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20 kulturtipp 5 l 14 HÖREN Zürich West, Frühling 2013. Vor dem Schiffbau steht eine Traube junger Jazzfans. Man fachsimpelt über die bevorste- henden Konzerte im Musikclub Moods, wo die Finalrunde des ZKB-Jazzpreises ansteht. Vom nahen Bahnhof Hardbrücke trudeln letzte Besucher ein. Mit- tendrin ein junger Blondschopf mit Lausbubengesicht, dem der Rucksack wie ein Schülerthek am Rücken baumelt. Eine Stunde später sitzt der Blondschopf gestylt am Konzert- flügel und hat nach zwei Songs das Publikum im Sack. Raphael Jost ist ein Phänomen: Virtuoser Pianist, begnadeter Sänger, dazu ein gewitzter Charmeur. Den Jazzpreis gewinnt er nicht. Egal, er hat bereits wichtigere Aus- zeichnungen erhalten. Vorbild Jamie Cullum Dreiviertel Jahre später legt der 25-jährige urgauer nun sein Debütalbum vor. Und «Don’t Blame Me» macht klar: Hier ist ein Talent am Werk. Abgesehen davon, dass sich der bubenhaft wirkende Raphael Jost auf der Bühne in einen gewieften Enter- tainer verwandelt, überrascht er mit raffinierter Musik. Sein Swingjazz ist nicht eigentlich originell und erinnert an Musi- calhits von Cole Porter oder Hart/Rogers, die er gerne covert. Doch Jost schreibt auch eigene Songs, die den Swing an die aktuelle Ästhetik von R ’n’ B oder Hip-Hop bindet. Damit macht er hellhörig. Von einem «Ausnahmetalent mit gros- ser Zukunftsperspektive» sprach die Jury des Europäischen Nach- wuchs-Jazzpreises im deutschen Burghausen, wo Jost 2012 den So- listenpreis gewann. Im bayeri- schen Passau schwärmte die «Neue Presse» nach seinem Kon- zert von einer «ausserordentlich vitalen Show». Und die «Schaff- hauser Nachrichten» taxierten sei- ne Stimme als «samtigen Cognac und Eiscrème zugleich». Dies alles klingt auffallend nach Jamie Cullum. Der smarte Engländer hat mit ähnlicher Rezeptur vor elf Jahren die inter- nationale Jazz- und Popszene erobert. Ein Cullum-Konzert wirkte bei Raphael Jost denn als Initialzündung: Mit 18 erlebte er den hyperagilen Klangtänzer und liess sich von ihm an- stecken. Zuvor hatte Jost nur ge- wusst, dass er Musik machen wollte – alles, nur keine Klassik. Stupender Arrangeur Nach einem Masterstudium an der Zürcher Hochschule der Künste hat sich der Diessenhofe- ner hörbar von Cullum eman- zipiert. Zwar lassen Songs wie «On e Line» oder «Chestnut Tree» in ihrem fidelen Swingpop Ideengeber Cullum noch erah- nen. Doch auf der CD «Don’t Blame Me» breitet Jost ein fun- kelndes Spektrum aus mit zarten Jazzballaden, fröhlichen Folk- songs und raffinierten Soul- Nummern. Zudem Covers – etwa von Kate Perrys «California Girl» oder Elton Johns «Rocket Man» –, die Josts stupende Qua- lität als Arrangeur verdeutlichen. Seine Bläsersätze erklingen kunst- voll und wuchtig zugleich, was auch an Josts namhaften Kolle- gen liegt: Trompeter Lukas öni oder den Saxern Christoph Grab und Florian Egli. Lots Of Horns nennt Jost das Oktett, mit dem er sein Debüt- album eingespielt hat. Wohl wis- send, dass die Hörner zu seinem Markenzeichen werden könn- ten. Auf die Fortsetzung dieser Erfolgsstory darf man gespannt sein. Frank von Niederhäusern Der Thurgauer Raphael Jost sorgt mit Swingjazz für Furore. Nun legt der Pianist und Sänger sein Debütalbum vor. JAZZ Alter Sound frisch verpackt CD Konzerte Fr, 28.2., 20.30 Moods Zürich (CD-Taufe) Fr, 7.3., 12.00 Comihalle Zürich www.raphaeljost.ch Raphael Jost & Lots Of Horns Don’t Blame Me (Unit 2014). PD Raphael Jost: Auf der Bühne wird der 25-Jährige zum Entertainer

JAZZ Alter Sound frisch verpackt - Raphael Jost · nach Jamie Cullum. Der smarte Engländer hat mit ähnlicher Rezeptur vor elf Jahren die inter-nationale Jazz- und Popszene erobert

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20 kulturtipp 5 l 14

HÖREN

Zürich West, Frühling 2013.Vor dem Schiffbau steht eineTraube junger Jazzfans. Manfachsimpelt über die bevorste-henden Konzerte im MusikclubMoods, wo die Finalrunde desZKB-Jazzpreises ansteht. Vomnahen Bahnhof Hardbrücketrudeln letzte Besucher ein. Mit-tendrin ein junger Blondschopfmit Lausbubengesicht, dem derRucksack wie ein Schülerthekam Rücken baumelt.

Eine Stunde später sitzt derBlondschopf gestylt am Konzert-flügel und hat nach zwei Songsdas Publikum im Sack. RaphaelJost ist ein Phänomen: VirtuoserPianist, begnadeter Sänger, dazuein gewitzter Charmeur. DenJazzpreis gewinnt er nicht. Egal,er hat bereits wichtigere Aus-zeichnungen erhalten.

Vorbild Jamie Cullum

Dreiviertel Jahre später legt der25-jährige urgauer nun seinDebütalbum vor. Und «Don’tBlame Me» macht klar: Hier istein Talent am Werk. Abgesehendavon, dass sich der bubenhaftwirkende Raphael Jost auf derBühne in einen gewieften Enter-tainer verwandelt, überrascht ermit raffinierter Musik. SeinSwingjazz ist nicht eigentlichoriginell und erinnert an Musi-calhits von Cole Porter oderHart/Rogers, die er gerne covert.Doch Jost schreibt auch eigeneSongs, die den Swing an die

aktuelle Ästhetik von R ’n’ Boder Hip-Hop bindet.

Damit macht er hellhörig. Voneinem «Ausnahmetalent mit gros-ser Zukunftsperspektive» sprachdie Jury des Europäischen Nach-wuchs-Jazzpreises im deutschenBurghausen, wo Jost 2012 den So-listenpreis gewann. Im bayeri-schen Passau schwärmte die«Neue Presse» nach seinem Kon-zert von einer «ausserordentlichvitalen Show». Und die «Schaff-hauser Nachrichten» taxierten sei-ne Stimme als «samtigen Cognacund Eiscrème zugleich».

Dies alles klingt auffallendnach Jamie Cullum. Der smarteEngländer hat mit ähnlicher Rezeptur vor elf Jahren die inter-nationale Jazz- und Popszene erobert. Ein Cullum-Konzertwirkte bei Raphael Jost denn alsInitialzündung: Mit 18 erlebte er den hyperagilen Klangtänzerund liess sich von ihm an -

stecken. Zuvor hatte Jost nur ge-wusst, dass er Musik machenwollte – alles, nur keine Klassik.

Stupender Arrangeur

Nach einem Masterstudium ander Zürcher Hochschule derKünste hat sich der Diessenhofe-ner hörbar von Cullum eman -zipiert. Zwar lassen Songs wie«On e Line» oder «ChestnutTree» in ihrem fidelen SwingpopIdeengeber Cullum noch erah-nen. Doch auf der CD «Don’tBlame Me» breitet Jost ein fun-kelndes Spektrum aus mit zartenJazzballaden, fröhlichen Folk-songs und raffinierten Soul-

Nummern. Zudem Covers –etwa von Kate Perrys «CaliforniaGirl» oder Elton Johns «RocketMan» –, die Josts stupende Qua-lität als Arrangeur verdeutlichen.Seine Bläsersätze erklingen kunst-voll und wuchtig zugleich, wasauch an Josts namhaften Kolle-gen liegt: Trompeter Lukas önioder den Saxern Christoph Grabund Florian Egli.

Lots Of Horns nennt Jost dasOktett, mit dem er sein Debüt-album eingespielt hat. Wohl wis-send, dass die Hörner zu seinemMarkenzeichen werden könn-ten. Auf die Fortsetzung dieserErfolgsstory darf man gespanntsein. Frank von Niederhäusern

Der Thurgauer RaphaelJost sorgt mit Swingjazzfür Furore. Nun legt derPianist und Sänger seinDebütalbum vor.

JAZZ

Alter Sound frisch verpackt

CD Konzerte

Fr, 28.2., 20.30 Moods Zürich (CD-Taufe)Fr, 7.3., 12.00 Comihal le Zürichwww.raphael jost.ch

Raphael Jost & Lots Of HornsDon’t Blame Me (Unit 2014).

PD

Raphael Jost: Auf der Bühne wird der 25-Jährige zum Entertainer