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Jagdplanet des Unsterblichen

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Atlan - Der Held vonArkon

Nr. 212

Jagdplanet desUnsterblichen

In der anderen Dimension wartetder Tod - mit Ischtar auf der Welt

der Mutationen

von Hans Kneifel

In einer Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht, steht es mit dem Großen Imperium der Arkoniden nicht zum Besten, denn es muß sich sowohl äuße­rer als auch innerer Feinde erwehren.

Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Im­periums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Fein­de Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Impera­tor Orbanaschol III. – nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemein­wohl völlig außer acht lassen. Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der jun­ge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von verschworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen.

Gegenwärtig ist Atlan jedoch nicht in der Lage, den Untergrundkampf gegen den Usurpator und Brudermörder Orbanaschol persönlich weiterzuführen, denn durch die Einwirkung einer Geheimwaffe der Maahks gelangte er erneut in den Mikrokosmos.

Den Verschollenen wiederzufinden, ist Ischtars vordringliche Aufgabe, denn sie fühlt, daß ihr Geliebter in Gefahr ist.

Zusammen mit Atlans Kameraden Fartuloon, Corpkor und Eiskralle erreicht die Goldene Göttin auch schließlich nach vielen gefahrvollen Abenteuern die andere Di­mension, in der sich der Kristallprinz aufhält. Erste Station ihres Weges im Mikrokos­mos ist der JAGDPLANET DES UNSTERBLICHEN …

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Die Hautpersonen des Romans:Mantraroggin - Herr des Planeten Xermatock.Mottizzer - Der vierbeinige Jagdgefährte Mantraroggins.Fartuloon, Corpkor, Haitaschar, Ischtar, und Eiskralle - Potentielle Jagdopfer Mantraroggins.

1.

Es gibt zwischen den Sternen kein ge­schriebenes Recht – der Mächtige nimmt sich, was seiner angemessen ist.

BUCH DER WAFFEN UND DER JAGD, Spruchgut der Unsterblichen

Das Tier war riesenhaft. Es wirkte in jeder seiner Bewegungen furchterregend und mächtig. Jedes Zucken der großen Muskeln unter dem gestreiften Fell verriet eine schlummernde Energie, die unvermittelt ausbrechen und den mehr als büffelgroßen Körper nach vorn schleudern konnte.

»Noch bin ich nicht nahe genug!« brummte Mantraroggin und heftete seine Augen wieder an den federnden Balg des Zielfernrohrs. Er befand sich zweihundert Schritte vom Wasserloch entfernt; er lag im Schatten eines der Felsen hoch über dem Ni­veau der steinübersäten Ebene. Es war kurz nach Mittag, die Sonne hatte ihren höchsten Stand schon erreicht.

Wieder betrachtete Mantraroggin sein Ge­schöpf.

Es wirkte, grob gesehen, wie ein blaurot gestreifter Büffel. Aber viele Einzelheiten unterschieden diese wilde Mutation von ei­nem solchen Tier. Da war der Schädel, aus­gerüstet mit einem nach oben und vorn ge­drehten gewaltigen Gehörn, das in nadelfei­ne Knochenspitzen auslief. Auf der breiten, wulstigen Stirn saß ein drittes Horn, gerade wie ein Stilett. Der entartete Büffel, eine Le­bensform, die sich nicht sehr lange auf die­sem Planeten würde halten können, stand unübersehbar in der Nähe des ersten Was­serlochs. Noch befanden sich andere Tiere dort und tranken, leckten die salzigen Rück­stände am Rand des Tümpels.

Der Riesenbüffel bewegte langsam den

Kopf hin und her. Er schien unruhig. Witterte er den Beglei­

ter des unsterblichen Jägers? Hörte oder roch er Mottizzer?

Kaum möglich! sagte sich der Vargane und setzte die langläufige Waffe mit der starken Optik ab.

Er mußte noch warten. Er liebte die einfa­che Jagd, die der Beute genügend Chancen ließ. Deswegen war er auch nur wie ein klassischer Großwildjäger ausgerüstet, des­wegen verließ er die Sphäre. Die Erregung überkam ihn von Zeit zu Zeit, und dann fand er auf seinem Planeten die Entspannung, die er suchte. Nur dann, wenn er bis ins Extrem gefordert wurde, war er befriedigt. Der Tag hatte gut begonnen. In der Nacht war das Schiff gelandet. Es stand abseits des mora­stigen Flußdeltas auf einer felsigen Unterla­ge und war entsprechend gesichert.

Zwischen Sonnenaufgang und Mittag hat­te Mantraroggin, in seinem kleinen Gleiter das Delta überflogen und anschließend eine steinbedeckte Ebene überquert. Im ersten Dschungelstreifen hatte er sich mit Mottiz­zer verständigt und seinen einzigen Beglei­ter ausgesetzt. Seit diesem Augenblick jagte Mottizzer allein. Aber sie waren verabredet, dort drüben, vor dem Anfang der langen, ro­ten Schlucht.

»Ein herrlicher Tag für die Jagd!« knurrte Mantraroggin zufrieden, lehnte die gesicher­te Waffe gegen den schattigen Teil des Fel­sens und zog langsam sein Vielzweckhemd aus. Er öffnete die große Gürteltasche und entnahm ihr eine Mittagsration, dazu öffnete er eine Stabilpackung seines schweren, dunklen Weines und stellte sie neben sich.

Ein kurzer Blick nach der Wasserstelle – nichts hatte sich geändert. Die riesige Bestie stand noch immer wartend da, die kleinen Tiere tranken und leckten Salz. Im fahlblau­en, strahlenden Firmament erschienen die

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ersten Vögel des Nachmittags. Auch unter ihnen gab es Mutationen. Der junge, unsterbliche Vargane zog das

Hemd ganz von den Schultern, rollte es locker zusammen und knotete es oberhalb seines breiten Gürtels um seinen Oberkörper mit den durchtrainierten Muskeln.

Er lachte auf. Das alles war seine eigene Welt. Niemand machte sie ihm streitig, nie­mand griff ein, keiner jagte hier außer er. Noch nicht.

Der Planet: Es war die Welt der tausend Dschungel. Niedrige Poldschungel, die uner­meßlichen Regenwälder nördlich und süd­lich des Äquators, die mittleren Wälder, dunkelgrün oder schwarz, unwegsame Baummeere der gemäßigten Zonen, voll von Wild. Viele tausend Arten, denen man das Gehörn nehmen konnte, deren Felle die Ma­schinen des Schiffes abzogen, deren Gebisse die Wände seines Hauses in der Eisigen Sphäre zierten.

Oder Mottizzer: Ein Tier, so groß wie ein Kalb des mutierten Hornbüffels. Halbintelli­gent, eine Jagdbestie mit untrüglichen Au­gen, ebensolchem Gehör und einer unfehlba­ren Spürnase. Die Jagd auf dem Planeten Xermatock war die einzige Leidenschaft Mottizzers, mit dem er sich durch Folgen komplizierter Schnalzlaute und klickender Geräusche hervorragend verständigen konn­te.

Und die Mutationen: Es war seine Welt, mit der er machen konnte, was er wollte. In diesem Fall waren es die Tiere, die ihm nicht genügten. Sie waren zu wenig wild, zu wenig exotisch. Also bombardierte er jedes­mal, wenn sein Schiff sich im Landeorbit befand, Xermatock mit harter nuklearer Strahlung. Sie war breit gestreut, und sie be­einflußte das Erbgut von Fischen ebenso wie das der Vögel und der Tiere der Dschungel.

Erstaunliche Mutationen waren die unmit­telbare Folge.

Jeder Besuch zeigte ihm abweichende Formen. Die Norm existierte weiter, und die Mutationen hatten keine wirkliche Zukunft, aber als Opfer seiner Jagden waren sie große

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Klasse. Denn ihr Verhalten änderte sich sprunghaft und konnte in keines der bekann­ten Schemata eingeordnet werden.

Der Unsterbliche lächelte. Er war schon in seiner Jugend unsterblich geworden und hatte, bis auf winzige Einzelheiten, seine Fi­gur und sein Aussehen behalten. Er fühlte sich wohl in der flammenden Sonne über Xermatock, die auf seinen bloßen Rücken und seinen Nacken brannte. Für Augen­blicke kam das Verlangen nach einer Frau in ihm hoch, aber er entspannte sich bei einem langen Zug aus der Weinpackung. Er würde in einer Stunde dort am Wasserloch stehen und sich dem angreifenden Überbüffel stel­len.

»Und es kann durchaus sein«, sagte er, »daß nicht ich der Sieger sein werde.«

Aus dem Wald, rechts neben dem Ein­gang der Schlucht, kamen andere Tiere. Sie wirbelten bei ihrem Rennen über die hitzef­lirrende Ebene lange Staubfahnen auf, die sich in der trägen Luft dieser Stunde nur langsam senkten.

Mantraroggin schob den Hut ins Genick, griff nach seiner Waffe und blickte wieder voller Interesse nach dem Waldrand. Er sah eine Herde von Tieren, denen er den Namen Pantherechsen gegeben hatte.

Sie waren schon dagewesen, als er den Planeten Xermatock entdeckt hatte. Aber auch diese Herde von nicht weniger als hun­dert Exemplaren hatte ihre Mutationen. So gut er es erkennen konnte, hatte jedes Tier ein besonderes Merkmal. Entweder war der elastische Panzer anders gefärbt, oder die Pantherfüße besaßen lange, klingenförmig gekrümmte Kampfstacheln, oder die Reiß­zähne waren lang wie die von exotischeren Bestien, deren Gebeine er irgendwo in abge­brochenen Erdschichtungen entdeckt hatte.

Die Herde steuerte auf das Wasserloch zu. Diese Wasserlöcher … Nachdenklich

setzte der Vargane, den das eigentliche Fie­ber der Jagd noch nicht ergriffen hatte, die Waffe wieder ab und sah mit unbewehrtem Auge zu, was sich zwischen dem Wasser­loch und dem Waldrand tat. Die Herde kam

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näher. Sie wirbelte hinter sich eine gewalti­ge Masse Staub auf, in dessen Wolken sich das Sonnenlicht in verschiedenen Farbschat­tierungen brach. Ein herrlicher Anblick. Mantraroggin spürte, wie ihn das Fieber er­griff. Er wurde unruhig.

Die traditionelle Jagd mit einfachen Waf­fen und zweckentsprechender Ausrüstung war seiner angemessen und eines unsterbli­chen Verganen würdig. Er war zu gut, um leichtsinnig sein zu können. Mantraroggin vergewisserte sich vor jedem Schritt, wohin ihn dieser bringen würde.

Er benutzte, abgesehen von dem kurzläu­figen und kostbar geschäfteten Magazinre­volver für Fangschüsse und zum Feueran­zünden, keinerlei Strahlwaffen. Er stand zwar mit seinem Gleiter in Fernsteuer-Ver­bindung, aber schon die Kommunikation zwischen Mottizzer war mehr zufällig als geplant. Die wenige Zeit, die er für Xerma­tock erübrigen konnte, war zu kostbar, als daß er sie durch die Anwendung technischer Spielereien verdorben hätte. Er trank den letzten Schluck aus der Weinpackung und schleuderte die leere Hülse mit einer kraft­vollen Bewegung über die Schulter.

Das Material erzeugte auf den Steinen einen klappernden Laut. Mantraroggin schloß die Tasche, sicherte kurz seine ge­samte Ausrüstung und setzte die dunkle Brille wieder auf. Er nahm die schwere Büchse, wand sich den Riemen ums Hand­gelenk, hakte die Fangschnur in die Öse am Gürtel und begann den Abstieg von den Fel­sen.

Sein kurzer Marsch würde ihn direkt zur Wasserstelle führen. Weit und breit gab es keine Deckung. In seinem Blut stieg das Fie­ber. Der Puls begann zu hämmern, die lust­volle Unruhe breitete sich wie schleichendes Gift in seinem unsterblichen Organismus aus.

Ein junger, braungebrannter Mann mit der Gestalt eines schlanken Athleten, mit einer kühn vorspringenden Hakennase und gold­farbenen Habichtsaugen. Jede Bewegung war gemessen und zweckmäßig. Kein primi­

tiver Schlächter, sondern ein begabter Jäger, der mit der ihn umgebenden Natur ver­schmolz. Ein Mann, für den der Begriff Mo­ral oder seine entsprechende Übersetzung nicht existierte. Unter anderem ein fähiger Genetiker, dem alle Anlagen seines einst­mals gewaltigen Volkes zur Verfügung stan­den.

Er näherte sich schnell, aber mit äußerster Vorsicht der Wasserstelle. Ein seltsames Ge­fühl, das sich mit der Erregung der Jagd ver­mischte, breitete sich in ihm aus. Über ihm begannen die Nachmittagsvögel zu kreisen. Es war das Gefühl kommenden Unheils. Die blutroten Vögel waren keine Aasfresser – es waren Raubvögel, die nur Großtiere rissen.

Mantraroggins Schatten war kurz. Aber er zeigte getreulich die Bewegungen des Jä­gers. Er schlich heran wie eines der mutier­ten Raubtiere.

*

Mit einem krachenden Donnerschlag ent­lud sich die doppelläufige Waffe. Das Sprenggeschoß des rechten Laufes traf ge­nau den Rand zwischen Wasserloch und dem zertrampelten, feuchten Sand. Eine Säule aus Wasser und Erdreich, dreißig Me­ter hoch und zehn Meter durchmessend, breitete sich unmittelbar nach dem schmet­ternden Krach aus, der als Echo rollend über die Ebene fuhr.

Im selben Moment war die Hölle los. Hundert oder mehr Tiere in allen Größen

und allen Farben rasten nach allen Seiten auseinander. Sie flüchteten in die Felsen, ra­sten in wirren Zickzacksprüngen über die Wüste, hetzten zurück in das schützende feuchte Halbdunkel des Regenwaldes. Krei­schend und muhend, keckernd und gellend, hustend und röhrend schrien die erschrocke­nen Tiere. Außer dem Blitz und dem Don­ner, der sie ebenso ängstigte, hatten ihre Lauscher diese Geräusche und Effekte noch niemals bemerkt. Sie rannten davon und ver­schwanden. Binnen Sekunden war das Was­serloch und dessen Umgebung leer und ver­

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waist. Mit zwei Ausnahmen. Die Sicheln der schwarzen Schatten krei­

sten in berechenbaren Bahnen auf dem glei­ßendgelben Sand, mischten sich, verschmol­zen miteinander und drifteten wieder ausein­ander. Die Nachmittagsvögel beobachteten das Geschehen.

Der riesige Stier stand da wie eine Skulp­tur, scheinbar ungerührt und regungslos.

Mantraroggin ließ ihn, hundert Schritte entfernt, nicht aus den Augen. Zwischen ihm und dem gewaltigen Tier lag das Wasser­loch; ein runder Tümpel, sehr flach, aber aus einem kleinen, dafür um so tieferen Loch gespeist. Durch das poröse Material unter­halb der Sandebene stieg das Wasser unterir­discher Flußläufe hoch und trat hier zutage.

Mantraroggin öffnete das Schloß, suchte anhand der Markierung nach einer bestimm­ten Patrone mit dem richtigen Geschoß und schob sie in den Lauf. Zwei scharfe, knackende Geräusche. Als ob der gespannte Mechanismus und der Laut, mit dem die Fe­der einrastete, ein Signal gewesen wären, bewegte sich der Stier.

In den ersten Sekunden verhielt er sich genauso, wie Mantraroggin es berechnet hat­te.

Das Tier schüttelte den klobigen Schädel, senkte das Gehörn und schleuderte damit Sand nach allen Seiten. Dann warf sich der Stier vorwärts und nahm den erkannten Geg­ner an; Mantraroggin war weit und breit das einzige Lebewesen, abgesehen von den un­ablässig kreisenden Schatten.

Mit der Geschwindigkeit eines startenden Projektils rannte der Stier vorwärts. Seine Hufe trommelten auf dem Boden und warfen lange Sandfahnen nach hinten. Wie eine Maschine raste das Tier in den Tümpel hin­ein, seine langen Läufe durchfurchten das aufstäubende Wasser, aber in dem Augen­blick, als der Stier den Tümpel auf der Man­traroggin zugekehrten Seite wieder verließ, änderte das rasende Tier seine Taktik.

Es stemmte die Vorderbeine in den Sand, die hinteren Läufe wurden versetzt, und der

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Koloß änderte seine Richtung. Er näherte sich in unberechenbarem Zick­

zack dem Jäger. Mantraroggin wurde unsi­cher, je näher der Koloß kam. Dann, keine zwanzig Schritte vor ihm, riß das Tier den Kopf hoch, streckte den wuchtigen Hals und schrie auf.

Der Schrei, urwelthaft und Ausdruck höchsten Zorns, warnte den Varganen. Er zog den Finger aus dem Abzug, packte die Waffe am Schaft und blieb breitbeinig ste­hen. Todesahnung und Jagdfieber steigerten einander zu einer Euphorie. Der Vargane blickte in die großen, halbkugeligen Augen des Tieres, sah drei Hornspitzen auf sich deuten wie Dolche, sah die Speichelfäden am Maul des Stieres und die Läufe, die sich rasend schnell bewegten.

Als die drei Spitzen keinen Schritt von seiner Brust entfernt waren, sprang er mit ei­nem gewaltigen Satz nach links, landete im Sand und rollte sich ab. Dadurch gewann er weitere zwei Schritte. Als er wieder auf bei­den Beinen stand, hielt er die Waffe bereits in der richtigen Position. Er hob sie und preßte den Kolben gegen seine Schulter.

Er zielte zwischen Zielfernrohr und Lauf hindurch.

Der Stier war vom Schwung seiner Bewe­gung dreißig Schritte weiter getragen wor­den. Der Gegner, den er niederwalzen und zerfetzen wollte, war plötzlich aus dem Blickfeld verschwunden. Jetzt stemmte der Stier alle vier Gliedmaßen in den Sand, riß den buschigen Schwanz in die Höhe und hielt auf einer Distanz an, die kürzer war als sein eigener Körper.

Er senkte den Kopf, schrie abermals und entdeckte dann den Gegner. Er warf sich herum. Seine feuchten Augen funkelten bös­artig auf. Als der Stier Mantraroggin die Breitseite zeigte, krümmte sich der Finger des Varganen um den Abzug. Eine donnern-de Detonation, dann hob es den Büffel von den Beinen, warf ihn einen Schritt zurück, aber das Tier stand noch immer.

Aus einer gewaltigen Wunde sickerte das Blut. Die Schatten der Nachmittagsvögel be­

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gannen schneller zu kreisen. Der Trophäen Jäger wartete einige Herzschläge lang und zielte dann genauer.

Als sich das Tier mit gesenktem Kopf auf den Jäger warf, ihn mit brechenden Augen fixierend, feuerte Mantraroggin den zweiten Lauf leer. Das Tier, genau in die Wirbelsäu­le unter den Bündeln der Nackenmuskulatur getroffen, brach in vollem Lauf über die Vorderbeine zusammen und rutschte einige Schritte durch den Sand. Dann atmete es keuchend aus und war tot.

»Das war knapp!« murmelte Mantrarog­gin und fühlte die Erleichterung, die befrie­digende Schwäche nach dem Erfolg. Er lud augenblicklich nach und zuckte zusammen, als dicht neben seinem Ohr ein heiserer Raubvogelschrei ertönte. Er sah auf und er­kannte, daß sich die ersten Vögel auf das verendete Tier stürzten. Sie fielen mit ange­winkelten Schwingen schräg aus dem fahlen Himmel, ihre Schnäbel zielten auf den toten Superbüffel.

»He!« schrie Mantraroggin und schwang seine Waffe wie einen Knüppel. »Er gehört mir! Ich bin noch nicht fertig.«

Er duckte sich, als zehn scharfe Krallen über seinem Kopf durch die Luft zischten, dann holte er aus und zerschmetterte den nächsten landenden Nachmittagsvogel. Das Tier verendete kreischend in einer Wolke aus Federn. Der Vargane warf, auf den Büf­fel zurennend, fluchend das Gewehr über die Schultern und zog das lange Messer und den Revolver. Immer wieder duckte er sich, um den Angriffen der Riesenvögel zu entgehen. Zwei stürzten sich auf ihren toten Artgenos­sen, andere schlugen Mantraroggin die Schwingen um den Kopf. Er starrte kurz ge­gen die Sonne, zielte und feuerte viermal nacheinander.

Vier kleine, stechende Glutbälle erschie­nen und verbreiteten kugelförmige Zonen von ungeheurer Hitze. Die Federn der Vögel begannen zu brennen, es stank unerträglich. Aber es waren jetzt schon Hunderte, die ihre Kreise zogen und sich auf den Kadaver stürzten. Der Mann war ihnen im Weg.

»Nicht mit mir, meine Freunde!« Ein böses Grinsen entblößte die Zähne

des Jägers. Jetzt wirkte er wie ein Raubtier. Er benutzte das Messer wie einen Degen. Die Glutbälle, dann die blitzschnell geführ­ten Angriffe und Ausfälle, wieder ein Schuß, und rund um ihn schlugen die schweren Körper in den Sand ein. Er sprang zurück, schaltete die Vibratoranlage ein und begann in den kurzen Kampfpausen den Schädel des Tieres abzusägen. Er wollte die Trophäe ha­ben.

Das rinnende Blut und dessen Geruch schien die Raserei der gierigen Vögel zu vervielfachen. Immer wieder vertrieb er eine Rotte Vögel durch einen Schuß oder einen Angriff mit dem Messer. Während er, um­schwirrt von großen Flügeln, immer wieder von einem Schnabel oder einer Kralle ge­streift, Fell, Muskeln und Knochen durch­trennte, zerfetzten die Vögel bereits die Gliedmaßen und das Hinterteil des Kada­vers. Die Tiere stritten sich um die Beute und hackten aufeinander los.

Schließlich packte Mantraroggin den Schädel mit der linken Hand an einem Horn, schaltete das Messer aus und steckte es in den Stiefelschaft, behielt aber den Revolver in der Hand.

Er zerrte die blutende Trophäe hinter sich her.

Im selben Augenblick landete ein Vogel mit gespreizten Krallen in seinem Rücken. Der Hakenschnabel kam wie ein Schmiede­hammer herunter und riß die Kopfhaut von der Schläfe bis zur Wange auf. Mantrarog­gin ließ sich fallen. Durch das sausende Ge­räusch hörte er hechelnde und schnalzende Laute.

Mottizzer?

2.

Yarden, die Eisige Sphäre, ist nicht nur ein Ort, sondern auch die Bezeichnung für eine bestimmte Geisteshaltung

BUCH DER UNSTERBLICHKEIT

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Er kam in einem rasenden Galopp daher. Die nach vorn greifenden Hinterläufe setz­ten genau unterhalb der Kiefer des gerade­aus gereckten Kopfes ein, schnellten zurück und schleuderten den großen Körper mit der hohen Kruppe nach vorn. Der gedrungene, aber langläufige Körper war von einem blauschwarzen Fell bedeckt, in dem goldene und silberne Flecken glänzten. Die dreiecki­gen Ohren waren aufgestellt und nach vorn gerichtet. Der lange Schwanz war wie zur Balance fast waagrecht ausgestellt. Das gan­ze Tier war in höchster Anspannung; ein Bündel aus Nerven, Muskeln und Zähnen, das die Gefahr witterte, die seinen Herrn umgab, seinen klugen, großen Partner.

Mottizzer sah die wild kreisenden Vögel, bemerkte die Dutzende wild um sich schla­gender Aasfresser um den Kadaver. Seine unvergleichlich feine Witterung registrierte eine Vielzahl verschiedener Gerüche, die al­le ihre unverkennbare Bedeutung hatten und zusammen mit den optischen Eindrücken ein Gesamtbild ergaben.

Dann roch er die Ausdünstung von Wut, Enttäuschung und Haß. Dieser Geruch stammte von seinem Herrn.

Das heranrasende Tier verlangsamte seine Geschwindigkeit, seine Augen suchten das Gelände vor ihm ab. Dann bemerkte er den Körper des Mannes, der auf dem Sand lag und sich rasend schnell bewegte.

Zwei der riesigen Raubvögel hatten sich auf Mantraroggin gestürzt.

Er hielt einen knapp unterhalb des Schna­bels gepackt und versuchte, mit hochgezoge­nen Gliedmaßen die reißenden Stöße der Klauen abzuwehren.

Mit der anderen Hand kämpfte er gegen den anderen Vogel, der jedesmal dann in die Höhe sprang und wieder zustieß, wenn Man­traroggin nach ihm griff oder schlug. Der halbintelligente Jagdhund sah nur die Fin­ger, keine Verlängerung, also hatte sein Partner die Waffen verloren.

Während alle dieser Eindrücke in ihn ein­strömten, riß Mottizzer den Rachen auf und

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stieß einen halb bellenden, halb röhrenden Laut aus.

Drei gewaltige Sätze, die den Sand hoch auf stauben ließen, brachten ihn in die Nähe des Vogels, dessen Schnabel eben wieder wütend nach dem Arm des Varganen hackte.

Mottizzer nahm das Ziel an und sprang vorwärts. Gleichzeitig drehte er Kopf und Körper. Als der Vogel und der Hund in der Luft zusammenstießen, warf der Schwung des Vierbeiners den Vogel um. Der Aasfres­ser schlug wütend mit den Flügeln, aber die beiden Tiere flogen als ein Knäuel von Fell, Federn und Gliedmaßen wild um sich schla­gend über den Körper des Jägers hinweg zu Boden. Mottizzer spürte zwischen seinen Zähnen Gefieder, Haut und Knochen. Er biß zu, seine starken Kiefer schlossen sich, und die Gegenwehr des Vogels hörte abrupt auf. Augenblicklich ließ der Hund den toten Vo­gel fallen, drehte sich auf der Stelle und stürzte sich auf das zweite Tier. Er biß in die splitternden Knochen einer Schwinge, ließ los, prallte zurück und rammte das Tier im Sprung mit der breiten Schulter.

Aufkreischend wirbelte der Vogel über den Sand. Ein zweiter schneller Biß in den Hals, und auch dieser Vogel war tot.

In der nächsten Sekunde hatte sich Mot­tizzer in ein knurrendes, kläffendes Bündel verwandelt, das sich in Sprüngen immer wieder um den gestürzten Mann herum be­wegte. Die Vögel, die heranschwebten, die anderen, die über den Boden hüpften und an dem Kopf des Bullenkadavers herumzerrten – sie sahen sich einem neuen Gegner gegen­über.

Kreisförmig um Mantraroggin herum breitete sich ein Ring aus einzelnen, schnel­len Kämpfen aus. Vögel schrien, die Federn flogen, der Sand stäubte hoch.

Du warst rechtzeitig zur Stelle, Mottizzer! gab Mantraroggin zu verstehen, indem er ei­ne Serie schnalzender, gutturaler Laute aus­stieß. Er stand auf, fand seine Waffe und suchte die Sonnenbrille.

Du warst nicht am Treffpunkt, gab der Hund sinngemäß zurück. Er schüttelte sich;

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er war ausschließlich auf Angriff, Jagd und Verteidigung abgerichtet, und er fühlte sich als halbdomestiziertes Raubtier entspre­chend wohl. Aber auch sein Körper trug die Spuren des Kampfes.

Wir holen den Flugapparat! schnalzte und bellte Mantraroggin.

Der Hund begriff es nicht, aber irgendwie spürte er es, als die Schüsse über ihn hin­wegfauchten. Mantraroggin suchte den Ner­venkitzel, und auf seinen Jagden setzte er immer wieder sein Leben aufs Spiel. Er blu­tete aus gut zwanzig Wunden, leichteren und schweren.

Die Nachmittagsvögel, die sich an die Trophäe gewagt hatten, starben unter den Schüssen und den Bissen des riesigen Hun­des. Aber immer mehr Tiere fielen rund um den Kadaver zu Boden und kämpften mit denen, die schon dort hackten, mit Fleisch­fetzen in den triefenden Schnäbeln davon­sprangen oder langes Gedärm hinter sich herzogen. Mantraroggin zog aus dem Gürtel eine kleine Fernsteuerung und betätigte eini­ge Schalter.

Der Flugapparat kommt, Partner! sagte er in ihrer merkwürdigen, aber umfassenden Verständigungsart.

Die Vögel, Viele, war die Antwort. Mantraroggin wischte sich Blut und Staub

aus dem Gesicht, rannte auf die Trophäe zu und packte eines der Hörner. Er warf sich nach vorn und schleppte das schwere Stück davon. Der Hund sicherte zwischen ihm und den Vögeln, die wütend vom Kadaver wegs­prangen und in ihrer Gier versuchten, dem Zweibeiner die Beute wegzureißen.

Mottizzer war eines der genetischen Ex­perimente des Varganen. Aber aus dieser Zucht mit allen ihren phantastischen Muta­tionen hatte nur dieses Tier überlebt. Es war von Mantraroggin gepflegt und ausgebildet worden, als er erkannte, wie intelligent der Hund war. Damals hatten sie es auch auf vielen Jagden und im Center des Varganen mit ihrer Verständigung geschafft. Bedeu­tungen von Lauten waren erkannt worden, und sie hatten einen ziemlich großen Wort­

schatz, der in sich variabel war und eine gu­te Verständigung ermöglichte. Das Tier dankte es dem Varganen durch einen beson­deren Mut, durch seine Wildheit, die es ganz in den Dienst der Jagdpartnerschaft stellte. Mottizzer würde sich für Mantraroggin buchstäblich in Fetzen reißen lassen. Sie flüchteten gemeinsam in die Richtung auf den Rand des Waldes, aber Mottizzer deckte den Rücken seines Herrn.

Dann raste der Gleiter in mittlerer Höhe heran. Die Maschine suchte das Dauersignal des Varganen, identifizierte ihn und kam tiefer herunter, gleichzeitig reduzierte sie ih­re Geschwindigkeit. Schließlich, im Schutz der ersten Büsche, landete das tropfenförmi­ge Gerät mit der umgitterten Ladefläche dicht neben den Jägern.

Mantraroggin blieb keuchend stehen, riß den Verschlag auf und stemmte die schwere Trophäe auf die Ladefläche. Krachend schloß sich der Verschlag. Dann glitten die Türen auf, und der Vargane aktivierte die Steuerung.

Mit einem Satz sprang Mottizzer auf den Beifahrersitz und rollte sich zusammen. Noch ehe die Türen wieder zufuhren und sich der Gleiter erhob, begann das Tier seine Wunden zu lecken.

Der Gleiter drehte sich, stieg schräg in den Nachmittagshimmel, raste durch einen Schwarm panisch flüchtender Nachmittags­vögel und nahm Kurs auf das kleine Schiff.

*

Mantraroggin benutzte die Gleiterschleu­se wie eine Terrasse.

Sie befand sich dreißig oder mehr Meter über dem Boden, die Aussicht war hervorra­gend. Das gesamte Delta lag zu seinen Fü­ßen. Er selbst saß in einem bequemen Sessel und trug nichts anderes als einen weißen Mantel aus flauschigem Material, das gleichzeitig hauternährend präpariert war. Auf seiner Stirn leuchtete der feine Film, der alle seine Verletzungen verschloß.

Aus verborgenen Lautsprechern kam Mu­

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sik, die wilden Takte einer varganischen Jagdsymphonie. Mottizzer lag ausgestreckt im Sonnenlicht und fraß einige Reste des Schädels. Das schwere Stück lag bereits im Tank des chemischen Präparators.

Du fühlst dich gut? schnalzte und brumm­te der Vargane.

Der Hund hob den Kopf, stieß einen weit­hin jaulenden Laut aus und scheuchte die Singvögel der nahen Bäume auf.

Fühle mich gut! schnalzte das Tier zu­rück. Immer nach Jagd.

Sie erholten sich und bereiteten sich auf den nächsten Tag vor. Der Vargane war noch unentschieden, ob er sich ein besonde­res Exemplar aus einer Art Neosaurierherde heraussuchen oder mit dem Gleitboot im Flußdelta nach Panzerechsen jagen sollte. Nun, das hatte Zeit, er würde sich morgen entscheiden. Als Mantraroggin das Glas mit dem gekühlten Alkohol hob, hörte er ein dumpf dröhnendes Geräusch.

Was ist das? fragte er in der eigentümli­chen Sprache. Auch der Jagdhund hob sei­nen Schädel, zeigte die Zähne und knurrte wütend.

Nicht weiß. Draußen! Das Dröhnen nahm innerhalb weniger Se­

kunden zu, es verwandelte sich in langwelli­ge Schwingungen und erschütterte die Luft wie eine Kette von Donnerschlägen. Dann, als Mantraroggin verblüfft aufsprang, er­schien in genau dem rechteckigen Aus­schnitt, den die Schleusenbegrenzung bilde­te, ein Raumschiff.

Auf den ersten Blick erkannte Mantrarog­gin, daß es sich um ein varganisches Schiff handelte, um eines der typischen Doppelpy­ramidenschiffe. Einige Sekunden lang hing es dicht über dem Boden regungslos in der Abendluft, dann fiel es senkrecht nach un­ten.

Es landete auf einer langgestreckten Sumpfinsel aus festgebackenem Sand, Schwemmgut und Gewächsen, die darauf Fuß gefaßt hatten. Ein Teil des Schiffes fiel ins träge fließende Wasser und überschüttete die Umgebung mit einem funkelnden Regen

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aus Wassertropfen. Büsche und Bäume wurden unter der

Wucht des fallenden Körpers zerbrochen und in Splitter verwandelt. Sämtliche Lebe­wesen im Umkreis der Einschlagstelle flüch­teten.

»Ein varganisches Schiff, ohne jeden Zweifel«, sagte der Unsterbliche laut und zu sich selbst. »Aber die Art, wie es hier er­schienen ist, verwundert mich zutiefst!«

Stille breitete sich nur langsam wieder in diesem Teil des Deltas aus. Das varganische Schiff, das eindeutig abgestürzt war, lag kei­ne fünftausend Schritte von dem eigenen Schiff entfernt. Aber jetzt, da es sich in den Untergrund gebohrt hatte, sah er nur noch einen kleinen Teil einer Spitze hinter dem dunklen Grün hervorschimmern.

Mottizzer! Er lehnte sich an die Kante der Schleuse,

nahm das schwere Fernglas an die Augen und starrte hinüber zu dem abgestürzten Schiff. Er verstand nichts; zahlreiche Theo­rien schossen durch seine Überlegungen. Wie und warum war dieses Schiff hierher gekommen, und warum hatte der Pilot keine Landung mehr durchführen können? Sein Interesse an diesem Schiff brauchte nicht mehr geweckt zu werden, er deutete in die Richtung und schnalzte aufgeregt:

Erkunde, was dort vorgefallen ist! Wenn die Aufgabe zu schwer ist, kehr um und komm zurück.

Ich gehe! Das Tier heulte bestätigend auf und trotte­

te aus dem Schleusenraum. Es fand den Weg durch das Schiff von selbst. Der Schalter für die Schleuse war doppelt ausgelegt; den tiefer angebrachten drückte Motizzer mit der Schnauze und verließ das Raumschiff. Bin­nen weniger Minuten war das Tier zwischen den Pflanzen verschwunden und kämpfte sich durch den Halbsumpf.

Mantraroggin beschloß, noch heute nach­zusehen. Ein Blick auf die Uhr zeigte, daß ihm noch neunzig Minuten Sonnenlicht und die Zeit einer kurzen Äquatordämmerung blieben. Sofort begann er den Maschinen

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Befehle zu erteilen. Kurze Zeit später ver­ließ der schwerere der beiden Gleiter das Schiff, beladen mit Waffen und einer Aus­wahl der Reparaturausrüstung des Schiffes. Mantraroggin saß am Steuer und glaubte zu wissen, daß eine Art Geheimnis dieses Schiff umgab.

In geringer Höhe schwebte der Gleiter über die Landschaft aus Wasser, Inseln und Baumgruppen, aus trügerischem Sumpf und festem, teilweise felsigem Untergrund. Jetzt tauchte das fremde Schiff auf. Vorsichtig steuerte der Vargane die Maschine nach rechts und ging in einen großen Kreis. Unter sich sah der unsterbliche Jäger die Spuren seines Tieres, das von der Jagd ebenso be­sessen war wie er selbst.

Nichts bewegte sich auf dieser Seite des Schiffes.

Der Gleiter huschte fast geräuschlos wei­ter und näherte sich dem Doppelpyramiden­schiff von der Seite, an der es noch Sonnen­licht gab.

Mantraroggin pfiff scharf durch die Zäh­ne.

»Hier also ist die Schleuse – natürlich ge­schlossen!« murmelte er und schwebte nach mehreren kurzen Testanflügen näher heran. Der Gleiter blieb über der Schleuse in der Luft stehen. Von schräg unten, zwischen den dichten Büschen mit ihren faulig riechenden Blüten, kam ein langgezogenes Heulen. Mit einem Energiehaftstrahl verankerte der Var­gane den Gleiter, klappte die Leiter aus und schnalzte dann seinem Partner einen Befehl zu.

Kommen, wenn du kannst! Der riesige Hund versuchte, die schräge

Fläche zu erklettern. Er sprang in die Höhe, schnappte nach einem federnden Ast und war schließlich oben. Vorsichtig, mit steifen Läufen, kam er näher. Inzwischen hatte sich sein Herr bereits der Schleuse genähert und blieb stehen, sich schräg nach vorn stem­mend, um nicht abzurutschen.

»Die Schleuse ist natürlich geschlossen!« brummte er ärgerlich. Er fand keinerlei Möglichkeit, sie von außen zu öffnen. Aber

er sah die Angeln und die verstärkten Flä­chen für Schloß und Bewegungsmechanis­mus. Er bückte sich, legte das Ohr an die Fläche und blieb eine Weile lauschend in dieser Stellung.

»Nichts!« Keine Spur gefunden. Niemand gesehen!

schnalzte Mottizzer zurück, seine Ohren spielten in alle Richtungen.

»Es ist niemand ausgestiegen. Vermutlich ist dies ein Totenschiff.«

Er mußte nachsehen. Er kletterte zurück in den Gleiter, holte einige Teile der Ausrü­stung und begann dann in großer Eile, das Metall rund um das Schloß aufzuschweißen und atomar aufzulösen.

Er brauchte etwa dreißig Minuten, dann setzte er ein halbautomatischen Hebelwerk­zeug an und kippte die schwere Stahlplatte hoch. Kaum war sie einen Spalt breit offen, zog er seinen Revolver und stellte die Mün­dung auf mittlere Streuung ein, auf Nah­kampf.

Ich spüre nichts und niemanden. Doch, jetzt! Menschen und Tiere.

Mantraroggin ließ sich in die große Schleusenkammer hinab und tastete nach ei­nem Schalter. Als sich Mottizzer mit einem wilden Satz nach unten stürzte und auf allen vieren landete, flammte das Licht auf.

Mit einem schnellen Blick orientierte sich der Jäger. Die Anlagen waren nicht neu, aber hervorragend gewartet.

Bleib neben mir, schnalzte er. Ich beschütze dich, Herr! Langsam und vorsichtig tastete sich der

Vargane, dem die Korridore und die Tech­nik dieses Schiffes geläufig waren wie die seines eigenen, in die Richtung auf die Steu­erräume und die Kabinen. Jetzt roch auch er es: eindeutig tierische Ausdünstungen. Kein einziges Geräusch war zu hören, nicht ein­mal Atemzüge. Im Zickzack ging es vor­wärts, analog zur Oberfläche des Planeten. Und schließlich befand sich der Vargane in der Steuerkabine des Schiffes.

Er hob die Waffe, aber die Gestalten in den Sesseln rührten sich nicht.

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Neben Mantraroggins Knien stand mit ge­sträubtem Fell der Hund. Aus seiner Kehle kam ein fauchendes Röcheln, als er die Tiere sah, die in den typischen Stellungen des Schlafs oder der Bewußtlosigkeit auf dem Boden der schräghängenden Zentrale lagen.

»Fünf Personen. Ich muß sehen, was …«, begann der Unsterbliche und blieb vor je-dem Sessel stehen. Er entdeckte zuerst zwei Varganinnen, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Beide waren ausnehmend schön.

»Sie kommen mit einem varganischen Schiff hierher in die Welt der Eisigen Sphä­re. Ich kenne sie nicht. Also sind es Rebel­linnen, die sich im Makrokosmos aufgehal­ten haben!« stellte er laut fest und richtete die Waffe auf die Stirn der einen goldhäuti­gen Frau.

Ganz in Gedanken schnalzte er: Das kann nur bedeuten, daß der Henker

Magantilliken vergessen hat, sie zu töten. Oder sie nicht hat töten können. Ich erinnere mich, daß er einen solchen Auftrag bekam.

Der Hund gab zurück: Ich nicht verstehen. »Das ist auch eine Überlegung, die dich

nicht berührt. Aber ich sehe schon jetzt eine sehr interessante Abart unserer Jagd, mein Partner! Ich weiß, was ich tun werde.«

Neben den zwei Varganinnen lagen drei ihm unbekannte Wesen. Auch sie kamen demnach aus dem Makrokosmos. Etwas hat­te dieses Schiff verkleinert und hierher ge­schickt. Ausgezeichnet! Eine merkwürdige Kreatur, die ihn an Glas erinnerte, und zwei Männer von nicht varganischer Abstam­mung. Selbst damals, als er selbst im Ma­krokosmos gewesen war, hatte er solche Wesen nicht kennengelernt. Sein Plan stand fest, und er führte ihn sofort aus.

Schleppe diese Kreaturen aus der Schleu­se und wirf sie in den Sumpf! sagte er zu Mottizzer und zeigte auf die verschiedenen unzweifelhaft tierischen Wesen, die starr in der Kabine lagen.

Ich gehorche! Er selbst warf sich die erste Varganin

über die Schultern, schleppte sie aus dem

Hans Kneifel

Schiff und ließ sie achtlos neben die Ausrü­stung auf die Fläche des Gleiters fallen. Als die Sonne den Horizont berührte, startete der Gleiter zu einer merkwürdigen Fahrt. Er hielt an fünf verschiedenen Plätzen der wei­ten Umgebung. An jedem Platz kippte Man­traroggin einen seiner Findlinge zu Boden. Drei in verschiedene Teile des Dschungels, einen in die Sandebene und den merkwür­digsten an einen gefährlich aussehenden Platz im Dschungel.

Er rechnete damit, daß die Bewußtlosig­keit durch den Transportschock am nächsten Morgen aufgehört haben würde.

In dieser Nacht schlief er tief und traum­los. Als er erwachte, rüstete er sich zu der Jagd auf fünf wirklich intelligente Lebewe­sen. Er freute sich darauf. Es würde eine echte Abwechslung sein! Denn die Ausge­setzten hatten jeweils eine Energiewaffe. Er gab ihnen eine gute Chance …

3.

Wer einen ebenbürtigen Gegner überlebt, wird bald entdecken müssen, daß ihm etwas fehlt: Können und Wissen kommen von stän­diger Auseinandersetzung

BUCH DER WAFFEN UND DER JAGD

Der rasende Angriffsschrei warf sie aus der Dämmerung ihres Erwachens.

Sie riß die Augen auf – und gerade sah sie, wie ein gewaltiger blauer Körper ihr ge­samtes Gesichtsfeld ausfüllte. Einen halben Herzschlag später landeten einige Zentner Raubtier auf ihr, brachen einige Knochen und rissen lange Wunden in die Haut der Beine und der Brust.

Haitaschar konnte gerade noch den Arm hochreißen und das Gesicht schützen. Ein kurzer, harter Hieb mit einer Pranke schmet­terte den Arm zur Seite und brach ihn.

Haitaschar versuchte, sich unter dem schweren Körper des Raubtiers hervorzu­schieben, aber die Masse drückte sie schwer in den Waldboden. Sie sah vor sich den

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Schädel der Bestie immer größer werden, und die Varganin verlor das Bewußtsein.

Im gleichen Augenblick biß das Tier zu. Die Zähne bohrten sich in den glatten

Hals der Varganin. Eine halbe Drehung des Raubtierkopfes riß den Körper halb hoch und brach die Wirbelsäule im Bereich der Halswirbel. Haitaschar starb, ohne es zu merken.

Das blaufellige Raubtier stand auf, schüt­telte sich und fetzte dann mit einigen Pran­kenhieben die Kleidung vom Körper der jungen Frau. Dann begann das Tier zu fres­sen. Andere fleischfressende Tiere kamen unter den Büschen hervor und wagten sich scheu einige Schritte näher.

Das riesige Tier richtete sich drohend auf, einen Fleischfetzen zwischen den blutigen Zähnen. Dann heulte es donnernd auf. Ein paar der Tiere flüchteten mit großen Sprün­gen zurück in die Deckung. Aber aus einem System ovaler Löcher im Boden kamen große, schwarze Insekten. Sie bildeten schon nach einigen Handbreit Marsch eine Schlan­ge und näherten sich zielbewußt der Leiche. Sie kletterten über den unbenutzten Strahler, der über einer Wurzel lag und erreichten nach einer für ihre Größe und Geschwindig­keit erstaunlich kurzen Zeit den Leichnam. Das große Tier fraß und schlang immer langsamer – es wurde satt.

Offensichtlich hatte niemand gesehen, was hier geschehen war. Niemand hatte den Versuch gemacht, der Varganin Haitaschar zu helfen.

*

Die ersten goldenen Strahlen der Sonne berührten die Spitze des Schiffes, als die Automatik den Jäger weckte. Er duschte heiß und kalt, ließ sich ein mildes, stimulie­rendes Mittel injizieren, das Schmerzen und Müdigkeit in Langzeitwirkung unterdrückte, ließ sich massieren und die Haut mit einem infektionshemmenden und insektenabsto­ßenden Mittel einsprühen, dann zog er sich langsam und methodisch an. Schon viele Jä­

ger waren nicht durch Unvorsichtigkeit um­gekommen, sondern durch ihre mangelhafte Ausrüstung.

»Mir wird das nicht passieren!« sagte er gutgelaunt, schloß den Magnetknopf seines Hemdes, ergriff seine Waffen und ging hin­auf in die zweite Schleuse. Auch sie war als künstliche Terrasse hergerichtet worden. Ein Ultraschallvorhang hielt die Insekten ab, und ein Tisch war von den Maschinen gedeckt worden. Mantraroggin hatte darauf verzich­tet, Spionsonden einzusetzen – er wollte die Menschenjagd allein und in klassischer Ma­nier halten.

Wie geht es dir an diesem Morgen? schnalzte und klickte er zu seinem Hund hinunter. Mottizzer hob den Kopf, knurrte begeistert und erwiderte:

Gut. Große Freude auf Jagd. Ich auch. Der Hund fraß aus einer flachen Schüssel

Teile von geschossenen Beutetieren und sei­ne spezielle Aufbaunahrung, von den Labo­ratorien Yardens zusammengestellt. Auch für ihn war von den Maschinen der Sanitär­zelle gesorgt worden, denn Mantraroggin hatte einen Satz Apparate auf dieses Tier programmieren lassen. Der Hund genoß es, zu duschen und massiert zu werden. Die Verletzungen durch die Nachmittagsvögel waren fast verheilt.

Wir gehen! Platz eins ist unser erstes Ziel! bestimmte der Jäger und trank den er­sten Schluck aus einem Glas voller Alkohol.

Bin bereit! schnalzte Mottizzer und sprang auf die Füße.

Der Jäger kontrollierte Messer und Revol­ver, Patronenvorrat und Waffe, den Sitz des Gürtels, die Verpflegung, das Nothilfepaket, die Fernsteuerung und alle übrigen Ausrü­stungsgegenstände. Dann sicherte er die Ein­gänge des Schiffes, machte einen Kontroll­gang und schleuste schließlich den Gleiter aus. Mottizzer raste in einer immer weiter werdenden Spirale um das Schiff herum, und als er zurückkam, hechelte er undeutlich schnalzend:

Keine Gefahren, Partner!

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Mantraroggin beugte sich weit aus dem Gleiter, blickte nach oben und sah, wie sich die nach Osten gerichtete Schleuse des Schiffes schloß. Er schob die Tür auf und ließ den Hund hineinspringen.

Hatte auch keine Gefahren erwartet! schnalzte er zurück.

Brummend erhob sich der Gleiter wieder, kletterte einige Meter, dann schwebten der Jäger und sein vierbeiniger Partner auf den Hügel zu, der annähernd im Schnittpunkt al­ler fünf Plätze lag, an denen gestern abend die Fremden ausgesetzt worden waren.

Von dort aus bahnten sich Mottizzer und Mantraroggin einen Weg auf die Stelle im Dschungel zu, an der eine Varganin mit ei­nem Strahler ausgerüstet auf sie wartete.

*

Unaufhörlich zischte das Haumesser mit der gekrümmten Klinge nieder. Die äußerste Schicht war nicht zu sehen, sie vibrierte in hohen Schwingungen und trennten die Lia­nen auseinander, kappte die Zweige, schnitt das Laubwerk auseinander wie eine Hoch­energiewaffe. Schritt um Schritt kämpften sich der Hund und der unsterbliche varg­nische Jäger durch den Dschungel des Pla­neten Xermatock.

Die Sonne hämmerte auf die Blätter und Laubschichten der höchsten Wipfel und er­zeugte darunter ein mörderisches Klima aus Hitze, Gestank und Wasserdampf. Der Schweiß zeichnete das Fell des Hundes und rann über Gesicht und Schultern des Jägers. Vor ihnen wurde es jetzt heller.

Eine Lichtung, schnalzte Mottizzer un­deutlich.

Büsche federten rauschend zurück, als Mantraroggin weiter vordrang. Er war si­cher, daß die goldhäutige Varganin sich ir­gendwo hier aufhalten würde.

Mottizzer! Der Hund drängte sich zwischen lang­

gliedrigen Pflanzen, Hochwurzeln und Blät­tern hindurch und blieb zwischen Mantra­roggin und dem Rand der noch unsichtbaren

Hans Kneifel

Lichtung stehen. Auf der gegenüberliegen­den Seite der baumlosen Fläche gab es eini­ge breite Flächen, auf denen es irgendwann gebrannt hatte. Dort, zwischen den Bäumen, hatten sie gestern dieses Mädchen ausge­setzt.

Hier! Sprich! gab der Hund zurück. Die Töne verschmolzen mit den dauernden Ge­räuschen des Urwaldes.

Sichere meinen Weg. Ich gehe dort ent­lang!

Mit der geschwungenen langen Klinge des Haumessers deutete der Vargane nach rechts. Der Hund nickte; er hatte voll begrif­fen. Sein Herr und Partner wollte sich dem bewußten Punkt in einem Halbkreis nähern und damit sicherstellen, daß er immer im Schutz der Deckung lief.

Ich spüre keine menschlichen Gerüche! berichtete das Tier, dann warf es sich herum und verschwand wieder zwischen den feuch­ten, stinkenden Pflanzen. Mantraroggin hol­te mit dem rechten Arm über die linke Schulter aus, schlug waagrecht zu. Ein ge­waltiger Vorhang aus Lianen, Schlingpflan­zen, Blättern und Blüten sank rauschend zu Boden. Handgroße Insekten und winzige, goldfarbene Vögel schwirrten davon. Man­traroggin sah vor sich ein Stück Urwald, das von Unterholz frei war.

»Wenn sie noch lebt, wird sie sich be­merkbar machen«, knurrte er und wußte, daß ihn wieder das Jagdfieber gepackt hatte. Dieser Tag war die Krönung seines Aufent­halts, die Jagd der Jagden. Das Wild war nicht länger Opfer, sondern Gegner. Er wür­de sich gegen eine fünffache Gegnerschaft behaupten müssen. Wenn er als Sieger aus dieser Jagd hervorging, war er tatsächlich so gut, wie er sich selbst einschätzte. Er grinste kalt und schob die Machete in die biegsame Scheide zurück. Die Waffe flog von seiner Schulter und landete, als sei sie ein Lebewe­sen, wie von selbst in seinen Fingern, die von dünnen Kühlhandschuhen geschützt wa­ren.

Der Hund hatte sich geräuschlos entfernt. Auch Mantraroggin bemühte sich, jetzt

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keine Geräusche mehr zu machen. Er lief langsam über den federnden Waldboden. Die Unterlage aus faulenden Blättern und weißen, fadenziehenden Pilzen war naß und weich. Ein scharfes Klicken war das Zei­chen, daß die Waffe entsichert war.

Schnell und sicher, immer wieder Hinder­nissen ausweichend, schlich Mantraroggin entlang der Lichtung auf das Ziel zu. Seine scharfen Augen musterten das Gelände, das vor ihm lag. Inmitten der grünen Flächen, unterbrochen von den hellen Punkten der Blüten und den braunen Linien von Ranken und Stämmen, würde ihm jede Bewegung sofort auffallen, ob sie nun von einem klei­nen Tier oder der Varganin kam.

Mantraroggin befand sich jetzt, in dieser Sekunde, etwa hundert Sprünge weit von der Stelle entfernt, die er ansteuerte.

Schräg vor ihm ertönten schnell hinterein­ander drei verschiedene Geräusche. Wie an­gewurzelt blieb der Jäger stehen und hob seine Waffe.

Ein angsterfülltes Bellen des großen Hun­des. Dann der harte, röhrende Schrei eines großen Raubtiers; der Vargane kannte dieses blaufellige Tier seit langem. Und dann die schnellen Geräusche krachender und split­ternder Holzteile.

»Verdammt!« zischte er, dann spannte er die Muskeln und begann zu rennen. Er zog den Kopf zwischen die Schultern, bückte sich nach vorn und rammte rücksichtslos die Zweige und die Hängepflanzen, die sich ihm in den Weg stellten.

Wieder schrie das Raubtier auf. Der er­fahrene Jäger erkannte, daß dieses Tier von Mottizzer gestört worden war.

Ranken und Dornen rissen an seiner Klei­dung. Eine Nuß fiel aus einer Baumkrone und krachte dröhnend auf seinen Hinterkopf. Der Vargane fluchte lautlos und spurtete weiter. Er rutschte auf einem großen, fahl­gelben Pilz aus, den er zertrat, versuchte sich abzufangen und schaffte es noch, die Waffe über den Kopf zu heben, ehe er in ei­ne schlammige Pfütze schlug. Der schwarze, stinkende Brei spritzte nach allen Seiten.

Von oben, vom Ende einer abgerissenen Liane, tropfte eiskaltes Wasser genau zwi­schen die Schulterblätter Mantraroggins.

Erst als er sich aufgerafft und den Schlamm aus den Augen gewischt hatte, vermochte der Jäger zu grinsen. Das war die Jagd! So wollte er es! Echt und voller Ge­fahren!

Er rannte weiter und erfaßte, daß der Hund und das Raubtier miteinander kämpf­ten. Die Geräusche und die Schreie der Wut wurden immer deutlicher und lauter. Man­traroggin sprang zwischen zwei Büschen hervor und befand sich unmittelbar an der Stelle, an der er gestern den Gleiter angehal­ten hatte. In derselben Sekunde flog Mottiz­zer, sich in der Luft drehend, in einen Busch. Der varganische Hund heulte wütend auf, aber das Raubtier verfolgte ihn nicht.

Es stand wütend da, schüttelte den Schä­del und senkte die Pranke, deren Hieb das kleinere Tier durch die Luft geschleudert hatte.

Der Vargane drehte den Kopf und sah, daß er neben einem Baum stand. Mit zwei Schritten zur Seite sprang er in den Schutz des Stammes. In dem Busch bewegte sich der Hund und kam wieder auf die Beine. Das Tier schaukelte jetzt von einem Vorder­fuß auf den anderen. Zwischen den blut­geröteten Pranken lag etwas, das der Varga­ne noch nicht erkennen konnte. Auf alle Fäl­le waren es blutiges Fleisch und Knochen, bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt und zerris­sen. Auch das Maul des Tieres war blutig.

Nicht angreifen, Motizzer! schnalzte Man­traroggin schnell und laut.

Ich will töten! gab der Hund zurück und knurrte. Sein Fell war schmutzig und blu­tend, aber gesträubt wie die Schale einer Klette.

Nein! Einige Sekunden lang geschah nichts, das

die Situation hätte ändern können. Der Hund stand zitternd vor Wut und mit gespannten Muskeln da. Der Vargane senkte die Waffe und zielte auf den Schädel des Tieres. Der Lauf und die Zielvorrichtung folgten den

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Bewegungen der Bestie, die jetzt fauchte und ihre Beute verteidigte. Die stechenden Augen schnellten vom Hund zum Jäger und wieder zurück.

Nur zwölf Meter trennten die Mündung der Büchse und den Kopf des Tieres. Jetzt zog sich das Tier etwas zurück, seine Mus­keln spannten sich, das Tier kauerte sich zu Boden. Am langen Lauf vorbei erkannte Mantraroggin Kleidungsfetzen, einen zerbis­senen Stiefel und die Waffe.

Wieder zielte er genau; er wußte, daß das Raubtier ihn anspringen würde. Seine Hände waren völlig ruhig, und wenn seine Handflä­chen feucht waren, dann kühlten sie die Handschuhe. In dem Augenblick, als sich die Raubkatze nach vorn schnellte, krachte der Schuß. Die Wucht des Expreßgeschosses warf das Raubtier in die Höhe und hielt den Sprung mitten in der Luft an. Der Schädel wurde förmlich auseinandergerissen.

Der Jäger sprang automatisch in den Schutz des Baumstamms. Das Raubtier krümmte sich zusammen, schlug mit den Pranken, streckte sich und war tot.

Ein harter Schlag hatte die Hülse ausge­worfen, Mantraroggin lud sofort nach. Dann ging er, den Revolver ziehend und auf den Rücken der Bestie zielend, näher heran und auf das unkenntliche, zerrissene Bündel zu.

Es ist die Varganin, schnalzte er zu Mot­tizzer hinüber, der sich entspannte und her­antrabte.

Jagd zu Ende für sie, äußerte sich der Hund.

»So ist es!« Mantraroggin bückte sich. Er würde ver­

zichten, die Trophäe zu nehmen. Er sah auf seine Uhr. Zwei Stunden waren seit Sonnen­aufgang vergangen, für die anderen vier Jagdgegner würde noch genügend Zeit blei­ben. Er hob den unbenutzten Strahler hoch und erstarrte mitten in der Bewegung. Ne­ben seinem rechten Stiefel schlängelten sich zwei lange Züge von Insekten von einem unsichtbaren Punkt zwischen den Pilzen und dem Leichnam hin und her. Die Insekten des linken Zuges waren ohne Last, die andere

Hans Kneifel

Karawane bestand aus Kerbtieren, die ver­gleichsweise gewaltige Lasten an Fleisch­brocken schleppten.

Vorbei! Als die ersten Kerbtiere an seinen Stiefeln

hochzuklettern begannen, sprang Mantrarog­gin zur Seite und steckte den Strahler in den Gürtel. Er sicherte die Büchse und schnalz­te:

Zurück zum Gleiter, Mottizzer. Wir ma­chen weiter mit der Jagd.

Der Hund heulte begeistert auf. Verstanden! Sie sahen sich an. Obwohl der gedankli­

che Ansatz dieser Jagd einem pervertierten Verstand entsprungen war, versagte sich Mantraroggin jeden Triumph. Er war an die­sem Debakel nicht direkt beteiligt. In gewis­ser Weise bedauerte er, daß das Raubtier die schöne Varganin getötet hatte. Aber er winkte seinem Partner und schulterte die Büchse.

»Zum zweiten Platz im Dschungel. Die Ebene und das Delta kommen zuletzt!«

Er wollte als letzten Teil der Jagd das Delta absuchen. Vielleicht starb er dabei, weil eines der verbliebenen vier Opfer sich mit Erfolg wehrte. Aber er spürte in seinen Adern die wilde Freude der Todesgefahr, die ultimate Erregung des Verfolgers.

Der Gleiter startete und schwebte in die Richtung des Platzes, an dem Mantraroggin den zweiten Gegner vermutete.

*

»Eines ist sicher«, brummte er und suchte nach etwas Flüssigkeit, mit dem er seinen schmerzenden Schädel kühlen konnte, »du lebst noch, alter, dicker und unglücklicher Fartuloon!«

Er machte sich nicht die geringsten Illu­sionen. Er war aufgewacht und hatte sich nicht mehr in der relativ sicheren Umgebung des Doppelpyramidenschiffs befunden. Zwei Sekunden Überlegungen und einige schnelle Blicke rundum hatten ihm gezeigt, daß er sich erstens allein und zweitens in einem

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Dschungel, und darüber hinaus in völlig un­bekanntem Gebiet war.

Fartuloon faßte an seinen Gürtel und fand dort das Skarg. Als er aufstand und an sich herunterblickte, sah er neben seinen Füßen eine fremdartig wirkende Waffe. Blitz­schnell bückte er sich, schlug mit dem Knie gegen den Brustharnisch und hob die Waffe hoch.

Er zwang sich dazu, trotz der Schmerzen, die durch seinen Schädel dröhnten, logisch zu denken.

»Und das hier, fetter alter Mann mit dickem Bauch und kurzem Atem«, erklärte er sich fatalistisch, »ist die Überraschung des Monats.«

Für ihn war es klar, daß dieser Gegen­stand neben ihn gelegt worden war. Wollte derjenige, der ihn aus dem Schiff entfernt und hierher gebracht hatte, daß er nicht ganz wehrlos war? So sah es aus.

»Richten wir uns also nach den sicherlich nicht ganz irrsinnigen Tips des oder der Un­bekannten!«

Fartuloon war mit dem Schock der Er­kenntnis binnen kurzer Zeit fertig. Er kannte derlei Vorkommnisse: die Macht, die ihn hierher gebracht und mit einer, wie er fest­stellte, gut dimensionierten Energiewaffe ausgerüstet hatte, würde wohl zusehen müs­sen, wie er sich durchschlug. Eine Art Test also. Für ihn galt es, zu überleben.

Wo waren die anderen? Fartuloon, der Bauchaufschneider, der

sich zumindestens in der Nähe von Atlans Spur wußte, dachte einige Augenblicke lang an Gastmähler mit ausgesuchten Weinen, dampfendem Essen mit allen Raffinessen, an leise Musik im Hintergrund und Mädchen um seinen Sitz herum, dann wischte seine Hand durch die Luft. Mit dieser Bewegung wischte er auch alle diese zur Zeit sinnlosen Ideen weg. Immerhin, er erinnerte sich der Blicke, die ihm die goldhäutige Haitaschar zugeworfen hatte. Wo war sie jetzt?

Er schüttelte sich und ging langsam fünf­zig Schritte weit in die Richtung, in dem ihm helleres Licht ein vorläufiges Ende des

Dschungels und der stickendheißen Luft verließ.

Er mußte handeln. »Ich muß herausfinden, was passiert ist«,

knurrte er wütend und fand eine winzige Quelle. Hier trank er, kühlte seinen Kopf und begann Hunger zu verspüren.

Und wo, dachte er mit ständig steigender Wut, befand sich das verdammte Doppelpy­ramidenschiff? Atlans Lehrmeister und Freund, außerdem der Freund Ischtars, be­schloß in der nächsten halben Stunde, die Vergangenheit vollkommen zu ignorieren und sich auf die Gegenwart zu konzentrie­ren. Die Gegenwart bedeutete Überleben. Und er hatte schon zuviele Planeten und zu­viele Dschungel gesehen und erlebt – er machte sich keinerlei Illusionen.

Vielleicht lebten seine Kameraden nicht mehr, gleichgültig, welchen Namen diese Welt trug.

Wenn sie noch lebten, schwebten sie auf alle Fälle in tödlicher Gefahr. Ebenso wie er.

»Sollte ich diesen Bastard erwischen, dann schlage ich ihn zu Brei!« sagte er erbit­tert und begann zu rennen.

4.

»Entweder bringt die Gefahr einen Mann um, oder sie macht ihn besser. Im ersten Fall erübrigt sich für ihn weiteres Streben, und im anderen Fall wird er früher oder später wissen, wie er zu überleben hat.«

Fartuloons Tagebuch

Seine Fähigkeit, durch sein Aussehen und durch darüber hinausgehende bewußte Täu­schung und die Begabung zur Mimikry an­dere Wesen zu verblüffen, versagte ange­sichts der unbeeinflußbaren Natur. Ein Raubtier fiel einen kleinen, harmlos ausse­henden dicken Mann ebenso leicht an wie einen großen, hageren, der gefährlich aus­sah.

Fartuloon hielt erst an, als er einen Baum erreichte, den er besteigen konnte. Er stand

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zwischen den gewaltigen Wurzeln auf dem dicken, von schleimigem, weißem und un­sichtbarem Leben angefüllten Gemenge aus Abfall und Blättern. Zwischen den Ästen starrte er nach oben und erkannte, daß er durch Zufall den richtigen Baum ausgesucht hatte – seine Krone ragte weit über die der anderen Hochgewächse hinaus.

»Auch das noch! Auf meine alten Tage muß ich klettern wie ein Affe!« schrie er wütend auf, aber mit verbissenem Ehrgeiz machte er sich daran, entlang der Aststum­pen, Knoten und mit Hilfe der Luftgewächse und Lianen den Baum zu erklettern. Er schwitzte, als befände er sich im Zentrum ei­ner Dampfwolke, aber er tröstete sich fatali­stisch damit, daß Schwitzen gesund sei und Zeichen eines gut funktionierenden Kreis­laufs.

Aber unablässig schoben sich hinter sei­nen sarkastischen Überlegungen die Gedan­ken an seine Freunde und Mitkämpfer hoch. In Wirklichkeit fürchtete er um sein Leben nur wenig, um das der anderen um so mehr. Er zog sich anscheinend mühelos in die Hö­he, passierte die erste Ebene des Baumd­schungels, eine unregelmäßige Fläche aus buchstäblich ineinander verknoteten Ästen und Zweigen unter einem Laubpolster. Die Tiere, die sich hier aufhielten, waren weitaus kleiner als er selbst. Entweder erstarrten sie in Tarn- und Schutzhaltung, oder sie flohen.

Hätte jemand mit genügend Intelligenz den Mann mit dem zerbeulten und fleckigen Brustharnisch beobachtet, würde ihm die zielsichere Schnelligkeit der Bewegungen aufgefallen. Wie ein junger Mann mit ent­sprechendem Training erklomm er den Stamm und passierte die erste und die zwei­te Ebene. Wachsam, aber ohne einen einzi­gen Angriff. Und Minuten später befand sich Fartuloon an derjenigen Stelle, an der es nicht mehr weiterging. Er schaukelte mit der Krone des Baumgiganten hin und her.

Schärfstens konzentriert betrachtete er die Umgegend. Er befand sich nun – er sah es am Stand der Sonne und an anderen Zeichen – auf der Ostseite eines riesigen Dschungel-

Hans Kneifel

gebiets. Es war so ausgedehnt, daß er nur an einer Stelle den Rand erkennen konnte.

Fartuloon drehte den Kopf zurück und sah vier verschiedene Dinge, die für ihn interes­sant und vermutlich lebenswichtig waren.

Da weitete sich vor ihm im Osten eine sandige Fläche, eine Mischung zwischen Sa­vanne, Wüste und Felsgarten. Sie erstreckte sich zwischen einer bewaldeten Hügelkette und dem Dschungelrand. Etwa drei Stunden Marsch.

Jenseits der Ebene voller Geröll und Sandwirbel erkannte er die Linie eines Fluß­betts. Er folgte ihr mit den Augen bis zu ei­ner Stelle, wo sie in ein Flußdelta überging, das auch kein Ende zu haben schien. Nur draußen auf dem Meer schwebten niedrige Wolken; ein deutlicher Hinweis für den er­fahrenen Bauchaufschneider.

Ein silberner Blitz, der sich in einen leuchtenden Punkt verwandelte, schwebte aus der Richtung des Deltas ungefähr dort­hin, woher er kam. Also suchte ihn jemand.

Und einer der Wirbel dort draußen auf der Ebene schien kein echter Wirbel zu sein. Es handelte sich vermutlich um eine Rauchsäu­le, die in der gleichen Art bewegt wurde wie die Sandschleier und Windhosen.

»Wieder weiß ich etwas mehr!« brummte Fartuloon und versuchte, seine verschiede­nen Beobachtungen in ein logisches System zu bringen. Während er nachdachte, kletterte er mit mechanischen Bewegungen den Stamm hinunter und entfernte sich, so schnell er konnte, in die Richtung der Ebe­ne.

Dort draußen, dieses undeutliche Zeichen – es konnte von einem der Freunde aus dem Schiff stammen.

*

Der Sand hatte sich in eine glühende Un­terlage verwandelt, die eine unerträgliche Hitze aussandte. Der wolkenlose Himmel war wie ein riesiger, konvexer Spiegel, der die Strahlen der Sonne genau auf den Punkt konzentrierte, an dem die zusammenge­

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krümmte Gestalt lag. Sie bewegte sich lang­sam, wie jemand in einem fürchterlichen Traum. Die Steine und Felswände ringsum waren hell und spiegelten ebenfalls Hellig­keit und Hitze. Die Haut war an den Stellen gerötet, an denen sich kein schützender Stoff befand. Keine Bewegung war zwischen den abgestorbenen und kalkweiß ausgedörrten Baumresten außer den langsamen Bewegun­gen des Körpers. Langes Haar ringelte sich über den Sand. Dann, plötzlich, erklang ein langgezogenes Stöhnen.

Die Gestalt rührte sich stärker. Wie im Schlaf tasteten die Hände umher, die Arme winkelten sich ab, dann richtete sich die Frau mit geschlossenen Augen auf. Aber­mals stöhnte sie, dann schnappte sie nach Luft und öffnete die Augen.

»Wo bin ich?« Ohne zu begreifen, sah sie Felsen, Baum­

reste, Sand und Licht. Sie hob den Arm und schirmte die tränenden Augen gegen die Lichtflut ab. Mit Mühe stand die Frau auf. Ihre Bewegungen verrieten, daß sie am gan­zen Körper Schmerzen verspürte.

Die Stille herum gab keine Antwort. Ischtar, die Goldene Göttin, blickte umher

und fand keinen Schatten. Sie setzte sich wimmernd in Bewegung und fand nach drei Schritten, halb vom verwehten Sand be­deckt, eine dunkelblaue Waffe. Sie erkannte, daß es ein Strahler aus varganischer Produk­tion war, eine teure Spezialwaffe. Ohne zu wissen, was die Waffe bedeuten konnte, griff sie danach, hob sie auf und ließ sie mit einem lauten Schmerzensschrei gleich wie­der fallen. Der Giff war glühend heiß.

Schließlich nahm die Varganin den Stoff eines Ärmels zur Hilfe und steckte den Strahler in den Gürtel.

Sie ging mit vorsichtigen Schritten gera­deaus, die Sonne im Rücken. Nach jedem einzelnen Schritt spürte sie, wie etwas Kraft und Geschmeidigkeit in die Glieder zurück­kehrten. Auch der Verstand begann wieder zu funktionieren. Sie befand sich außerhalb des Schiffes, jemand hatte sie hier abgesetzt und ihr eine Waffe hingeworfen und …

»Mikrokosmos!« flüsterte sie mit trockenen Lippen. Sie blinzelte verwirrt, als sie in undeutlicher Entfernung eine Hitze­säule aufsteigen sah, in der die Luft deutlich flimmerte. Dort schien Wasser zu verdun­sten. Ischtar drehte den Kopf und sah links von sich einen Berg aufeinandergeschichte­ter großer Steine.

»Ich muß wissen, wo ich bin!« Brennende Sorge um das Schiff erfüllte

sie. Als sie zu klettern begann und sich auch noch die Handflächen an den heißen Steinen verbrannte, kamen die Gedanken und Über­legungen in rasender Geschwindigkeit zu­rück. Sie stöhnte auf, diesmal nicht aus Schmerz, sondern deswegen, weil sie ihre Lage erkannte.

Sie war niederschmetternd, ohne Aussicht …

Endlich erreichte die Varganin, die selbst schweißüberströmt, mit wirrem Haar und aufgerissener, schmutziger Kleidung noch sehr attraktiv aussah, die Spitze des Stein­haufens.

Sie stand in der Hitze und analysierte die Eindrücke, die sie von hier aus hatte. Schließlich, nachdem sie sich einigermaßen orientieren konnte, fanden ihre überlasteten Augen auch das Wasserloch. Nach dem Stand der Sonne war es die Zeit zwischen Sonnenaufgang und Mittag.

Ischtar blickte nach unten. Deutlich zeichnete sich im Sand die Spur

ihrer Füße ab. Dort drüben befand sich die Rettung, ein großes, flaches Wasserloch. Die Umgebung war zerwühlt von tausend Fuß­eindrücken, also war das Wasser trinkbar. Weit und breit nichts anderes. Ihre Augen fielen auf die weißen Holzstücke, die wie die bleichen Knochen eines uralten Skeletts aussahen.

»Ich weiß, was ich tun kann!« sagte sie sich, kletterte wieder herunter und schleppte das Holz zusammen. Als der Haufen groß genug war, setzte sie ihn mit dem Strahler in Brand und ging dann, so schnell sie konnte, zum Wasserloch.

Sie erreichte es nach kurzer Wanderung

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durch glühende Hitze und durch die Schleier aus Sand, die ein womöglich noch heißerer Wind immer wieder hochriß, zu Spiralen drehte und wieder zu Boden fallen ließ. Ischtar ging vorsichtig ins Wasser hinein, kniete ebenso vorsichtig, um nicht den Schlamm aufzuwirbeln, nieder und wusch zuerst ihr brennendes Gesicht ab.

Dann erst trank sie in kleinen Schlucken. Als sie sich wieder aufrichtete, sah sie die Rauchsäule. Das Holz brannte ohne viel Rauch, aber trotzdem würde das Feuer auf weite Entfernung zu erkennen sein.

Wer würde kommen? Gab es hier überhaupt jemanden, der das

Signal sehen würde? Aber als ihre Hand den Strahler berührte, wußte sie, daß außer ihr und den Freunden aus dem Schiff noch je­mand hier sein mußte.

Sie mußte in den Schatten. Dort drüben, am Waldrand in einigen Ki­

lometern Entfernung, gab es Schatten in Hülle und Fülle. Dort gab es ebenfalls Früchte und Tiere. Sie sprach sich selbst Mut zu und setzte sich in Bewegung.

Sie kam an einem großen Skelett vorbei, das vollständig von Fleisch und Haut befreit war. Seltsam! Das Skelett hatte keinen Kopf. Sie betrachtete das vordere Schultergelenk und die dicke Wirbelsäule. Als sie die glatte Schnittkante sah, schauderte sie trotz der Hitze.

Der Kopf war mit einem Vibromesser ab­getrennt worden. Nicht mit einem Strahler, denn sonst hätte es andere Spuren gegeben.

Jäger? Kopfjäger? Menschliche Raubtie­re?

Ohne es zu merken, überschritt sie die Spuren eines Mannes und eines Tieres, das Abdrücke wie ein riesiger Wolf hinterließ.

*

Fartuloon sah zwischen den Stämmen das grelle Sonnenlicht. Nur noch dreihundert Schritte. Er wurde langsamer, als er den ste­chenden, nicht definierbaren Geruch in die Nase bekam.

Hans Kneifel

Er sah sich um, spähte in das immer zahl­reicher werdende Geflecht kleiner Büsche, sein Blick kletterte an Baumstämmen ent­lang, die in der Richtung auf den Dschungel­rand zu grünbelaubte Zweige trugen.

»Nichts!« Auch der Boden erwies sich nach einigen

prüfenden Schritten als sicher. Trotzdem zog Fartuloon die gefundene Waffe, entsicherte sie und hielt sie in der linken Hand. Mit der rechten zog er langsam das Skarg aus der Scheide und ging weiter. Zweifellos hatte dieser Geruch etwas zu bedeuten.

Nach zehn weiteren Schritten merkte er, in welche Falle er getappt war.

Von allen Seiten schwangen sich dünne, zähe Ranken heran. Sie hingen an Ästen und trugen moosige Bärte. Spiralförmige Fort­sätze krümmten und drehten sich. Eine Ran­ke erreichte den Mann, berührte ihn mit et­wa einem Dutzend dieser weißen Dinge, die wie hakenbewehrte Würmer aussahen. Sie schlangen sich sofort, in einem blitzschnel­len pflanzlichen Reflex um Finger, Hände, Gelenke und Gliedmaßen.

Zweimal feuerte Fartuloon auf die Ran­ken, die sofort aufzischten wie Zunder und rauchend verbrannten. Die Pseudotentakel, die auf der Haut ätzende Stellen hinterlie­ßen, lösten ihren würgenden Griff. Aber an­dere Ranken schwangen heran. Fartuloon begann zu rennen. Ein paar der Gewächse verfehlten ihn, andere klammerten sich an seine Beine und brachten ihn ins Stolpern.

Eine Ranke riß ab. Es war wie ein Signal. Der Ast, an dem

sie sich aufgehängt hatte, peitschte wie im Sturm auf und nieder. Dunkle Klumpen fie­len von diesem Ast. Das Schwert beschrieb einen Halbkreis und zerschnitt vier Ranken. Eine fünfte, sechste, siebente fielen herunter. Andere Äste begannen zu schaukeln.

Die Klumpen fielen drei Meter, dann ent­falteten sich lange Gleitschwingen und stürzten sich auf den Flüchtenden. Es waren Tiere, die wie mutierte Fledermäuse aussa­hen. Lange, gebogene Vampirkrallen griffen nach Fartuloon. Er drehte sich im Laufen

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21 Jagdplanet des Unsterblichen

herum, feuerte und schlug mit dem Skarg zu. Er sprang kopfüber in einen Busch und entledigte sich dadurch einiger Angreifer, die ihm durch die Zweige hindurch nicht folgen konnten.

»Verdammter Planet!« stöhnte er und zer­schlug in der Luft mit einem genau berech­neten Hieb eine Ranke und zwei der wild flatternden Schwebetiere. Sie begannen schrill zu pfeifen. Ein Teil ihrer Stimme schien sich im Ultraschallbereich zu befin­den, denn nach den ersten Pfiffen brach rund um den rennenden und stolpernden Mann die Hölle los.

Wie durch Zauberei fielen ununterbro­chen dünne und dicke Ranken von den Ästen und schnellten sich wie Geschosse auf Fartuloon.

»Es wird sich herausstellen, daß wir auf einer Welt in diesem dreimal verfluchten Mikrokosmos sind!« heulte er grimmig auf und setzte alle seine Fähigkeiten ein, um zu überleben.

Eines der Tiere verkrallte sich im Kragen seiner Jacke und pfiff derartig schrill und laut, daß er glaubte, verrückt zu werden. Er stach es mit dem Skarg herunter. Derselbe Hieb schnitt zwei Ranken auseinander. Eine dritte riß er mit der Hand herunter, um die sie sich geschlungen hatte. Um seinen Ober­körper bildete sich eine braune Wolke, die atemberaubend stank. Es war der Geruch, den er in schwächerer Form wahrgenommen hatte.

Abermals schoß sich Fartuloon, in rasen­dem Zickzacklauf flüchtend, einen Weg frei. Er sprang über Wurzeln, unter seinen Stie­feln zerbarsten riesige, weiße Pilze, die einen aromatischen Staub ausstießen und die Luft mit ihren winzigen Sporen erfüllten. Er schlug um sich, trat nach einem der heranse­gelnden Tiere und fühlte plötzlich im Nacken einen schmerzhaften Doppelstich. Wieder schlug er mit dem Schwert zu, dreh­te das Handgelenk in einem rasenden Wir­bel, der Arm zuckte vor, und ein breitgefä­cherter Blitz zuckte von der Spitze des Skargs nach allen Seiten.

Die enge Lücke zwischen zwei Stämmen befreite ihn von einigen anderem Blutsau­gern. Er sprang in die Luft, drehte sich dabei und feuerte in den halbdunklen Raum hin­ein. Schmorende Tiere fielen auf den Wald­boden. Die letzten Ranken pendelten gierig hinter ihm her, erreichten ihn aber nicht mehr.

Mit einem rasenden Spurt rannte Fartu­loon weiter, dem Licht entgegen, dann über einen Wall abgestorbener Gewächse hinweg und durch die letzten Büsche hindurch ins Sonnenlicht. Er fluchte mit ausgesuchten Wortschöpfungen.

Fartuloon hob den Arm und betrachtete das Skarg.

Die Doppelschneide war blutig und voller Fetzen aus Fleisch und Haut. Er reinigte die Waffe, indem er sie an verschiedenen Stel­len ins Erdreich stieß und wieder hervorzog. Dann schob er die Waffe wieder zurück und sah geradeaus.

»Ich kann den Rauch nicht mehr erken­nen!« murmelte er.

Er blickte den Rand des Waldes entlang. Die Grenze zwischen der Geröllebene und den ersten Büschen verlief fast übergangs­los. Keine auffälligen Bewegungen, nur die Unruhe dort, wo er eben überfallen worden war. Keine großen Tiere, also auch keine Gefahren.

Wo versteckte sich dieser Jemand, der ihm die Waffe übergeben hatte?

Aus dem Hintergrund, der aus dem Weiß und Hellgelb des Sandes bestand und aus den Hitzewellen und Sandschleiern, löste sich eine winzige Gestalt. Fartuloon wech­selte den Strahler in die rechte Hand und schirmte die Augen ab. Nach einigen Sekun­den angestrengten Starrens wußte er, daß sein erster Eindruck richtig gewesen war.

Jemand näherte sich von dort. Es sah aus der zu großen Entfernung nicht so aus, als wäre dies ein schnell laufender, kräftiger Mann. War es so, dann stieg die Wahr­scheinlichkeit, dort einen Überlebenden des Schiffes zu sehen, stark an.

Fartuloon ging auf den winzigen Schat­

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22

tenpunkt zu. Als er nahe genug heran war, erkannte er die Goldene Göttin, die einen mehr als erschöpften Eindruck machte.

Fartuloon lief heran, hielt in einer Sand­wolke an und kam gerade rechtzeitig, um die zusammenbrechende Frau aufzufangen.

Er schleppte sie zurück in den kühlen Schatten des Waldrands. Er wußte, daß sie beide Wasser und Essen brauchten.

Er bettete Ischtar auf ein Polster aus Moosfetzen und frischen Blättern und rannte davon. Wieder hätte ein Beobachter staunen müssen – darüber, wie schnell und sicher sich Fartuloon bewegte. Er kappte eine Lia­ne und verschloß sie mit einem vorher zu­rechtgeschnittenen Holzstück. Die Liane enthielt viele Liter kühlen Wassers.

Fartuloon schoß mehrmals in eine Gebü­schinsel hinein und trieb einige Tiere daraus hervor, die offensichtlich geschlafen hatten. Eines davon tötete er durch einen Schuß mit der Waffe und verwendete das Skarg dazu, das Tier aus der Decke zu schlagen. Eine Stunde später drehte sich ein kleiner Braten über einem raucharmen Feuer, und Ischtar kam wieder zu sich.

Sie schrie vor Freude leise auf, als sie über sich das Gesicht des Bauchaufschnei­ders erkannte.

»Wo sind wir?« war ihre erste besorgte Frage.

»Keine Ahnung!« Fartuloon zog seine Schultern hoch und

schüttelte bedauernd den Kopf.

5.

Freundschaft ist teuer. Sie kann so teuer sein, daß man sie mit dem Leben bezahlen muß. In diesem Fall ist es besser, nicht mit seinem eigenen Leben zu zahlen.

Fartuloon: Unterweisungen Atlans

Mantraroggin setzte lautlos und schnell zur Landung an. Er hatte den zweiten Platz angeflogen, dort, wo er dieses merkwürdige männliche Wesen mit Harnisch und Schwert

Hans Kneifel

ausgesetzt hatte. Der Gleiter landete in re­spektvoller Entfernung. Der Vargane drehte den Kopf und schnalzte seinem Hund einen Befehl zu.

Es geht weiter. Mittag. Wir haben noch viel vor uns diesen Tag. Suche den zweiten Fremden, Mottizzer!

Der gefleckte Hund jaulte begeistert auf. Seine große rote Zunge wischte liebkosend über die rechte Gesichtshälfte des Varganen. Mantraroggin tätschelte das Fell des Part­ners und öffnete die Tür. Die Gerüche und Geräusche des Dschungels kamen herein. Die Sonne stand kurz vor Mittag.

Raus! Ich werde ihn finden und stellen! schnalz­

te und brummte der Hund und sprang mit ei­nem riesigen Satz in den Dschungel hinein. Mantraroggin stieg aus, sicherte die Maschi­ne und schaltete sie auf Fernsteuerung um. Dann schloß er die Tür und wandte sich in die Richtung, die er kannte.

Nach einem schnellen und ereignislosen Marsch erreichte Mantraroggin den Platz unter dem Baum. Regungslos wartete der Hund bereits auf ihn. Mottizzer stand weit nach vorn gestreckt da und starrte den Platz an, der noch den Abdruck eines schweren Körpers zeigte. Auch der Strahler war ver­schwunden.

»Also hat unser Gegner die Nacht über­lebt. Wir jagen ihn! Nimm die Spur auf, Partner!« sagte der Jäger laut.

Ich habe sie! gab der Hund zurück. Der Hund voraus, der Jäger mit langen,

raumgreifenden Schritten hinterher, so liefen sie durch den nassen Dschungel. Dort, wo die Spur nicht aus niedergemähten Pflanzen bestand, verließ sich Mantraroggin auf sein Tier. Sie bewegten sich auf einer ziemlich geraden Strecke aus dem Dschungel in Rich­tung auf die Sandebene, wo der Vargane sei­ne gutaussehende Artgenossin ausgesetzt hatte.

Eine Stunde später schnalzte der Hund aufgeregt:

Geruch! Lianenvögel, Partner! Konzentriert zog Mantraroggin die Luft

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23 Jagdplanet des Unsterblichen

durch die Nase und nahm einen schwachen, stechenden Geruch wahr. Dort vorn war eine Kolonie der mutierten Tiere, die sonst nur in der Nacht schwärmten, jetzt aber auch am Tag zusammen mit ihren pflanzlichen Sym­bionten nach Beute suchten.

Wir umgehen sie rechts, entschied er laut. Die Jäger wichen aus und umgingen die

stinkende Zone. Ein Instinkt warnte den Un­sterblichen. Er war sicher, daß die Spur des Verfolgten mitten durch die verseuchte Zone führte. Er kannte die Gefahren der Tagfle­dermäuse und vermied den Kontakt mit den Tieren. In wenigen Stunden würden die Nachmittagsvögel ohnehin wieder den Him­mel beherrschen.

Mantraroggin erreichte den Rand des Dschungels. Jetzt war die Zeit, in der sich sämtliche Tiere versteckten, um dem betäu­benden Licht und der gewaltigen Hitze des Mittags zu entgehen. Nur Narren und ster­bende Tiere hielten sich jetzt noch außerhalb des schützenden Schatten auf. Und Schlan­gen.

»Irgendwo hier werde ich sie suchen!« murmelte der Vargane.

Er verzichtete freiwillig auf alle Hilfsmit­tel. Er ging zweihundert Schritte weit hinaus in die Hitze der Geröllebene. Mottizzer sprang vor ihm durch den Sand und blieb nach einigen Minuten aufgeregt stehen. Sein buschiger Schwanz zuckte und wirbelte durch die Luft.

Was gibt es? Mantraroggin rannte auf das Tier zu.

Spuren! Ziemlich deutlich, weil noch nicht vom

Sand verschüttet und vom Wind zugeweht, erkannte der Vargane zwei verschiedene Spuren. Eine, die in die Richtung des Wal-des führte, die Spur eines schmalen Fußes, der einem leichtgewichtigen Menschen ge­hörte. Die zweite Spur führte in die entge­gengesetzte Richtung und gehörte zweifels­frei dem kleinen Mann mit dem kahlen Schädel und dem buschigen Bart.

Klick. Die Waffe wurde entsichert. Mantraroggin wußte, daß die beiden Jagd­

opfer in der Nähe waren. Irgendwo hier ver­bargen. sie sich. Sie konnten seit dem Au­genblick, in dem die Spuren entstanden wa­ren, nicht weit gekommen sein. Der Hund war darauf trainiert, Spuren nicht zu verwi­schen. Er rannte in einem weiten Kreis ent­lang und blieb immer wieder suchend und schnüffelnd stehen. Mantraroggin ging die Spuren entlang und kam an eine Stelle, die er besonders intensiv betrachtete. Dann wußte er, was geschehen war.

Hierher! schnalzte er. Er lief langsam die tief eingedrückte Spur

entlang. Der Mann mit dem zerbeulten Har­nisch hatte die Varganin in die Richtung des Dschungelrands geschleppt.

Als die Spur endete, sahen die zwei Jäger die Feuerstelle, die abgeschnittene Liane und wußten, daß sie es nicht mit Wehrlosen zu tun hatten.

Mottizzer! Der Hund spitzte die Ohren und starrte

Mantraroggin ruhig an. Er hechelte mit lang heraushängender Zunge.

Ich jage allein weiter. Mottizzer heulte gierig auf. Und ich? Befehl? Während er mit dem Tier kommunizierte,

glitt der Blick des Unsterblichen über den Dschungelrand, der langgezogen hinunter­schwang bis zu der Stelle, an der sich der Flußlauf gabelte und in das sumpfige Delta einsickerte.

Suche den Ausgesetzten im Delta. Ich komme zum Schiff. Ich jage allein.

Der Hund jaulte schauerlich auf, dann riß das Geheul plötzlich ab. Er wußte, daß er die Verfolgten auf sich aufmerksam machte.

Ich gehe! Er knurrte, drehte sich herum und tat sei­

nem Herrn den letzten Gefallen, indem er genau entlang der Spur lief, die jene zwei Fremden hinterlassen hatten. Sie verlief am Dschungelrand. Als die Spur, nur noch für den hochentwickelten Geruchssinn des Tie­res wahrzunehmen, scharf abknickte, blieb das Tier stehen und machte den Jäger darauf aufmerksam.

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Mantraroggin hob den Arm und winkte. Der Hund rannte weiter. Sein Ziel war das Delta, in dem zwei Raumschiffe und ein Fremder waren.

*

Nur durch einen Zufall hatte Fartuloon in einer Tasche eine Tube voller Hautcreme gefunden und sie bedenkenlos für Ischtar ge­opfert. Sie gingen im Schatten des Wald­rands, waren satt und hatten ihren Durst ge­stillt. Sie wußten aber noch immer nicht, was sie von allem zu halten hatten.

»Wir sind im Mikrokosmos, das ist sicher, mein Freund!« sagte Ischtar. Auch sie hielt den entsicherten Strahler in der Hand und spähte ununterbrochen um sich. Sie waren überzeugt davon, daß sie beobachtet wur­den.

»Ich kann keinen einzigen Hinweis dafür entdecken!« widersprach der Bauchauf­schneider grimmig. »Woran siehst du das?«

Sie hob die Schultern und erklärte: »Wir sind auf einem fremden Planeten.

Wenn du dich an die Ereignisse erinnerst, die diesem Sturz vorausgingen, wirst du mir glauben. Diese Welt hier ist ebenso wie eine andere logisch aufgebaut. Alles hat sich ver­kleinert, wir ebenso wie alles andere.«

»Du magst recht haben, aber ich vermag es nicht zu akzeptieren. Mein Verstand wei­gert sich. Ich bin ein Mann des Makrokos­mos!«

Sie lächelte ihn an. »Du hast aber die Gefahren im Mikrokos­

mos ebenso besiegt wie die der anderen Welten!« gab Ischtar zurück. »Wo ist unser Schiff?«

»Und wo sind unsere Freunde?« fragte er seinerseits. Auf beide Fragen gab es vorläu­fig noch keine Antwort.

Sie gingen weiter, ständig auf Deckung bedacht. Hin und wieder sahen sie zwischen den Kronen der Bäume große Vögel im wol­kenlosen Blau des Firmaments kreisen. Oh­ne in seinen Überlegungen weiterzukom­men, ließ Fartuloon die Ereignisse der letz-

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ten Zeit an seinem inneren Auge vorüberzie­hen.

Die Suche nach den varganischen Rebel­len, der Versuch, das Geheimnis der Absolu­ten Bewegung zu erfahren, die vier Schiffe des Planeten Kryrot und Haitaschar, dann die Detonationen und der Hinweis an Bord, daß sie alle erst wieder im Mikrokosmos zu sich kommen würden, verkleinert zur Größe von Mikroben.

Dann der Schock, sich in einer total frem­den Umgebung wiederzufinden.

»Jemand hat uns aus dem Schiff geholt, nicht wahr?« fragte Fartuloon vorsichtig und dachte an sein Erstaunen, als er, waffenlos bis auf das Skarg, den Strahler gefunden hat­te.

»Das ist sicher!« »Und derselbe hat uns – es kann auch eine

Gruppe gewesen sein, die nach Gesichts­punkten handelt, die wir noch nicht verste­hen – hier an verschiedenen Plätzen ausge­setzt.«

»Richtig. Du selbst sagtest, du hättest einen Gleiter oder einen ähnlichen Flugkör­per gesehen. Noch fehlen Haitaschar, Eis­kralle und der Kopfjäger und Tiermeister. Die Kernfrage ist: was beabsichtigen die an­deren mit dieser Aussetzung?«

Fartuloon lachte sarkastisch auf. »Ich habe einen ganzen Katalog von Din­

gen. Ein Jäger, der uns jagen wird. Jemand, der unser Ziel kennt und uns verwirren will. Etwas, das wir nicht erklären können, also ein spezifischer Effekt dieses Mikrokosmos.

Jedenfalls müssen wir das Schiff so schnell wie möglich finden.«

Die Goldene Göttin nickte und sagte leise: »Kannst du mir sagen, wo wir das Schiff

finden?« »Natürlich nicht.« Sie alle hatten ihre Probleme. Das Ziel

Ischtars und das von Fartuloon aber war so gut wie identisch. Ischtar wollte Atlan in der Eisigen Sphäre finden, weil sie ihn liebte und wiedersehen wollte. Fartuloon liebte At­lan wie einen Sohn und suchte ihn mit nicht geringerer Dringlichkeit. Im Augenblick

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aber war ein Hindernis zu überwältigen, das nicht zu übersehen war, weder die Gefähr­lichkeit noch die Größe. Alles war unklar.

»Weißt du keinen Rat, Fartuloon?« »Nein. Im Augenblick nicht. Es gibt für

uns zwei Möglichkeiten.« Sie versuchten noch immer, die Welt zu

entdecken, in der sie sich befanden. Es schi­en ein Planet voller Dschungel und Wüsten zu sein, ohne Siedlungen oder große Men­schenansammlungen. Es gab weder starten­de oder landende Raumschiffe, keinerlei Zeichen von Zivilisation, wenigstens nicht in diesem Teil der Welt.

»Welche Möglichkeiten, Bauchaufschnei­der?«

Er blieb stehen, lehnte sich gegen einen Baumstamm und spähte hinaus in die licht­überflutete gelbe Ebene.

»Entweder warten wir irgendwo, bis et­was passiert, das uns weiterhilft …«

»Oder?« »Oder wir gehen einigermaßen ziellos

weiter. Wir haben ebensoviel Chancen, uns dem Schiff zu nähern, wie auch, uns von ihm zu entfernen.«

»Das ist richtig. Ich schlage vor, wir su­chen nach einer günstigen Stelle und war­ten.«

»Einverstanden, Ischtar!« entgegnete er. Sie versuchten, einen Platz zu finden, der

sie ebenso gegen Zwischenfälle in der Dun­kelheit schützte wie dagegen, von einem un­bekannten Verfolger entdeckt zu werden.

*

Er lief mit langen, federnden Schritten. Da er sich im Schatten bewegte, erschöpf­

te es ihn nicht. Mantraroggin sah links von sich über der Ebene die Nachmittagsvögel kreisen. Er konnte dieser Gefahr entgehen, wenn er sich in den Wald rettete, falls sie wieder angriffen.

Der Vargane achtete genau darauf, wohin er trat und wie er lief. In einem weiten Bo­gen schwang sich der Dschungelrand hinaus in die Wüste. Mantraroggin folgte der

Grenzlinie zwischen Pflanzen und Sand, lief in gleichmäßigem Tempo und legte inner­halb kurzer Zeit eine erstaunlich weite Ent­fernung zurück. Er wußte mit der Erfahrung des Jägers, was die beiden Flüchtenden tun würden, wie sie sich verhielten. Er würde es in ihrer Lage nicht anders gemacht haben. Sie versuchten zu überleben und zurückzu­finden zu ihrem Schiff.

»Aber sie wissen nicht, wo sie es zu su­chen haben!« murmelte er und blieb stehen, als er die äußerste Spitze des vorgeschobe­nen Waldes erreicht hatte. Er und sein zwei­beiniges Wild hatten sich vom Wasserloch sehr weit entfernt. Hier, in der vorgeschobe­nen Region, gab es auch keine Raubtiere, nicht jetzt in den Stunden des frühen Nach­mittags.

»Halt!« sagte Mantraroggin scharf. Er sprang zurück in den Schatten und

blickte dorthin, wo er Bewegungen gesehen hatte. Keine Täuschung. Der Vargane hob die Hand an die Augen und konzentrierte sich. Er glaubte, sein Blut rauschen zu hö­ren. Wieder packte ihn das Jagdfieber. Er entdeckte deutlich die beiden Gestalten, die hübsche Frau und den Mann mit dem Schwert. Das Sonnenlicht, das auf dem Har­nisch geblitzt hatte, war der Impuls gewe­sen, der ihn aufmerksam gemacht hatte.

Die Entfernung betrug nicht einmal einen Kilometer.

Aber es war sinnlos, von hier aus schie­ßen zu wollen. Es gab keinerlei Sicherheit für einen Treffer. Und er selbst hatte sie mit Waffen ausgerüstet. Mantraroggin lachte heiser auf und setzte sich wieder in Bewe­gung.

In wenigen Minuten würde er sie einge­holt haben.

Er entsicherte die Waffe und kontrollierte im Laufen seinen Patronenvorrat. Er würde reichen. Der Gleiter? Erst dann, wenn er die beiden Trophäen hatte. Die Entfernung ver­ringerte sich, aber es gab keinen weiteren Lichtfunken mehr. Die zwei Fremden hatten sich in den Wald zurückgezogen und ver­steckten sich. Sie ahnten nicht, daß Mantra­

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roggin, der große Jäger des Planeten Xerma­tock, auf ihrer Spur war.

Eine halbe Stunde später sah er sie. Er pfiff voller Anerkennung durch die

Zähne. Der Mann hatte aus zusammenge­flochtenen Lianen eine Art Plattform in hal­ber Höhe eines Baumes zu errichten begon­nen. Eine Strickleiter spannte sich zum Bo­den.

Unhörbar schob sich Mantraroggin zwi­schen Büschen und niedrigen Bäumen hin­durch und blieb stehen, als er freies Schuß­feld hatte.

Rund hundertfünfzig Schritte Entfernung. Die Frau war nicht zu sehen. Der Mann

lief von Baum zu Baum und kappte Lianen, die er über den Schultern zu dem Schlaf­baum schleppte. Durch das Geräusch der Schritte und die Arbeitsgeräusche hörte der Vargane das leise Plätschern einer Quelle oder eines versickernden Wasserlaufs. Als der Mann die Leiter halb herauf geklettert war und vier Lianenstränge hinter sich herz­errte, um sie in das Netz einzuflechten, hob Mantraroggin die Büchse. Mit leisem Sum­men stellte sich die Optik des Zielgerätes ein. Der Jäger preßte den Kolben gegen die Schulter, lehnte den Lauf an den Stamm und zielte sorgfältig.

Sein Zeigefinger spannte sich, berührte den Abzug, drückte weiter … peitschend löste sich der Schuß.

Im gleichen Augenblick riß eine Lianen­verbindung, der Arm des Mannes verlor den Halt. Der Harnisch gab, als das Geschoß ihn zwischen Gürtel und Achselhöhle traf und eine breite Rille hineingrub, ein blechernes Geräusch von sich. Das Geschoß zerfetzte eine Liane, und die rechte Seite der Strick­leiter riß. Der schwere, breitschultrige Frem­de sackte um zwei Meter tiefer, aber er hatte begriffen, was geschehen war.

Mantraroggin duckte sich, lud nach und erhob sich langsam wieder.

Der Fremde hatte sich zu Boden gewor­fen, hielt den Strahler in der Hand und robb­te hinter den Büschen rasend schnell auf dem dicken Baumstamm zu. Auch die Frau

Hans Kneifel

tauchte jetzt auf. Sie sprang durch die Luft, streckte die Arme nach vorn und landete hinter dem Stamm.

Das bedeutete, daß beide erkannt hatten, aus welcher Richtung geschossen worden war. Vögel und kleines Baumgetier machten einen gewaltigen Lärm, sprangen von Ast zu Ast und flatterten auf. Blattreste und Rin­denteile regneten zu Boden. Mantraroggin grinste kalt; er genoß dieses Spiel. Sie entka­men ihm nicht, denn er konnte sich immer wieder auf ihre Spur heften. Langsam schob er sich hinter der zerklüfteten Säule hoch zielte ein zweites Mal und feuerte den ande­ren Lauf leer.

Dort drüben splitterte ein schenkeldickes Stück Rinde ab, verwandelte sich vor dem bärtigen Gesicht des Mannes in Staub und Splitter und flog nach allen Seiten. Dann, noch in den Donner der Detonation hinein, schossen lange Feuerbahnen hinter dem Baumstamm hervor. Sie verwandelten die Büsche, den Boden und die niedrige Baum­krone rund um Mantraroggins Versteck in Flammen und Rauch. Der jagende Vargane brachte sich mit einem Sprung in Sicherheit und suchte nach der nächsten Deckung, von der aus er die beiden Opfer aus einer ande­ren Richtung, einem anderen Winkel, unter Feuer nehmen konnte.

Der Rauch verbarg ihn, der Lärm der auf­geschreckten Tiere verdeckte die Geräusche, die er machte. Er blieb dicht über dem Bo­den und schaffte es in rasender Schnelligkeit fast einen Viertelkreis zurückzulegen.

Dann hörte er einen heiseren, harten Be­fehl.

Wieder schossen zwei Waffen auf ihn. Die Fremden schossen gezielt. In wenigen Minuten würden der Wald hier in Flammen stehen.

6.

Jeder, der eine Chance nicht ergreift, ob­wohl sie sich ihm bietet, ist ein Narr – oder ein Selbstmörder!

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27 Jagdplanet des Unsterblichen

Ausspruch Corpkors

Es gab wenige Gefahren, die er nicht kannte.

In dieser Hinsicht ähnelte der Tiermeister Fartuloon, und beide wußten es. Als Corp­kor aufgewacht war und entdeckt hatte, wo er sich befand, wußte er, was er zu tun hatte. Er setzte zwei seiner Fähigkeiten ein.

Einen großen, langbeinigen und spitz­schnabligen Wasservogel, der neugierig und ohne Scheu zu ihm hinübersah, sprach er an, nachdem er eine Weile zugehört hatte, mit welchen Lauten die Tiere miteinander ver­kehrten. Der Vogel besaß keine bewußte Sprache, aber alles, was Corpkor brauchte, waren einige deutliche Hinweise. Er mußte erfahren, was der Vogel dachte.

Er, der Meister der Tiere, setzte sich hin und versenkte seinen Blick in die großen Augen des Vogels. Das Tier hörte auf, im schwarzen Sumpfwasser herumzustolzieren, hob den Hals, drehte den Kopf und starrte ihn an. Aufgeregt bewegten sich die Flügel, aber der intensive Blick des Arkoniden bannte das Tier. Es winkelte ein Bein an und stolzierte langsam, wie hypnotisiert, näher heran und blieb schließlich auf Mannslänge vor Corpkor stehen.

Corpkor gab einige Laute von sich. Das Tier erwachte aus seiner Starre, riß

den Schnabel auf und begann damit zu klap­pern, dabei verursachte seine Kehle röcheln-de Laute.

Corpkor imitierte diese Laute meisterhaft und schuf dadurch ein Bezugssystem. Das Tier sah ihn und wußte instinktiv, daß Corp­kor kein Vogel war, kein anderes Tier, aber der winzige Verstand dieses Lebewesens täuschte den Organismus.

Der Vogel Corpkor erkundigte sich in fra­genden Lauten, wo ein riesiges glänzendes Ding war.

Der andere Vogel erklärte: Gefühl des Schreckens. Sonne mitten am

Tag verdunkelt. Gewaltiger Lärm. Dann ein riesiger Stein, der in den Augen blendet. Ei­ne Wassersäule. Aufgewühlter Sumpf. Tote

Fische. Große Beute. Andere Tiere regungs­los.

Corpkor hätte nur einen Bruchteil dieser undeutlichen, fast nur mit Hilfe der kon­struktiven Phantasie zu erkennenden Hin­weise gebraucht, um zu wissen, daß es sich um das Schiff handelte.

Er brauchte nicht mehr zu denken; er schaffte es dank der vielen Jahre, in denen er Tiere und deren Sprachen oder Lautmittei­lungen studiert hatte, sofort die richtigen Laute zu imitieren. Wieder richtete er seine Fragen in Form von Eindrücken an das Tier.

Futterplatz für mich. Großer Stein. Ich will hinfliegen. Zeig mir Weg.

Das Sumpf tier schüttelte sein helles Ge­fieder, knickte die langen Beine ab und schwang sich mit einem kurzen Anlauf in die Luft. Es hatte keine andere Möglichkeit, seinem vermeintlichen Artgenossen den Weg zu zeigen, als dorthin zu fliegen.

Kaum war der Vogel in der Luft, sprang Corpkor auf.

Er beschattete die Augen mit der flachen Hand und sah dem Tier nach, das mit klat­schenden Schlägen seiner langen Schwingen abstrich. Es flog in die Richtung, die Corp­kor als Nordwest identifiziert hatte, als er die langsame Wanderung der Sonne beob­achtet hatte.

Corpkor war mit drei Sprüngen am ver­schlungenen und gedrehten Stamm eines niedrigen Sumpfbaums und versuchte hin­aufzuklettern, ohne den Vogel aus den Au­gen zu verlieren. Er riß sich die Unterarme blutig und verlor den gefundenen Strahler aus dem Gürtel, aber als er mit den Augen die Gerade verlängerte, die der Vogel flog, entdeckte er zwischen Grün und halbver­deckt unter Baumkronen und Sumpfgewäch­sen die charakteristische Außenfläche des Doppelpyramidenschiffs.

»Fabelhaft! Also doch!« rief er. Aber in seinem Hang zur Gründlichkeit,

der ihm schon mehrmals das Leben gerettet hatte, wartete er ab, bis das Tier die rund dreitausend Meter Entfernung überwunden hatte und lautlos über dem abgestürzten

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Schiff zu kreisen begann. Corpkor glaubte, schräg davon in noch größerer Entfernung einen weiteren Lichtblitz wahrzunehmen, den Reflex des Sonnenlichts an einer Fläche aus Stahl oder Glas, aber als er genauer hin­blickte, sah er nichts mehr.

Er kletterte zufrieden von dem kleinen Baum herunter, fand den Strahler und schritt zum zweitenmal die Grenzen der Sumpfin­sel ab. Alle Gedanken an die vergangenen Ereignisse hatte er gewaltsam verdrängt, ob­wohl ihn unzählige Fragen marterten. Jetzt gab es eine Frage weniger.

Und ein zusätzliches Problem, dachte er. Die Tiere und ihre Verhaltensweisen wa­

ren ihm nicht unbekannt, aber dieser Planet in der Mikroweit der Varganen konnte unlie­bsame Überraschungen bereithalten. Corp­kors Problem bestand darin, durch die viel­fältigen Teile der Sumpflandschaft zu kom­men. Sie alle hatten eine verderbliche Eigen­schaft: sie waren unbekannt und gefährlich.

Corpkor suchte nach irgend einer Art von Hilfsmittel, die verhindern würde, daß ihm der Sumpf verschluckte. Aber er fand nichts. Nur einige Tiere, die wie eine Kreuzung zwischen Fisch und Echse aussahen und ihn aus dem Wasser heraus anglotzten. Corpkor hatte so gut wie keine Erfahrung mit Fi­schen, denen bei diesen Tieren fehlte ein wichtiges Mittel der Kommunikation, näm­lich eine Verständigung durch Laute. Und er besaß keinerlei Geräte, mit denen er Unter­wasserschwingungen exakt hervorrufen konnte.

»Verdammter Sumpf!« sagte er laut. Der Vogel, der ihm den Weg gezeigt hat­

te, kreiste verdrossen in der Luft und landete dann in einem anderen Teil des Sumpfes.

Der Tiermeister strich über sein zernarb­tes Kinn, strich sich die nassen Haare in den Nacken und zog die Waffe. Er stand am Rand der sandigen Insel. Zwischen ihm und diesem Teil des gegenüberliegenden Ufers strömte relativ klares Wasser vorbei. Etwa dreißig Meter Entfernung, ein leicht zu be­wältigender Zwischenraum. Corpkor lachte kurz, dann richtete er die Waffe auf den

Hans Kneifel

Wasserspiegel und drückte ab. Ein donnern-der Krach, dann entstand unter Wasser eine Dampf blase, eine Fontäne kochenden Was­sers erhob sich. Der Dampf explodierte in weißem Gischt. Der Tiermeister sah zufrie­den, wie die schwerfälligen Tiere nach allen Seiten auseinanderstrebten, dann schaltete er die Waffe aus, steckte sie ins Hemd und warf sich mit einem gestreckten Hecht­sprung ins Wasser.

Er kraulte mit schnellen Bewegungen hin­über, wurde mit der Strömung mitgenom­men und kam genau dort an Land, wo er ge­plant hatte. Seine Schritte knirschten über einen schmalen Kiesstreifen.

»Das ist glatt gegangen!« murmelte er, drückte das Wasser aus dem Haar und warf den schweren Schopf in den Nacken.

Er starrte auf die Pflanzen, die sich vor ihm erstreckten. Sie waren verdächtig grün und saftig. Er sah keinerlei Spuren. Vermut­lich erstreckte sich unterhalb der Pflanzen­decke ein tiefer Sumpf. Der Tiermeister bückte sich, hob den größten Stein auf und warf ihn an eine bestimmte Stelle.

Das Geräusch sagte ihm, daß der Boden einigermaßen fest war.

Dazu kam, daß in etwa hundert Schritten Entfernung einige Büsche und, was wichti­ger war, ein ziemlich starker Baum wuch­sen. Corpkor wußte, daß er ein Risiko ein­ging, aber er wagte es. Sein Brustkasten dehnte sich, als er tief Luft holte als Zeichen seines Entschlusses. Dann warf er sich vor­wärts und nützte einen alten Trick aus. Je weniger und je kürzer er den Boden belaste­te, desto weniger würde er einsinken.

Er spurtete über die Fläche und trat je­weils mit der gesamten Sohle auf. Er spürte, daß der Boden nachgab, aber die dicken Gräser dämpften diesen Effekt. Er rannte um sein Leben, wurde noch im Laufen schneller und sah, wie sich Büsche und Baumstamm vergrößerten, wie er näher und näher kam. Dann warf er sich förmlich an den Stamm und hielt sich schweratmend fest.

»Wieder einmal das Schicksal ein bißchen überlistet!« murmelte er und beruhigte sich

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ziemlich schnell. Auf diese oder ähnliche Weise würde es weitergehen. Er warf einen Blick in die Richtung, in der er das Raum­schiff gesehen hatte, dann zuckte er gleich­mütig mit den Schultern.

Von seinem jetzigen Standort aus war es nicht zu erkennen.

Nach zwanzig weiteren Schritten begann ein neuer, träge fließender Flußarm, einer von Hunderten, die sich durch das Delta schlängelten.

Aber dieses Stück Wasser war eine dun­kelbraune Brühe, auf der gärende und stin­kende Pflanzenreste trieben wie dicker Schaum.

»Kein Sumpf also, sondern ein Stück, durch das ich schwimmen werde!« ver­sprach sich Corpkor grimmig. Er fühlte eine kalte Wut auf denjenigen oder diese Macht, die das Schiff zum Absturz gebracht und ihn aus der Steuerkabine herausgerissen und hier abgesetzt hatte.

Mit zehn weiten, kraftvollen Sprüngen setzte er über das weiche Gelände, verließ das letzte feste Stück Boden und sprang in die dunkle Masse hinein. Sie wich mit plat­schenden Geräuschen auseinander. Blasen kamen von unten und platzten mit dumpfen Tönen. Zuerst fühlte er noch schlüpfrigen Grund unter den Sohlen, dann zertrat er fau­lende Holzstücke oder ähnliche Dinge, dann mußte er schwimmen. Aber er kam gut vor­an, abgesehen davon, daß sich sein gesamter Körper mit einer zähen, stinkenden Masse überzog. Der Tiermeister kämpfte sich mit halb schwimmenden, halb gehenden Bewe­gungen durch die Sumpfmasse und erkannte voraus eine längliche Insel.

Sie erstreckte sich in der Richtung, in der er sich fortbewegen mußte, um das Schiff zu erreichen. Lautlos fluchend erreichte er schließlich die Spitze der Insel und blieb ste­hen. Zwei Schritte vorwärts.

Er zog eine schwarze, tropfende Spur hin­ter sich her. Trotz seines Grimms mußte er lachen. Als nächstes wünschte er sich klares Wasser, möglichst kalt und reißend, aber zu­erst ging er geradeaus über die Insel. Er

stapfte durch Büsche und durch hohe Sumpfgräser, deren Kolben platzten und ihn mit Millionen federartiger Sporen oder Blü­tenteile überschütteten. Teilweise streiften die Blätter die schwarze, zähe Masse ab, aber an die restlichen Stellen hefteten sich diese Pflanzenteile. Sogar in die Nasenlö­cher und die Ohren drangen sie ein, als wä­ren es wütende Insekten. Die gab es auch noch, aber der durchdringende Gestank des Moorschleims schien die Plagegeister zu vertreiben. Sie bildeten eine große Wolke, die ihm folgte wie sein eigener Schatten. Die Insel war hundert Meter lang, und erstaunli­cherweise lief an ihrem jenseitigen Ende tat­sächlich ein schmaler, aber tiefer Bachlauf entlang.

Nur die Galaxis mochte wissen, woher dieses Wasser kam.

Corpkor warf sich mit wohligem Grunzen in das Wasser und tauchte den Kopf mehr­mals unter.

Von seinem Körper strömte die schwarze Brühe mit dem fließenden Wasser ab. Corp­kor hob den Kopf und sah diesen verblüffen­den Effekt. Er blieb liegen, drehte sich und sah die weißen Federn der Samenträger auf­tauchen und bachabwärts schwimmen. Als sein langer Körper und seine Kleidung keine schwarzen Bahnen mehr hervorriefen, stand er langsam auf und blieb einen Augenblick lang auf Händen und Knien im kühl strö­menden Wasser. Er griff ins Hemd und holte den Strahler hervor, tauchte ihn unter und wusch auch ihn.

Dann drehte er sich halb herum und ver­suchte, aufzustehen.

Und sah sich einem großen, hundeähnli­chen Wesen gegenüber, das sich gerade auf ihn stürzen wollte …

Das Tier stieß ein drohendes Knurren aus. Ein Raubtier … aber das breite Band um den muskelstarrenden Hals bewies, daß es dome­stiziert worden war. Augenblicklich antwor­tete der Tiermeister und Kopfjäger mit ei­nem anderen Geräusch. Es war das »Demutswinseln« des hoffnungslos Unterle­genen.

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Das Tier, eben noch gewillt, sich auf Cor­pkor zu werfen, erstarrte mitten in der Be­wegung. Nur der lange Pantherschwanz be­wegte sich und zeigte die herrschenden Ver­haltensmuster des Hundes an.

Das Tier war verwirrt. Langsam erhob sich der Tiermeister zu

seiner vollen Größe und winselte weiter. Er entsicherte, ohne hinzublicken, den Strahler und schaltete ihn ein. Er war gefaßt darauf, daß die Waffe sich erhitzen und er sie würde wegschleudern müssen, aber nichts geschah. Ohne seinen Blick aus den Tieraugen zu lö­sen, versuchte er, einen fragenden Laut aus­zustoßen. Er brauchte mehr akustische Infor­mationen.

Das Tier war wie er schlammbespritzt und abgehetzt. Die muskulösen Flanken hoben und senkten sich.

»Das, Corpkor«, murmelte der Arkonide leise zu sich selbst, »ist ein riesiger Jagd­hund. Das ist deutlich zu erkennen.«

Zuerst wich das Tier seinem bohrenden Blick aus.

Aber noch immer stand es am selben Fleck und war bereit, ihn anzuspringen. Ein Schuß genügte, um diese Gefahr zu beseiti­gen, aber Corpkor wollte mehr. Er versuchte es auf gut Glück mit einer geschnalzten Tonfolge, die Empfindungen ausdrückte, die diesem Tier eigen sein mußten. Er wechselte augenblicklich in die akustischen Anforde­rungen eines solchen Tieres; er kannte Jagd­hunde besser als jeder andere im Makrokos­mos und im Mikrokosmos.

Er drückte folgende Empfindungen aus – oder versuchte es jedenfalls:

Jagdlust. Verfolgen und Stellen der Beute. Freundschaft innerhalb des jagenden Rudels. Anstrengungen. Lauf und Hetze. Schließlich der Triumph, der sich einstellte, wenn die Beute erlegt war.

Das Tier stellte die Ohren hoch, wedelte wie besessen mit dem langen Schwanz und schnalzte dann zurück.

Ich Mottizzer. Wenigstens verstand Corpkor diesen Be­

griff oder diesen Namen. Er sah ein wenig

Hans Kneifel

klarer, was das Verständigungsmittel betraf. Noch immer stand er bis über die Knie im reißenden Wasser, das seine Wut nicht küh­len konnte. Aber die neue Aufgabe, die des Rätsels Lösung enthalten konnte, verdrängte alles andere.

Die beiden Wesen starrten sich an. Immer wieder aber drehte der Hund den Kopf weg. Er hechelte und war sichtlich stark verunsi­chert.

Corpkor versuchte es und schnalzte lang­sam und so deutlich, daß Raum für Deutun­gen durch eine niedrige Intelligenz möglich war:

Ich Corpkor. Ich Freund aller Tiere. Ich viel Verständnis. Freundschaft.

Offensichtlich hatte das Tier zu tun, um alles zu verstehen und umzusetzen. Eine drohende Pause entstand.

Dann hörte der Tiermeister zu seiner Ver­blüffung, wie das Tier schnell schnalzte:

Mottizzer soll Corpkor finden und zum Jagen treiben.

Mit intuitiver Sicherheit begriff der Mann. Er wußte, wie er mit dem Tier zu »sprechen« hatte, und was der Jagdhund meinte.

Ein schneller Dialog begann. An den Ant­worten in der eigentümlichen Kunstsprache, die dem Kehlkopf des halbintelligenten Jagdtieres angepaßt waren, merkte der Tier­meister, daß er es mit einem geschulten, her­vorragend auf Jagd und Hatz trainierten Tier zu tun hatte.

Ich bin kein Feind. Mein Herr hat dich gefunden und hierher

gebracht. Ich bin dein Freund. Ich muß dich suchen und stellen. Aber dein Herr will mich töten. Das ist sicher. Tötest du den Sohn deiner Mutter? Nein. Mein Bruder. Ich bin der Bruder deines Herrn. Er nennt sich Partner. Ich bin nicht Partner. Ich bin fremd hier

und dein Freund. Ich darf nicht Freund sein.

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Warum? Mantraroggin, der Partner-Jäger gibt

mir die Befehle und Essen. Ich gebe dir mehr. Was kann für mich mehr sein? Freundschaft. Wir sprechen wie Brüder! Komm aus dem Wasser heraus. Warum? Ich will sprechen. Du hast eine Waffe.

Ich Feind. Warum du nicht schickst Tod aus dem Rohr?

Ich bin dein Freund, nicht dein Töter. Nicht töten? Nein. Nur dann, wenn du mich angreifst! Corpkors Verwunderung stieg. Er hatte

Tiere gezüchtet und besessen, die gelehriger waren, und mit denen er bessere Kontakte gehabt hatte als mit diesem großen, offen­sichtlich einer Mutation entsprungenen Jagdhund. Aber irgendwie faszinierte ihn das Tier. Er steckte mit einer übertrieben deutlichen Bewegung den Strahler, zwar noch immer entsichert und schußfertig, zu­rück in den nassen Ledergürtel. Dann watete er aus dem Bach hinaus und schob das trie­fende Haar zurück.

Er wandte, risikofreudig, wie es die Situa­tion erforderte, einen weiteren Trick der Animalpsychologie an. Er kauerte sich auf die Hacken, und somit befand sich sein Kopf auf genau derselben Höhe wie der kantige Schädel des Tieres.

Der Dialog ging weiter. Corpkor dachte an das Raumschiff und

fragte: Warum bin ich hier im Sumpf? Mantraroggin dich ausgesetzt. Er Jäger. Und die anderen? Auch ausgesetzt. Ein Mann mit gelbem Metall am Ober­

körper? Partner verfolgt ihn. Eine Frau? Eine Partnerin für Jäger wie

Hündin für dich? Tot. Raubtier. Zerrissen. Corpkor schrak zusammen. Mühsam

wahrte er die Beherrschung. Also war ent­weder die Haitaschar oder Ischtar, die Gol­

dene Göttin, zerfleischt worden. Er würde herausfinden, was geschehen war. Noch nicht jetzt; anderes war wichtiger.

Er fragte: Herausgeschafft aus Raumschiff? Ja. Partner-Herr getragen, dann mit Flu

kästen geflogen. Fünfmal angehalten. Die Tiere in dem Raum? Ich Befehl. Hinausgeschleppt. Vielleicht

getötet oder weggelaufen. Oder im Wasser tot.

Seine kleine, sorgfältig ausgesuchte Tier­armee war also abzuschreiben. Die Tiere, ebenso wie sie alle im Übergangsschock der »Absoluten Bewegung« erstarrt, waren aus dem Schiff geworfen worden und, mit Aus­nahmen vielleicht, elend verendet. In dieser Sekunde schwor sich der Tiermeister, den unbekannten Jäger ebenso sterben zu lassen. Er bezwang sich und erkundigte sich weiter:

Ich. Zwei Frauen. Kleiner Mann mit großem Messer im Gurt. Und der Schlanke, der wie Wasser aussieht?

Er meinte Eiskralle. Im Dschungel. Ausgesetzt. Später Jagd. Auch auf mich? Auf alle. Unsterblicher Jäger. Immerja­

gen auf Xermatock. Corpkor begriff. Der Unsterbliche, also

mit Sicherheit ein Vargane, hatte Eiskralle und Fartuloon, Haitaschar und Ischtar und ihn ausgesetzt, um sie nacheinander zu jagen wie Raubtiere oder Wasserbüffel. Er fühlte, wie ihn einige Sekunden lang schwindelte. Dies war die Perversion der Jagd. Sadismus in der Mikroweit. Xermatock, so hieß wohl diese Welt. Ein Dschungelplanet, auf dem Mantraroggin jagte.

Dagegen war der arkonidische Despot, der Atlan jagen ließ, ein unbedarfter Stüm­per.

Mit Anstrengung unterdrückte der Tier­meister das Gefühl, das zusammengesetzt war aus Ekel, Abscheu, Verwunderung und Schmerz darüber, daß denkende Wesen in einem solchen Maß entarten konnten. Er selbst würde dafür sorgen, daß diese makab­re Jagd die letzte Hatz von Mantraroggin

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werden würde. Aber zu diesem Zweck wa­ren noch einige wichtige Schritte zurückzu­legen. Der erste lag klar vor ihm, und nur der Weg war unklar.

Er schnalzte schnell und im Tonfall der größten Dringlichkeit:

Mein Freund Mottizzer! Ich Freund, ja. Bring mich zu meinem Schiff. Kann ich es wagen? Jäger-Partner wird

strafen! Ich werde es ihm nicht sagen. Hilf mir.

Ich bin in Not. Ich bin dein Freund! Ich helfe. Komm! Der Hund sah zu ihm auf, als er sich er­

hob. Dann führte ihn Mottizzer auf Umwe­gen, aber immer über trockenes und festes Land, zum Raumschiff der schönen Varga­nin. Auf diesem Weg erfuhr Corpkor alles, was geschehen war … bis zu dem Augen­blick, da der Jäger den Hund geschickt hatte, um ihn zu stellen und den letzten Abschnitt der Jagd einzuleiten.

Am späten Nachmittag erreichte das un­gleiche Paar das Doppelpyramidenschiff.

Corpkor betrat es durch die aufge­schweißte Einstiegsschleuse. Er ließ den Hund zurück.

7.

Ich begreife. Da ist Gesetz. Regel des Le­bens. Der Bruder tötet nicht den Bruder. Nur ein Wahnsinniger tötet ohne Not und tö­tet seinesgleichen.

Aus dem »Dialog« Corpkor – Mottizzer

Als Corpkor nach einer Stunde wieder aus der Schleuse kroch, hatte er sich in zweifa­cher Hinsicht verändert. Nicht äußerlich, sondern in seiner inneren Einstellung.

Zunächst war er niedergeschlagen und mehr als nur deprimiert. Er hatte einen er­sten Anfall von echter Daseinsangst.

Das Schiff der Goldenen Göttin war, ein­schließlich der Beiboote, nicht viel mehr als ein Wrack!

Hans Kneifel

Mit diesem Haufen glänzenden Schrotts würden sie nicht mehr von Xermatock star­ten können.

Corpkor schrie einen ordinären Fluch hin­aus. Er mußte sich abreagieren.

Er selbst hatte geduscht, gegessen, eine halbe Flasche Alkohol in sich hineinge­schüttet und sich dann ausgerüstet. Er würde es mit einer halben Armee aus lauter un­sterblichen varganischen Jäger aufnehmen können. Alles, was er an intakten und im Augenblick benötigten Maschinen im Schiff gefunden hatte, war ein zerbeulter Gleiter.

Dies war die eine Veränderung. Die zweite war anderer Natur. Er ver­

mochte es nicht, Menschen gegenüber grö­ßere Mengen von Gefühlen zu verschleu­dern. Es hatte sich bisher nicht gelohnt. Aber er war im Augenblick nicht mehr län­ger gleichgültig und ausgewogen. Er wollte versuchen, die anderen Überlebenden zu ret­ten, und er würde auf alle Fälle versuchen, diesem pervertierten Jäger das Vergnügen so zu vergällen, daß Mantraroggin noch in der Sekunde seines Todes wahnsinnig vor Ent­setzen sein würde.

Die Belohnung für Mottizzer: Ein riesiges Stück Fleisch aus den Bord­

speichern, in stärkstem Alkohol eingeweicht und eigentlich dazu bestimmt, die Varganin Haitaschar auf dem Umweg über ein exzel­lentes Essen zu erobern. Corpkor rutschte die schräge Fläche der Bordwand hinunter und hockte sich nieder.

Das ist für dich, mein Freund! schnalzte er.

Er kannte die Wirkung von Alkohol auf einen lebenden Organismus, der dieses Sti­mulans nicht gewohnt war. Er selbst war, ohne die Selbstkontrolle verloren zu haben, etwas betrunken. Es würde ihm helfen, die Barriere des gewaltsamen Todes und Ster­bens anderer Lebewesen niederzureißen, die es für ihn als Tierliebhaber und Animalpsy­chologen gab. Er drängte seinen alten Beruf wieder an die Oberfläche seines Bewußt­seins.

Kopfjäger. Prämiensöldner!

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»Verfluchter Vargane!« heulte er auf und feuerte einige Schüsse schräg in die Luft.

Gutes Fressen! schnalzte der Hund begei­stert.

Will ich meinen! gab Corpkor zurück, sah einige Sekunden lang zu, wie der Hund den Leckerbissen abfetzte und herunterschlang, dann ging er ins Schiff und kurbelte die Schleusentür eines kleinen Hangars auf. Er stieg in den Gleiter und schwebte um das halbe Wrack zurück, landete neben Mottiz­zer.

Corpkor riß die zerbeulte Tür auf und schnalzte dem Hund zu:

Ich bin bereit! Dann wartete er einige Sekunden lang. Er

war einigermaßen sicher, den Jagdhund des Varganen für sich und seinen Zweck gewon­nen zu haben. Das galt bestimmt für die Zeit, in der sie beide allein waren. Es konnte sich schlagartig ändern, wenn der Jäger er­schien.

Ich kommel schnalzte der Hund und sprang auf den Nebensitz. Der Gleiter hob sich summend und schwebte dann langsam los. Corpkor blickte starr in die dunklen Tieraugen.

Wohin? Hinter den Bäumen auf der steinernen

Platte! war die Antwort des Tieres. Das komplizierte tierpsychologische Ex­

periment schien gelungen zu sein. Corpkor identifizierte die Richtung und jagte den Gleiter dorthin. Schon nach wenigen Sekun­den Steigflug sah er das kleine Schiff des Unsterblichen. Er steuerte den Apparat di­rekt dorthin und erkundigte sich:

Dein Herr? Ist er im Schiff? Nein. Sicher. Der Hund würde den Varganen gewittert

haben. Corpkor steuerte die Maschine um das Schiff herum und erkannte, daß es tat­sächlich verlassen war. Die Rampe war aus­gefahren, die Schleuse war durch ein Metall­gitter verschlossen. So kam Luft in das Schiff, und Tiere blieben außerhalb. Der Gleiter landete neben der Schleuse.

Du warnst mich, wenn Mantraroggin

kommt? erkundigte sich der Tiermeister vor­sichtig. Er erkannte klar das Risiko, das Tier aus dem engen Bezugsnetz zu seinem Herrn herauszureißen. Er hatte nicht viel Zeit, die Einwirkung so massiv zu gestalten, daß das Tier ihn als alleinigen Meister ansehen wür­de. Er stieg aus und zog die Waffe.

Ich warne ihn und dich! Corpkor war mit einigen schnellen Schrit­

ten an der Sperre. Der Alkohol in seinem Blut machte ihn kühn, aber keineswegs leichtsinnig. Er fand den einfachen Schalter, drückte ihn, und rasselnd schob sich das Git­ter auf. Dahinter war eine Hochfrequenz-Insektenabwehr, die er mit einem Schritt überwand. Dann flammte das Licht auf.

»Eines ist sicher«, sagte Corpkor. »Ich werde den Jäger auf seinem eigenen Jagdge­biet festhalten.«

Er wußte, daß sich Raumschiffe verschie­dener raumfahrender Völker nicht grund­sätzlich voneinander unterschieden. Meist lag die Steuerzentrale im Mittelpunkt des Schiffes. Abgesehen davon unterschieden sich die zwei Schiffe – das Schiff des Jägers und das von Ischtar – kaum wesentlich von­einander. Corpkor stürmte durch die Hallen und Gänge des Schiffes, schaltete die Lich­ter ein und stand plötzlich in der Steuerzen­trale. Er suchte seine Ziele und feuerte mehrmals in die wichtigsten Geräte hinein. Es mußten nur einige wichtige Schaltungen zerstört werden. Sie waren vermutlich zu re­parieren, aber keineswegs in kurzer Zeit.

Corpkor nahm einen Kabelstrang ins Ziel und feuerte. Rauch und Flammen schlugen aus der brennenden Isolation, dann knatter­ten die Lichtbogen auf. Corpkor wußte jetzt definitiv, daß das Schiff in den nächsten Wochen nicht starten konnte.

Das war sein erstes Problem gewesen. Jetzt kam der zweite, ebenso dringende

Problemkomplex. Wo waren die anderen, lebten sie noch, und wie waren sie zu retten?

Er verließ, nachdem er das Löschsystem hatte in Tätigkeit treten sehen, die Zentrale und tauchte wieder auf der Rampe auf. Hin­ter ihm rasselte das Schutzgitter wieder vor

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den großen Eingang. Der Hund stand auf der Schnauze des Gleiters und drehte unruhig den Schädel. Witterte er etwas?

Der Tiermeister lief die Rampe hinunter und blieb stehen.

Du bringst mich dorthin, wo Mantrarog­gin jagt?

Er würde noch etwa zwei Stunden Son­nenlicht haben. In dieser Zeit mußte er ver­suchen, Fartuloon, Eiskralle und die Varga­nin zu finden. Und natürlich den wahnsinni­gen Jäger aus der Eisigen Sphäre.

Der Hund sprang mit einem Satz von der Maschine und scheuerte seine Schulter an Corpkors Knie. Er heulte und winselte auf­geregt. Dies waren Laute ohne deutliche Aussagen, aber sie zeigten dem Tiermeister, daß das Tier seine Sicherheit verloren hatte. Es war nicht mehr länger an Mantraroggin gebunden – aber noch lange nicht an ihn, Corpkor.

Dorthin, ja! Jagd! »Dann fliegen wir!« knurrte der Arkonide

und rieb mit dem Handrücken über sein zer­narbtes Gesicht. Er richtete seinen düsteren Blick auf den Hund und sah zu, wie das Tier in den Gleiter sprang. Aufmerksam die Um­gebung betrachtend, ging Corpkor um die Maschine herum, schloß die Türen und blickte durch die Frontscheibe zum Himmel.

Nachmittagsvögel, sehr viel! schnalzte der Hund aufgeregt. Corpkor spürte die scharfe, animalische Erregung; das Tier hatte ein starkes Erlebnis mit diesen Vögeln hinter sich. Mit Sicherheit hing es mit der gemein­samen Jagd zusammen. Der Gleiter erhob sich und schwebte auf den fernen Dschungel im Norden zu.

Wo jagt Mantraroggin? Der Hund blickte starr in eine bestimmte

Richtung. Geradeaus, dorthin, wo der Rand des Dschungels lag. Corpkor trat den Be­schleunigungshebel ganz durch und steuerte in mittlerer Höhe auf den Dschungel an. Überall waren diese großen Vögel mit den sichelförmigen Schwingen zu sehen, aber über einem bestimmten Teil des riesigen Waldes kreisten sie in größerer Zahl.

Hans Kneifel

Dort Jagd, wo Nachmittagsvögel sind. »Verstehe, Partner!« knurrte der ehemali­

ge Kopfjäger und versuchte sich vorzustel­len, was er hundert oder hundertfünfzig Me­ter unterhalb der kreisenden Vögel finden würde.

Der Gleiter mit den beiden ungleichen In­sassen raste über die Sumpfflächen und Flußläufe, die Inseln und die stinkenden und blasenwerfenden Tümpel, die im schwin­denden Licht fast purpurn leuchteten. Je nä­her Corpkor der bezeichneten Stelle des Dschungels kam, desto mehr stieg seine Un­ruhe.

Der Gleiter folgte jetzt dem breitesten Flußteil des Deltas, änderte kurz die Rich­tung, befand sich plötzlich über dem Fluß und schwang sich über ihn hinweg. Dann glitt unter ihm die Geröllwüste hinweg, die sich mit Tieren bevölkerte. Sie kamen in kleinen Rudeln aus dem Dschungel und nä­herten sich sternförmig dem Wasserloch. Der Gleiter ging abermals tiefer, und in der Kabine waren nur die hechelnden Laute des Hundes und die schweren Atemzüge des Ar­koniden zu hören.

Dann kniff Corpkor plötzlich überrascht die Augen zusammen.

»Es brennt!« rief er verblüfft. Er erinnerte sich und schnalzte schnell: Feuer im Dschungel! Blitzartig entsann er sich daran, daß der

wahnsinnige varganische Jäger auch ihm einen Strahler überlassen hatte. Vermutlich verteidigte sich dort einer von den Freunden gegen den Jäger.

Jagd. Schüsse. Holz brennt, schnalzte Mottizzer zurück.

Wie elektrisiert umklammerten die kräfti­gen Finger des ehemaligen Kopfjägers die Griffe der Steuerung. Der Gleiter verließ die Flughöhe, in der die Raubvögel kreisten und stach in schräger Flugbahn auf den Ort zu, an dem an mehreren Stellen ein Teil des Dschungels brannte. Die Flammen fanden gute Nahrung, aber Holz und Blätter waren feucht und entwickelten ungeheure Mengen von grauem Rauch. Das Sausen des Fahrt­

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winds machte jede Unterhaltung unmöglich. Mit bohrendem Blick kauerte der Tiermei­ster vor der Steuerung und starrte durch die Frontscheibe, deren Fläche von zerschmet­terten Insekten übersät war.

Zu schnell, schnalzte der Hund, dann heulte er voller Panik auf. Wie ein Geschoß jagte die Maschine auf die Büsche zu. Aber Corpkor fing sie rechtzeitig ab, gab vollen Bremsschub und rammte dann die spitze Schnauze des Gleiters genau dort, wo sich der meiste Rauch hochkräuselte, zwischen den Büschen hindurch. Brummend bewegte sich der Gleiter vorwärts. Er entwurzelte kleine Bäume, zerfetzte Büsche und brach Äste und Zweige ab.

Eine Reihe Baumstämme hielt die Fahrt auf.

Die Rinde der Stämme brannte mit winzi­gen Flämmchen, die an den Spitzen Rauch­fahnen produzierten. Corpkor kümmerte sich nicht mehr um den Hund. Er öffnete beide Türen, schaltete den Gleiter ab und griff nach den Waffen.

Er sprang seitlich aus dem Gleiter hinaus, rollte sich auf dem Waldboden ab und kam zwischen feuchten Stellen, Brandflächen und zischenden Blättern wieder auf die Bei-ne. In der Hand hielt er einen schweren Strahlenkarabiner, mit dem er nur mühsam einhändig schießen konnte. Die Waffe war entsichert und auf höchste Intensität ge­schaltet.

Corpkor rannte auf einen Baumstamm zu, der auf einer Hälfte brannte, holte Luft und brüllte aus Leibeskräften:

»Fartuloon! Haitaschar! Ischtar! Eiskral­le!«

Er sah zwischen den einzelnen Rauchwol­ken und den Stämmen, zwischen brennen-dem Gesträuch und Flammenspeeren eine Gestalt von links nach rechts rennen wie von Furien gehetzt.

Er warf sich herum, hob mit beiden Hän­den die schwere Waffe und versuchte, zu er­kennen, wer dort rannte.

Er erhaschte nur einen flüchtigen Blick auf eine schlanke, hochgewachsene Gestalt,

die in einen Anzug aus sandfarbenem Zeug gekleidet war. Keiner der Freunde trug sol­ches Zeug. Ehe er reagieren und auf den fremden Jäger feuern konnte, verschwand der Mann hinter den Rauchwolken und den Stämmen des Regenwaldes. Corpkor schrie noch einmal die Namen seiner Freunde.

»He! Wo seid ihr! Gebt Antwort!« schrie er.

Undeutlich nahm er das verwirrte Kläffen des Hundes wahr. Das Tier raste irgendwo dort vorn in dem Inferno aus knisternden Flammen und brodelndem Rauch umher und suchte entweder ihn, die Jagdopfer oder sei­nen alten Herrn.

Von fern kam eine Stimme, offensichtlich durch einen Trick abgelenkt:

»Hier ist Fartuloon! Wer ruft?« Der Tiermeister rannte genau in die Rich­

tung, die sich anbot, wenn er die vermutete Stelle und diejenige, von der der Schall kam, miteinander verband. Er blickte wild um sich und spurtete durch Rauch, rutschte auf nassen Pflanzen aus, sah Pilze, aus denen orangefarbene Stichflammen bis in eine Hö­he von einigen Metern fuhren und brüllte:

»Corpkor! Ich helfe euch!« Er duckte sich unter einem dicken Ast.

Ein Bündel, bestehend aus brennenden Fe­dern und wild um sich schlagenden Glied­maßen fiel zwischen seine Schulterblätter und hackte mit einem scharfen Schnabel nach seinem Nacken. Er packte den bren­nenden Vogel mit einer Hand und schleuder­te ihn ins Gebüsch.

»Hierher, Corpkor!« schrillte jetzt eine weibliche Stimme. Sie schrie von weit rechts.

Corpkor rannte weiter. Wieder erschien zwischen den braunen und schwarzfeuchten Baumstämmen die sandfarbene Jagdklei­dung. Dies mußte der pervertierte Vargane sein. Corpkor blieb stehen, hob die Waffe und zielte dorthin, wo der flüchtende Schat­ten auftauchen mußte.

Nichts! Kalte Wut beherrschte ihn. Er schickte

einen Schuß um den anderen in die Nähe der

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Stelle, an der er die Gestalt gesehen hatte. Rechts und links, genau in dieses Ziel, knapp darüber und wieder zwischen den na­türlichen Hindernissen hindurch.

Die Entladungen röhrten auf. Dort, wo die langen Strahlen einschlugen, entstanden ste­chend helle Lichterscheinungen. Die Deto­nationen rissen Rinde und Holz auseinander und pulverisierten sie, der Druck verwandel­te Blätter in grüne Masse, entzündete die Pflanzen. Wieder heulte der Hund auf, als drehe man ein Messer in seinen Eingewei­den herum.

»Wo seid ihr, Fartuloon?« schrie Corpkor und rannte weiter in die einmal eingeschla­gene Richtung.

Nach dreißig Schritten, nach einem rasen­den Zickzacklauf zwischen Stämmen und brennenden Lianenvorhängen, schrie jemand von links:

»Hier!« Corpkors Reflexe waren hervorragend. Im

selben Moment ließ er sich fallen und drehte noch in der Bewegung die Waffe in diese Richtung. Aber jetzt sah er zwischen rau­chenden Pflanzen tatsächlich den gelben Harnisch und darüber den kahlen Schädel mit dem Bart.

Es war Fartuloon! Langsam stand der Kopfjäger auf, senkte

den Lauf der Waffe und hob die rechte Hand bis in Kopfhöhe. Er ging auf Fartuloon zu und fragte laut:

»Wer ist bei dir?« Fartuloon zog ihn mit sich durch einen

Vorhang aus Pflanzen. Hinter einem dicken Baumstamm kauerte Ischtar auf den Knien und hielt den Strahler in beiden Händen. Von hier also hatten sie gerufen.

Corpkor schwang sich über den Stamm und sagte, sich Schweiß und Ruß aus dem Gesicht wischend:

»Jetzt sind wir zu dritt. Ich weiß, wo die Schiffe liegen, seines und unseres. Und ich weiß, daß Haitaschar tot ist, vermutlich von einem Raubtier angefallen und zerfleischt.«

Die beiden anderen, die jetzt seine Hand schüttelten und ihn auf die Schulter schlu-

Hans Kneifel

gen, waren im Gegensatz zu ihm einigerma­ßen erschöpft.

Ischtar fragte unruhig: »Wie kannst du das wissen?« Gleichzeitig erkundigte sich der Bauch­

aufschneider: »Und wo ist Eiskralle?« Corpkor sagte ihnen in wenigen Sätzen,

was geschehen war. Als er schilderte, daß ein Hund sie zu Eiskralle führen würde, hör­te er hinter sich ein Rascheln und Knistern. Sie fuhren alle drei herum, und genau in die­sem Augenblick sprang Mottizzer fast waag­recht über den Stamm. Corpkors Waffe zuckte hoch, der Lauf traf den Strahler Far­tuloons und schlug ihn in die Höhe. Der Schuß fuhr harmlos in die Baumkronen.

»Das ist der Hund des perversen Varga­nen!« erklärte Corpkor und schnalzte laut:

Dein Partner? Geflohen? Der Hund war rußbedeckt, hatte kleine

Brandwunden und war vom Wasser und vom eigenen Schweiß naß. Er sprang auf Corpkor zu und schnalzte:

Partner geflüchtet. Maschine. Zum Schiff!

Mit schweigendem Erstaunen betrachte­ten Fartuloon und Ischtar den Hund. Sie wa­ren nicht nur erschöpft, sondern auch be­drückt. Haitaschar war tot, und sie würden einige Zeit brauchen, um diesen Umstand zu akzeptieren.

»Was ist das, Corpkor? Doch nicht eines deiner Tiere?«

Corpkor schüttelte den Kopf und erklärte: »Meine Tiere sind ebenso wie wir aus

dem Schiff gebracht worden. Aber während wir an verschiedenen Stellen aufwachten, warf man die Tiere in den Fluß. Sie starben; ich fand keines mehr.«

»Dieser Hund hier …?« »Es ist der dressierte und sprachfähige

Hund des Varganen, der uns jagte«, sagte der Tiermeister. »Er hat mir eben mitgeteilt, daß Mantraroggin, so heißt dieses Scheusal, mit dem Gleiter geflüchtet ist. Zu seinem Raumschiff.«

»Ich begreife nicht alles!« murmelte Isch­

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37 Jagdplanet des Unsterblichen

tar halb betäubt. »Der Hund verfügt über eine einfache

Sprache. Ich kann mich mit ihm verständi­gen.«

Corpkor tätschelte den Hals des Tieres und winkte.

»Ich habe einen Gleiter hier, aus deinem Schiff, Ischtar. Der Jäger ist zu seinem Raumfahrzeug geflohen und wird versu­chen, vom Planeten zu starten.«

Der Tiermeister lachte rauh auf. Er half Ischtar über den Baumstamm hinweg.

»Und?« »Er wird nicht starten können. Ich habe

wichtige Schaltungen zerstört.« Sie schwiegen, bis sie alle über den schüt­

zenden Baumstamm geklettert und durch den rauchenden, dampfenden Dschungel bis zum Gleiter gelaufen waren, den Hund im­mer zwischen ihnen.

Dann erkundigte sich Fartuloon ruhig: »Was ist eigentlich passiert?« Er berichtete, während er den Gleiter mit

den vier Insassen rückwärts zwischen den zerfetzten Büschen herausmanövrierte, was er seit seinem Erwachen erlebt hatte. Schließlich beendete er seinen Bericht und sagte:

»Wir sind zweifellos auf einem Planeten, den der Vargane aus der Eisigen Sphäre als sein eigenes Jagdgebiet benutzt. Ihr werdet gemerkt haben, daß wir uns in einer perfek­ten Einöde befinden.«

»Wie erklärst du dir diesen Hund?« Auch das schilderte der Tiermeister. Der

Gleiter drehte und schwebte aus dem Dschungel hinaus. Die Schar der Nachmit­tagsvögel hatte abermals zugenommen, aber dann erkannten sie, daß diese riesigen We­sen nur über dem brennenden und rauchen­den Bereich des Waldes kreisten. Der Rest des Firmaments war frei von sichelförmigen Schatten.

»Es ist eine Mutation, wie vermutlich ei­nige Tiergruppen auf Xermatock. Es ist ein hochbegabter, halbintelligenter Jagdhund. Er suchte und fand euch und auch mich. Er wird uns auch an die Plätze führen, an denen

sein Partner Eiskralle und Haitaschar ausge­setzt hat.«

Fartuloon gelang es, sich zu entspannen. Aber Ischtar schaffte es noch nicht. Sie kau­erte verkrampft im Sitz des Gleiters, den Corpkor jetzt in die Richtung des Flußdeltas steuerte.

»Bist du sicher?« fragte Ischtar tonlos. »Vollkommen sicher!« erwiderte Corp­

kor. »Du warst in meinem Schiff?« fragte sie

weiter. Ihre Augen bettelten förmlich um ei­ne Lüge. Sie schien genau zu ahnen, was Corpkor sagen würde.

»Ja.« »Und, wie sieht es aus?« Corpkor hob die Schultern und wich, in­

dem er die Maschine ruckartig durchsacken ließ, einem der großen Vögel aus, der frontal angriff, weil er den Gleiter für ein Lebewe­sen halten mußte.

»Das Schiff, einschließlich der Beiboote, ist ein Wrack. Der Gleiter, in dem wir sit­zen, war alles, was ich finden konnte. Licht und Innenversorgung funktionierten, wenig­stens in den Räumen, in denen ich war. Aber ich glaube nicht, daß wir mit diesem Schiff starten können.«

Fartuloon schob den Strahler in den Gür­tel und knurrte angriffslustig:

»Dann starten wir mit dem Schiff des Jä­gers. Nachdem wir Eiskralle geholt und Hai­taschar begraben haben.«

»Auch das wird nicht gehen. Ich habe wichtige Elemente zerstört. Aber sie sind zu reparieren.«

Ischtar schüttelte den Kopf und sagte dann vorwurfsvoll:

»Du bist ein Narr. Hoffentlich haben wir noch eine Chance. Wenn wir es nicht mehr benutzen können …«

Sie ließ den Satz unbeendet und schwieg. Der Gleiter raste über die Geröllebene und näherte sich dem abgestürzten Schiff. Kurz bevor sie es erreichten, tauchte der untere Rand der riesigen, roten Sonne in den Hori­zont ein.

»Nicht in unser Schiff, Corpkor! Wir stel­

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len den Jäger! Er muß uns helfen, ob er will oder nicht. Zu seinem Schiff, ja?«

Corpkor nickte. Er wandte sich halb um und schnalzte zu dem Hund nach hinten:

Du wirst ins Schiff deines Partners ein­dringen und ihn davon abhalten, uns zu tö­ten. Wir sind seine Brüder, und Brüder brin­gen sich gegenseitig nicht um. Versprochen?

Versprochen. Ja! schnalzte Mottizzer zu­rück. Fassungslos, obwohl sie Corpkors Fä­higkeiten längst kannten, sahen und hörten der Bauchaufschneider und die Goldene Göttin zu. Fassungslos deswegen, weil Cor­pkor ihnen bisher immer nur Proben seines Könnens mit seinen Tieren gegeben hatte, nicht mit fremden Wesen, die er kaum einen halben Tag kannte.

Der Gleiter sackte tiefer und wurde dann dicht über dem Boden auf den Fuß des Var­ganenschiffs zugesteuert, und er setzte ge­räuschlos neben der Rampe auf. Der Gleiter des Jägers stand bereits hier. Das geöffnete Gitter zeigte, daß sich der Unsterbliche im Schiff befand.

Los! Halte dein Versprechen! schnalzte Corpkor und klopfte Mottizzer voller Freundschaft auf den Rücken.

Die Freunde zogen die Waffen und mach­ten sich bereit. Der Hund knurrte auf und entfernte sich mit weiten Sprüngen die Ram­pe aufwärts und verschwand im Schiff. Se­kunden vergingen, aus der stählernen Gruft vor ihnen kam nicht ein einziges Geräusch.

Sie betraten die Bodenschleuse.

8.

Rebellion bedeutet Tod. Verlassen der Eisigen Sphäre in die andere Dimension ist Verrat. Verrat kann nur mit Tod gesühnt werden.

Gebote für Bewohner der Eisigen Sphäre

An den Spuren hatte er gesehen, daß je­mand eingedrungen war. Aber Mantraroggin warf seine langläufige Waffe in einen Win­kel und ging so vor, wie er es während der

Hans Kneifel

Jagdunterbrechung geplant hatte. Der Start war nicht wichtig. Wichtiger war es, andere Jäger und seine

Freunde herbeizurufen. Er bog ab und rannte in die Funkabteilung. Mit fliegenden Fin­gern kippte er die Schalter, die Lampen und Kontrollen leuchteten auf.

Endlich leuchtete auch die Skala auf, die ihm bewies, daß Funkkontakt mit der Hei­mat bestand. Er bog das Mikrophon herunter und begann zu sprechen.

Er schilderte, wo er sich befand. Dann gab er die Kennzeichen des Gebie­

tes durch, in dem sein Schiff stand. Er be­richtete, was geschehen war, und daß er sei­ne Jagd hatte unterbrechen müssen. Die Jag­dopfer hatten sich unerwartet hart gewehrt.

Er bat um schnelle Hilfe und sicherte ein einmaliges Jagdvergnügen zu. Eine Jagd, die bereits eine Rebellin getötet hatte. Und die Jagd auf die zweite Rebellin mit ihren exoti­schen Freunden würde vielversprechend sein. Er ließ sich nicht unterbrechen, bis aus dem Lautsprecher die Frage kam:

»Wie eilig ist es?« Mantraroggin dachte an den brennenden

Dschungel und an den Mann, der einen Glei­ter besaß, dann sagte er scharf:

»Es ist sehr eilig. Es kann sein, daß der Jäger Mantraroggin in echte Gefahr gerät!«

»Verstanden …« Hinter ihm gab es ein dumpfes Geräusch.

Er drehte sich herum und griff nach dem Re­volver, der idealen Nahkampfwaffe. Aber es war nur der Hund, der aus dem Hauptkorri­dor hervorsprang und sich ihm etwas langsa­mer näherte. Mantraroggin sah, daß das Tier Brandwunden hatte und irgendwie verstört wirkte. Dann fiel ihm plötzlich ein, daß der Hund eben noch dort im brennenden Dschungel auf ihn losgesprungen war – das konnte nur eines bedeuten.

Sind die anderen vor dem Schiff? schnalz­te Mantraroggin aufgeregt, drückte den Hund zur Seite und entsicherte die Waffe. Er schob sich vorsichtig aus dem Funkraum und spähte in den Gang hinein. Er sah und hörte nichts.

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Sie suchen dich. Mantraroggin zuckte zusammen. Sie hat­

ten also das Schiff erreicht. Seiner Rech­nung nach waren es drei Leute. Die Varga­nin, der Mann mit dem abgenutzten Har­nisch und der Weißhaarige mit den Narben im Gesicht. Er wirkte am gefährlichsten.

Ich werde sie also im Schiff erlegen! er­klärte der Vargane und trat in den Gang hin­aus. Er hatte noch das Rauschen der Statik im Ohr, als er das Tappen der Pfoten hörte. Der Hund sprang zögernd hoch und schnappte spielerisch nach dem Unterarm.

Zurück! schnalzte der Jäger scharf. Nicht töten! Der Unsterbliche riß seinen Arm hoch.

Der Stoff des Ärmels riß auf. Der Hund knurrte auf und sprang jetzt gezielt und hö­her. Seine Kiefer schlossen sich dicht über dem Handgelenk des Mannes. Die Waffe blieb in seiner Faust, aber er sprang zurück, schleppte den auf den Hinterpfoten tänzeln-den Hund mit sich und schlug mit den Schultern gegen die Wand.

»Bist du wahnsinnig geworden, du Tier?« schrie der Vargane auf. Es war ein herri­scher Schrei der Wut, aber die geschulten Ohren des Tieres hörten Angst heraus. Aber auch den Wunsch, das dringende Verlangen, die Fremden zu töten und sich von ihm nicht eine Sekunde lang aufhalten zu lassen.

Loslassen! Nicht töten. Freunde! Brüder! Ich habe andere Waffen. Ich bin der

Herr! Nicht töten.

Mantraroggin behielt die Waffe in der Hand. Die andere Hand fuhr blitzschnell zum Gürtel und riß das Messer aus der Scheide. Dann stach er dem Hund in den Hals, nur zwei Finger tief. Es sollte eine schmerzhafte Strafe sein.

Mottizzer öffnete für einen Sekunden­bruchteil seinen harten Biß, zuckte zurück und wieder vor und biß zu. Die scharfen Zähne gruben sich tief in die Handknochen und ins Gelenk. Mantraroggin schrie auf, das Messer beschrieb einen aufblitzenden

Halbkreis und landete tief im Schulterblatt des Hundes. Dort krachte es hart auf einen Knochen. Der Biß verstärkte sich; ein wahn­sinniger Schmerz fuhr dem Varganen durch den Arm bis tief den Rücken hinunter. Dann sprang der blutende Hund zurück, heulte auf und warf sich ein zweitesmal auf seinen Herrn.

Zurück! Das Knurren des Jagdtiers war jetzt haß­

erfüllt, kurz und hell. Ein Laut, den Mantra­roggin so selten gehört hatte, daß er ihn miß­deuten mußte. Die Masse des Tieres war schnell und groß. Sie prallte gegen die Knie des Varganen, brachten ihn zum Stolpern. Als er rückwärts taumelte und versuchte, stöhnend den furchtbaren Schmerz in seiner Hand zu unterdrücken, polterte die Waffe zu Boden. Gleichzeitig packte der Hund die Hose, biß scharf zu und riß an dem Bein. Krachend fiel Mantraroggin auf den Rücken, sein Kopf schlug dröhnend auf den Belag. Im gleichen Augenblick sah er am Ende des Korridors einen hellen Blitz – der Mann mit dem Messingpanzer kam um die Biegung.

Mottizzer, blutverschmiert und wahnsin­nig vor Wut, sprang nach vorn und landete mit allen vier Gliedmaßen auf der Brust des Varganen. Der Aufprall trieb die Luft aus den Lungen. Dann drehte der Hund Kopf und Oberkörper, öffnete den Rachen und schlug sein Gebiß in den ungeschützten Hals des Mannes.

Die Hand mit dem Messer zuckte in ei­nem letzten Reflex herum, die Waffe bohrte sich tief in den Körper des Hundes. Dann bäumte sich der Sterbende auf, schleuderte den Hundekörper hoch. Blut schoß in seine Luftröhre, und Mantraroggin starb genau in der Sekunde, als sein Körper durch einen Hustenanfall reagierte.

Die angespannten Muskeln erschlafften, die Finger lösten sich vom Griff des Mes­sers, der Arm fiel herunter.

Mottizzer! Zurück! Hinter Fartuloon kam der Tiermeister her­

angerannt. Er sah, was geschehen war und riß den Hund am Halsband von dem Toten

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40

zurück. Mottizzer heulte und winselte, dreh­te sich herum, krümmte seinen Körper zu­sammen und begann, die Wunden zu lecken, aus denen noch immer Blut lief.

Fartuloon kniete sich neben den Varga­nen, faßte nach Puls, suchte den Herzschlag und erklärte, als Corpkor mit dem Hund ein Stück den Korridor abwärts gegangen war:

»Der Jäger ist tot. Seid ihr beide sicher, daß es der einzige war?«

»Vollkommen sicher«, rief Corpkor zu­rück und hob die Hand, als Ischtar die Waffe auf den Hund richtete.

»Er ist verletzt. Wir brauchen ihn noch. Haitaschar und Eiskralle.«

Sein Blick, mit dem er die Varganin be­dachte, hielt sie auf und verhinderte eine scharfe Antwort.

Corpkor überlegte nicht lange. Er sagte, sich an Fartuloon wendend:

»Helft mir suchen. In diesem Schiff muß es einen Raum geben, in dem ich den Hund versorgen kann. Wir werden Eiskralle nie­mals ohne ihn finden. Ich fürchte, du mußt mir helfen, Bauchaufschneider.«

»Einverstanden. Siehst du dich im Schiff um, Ischtar?«

»Ich habe keine andere Wahl.« Corpkor bettete den Hund in eine Ecke,

sprach auf ihn ein und streichelte ihn immer wieder. Er beruhigte ihn und richtete sich auf. Die beiden anderen suchten nach einem Lazarettraum oder einer ähnlichen Einrich­tung. Corpkor rannte durch die Korridore, riß Türen und Schotte auf und fand schließ­lich eine halbrobotische Zelle, die für die Versorgung humanoider Organismen einge­richtet war. Er rannte zurück und schleppte den Hund auf den Untersuchungstisch.

Eine Nadel senkte sich, durchbohrte das Fell und betäubte zuerst die Stelle, in der das Messer steckte. Die Maschinen und Corp­kor, zu dem dann noch Fartuloon kam, küm­merten sich um das Tier.

Nach einer Stunde sagte Fartuloon: »Ich kam dazu, als Ischtar den Steuer­

raum betrat. Sie liebt dich seither nicht gera­de.«

Hans Kneifel

»Ich kann es verstehen.« Guter Bruder, schnalzte Mottizzer.

*

Während im Schiff des Jägers die Steuer­segmente vernichtet waren, funktionierte in Ischtars Schiff noch vieles von der Innenver­sorgung. Aber durch die Deformierung der Außenhülle waren nicht nur die Beiboote zerschmettert, sondern auch die eigentlichen Schiffsantriebe derart geschädigt worden, daß ein Start unmöglich war.

Ischtar hatte sich drei Stunden lang von ihren Maschinen und den Einrichtungen der Sanitärzellen massieren und waschen, ver­schönern und anziehen lassen. Wie immer sah sie blendend aus, aber ihr Gesicht war eine Maske der Unzufriedenheit und des Mißmuts.

»Deine Idee, das andere Schiff zu verwü­sten, war nicht besonders gut, fürchte ich.«

Corpkor warf einen Blick auf den Hund, der mit einigen Spezialverbänden versehen, satt und erschöpft in einem Sessel zusam­mengerollt lag und unruhig schlief. Dann er­widerte der Tiermeister:

»Jedenfalls konnte der Vargane nicht star­ten. Ich habe nicht geplant, daß der Hund ihn tötet. Das war eindeutig eine animali­sche Übersprungreaktion. Was sollen wir streiten, Ischtar?«

Sie alle waren erschöpft. Das Schiff hatte sie zwar mit Nahrungsmitteln und Wundver­bänden, mit neuer Kleidung und den Seg­nungen der Hygiene versorgt, aber ihre Ge­danken konnte die Versorgungsapparatur nicht abschalten. Es war mitten in der Nacht, wie eingeschaltete Bildschirme deutlich er­kennen ließen.

»Nein! Keinen Streit!« erklärte Fartuloon. Sein Harnisch, von den Robotern poliert, leuchtete strahlend, aber schon morgen wür­de er wieder oxydiert sein. »Ich habe im Schiff Mantraroggins die Funkanlage ausge­schaltet. Es kann sein, daß er nach Hilfe rief, bevor er starb.«

»Wir sollten ausschlafen und beim ersten

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Sonnenstrahl Eiskralle suchen!« meinte Ischtar. »Abfinden müssen wir uns wohl da­mit, daß Haitaschar tot ist.«

»Mottizzer hat es deutlich genug geschil­dert. Sie fanden nur noch das Gerippe unse­rer Freundin!«

Sie hatten gegessen und getrunken und fühlten jetzt, wie sich die Müdigkeit in den Körpern ausbreitete. Es war sinnlos, in der Nacht mit zwei Gleitern den Dschungel ab­suchen zu wollen. Es würde die Überleben­den gefährden und Eiskralle nicht helfen. Sie hatten sich darüber unterhalten und so entschieden. Eiskralle mit seiner Begabung und einem Strahler ausgerüstet – er würde auch überleben.

»Ich frage mich nur«, begann Fartuloon langsam und gähnte, »woher ihr alle so ge­nau wißt, daß wir uns auf einer Welt im Mi­krokosmos befinden?«

Ischtar hob die Hand und erwiderte: »Ich bin nicht ganz unerfahren darin. Er­

innert euch an die Vorbereitungen, die zu treffen waren. Es ist nicht anders möglich, die Eisige Sphäre zu erreichen. Du hast mit dem Hund gesprochen, Corpkor. Was hast du erfahren?«

Der Tiermeister senkte den Kopf. »Der Jäger und sein Hund, sie sind aus

Yarden gekommen.« Der Bauchaufschneider nickte. Er stand

auf, hielt sich an der Lehne des Sessels fest und sagte:

»Ich starte morgen beim ersten Sonnen­strahl. Von Corpkor werden wir erfahren, an welcher Stelle des Regenwalds wir Eiskralle zu suchen haben.«

»Ich muß warten, bis der Hund sein inne­res Gleichgewicht wiedergefunden hat!« er­klärte Corpkor.

Sie gingen auseinander, suchten ihr Kabi­nen auf und schliefen schnell ein. Sie wür­den morgen, wenn sie ausgeschlafen waren, das andere Schiff untersuchen und mit der Reparatur beginnen. Sie glaubten, keine Ge­fangenen dieses Planeten zu sein.

*

Seit einem Tag starb der Chretkor tausend verschiedene Tode. Aber da Eiskralle keinen hatte, mit dem er reden konnte, blieb ihm nichts anderes übrig, als zu überleben.

Er hatte nicht gewagt, eine der prallen Früchte zu essen, die an den Zweigen hin­gen. Er fürchtete sich vor einer Vergiftung und einem qualvollen Tod.

Er riskierte es nicht, die Beeren zu essen, die er fand. Aber auf seinem langsamen Weg nach Osten hatte er ein Tier geschos­sen, das so groß war wie er selbst. Er hatte ein Stück Fleisch mit Hilfe des Strahlers aus dem Schenkel herausgeschnitten und ge­röstet. Es schmeckte sonderbar fad und war zäh, aber es hatte den würgenden Hunger ausgeschaltet.

Wo war Fartuloon? Suchten sie ihn? Waren sie tot? Das kri­

stallin wirkende Wesen sagte sich, daß die anderen, falls sie überlebt hatten, sich alle diejenigen Fragen stellen würden, die auch er sich stellte.

Aber er mußte aus diesem feuchten, trie­fenden Wald hinaus!

Langsam ging er weiter. Die Sonne würde genau dort aufgehen, wohin er jetzt blickte. Der Wald war dunkel, aber voller Lärm, der von den Zweigen gellte und ihn umgab wie eine Mauer. Tausende von kleinen Tieren, Vögeln und unsichtbaren Lebewesen schri­en, sprangen von Ast zu Ast, raschelten in den nassen Büschen und flatterten hin und her, als hätten sie panische Furcht vor ihm.

Ein Baumstamm lag auf dem Weg Eis­kralles. Er hob mit der rechten Hand die Waffe und sah sich wachsam um. Er glaub­te, in diesem Dschungel ertrinken oder er­sticken zu müssen.

Diesmal gab es kein Raubtier, das ihn an­fiel und töten wollte. Die Berührung mit sei­nen Krallen hatte die Bestie zu bröckelndem Eis verwandelt. Der Stamm bildete eine Bar­riere. Wenn er sie umging, konnte es sein, daß er von der Geraden abkam, die er ge­stern abend ausgemessen hatte.

Immer nach zwanzig Schritten orientierte er sich neu. Er wanderte von Ziel zu Ziel,

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die er vorher festgelegt hatte. So ermöglich­te er es, daß sein Weg annähernd gerade ver­lief.

»Ich wünschte, Fartuloon wäre hier. Oder wenigstens Corpkor!« stöhnte er auf und verwünschte diese verzweifelte Suche nach dem jungen Kristallprinzen.

Er blieb vor dem modernden Stamm ste­hen.

Der umgestürzte Baumriese war fast dop­pelt so hoch wie er selbst. Eiskralle hob fata­listisch die Schultern und streckte dann den dünnen, langen Arm aus. Seine Finger krall­ten sich in die morsche Rinde.

Das Wesen konzentrierte sich schweigend und wandte mehr als die normale Energie auf, die es sonst brauchte. Aber plötzlich verwandelte sich das Holz in Eis, verströmte Kälte, begann knisternd zu platzen und be­schlug sich mit Reif. Eiskralle löste seinen Griff, trat zurück und stieß mit seinem Stie­fel gegen den Baum.

Krachend und klirrend barst der Baum an dieser Stelle.

Das Holz zerbrach in winzige kristallene Würfel. Ein Schauer von Flocken umgab Eiskralle, der mit einem Sprung durch die Lücke rannte und sich umdrehte. Der Ein­schnitt paßte genau in die anderen drei, im Halbdunkel noch sichtbaren Markierungen. Sie lagen genau in einer Linie.

Zufrieden brummte Eiskralle auf und ging weiter.

Er würde, wenn sie ihn suchten, ebenso gut hier gefunden werden wie an der Lich­tung, an der er sich selbst wiedergefunden hatte, betäubt und ohne Verständnis für die Umgebung und das, was geschehen war. Und Fartuloon konnte mühelos die Spur deuten, die er hinterlassen hatte.

Eine Stunde lang marschierte Eiskralle auf diese Weise durch den Dschungel, ehe er weit vor sich, zwischen dem Wall der Stäm­me, die ersten Sonnenstrahlen sah.

»Tatsächlich! Sie scheint mir genau ins Gesicht!« schrie er auf, erstaunt über seine Leistung. Aber dort draußen war vermutlich eine Steppe oder gar das Meer. Er würde

Hans Kneifel

schmelzen! Oder ertrinken! Weiter! machte er sich Mut. Jetzt brauchte Eiskralle keine Wegweiser

und Wegmarken mehr. Dort draußen gab es für ihn wenigstens die Chance, etwas mehr von dem Planeten zu sehen, auf den es ihn verschlagen hatte.

Er blieb stehen, als er merkte, daß er einen kleinen Hügel erreicht hatte. Es war nur eine unwichtige Erhebung, aber jetzt konnte er zwischen den letzten Baumstäm­men hindurch und über die kräftigen Büsche hinwegsehen … er registrierte unmittelbar darauf, daß es um ihn herum ganz still ge­worden war. Nichts war zu hören, nur die Geräusche, mit denen sich die Bäume fast unmerklich aneinander rieben.

Dort vorn waren Licht, Sand, Helligkeit. Also eine Wüste.

Er stolperte den winzigen Abhang hinun­ter, schob sich durch die Mauer aus grünen Blättern und ging auf den schmalen Streifen hinaus, der den Wald vom Sand trennte. Hier gab es nur Moose und Gräser und ver­krüppelte Pflanzen. Ein Skelett lag, in Teile zerrissen, zehn Schritte von ihm halb im Sand. Die Wüste schien zu wandern und langsam in den Wald vorzudringen.

Zögernd ging Eiskralle zehn, fünfzehn, zwanzig Schritte in die blendende Hellig­keit. Die Sonne stand als Halbkugel hinter der Linie des fernen Horizonts. Er sah nicht, was dort lag.

Rechts und links – der Waldrand, der in wellenförmigen Ein- und Ausbuchtungen verlief. Eine langgestreckte, mit Geröll durchsetzte Wüste lag unmittelbar vor ihm.

Über sich hörte er ein rauschendes Flat­tern. Es klang, als ob Papier aneinanderge­rieben würde.

Eiskralle riß den Kopf hoch, blickte aus seinen großen Augen in den wolkenlosen Himmel und sah die riesige Flugechse erst, als ihn ihre Krallen um die Hüften packten.

»Nein!« schrie er auf, ließ die Waffe fal­len und griff zu.

Seine tödliche Energie erfaßte das Tier mitten in der Bewegung, mit der es sich mit­

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43 Jagdplanet des Unsterblichen

samt der Beute wieder hochschwingen woll­te. Die Flugechse, groß wie ein Beiboot, ver­wandelte sich mitten im Steigflug in Eis und löste sich auf. In einem Hagel von Kristal­len, umgeben von eisiger Kälte, wurde Eis­kralle nach oben gerissen, dann nach vorn geschleudert und kam frei. Er krümmte sei­nen Körper noch in der Luft zusammen und schlug dann in den Sand wie ein Ball. So rollte er auch, sich immer wieder überschla­gend, durch ein Stück der Wüste und kam halb benommen an einem großen Stein zum Stillstand.

»Verdammt!« murmelte er. Er löste die Griffe um seine Knie und die Unterschenkel und blickte hoch. Da erst sah er den Schwarm der sandfarbenen, spitzschnabeli­gen Gleiterechsen, die den Aufwind des Morgens ausnutzten und in der Thermiksäu­le über dem Waldrand schwebten.

Sie hatten nicht auf ihn gelauert, aber jetzt sahen sie ihn und mußten ihn als Beute iden­tifizieren.

Drei Echsen lösten sich aus der Strömung und glitten langsam heran. Die erste beäugte ihn, stieß ein zischendes Geräusch aus und flatterte dann wieder in die Höhe. Sie flog eine halsbrecherisch enge Kurve und setzte dann zum zweiten Angriff an. Eiskralle ver­wünschte den Entschluß, den schützenden Dschungel verlassen zu haben und rannte, dem zweiten Tier nur durch einen riesigen Satz ausweichend, auf den Strahler zu. Als er ihn in den Fingern hielt, bekam er von der Schwinge oder dem langen Steuerschwanz der dritten Echse einen Schlag, der ihn von den Beinen riß, mehrere Meter seitwärts schleuderte und betäubte. Er lag auf dem Rücken, starrte in das fahle Blau des Mor­genhimmels und hob mit zitternden Fingern den Strahler.

Als die erste Echse sich mit aufgerisse­nem Schnabel und weit gespreizten Krallen auf ihn stürzte, begann er Schuß um Schuß aus der Projektormündung zu jagen.

9.

Zum Teufel mit der Langzeitplanung! Un­sere Aufgabe ist, erst einmal zu überleben! Alles andere kommt später!

Fartuloon – Ausspruch

Nur noch ein länglicher Haufen feuchter Erde und die Werkzeuge ließen erkennen, daß sie hier gearbeitet hatten. Ächzend ließ Fartuloon den riesigen, moosbedeckten Stein nieder und richtete sich schwitzend wieder auf.

»Haitaschar könnte noch leben, wenn es diesen wahnsinnigen Jäger nicht gegeben hätte!« sagte er überraschend ruhig. Ischtar wußte, daß zwischen der Varganin und dem Bauchaufschneider so etwas wie eine enge Freundschaft entstanden war. Trotz der kur­zen Zeit, die Haitaschar an Bord gewesen war.

Du hast recht gehabt, Mottizzer, schnalzte Corpkor leise und traurig. Auf seine wort­karge, düstere Weise hatte er die Varganin ebenso gemocht.

Ich weiß es. Es war die zweite Frau, gab der Hund zurück.

Ischtar hob die Schaufel auf und sah nacheinander die beiden Männer an, dann den Hund. Das Tier war noch geschwächt. Es hechelte ununterbrochen, als habe es Fie­ber, und die schlanken Läufe zitterten.

»Gehen wir. Suchen wir den Gläsernen!« sagte sie.

Die Gleiterfahrt hatte sie auf dem kürze­sten Weg hierher gebracht. Mottizzer hatte sie geführt. Sie hatten das Gerippe anhand eines Schmuckstücks identifiziert und eine flache Grube ausgehoben. Jetzt lag Haita­schar auf dieser fremden Welt im Mikrokos­mos, von der sie nicht einmal den Namen gewußt hatte: Xermatock.

Nicht weit! schnalzte Mottizzer. Corpkor schulterte ebenfalls sein Werk­

zeug und ging hinüber zum Gleiter. Er warf die Schaufel auf die Ladefläche und öffnete die Türen.

»Ich kann mir nicht helfen«, sagte er laut. Seine Stimme war rauh und dunkel, ein Zei­

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chen seiner Erregung. »Aber ich bin unru­hig. Ich glaube, wir sind in Gefahr. Fragt mich nicht, warum ich das glaube, aber es ist so.«

Ischtar und Fartuloon sahen sich kurz an. Die Blicke waren sehr ernst. Dann gingen sie die wenigen Schritte zu der Maschine. Der Hund folgte ihnen und kletterte mühsam auf die hinteren Sitze.

Summend erwachten die Maschinen. Die Türen schoben sich zu, und die Goldene Göttin warf einen letzten, schweigenden Blick auf das primitive Grab. In wenigen Wochen vom Dschungel überwuchert.

»Wohin?« fragte Fartuloon von der Steue­rung her.

Führe uns zu der Stelle, an der unser Freund lag! schnalzte Corpkor und sah den Hund an.

Zurück in Wüste! Der Gleiter stieg schräg über die Baum­

wipfel, schwebte nach Osten, in die aufge­hende Sonne und bog dann nach Norden ab, als die Wüste erreicht war. Fartuloon warf einen Blick nach vorn, hob die Hand schüt­zend vor die Augen.

»Und jetzt?« Corpkor »sprach« mit Mottizzer und gab

die Richtung an. Der Hund hatte sich auf dem vorhergehenden Flug mit Mantraroggin nach dem Rand der Wüste und anderen Ge­ländemerkmalen orientiert. Der Gleiter raste mit Höchstgeschwindigkeit nach Norden, Fartuloon blieb rund fünfzig Meter über dem Boden und zog jetzt, als das Licht unerträg­lich hell wurde, die Sonnenbrille aus einer seiner Taschen. Er setzte sie auf und hörte, wie Corpkor sagte:

»Hinter den Felsen nach rechts abbiegen. Drei große Bäume, einer davon ohne Blätter, mit weißen, abgestorbenen Ästen.«

»Verstanden!« sagte der Bauchaufschnei­der. Er hatte zugehört, wie der Hund und der Tiermeister sich mit schnalzenden, knurren­den und brummenden Lauten unterhalten hatten.

Sekunden später, als er eben die Kurve einleiten wollte, riß Ischtar neben ihm den

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Arm hoch und deutete nach vor. »Halt! Vorsicht! Dort gibt es etwas …

diese Vögel!« Fartuloon sah in die angegebene Rich­

tung. Vor der dunklen Kulisse des Wald­rands sah er einen Schwarm riesiger Gestal­ten mit heftig flatternden Schwingen. Er identifizierte sie sofort als Schwebesaurier. Riesige, sandfarbene Gestalten, die immer wieder in die Thermikströme hineinschos­sen, sich in engen Spiralen aufwärts tragen ließen und dann schräg nach unten rasten. Dort schienen sie eine Beute zu sehen.

Fartuloon schob die Brille in die Stirn, verlangsamte den Gleiter und starrte dorthin.

»Sie jagen etwas!« entfuhr es ihm. Er steuerte den Gleiter geradeaus, auf den

fraglichen Punkt zu. Mit einem Ruck raste die Maschine los und näherte sich dem Ziel. Neben dem Piloten keuchte Ischtar auf.

»Es ist Eiskralle!« Im selben Moment sahen Corpkor und

Fartuloon die durchsichtige Gestalt, die dort um ihr Leben kämpfte. Eiskralle setzte beide Waffen ein, die er hatte, und er wehrte sich mit der verbissenen Schnelligkeit dessen, der genau wußte, daß er in tödlicher Gefahr steckte.

»Tatsächlich«, murmelte Corpkor und entsicherte mit scharfem Knacken seine Zweihandwaffe, »es ist Eiskralle. Wir kom­men nicht zu spät.«

»Los! Wir greifen ein!« schrie Fartuloon. »Festhalten!«

Er steuerte tiefer, der Gleiter steigerte abermals seine Geschwindigkeit und raste auf einen Saurier zu, der sich auf Eiskralle stürzte. Der Kleine feuerte auf das Tier, traf eine Schwinge, die sofort in Flammen auf­ging. Das abstürzende Tier wurde von der Schnauze und dem Kiel des Gleiters ge­rammt und krachte mit zerbrochenen Röh­renknochen zu Boden. Corpkor ließ ein Fen­ster herunter und gab einen Feuerstoß auf zwei andere Schweber ab, die sich vom Waldrand her näherten. Dann raste der Glei­ter durch einen Schwarm hindurch und wen­dete über der Geröllwüste.

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45 Jagdplanet des Unsterblichen

»Ich setze.ihn ab!« schrie Fartuloon. Der Hund gebärdete sich im Augenblick wie ra­send. Er knurrte, biß wütend in die Luft und heulte laut auf.

Der Gleiter näherte sich dem Boden, wur­de hart abgebremst und landete in einer lan­gen Sandwolke. Er kam fast direkt neben Eiskralle zum Stehen. Der Freund warf sich eben zur Seite und packte den Fuß eines Sauriers, der ihn eben überfallen wollte.

Das Tier löste sich in einem Regen von Eiskristallen auf. Kälte umgab wabernd den Gleiter, dessen Türen aufzischten. Fartuloon griff nach dem Skarg, Corpkor sprang mit feuerspeiender Waffe ins Freie, und der Hund hechtete schräg über Ischtars Kopf hinweg nach draußen. Er rannte bellend auf einen Saurier zu, der sich mit einer Schwin­ge, einer Klaue und dem langen Schnabel im Sand aufstützte und versuchte, davonzukrie­chen. Der andere Flügel schleifte in einem merkwürdigen Winkel nach.

Dröhnend und fauchend peitschten die Strahlschüsse auf.

»Hierher, Eiskralle!« schrie der Bauch­aufschneider. »In den Gleiter!«

Ein Saurier kam heran und starb im Kreuzfeuer Ischtars und des Tiermeisters. Zwei weitere lösten sich an einem genau be­rechneten Punkt aus der Thermiksäule und kamen rasend schnell, mit steif nach hinten geklappten Schwingen, vorgerecktem Lan­zenschnabel und den wie Stahl funkelnden Krallen auf die Gruppe zu. Eiskralle ging langsam rückwärts und gab einen Schuß nach dem anderen ab. Obwohl die dünnen Flughäute der Saurier von Brandlöchern per­foriert waren, unterbrachen die Tiere ihre Angriffe nicht.

Vier Waffen feuerten schräg nach oben. Es stank nach Ozon, nach brennendem

Fleisch und dem Eigengeruch, den die getö­teten Saurier verbreiteten. Jetzt berührte Eis­kralle den Gleiter, tastete hinter sich und fand den Einstieg.

»Kommt her!« rief er. »Ich schmelze in der Hitze! Ich löse mich auf! Bringt mich in die Nähe einer Klimaanlage!«

»Schon gut. Wir müssen nur einen ehren­vollen Rückzug finden!« lachte Fartuloon auf.

Er war unendlich erleichtert, daß Eiskralle noch lebte und keinen sichtbaren Schaden genommen hatte.

»Corpkor! Ischtar! Zurück zum Gleiter!« donnerte er. Vor ihnen schlugen die tödlich getroffenen Saurier in den Sand ein. Sie stie­ßen jämmerlich fauchende Laute aus.

»Mottizzer!« schrie Corpkor plötzlich gel­lend.

Der Hund hatte sich auf den verwundeten Saurier geworfen. Die Zähne des Jagdtiers bohrten sich in den ledrigen Hals, der Hund schüttelte den Kopf hin und her. Bei fast je­der Bewegung versetzte ihm der lange, halt­los pendelnde Schnabel einen krachenden Hieb. Dann bäumte sich der Schwebesaurier ein letztesmal auf, riß tiefe Furchen in den Sand und erschlaffte.

Mottizzer ließ von seinem Opfer ab und kam auf die Gruppe zugehinkt.

Aber auf halbem Weg – während sich Fartuloon und Ischtar bückten, um die Kabi­ne des Gleiters zu entern – schossen zwei verwundete Saurier auf ihn zu. Ihre Schwin­gen waren von Schüssen zerfetzt. Halb vor Gier, halb deswegen, weil sie nicht mehr steuern konnten, rasten die Tiere auf den langsam laufenden Hund zu. Der Schnabel des ersten Sauriers, wie ein Speer vorge­streckt, durchbohrte Mottizzers Bauch und nagelte das Tier förmlich in den Sand. Beim Aufprall brach der Saurier seinen Hals, und die Krallen des anderen, der mit dem Körper des toten Tieres zusammenstieß, zerrissen den Hund.

Corpkor war hilflos. In das aufsteigende Geheul des Hundes hinein feuerte er unun­terbrochen in die Masse der drei Körper hin­ein. Er hüllte sie in eine Feuerkugel ein. Das Heulen riß ab, die Zuckungen der Agonie hörten auf. An der Stelle erhob sich eine große, fette Säule schwarzen Qualms.

»Vorbei! Mottizzer ist tot!« fluchte der Tiermeister und hastete zurück zum Gleiter. Die Tür an seiner Seite schloß sich, und au­

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genblicklich startete Fartuloon die Maschi­ne.

Zuerst versuchten einige Saurier, die Ma­schine zu verfolgen, aber sie strichen ent­täuscht ab, als sie ihren Auftrieb verloren und wieder in die Richtung des Waldes mußten.

Nach einer Weile rasenden Fluges sagte der Bauchaufschneider mit erzwungener Ru­he:

»Bis auf die Haitaschar … wir sind wie­der zusammen. Wie fühlst du dich, Eiskral­le?«

»Nicht schlecht. Aber auch nicht gut. Wo sind wir? Ich habe tausend Fragen!«

»Von denen«, erklärte Ischtar unruhig, »wir dir höchstens fünfzig beantworten kön­nen. Jedenfalls besitzen wir zwei unbrauch­bare Raumschiffe.«

»Ich sage, wir können das Schiff des Jä­gers wieder instand setzen!« rief Corpkor. »Es dauert höchstens ein paar Tage!«

»Ich teile deine Zuversicht nicht, Tiermei­ster!« sagte Ischtar kalt. »Bist du wirklich unverletzt, Eiskralle? Wir haben alle dassel­be Schicksal hinter uns wie du!«

»Bin unverletzt. Aber sonst! Ich hungere, ich habe Durst, und diese Wüste! Ich kann sie nicht mehr sehen!« rief Eiskralle in fast hysterischem Tonfall. Fartuloon zuckte die breiten Schultern und murmelte:

»Ich kenne deine Belastbarkeit ziemlich genau, Freund. Jedenfalls sind wir froh, daß du wieder bei uns bist.«

»Danke«, versicherte Eiskralle bissig. »Danke gleichfalls.«

»Und in der letzten Minute hat der Hund noch getötet werden müssen«, knurrte der Tiermeister niedergeschlagen. »Er hätte der Stammvater einer erstaunlichen Zucht wer­den können. Jagdhunde, die sprechen kön­nen, in dieser Größe. Ich hätte Wundertiere daraus machen können.«

Er drehte den Kopf weg und starrte nie­dergeschlagen aus dem Fenster. Der Gleiter raste zum Delta, flog eine Kurve und landete neben dem Schiff des toten varganischen Jä­gers.

Hans Kneifel

»Wir gehen gleich an die Arbeit, meine Freunde!« sagte Ischtar im Ton äußerster Entschiedenheit.

»Selbstverständlich!« Ischtar blieb neben dem Gleiter stehen

und sah sich suchend um. Sie schien, wie Corpkor, auf ein dramatisches Ereignis zu warten. Sie ahnten etwas, wußten aber nicht einmal die Richtung, aus der sich die Gefahr nähern konnte.

»Es geht nicht nur darum«, erklärte sie in versöhnlicherem Ton, »daß wir keine Mög­lichkeit haben, diesen Dschungelplaneten zu verlassen. Ich denke mir folgendes: Wenn Mantraroggin hier jagte, werden auch andere diese Jagdwelt kennen. Es sind in jedem Fall unsterbliche Varganen. Sie werden mich als Rebellin sehr schnell identifiziert haben.

Und natürlich sind wir alle für den Tod ei­nes Unsterblichen verantwortlich. Gleich­gültig, ob er an einem Giftpilz starb oder durch seinen mutierten Hund. Wir müssen fliehen. So schnell wie möglich. Ich werde aus meinem Schiff einen Reparaturrobot ho­len und Werkzeug. Schafft ihr den Toten weg, ja?«

»Gibt es hier eine Küche?« erkundigte sich Eiskralle.

Niemand achtete auf seinen Zwischenruf, und er verzog sich schmollend in das Sy­stem des Varganenschiffs.

»Du hast recht, Ischtar!« meinte Fartu­loon. »Keine Sorge, wir arbeiten so schnell es geht.«

»Das ist ja wohl völlig klar!« versicherte Corpkor. »Worauf warten wir noch?«

Fartuloon deutete nach oben. »Zuerst suchen wir Werkzeug und gege­

benenfalls Ersatzteile! Komm, Tiermeister. Wir werden alle unsere Erfahrung brau­chen.«

»Ich komme!« Nebeneinander gingen sie die Rampe hin­

auf, während Ischtar wieder in den Gleiter stieg und mit der Maschine hinüber zu dem Wrack flog, das ihr Schiff gewesen war. In der vergangenen Nacht hatte sie einen lan­gen Rundgang gemacht und feststellen müs­

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sen, daß ihre schlimmsten Befürchtungen zutrafen. Sie brauchten eine Werft, um das Doppelpyramidenschiff zu reparieren.

Während sich Eiskralle zu erholen ver­suchte, während die beiden Männer schnell, aber systematisch das Schiff durchsuchten und immer wieder Dinge fanden, die sie zu brauchen glaubten, während Ischtar ihrer­seits im Wrack nach qualifizierten Maschi­nen und benötigten Ersatzteilen suchte, be­gann sich das Licht des Morgens zu verän­dern.

Die Sonne, die immer höher stieg, wurde von einer riesigen weißen Wolke reflektiert, die aus dem Norden kam. Die Wolke ent­stand über den kaum sichtbaren Bergen, wuchs nicht nur in die Höhe, sondern nach beiden Seiten und besaß eine Stunde später die ungefähre Form einer an den Rändern ausfasernden Halbkugel. Der restliche Him­mel nahm einen bösen, schwefelgelben Glanz an.

Die Laute der Natur verstummten nach und nach.

Zuerst flüchteten sich die Vögel in ihre Nester. Sie breiteten schützend die Flügel über die Eier oder ihre Brut aus und zogen die Köpfe zwischen die Schultern. Dann verkrochen sich die kleinen Tiere. Sie ver­ließen die Wipfel der Bäume und hockten sich zu dicken Klumpen auf den untersten Ästen zusammen, wo viele die Beute größe­rer Fleischfresser wurden.

Dann, gegen Mittag, griff die Unruhe auch auf die größeren Tiere über. Sie kauer­ten sich zwischen Baum wurzeln und schlüpften unter Büsche. Die Insekten be­gannen zu schwärmen. Ungeheure Wolken von allen Arten Mücken, Wespen, Libellen und Käfern hingen wie zitternde Trauben zwischen den Pflanzen. Alle Tiere dieser Hemisphäre schienen auf ein unsagbares Er­eignis zu warten. Die Luft wurde feucht und stickig. Nicht ein winziges Lüftchen wehte. Todesstarre lag über der Landschaft.

Die weiße Wolke bedeckte jetzt schon mehr als die Hälfte des Firmaments, das sich in ein grimmiges Orange gefärbt hatte. Die

Sonne schwamm darin wie ein böses Auge von fast purpurner Farbe.

10.

Es ist Pflicht eines Henkers, niemals zu vergeben, niemals nachzulassen in der Auf­gabe, Rebellen und Abtrünnige zu bestrafen.

Magantilliken, Der Henker

Der Steuerraum war in gleißendes Licht getaucht.

Die Klimaanlage arbeitete mit höchster Intensität. Aber es war dennoch zu warm in dem großen Raum. Die Hälfte der großen Sichtschirme leuchtete bereits und zeigte das Bild des Deltas, nach Süden gesehen. Aber die Farbempfindlichkeit schien alles andere als richtig zu sein; der Himmel war orange statt blau.

»Jedenfalls ist das Zeug, das du ausgebaut hast, genau richtig, Ischtar!« sagte Corpkor und wechselte wieder ein Segment aus. Eine halbautomatische Anlage reparierte die zer­schmolzenen Steckverbindungen.

»Wir können auch mit Fehlfarben auf dem Schirm starten!« mahnte die Varganin und versuchte, die beiden Teile eines bis zur Unkenntlichkeit zerschmolzenen Kabels zu sortieren, in Verbindungen einzuführen und den Kontakt herzustellen. Zwei der zer­schossenen Geräte hatten sie bereits voll­kommen repariert – einer der Roboter hatte sich noch als brauchbar erwiesen.

»Aber nicht mit halber Sicht. Keine Sor­ge, ich bin in zwei Stunden fertig, schönste Freundin!« widersprach Corpkor. Er saß auf dem Boden, hatte rund um sich Werkzeug und Ersatzteile ausgebreitet und zwei Scheinwerfer aufgestellt, die das Innere des Schaltschranks erhellten.

»Wie weit bist du, Fartuloon?« Der Bauchaufschneider hatte das Skarg

und den Panzer abgelegt. Sein Hemd stand weit offen. Durch das Summen der Anlage, die verbrauchte Luft absaugte, murmelte er undeutlich:

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»Ich bin ein Virtuose mit dem Skalpell und allen möglichen Waffen. Aber mit Test­geräten kann ich nicht so gut umgehen.«

Er versuchte, auf dem Schaltpult die Funktionen der einzelnen Hebel, Regler und Schalter zu testen. Wieder flackerte zusätzli­che Helligkeit in den Raum. Drei weitere Einheiten des Rundumschirms erhellten sich und zeigten ein stabiles, dreidimensionales Bild.

»Nun? Beifall bitte!« sagte Corpkor. Eis­kralle kam in den Raum und schob eine Schwebeplattform mit Essen und Getränken vor sich her.

»Ich habe auch an euch gedacht!« rief er und erschrak, als er die Schirme sah. Diese Farben! Sie widerstrebten ihm. Niemand hatte jetzt Zeit zum Essen. Nach einer Weile zuckte Eiskralle die Schultern und verließ die Zentrale wieder. Noch immer fügte Isch­tar gelbe Kabel an gelbe Kabel, blaue an blaue, gerasterte an gerasterte. Die schweren Klemmen wurden, nachdem Fartuloon die Funktionen getestet hatte, von einer Maschi­ne in Isolierung vergossen. Aber das Gewirr von Drähten, Leitern und Moduln um Ischt­ar wurde kaum kleiner.

*

»Fartuloon!« Die Stimme von Eiskralle klang so alar­

mierend, daß alle drei ihre konzentrierte Ar­beit unterbrachen.

»Ja? Was gibt's?« »Ich habe etwas Wichtiges zu zeigen.

Kommst du einmal mit mir?« »Muß das sein?« Corpkor und Ischtar starrten Eiskralle ei­

ne Weile lang an, dann wandten sie sich wieder ihren Arbeiten zu.

»Ja, unbedingt.« Der Bauchaufschneider stand auf und ver­

ließ hinter Eiskralle die Schaltzentrale. Eis­kralle führte ihn wortlos aus dem Schiff und auf die Rampe hinaus. Nach zwanzig Schrit­ten blieb er stehen und sagte gepreßt:

»Ich habe Angst.«

Hans Kneifel

Fartuloon hatte zuerst das seltsame Licht wahrgenommen, dann war ihm das tödliche Schweigen aufgefallen. Und jetzt roch er diesen nicht zu definierenden Hauch, der über dem Sumpfdelta lag. Es ging nicht der geringste Windstoß. Nicht ein Grashalm be­wegte sich. Unter einem Baum mit bleichen Ästen hing ein riesiger Mückenschwarm, in dem es gärte und brodelte.

Fartuloon hob schweigend den Kopf, sah, daß die Sonne nur noch ein hellerer Fleck in einem eisigen Grau war, das den gesamten Himmel überzogen hatte. Nur im Süden gab es noch einen breiten orangefarbenen Strei­fen. Er begriff und flüsterte stockend:

»Was immer es ist – es sieht mehr als ge­fährlich aus. Ich habe auch Angst, Eiskral­le.«

Er wandte sich um und lief zurück ins Schiff. In der Zentrale flammten soeben die letzten Bildschirme auf und zeigten das ge­treue Abbild der Umgebung. Das orangefar­bene Licht strahlte in die Kabine und schuf ein unwirkliches und gespenstisches Zwie­licht.

»Freunde! Es braut sich draußen etwas zusammen. Die Farben auf den Schirmen sind absolut echt. Ich weiß nicht, was es ist, aber es sieht wie ein gewaltiger Nebel aus. Ein Nebel, der nichts Gutes verheißt. Ihr solltet selbst nachsehen.«

Langsam richteten sich Corpkor und Isch­tar auf.

»Wie?« »Geht hinaus. Außerdem ist es höllisch

schwül.« Alarmiert liefen sie hinaus. Fartuloon, der

nicht wußte, was gegen diese Naturerschei­nung unternommen werden konnte, und der nicht einmal ahnte, wie sich der Nebel entla­den oder auflösen würde, machte unruhig dort weiter, wo er aufgehört hatte. Eiskralle stand neben ihm und schaute ihm zu, ohne genau zu begreifen, was sein Freund tat. Der Bauchaufschneider wußte, daß sämtliche Öffnungen des Schiffes verschlossen und gesichert waren, vom Einstieg abgesehen. Nach einigen Minuten kamen Corpkor und

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Ischtar wieder zurück. »Gibt es eine Erklärung, Ischtar?« erkun­

digte sich Fartuloon und versuchte, die Pa­nik in ihren Gesichtern zu übersehen. Stumm schüttelte die Goldene Göttin den Kopf.

»Ich habe nicht die entfernteste Ahnung, Fartuloon!« bekannte auch der Tiermeister.

»Was können wir tun?« »Nichts.« »Warten und weiterarbeiten also?« »Was sonst?« Schließlich, als auch der letzte farbige

Streifen am südlichen Horizont verschwun­den war und diesem schauerlichen silber­grauen Nebel Platz gemacht hatte, erklärte Ischtar:

»Je eher wir starten, desto weniger brau­chen wir uns vor diesem Nebel zu fürchten.«

Irgendwann, eine halbe Stunde später vielleicht, sah Eiskralle zufällig auf die Bild­schirme. Er keuchte erschrocken auf und be­gann zu stammeln. Der Laut alarmierte die anderen. Krachend fiel ein Werkzeugkasten aus der Hand Corpkors.

»Das ist … unvorstellbar!« Aus dem Nebel erschienen fadenförmige

Dinge. Sie waren grün und etwa fingerlang. Diese Dinge fielen langsam, wie Federn, aber absolut senkrecht, aus dem Nebel. Sie regneten ab, aber nicht zwei von ihnen kleb­ten aneinander oder verhakten sich. Dort, wo sie auf das Wasser auftrafen, verwandelten sie sich in eine kleine, grüne Dampfwolke oder in Rauch, der schwer über dem Wasser lag.

»Sind es Tiere oder mineralische Substan­zen?« fragte sich Fartuloon und sah zu, wie sich auf dem Wasserlauf eine dicke Schicht bildete, die ineinander überfloß und schließ­lich eine undurchsichtige Decke bildete. Das Wasser war verdeckt.

Die grünen Fäden schienen dem Schiff nichts anhaben zu können. Sie glitten ab, und auch die Linsenelemente, von denen die Bildschirme gespeist wurden, verklebten nicht.

»Ich weiß es nicht. Aber die Effekte sind

erstaunlich!« »Der Wind muß sie aus einem anderen

Teil Xermatocks herangetragen haben!« stieß Eiskralle hervor. »Wir haben es gerade noch geschafft. Wenn wir noch im Dschun­gel gewesen wären …«

»Niemand konnte es ahnen. Sicherlich wußte es nicht einmal der tote Jäger«, sagte Ischtar leise. Fasziniert blickten die vier Freunde nach Süden. So entging ihnen, daß sich hinter dem Dauerregen der grünen Fä­den große, dunkle Schatten aus dem Nebel senkten und über dem Boden schwebten.

Auch ein anderer Effekt entging ihnen. Ein uralter Brauch eines jeden raumfah­

renden Volkes war, auf einem Planeten mit bekannt guter Atemluft die Schiffsversor­gung abzuschalten und sämtliche Aggregate auf Außenluft umzuschalten. Die organi­schen Substanzen dort draußen waren Mi­kroben, die Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate brauchten, um sich vermehren zu können. Der Vorgang, der rasend schnell ablief, be­nötigte gewaltige Mengen Sauerstoff.

Kleinere Objekte näherten sich von Nor­den dem Schiff. Sie sahen humanoid aus, aber blieben in dem dichten Regen der Fä­den so gut wie unsichtbar. Es waren Varga­nen, die bewaffnet waren und Raumanzüge trugen.

Sie landeten unterhalb des Schiffes und waren jetzt den Blicken der Freunde voll­ständig entzogen.

Plötzlich griff Fartulooon an seinen Hals und gurgelte:

»Schnell! Die Schleuse schließen! Die Luft … Gift … schnell!«

Ischtar warf sich auf das Schaltpult und drückte einige Knöpfe. Aber die zerstörten Leitungen waren nicht zu aktivieren. Mit ei­nem dumpfen Geräusch brach Corpkor über seinem Werkzeug zusammen. Er sah nicht mehr, daß der Regen der Fäden dünner wur­de und mit erstaunlicher Plötzlichkeit auf­hörte. Eiskralle war der nächste, der das Be­wußtsein verlor.

Die Mikroben vernichteten die kleinen Tiere, vermehrten sich rasend, blähten sich

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auf und starben ab. Sie verwandelten sich augenblicklich in eine. Art planetarischen Düngers. Der verbrauchte Sauerstoff wurde ersetzt, indem von außen Luft in das Gebiet des Nebels einströmte. Die Luft bewegte den Nebel und riß ihn an einigen Stellen auf.

Fartuloon brach zusammen, noch ehe die Luft wieder ihre gewohnte Konzentration er­reicht hatte. Nur Ischtar war noch bei Be­wußtsein, als eine Menge bewaffneter Män­ner in die Zentrale eindrang. Ein Anzugs­lautsprecher klickte, eine dunkle Stimme sagte:

»Ich bin Kommandant Thayntro. Nehmt sie gefangen. Wir bringen sie, wie befohlen, nach Yarden.«

Ein Untergebener fragte: »Unsterblicher, was geschieht mit dem

Schiff Mantraroggins?«

Hans Kneifel

Immer mehr riß der Nebel auf. An einigen Stellen brach Sonnenlicht durch die Risse.

»Es bleibt hier. Als sein Grabmal.« »Verstanden.« Binnen kurzer Zeit waren die vier Gefan­

genen gefesselt, auf Schwebeplattformen ge­legt und in das Flaggschiff der kleinen Flotte gebracht. Die Flotte startete in den Nebel hinein, wurde schneller und trat die Reise nach Yarden an, in die Eisige Sphäre.

Die Varganin und ihre Begleiter erwach­ten. Wieder wußten sie nicht, was geschehen war.

ENDE

E N D E