen, vom Planeten zu starten.«

Der Tiermeister lachte rauh auf. Er halfIschtar über den Baumstamm hinweg.

»Und?«»Er wird nicht starten können. Ich habe

wichtige Schaltungen zerstört.«Sie schwiegen, bis sie alle über den schüt-

zenden Baumstamm geklettert und durchden rauchenden, dampfenden Dschungel biszum Gleiter gelaufen waren, den Hund im-mer zwischen ihnen.

Dann erkundigte sich Fartuloon ruhig:»Was ist eigentlich passiert?«Er berichtete, während er den Gleiter mit

den vier Insassen rückwärts zwischen denzerfetzten Büschen herausmanövrierte, waser seit seinem Erwachen erlebt hatte.Schließlich beendete er seinen Bericht undsagte:

»Wir sind zweifellos auf einem Planeten,den der Vargane aus der Eisigen Sphäre alssein eigenes Jagdgebiet benutzt. Ihr werdetgemerkt haben, daß wir uns in einer perfek-ten Einöde befinden.«

»Wie erklärst du dir diesen Hund?«Auch das schilderte der Tiermeister. Der

Gleiter drehte und schwebte aus demDschungel hinaus. Die Schar der Nachmit-tagsvögel hatte abermals zugenommen, aberdann erkannten sie, daß diese riesigen We-sen nur über dem brennenden und rauchen-den Bereich des Waldes kreisten. Der Restdes Firmaments war frei von sichelförmigenSchatten.

»Es ist eine Mutation, wie vermutlich ei-nige Tiergruppen auf Xermatock. Es ist einhochbegabter, halbintelligenter Jagdhund. Ersuchte und fand euch und auch mich. Erwird uns auch an die Plätze führen, an denen

sein Partner Eiskralle und Haitaschar ausge-setzt hat.«

Fartuloon gelang es, sich zu entspannen.Aber Ischtar schaffte es noch nicht. Sie kau-erte verkrampft im Sitz des Gleiters, denCorpkor jetzt in die Richtung des Flußdeltassteuerte.

»Bist du sicher?« fragte Ischtar tonlos.»Vollkommen sicher!« erwiderte Corp-

kor.»Du warst in meinem Schiff?« fragte sie

weiter. Ihre Augen bettelten förmlich um ei-ne Lüge. Sie schien genau zu ahnen, wasCorpkor sagen würde.

»Ja.«»Und, wie sieht es aus?«Corpkor hob die Schultern und wich, in-

dem er die Maschine ruckartig durchsackenließ, einem der großen Vögel aus, der frontalangriff, weil er den Gleiter für ein Lebewe-sen halten mußte.

»Das Schiff, einschließlich der Beiboote,ist ein Wrack. Der Gleiter, in dem wir sit-zen, war alles, was ich finden konnte. Lichtund Innenversorgung funktionierten, wenig-stens in den Räumen, in denen ich war. Aberich glaube nicht, daß wir mit diesem Schiffstarten können.«

Fartuloon schob den Strahler in den Gür-tel und knurrte angriffslustig:

»Dann starten wir mit dem Schiff des Jä-gers. Nachdem wir Eiskralle geholt und Hai-taschar begraben haben.«

»Auch das wird nicht gehen. Ich habewichtige Elemente zerstört. Aber sie sind zureparieren.«

Ischtar schüttelte den Kopf und sagtedann vorwurfsvoll:

»Du bist ein Narr. Hoffentlich haben wirnoch eine Chance. Wenn wir es nicht mehrbenutzen können …«

Sie ließ den Satz unbeendet und schwieg.Der Gleiter raste über die Geröllebene undnäherte sich dem abgestürzten Schiff. Kurzbevor sie es erreichten, tauchte der untereRand der riesigen, roten Sonne in den Hori-zont ein.

»Nicht in unser Schiff, Corpkor! Wir stel-

Jagdplanet des Unsterblichen 37

Page 38: Jagdplanet des Unsterblichen

len den Jäger! Er muß uns helfen, ob er willoder nicht. Zu seinem Schiff, ja?«

Corpkor nickte. Er wandte sich halb umund schnalzte zu dem Hund nach hinten:

Du wirst ins Schiff deines Partners ein-dringen und ihn davon abhalten, uns zu tö-ten. Wir sind seine Brüder, und Brüder brin-gen sich gegenseitig nicht um. Versprochen?

Versprochen. Ja! schnalzte Mottizzer zu-rück. Fassungslos, obwohl sie Corpkors Fä-higkeiten längst kannten, sahen und hörtender Bauchaufschneider und die GoldeneGöttin zu. Fassungslos deswegen, weil Cor-pkor ihnen bisher immer nur Proben seinesKönnens mit seinen Tieren gegeben hatte,nicht mit fremden Wesen, die er kaum einenhalben Tag kannte.

Der Gleiter sackte tiefer und wurde danndicht über dem Boden auf den Fuß des Var-ganenschiffs zugesteuert, und er setzte ge-räuschlos neben der Rampe auf. Der Gleiterdes Jägers stand bereits hier. Das geöffneteGitter zeigte, daß sich der Unsterbliche imSchiff befand.

Los! Halte dein Versprechen! schnalzteCorpkor und klopfte Mottizzer vollerFreundschaft auf den Rücken.

Die Freunde zogen die Waffen und mach-ten sich bereit. Der Hund knurrte auf undentfernte sich mit weiten Sprüngen die Ram-pe aufwärts und verschwand im Schiff. Se-kunden vergingen, aus der stählernen Gruftvor ihnen kam nicht ein einziges Geräusch.

Sie betraten die Bodenschleuse.

8.

Rebellion bedeutet Tod. Verlassen derEisigen Sphäre in die andere Dimension istVerrat. Verrat kann nur mit Tod gesühntwerden.

Gebote für Bewohner der Eisigen Sphäre

An den Spuren hatte er gesehen, daß je-mand eingedrungen war. Aber Mantrarogginwarf seine langläufige Waffe in einen Win-kel und ging so vor, wie er es während der

Jagdunterbrechung geplant hatte.Der Start war nicht wichtig.Wichtiger war es, andere Jäger und seine

Freunde herbeizurufen. Er bog ab und ranntein die Funkabteilung. Mit fliegenden Fin-gern kippte er die Schalter, die Lampen undKontrollen leuchteten auf.

Endlich leuchtete auch die Skala auf, dieihm bewies, daß Funkkontakt mit der Hei-mat bestand. Er bog das Mikrophon herunterund begann zu sprechen.

Er schilderte, wo er sich befand.Dann gab er die Kennzeichen des Gebie-

tes durch, in dem sein Schiff stand. Er be-richtete, was geschehen war, und daß er sei-ne Jagd hatte unterbrechen müssen. Die Jag-dopfer hatten sich unerwartet hart gewehrt.

Er bat um schnelle Hilfe und sicherte eineinmaliges Jagdvergnügen zu. Eine Jagd, diebereits eine Rebellin getötet hatte. Und dieJagd auf die zweite Rebellin mit ihren exoti-schen Freunden würde vielversprechendsein. Er ließ sich nicht unterbrechen, bis ausdem Lautsprecher die Frage kam:

»Wie eilig ist es?«Mantraroggin dachte an den brennenden

Dschungel und an den Mann, der einen Glei-ter besaß, dann sagte er scharf:

»Es ist sehr eilig. Es kann sein, daß derJäger Mantraroggin in echte Gefahr gerät!«

»Verstanden …«Hinter ihm gab es ein dumpfes Geräusch.

Er drehte sich herum und griff nach dem Re-volver, der idealen Nahkampfwaffe. Aber eswar nur der Hund, der aus dem Hauptkorri-dor hervorsprang und sich ihm etwas langsa-mer näherte. Mantraroggin sah, daß das TierBrandwunden hatte und irgendwie verstörtwirkte. Dann fiel ihm plötzlich ein, daß derHund eben noch dort im brennendenDschungel auf ihn losgesprungen war – daskonnte nur eines bedeuten.

Sind die anderen vor dem Schiff? schnalz-te Mantraroggin aufgeregt, drückte denHund zur Seite und entsicherte die Waffe. Erschob sich vorsichtig aus dem Funkraumund spähte in den Gang hinein. Er sah undhörte nichts.

38 Hans Kneifel

Page 39: Jagdplanet des Unsterblichen

Sie suchen dich.Mantraroggin zuckte zusammen. Sie hat-

ten also das Schiff erreicht. Seiner Rech-nung nach waren es drei Leute. Die Varga-nin, der Mann mit dem abgenutzten Har-nisch und der Weißhaarige mit den Narbenim Gesicht. Er wirkte am gefährlichsten.

Ich werde sie also im Schiff erlegen! er-klärte der Vargane und trat in den Gang hin-aus. Er hatte noch das Rauschen der Statikim Ohr, als er das Tappen der Pfoten hörte.Der Hund sprang zögernd hoch undschnappte spielerisch nach dem Unterarm.

Zurück! schnalzte der Jäger scharf.Nicht töten!Der Unsterbliche riß seinen Arm hoch.

Der Stoff des Ärmels riß auf. Der Hundknurrte auf und sprang jetzt gezielt und hö-her. Seine Kiefer schlossen sich dicht überdem Handgelenk des Mannes. Die Waffeblieb in seiner Faust, aber er sprang zurück,schleppte den auf den Hinterpfoten tänzeln-den Hund mit sich und schlug mit denSchultern gegen die Wand.

»Bist du wahnsinnig geworden, du Tier?«schrie der Vargane auf. Es war ein herri-scher Schrei der Wut, aber die geschultenOhren des Tieres hörten Angst heraus. Aberauch den Wunsch, das dringende Verlangen,die Fremden zu töten und sich von ihm nichteine Sekunde lang aufhalten zu lassen.

Loslassen!Nicht töten. Freunde! Brüder!Ich habe andere Waffen. Ich bin der

Herr!Nicht töten.Mantraroggin behielt die Waffe in der

Hand. Die andere Hand fuhr blitzschnellzum Gürtel und riß das Messer aus derScheide. Dann stach er dem Hund in denHals, nur zwei Finger tief. Es sollte eineschmerzhafte Strafe sein.

Mottizzer öffnete für einen Sekunden-bruchteil seinen harten Biß, zuckte zurückund wieder vor und biß zu. Die scharfenZähne gruben sich tief in die Handknochenund ins Gelenk. Mantraroggin schrie auf,das Messer beschrieb einen aufblitzenden

Halbkreis und landete tief im Schulterblattdes Hundes. Dort krachte es hart auf einenKnochen. Der Biß verstärkte sich; ein wahn-sinniger Schmerz fuhr dem Varganen durchden Arm bis tief den Rücken hinunter. Dannsprang der blutende Hund zurück, heulte aufund warf sich ein zweitesmal auf seinenHerrn.

Zurück!Das Knurren des Jagdtiers war jetzt haß-

erfüllt, kurz und hell. Ein Laut, den Mantra-roggin so selten gehört hatte, daß er ihn miß-deuten mußte. Die Masse des Tieres warschnell und groß. Sie prallte gegen die Kniedes Varganen, brachten ihn zum Stolpern.Als er rückwärts taumelte und versuchte,stöhnend den furchtbaren Schmerz in seinerHand zu unterdrücken, polterte die Waffe zuBoden. Gleichzeitig packte der Hund dieHose, biß scharf zu und riß an dem Bein.Krachend fiel Mantraroggin auf den Rücken,sein Kopf schlug dröhnend auf den Belag.Im gleichen Augenblick sah er am Ende desKorridors einen hellen Blitz – der Mann mitdem Messingpanzer kam um die Biegung.

Mottizzer, blutverschmiert und wahnsin-nig vor Wut, sprang nach vorn und landetemit allen vier Gliedmaßen auf der Brust desVarganen. Der Aufprall trieb die Luft ausden Lungen. Dann drehte der Hund Kopfund Oberkörper, öffnete den Rachen undschlug sein Gebiß in den ungeschützten Halsdes Mannes.

Die Hand mit dem Messer zuckte in ei-nem letzten Reflex herum, die Waffe bohrtesich tief in den Körper des Hundes. Dannbäumte sich der Sterbende auf, schleuderteden Hundekörper hoch. Blut schoß in seineLuftröhre, und Mantraroggin starb genau inder Sekunde, als sein Körper durch einenHustenanfall reagierte.

Die angespannten Muskeln erschlafften,die Finger lösten sich vom Griff des Mes-sers, der Arm fiel herunter.

Mottizzer! Zurück!Hinter Fartuloon kam der Tiermeister her-

angerannt. Er sah, was geschehen war undriß den Hund am Halsband von dem Toten

Jagdplanet des Unsterblichen 39

Page 40: Jagdplanet des Unsterblichen

zurück. Mottizzer heulte und winselte, dreh-te sich herum, krümmte seinen Körper zu-sammen und begann, die Wunden zu lecken,aus denen noch immer Blut lief.

Fartuloon kniete sich neben den Varga-nen, faßte nach Puls, suchte den Herzschlagund erklärte, als Corpkor mit dem Hund einStück den Korridor abwärts gegangen war:

»Der Jäger ist tot. Seid ihr beide sicher,daß es der einzige war?«

»Vollkommen sicher«, rief Corpkor zu-rück und hob die Hand, als Ischtar die Waffeauf den Hund richtete.

»Er ist verletzt. Wir brauchen ihn noch.Haitaschar und Eiskralle.«

Sein Blick, mit dem er die Varganin be-dachte, hielt sie auf und verhinderte einescharfe Antwort.

Corpkor überlegte nicht lange. Er sagte,sich an Fartuloon wendend:

»Helft mir suchen. In diesem Schiff mußes einen Raum geben, in dem ich den Hundversorgen kann. Wir werden Eiskralle nie-mals ohne ihn finden. Ich fürchte, du mußtmir helfen, Bauchaufschneider.«

»Einverstanden. Siehst du dich im Schiffum, Ischtar?«

»Ich habe keine andere Wahl.«Corpkor bettete den Hund in eine Ecke,

sprach auf ihn ein und streichelte ihn immerwieder. Er beruhigte ihn und richtete sichauf. Die beiden anderen suchten nach einemLazarettraum oder einer ähnlichen Einrich-tung. Corpkor rannte durch die Korridore,riß Türen und Schotte auf und fand schließ-lich eine halbrobotische Zelle, die für dieVersorgung humanoider Organismen einge-richtet war. Er rannte zurück und schleppteden Hund auf den Untersuchungstisch.

Eine Nadel senkte sich, durchbohrte dasFell und betäubte zuerst die Stelle, in der dasMesser steckte. Die Maschinen und Corp-kor, zu dem dann noch Fartuloon kam, küm-merten sich um das Tier.

Nach einer Stunde sagte Fartuloon:»Ich kam dazu, als Ischtar den Steuer-

raum betrat. Sie liebt dich seither nicht gera-de.«

»Ich kann es verstehen.«Guter Bruder, schnalzte Mottizzer.

*

Während im Schiff des Jägers die Steuer-segmente vernichtet waren, funktionierte inIschtars Schiff noch vieles von der Innenver-sorgung. Aber durch die Deformierung derAußenhülle waren nicht nur die Beibootezerschmettert, sondern auch die eigentlichenSchiffsantriebe derart geschädigt worden,daß ein Start unmöglich war.

Ischtar hatte sich drei Stunden lang vonihren Maschinen und den Einrichtungen derSanitärzellen massieren und waschen, ver-schönern und anziehen lassen. Wie immersah sie blendend aus, aber ihr Gesicht wareine Maske der Unzufriedenheit und desMißmuts.

»Deine Idee, das andere Schiff zu verwü-sten, war nicht besonders gut, fürchte ich.«

Corpkor warf einen Blick auf den Hund,der mit einigen Spezialverbänden versehen,satt und erschöpft in einem Sessel zusam-mengerollt lag und unruhig schlief. Dann er-widerte der Tiermeister:

»Jedenfalls konnte der Vargane nicht star-ten. Ich habe nicht geplant, daß der Hundihn tötet. Das war eindeutig eine animali-sche Übersprungreaktion. Was sollen wirstreiten, Ischtar?«

Sie alle waren erschöpft. Das Schiff hattesie zwar mit Nahrungsmitteln und Wundver-bänden, mit neuer Kleidung und den Seg-nungen der Hygiene versorgt, aber ihre Ge-danken konnte die Versorgungsapparaturnicht abschalten. Es war mitten in der Nacht,wie eingeschaltete Bildschirme deutlich er-kennen ließen.

»Nein! Keinen Streit!« erklärte Fartuloon.Sein Harnisch, von den Robotern poliert,leuchtete strahlend, aber schon morgen wür-de er wieder oxydiert sein. »Ich habe imSchiff Mantraroggins die Funkanlage ausge-schaltet. Es kann sein, daß er nach Hilfe rief,bevor er starb.«

»Wir sollten ausschlafen und beim ersten

40 Hans Kneifel

Page 41: Jagdplanet des Unsterblichen

Sonnenstrahl Eiskralle suchen!« meinteIschtar. »Abfinden müssen wir uns wohl da-mit, daß Haitaschar tot ist.«

»Mottizzer hat es deutlich genug geschil-dert. Sie fanden nur noch das Gerippe unse-rer Freundin!«

Sie hatten gegessen und getrunken undfühlten jetzt, wie sich die Müdigkeit in denKörpern ausbreitete. Es war sinnlos, in derNacht mit zwei Gleitern den Dschungel ab-suchen zu wollen. Es würde die Überleben-den gefährden und Eiskralle nicht helfen.Sie hatten sich darüber unterhalten und soentschieden. Eiskralle mit seiner Begabungund einem Strahler ausgerüstet – er würdeauch überleben.

»Ich frage mich nur«, begann Fartuloonlangsam und gähnte, »woher ihr alle so ge-nau wißt, daß wir uns auf einer Welt im Mi-krokosmos befinden?«

Ischtar hob die Hand und erwiderte:»Ich bin nicht ganz unerfahren darin. Er-

innert euch an die Vorbereitungen, die zutreffen waren. Es ist nicht anders möglich,die Eisige Sphäre zu erreichen. Du hast mitdem Hund gesprochen, Corpkor. Was hastdu erfahren?«

Der Tiermeister senkte den Kopf.»Der Jäger und sein Hund, sie sind aus

Yarden gekommen.«Der Bauchaufschneider nickte. Er stand

auf, hielt sich an der Lehne des Sessels festund sagte:

»Ich starte morgen beim ersten Sonnen-strahl. Von Corpkor werden wir erfahren, anwelcher Stelle des Regenwalds wir Eiskrallezu suchen haben.«

»Ich muß warten, bis der Hund sein inne-res Gleichgewicht wiedergefunden hat!« er-klärte Corpkor.

Sie gingen auseinander, suchten ihr Kabi-nen auf und schliefen schnell ein. Sie wür-den morgen, wenn sie ausgeschlafen waren,das andere Schiff untersuchen und mit derReparatur beginnen. Sie glaubten, keine Ge-fangenen dieses Planeten zu sein.

*

Seit einem Tag starb der Chretkor tausendverschiedene Tode. Aber da Eiskralle keinenhatte, mit dem er reden konnte, blieb ihmnichts anderes übrig, als zu überleben.

Er hatte nicht gewagt, eine der prallenFrüchte zu essen, die an den Zweigen hin-gen. Er fürchtete sich vor einer Vergiftungund einem qualvollen Tod.

Er riskierte es nicht, die Beeren zu essen,die er fand. Aber auf seinem langsamenWeg nach Osten hatte er ein Tier geschos-sen, das so groß war wie er selbst. Er hatteein Stück Fleisch mit Hilfe des Strahlers ausdem Schenkel herausgeschnitten und ge-röstet. Es schmeckte sonderbar fad und warzäh, aber es hatte den würgenden Hungerausgeschaltet.

Wo war Fartuloon?Suchten sie ihn? Waren sie tot? Das kri-

stallin wirkende Wesen sagte sich, daß dieanderen, falls sie überlebt hatten, sich allediejenigen Fragen stellen würden, die aucher sich stellte.

Aber er mußte aus diesem feuchten, trie-fenden Wald hinaus!

Langsam ging er weiter. Die Sonne würdegenau dort aufgehen, wohin er jetzt blickte.Der Wald war dunkel, aber voller Lärm, dervon den Zweigen gellte und ihn umgab wieeine Mauer. Tausende von kleinen Tieren,Vögeln und unsichtbaren Lebewesen schri-en, sprangen von Ast zu Ast, raschelten inden nassen Büschen und flatterten hin undher, als hätten sie panische Furcht vor ihm.

Ein Baumstamm lag auf dem Weg Eis-kralles. Er hob mit der rechten Hand dieWaffe und sah sich wachsam um. Er glaub-te, in diesem Dschungel ertrinken oder er-sticken zu müssen.

Diesmal gab es kein Raubtier, das ihn an-fiel und töten wollte. Die Berührung mit sei-nen Krallen hatte die Bestie zu bröckelndemEis verwandelt. Der Stamm bildete eine Bar-riere. Wenn er sie umging, konnte es sein,daß er von der Geraden abkam, die er ge-stern abend ausgemessen hatte.

Immer nach zwanzig Schritten orientierteer sich neu. Er wanderte von Ziel zu Ziel,

Jagdplanet des Unsterblichen 41

Page 42: Jagdplanet des Unsterblichen

die er vorher festgelegt hatte. So ermöglich-te er es, daß sein Weg annähernd gerade ver-lief.

»Ich wünschte, Fartuloon wäre hier. Oderwenigstens Corpkor!« stöhnte er auf undverwünschte diese verzweifelte Suche nachdem jungen Kristallprinzen.

Er blieb vor dem modernden Stamm ste-hen.

Der umgestürzte Baumriese war fast dop-pelt so hoch wie er selbst. Eiskralle hob fata-listisch die Schultern und streckte dann dendünnen, langen Arm aus. Seine Finger krall-ten sich in die morsche Rinde.

Das Wesen konzentrierte sich schweigendund wandte mehr als die normale Energieauf, die es sonst brauchte. Aber plötzlichverwandelte sich das Holz in Eis, verströmteKälte, begann knisternd zu platzen und be-schlug sich mit Reif. Eiskralle löste seinenGriff, trat zurück und stieß mit seinem Stie-fel gegen den Baum.

Krachend und klirrend barst der Baum andieser Stelle.

Das Holz zerbrach in winzige kristalleneWürfel. Ein Schauer von Flocken umgabEiskralle, der mit einem Sprung durch dieLücke rannte und sich umdrehte. Der Ein-schnitt paßte genau in die anderen drei, imHalbdunkel noch sichtbaren Markierungen.Sie lagen genau in einer Linie.

Zufrieden brummte Eiskralle auf und gingweiter.

Er würde, wenn sie ihn suchten, ebensogut hier gefunden werden wie an der Lich-tung, an der er sich selbst wiedergefundenhatte, betäubt und ohne Verständnis für dieUmgebung und das, was geschehen war.Und Fartuloon konnte mühelos die Spurdeuten, die er hinterlassen hatte.

Eine Stunde lang marschierte Eiskralleauf diese Weise durch den Dschungel, ehe erweit vor sich, zwischen dem Wall der Stäm-me, die ersten Sonnenstrahlen sah.

»Tatsächlich! Sie scheint mir genau insGesicht!« schrie er auf, erstaunt über seineLeistung. Aber dort draußen war vermutlicheine Steppe oder gar das Meer. Er würde

schmelzen! Oder ertrinken!Weiter! machte er sich Mut.Jetzt brauchte Eiskralle keine Wegweiser

und Wegmarken mehr. Dort draußen gab esfür ihn wenigstens die Chance, etwas mehrvon dem Planeten zu sehen, auf den es ihnverschlagen hatte.

Er blieb stehen, als er merkte, daß ereinen kleinen Hügel erreicht hatte. Es warnur eine unwichtige Erhebung, aber jetztkonnte er zwischen den letzten Baumstäm-men hindurch und über die kräftigen Büschehinwegsehen … er registrierte unmittelbardarauf, daß es um ihn herum ganz still ge-worden war. Nichts war zu hören, nur dieGeräusche, mit denen sich die Bäume fastunmerklich aneinander rieben.

Dort vorn waren Licht, Sand, Helligkeit.Also eine Wüste.

Er stolperte den winzigen Abhang hinun-ter, schob sich durch die Mauer aus grünenBlättern und ging auf den schmalen Streifenhinaus, der den Wald vom Sand trennte.Hier gab es nur Moose und Gräser und ver-krüppelte Pflanzen. Ein Skelett lag, in Teilezerrissen, zehn Schritte von ihm halb imSand. Die Wüste schien zu wandern undlangsam in den Wald vorzudringen.

Zögernd ging Eiskralle zehn, fünfzehn,zwanzig Schritte in die blendende Hellig-keit. Die Sonne stand als Halbkugel hinterder Linie des fernen Horizonts. Er sah nicht,was dort lag.

Rechts und links – der Waldrand, der inwellenförmigen Ein- und Ausbuchtungenverlief. Eine langgestreckte, mit Gerölldurchsetzte Wüste lag unmittelbar vor ihm.

Über sich hörte er ein rauschendes Flat-tern. Es klang, als ob Papier aneinanderge-rieben würde.

Eiskralle riß den Kopf hoch, blickte ausseinen großen Augen in den wolkenlosenHimmel und sah die riesige Flugechse erst,als ihn ihre Krallen um die Hüften packten.

»Nein!« schrie er auf, ließ die Waffe fal-len und griff zu.

Seine tödliche Energie erfaßte das Tiermitten in der Bewegung, mit der es sich mit-

42 Hans Kneifel

Page 43: Jagdplanet des Unsterblichen

samt der Beute wieder hochschwingen woll-te. Die Flugechse, groß wie ein Beiboot, ver-wandelte sich mitten im Steigflug in Eis undlöste sich auf. In einem Hagel von Kristal-len, umgeben von eisiger Kälte, wurde Eis-kralle nach oben gerissen, dann nach vorngeschleudert und kam frei. Er krümmte sei-nen Körper noch in der Luft zusammen undschlug dann in den Sand wie ein Ball. Sorollte er auch, sich immer wieder überschla-gend, durch ein Stück der Wüste und kamhalb benommen an einem großen Stein zumStillstand.

»Verdammt!« murmelte er. Er löste dieGriffe um seine Knie und die Unterschenkelund blickte hoch. Da erst sah er denSchwarm der sandfarbenen, spitzschnabeli-gen Gleiterechsen, die den Aufwind desMorgens ausnutzten und in der Thermiksäu-le über dem Waldrand schwebten.

Sie hatten nicht auf ihn gelauert, aber jetztsahen sie ihn und mußten ihn als Beute iden-tifizieren.

Drei Echsen lösten sich aus der Strömungund glitten langsam heran. Die erste beäugteihn, stieß ein zischendes Geräusch aus undflatterte dann wieder in die Höhe. Sie flogeine halsbrecherisch enge Kurve und setztedann zum zweiten Angriff an. Eiskralle ver-wünschte den Entschluß, den schützendenDschungel verlassen zu haben und rannte,dem zweiten Tier nur durch einen riesigenSatz ausweichend, auf den Strahler zu. Alser ihn in den Fingern hielt, bekam er von derSchwinge oder dem langen Steuerschwanzder dritten Echse einen Schlag, der ihn vonden Beinen riß, mehrere Meter seitwärtsschleuderte und betäubte. Er lag auf demRücken, starrte in das fahle Blau des Mor-genhimmels und hob mit zitternden Fingernden Strahler.

Als die erste Echse sich mit aufgerisse-nem Schnabel und weit gespreizten Krallenauf ihn stürzte, begann er Schuß um Schußaus der Projektormündung zu jagen.

9.

Zum Teufel mit der Langzeitplanung! Un-sere Aufgabe ist, erst einmal zu überleben!Alles andere kommt später!

Fartuloon – Ausspruch

Nur noch ein länglicher Haufen feuchterErde und die Werkzeuge ließen erkennen,daß sie hier gearbeitet hatten. Ächzend ließFartuloon den riesigen, moosbedecktenStein nieder und richtete sich schwitzendwieder auf.

»Haitaschar könnte noch leben, wenn esdiesen wahnsinnigen Jäger nicht gegebenhätte!« sagte er überraschend ruhig. Ischtarwußte, daß zwischen der Varganin und demBauchaufschneider so etwas wie eine engeFreundschaft entstanden war. Trotz der kur-zen Zeit, die Haitaschar an Bord gewesenwar.

Du hast recht gehabt, Mottizzer, schnalzteCorpkor leise und traurig. Auf seine wort-karge, düstere Weise hatte er die Varganinebenso gemocht.

Ich weiß es. Es war die zweite Frau, gabder Hund zurück.

Ischtar hob die Schaufel auf und sahnacheinander die beiden Männer an, dannden Hund. Das Tier war noch geschwächt.Es hechelte ununterbrochen, als habe es Fie-ber, und die schlanken Läufe zitterten.

»Gehen wir. Suchen wir den Gläsernen!«sagte sie.

Die Gleiterfahrt hatte sie auf dem kürze-sten Weg hierher gebracht. Mottizzer hattesie geführt. Sie hatten das Gerippe anhandeines Schmuckstücks identifiziert und eineflache Grube ausgehoben. Jetzt lag Haita-schar auf dieser fremden Welt im Mikrokos-mos, von der sie nicht einmal den Namengewußt hatte: Xermatock.

Nicht weit! schnalzte Mottizzer.Corpkor schulterte ebenfalls sein Werk-

zeug und ging hinüber zum Gleiter. Er warfdie Schaufel auf die Ladefläche und öffnetedie Türen.

»Ich kann mir nicht helfen«, sagte er laut.Seine Stimme war rauh und dunkel, ein Zei-

Jagdplanet des Unsterblichen 43

Page 44: Jagdplanet des Unsterblichen

chen seiner Erregung. »Aber ich bin unru-hig. Ich glaube, wir sind in Gefahr. Fragtmich nicht, warum ich das glaube, aber es istso.«

Ischtar und Fartuloon sahen sich kurz an.Die Blicke waren sehr ernst. Dann gingensie die wenigen Schritte zu der Maschine.Der Hund folgte ihnen und kletterte mühsamauf die hinteren Sitze.

Summend erwachten die Maschinen. DieTüren schoben sich zu, und die GoldeneGöttin warf einen letzten, schweigendenBlick auf das primitive Grab. In wenigenWochen vom Dschungel überwuchert.

»Wohin?« fragte Fartuloon von der Steue-rung her.

Führe uns zu der Stelle, an der unserFreund lag! schnalzte Corpkor und sah denHund an.

Zurück in Wüste!Der Gleiter stieg schräg über die Baum-

wipfel, schwebte nach Osten, in die aufge-hende Sonne und bog dann nach Norden ab,als die Wüste erreicht war. Fartuloon warfeinen Blick nach vorn, hob die Hand schüt-zend vor die Augen.

»Und jetzt?«Corpkor »sprach« mit Mottizzer und gab

die Richtung an. Der Hund hatte sich aufdem vorhergehenden Flug mit Mantrarogginnach dem Rand der Wüste und anderen Ge-ländemerkmalen orientiert. Der Gleiter rastemit Höchstgeschwindigkeit nach Norden,Fartuloon blieb rund fünfzig Meter über demBoden und zog jetzt, als das Licht unerträg-lich hell wurde, die Sonnenbrille aus einerseiner Taschen. Er setzte sie auf und hörte,wie Corpkor sagte:

»Hinter den Felsen nach rechts abbiegen.Drei große Bäume, einer davon ohne Blätter,mit weißen, abgestorbenen Ästen.«

»Verstanden!« sagte der Bauchaufschnei-der. Er hatte zugehört, wie der Hund und derTiermeister sich mit schnalzenden, knurren-den und brummenden Lauten unterhaltenhatten.

Sekunden später, als er eben die Kurveeinleiten wollte, riß Ischtar neben ihm den

Arm hoch und deutete nach vor.»Halt! Vorsicht! Dort gibt es etwas …

diese Vögel!«Fartuloon sah in die angegebene Rich-

tung. Vor der dunklen Kulisse des Wald-rands sah er einen Schwarm riesiger Gestal-ten mit heftig flatternden Schwingen. Eridentifizierte sie sofort als Schwebesaurier.Riesige, sandfarbene Gestalten, die immerwieder in die Thermikströme hineinschos-sen, sich in engen Spiralen aufwärts tragenließen und dann schräg nach unten rasten.Dort schienen sie eine Beute zu sehen.

Fartuloon schob die Brille in die Stirn,verlangsamte den Gleiter und starrte dorthin.

»Sie jagen etwas!« entfuhr es ihm.Er steuerte den Gleiter geradeaus, auf den

fraglichen Punkt zu. Mit einem Ruck rastedie Maschine los und näherte sich dem Ziel.Neben dem Piloten keuchte Ischtar auf.

»Es ist Eiskralle!«Im selben Moment sahen Corpkor und

Fartuloon die durchsichtige Gestalt, die dortum ihr Leben kämpfte. Eiskralle setzte beideWaffen ein, die er hatte, und er wehrte sichmit der verbissenen Schnelligkeit dessen,der genau wußte, daß er in tödlicher Gefahrsteckte.

»Tatsächlich«, murmelte Corpkor undentsicherte mit scharfem Knacken seineZweihandwaffe, »es ist Eiskralle. Wir kom-men nicht zu spät.«

»Los! Wir greifen ein!« schrie Fartuloon.»Festhalten!«

Er steuerte tiefer, der Gleiter steigerteabermals seine Geschwindigkeit und rasteauf einen Saurier zu, der sich auf Eiskrallestürzte. Der Kleine feuerte auf das Tier, trafeine Schwinge, die sofort in Flammen auf-ging. Das abstürzende Tier wurde von derSchnauze und dem Kiel des Gleiters ge-rammt und krachte mit zerbrochenen Röh-renknochen zu Boden. Corpkor ließ ein Fen-ster herunter und gab einen Feuerstoß aufzwei andere Schweber ab, die sich vomWaldrand her näherten. Dann raste der Glei-ter durch einen Schwarm hindurch und wen-dete über der Geröllwüste.

44 Hans Kneifel

Page 45: Jagdplanet des Unsterblichen

»Ich setze.ihn ab!« schrie Fartuloon. DerHund gebärdete sich im Augenblick wie ra-send. Er knurrte, biß wütend in die Luft undheulte laut auf.

Der Gleiter näherte sich dem Boden, wur-de hart abgebremst und landete in einer lan-gen Sandwolke. Er kam fast direkt nebenEiskralle zum Stehen. Der Freund warf sicheben zur Seite und packte den Fuß einesSauriers, der ihn eben überfallen wollte.

Das Tier löste sich in einem Regen vonEiskristallen auf. Kälte umgab wabernd denGleiter, dessen Türen aufzischten. Fartuloongriff nach dem Skarg, Corpkor sprang mitfeuerspeiender Waffe ins Freie, und derHund hechtete schräg über Ischtars Kopfhinweg nach draußen. Er rannte bellend aufeinen Saurier zu, der sich mit einer Schwin-ge, einer Klaue und dem langen Schnabel imSand aufstützte und versuchte, davonzukrie-chen. Der andere Flügel schleifte in einemmerkwürdigen Winkel nach.

Dröhnend und fauchend peitschten dieStrahlschüsse auf.

»Hierher, Eiskralle!« schrie der Bauch-aufschneider. »In den Gleiter!«

Ein Saurier kam heran und starb imKreuzfeuer Ischtars und des Tiermeisters.Zwei weitere lösten sich an einem genau be-rechneten Punkt aus der Thermiksäule undkamen rasend schnell, mit steif nach hintengeklappten Schwingen, vorgerecktem Lan-zenschnabel und den wie Stahl funkelndenKrallen auf die Gruppe zu. Eiskralle ginglangsam rückwärts und gab einen Schußnach dem anderen ab. Obwohl die dünnenFlughäute der Saurier von Brandlöchern per-foriert waren, unterbrachen die Tiere ihreAngriffe nicht.

Vier Waffen feuerten schräg nach oben.Es stank nach Ozon, nach brennendem

Fleisch und dem Eigengeruch, den die getö-teten Saurier verbreiteten. Jetzt berührte Eis-kralle den Gleiter, tastete hinter sich undfand den Einstieg.

»Kommt her!« rief er. »Ich schmelze inder Hitze! Ich löse mich auf! Bringt mich indie Nähe einer Klimaanlage!«

»Schon gut. Wir müssen nur einen ehren-vollen Rückzug finden!« lachte Fartuloonauf.

Er war unendlich erleichtert, daß Eiskrallenoch lebte und keinen sichtbaren Schadengenommen hatte.

»Corpkor! Ischtar! Zurück zum Gleiter!«donnerte er. Vor ihnen schlugen die tödlichgetroffenen Saurier in den Sand ein. Sie stie-ßen jämmerlich fauchende Laute aus.

»Mottizzer!« schrie Corpkor plötzlich gel-lend.

Der Hund hatte sich auf den verwundetenSaurier geworfen. Die Zähne des Jagdtiersbohrten sich in den ledrigen Hals, der Hundschüttelte den Kopf hin und her. Bei fast je-der Bewegung versetzte ihm der lange, halt-los pendelnde Schnabel einen krachendenHieb. Dann bäumte sich der Schwebesaurierein letztesmal auf, riß tiefe Furchen in denSand und erschlaffte.

Mottizzer ließ von seinem Opfer ab undkam auf die Gruppe zugehinkt.

Aber auf halbem Weg – während sichFartuloon und Ischtar bückten, um die Kabi-ne des Gleiters zu entern – schossen zweiverwundete Saurier auf ihn zu. Ihre Schwin-gen waren von Schüssen zerfetzt. Halb vorGier, halb deswegen, weil sie nicht mehrsteuern konnten, rasten die Tiere auf denlangsam laufenden Hund zu. Der Schnabeldes ersten Sauriers, wie ein Speer vorge-streckt, durchbohrte Mottizzers Bauch undnagelte das Tier förmlich in den Sand. BeimAufprall brach der Saurier seinen Hals, unddie Krallen des anderen, der mit dem Körperdes toten Tieres zusammenstieß, zerrissenden Hund.

Corpkor war hilflos. In das aufsteigendeGeheul des Hundes hinein feuerte er unun-terbrochen in die Masse der drei Körper hin-ein. Er hüllte sie in eine Feuerkugel ein. DasHeulen riß ab, die Zuckungen der Agoniehörten auf. An der Stelle erhob sich einegroße, fette Säule schwarzen Qualms.

»Vorbei! Mottizzer ist tot!« fluchte derTiermeister und hastete zurück zum Gleiter.Die Tür an seiner Seite schloß sich, und au-

Jagdplanet des Unsterblichen 45

Page 46: Jagdplanet des Unsterblichen

genblicklich startete Fartuloon die Maschi-ne.

Zuerst versuchten einige Saurier, die Ma-schine zu verfolgen, aber sie strichen ent-täuscht ab, als sie ihren Auftrieb verlorenund wieder in die Richtung des Waldesmußten.

Nach einer Weile rasenden Fluges sagteder Bauchaufschneider mit erzwungener Ru-he:

»Bis auf die Haitaschar … wir sind wie-der zusammen. Wie fühlst du dich, Eiskral-le?«

»Nicht schlecht. Aber auch nicht gut. Wosind wir? Ich habe tausend Fragen!«

»Von denen«, erklärte Ischtar unruhig,»wir dir höchstens fünfzig beantworten kön-nen. Jedenfalls besitzen wir zwei unbrauch-bare Raumschiffe.«

»Ich sage, wir können das Schiff des Jä-gers wieder instand setzen!« rief Corpkor.»Es dauert höchstens ein paar Tage!«

»Ich teile deine Zuversicht nicht, Tiermei-ster!« sagte Ischtar kalt. »Bist du wirklichunverletzt, Eiskralle? Wir haben alle dassel-be Schicksal hinter uns wie du!«

»Bin unverletzt. Aber sonst! Ich hungere,ich habe Durst, und diese Wüste! Ich kannsie nicht mehr sehen!« rief Eiskralle in fasthysterischem Tonfall. Fartuloon zuckte diebreiten Schultern und murmelte:

»Ich kenne deine Belastbarkeit ziemlichgenau, Freund. Jedenfalls sind wir froh, daßdu wieder bei uns bist.«

»Danke«, versicherte Eiskralle bissig.»Danke gleichfalls.«

»Und in der letzten Minute hat der Hundnoch getötet werden müssen«, knurrte derTiermeister niedergeschlagen. »Er hätte derStammvater einer erstaunlichen Zucht wer-den können. Jagdhunde, die sprechen kön-nen, in dieser Größe. Ich hätte Wundertieredaraus machen können.«

Er drehte den Kopf weg und starrte nie-dergeschlagen aus dem Fenster. Der Gleiterraste zum Delta, flog eine Kurve und landeteneben dem Schiff des toten varganischen Jä-gers.

»Wir gehen gleich an die Arbeit, meineFreunde!« sagte Ischtar im Ton äußersterEntschiedenheit.

»Selbstverständlich!«Ischtar blieb neben dem Gleiter stehen

und sah sich suchend um. Sie schien, wieCorpkor, auf ein dramatisches Ereignis zuwarten. Sie ahnten etwas, wußten aber nichteinmal die Richtung, aus der sich die Gefahrnähern konnte.

»Es geht nicht nur darum«, erklärte sie inversöhnlicherem Ton, »daß wir keine Mög-lichkeit haben, diesen Dschungelplaneten zuverlassen. Ich denke mir folgendes: WennMantraroggin hier jagte, werden auch anderediese Jagdwelt kennen. Es sind in jedem Fallunsterbliche Varganen. Sie werden mich alsRebellin sehr schnell identifiziert haben.

Und natürlich sind wir alle für den Tod ei-nes Unsterblichen verantwortlich. Gleich-gültig, ob er an einem Giftpilz starb oderdurch seinen mutierten Hund. Wir müssenfliehen. So schnell wie möglich. Ich werdeaus meinem Schiff einen Reparaturrobot ho-len und Werkzeug. Schafft ihr den Totenweg, ja?«

»Gibt es hier eine Küche?« erkundigtesich Eiskralle.

Niemand achtete auf seinen Zwischenruf,und er verzog sich schmollend in das Sy-stem des Varganenschiffs.

»Du hast recht, Ischtar!« meinte Fartu-loon. »Keine Sorge, wir arbeiten so schnelles geht.«

»Das ist ja wohl völlig klar!« versicherteCorpkor. »Worauf warten wir noch?«

Fartuloon deutete nach oben.»Zuerst suchen wir Werkzeug und gege-

benenfalls Ersatzteile! Komm, Tiermeister.Wir werden alle unsere Erfahrung brau-chen.«

»Ich komme!«Nebeneinander gingen sie die Rampe hin-

auf, während Ischtar wieder in den Gleiterstieg und mit der Maschine hinüber zu demWrack flog, das ihr Schiff gewesen war. Inder vergangenen Nacht hatte sie einen lan-gen Rundgang gemacht und feststellen müs-

46 Hans Kneifel

Page 47: Jagdplanet des Unsterblichen

sen, daß ihre schlimmsten Befürchtungenzutrafen. Sie brauchten eine Werft, um dasDoppelpyramidenschiff zu reparieren.

Während sich Eiskralle zu erholen ver-suchte, während die beiden Männer schnell,aber systematisch das Schiff durchsuchtenund immer wieder Dinge fanden, die sie zubrauchen glaubten, während Ischtar ihrer-seits im Wrack nach qualifizierten Maschi-nen und benötigten Ersatzteilen suchte, be-gann sich das Licht des Morgens zu verän-dern.

Die Sonne, die immer höher stieg, wurdevon einer riesigen weißen Wolke reflektiert,die aus dem Norden kam. Die Wolke ent-stand über den kaum sichtbaren Bergen,wuchs nicht nur in die Höhe, sondern nachbeiden Seiten und besaß eine Stunde späterdie ungefähre Form einer an den Rändernausfasernden Halbkugel. Der restliche Him-mel nahm einen bösen, schwefelgelbenGlanz an.

Die Laute der Natur verstummten nachund nach.

Zuerst flüchteten sich die Vögel in ihreNester. Sie breiteten schützend die Flügelüber die Eier oder ihre Brut aus und zogendie Köpfe zwischen die Schultern. Dannverkrochen sich die kleinen Tiere. Sie ver-ließen die Wipfel der Bäume und hocktensich zu dicken Klumpen auf den unterstenÄsten zusammen, wo viele die Beute größe-rer Fleischfresser wurden.

Dann, gegen Mittag, griff die Unruheauch auf die größeren Tiere über. Sie kauer-ten sich zwischen Baum wurzeln undschlüpften unter Büsche. Die Insekten be-gannen zu schwärmen. Ungeheure Wolkenvon allen Arten Mücken, Wespen, Libellenund Käfern hingen wie zitternde Traubenzwischen den Pflanzen. Alle Tiere dieserHemisphäre schienen auf ein unsagbares Er-eignis zu warten. Die Luft wurde feucht undstickig. Nicht ein winziges Lüftchen wehte.Todesstarre lag über der Landschaft.

Die weiße Wolke bedeckte jetzt schonmehr als die Hälfte des Firmaments, das sichin ein grimmiges Orange gefärbt hatte. Die

Sonne schwamm darin wie ein böses Augevon fast purpurner Farbe.

10.

Es ist Pflicht eines Henkers, niemals zuvergeben, niemals nachzulassen in der Auf-gabe, Rebellen und Abtrünnige zu bestrafen.

Magantilliken, Der Henker

Der Steuerraum war in gleißendes Lichtgetaucht.

Die Klimaanlage arbeitete mit höchsterIntensität. Aber es war dennoch zu warm indem großen Raum. Die Hälfte der großenSichtschirme leuchtete bereits und zeigte dasBild des Deltas, nach Süden gesehen. Aberdie Farbempfindlichkeit schien alles andereals richtig zu sein; der Himmel war orangestatt blau.

»Jedenfalls ist das Zeug, das du ausgebauthast, genau richtig, Ischtar!« sagte Corpkorund wechselte wieder ein Segment aus. Einehalbautomatische Anlage reparierte die zer-schmolzenen Steckverbindungen.

»Wir können auch mit Fehlfarben aufdem Schirm starten!« mahnte die Varganinund versuchte, die beiden Teile eines bis zurUnkenntlichkeit zerschmolzenen Kabels zusortieren, in Verbindungen einzuführen undden Kontakt herzustellen. Zwei der zer-schossenen Geräte hatten sie bereits voll-kommen repariert – einer der Roboter hattesich noch als brauchbar erwiesen.

»Aber nicht mit halber Sicht. Keine Sor-ge, ich bin in zwei Stunden fertig, schönsteFreundin!« widersprach Corpkor. Er saß aufdem Boden, hatte rund um sich Werkzeugund Ersatzteile ausgebreitet und zweiScheinwerfer aufgestellt, die das Innere desSchaltschranks erhellten.

»Wie weit bist du, Fartuloon?«Der Bauchaufschneider hatte das Skarg

und den Panzer abgelegt. Sein Hemd standweit offen. Durch das Summen der Anlage,die verbrauchte Luft absaugte, murmelte erundeutlich:

Jagdplanet des Unsterblichen 47

Page 48: Jagdplanet des Unsterblichen

»Ich bin ein Virtuose mit dem Skalpellund allen möglichen Waffen. Aber mit Test-geräten kann ich nicht so gut umgehen.«

Er versuchte, auf dem Schaltpult dieFunktionen der einzelnen Hebel, Regler undSchalter zu testen. Wieder flackerte zusätzli-che Helligkeit in den Raum. Drei weitereEinheiten des Rundumschirms erhellten sichund zeigten ein stabiles, dreidimensionalesBild.

»Nun? Beifall bitte!« sagte Corpkor. Eis-kralle kam in den Raum und schob eineSchwebeplattform mit Essen und Getränkenvor sich her.

»Ich habe auch an euch gedacht!« rief erund erschrak, als er die Schirme sah. DieseFarben! Sie widerstrebten ihm. Niemandhatte jetzt Zeit zum Essen. Nach einer Weilezuckte Eiskralle die Schultern und verließdie Zentrale wieder. Noch immer fügte Isch-tar gelbe Kabel an gelbe Kabel, blaue anblaue, gerasterte an gerasterte. Die schwerenKlemmen wurden, nachdem Fartuloon dieFunktionen getestet hatte, von einer Maschi-ne in Isolierung vergossen. Aber das Gewirrvon Drähten, Leitern und Moduln um Ischt-ar wurde kaum kleiner.

*

»Fartuloon!«Die Stimme von Eiskralle klang so alar-

mierend, daß alle drei ihre konzentrierte Ar-beit unterbrachen.

»Ja? Was gibt's?«»Ich habe etwas Wichtiges zu zeigen.

Kommst du einmal mit mir?«»Muß das sein?«Corpkor und Ischtar starrten Eiskralle ei-

ne Weile lang an, dann wandten sie sichwieder ihren Arbeiten zu.

»Ja, unbedingt.«Der Bauchaufschneider stand auf und ver-

ließ hinter Eiskralle die Schaltzentrale. Eis-kralle führte ihn wortlos aus dem Schiff undauf die Rampe hinaus. Nach zwanzig Schrit-ten blieb er stehen und sagte gepreßt:

»Ich habe Angst.«

Fartuloon hatte zuerst das seltsame Lichtwahrgenommen, dann war ihm das tödlicheSchweigen aufgefallen. Und jetzt roch erdiesen nicht zu definierenden Hauch, derüber dem Sumpfdelta lag. Es ging nicht dergeringste Windstoß. Nicht ein Grashalm be-wegte sich. Unter einem Baum mit bleichenÄsten hing ein riesiger Mückenschwarm, indem es gärte und brodelte.

Fartuloon hob schweigend den Kopf, sah,daß die Sonne nur noch ein hellerer Fleck ineinem eisigen Grau war, das den gesamtenHimmel überzogen hatte. Nur im Süden gabes noch einen breiten orangefarbenen Strei-fen. Er begriff und flüsterte stockend:

»Was immer es ist – es sieht mehr als ge-fährlich aus. Ich habe auch Angst, Eiskral-le.«

Er wandte sich um und lief zurück insSchiff. In der Zentrale flammten soeben dieletzten Bildschirme auf und zeigten das ge-treue Abbild der Umgebung. Das orangefar-bene Licht strahlte in die Kabine und schufein unwirkliches und gespenstisches Zwie-licht.

»Freunde! Es braut sich draußen etwaszusammen. Die Farben auf den Schirmensind absolut echt. Ich weiß nicht, was es ist,aber es sieht wie ein gewaltiger Nebel aus.Ein Nebel, der nichts Gutes verheißt. Ihrsolltet selbst nachsehen.«

Langsam richteten sich Corpkor und Isch-tar auf.

»Wie?«»Geht hinaus. Außerdem ist es höllisch

schwül.«Alarmiert liefen sie hinaus. Fartuloon, der

nicht wußte, was gegen diese Naturerschei-nung unternommen werden konnte, und dernicht einmal ahnte, wie sich der Nebel entla-den oder auflösen würde, machte unruhigdort weiter, wo er aufgehört hatte. Eiskrallestand neben ihm und schaute ihm zu, ohnegenau zu begreifen, was sein Freund tat. DerBauchaufschneider wußte, daß sämtlicheÖffnungen des Schiffes verschlossen undgesichert waren, vom Einstieg abgesehen.Nach einigen Minuten kamen Corpkor und

48 Hans Kneifel

Page 49: Jagdplanet des Unsterblichen

Ischtar wieder zurück.»Gibt es eine Erklärung, Ischtar?« erkun-

digte sich Fartuloon und versuchte, die Pa-nik in ihren Gesichtern zu übersehen.Stumm schüttelte die Goldene Göttin denKopf.

»Ich habe nicht die entfernteste Ahnung,Fartuloon!« bekannte auch der Tiermeister.

»Was können wir tun?«»Nichts.«»Warten und weiterarbeiten also?«»Was sonst?«Schließlich, als auch der letzte farbige

Streifen am südlichen Horizont verschwun-den war und diesem schauerlichen silber-grauen Nebel Platz gemacht hatte, erklärteIschtar:

»Je eher wir starten, desto weniger brau-chen wir uns vor diesem Nebel zu fürchten.«

Irgendwann, eine halbe Stunde spätervielleicht, sah Eiskralle zufällig auf die Bild-schirme. Er keuchte erschrocken auf und be-gann zu stammeln. Der Laut alarmierte dieanderen. Krachend fiel ein Werkzeugkastenaus der Hand Corpkors.

»Das ist … unvorstellbar!«Aus dem Nebel erschienen fadenförmige

Dinge. Sie waren grün und etwa fingerlang.Diese Dinge fielen langsam, wie Federn,aber absolut senkrecht, aus dem Nebel. Sieregneten ab, aber nicht zwei von ihnen kleb-ten aneinander oder verhakten sich. Dort, wosie auf das Wasser auftrafen, verwandeltensie sich in eine kleine, grüne Dampfwolkeoder in Rauch, der schwer über dem Wasserlag.

»Sind es Tiere oder mineralische Substan-zen?« fragte sich Fartuloon und sah zu, wiesich auf dem Wasserlauf eine dicke Schichtbildete, die ineinander überfloß und schließ-lich eine undurchsichtige Decke bildete. DasWasser war verdeckt.

Die grünen Fäden schienen dem Schiffnichts anhaben zu können. Sie glitten ab,und auch die Linsenelemente, von denen dieBildschirme gespeist wurden, verklebtennicht.

»Ich weiß es nicht. Aber die Effekte sind

erstaunlich!«»Der Wind muß sie aus einem anderen

Teil Xermatocks herangetragen haben!«stieß Eiskralle hervor. »Wir haben es geradenoch geschafft. Wenn wir noch im Dschun-gel gewesen wären …«

»Niemand konnte es ahnen. Sicherlichwußte es nicht einmal der tote Jäger«, sagteIschtar leise. Fasziniert blickten die vierFreunde nach Süden. So entging ihnen, daßsich hinter dem Dauerregen der grünen Fä-den große, dunkle Schatten aus dem Nebelsenkten und über dem Boden schwebten.

Auch ein anderer Effekt entging ihnen.Ein uralter Brauch eines jeden raumfah-

renden Volkes war, auf einem Planeten mitbekannt guter Atemluft die Schiffsversor-gung abzuschalten und sämtliche Aggregateauf Außenluft umzuschalten. Die organi-schen Substanzen dort draußen waren Mi-kroben, die Eiweiß, Fett und Kohlenhydratebrauchten, um sich vermehren zu können.Der Vorgang, der rasend schnell ablief, be-nötigte gewaltige Mengen Sauerstoff.

Kleinere Objekte näherten sich von Nor-den dem Schiff. Sie sahen humanoid aus,aber blieben in dem dichten Regen der Fä-den so gut wie unsichtbar. Es waren Varga-nen, die bewaffnet waren und Raumanzügetrugen.

Sie landeten unterhalb des Schiffes undwaren jetzt den Blicken der Freunde voll-ständig entzogen.

Plötzlich griff Fartulooon an seinen Halsund gurgelte:

»Schnell! Die Schleuse schließen! DieLuft … Gift … schnell!«

Ischtar warf sich auf das Schaltpult unddrückte einige Knöpfe. Aber die zerstörtenLeitungen waren nicht zu aktivieren. Mit ei-nem dumpfen Geräusch brach Corpkor überseinem Werkzeug zusammen. Er sah nichtmehr, daß der Regen der Fäden dünner wur-de und mit erstaunlicher Plötzlichkeit auf-hörte. Eiskralle war der nächste, der das Be-wußtsein verlor.

Die Mikroben vernichteten die kleinenTiere, vermehrten sich rasend, blähten sich

Jagdplanet des Unsterblichen 49

Page 50: Jagdplanet des Unsterblichen

auf und starben ab. Sie verwandelten sichaugenblicklich in eine. Art planetarischenDüngers. Der verbrauchte Sauerstoff wurdeersetzt, indem von außen Luft in das Gebietdes Nebels einströmte. Die Luft bewegteden Nebel und riß ihn an einigen Stellen auf.

Fartuloon brach zusammen, noch ehe dieLuft wieder ihre gewohnte Konzentration er-reicht hatte. Nur Ischtar war noch bei Be-wußtsein, als eine Menge bewaffneter Män-ner in die Zentrale eindrang. Ein Anzugs-lautsprecher klickte, eine dunkle Stimmesagte:

»Ich bin Kommandant Thayntro. Nehmtsie gefangen. Wir bringen sie, wie befohlen,nach Yarden.«

Ein Untergebener fragte:»Unsterblicher, was geschieht mit dem

Schiff Mantraroggins?«

Immer mehr riß der Nebel auf. An einigenStellen brach Sonnenlicht durch die Risse.

»Es bleibt hier. Als sein Grabmal.«»Verstanden.«Binnen kurzer Zeit waren die vier Gefan-

genen gefesselt, auf Schwebeplattformen ge-legt und in das Flaggschiff der kleinen Flottegebracht. Die Flotte startete in den Nebelhinein, wurde schneller und trat die Reisenach Yarden an, in die Eisige Sphäre.

Die Varganin und ihre Begleiter erwach-ten. Wieder wußten sie nicht, was geschehenwar.

ENDE

E N D E

50 Hans Kneifel