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Schlesischer Gottesfreund ISSN 1861- 9746 Verkaufspreis: 3,- Euro H 6114 64. JAHRGANG – JANUAR 2013 – NR. 1 NACHRICHTEN UND BEITRÄGE AUS DEM EVANGELISCHEN SCHLESIEN Kanzel der Friedenskirche zu Schweidnitz Foto: Michael Schmuck Beitrag S. 10 Du tust mir kund den Weg zum Leben: Vor dir ist Freude die Fülle und Wonne zu deiner Rechten ewiglich. Ps 16,11 Monatsspruch Januar 2013

jan 2013 zwischenstand - gesev.de 2013/49_jan_2013_e... · BEITRÄGE 3 Erinnerung daran, daß wir unterwegs sind irgendwo zwi-schen dem gekommenen und dem wiederkommenden Christus

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Schlesischer GottesfreundISSN 1861- 9746 Verkaufspreis: 3,- Euro H 6114

64. JAHRGANG – JANUAR 2013 – NR. 1

NACHRICHTEN UND BEITRÄGE AUS DEM EVANGELISCHEN SCHLESIEN

Kanzel der Friedenskirche zu Schweidnitz

Foto: Michael SchmuckBeitrag S. 10

Du tust mir kund den Weg zum Leben: Vor dir ist Freude die Fülle und Wonne zu deiner Rechten ewiglich.Ps 16,11Monatsspruch Januar 2013

Geistliches Wort2

Bei der Vorbereitung zu dieser Andacht habe ich michgefragt: seit wann gibt es eigentlich die Jahres-losungen? Allerlei Nachforschungen haben dann

ergeben, daß diese Einrichtung noch gar nicht so alt ist. Siewurde begonnen nach dem Ersten Weltkrieg von OttoRiethmüller (1889-1938), dem Vorsitzenden des Burck-hardthauses in Gelnhausen, und ist dann über die Jugend-arbeit (CVJM), aber auch durch die Missionswerke undFreikirchen, in der Nazizeit durch die Bekennende Kircheimmer breiter auch in den Landeskirchen und Gemeindenaufgenommen und beheimatet worden. Seit 1970 ist dieAusgabe der Jahreslosung auch in der katholischen Kirchegängige Praxis. Insofern ist die Jahreslosung inzwischeneine ökumenische Einrichtung, die durchaus nicht nur aufDeutschland beschränkt ist.

Sinn dieser Einrichtung ist: Bibellese in Gemeinschaft.Das heißt, man möchte das tägliche Lesen der Bibel einer-seits anregen, andererseits aber auch aus der individuellen

Vereinzelung herausholen; und zwar dadurch, daß es ineinen gemeinschaftlichen Rahmen hineingestellt wird.Dieser Rahmen ist dann durch die Jahres-, Monats- undTageslosung vorgegeben und geschaffen. Der Einzelnekann sich daran orientieren, muß es aber nicht. Das Ganzeist als Angebot gedacht, nicht als Verpflichtung.

Nach diesen Vorbemerkungen wenden wir uns demBibelspruch zu, der uns als Losung für das Jahr 2013 vor-gegeben ist:

Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir

(Hebräer 13,14).

Eine besondere Zielgruppe, für die dieser Spruch geltensoll, wird nicht genannt. Offensichtlich ist er an die ganzeGemeinde, an alte und junge, an alle gerichtet. Und seineWahrheit betrifft ja auch tatsächlich jeden von uns. DieFrage ist allerdings, ob wir alle das gleiche hören, wenn eszu Gehör gebracht wird, – weil der Gedanke an unsern Toduns nicht immer gleich stark beschäftigt und bewegt. Wirwerden davon ausgehen müssen, daß dasselbe Wort, diesel-be Jahreslosung von verschiedenen Menschen ganz ver-schieden gehört wird; daß aber andererseits diese Losungauch sehr vielseitig auslegbar und anwendbar ist. Hierwenigstens einige Möglichkeiten:

So ist die Jahreslosung 2013 mit Sicherheit nicht falschverstanden, wenn wir sie als Warnung hören. Es gibt vielUnfrieden unter uns und mitunter auch mit uns. Nichtwenige sehen sich in Streitigkeiten verwickelt, so, wie wires alle Tage in vielen Familien oder bei Freunden erlebenoder in der Zeitung lesen können – Streit ums Erbe, umBesitz, Ehre, Ansprüche. Wenn wir in dieser Situation dieJahreslosung lesen, kann sie für uns den Charakter einerWarnung annehmen. „Verrenne dich nicht – hänge DeinHerz nicht an vergängliche Projekte – es lohnt sich nicht,wir müssen doch alles hier lassen und Nichts können wirmitnehmen. Wir haben hier keine bleibende Stadt, und inder zukünftigen brauchen wir das alles nicht.”

Die Jahreslosung ist aber auch eine Standortbestim-mung für die Gläubigen. Sie steht ja im Hebräerbrief, einerapostolischen Schrift, die sich an das durch die Geschichtewandernde Gottesvolk wendet und sich mit seinem Wegauseinandersetzt. Hier geht es dem Apostel um die

GEISTLICHES WORT S. 2

EDITORIAL S. 3

BEITRÄGE

Den Alten zum Jahreswechsel S. 4

Die Zillerthaler S. 5

Nachlese 2012

Abkommen zwischen

Lutheranern und Reformierten S. 8

Monika Taubitz

zum 75. Geburtstag S. 8

Gerhart Hauptmanns

150. Geburtstag in Breslau S. 9

Eine Kanzel und ein Haus S. 10

Zum Gedenken an Pfr. i.R. Reinhard Leue S. 11

LESERBRIEF S. 14

VERANSTALTUNGEN S. 14

AUS DER LESERGEMEINDE S. 15 FUNDSTÜCK S. 16

Wirhaben hier

keine bleibendeStadt,sondern

diezukünftige

suchen wir.(Hebräer 13.14)

BEITRÄGE 3

Erinnerung daran, daß wir unterwegs sind irgendwo zwi-schen dem gekommenen und dem wiederkommendenChristus. Er ruft uns zu: „Vergeßt nicht das Ziel! Vergeßtnicht, daß Ihr auf die zukünftige Stadt und Gestalt vonGottes Schöpfung zugeht.” Und das heißt, um im Bild zubleiben, „trödelt nicht auf dem Weg, zankt euch nicht, ver-liert Eure Bestimmung nicht aus den Augen, haltet durch!”

Unsere Losung kann aber auch ein großer Trost sein.Die Menschen, die ich kenne, sind durchweg gern auf derWelt. Sie lieben ihre Familie, ihre Freunde, ihren Besitz,ihren Status. Aber insgeheim wissen wir alle, daß das allesnicht von Dauer ist. Und vor dem Sterben haben alleMenschen Angst. In dieser Situation ist es ein Trost, wennwir uns daran halten können, daß Gott noch etwas mit unsvorhat. Wir fallen nicht ins Bodenlose, sondern werden bei

Gott sein. Er wird uns zu sich nehmen. Das will das Bildvon der zukünftigen Stadt auch deutlich machen.

Trotz dieser Unterscheidungen bleiben Fragen, die sichsehr entschieden aufdrängen – zum Beispiel: Wie können,wie sollen wir uns diese zukünftige Stadt/Stätte vorstellen?Welchen Platz sollte ich – wann? oder ab wann? – darineinnehmen? Das sind Fragen, die wir zum guten Teil nichtbeantworten können und offen lassen müssen. Wir werdenaber weiterkommen, wenn wir das, was wir verstehen, aberauch das, was wir nicht verstehen, Gott überlassen, – unddas heißt, uns ihm anvertrauen in der Gewißheit „Er wird`swohl machen” (Psalm 37, 5). Insofern ist diese Jahres-losung eine Ermutigung zum Glauben, eine Einladung,alles, das Leben und das Sterben, im Vertrauen auf Gottanzunehmen. Christian-Erdmann Schott

Liebe Leserinnen und Leser,

mit der Januar-Ausgabe 2013 beginnt der „SchlesischeGottesfreund” seinen 64. Jahrgang. Das ist heute bei demZeitungssterben, das wir um uns herum – und zwar geradeauch bei Kirchenzeitungen – miterleben, eine lange Zeit.

Zuschriften aus den Reihen unserer Mitglieder und Le-ser zeigen, daß der „Gottesfreund” nach wie vor geliebtund gelesen wird, und daß auch niemand an seinem alter-tümlichen Namen Anstoß nimmt. So hoffen wir, daß unser„Freund” auch gut durch dieses Jahr kommt und am Endenoch immer in alter und immer wieder neuer Frische dasein wird.

Allerdings haben wir einige Neuerungen vorgenommenüber die wir Sie gern informieren möchten:

Der „Gottesfreund” wird ab dem kommenden Jahr nichtmehr in Görlitz, sondern in Porta Westfalica gedruckt wer-den. Unserer langjährigen Görlitzer Druckerei Maxroi Gra-phics GmbH sei an dieser Stelle für die über 7jährige guteund vertrauensvolle Zusammenarbeit herzlich gedankt.

Die Produktion der Zeitung künftig in Porta Westfalicadurchzuführen hat unter anderem auch den Vorteil, daß erauf diese Weise in der Nähe von unserer Geschäftsstellehergestellt wird und leichter verschickt werden kann.

Zudem werden – wie Sie bereits an der Januar-Ausgabeerkennen können – die Außenseiten häufiger in Farbe er-scheinen. Daß dies zu den großen Festen der Fall sein wird,ist uns ja mittlerweile zur lieben Gewohnheit geworden. Daaber nach dem Stand der heutigen Technik Farbausgabensich nicht mehr wesentlich in den Druckkosten nieder-schlagen, wird noch zu prüfen sein, ob nicht grundsätzlichder Anteil farbiger Ausgaben erhöht werden sollte.Diesbezüglich sind wir auch sehr an der Meinung unsererLeserschaft interessiert.

Neuerungen sind auch hinsichtlich der redaktionellenArbeit zu vermelden. Um die Abläufe bei der Entstehungder monatlichen Ausgaben weiter zu verbessern wurde eineRedaktionsgruppe gebildet. Sie besteht aus den beiden Re-

dakteuren Mag. Dietmar Neß (Beiträge) und AndreasNeumann-Nochten (Beiträge, Graphik, Satz, Layout), diefür die inhaltlichen Aspekte zuständig sind und Frau Mar-grit Kempgen, die sich um die organisatorischen Dingekümmern wird. Die Redakteure des „Schlesischen Gottes-freundes”, freuen sich weiterhin über interessante Zuschrif-ten aus den Reihen unserer Mitglieder, es könnten übrigensmehr sein als bisher – aber sie bitten auch um Verständnisdafür, daß sie nicht auf jede Zusendung reagieren können.Dieser doppelten Bitte schließe ich mich gern an.

Im Sinne der gewünschten Verbesserung bitten wir Siedaher von nun an alle zur Publikation bestimmten Beiträge,unabhängig davon, ob sie letztlich veröffentlicht werdenkönnen oder nicht, an die nachfolgend genannten Adressenzu senden: Auf dem Postweg: Stiftung Evangelisches Schlesien

„Schlesischer Gottesfreund”Schlaurother Straße 1102827 Görlitz

oder per E-Mail: [email protected]

Zu den Besonderheiten des vor uns liegenden Jahres gehörtdie Erinnerung an den Beginn der Befreiungskriege. In sei-nem berühmten „Aufruf an mein Volk” hatte der preußi-sche König Friedrich Wilhelm III. am 17. März 1813 inBreslau zum Aufstand gegen Napoleon aufgerufen. Damitbegann auch für Schlesien eine neue Zeit. Ein anderesDatum ist der 29. Mai 2013. An diesem Tag ist es 150Jahre her, daß in Liegnitz der Provinzialverein für InnereMission gegründet wurde. Daran wird beim SchlesischenKirchentag (7. -9. Juni 2013) in Jauernick-Buschbach beiGörlitz erinnert werden.

Mit diesem Ausblick grüße ich Sie herzlich und wün-sche Ihnen und uns allen ein segensreiches Jahr 2013.

Ihr

Dr. Christian-Erdmann Schott, Vorsitzender

Editorial

BEITRÄGE4

Den Alten zum Jahreswechsel

Vorbemerkung: Fast alle sind wir „alt” geworden, die wirzur Lesergemeinde des „Gottesfreundes” gehören. Dakommt mir ein „Fundstück” gerade recht: der Pastor Dr.Gerhard Salzsieder, bis 1945 in Marklissa – er ist langeschon gestorben – hat die folgende anschauliche Besin-nung für seine (vertriebenen) Gemeindeglieder geschrie-ben, vor einem halben Jahrhundert.

Ist auch das Alter schön? Sicherlich, manches ist in denalten Tagen nicht schön! Als wir jung waren, gab eskeine Automobile, sondern Pferdekutschen. Vor man-

cher solcher Droschke humpelte eine halblahme, magere,bedauernswerte Kreatur mühsam dahin. Die Berliner nah-men sie als Gleichnis für einen altersschwachen Menschenund nannten einen solchen einen „abgetriebenen Drosch-kengaul.” Mehr oder weniger sind wir Alten das alle:„abgetriebene Droschkengäule”, vom Leben mitgenom-men. Das ist gewiß nichts Schönes.

Aber im großen Ganzen kommt es doch auf die innereEinstellung an, in der wir das Alter erleben und durchleben.Mancher ist mit vierzig Jahren „alt”, mancher mit siebzig„jung.” Von einigen alten Leuten will ich erzählen.Obgleich es selbstverständlich ist, bemerke ich ausdrück-lich, daß keines der Beispiele aus der KirchengemeindeMarklissa stammt.

EErrsstteennss::

Aus meinen Kinderjahren. Wir spielten gern und oft auf derDorfstraße unsere Kinderspiele. Dabei ging es recht leb-haft, laut und lustig zu, wie es bei Kindern ist und sein soll.Unweit der Straße stand ein Häuschen, in dem ein alterMann von über siebzig Jahren wohnte. Wenn wir im Spielvertieft waren, öffnete der Alt ganz langsam und vorsichtigdie Haustüre, warf ein Stück Holz oder Torf nach unsKindern, drohte mit der Faust und beschimpfte uns mitunflätigen Worten.

Das ist das griesgrämige Alter.Laßt uns niemals vergessen: auch wir Alten waren einstKinder. Eine frohe Kinderzeit gehört zu den schönstenErinnerungen des ganzen Lebens, ja sie ist für die gesamteLebensauffassung nicht selten von ausschlaggebenderBedeutung. Kinder und Jugend sollen fröhlich sein, wie wires gewesen sind.

ZZwweeiitteennss::

Im Kreise einer Familie. Der Hausherr, 65 Jahre alt, glichim Verhalten und in Worten einem sich dauernd drehendenKreisel. Jetzt setzte er sich auf einen anderen Stuhl, dannlief er im Zimmer auf und ab, um sich wieder hinzusetzenund wieder aufzuspringen. Kaum hatte er über irgend einenGegenstand ein paar Worte gesprochen, dann ging er schonwieder zu einem anderen Thema über. Hastig trank er ausseinem Glase und sog nervös an seiner Zigarre.

Das ist das ruhelose Alter.Es ist ein Geschenk, wenn wir im Alter noch „lebendig”sind. Es ist dankenswert, wenn wir noch auf die eine oderandere Art tätig sein können. Nicht ohne Grund haben die

Ärzte die Bezeichnung „Pensionierungstod” geprägt. Aberruhelos? Nein!

DDrriitttteennss::

Eine Witwe von 60 Jahren. Sie lebte mit ihrem Sohn, demeinzigen Kinde, zusammen. Der Sohn verheiratete sich undblieb mit seiner Frau bei seiner Mutter wohnen. Eine kurzeZeit ging es gut. Dann aber kehrte die Mutter die „Herrin”heraus. Alles ordnete sie an, alles mußte nach ihremWunsch und Willen gehen, in der Küche, in den Stuben, imGarten, überall. Sie wußte alles am besten. Eines Nachtsverschwand die junge Frau und kam niemals wieder.

Das ist das rechthaberische Alter.Immer wollen wir daran denken, daß ein jeder Mensch seineigenes Leben sich gestalten will und soll. Wohl kann dasAlter der Jugend mit Rat zur Seite stehen, und die Jugendtut gut daran, sich solchen Rat recht zu überlegen. Aber inStarrsinn, Selbstgefälligkeit und Rechthaberei dürfen dieAlten nicht verfallen. Ein jeder hat Recht und Pflicht aufsein Leben; auch wir haben unser Leben gelebt.

VViieerrtteennss::

Die Eßstube eines großen Hofes. Die Familie war beimMittagessen. Abseits an einem besonderen kleinen Tischein Mann von ungefähr 55 bis 60 Jahren und aß für sichallein. Er war der Besitzer des Hofes gewesen. In einerWoche waren an einer ansteckenden Krankheit seine Frauund beide Kinder gestorben. Da hatte er den Hof seinemBruder übergeben und war ein Sonderling geworden.

Das ist das verbitterte Alter.Hart sind oft die Schicksale des Lebens. Wie der Jagdhunddas waidwunde Wild in die Zähne nimmt und es schüttelt,so nimmt das Leben manch einen in seine Zähne, um ihnäußerlich oder innerlich zu Tode zu bringen. Wen sollte danicht der blanke Jammer anfallen! Aber es gibt Trost undKraft auch im tiefsten Leide.

FFüünnfftteennss::

Eine ärmliche Stube. Nur der notwendige Hausrat. Allesblitzblank sauber. Am Fenster saß eine Witwe von 84Jahren. Verarbeitet die Hände, zerfurcht das Gesicht,zusammengefallen die ganze Gestalt. „Ich habe auf derganzen Welt keinen Menschen mehr” seufzte sie oft.

Das ist das verlassene Alter.Vereinsamung kann Schuld oder wie bei dieser WitweSchicksal sein. Der Mann tot, die Kinder tot, keine näherenVerwandten. Vor der verschuldeten Einsamkeit können wiruns bewahren, von der über uns verhängten nicht. Wir kön-nen sie nur tragen, und andere können tragen helfen.

SSeecchhsstteennss::

Aus einem Brief: „Meinen Mann haben sie begraben. Siehaben im ersten Weltkrieg meinen Sohn in Rußland begra-ben, der andere ist im zweiten gefallen. Viel Angst war inmeinem Leben. Aber ich bin dankbar für alles, was Gottmir geschenkt hat. Nun bin ich alt. Mein Grabspruch soll

BEITRÄGE 5

sein, weil so viel Angst, aber auch Trost in meinem Lebenwar: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habedie Welt überwunden.”

Das ist das dankbare Alter.Wenn wir alten Leute unser Leben überdenken: es warenJahre darunter, die uns das Glück unseres Lebens brachten,und andere, die es uns zu nehmen schienen. Es waren Jahrefriedlicher Arbeit dabei und Jahre heißen Kampfes, Jahreder Fehlschläge und Jahre der Erfolge. Liebe und Haß sinduns begegnet. Und nun? Gott sei Dank für alles!

SSiieebbeenntteennss::

Ein steinalter Mann. Eine hohe Stellung hatte er im Leben

innegehabt mit großem Wirkungskreis. Nun war er krank.Er wußte, das Ende ist da. Was er erzählte, schloß mit demBekenntnis: „Nun steht nichts mehr zwischen Gott undmir.”

Das ist das friedvolle Alter.Unser Leben gleicht der Fahrt eines Schiffes übers Meer.Nach Sonnen- und Sturmtagen ankert es friedlich imHafen. Für uns Alte ist es Zeit, daß unser Leben in Friedenvor Anker geht – im Frieden mit den Schicksalen unseresLebens, im Frieden mit den Menschen, im Frieden mitGott. In solchem Frieden ist auch das Alter schön. In ihmdas alte Jahr beschließen und das neue beginnen: dasschenke uns Gott.

Die ZillerthalerVVeerrttrriieebbeenneennsscchhiicckkssaall vvoorr 117755 JJaahhrreenn

KLAUS LOBISCH

Sehr früh hatte die Reformation in den deutschsprachi-gen und Habsburgischen Ländern Eingang gefunden,aber ebenso früh setzte auch die Gegenreformation

ein: Bauernaufstände 1527 boten willkommenen Anlaß.„Es wurde nun im ganzen Lande solange gehenkt, gepfählt,gerädert, geköpft, ertränkt und verbrannt, bis die hohenObrigkeiten glaubten annehmen zu dürfen, daß das Übelder Ketzerei ausgetilgt und dem alten Glauben wieder zuseinem Recht verholfen sei”, schreibt dazu GustavGasteiger in seinem Buch „Die Zillerthaler Protestantenund ihre Ausweisung aus Tirol”, 1892. Noch mehr sindausgewandert, aber die „Ketzerei” blieb im Land. Nachdem Augsburger Religionsfrieden 1555 ging es nicht mehrohne weiteres um „köpfen oder verbrennen”. Aber dieevangelischen Pfarrer wurden ausgewiesen, die evangeli-schen Gottesdienste verboten, die Schulen geschlossen.

Die lutherisch Gesinnten mußten katholisch werden oderauswandern. So wurde im Laufe des 30-jährigen Kriegesdie evangelische Kirche in den österreichischen Stamm-landen mehr oder weniger ausgerottet.

Vor allem die adligen Besitztümer hatten aber ihre ihreeigenen Rechte. Wir wissen, wie schwer sich Wien damittat, in Schlesien den evangelischen Glauben auszurotten.Überall gab es kleinere oder größere protestantische Inseln,zu denen die Bewohner der angrenzenden Gebiete zumGottesdienst und für Amtshandlungen gehen, „auslaufen”konnten; in Schlesien z. B. nach Brandenburg und Sachsen,das schon in Lauban anfing. Auch in abgelegenen Gegen-den hielten sich Gruppen evangelisch Gesinnter. Sie hattenzwar keine Pfarrer und keine Schulen mehr, aber in denHäusern wurde die Bibel gelesen, wurden Andachtengehalten, es gab Predigtbücher.

6

Das Erzbistum Salzburg gehörte damals noch nicht zuÖsterreich, sondern war ein eigenes Fürstentum. Hierwurde der Kampf gegen die Evangelischen ganz besondersrigoros geführt. Im Deferegger Tal in Osttirol, in dem etwadie Hälfte der Bevölkerung evangelisch geworden war,wurden 1684/1685 die Familienväter, die sich nicht beugenwollten, zunächst unter Zurücklassung allen Besitzes undder Kinder (!), die katholisch erzogen werden sollten, außerLandes verwiesen; nur kräftige Intervention des Auslandes,vor allem z. B. des Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. vonBrandenburg, und anderer evangelischer Fürsten, u.a. öf-fentlich im Reichstag, konnten schließlich Milderungenwie den Verkauf des Besitzes und die Mitnahme der Kindererreichen. In Dürrnberg bei Hallein lebte der BergmannSchnaitberger, der durch seine Schriften unter den Evan-gelischen wirkte. Von ihm stammt das Lied:

Ich bin ein armer Exulant,a so tue i mi schreiba,

ma tuet mi aus em Vaterlandum Gottes Wort vertreiba,

deß weißt i wohl, Herr Jesus Christ,es ist dir au so ganga,

itzt will i dein Nachfoger sin,Herr, machs nach dein Verlanga.

Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hin hielten die gegen-reformatorischen Unterdrückungen an. Während dieKaiserin Maria Theresia, die Gegenspielerin Friedrichs desGroßen in den drei Schlesischen Kriegen, noch gesagthatte, sie wolle lieber über eine Wüste regieren als dieKetzerei in ihrem Land dulden, war ihr Nachfolger JosephII. (er kam 1780 an die Regierung) der Aufklärung ver-pflichtet. Er verbot den Jesuitenorden in seinem Land (dieJesuiten wurden übrigens vom preußischen König aufge-nommen) und erließ 1781 das sog. Toleranzpatent, das –wenn auch mit manchen Einschränkungen – den sogenann-ten „Akatholischen” Duldung gewährte: sie durften, wennes mindestens hundert Familien waren, nunmehr eineGemeinde gründen, Schule und Bethaus errichten, Pastorund Lehrer anstellen Es war ihnen nicht erlaubt, unter denKatholiken Proselyten zu werben. Zwei Jahre später wur-den dann auch die Bedingungen formuliert, die einemKatholiken erlaubten, aus der katholischen Kirche auszu-treten: sechswöchiger Unterricht beim kath. Pfarrer. Es ent-standen in Österreich etwa fünfzig protestantischeGemeinden.

22.. DDiiee ZZiilllleerrtthhaalleerr mmüüsssseenn wwaannddeerrnn

Trotz der rigorosen Politik der Salzburger Fürstbischöfehatten sich im oberen Zillertal, abseits des Verkehrs, nocheine ganze Reihe von Protestanten gehalten. Das Salzbur-ger Fürstentum kam unter Napoleon mit Tirol an Bayern,1816 dann zu Österreich. Da stellten die Evangelischen denAntrag, eine Gemeinde gründen und Pastor und Lehreranstellen zu dürfen. Das wurde ihnen abgeschlagen, derKlerus angewiesen, seine Anstrengungen zur Wieder-gewinnung der verirrten Schäflein zu verdoppeln. Aberohne Erfolg.

Die Evangelischgesinnten hielten Hausandachten, lasen inder Bibel, die sie zumeist noch in frühen Drucken aus derReformationszeit mit der Augsb. Konfession im Anhangbesaßen. Sie benutzten Joh. Arndts und Spangenbergs

Postille und erbauten sich an Schaitbergers Sendbrief. DerSchriftgelehrte des Kreises scheint Bartholomäus Heimgewesen zu sein. Von ihm konnte man sich lutherischeBücher ausleihen. Er war wohl auch der Mittelpunkt derHausandachten. Wie oft mögen diese Andachtsstunden eine

BEITRÄGE

jähe Unterbrechung erfahren haben, wenn die weit ausge-stellten Sicherungsposten das Nahen eines Priesters oderdes Landjägers meldeten

Alfred Glatz, der letzte Pastor der Gemeinde, erzählt es imJahrbuch 52/1973 für schlesische Kirchengeschichte so: ImSommer 1832 besuchte Kaiser Franz Tirol. Einer Ab-ord-nung der Evangelischgesinnten – Johann Fleidl, Bartho-lomäus Heim und Matthias Brugger – gelang es vorgelas-

sen zu werden. Mit gewohntem Wohlwollen kam KaiserFranz ihnen entgegen, überlas ihre Bittschrift und frug siesodann: „Ja, wer stört euch denn in eurem Glauben?” DieDeputation: „Die Geistlichkeit”. Der Kaiser: „Was glaubtihr denn?” Dep.: „Wir glauben das Wort der heiligenSchrift nach den Grundsätzen der Augsburger Konfession”.Der Kaiser: „Nicht wahr, ihr glaubt an Christus wie ich?Aber in Italien gibt es Leute, die an keinen Christus glau-ben, das schmerzt mich”. Dep.: „Ja, wir glauben anChristus als unsern Herrn und Heiland und alleinigenSeligmacher aber das wollen sie eben im Zillerthal nichtleiden, daß wir es sagen”. Der Kaiser: „Es ist denKatholischen nicht erlaubt, euch zu beschweren und zubeschimpfen, wie ihr sie auch nicht schimpfen dürft.Früher hat man in Salzburg drüben die Lutherischen nichtgelitten, aber jetzt ist’s nicht mehr so wie damals, ich zwin-ge niemand an seinem Glauben. Aber wie seid ihr denndazu gekommen?” Einer der Deputation: „Die heiligeSchrift ist bei uns so lange schon, daß man nicht weiß, wielange. Es sind bei uns Bibeln, die mehr als 200 Jahre altsind; mein Großvater ist 98 Jahre alt geworden und erst vor3 Jahren gestorben und hat die Schrift seit seiner Kindheitgelesen, und so mein Vater und ich, und so viele, daß vonden Eltern die Lehre ihnen eingeprägt ist”. Der Kaiser: „Ja,da ist vielleicht etwas von den Salzburgern geblieben. Seidihr salzburgisch gewesen?” Dep.: „Ja, wir haben zumSalzburger Ländchen gehört bis vor 16 Jahren”. DerKaiser: „ihr wollt also nicht bei der katholischen Kirchebleiben?” Dep.: „Wir können es nicht wegen unseresGewissens, wir müßten sonst heucheln”. Der Kaiser:„Nein, das will ich nicht haben, ich will sehen, was sich füreuch tun läßt”. Als die Leute ihre Bitte nochmals dringendempfahlen, und daß er sie doch nicht vergessen solle unddem Kaiser versicherten, daß sie brave Leute seien, daßkeiner Strafe erhalten, und daß er sie doch nicht vergessensolle und es nicht glauben, wenn man Böses von ihnenredete, erwiderte der Kaiser: „Ich will euch nicht vergessenund nichts Schlimmes von euch denken”.

Es siegte aber dann doch die Staatsraison und dieRücksicht auf die katholische Kirche, die heftig dagegenkämpfte, daß die Evangelischen eine eigene Gemeindegründeten. In den folgenden Jahren verschärfte sich derDruck: Eheschließungen wurden versagt (woraufhin esalso „uneheliche Kinder” gab, was man den Evangelischendann wieder zum Vorwurf machte!). Die Pfarrer katholi-schen Pfarrer forderten auf der Kanzel dazu auf, beiEvangelischen nicht zu kaufen, bei ihnen keine Arbeitanzunehmen, ihnen keine zu geben, nicht Pate zu stehen.Beerdigungen auf den natürlich katholischen Friedhöfenwurde ihnen versagt. So verstärkte sich noch einmal wiederder Druck und stellte die Glaubenstreue auf eine harteProbe. (Der zweite Teil folgt in der nächsten Ausgabe.)

Das nebenstehende Faksimile mit der Aufzählungadliger Exulanten des 17. Jahrhunderts entstammt demVorwort einer „Kirchen-Postille” von 1691, gewidmet je-nen Vertriebenen, gedruckt in Ulm und verfaßt von Joh.Heinrich Weyhenmeyer. Abb. S.5: Stahlstich von Erd-mannsdorf, nach Th. Blätterbauer.

7

Dir ist beßer um Jesu

BEITRÄGE

BEITRÄGE8

Monika Taubitz zum 75. Geburtstag

In einem Gespräch, das Jörg B. Bilke mit Monika Tau-bitz 1985 führte, wurde ihr u.a. die Frage gestellt: „SindSie durch das aufwühlende Erlebnis der Vertreibung,

das Sie nicht losläßt, Schriftstellerin geworden?” Daraufantwortete sie: „Das Erlebnis, besser gesagt: das Traumader Vertreibung hat bestimmt eine wesentliche Rollegespielt, aber der eigentliche Grund war die damit verbun-dene große Armut. Es gab buchstäblich nichts, womit ichals Kind hätte z.B. spielen können. Aus diesem nichts, garnichts Haben, aus diesem Freisein von Dingen, die ja heuteunsere Wohlstands-Kinder beschweren und nicht mehr zusich kommen lassen, aus diesem absoluten Freisein, davonhatte ich die Möglichkeit, die inneren Bilder meiner Phan-tasie, meines Erlebens und Beobachtens meiner Vorstel-lungskraft wachsen zu lassen, ich glaube das war es, wasmich geprägt hat und später zu einer Schriftstelleringemacht hat.”

Monika Taubitz ist am 2. September 1937 im schlesi-schen Markt-Bohrau geboren worden, wo der Vater alsLehrer tätig war. Nach dessen frühen Tod zog sie mit ihrerMutter nach Breslau, wo diese vor der Verheiratung gelebthatte. Nach den immer häufiger werdenden Bombenan-griffen auf die Stadt, zogen beide in das Haus des Groß-vaters, der damals schon nicht mehr lebte, nach Eisersdorfin der Grafschaft Glatz, wo man zurückgezogen lebte undbis zur Vertreibung blieb. In Nordenham in der Weser-marsch, wohin man sie vertrieben hat, mußten beide ineinem kleinen Dachstübchen ohne fließendes Wasser bis1951 hausen, bis sich eine Möglichkeit im Rahmen der

Familienzusammenführung zu einem Umzug in das Allgäuergab. Nach dem 1958 abgelegten Abitur kam es imAnschluß zum Studium am Pädagogischen Institut inWeingarten. Monika Taubitz steht seit 1960 im Schuldienstund lebt heute in Meersburg am Bodensee.

Hervorgetreten ist Monika Taubitz als Schriftstellerinmit dem Gedichtband „Fallende Sterne”, der 1968 im Mar-tinverlag erschienen ist, wo auch 1971 die Novelle „Schat-ten über dem Brunnen” herauskam. Nach einer Reise in dieschlesische Heimat im Jahre 1972 erschien im Jahre 1973im Verlag Werner Jerratsch „SCHLESIEN-Tagebuch einerReise”, welches sie unterwegs geschrieben hat, um ihreEindrücke von Grünberg, Hirschberg, dem Riesengebirge,der Grafschaft Glatz, von Breslau und von Oberschlesienunmittelbar wiederzugeben. Es war für sie ein aufwühlen-des und auch sehr entscheidendes Erlebnis, wie siebekennt. Im Anhang sind einige lyrische Gedichte nachzu-lesen und wo es unter dem Titel „Der Friedhof” u.a. heißt:

Die Zeit lagert sich ab!Und Jahresringekerben sich ein

in zerbrochene Steine.Name um Name

erlischt.Es hört niemand mehr

auf den Mannan der Mauer.

Hundertmal hängt ergekreuzigt dort,

mit den Füßen nach oben...

Abkommen zwischen Lutheranern und Reformierten

Im Februar 2012 haben die lutherische und die refor-mierte Kirche in Warschau ein Abkommen unterzeich-net, das die Mitwirkungsmöglichkeiten reformierter

Christen in den lutherischen Gemeinden und umgekehrterhöht. Den Gliedern der jeweils anderen Kirche wird absofort das aktive wie passive Wahlrecht auf Gemeindeebe-ne gewährt, ohne daß sie ihre konfessionelle Identität auf-

geben müssen. Der Zugang zur Leitungsebene bleibt ihnenallerdings verwehrt. Mit dem Vertrag wollen beide Kirchenihren Gliedern das religiöse Leben in der Diaspora erleich-tern. Wenn es in ihrer Umgebung keine Gemeinde ihrerKirche gibt, können sie sich voll in die Gemeinde der ande-ren protestantischen Konfession integrieren. Die Evan-gelisch-Augsburgische Kirche in Polen zählt rund 75.000Glieder in 134 Gemeinden, die Evangelisch-ReformierteKirche 3000 Glieder in acht Gemeinden. Beide Kirchengehören zur Gemeinschaft Evangelischer Kirchen inEuropa (GEKE) und arbeiten auf mehreren Gebieten wiez.B. in der Diakonie gut zusammen. (Aus: RGOW 4/12)

So manche Zusendung erreicht die Redakteure im Laufeeines Jahres, Leserbriefe, Berichte, Erinnerungen und di-verse Meldungen. Dennoch ist es nicht immer einfach, denGottesfreund in guter und anregender Weise zu füllen, dennnicht jede Post enthält Dinge, die zur Veröffentlichung ge-eignet sind. Mitunter verdrängen auch aktuelle Vorgänge

den einen oder anderen Artikel vom bereits geplantenPlatz. Der Blick am Jahresende in die Redaktionsmappefördert dann hin und wieder Beiträge zutage, die es wertsind, in einer Art Nachlese der Leserschaft zur Kenntnisgegeben zu werden. (ANN)

Nachlese 2012

BEITRÄGE 9

Ihr ist bewußt, daß Zeit im Leben nie und nimmer zurück-geholt werden kann, es sei denn im Schreiben, und dasvollzieht sich dann in dem Roman „Durch Lücken imZaun”, der 1977 im Verlag Werner Jerratsch erscheint.Dazu äußerte sich die Schweizer Schriftstellerin BeatriceEichmann Leutenegger u.a. so: „Aus demBlickwinkel und Empfindungsraum desKindes beschwört die Autorin die vergange-nen Zeiten der Seligkeit und des jähen Um-schwungs. Traum und Wirklichkeit, Ahnungund Gegenwart mischen sich hier in eigen-tümlicher Weise, und Monika Taubitz vermagdiesen Schwebezustand bis zur letzten Seitedes Buches durchzuhalten, so daß der Romandurch diese Stimmigkeit des ihm eigenen Tongefangen nimmt ...” Es wird von ihr eindring-lich beschrieben wie der Krieg ihr dieKindheit raubte und sie schon beizeiten denWechselfällen des Lebens auslieferte.

Gedichtbände legte die Schriftstellerin unter den Titeln„Probeflug” 1974 und „Netze werfend” 1978 im gleichenVerlag vor. Mit dem Roman „Treibgut”, der 1983 im Quell-Verlag in Stuttgart herauskam, setzt sie ihre Kindheits-erinnerungen fort. Er schildert die Ankunft mit einemVertreibungstransport in der Wesermarsch im März 1946,wo man sich fremd unter Fremden fühlte, ausgesetzt,

zunächst in Sammelunterkünften kampierend, bis man ineiner dürftigen Behausung unterkam. Die Erzählung „Dortgeht Katharina oder Gesang im Feuerofen” erscheint 1984bei Thorbecke in Sigmaringen. „Schlesien – Blick insLand”, ein Bildband, kommt 1988 im Adam-Kraft-Verlag

heraus, im gleichen Jahr „Schön wie derMond” – Meersburger Lesebuch. Nicht uner-wähnt soll das Hörspiel „Gestörte Befragung”bleiben, für das sie vom Ostdeutschen Kul-turrat 1981 ausgezeichnet wurde. Mit zahlrei-chen Lyrik- und Prosabeiträgen ist MonikaTaubitz in maßgeblichen Anthologien vertre-ten. „Im Anschlag der Wellen”, ein neuerGedichtband mit einer Auswahl von Lyrik ausden letzten Jahren und eine Neuauflage ihresRoman „Durch Lücken im Zaun” sind imBergstadt-Verlag in Würzburg erschienen.Den Eichendorff-Literaturpreis erhielt Mo-nika Taubitz 1981, den Förderpreis zum

Kulturpreis Schlesiens 1980 und den Päpstl. VO Beneme-renti 1976. Sie ist Mitglied der Künstlergilde in Esslingen,im Kulturwerk Schlesien, der Ackermann-Gemeinde, derDroste-Gesellschaft und Vorsitzende des Wangener Krei-ses. K. Werner, mit freundlicher Erlaubnis aus: SchlesischeNachrichten. Zeitung für Schlesien Nr. 18/2012, gekürzt.

Gerhart Hauptmanns 150. Geburtstag in Breslau

DR. STEPHAN ADERHOLD

Gleich drei Veranstaltungen fanden am 15. Novem-ber 2012 in Breslau zu Ehren des schlesischenLiteraturnobelpreisträgers Gerhart Hauptmann

statt, der am 15. November 1862 in Ober Salzbrunn gebo-ren wurde. Organisiert wurden sie alle von der dpgn – derDeutsch-Polnischen Gesellschaft Niederschlesien e.V.,einem Zusammenschluß Breslauer Geschäftsleute, die sichdem niederschlesischen Erbe verpflichtet fühlen.

Am Gebäude der Akademie der Schönen Künste wurdeeine Gedenktafel enthüllt, die daran erinnert, daßHauptmann dort von 1880-1882 Bildhauerei studierte. ImWilly-Brandt-Zentrum von Breslau wurde ein Dokumen-tarfilm uraufgeführt, der von der polnischen RegisseurinKinga Wo³oszyñ-Œwierk gedreht wurde. Dieser 45minütigeFilm beleuchtet in einfühlsamer Weise die LebensstationenHauptmanns und wurde finanziell mit Mitteln aus derStiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit gefördert.Höhepunkt des Tages war aber die Festveranstaltung imBreslauer Ossolineum. Sie wurde von der Vorsitzenden derdpgn, Sonja Stankowski, eröffnet und die Festrede hielt derGermanist Prof. Dr. hab. Wojciech Kunicki.

Unangefochtener Höhepunkt des Abends war jedochdie szenische Lesung der Theatergruppe „Durcheinander”.Unter der Leitung von Ma³gosia Ulrich-Kornacka spielten

Studenten der germanistischen Fakultät der UniversitätBreslau Szenen aus Hauptmanns Leben mit enorm vielWitz und Charme. Sie machte ihrem Namen alle Ehre: sospielten sie eine Szene, die das fröhliche StudentenlebenHauptmanns in Breslau vor Augen führte, indem sieBrechts Moritat von Mackie Messer sangen – symphatisch„Durcheinander”! Zudem wurde das Ergebnis des von derdpgn veranstalteten Schülerwettbewerbs vorgestellt, indem Schüler aus Polen und Deutschland Bilder, Collagenund andere Kunstwerke zum Thema Hauptmann gestalte-

Sonja Stankowski und Ma³gosia Urlich-KornackaFoto: Aderhold

BEITRÄGE10

ten. Der musikalische Rahmen wurde von dem gemischteChor „Capella Ecumenica” unter der Leitung von AdamRajczyba gestaltet, der Werke der polnischen und deut-schen Literatur sang. Bevor der Abend mit einem Empfangausklang, gab es noch die Gelegenheit, die thematische

Ausstellung zu den Werken Hauptmanns und ihrerRezeptionsgeschichte zu besuchen.

Es ist dem Engagement der dpgn zu verdanken,daß nicht nur in Deutschland, sondern auch in Schlesiendiesem Jubiläum gedacht wurde.

Eine Kanzel und ein Haus

DDeerr SScchhwweeiiddnniittzzeerr FFrriieeddeennsskkiirrcchhppllaattzz kkuurrzz vvoorr ddeemm 11.. AAddvveenntt 22001122..

DR. STEPHAN ADERHOLD

Am letzten Tag des Novembers2012 gab es gleich mehrereGründe, in und an der Frie-

denskirche zu feiern. Die restaurierteKanzel wurde eingeweiht, und dasgrößte Bauprojekt der letzen Jahre –das Haus Friedensplatz Nummer 1 –wurde nach einjähriger Rekonstruk-tion der Öffentlichkeit zugänglichgemacht.

Die Feierlichkeiten begannenpünktlich um 16 Uhr in der Friedens-kirche. Der Pfarrer der Friedenskirche,ks. Waldemar Pytel, begrüßte alleGäste und war sichtlich erfreut überseinen ‚neuen’ Arbeitsplatz. Die 1728von dem aus Dresden stammendenGottfried August Hoffmann erbauteund 1729 von Benjamin Schmolckeingeweihte Kanzel, die in der Frie-denskirche ‚Predigtstuhl’ genanntwird, wurde innerhalb eines guten hal-ben Jahres von Ryszard Wójtowiczrestauriert. Dazu wurde die kompletteStaffierung der Kanzel abgebaut undin die Restauratorenwerkstatt ver-bracht. Wer während der Arbeiten die‚nackte’ Kanzel sah, konnte sich nicht

vorstellen, daß jeder Putti und jedesOrnament wieder an seinen Platz fin-den würde. Doch alle Engel sind zu-rückgekehrt und die barocke Farben-pracht blendet (fast) das Auge. DieKosten der Restaurierung in Höhe vonca. 300.000 Z³oty wurden komplettvom polnischen Kulturministeriumübernommen.

Die Weihe der Kanzel nahmengemeinsam Pfarrer Pytel und derBreslauer Bischof Ryszard Boguszvor. Erwähnung muß der sehr sensibelausgeführte musikalische Rahmen desGottesdienstes finden. Der Kantor derFriedenskirche, Marcin Armañski, derauch Orgelbauer ist, musizierte zu-sammen mit der Sopranistin JulietaGonzalez-Springer direkt vor derKanzel und spielte auf einem selbstgebauten Portativ, einer transportablenOrgel. Das kongeniale Duo brachtedas „Magnificat” von Stefano Ber-nardi und von J. S. Bach, aus Sche-mellis Gesangbuch, die Lieder „Er-muntre dich, mein schwacher Geist”sowie „Dir, dir Jehova will ich singen”in einer dem Moment angemessenenIntimität zu Gehör. Nach einer halbenStunde war der Einweihungsgottes-dienst in der hell erleuchteten Frie-denskirche beendet und die Festge-sellschaft begab sich nur wenige Me-ter weiter an die restaurierte Rendan-tur.

Kanzel in der Friedenskirche und die re-staurierte Rendantur in Schweidnitz.

Abb.: Michael Schmuck, Bo¿ena Pytel (u.)

MELDUNGEN 11

In dem einsetzenden Schneefall eröffneten, wiederum miteiner kurzen Ansprache, Pfarrer Pytel und Bischof Boguszdieses Haus, das in Zukunft als UNESCO-Zentrum fürZusammenarbeit und Partnerschaft die Besucher derFriedenskirche empfängt. Die Komplettrestaurierungwurde vornehmlich von der Europäischen Union finanziert.Leider konnte die originale Fachwerkständerwand derWestseite des Gebäudes nicht mehr erhalten werden undmußte komplett ausgetauscht werden. Ansonsten konnte –bis auf einige behutsam vorgenommene Ersetzungen – dasFachwerk weitestgehend erhalten werden. Die Innenaus-stattung ist auf dem modernsten Stand: es gibt einenFahrstuhl für Gehbehinderte in den ersten Stock, jederRaum ist klimatisiert und es steht moderne Konferenz-technik zur Verfügung.

Im Erdgeschoß wurde in drei Räumen eine loh-nenswerte Ausstellung mit den Schätzen der Friedenskir-che eröffnet, wobei die Ausstellungsausstattung, d.h. dieVitrinen, vom Sächsischen Ministerium des Innern in Zu-sammenarbeit mit der Kirchlichen Stiftung EvangelischesSchlesien finanziert wurde. Es sind die besonderen Stühleder Friedenskirche, liturgische Geräte wie Abendmahls-kelche und Patenen, Skulpturen, Kruzifixe, Gemälde,historische Bücherdrucke, Kirchenbücher und Musikalienaus dem Archiv der Friedenskirche zu sehen. Für dieAusstellungskonzeption zeichnen die Wissenschaftler PiotrOszczanowski, Agnieszka Seidel-Gresiñska, Adam Górskiund Stephan Aderhold Verantwortung, die auch gemeinsamden Ausstellungskatalog in polnischer und deutscherSprache erstellten.

Bevor die Gäste das Buffet genießen konnten,ergriffen viele Besucher das Wort, um mit Grußadressenund Glückwünschen die Leistung der Friedenskirch-gemeinde zu würdigen. Besonders hervorzuheben ist hierder Vertreter des Sächsischen Innenministeriums Herr Dr.Jens Baumann, der in seiner kurzen Ansprache den Gedan-ken der deutsch-polnischen Zusammenarbeit treffend und

pointiert entfaltete. Ein Moment des besonderen Dankeswurde spürbar, als Pfarrer Pytel seiner Gattin einenBlumenstrauß überreichte: Frau Bo¿ena Pytel hat mit kaumin Worte zu fassender Arbeit und Mühe die Restaurie-rungsmaßnahmen begleitet und dafür Sorge getragen, daßder Eröffnungstag so gut gelang.

Nicht unerwähnt soll bleiben, daß die Enkel des letztendeutschen Kantors der Friedenskirche, Fritz Drohla, FrauKonstanze Kollstede und Herr Reinhold Seiffert, aus Varelangereist waren. Diesem großen Musiker, der über 40 Jahreentscheidend das kirchliche und städtische Musikleben vonSchweidnitz beeinflußte, ist ein Teil der Ausstellung ge-widmet. So bereicherten die Enkel Drohlas auch mit zweiPhotographien, u.a. einer, die das Ehepaar Fritz Drohla undGattin Agnes Anna Drohla, geb. Hayßen, um 1900 zeigt,aus ihrem Familienarchiv die Schau.

Besonders schön ist, daß nicht nur dieses Gebäuderestauriert wurde, sondern auch der barocke Eingangstor-bogen, an dem sich die Medaille mit dem Privileg Carl VI.befindet. Als diese Medaille zur Restaurierung abgenom-men wurde, befand sich dahinter eine stark verwitterteKapselnotiz mit folgender handschriftlicher Aufschrift: „||[Dies]es Schild gehoert | [an die] Eingangspforte zum |[Frie]denskirchhof und | [wur]de am 30. April [19]46 |[gew]altsam entfernt. | [Schreiberwechsel] [wu]rde zur300-Jahrfeier | [...] angebracht Schweidnitz d. 27.9.52 |27.09.1952 ||”.

So ist man Gott zu Dank verpflichtet, daß 60 Jahre nachdiesem bedeutenden Datum der Friedenskirchplatz zweiseiner zahllosen Details wieder in altem neuen Glanz prä-sentieren kann. Daß sich nun der Staub gelegt hat und vie-les auf dem Friedenskirchplatz wieder in alte Bahnenzurückkehrt, heißt aber nicht, daß alles wieder beim Altenist: schließlich hat der Friedenskirchplatz jetzt ein Hausmehr zu versorgen, zu unterhalten und vor allem auch mitLeben zu füllen. Deshalb seien Sie herzlich zu einemBesuch eingeladen!

Zum Gedenken an Pfr. i.R. Reinhard Leue

Auf der Schwelle zum Advent, in denMittagsstunden des 1. Dezember, istunser Bruder Pfarrer i.R. ReinhardLeue verstorben.

In Geduld und Glaubenszuversichthatte er sich durch die Monate seinerschweren Krebserkrankung hindurchauf das Sterben vorbereitet, aber auchdie Anfechtungen und Schmerzennicht verdrängt. Von seiner Familie,den Freunden und Amtsgeschwisternliebevoll begleitet und für die letztenLebenstage in den Martinshof zurücc-gekehrt, ist er nun von seinen Leidenerlöst und heimgerufen worden.

In Dankbarkeit für ein Lebenwacher Zeitgenossenschaft und weitausstrahlender Christusliebe stehenwir in der Trauer an der Seite seinerFrau, der Kinder und Enkelkinder. Wir

sind dabei besonders verbunden mitden Gemeinden in Dresden-Johann-stadt, Görlitz-Rauschwalde, Schleu-singen, sowie der Stadt und demMartinshof in Rothenburg, in denen erDienst getan hat.

Was ihn bewegt hat, das klingt unsaus dem 98. Psalm entgegen: DerHERR gedenkt seiner Gnade undTreue für das Haus Israel, aller WeltEnden sehen das Heil unsres Gottes.

Ja, auf den Gott, der seiner Gnadegedenkt, an dessen Treue und Ver-hei-ßung wir uns im Auf und Ab der Ge-schichte und angesichts der so vielge-staltigen Kirchen- und Lebenswege

MELDUNGEN12

halten dürfen, konnte sich ReinhardLeue von Kindheit an verlassen undberufen. Von ihm wußte er sich geru-fen – zu einem eigenen Gedenken undErinnern, zu einem eigenen Beistehenund Helfen und Begleiten. Er war einTheologe, Christ und Zeitgenosse, derjeweils konkret zugewandt und zu-gleich in der Verbundenheit der Gene-rationen, Länder und Glaubensweisenda sein konnte. Mit ihm verlieren wireinen begnadeten Erzähler der Heils-und Kirchengeschichte. Wir haben mitihm erfahren, daß unsere Gaben undFähigkeiten, aber auch unsere Schmer-zen und unsere Sehnsucht zu Zeichender Christusverbundenheit werden kön-nen.

Reinhard Leue ist am 4. Juli 1929in Breslau geboren und dort am 11.August 1929 in der St. Bernhardin-Kirche getauft worden. Der Stadt sei-ner Kindheit und dem reichen evange-lischen Leben Breslaus ist er zeitle-bens verbunden geblieben. Und dievielen Freunde, Familienmitgliederund Gemeindegruppen, mit denen erdie Stadt an der Oder besucht hat, sindimmer wieder tief berührt worden vonseiner präzisen Erinnerung an dieunzerstörte und die so schlimm vomKrieg gezeichnete Stadt, aber auchvon seiner Freude an der geschenktenVersöhnung und europäischen Ver-ständigung.

Von seinem Breslauer Konfir-mator, Pastor Ewald Nay, hat Rein-hard Leue 1944 das Wort aus Philipper4,13 mit auf den Weg bekommen: „Ichvermag alles durch den, der michmächtig macht, Christus!”. Aber auchdas Erschrecken über die Judenfeind-schaft und über die so verhängnisvolleVerführung zum Krieg und zur Zer-störung haben ihn aus jenen Jahrendes Aufwachsens und Reifens beglei-tet. Was Heimatverlust bedeutet, hat ermit der Flucht aus Breslau im Winter1945 und dem Flüchtlingsdasein inLeipzig nach dem Kriege erfahren.

Starke Prägungen durch eine luthe-rische Theologie und das Erbe derBekennenden Kirche erhielt ReinhardLeue während des Theologiestudiumsan der Universität Leipzig und derKirchlichen Hochschule Berlin-Zeh-lendorf zwischen 1947 und 1952.Nach der Zeit im Predigerseminar

Lückendorf und als Vikar kam er 1954in die Trinitatis-Gemeinde Dresden-Johannstadt. In ihr konnte er bis zumFrühjahr 1964 seine reichen seelsor-gerlichen und homiletischen Gabenmit den Herausforderungen des Ge-meindeaufbaus verbinden. Darüber hi-naus war Reinhard Leue zwischen1954 und 1956 mit besonderen Auf-gaben für Landesbischof GottfriedNoth, ab 1959 mit einer Dozentur ander Dresdener Kirchenmusikschuleund zwischen 1960 und 1964 mit derLeitung des Dresdener Kreises „Arztund Seelsorger” betraut.

Im Jahr 1964 brachte ein Ruf ausder schlesischen Heimatkirche Rein-hard Leue und seine Familie nachGörlitz-Rauschwalde. In der Ev. Chri-stuskirchengemeinde konnte er beson-ders die Familienarbeit entwickelnund mit dem Gemeindekirchenrat For-men der Besuchsdienstarbeit und Er-wachsenenbildung prägen, die in demdurch Neubauten stark verändertenStadtteil einladend und ausstrahlendwirkten.

Die so gewonnenen Leitungserfah-rungen brachte Reinhard Leue zwi-schen 1973 und 1987 in die Aufgabenals Superintendent der EvangelischenKirche der Kirchenprovinz Sachsen inSchleusingen/Thüringen ein. Hier ka-men seine Gaben als Seelsorger derSeelsorger und als Brückenbauer zwi-schen den Kirchen und kirchlichenGruppen zum Zuge. Neben den Auf-gaben in der Gemeinde und im Kir-chenkreis übernahm er Leitungsver-antwortung im Gustav-Adolf-Werkder Kirchenprovinz Sachsen.

Vom September 1987 an verbandsich der Dienst- und Lebensweg vonReinhard Leue wieder mit seinerschlesischen Kirche: Als GeistlicherLeiter des Martinshofes in Rothenburghat er die Umgestaltung und Neuaus-richtung der dort durch Jahrzehntehindurch bewährten Arbeit in derBehinderten-, Alten- und Jugendhilfevorbereitet. Für die „EvangelischeKirche des Görlitzer Kirchengebie-tes”, ab 1992 der „Evangelischen Kir-che der schlesischen Oberlausitz” hater wichtige Aufgaben im Diakoni-schen Werk und der Landessynodewahrgenommen, bis er im Juli 1994 inden Ruhestand trat.

Gerade aber auch als Ruheständler hatReinhard Leue in der ihm eigenen auf-merksamen und sorgfältigen Weisegewirkt: Er war Mitglied der Gemein-schaft evangelischer Schlesier in derLandesarbeitsgemeinschaft Schlesi-sche Oberlausitz und im Verein fürschlesische Kirchengeschichte. Durchseine Initiative und seine zeitge-schichtlichen Forschungen konnte derMartinshof das dunkelste Kapitel sei-ner Geschichte, die Zeit als Ghetto fürjüdische Mitbürgerinnen und Mitbür-ger in den Jahren 1941 und 1942, auf-arbeiten. Als Notfallseelsorger sowieals Gast- und Ruhestandsprediger hater im Kirchenkreis und in der StadtRothenburg mit großer Zuwendungwirken können. Und bis zuletzt hat erals Autor einer Wochenend-Kolumnedie Leser der Sächsischen Zeitung imNieskyer Bereich mit der lebensprä-genden Kraft des Evangeliums zusam-mengebracht. Für viele Amtsgeschwi-ster und Gemeindeglieder ist ReinhardLeue dabei ein verlässlicher Seelsor-ger und Ratgeber geblieben.

Wer ihn kennenlernen durfte, weißauch um seine Verbundenheit zurLandschaft um Rothenburg, weiß umseine Freude an den Wäldern und Seendort, weiß um seine literarische Gabe,die in mehr als 600 Veröffentlichun-gen Ausdruck gefunden hat.

Am Sonnabend, dem 8. Dezember,wurde in der Kapelle des Martins-hofes in Rothenburg Abschied vonReinhard Leue genommen. Währenddes Gottesdienstes erklang auch jenebeeindruckende Strophe des alten Ad-ventsliedes:

Ihr Armen und Elenden / zu dieser bösen Zeit,/die ihr an allen Enden / müßt haben Angst und Leid /seid dennoch wohlgemut/ laßt eure Lieder klingen /dem König Lob zu singen, / der ist eu´r höchstes Gut.

Martin Herche,Generalsuperintendent

Dr. Thomas KoppehlSuperintendent

(Redaktionell gekürzt.)

MELDUNGEN 13

Der Abschied von Reinhard Leue ist uns Anlaß, einen sei-ner schönen Texte im Gottesfreund zu veröffentlichen. DieGeschichte ist dem Bändchen „Worum sich’s dreht – Lyrikund Prosa für Advent und Weihnachten“ entnommen, wel-ches 2010 im Engelsdorfer Verlag, Leipzig, erschien.

ANN

Nun lag er schon drei Wochen fest zu Bett und wurdeimmer schwächer. Er konnte nicht mehr aufstehenund sich auf den Beinen halten. Was wollte man

auch noch mit 82 Jahren? Von Jahr zu Jahr war sein Le-bensradius immer kleiner geworden, und schon längerkonnte er nicht mehr in die Kirche gehen. Er wurde gut ver-sorgt von der Sozialstation und seiner Tochter, die täglichnach der Arbeit zu ihm kam und sich lieb um ihn kümmerte.

So hatte er sich das Alter und seine letzten Tage nichtvorgestellt. Stundenlang war er allein und dachte über seinLeben nach. Dabei erinnerte er sich an ein Erlebnis in dersowjetischen Kriegsgefangenschaft, in die er als jungerMensch geraten war. Es mußte in der Weihnachtszeit gewe-sen sein, wohl im Jahr 1947 in Lettland. Da hatten sie alsGefangene an einem Sonntag Kohle in den Keller einesRathauses schaufeln, und die Sehnsucht nach zu Hause warbesonders stark.

Gegenüber stand eine große Kirche, deren Hauptportalweit geöffnet war und in die Menschen zum Gottesdienstströmten. Wie gern wäre er damals mit ihnen gegangen, sojung er auch war. Aber das war Gefangenen nicht erlaubt.Und so legte er im Stillen ein Gelübde ab, daß, wenn er heilnach Hause käme, er wieder jeden Sonntag zur Kirche ge-

hen wollte. Es dauerte zwar noch drei Jahre, aber danndurfte er heimkehren in seine Heimatstadt.

Am Anfang erfüllte er sein Gelübde treulich und ver-säumte kaum einen Gottesdienst, engagierte sich auch inseiner Gemeinde. Aber bald war vieles wichtiger gewordenund er besuchte nur noch gelegentlich die Kirche – schließ-lich nur noch zu Weihnachten mit seiner Frau und denKindern, als diese noch klein waren.

Daran mußte er jetzt denken, denn Weihnachten standwieder vor der Tür, und er wäre so gern zur Christvespergegangen, wenn jetzt auch allein, denn seine Frau war be-reits vor ein paar Jahren gestorben. Warum lag er hier soallein und hilflos?

Eines Tages in der Adventszeit besuchte ihn ein jungerPfarrer, den er nicht kannte. Eine liebe Nachbarin hatte ihmwohl von dem Kranken erzählt. Mit ihm hatte er nun einlanges Gespräch und sagte ihm alles, was ihm auf seinerSeele lastete, erzählte auch von seinem Gelübde in der Ge-fangenschaft.

Da bot ihm der Seelsorger das Heilige Mahl als Haus-Abendmahl an und sagte dazu: „Wenn Sie wollen, dannfeiern wir’s zusammen. Gott kommt zu uns, auch wenn wirnicht mehr zu ihm kommen können. Das ist ja letztlichimmer unsere Situation, unser Handikap. Advent ist genaudie richtige Zeit dafür!”

So durfte der alte, schwache Kranke seinen Herrn em-pfangen und hörte dabei die adventlichen Worte: „Siehe,dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer”.

Freude zog in sein müdes Herz ein, und er wurde stillund mußte nicht länger warten.

Er kommt zu dirREINHARD LEUE

Kurz notiert: GGuuttee NNaacchhrriicchhtteenn

aauuss LLiieeggnniittzz

Beim traditionellen Erntedankgot-tesdienst in diesem Jahr durftenicht nur für die Gaben, die wirzum täglichen Leben haben,gedankt werden. Vielmehr gab esauch Grund zu großer Dankbarkeitfür einen „Geldsegen”. Das Mi-nisterium in Warschau hatte end-lich Geld für die so dringend not-wendige Sanierung der Liebfrau-enkirche bewilligt.

Und es gibt jetzt noch ein„Weihnachtsgeschenk”. Anfang De-zember wurde für die Fortsetzungder Sanierung ein weiterer Betragbewilligt. Das sind gute Aussichtenfür das neue Jahr.

(MK)

Liebfrauenkirche in Liegnitz um 1820Zeitgenössisches Aquarell

LESERBRIEF – TERMINE

EVANGELISCHE GOTTESDIENSTEIN DEUTSCHER SPRACHE IN SCHLESIEN

Breslau:an jedem Sonntag um 10 Uhr in der Christophorikirche, pl. Św. Krzyzstofa 1.

Lauban: an jedem 4. Sonntag um 9 Uhr in der Frauenkirche, ul. Kombatantów.

Liegnitz: am 1. und 3. Sonntag um 13 Uhr in der Liebfrauenkirche, pl. Mariacki 1.

Schweidnitz: an jedem 4. Sonnabend um 9 Uhr in der Friedenskirche, pl. Pokoju 6.

Waldenburg: an jedem 2. Sonntag und jedem 4. Sonnabend um 14,00 Uhr in der Erlöserkirche, pl. Kościelny 4.

Bad Warmbrunn:an jedem 2. Sonnabend und jedem 4. Sonntag in derErlöserkirche, pl. Piastowski 18.

JauerFriedenskircheAuf Anfrage: Park Pokoju 2, 59-400 Jawor.Tel. (+4876) 870 51 45. E-Mail: [email protected]

Pfarramt: ul. Partyzantów 60, 51-675 Wrocław. Tel. 0048 - 71-3484598.Pfarrer Andrzej Fober

VERANSTALTUNGEN DER

GEMEINSCHAFT EVANGELISCHER SCHLESIER

Hamburg: Gemeindenachmittage der evangelischen SchlesierFreitag, 4. Januar und Freitag, 1. Februar (Wellwurstessen) 2013 im Gemeindesaal von St. Petri in Altona, Schmarjestr. 31.

LAG Baden-Württemberg/Stuttgart: Gottesdienst mit schlesischer LiturgieSonntag, 27. Januar um 14.30 Uhr in der Schloßkirche in Stuttgart.

GEBURTSTAGE AUS DER LESERGEMEINDE

91. Am 06.01. Herr Günter Krusch, 73207 Plochin-gen, früher Liegnitz. Am 16.01. Frau Hanna Hübner,30851 Langenhagen, früher Liegnitz.90. Am 13.01. Frau Ingeburg Herold, 96215 Lichten-fels, früher Breslau.89. Am 10.01. Frau Elli Zappe, 58840 Plettenberg,früher Jätzdorf/Ohlau.88. Am 19.01. Frau Dorothee Würtemberger, 44229Dortmund, früher Hiddenhausen.87. Am 26.01. Herr Walter Tietze, 97337 Bibergau,früher Konradsdorf/Haynau.86. Am 06.01. Frau Irene Güttler, A - 5930 Bad Hof-gastein, früher Breslau.84. Am 16.01. Herr Alfred Fischer, 34121 Kassel, frü-her Donnerau.83. Am 01.01. Herr Armin Fuchs, 51545 Waldbröl,

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Leserbriefzum Artikel „Wenn Sie einer fragt:…das alles hat nie stattgefunden!” inder November-Ausgabe 2012 desSchlesischen Gottesfreundes, Seite163/164 schreibt Herr Michael Gilleraus Butzbach in Hessen:

KKiirrcchhee aallss KKoorrrreekkttiivv ddeerr DDiikkttaattuurr

In den persönlichen Erinnerungen vonAndreas Neumann-Nochten wird ei-nes sehr klar. Ohne das mutige Enga-gement in den Kirchen der früherenDDR hätte es keinen Sturz der Dik-tatur gegeben. Die Kirchen waren der

natürliche Rückzugsort für die Frie-densbewegung und die Oppositiongegen den SED- und Stasi-Staat.

Daß sich nach der Wende wiederviele von der Kirche entfernt haben,ist enttäuschend. Wer Freiheit nur „inharter Währung” bemißt, hat den Sinnvon Demokratie nicht verstanden.Gerade in diktatorischen Staaten kanndie Kirche Zuflucht für Verfolgte seinund Raum für freiheitliche Entwick-lungen geben. Das heißt aber nicht,daß man nach erlangter Freiheit aufdie „Dienste” der Kirche verzichtenkann. Das christliche Menschenbildprägt die Gesellschaft in ihren Grund-zügen. Geht das verloren, besteht dieGefahr, daß man glaubt, alles durchGesetze und Verbote regeln zu kön-nen; welch ein Irrglaube!

Die Kirchen geben uns Raum fürHoffnungen und begleiten die Ent-wicklungen einer Gesellschaft. Dasgilt auch für uns Schlesier. Unsere El-tern und Großeltern, welche vertrieben

wurden oder geflohen sind, haben inihrer Verzweiflung Beistand in derKirche gefunden. Sonst gab es janichts!

Es ist erschütternd, wie AndreasNeumann-Nochten darüber berichtet,wie der kommunistische Staatsapparatdas Gebaren von Neo-Nazis in der frü-heren DDR deckt. Das zeigt doch, daßdie rote SED-Diktatur nur eine Fort-setzung der braunen Diktatur war.Beide hatten Angst vor freiheitslieben-den Menschen und vor der Religion.

Daher ist es wichtig, auch heuteden Menschen klarzumachen, daß esnicht selbstverständlich ist, in einemfreien Land zu leben. Nur nach Ein-kommen und Vermögen zu schielen,reicht eben nicht aus, diese Freiheit zusichern. Die Gesellschaft muß integersein, und dazu dient in Deutschlandund Europa das Christentum mit denKirchen, auch wenn sich die Politikoftmals dadurch gestört fühlt.

früher Waldenburg. Am 05.01. Herr Horst Kunz, 79695Wieden, früher Brieg.82. Am 19.01. Frau Renate Kitzig, 58708 Menden,früher Waldenburg. Am 31.01. Herr Pfarrer i. R. FritzKolata, 01990 Kleinkmehlen, früher Waldau.81. Am 05.01. Frau Ellen Mattheus, 33689 Bielefeld,früher Peterswaldau. Am 12.01. Frau Johanna Bunge,32423 Minden, früher Stonsdorf.80. Am 01.01. Frau Rosemarie Maxin, geb. Weiner,64342 Seeheim-Jugenheim, früher Hähnichen/Niesky. Am 14.01. Frau Ingeborg Stahr, 14467 Potsdam, früherWohlau.79. Am 19.01. Herr Manfred Richter, 31137 Hildes-heim, 78. Am 05.01. Herr Klaus Kabisch, 48329 Havixbeck,früher Bad Reinerz, Krs.Glatz. Am 13.01. Herr HeinzSzmais, 51580 Reichshof, früher Schwertburg, Krs. Lau-ban. Am 16.01. Frau Margarete Plötner, 36110 Schlitz Am 22.01. Frau Christa Funda, geb. Knetsch, 06526Sangerhausen, früher Breslau. Am 25.01. Herr Pfarreri. R. Claus Hildebrand, 01809 Heidenau, früher Leipzig.77. Am 20.01. Herr Adolf Graf, 70327 Stuttgart, frü-her Berteldorf/Lauban. Am 25.01. Herr Bernhard Keh-ren, 45143 Essen, früher Breslau. Am 29.01. Herr ArminBlischke, 14165 Berlin, früher Auras, Krs. Wohlau. Am29.01. Herr Hans-Joachim Nitschke, 02959 Schleife/OL,früher Großkrauscher, Krs. Görlitz.76. Am 12.01. Herr Dekan i.R. Dr. Klaus Leder,91555 Feuchtwangen, früher Klodnitz O/S. Am 15.01.Herr Diakon i. R. Hans Stillfried, 55583 Bad Münstera.Stein-Ebernb., früher Gebhardsdorf/Lauban. Am28.01. Herr Landrat Gerhard Michaelis, 06869 Coswig, 75. Am 03.01. Herr Peter Klotz, 26935 Stadland, frü-her Bad Harzburg.74. Am 04.01. I.H. Henriette Gräfin v. Platen, 23758Oldenburg, früher Ottwitz Krs.Strehlen. Am 05.01. FrauGerda Gogol, 71229 Leonberg, früher Petersdorf, Krs.Löwenberg. Am 30.01. Herr Reinhard Mende, 06502Thale, früher Brieg.73. Am 09.01. Herr Adolf Gerber, 28357 Bremen Am 10.01. Frau Angelika Standow, 02826 Görlitz, früherPosen. Am 25.01. Frau Sieglinde Kiffner, 30173Hannover, früher Brieg.72. Am 02.01. Frau Annerose Vogel, 02977 Hoyers-werda, früher Görlitz.71. Am 07.01. Herr Pfarrer i. R. Martin Vogel, 45138Essen, früher Breslau.69. Am 20.01. S.D. Michael Prinz Biron v. Curland,81545 München. 66. Am 16.01. Herr Gerhard Kienz, 02827 Görlitz,früher Görlitz.63. Am 30.01. Frau Christa Busch, 02828 Görlitz,früher Görlitz.62. Am 20.01. Herr Wilfried Paul, 02829 MarkersdorfOT Friedersdorf, früher Weinberg, Kreis Friedland.61.Am 16.01. Frau Ursula Zimmer, geb. Nerger, 30419Hannover, früher Senne/Westfalen.

AUS DER LESERGEMEINDE 15

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Bankverbindung: Stadtsparkasse Porta WestfalicaBLZ: 490 519 90 Kto.-Nr.: 26 997

E-mail: [email protected] ffüürr ddeenn IInnhhaalltt::

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Tel./Fax: 03 57 26 - 5 56 75E-mail: [email protected]. AAnnddrreeaass NNeeuummaannnn--NNoocchhtteenn

Hotherstraße 32, D - 02826 GörlitzTel.: 03581 - 878988

E-mail: [email protected]äge/Grafik/Satz/Layout: Andreas Neumann-Nochten

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DDrruucckk:: JAENSCH & AHRENSMEYER, Porta Westfalica

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Postfach 1410, D – 32440 Porta Westfalica

oder Stiftung Evangelisches Schlesien

Schlaurother Straße 11, D – 02827 Görlitz

Bankverbindung: Stadtsparkasse Porta Westfalica

BLZ: 490 519 90 Kto.-Nr.: 26 997

Beitrittserklärung:Ich erkläre hiermit meinen Beitritt zur Gemeinschaft evangelischer

Schlesier e. V. bei einem Mitglieder-Jahresbeitrag von aktuell 30 Euro

für das laufende Kalenderjahr; im Rahmen meiner Vereinsmitglied-

schaft erhalte ich die Zeitschrift „Schlesischer Gottesfreund” kosten-

frei.

Ich möchte kein Mitglied werden, bestelle aber die Monatszeit-

schrift „Schlesischer Gottesfreund” zum Abo-Preis von 36 Euro pro

Jahr.Bitte senden Sie mir eine Probenummer der Zeitschrift „SchlesischerGottesfreund” zu.

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Foto: Dietmar Neß, Turmuhr der Kirche zu Groß Särchen

„Chri+tliche Uhrwercks-Predigt”

Arme Gemeinde!, möchten wir Heutigen wohl sagen:als in den Turm der Dorfkirche in Lohsa im KirchenkreisHoyerswerda „die Woche nach Quasimodogeniti deß1658sten Jahres” eine von der Gutsherrschaft gestifteteTurmuhr eingebaut worden war, hielt der OrtspfarrerMatthäus Büthner eine Fest- und Einweihungspredigt.

Und diese Predigt muß wohl an die zwei Stundengedauert haben! Er ließ sie hernach drucken, in Budis-sin, das ist Bautzen, und dieser Druck ist bis heute auf-bewahrt in der alten Kirchenbibliothek der Johanneskir-che in Hoyerswerda. Hochwürden hatte aber offenbarauch ein Herz für Kinder: so beschließt er den Druck sei-ner Festpredigt mit einer Art „Kurzfassung”; ob wohl dieKinder die dann lernen durften – oder mußten? Ichmöchte sie der Vergeßenheit entreißen – wohl heuteeher erheiternd zu lesen, wenn uns im Jahreswechselwieder ist, „als flögen wir davon” (Psalm 90). (-ß)

Gei+tlicher Stunden-Weckervor die jungen Kinder.

Schläget der Seiger / +o wecke die Sinnen /Je+ulein / +egne des Hertzens BeginnenChri+tlich zuleben / und +elig zu+terben.

Je+ulein / hilff mir den Himmel ererben.

Eines die Glocke +ich lä++et nun hören /Einiger Herr Gott mein Hertze wol+t lehren

Einigen Glauben und einige Tauffefe+te zuhalten / +o lang ich hier lauffe.

Zweyerley wolle+tu Je+u verleyhen:Hertzlich zugläuben die Sünde bereuen.Zweyerley gnädig dargegen abwende /

Bö+es Gewi++en: un+eliges Ende.

Dreymahl hat ietzund der Seiger ge+chlagen:Dreyerley hefftige Feinde mich plagenwerth Dreyfaltigkeit hilff mir ob+iegen

Glauben / Lieb / Hoffnung darwider zu üben.

Viererley Dinge mein Hertze betrachteReitzung / Beliebung der Sünden verachte /

derer Erfüllung / Vertheidigung meideJEsulein helffe zur ewigen Freude.

Fünfferley Feinde verfolgen die SeeleTeuffel / Welt / Sünde / der Todt und die Hölle:

Je+ulein wolle+t +ie la++en ver+chlingenDeine fünff Wunden: mir ewig gelingen.

Sech+erley Plagen mich können berührenJe+ulein wolle+t aus +olchen mich führen

Pe+te / Krieg / Hungersnoth laß mich nicht +chmecken.Schnellen Todt / Wa++er- und Feuers-Noth +chrecken.

Sieben Tod-Sünde den Men+chen verdammen /Hoffart / Fraß / Hurerey / Mammon zu+ammen /

Neiden / Rachgierigkeit / Faulheit darneben:Je+u behüte für +olchen mein Leben.

Achterley Stücke des Chri+tenthumbs mercke /welche +ind Glaube / Lieb / Hoffnung und Stärcke /

Un+chuld / Geduldigkeit / meßiges LebenAndacht: die wolle+tu Je+u mir geben.

Neune der Seiger nun +chläget und +inget /welches mir +chöne Gedancken mitbringet:

JE+us i+t eben die Stunde ge+torben:Je+us hat Leben und Segen erworben.

Zehen Gebote dem Men+chen +ind geben /welche zur Gottesfurcht treiben dz Leben.

Leider zehn tau+end Pfund +chuldig ich bleibe /Je+ulein le+che weg / was ich an+chreibe.

Eilffe das Uhrwerck +ich lä++et nun hören:Will+tu Men+ch / ha+tu Zeit dich zu bekehren,

darumb hat +einen Eilff Jüngern gegebenSchlü++el des Himmelreichs / JE+us mein Leben.

Zwölfferley Früchte der himmli+che Gartenbringet den Gläubigen / welche drauff warten:

Mache mit Wollü+ten fett meine SeeleWelche dir JE+u ich treulich befehle.

AMEN.

FUNDSTÜCK

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