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ZUR ARCHITEKTUR ATTISCHER GRABBEZIRKE KLASSISCHER ZEIT In den Jahren um 430 v. Chr., also in der Zeit als Athen und Attika vom Archidamischen Krieg er- schüttert und von der Pest heimgesucht wurden, kommt dort eine neuartige Form aufwendiger Grab- anlagen auf: stelengeschmückte Grabbezirke. Diese Grabanlagen nehmen mit ihrer Stelenausstattung die Tradition figürlicher attischer Grabreliefs wieder auf, die mit dem Ende der archaischen Serie endgül- tig abgerissen schien. Das bekannteste Beispiel ist wohl der Grabbezirk des Reiters Dexileos aus Thori- kos, in dem später auch sein Bruder, seine Schwester und deren Ehemann beigesetzt wurden 1. Über einer mannshohen Umfassungsmauer erhebt sich eine Exedra, die das eigentliche Denkmal mit dem Relief des Dexileos zu Pferd trägt. Er überreitet einen ge- stürzten Gegner und versetzt ihm mit der Lanze den Todesstoß. Die nachträglich auf dem Rand der Ein- friedung aufgestellten schlichten Stelen verzeichnen schließlich die Namen seiner Geschwister und deren Angehörigen. Aus der vorangegangenen Epoche, also aus der Zeit der blühenden Demokratie des mittle- ren 5. Jhs. v. Chr., sind die Grabstätten der meis- ten Athener dagegen kaum archäologisch fassbar. Zwischen der Zerstörung Athens durch die Perser 480/479 v. Chr. und dem Aufkommen der Grabbe- zirke gegen 430 v. Chr. beschränkten sich selbst die auf Staatskosten errichteten Denkmäler der in Athen verstorbenen Gesandten auf schlichte Marmorstelen über einem gestuften Unterbau2. Ein anschauliches Beispiel bietet das Denkmal des Konsuls Pythago- ras aus Selymbria am Schwarzen Meer, das vor dem Heiligen Tor im Kerameikos liegt 3. Monumente die- ser Art zieren zu hunderten die Bilder der weißgrun- digen Lekythen aus der Parthenonzeit4, wenngleich nur zwei weitere Beispiele realer Stufenmonumente aus Attika bekannt sind5. Die Gräber der normalen Bürger müssen daher nach heutiger Kenntnis ohne dauerhafte Markierung geblieben sein. Ummauerte Grabbezirke kennen wir hauptsäch- lich aus dem Athener Kerameikos, der seit 1906 durch den Berliner Archäologen Alfred Brueckner ausgegraben wurde6. Im Zuge dieser Ausgrabun- 1 Knigge 1988, 111 – 113 Nr. 18 Abb. 107; Bergemann 1997, 184 Nr. A1 mit älterer Literatur. 2 Brueckner 1909, 9–11; Knigge 1972a, 584–629; Knigge 1972b, 259–265 mit älterer Literatur. 3 Knigge 1972a, 586 Abb. 2; 598 Abb. 21. 4 Zu den Stelendarstellungen in der Vasenmalerei: Nakayama 1982, 60–141; Oakley 2004, 194–199. Zu den Inschriftenstelen ab dem späten 5. Jh. v. Chr.: Möbius 1968, 21 – 45; Hildebrandt 2006, 104 – 134 mit problematischer Datierung der frühesten Exemplare. 5 s. z. B. die Stele des Hephaistes von Chios über der Urnenbestattung in einer rotfigurigen Pelike (Amandry 1947/48, 389 Abb. 4). Siehe auch: Köhler 1885, 359 – 379; Kurtz – Boardman 1971, 123 – 127; Knigge 1972a, 589. 6 Brueckner 1909, passim. Zu Brueckner und seinen Ausgrabungen zuletzt Stroszeck 2007, 58–71. Abb. 1 Grabbezirk der Herakleioten während der Ausgrabungen 1910

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  • 29Jan Breder Zur Architektur attischer Grabbezirke klassischer Zeit

    ZUR ARCHITEKTUR ATTISCHER GRABBEZIRKE KLASSISCHER ZEIT

    In den Jahren um 430 v.Chr., also in der Zeit als Athen und Attika vom Archidamischen Krieg er-schttert und von der Pest heimgesucht wurden, kommt dort eine neuartige Form aufwendiger Grab-anlagen auf: stelengeschmckte Grabbezirke. Diese Grabanlagen nehmen mit ihrer Stelenausstattung die Tradition figrlicher attischer Grabreliefs wieder auf, die mit dem Ende der archaischen Serie endgl-tig abgerissen schien. Das bekannteste Beispiel ist wohl der Grabbezirk des Reiters Dexileos aus Thori-kos, in dem spter auch sein Bruder, seine Schwester und deren Ehemann beigesetzt wurden1. ber einer mannshohen Umfassungsmauer erhebt sich eine Exedra, die das eigentliche Denkmal mit dem Relief des Dexileos zu Pferd trgt. Er berreitet einen ge-strzten Gegner und versetzt ihm mit der Lanze den Todessto. Die nachtrglich auf dem Rand der Ein-friedung aufgestellten schlichten Stelen verzeichnen schlielich die Namen seiner Geschwister und deren Angehrigen.

    Aus der vorangegangenen Epoche, also aus der Zeit der blhenden Demokratie des mittle-ren 5. Jhs. v.Chr., sind die Grabsttten der meis-ten Athener dagegen kaum archologisch fassbar. Zwischen der Zerstrung Athens durch die Perser 480/479 v.Chr. und dem Aufkommen der Grabbe-zirke gegen 430 v.Chr. beschrnkten sich selbst die auf Staatskosten errichteten Denkmler der in Athen verstorbenen Gesandten auf schlichte Marmorstelen ber einem gestuften Unterbau2. Ein anschauliches Beispiel bietet das Denkmal des Konsuls Pythago-ras aus Selymbria am Schwarzen Meer, das vor dem Heiligen Tor im Kerameikos liegt3. Monumente die-ser Art zieren zu hunderten die Bilder der weigrun-digen Lekythen aus der Parthenonzeit4, wenngleich nur zwei weitere Beispiele realer Stufenmonumente

    aus Attika bekannt sind5. Die Grber der normalen Brger mssen daher nach heutiger Kenntnis ohne dauerhafte Markierung geblieben sein.

    Ummauerte Grabbezirke kennen wir hauptsch-lich aus dem Athener Kerameikos, der seit 1906 durch den Berliner Archologen Alfred Brueckner ausgegraben wurde6. Im Zuge dieser Ausgrabun-

    1 Knigge 1988, 111113 Nr.18 Abb.107; Bergemann 1997, 184 Nr.A1 mit lterer Literatur. 2 Brueckner 1909, 911; Knigge 1972a, 584629; Knigge 1972b, 259265 mit lterer Literatur. 3 Knigge 1972a, 586 Abb.2; 598 Abb.21. 4 Zu den Stelendarstellungen in der Vasenmalerei: Nakayama 1982, 60141; Oakley 2004, 194199. Zu den Inschriftenstelen ab dem

    spten 5. Jh. v.Chr.: Mbius 1968, 2145; Hildebrandt 2006, 104134 mit problematischer Datierung der frhesten Exemplare. 5 s. z.B. die Stele des Hephaistes von Chios ber der Urnenbestattung in einer rotfigurigen Pelike (Amandry 1947/48, 389 Abb.4).

    Siehe auch: Khler 1885, 359379; Kurtz Boardman 1971, 123127; Knigge 1972a, 589. 6 Brueckner 1909, passim. Zu Brueckner und seinen Ausgrabungen zuletzt Stroszeck 2007, 5871.

    Abb. 1Grabbezirk der Herakleioten whrend der Ausgrabungen 1910

  • 30 Attika

    gen wurde auch die Grabsttte einer Familie aus Herakleia Pontika freigelegt, die als typisches Bei-spiel fr den Aufbau und die Gestalt des Innen-raumes von Grabbezirken gelten darf (Abb.1)7. Der Grabbezirk liegt auf der Sdseite der sog. Gr-berstrae, die nach Sden in Richtung Pirus ab-biegt. Ausgerichtet auf diese Ausfallstrae erhebt sich eine bermannshohe Mauer, die in ihrer ersten Phase aus Konglomeratquadern bestand8. Der heuti-ge Zustand ist das Ergebnis einer antiken Reparatur mit verputztem Kleinsteinmauerwerk. Diese Mauer bildet zur Strae hin und damit zum ffentlichen Raum eine geschlossene Fassade, ber der sich die einzelnen Denkmler erheben. Dies waren von links nach rechts: eine Marmorlekythos, ein heute zerstrter Naiskos, die Reliefstele der Korallion so-wie als zentrales Monument die Palmettenstele mit den Namen der mnnlichen Familienoberhupter. Rechts daneben folgen der groe Bildnaiskos des Agathon und die Basis fr einen kleinen Naiskos. Den ueren Abschluss bildete wiederum eine heu-te verlorene Lekythos, die zusammen mit ihrem Pendant auf der linken Seite die Fassade akroterar-tig rahmte9.

    Optisch entsteht von der Strae aus der Eindruck, als wrden die Stelen gleichsam auf der Mauerkan-te stehen, doch zeigen Fotografien, die whrend der Ausgrabung aufgenommen wurden, dass jede Stele auf einem eigenen Unterbau ruhte10. Diese Sockel reichen hinter der Mauer jedoch unterschiedlich tief herab, was zum einen den Schluss zulsst, dass sie sukzessiv und nicht in einem Zug errichtet wurden, und zum anderen, dass der Innenraum des Bezirks nach und nach hher aufgeschttet wurde. So reicht das Fundament fr die Palmettenstele noch bis zum Mauerfu ganze sechs Quaderlagen tief herab. Das Relief der Korallion wurde hingegen nur noch mit einer Bruchsteinpackung und durch zwei Quaderla-gen fundamentiert und die Basis des nach 350 v.Chr. errichteten groen Gemldenaiskos ruhte schlie-lich nur auf einem einzigen Quader. Die eigentlichen

    Grber in Steinsarkophagen lagen hinter diesen Fundamenten und drften zunchst nur von einer etwa 50cm hohen Erdschicht bedeckt gewesen sein.

    Im Zuge weiterer Grabungen konnte Brueckner Zungenmauern nachweisen, die die Grabanlagen nach den Seiten abgrenzten11. Die Rckseiten blie-ben in der Regel offen und ermglichten so den Zugang zu den Grbern. Gelegentlich markierten Horossteine das Terrain, von denen sich einige Bei-spiele erhalten haben12.

    Bei der stlich benachbarten Eckterrasse konnte der Ausgrber Wilfried Kovacsovics eine hnliche Anordnung beobachten: Hinter der Frontmauer wa-ren die Grabstelen unterschiedlich tief fundamen-tiert und die Sarkophage lagen teilweise in den Fels gebettet auf Hhe des Mauerfues13. Den Gelnde-verlauf im Inneren der Eckterrasse gegen 350 v.Chr. rekonstruierte Kovacsovics als Hgel, dessen Kuppe hinter den zentralen Stelen und Naiskoi lag14. Die Hhe der Umfassungsmauer wurde von der Erdauf-fllung jedoch an keiner Stelle erreicht, sodass sich hier der Charakter einer Hofanlage ergab. ber ei-nen Durchgang vom Sdweg aus konnte der Bereich der sog. Eckterrasse betreten werden, wobei die ein-zelnen Bezirke im Innern der Eckterrasse nicht mit Parzellenmauern gegeneinander abgegrenzt wa-ren15.

    Die ltesten Befunde, die man als Grabbezirke an-sprechen kann, stammen aus den 30er Jahren des 5. Jhs. v.Chr. Sie wurden durch Karl Kbler16 in den 1930er und durch Klaus Vierneisel17 in den frhen 1960er Jahren freigelegt. Diese frhen Anlagen be-saen auf ihrer Straenfront Mauern aus weien Po-rosquadern. Die brigen drei Seiten waren hingegen aus Lehmziegeln aufgemauert.

    Eines der ltesten Grabreliefs der neuen Serie, das Relief der Ampharete, stammt mit hoher Wahr-scheinlichkeit aus einem solchen Kontext. Von die-ser frhen und spter berbauten Anlage an der Strae zur Akademie hat sich allein die Euthynte-rie erhalten, sodass die Aufstellung des Reliefs nur

    7 Brueckner 1909, 6474; Knigge 1988, 121123 Nr.22 Farbabb.118; Bergemann 1997, 184 Nr.A2. 8 Ohly 1965, 342345 Abb.38. 9 Brueckner 1909, Abb.43. 10 Himmelmann 1999, 31 Abb.10; Brueckner 1910, Abb.12. 15. 11 Die seitlichen Mauern wurden im Laufe der Nutzung mehrfach verndert: vgl. Brueckner 1909, 74. 12 Siehe dazu den Beitrag von Stroszeck in diesem Band***. 13 Kovacsovics 1990, 2023. 2734 Abb.20 Taf.11, 1. 14 Kovacsovics 1990, 28 Abb.24; 30 Abb.25. 15 Brueckner 1909, 39f.; Kovacsovics 1990, 6365 Abb.40. 16 Brueckner 1909, 102104; Kbler 1935, 272276 Abb.13; Kbler 1936, 184. 189f.; Ohly 1965, 332. 337340. 350f. 359 Abb.39;

    Kbler 1976, 8390 Beil.18. 3740; Humphreys 1980, 120121 mit Tabelle 4 (Stemma); Knigge 1988, 107110 Nr.17 Abb.101. 104106; Davies 1971, 21f.; Bergemann 1997, 187 Nr.A19.

    17 Vierneisel 1963, 2730; Vierneisel 1964, 420434 Abb.1923; Travlos 1971, Abb.391 (Grabbezirk P); Knigge 1988, 145147 Abb.142144; Bergemann 1997, 188f. Nr.C9.

  • 31Jan Breder Zur Architektur attischer Grabbezirke klassischer Zeit

    in Analogie zu den spteren Befunden erschlossen werden kann18.

    Seit dieser Zeit gab es neben den Grabbezirken nur wenige Alternativen fr die Gestaltung reprsentati-ver Grabsttten. Dies war zum einen die Aufstellung der Einzeldenkmler zu ebener Erde, wie es beim Areal um die Stele der Samakion zu studieren ist, zum anderen wurden gelegentlich weiterhin kleine-re Grabhgel aufgeschttet, wie es das Beispiel des sog. Eukoline-Hgels im Kerameikos zeigt19.

    Wenige Jahre nach ihrem ersten Auftreten entwi-ckelten sich die neuen Grabbezirke schnell zur vor-herrschenden Form von Grabsttten vermgender Athener und verbreiteten sich ber das gesamte atti-sche Land20. Bis ins spte 4. Jh. v.Chr. wurden neue Grabbezirke errichtet, als sie schlielich zwischen 317 und 307 v.Chr. durch den makedonischen Statt-halter Demetrios von Phaleron per Gesetz verboten wurden. Die Grnde fr dieses Grabluxusgesetz sind bis heute umstritten, doch liegt die Vermutung nahe, dass die demokratisch-brgerlichen Eliten Athens auf diesem Wege an weiterer Prachtentfal-tung am Grab gehindert werden sollten21.

    Im Zentrum der bisherigen Forschung stand vor-nehmlich das reiche Material der figrlichen Grab-reliefs, deren stilistische Entwicklung sowie die In-terpretation der Ikonographie. Diese Konzentration war in hohem Mae berechtigt, ermglichte sie doch einerseits, ein weitgehend zuverlssiges chronologi-sches Entwicklungsmodell der sptklassischen und frhhellenistischen Plastik zu erstellen, und anderer-seits Konzepte der Selbstdarstellung und des Selbst-verstndnisses athenischer Brger und Metken im Grabkontext zu verfolgen. Die Grber selbst waren dagegen nur selten Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion. Allein bei intensiveren Analysen indi-vidueller Befunde oder sozialgeschichtlichen Un-

    tersuchungen zu Gre und Charakter klassischer Bestattungsgemeinschaften fanden sie gelegentlich Beachtung22.

    Der architektonischen Gestaltung attischer Grab-bezirke wurde auerhalb von Grabungspublikati-onen23 oder katalogartiger Zusammenstellungen24 bisher keine Aufmerksamkeit geschenkt, was nicht zuletzt am oft schlechten Erhaltungszustand der meisten Befunde liegen mag. Denn abgesehen von den vorbildlichen Anastylosen in Rhamnous25 und einigen Anlagen im Kerameikos sind die Umfas-sungsmauern der Grabbezirke nur selten so gut erhalten, dass sich durch bloe Anschauung ein vollstndiges Bild ihres ursprnglichen Aussehens gewinnen liee. Nicht zuletzt aus diesem Grund mgen die Grabbezirksmauern wohl als zu unbe-deutend und einfrmig erschienen sein, als dass sie nachhaltig das Interesse der Bauforschung geweckt htten. Die einzige Ausnahme bildet in diesem Zu-sammenhang das Staatsgrab am dritten Keramei-kos-Horos, das mit seiner Rotunde und den seitli-chen Zungenmauern als architektonische Ausnahme bezeichnet werden kann26. Eine Aufarbeitung der Architektur klassischer Grabanlagen stellt insbeson-dere deshalb ein Desiderat dar, weil sie als grtes und kostspieligstes Element eines Grabbezirks den reprsentativen Rahmen fr die viel diskutierte Ste-lenausstattung bildete. Zudem ist bislang nicht un-tersucht worden, was letztlich die Eigenart dieser neuen architektonisierten Grabform ausmacht.

    In jngeren Arbeiten zu attischen Grabbezirken und -reliefs werden dagegen immer wieder diesel-ben Rekonstruktionszeichnungen der Ausgrber Brueckner aus dem Jahre 1909, Dieter Ohly von 1965 und Vassilis Petrakos ab 1975 abgebildet, ohne die-se eingehender zu diskutieren27. Wie illustrativ die eigentliche Architektur in Rekonstruktionen behan-delt wurde, verdeutlicht schlielich die Rekonstruk-

    18 Kbler 1934, 2534 Taf.5 Beil 3; Schlrb-Vierneisel 1968, 90 Abb.1; Humphreys 1980, 118; Schmaltz 1983, 119; Knigge 1988, 140 Nr.39a; Bergemann 1997, 188 Nr.*C3a.

    19 Zum Gebiet um die Samakionstele: Schoell 1870, 145f. Nr.1. 3; Curtius 1872, 18 Nr.29. 31; Brueckner 1909, 25. 104; Kbler 1976, 92101 Beil.43. 4548; Knigge 1988, 130f. Nr.33; Bergemann 1997, 187 Nr.A19a. Zum Eukolinehgel: Schlrb-Vierneisel 1966, 77f. 8488 Beil.63 Taf.5; Willemsen 1970, 4146; Knigge 1988, 137 Nr.37 mit Anm.128 Abb.33; Salta 1991, 200 mit Anm.2034; Bergemann 1997, 187 Nr.*A23

    20 Vgl. Garland 1982, 125176. 21 Dazu ausfhrlich: Meyer 1989, 258262; Stichel 1992, 433440; Engels 1998, 121154 (jeweils mit lterer Literatur). 22 Humphreys 1980, 96126. 23 Brueckner 1909, passim; Kovacsovics 1990, passim. 24 Garland 1982, 125176; Closterman 1999, 299438. 25 1999, 335413. Von einzelnen Unstimmigkeiten bei der Positionierung bestimmter Blcke im Mauerverbund abgese-

    hen, sind die Wiederherstellungen zuverlssig. 26 Brueckner 1914, 9195; Brueckner 1915, 109124; Gebauer 1940, 344. 357362; Gebauer 1942, 204. 258; Kbler 1949, 9 mit Anm.2;

    17 mit Anm.2; Ohly 1965, 322327; Garland 1982, D2. Einzeluntersuchungen: Willemsen 1977, 117157; Stichel 1998, 133164; Valavanis 1999, 185205; Kienlin 2003, 113122 bes. 118122; Kienlin 2004, 113122. Publikation: Mallwitz 1980, 99125 bes. 122125. Zusammenfassend: Knigge 1988, 163f. Bergemann 1997, 189 Nr.D2. Zuletzt: Stroszeck 2004, 322329.

    27 Als illustrative Vorlagen z.B. fr die Arbeiten Bergemanns (1997, Taf.13), Clostermans (1999, Taf.8. 9. 10. 14. 15. 23. 37. 51. 55) und Hildebrandts (2006, Taf.128142) dienten insbesondere: Brueckner 1909, Abb.2974; Ohly 1965, Taf.3 Abb.36. 37; 1999, Abb.239310.

  • 32 Attika

    tion des sog. Perserbezirks durch Andreas Scholl aus dem Jahr 2000, wo die Frontmauer auf eine schlich-te, isodome Quaderwand reduziert wird28. Ein Ver-gleich mit den differenzierteren Rekonstruktionen von Petrakos und Ohly offenbart, dass wesentliche Bestandteile wie ein Mauersockel oder Decksteine ausgelassen wurden. An dieser Stelle scheint es also geboten, am Befund aussagekrftiger Grabanlagen eine fundiertere Vorstellung von Aufbau und Kons-truktion sowie der formalen Gestaltung der Grabbe-zirksmauern zu gewinnen.

    Betrachten wir zunchst die Konstruktionen der Umfassungsmauern, bei denen sich grundstzlich zwei unterschiedliche Prinzipien beobachten lassen:

    Zum einen sind dies Grabbezirke mit gebsch-ten Mauern und Feldsteinhinterfllung, die ich im Folgenden als Analemma-Typus bezeichnen mch-te. Ein anschauliches Beispiel fr dieses Konstrukti-onsprinzip bietet die groe Grabterrasse von Vari in Westattika29. Die nahezu 15m lange Front und die in den Hang auslaufenden Seitenmauern bestehen aus polygonal zugerichteten Kalksteinblcken loka-ler Provenienz, die zu den Mauerecken hin monu-mentale Ausmae erreichten (Abb.2). Im Steinplan ist hinter der ueren Steinsetzung deutlich eine gut 50cm starke Packung aus Feldsteinen zu erken-nen, die noch heute bis zur Oberkante der Anlage erhalten ist (Abb.2 und 3). Derartige Steinpackungen finden sich regelmig bei Sttzmauern ffentlicher Bauten. Dort dienen sie der gleichmigen Vertei-lung des Erddrucks und zur Ableitung des hinter der Mauer gestauten Wassers30. Nach der Definition von Anastasios Orlandos sind Analemmata leicht gebscht konstruiert, um dem Hangdruck zu wi-derstehen; ein Merkmal, das auch der Grabterrasse von Vari zu eigen ist. In ihrem Steinplan ist ein Rck-sprung der Steinlagen von unten nach oben deutlich zu erkennen. Da diese Grabbezirksmauer einen lteren Tumulus des 6. Jhs. v.Chr. einfasste, folgte ihre Konstruktion den Erfordernissen der Gelnde-morphologie, wie das Halbrund des alten Hgels im Steinplan deutlich macht. Die freibleibenden Zwi-ckel zwischen Tumulus und Sttzmauer wurden dem Grabungsbefund zufolge bis zur Mauerober-kante verfllt. Entsprechende Konstruktionsprinzi-pien zeigt auch eine nur wenige Kilometer stlich im Defilee von Vari gelegene Anlage. Hier begegnet

    nicht nur die Bschung der Mauern wieder, sondern auch die Hinterftterung durch Feldsteine31.

    Dass es sich hier um ein gngiges Konstrukti-onsprinzip handelt, verdeutlichen weitere Beispiele aus dem benachbarten Voula. Dort wurden mehre-re schlechter erhaltene Grabbezirke aufgedeckt, bei

    28 Scholl 2000, 107 Abb.27. Dabei versteht sich freilich, dass Scholl mit seiner Rekonstruktion andere Zusammenhnge veran-schaulichen wollte. Fr die Wahrnehmung der Grabbezirksarchitektur durch die archologische Forschung ist dieses Beispiel dennoch symptomatisch.

    29 Wrede 1933, Nr.98; 1966, 95f. Taf.89; 90, 1. 2; 91, 1; Garland 1982, 173 Nr.U1; Lauter 1985b, 6365 Abb.9; Travlos 1988, 447 Abb.578; Lohmann 1993, 187.

    30 Vgl. das Schema eines Analemma nach Orlandos, basierend auf dem Befund des Demeterheiligtums von Eleusis (Orlandos 1968, 124f. Abb.144).

    31 Wrede 1933, 36 Nr.99 und Textabb.9 Abb.99; Garland 1982, 173 Nr.U5.

    Abb. 2Grabterrasse von Vari 2004

    Abb. 3Steinplan der Grabterrasse von Vari

  • 33Jan Breder Zur Architektur attischer Grabbezirke klassischer Zeit

    denen ebenfalls die Steinpackung auf der Innenseite der Frontmauer beobachtet werden konnte. Aus-sagekrftig sind dort die berreste einer heute als Gartenmauer dienenden Grabbezirksfront32. Ferner ist eine heute verschttete Anlage nahe des Leofo-ros Vouliagmenis zu nennen, vor deren Frontmauer ein Marmorgef in Sturzlage gefunden wurde33. In beiden Fllen ist hinter der Auenschale aus groen Hausteinblcken die dichte Packung kleinerer Feld-

    steine sichtbar. Ein vergleichbarer Befund findet sich schlielich bei Kilometer 62 der Kstenstrae nach Sounion. In der Dokumentation durch Hans Loh-mann ist die Feldsteinpackung zwischen den erhal-tenen Quadern der Auenseite und dem Sarkophag auf der Innenseite noch deutlich zu erkennen34.

    Von diesen Grabbezirken im Analemma-Typus lsst sich deutlich ein anderes Konstruktionsprinzip unterscheiden, das der Mehrzahl der Grabbezirks-mauern zugrunde liegt. Kennzeichnend sind hier ein lotrechter Aufbau und das Fehlen einer inneren Feldsteinpackung. Anders als die Mauern des Ana-lemma-Typus, die grtenteils in polygonaler Tech-nik errichtet wurden, sind die lotrecht aufgebauten Umfassungsmauern in Quadertechnik gesetzt und zeigen regelmig einen gegliederten Wandaufbau. Beispielhaft ist in dieser Hinsicht der berwiegend aus Originalteilen rekonstruierte Grabbezirk des Di-ogeiton in Rhamnous35 (Abb.5): Auf der Nordseite grndet die Wand ber dem Fels mit zwei Lagen Euthynterie, die nach Sden in den Gelndeanstieg auslaufen. Die Oberflchen dieser Euthynteriebl-cke sind rau gespitzt und springen von unten nach oben um jeweils 3cm zurck. Darber erstreckt sich eine weitere Plinthenlage ber die volle Lnge der Front. Ihr Oberflchendekor entspricht mit den auf Lcke gesetzten Meielrillen dem der aufgehenden Mauer. Erst ber diesem Wandfu beginnt die Mau-erflche mit einer Orthostatenreihe. Darauf folgen vier gleichhohe Quaderlagen mit konkordantem Fu-genversatz. Den oberen Mauerabschluss bildet eine geisonartig vorkragende Lage von abgeschrgten Decksteinen mit seitlichen Wangen.

    Dieser Aufbau wiederholt sich bei mehreren Grabbezirken in Rhamnous, wie z.B. dem Bezirk des Euphranor36 und des Diophantides37. Da die-se Bezirke in nahezu ebenem Gelnde liegen, fehlt zwar die Ausgleichsschicht, doch der brige Aufbau mit Toichobat, Quadern und Geison entspricht dem beschriebenen Wandaufbau und variiert nur in der Zahl der Quaderlagen. Eine vergleichbare vertikale Gliederung ist allein in Rhamnous bei 20 Befunden gesichert38. Gesteigert wird der Aufwand noch bei dem ebenfalls an der Heiligen Strae von Rhamnous liegenden Bezirk des Hierokles (Abb.6)39: Um das

    32 Zum Befund an der Odos Athinon: 1977, 42 Taf.36 d; Lauter 1993, 3035 Taf.34; 1982, 56f. 33 1974, 58f. Taf.6061. 34 Zu dem Befund: 1979, 88 Taf.24 a; 1980, 76; Lohmann 1985, 76; bes. Lohmann 1993, 126. 188. 362f.

    Nr.CH 14 Abb.14. 15 Taf.87, 2; 88, 1. 2 und Kartenblatt 4. 35 1999, 362370 Abb.256264. 36 1999, 355359 Abb.252. 37 1999, 360f. Abb.254255. 38 Dazu Breder 2008, 81f. 39 1999, 387399 Abb.286297.

    Abb. 4Geison der Grabterrasse von Vari

  • 34 Attika

    Straengeflle entlang der Frontmauer auszuglei-chen, erreicht die Euthynterie im Norden eine Hhe von drei Steinlagen. Den bergang vom Unterbau zur Mauer vermittelt hier ein profilierter Toichobat mit Kehle und Rundstab. Den oberen Abschluss bil-det ein voll ausgebildetes Geison ionischen Typs mit geschwungener Hngeplatte und leicht abgeschrg-ter Oberseite.

    Im Athener Kerameikos ist die Gestaltung der Grabbezirksfassaden weniger gut zu studieren, da die Befunde wesentlich schlechter erhalten sind. Bedingt durch die wechselvolle Geschichte des Ge-lndes, das hufiger auch Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen war, sind viele Mauern zer-strt und daher schwieriger zu rekonstruieren zu-mal sie gelegentlich im letzten Zustand einer anti-ken Reparatur vor uns stehen, wie die Fassade des Herakelioten-Bezirks40 oder die Nordfront der Be-zirke der Eckterrasse belegen41.

    Jedoch hatte sich bereits Ohly in den spten 50er und frhen 60er Jahren des vergangenen Jahrhun-derts um eine sachgerechte Rekonstruktion der Grabanlagen vor dem Heiligen Tor bemht42. In sei-ner Neuzeichnung der Bezirksfronten von der Sd-seite der Grberstrae wiederholen die Mauern das

    am Beispiel von Rhamnous beschriebene Schema von Euthynterie, Toichobat und aufgehendem Mau-erwerk. Vorkragende, geisonartige Mauerkronen wurden von Ohly hier zwar frei ergnzt, doch kei-neswegs ohne Grund: Denn bei Nachgrabungen, die 1956 und 1959 im Bereich der Grberstrae durchge-fhrt wurden, kam zwischen dem Bezirk der Herak-leioten und dem Bezirk des Koroibos von Melite mit dem bekannten Relief der Hegeso der stark bestoe-ne Block eines ionischen Geisons zu Tage, den Ohly aufgrund der Fundlage und der Proportionen dem Koroibos-Bezirk zuordnete (Abb.7)43. Auf diesem Block hatten sich sogar Spuren der ursprnglichen Bemalung erhalten, die Ohly eine Wiederherstel-lung der Ornamente ermglichten. Ausgehend von den bereits von Brueckner beobachteten unteren Steinlagen aus Konglomerat, schlug Ohly dann 1959 eine Fassadenrekonstruktion vor, die dem in Rham-nous beobachteten Grundschema von Toichobat, Wandflche und Geison entspricht.

    Im Gebiet des Kerameikos wurden schlielich noch zwei weitere Geisonblcke gefunden, die dem Rundbau am Eridanos44 und dem Bezirk der Deme-tria und der Pamphile45 zuzuordnen sind.

    Auch bei der eingangs besprochenen groen

    40 Brueckner 1909, 6474; Knigge 1988, 121123 Nr.22 Farbabb.118; Bergemann 1997, 184 Nr.A2. 41 Kovacsovics 1990, 20 Abb.18. 42 Ohly 1965, Taf.3 Abb.38. 43 Ohly 1959, 257 Abb.7. 8. 44 Kerameikos Inv. A 75; Koenigs 1980, 9598 mit Anm.87 Abb.31. 45 Brueckner 1909, 95 Abb.60.

    Abb. 5Grabbezirk des Diogeiton in Rhamnous

  • 35Jan Breder Zur Architektur attischer Grabbezirke klassischer Zeit

    Grabterrasse von Vari (Abb.2 und 3)46 wurde im Zuge von Nachgrabungen der Eckblock eines ionischen Kalksteingeisons gefunden, der mit einer Lnge von ca. 1,50m und einer Hhe von knapp 0,55m zu der Grabanlage gehrt haben drfte (Abb.4)47. Eine run-de Einarbeitung auf der Oberseite des Blocks, wie sie zur Sockelung von Marmorlekythen und -lutropho-ren blich ist, sttzt diese Zuweisung.

    Eine weitere Variante des Mauerabschlusses hat sich am Grabbezirk des Athenodoros in Rhamnous erhalten. Das vorkragende Sims wird hier flankiert

    von Eckpalmetten, die ursprnglich bemalt gewesen sein drften48. Akroterhafte Eckpalmetten gehren indes fest zum Typus der figrlichen Naiskosstelen, wie die Stelen der Ampharete und der spte Naiskos des Aristonautes belegen49.

    Die bisherigen Beobachtungen lassen deutlich hervortreten, dass die Mauern der privaten Grab-bezirke Attikas keineswegs als reine Zweckbauten angesehen werden drfen, die lediglich zur Schaf-fung einer ebenen Flche fr die Aufstellung der Grabstelen dienten50. Vielmehr handelt es sich um

    46 Wrede 1933, Nr.98; 1966, 95f. Taf.89; 90, 1. 2; 91, 1; Garland 1982, 173 Nr.U1; Lauter 1985b, 6365 Abb.9; Travlos 1988, 447 Abb.578; Lohmann 1993, 187.

    47 Das Stck ist unpubliziert und wurde bei der Autopsie des Befundes 2004 aufgenommen. 48 1999, 404407 Abb.301303. 49 Stele der Ampharete: CAT 1.660; Naiskos des Aristonautes: CAT 1.460. 50 Anders: Lohmann 1993, 184193 bes. 187.

    Abb. 6Grabbezirk des Hierokles

    in Rhamnous

    Abb. 7Grabbezirk des Koroibos im Kerameikos und Schnitt durch das zugehrige Geison

  • 36 Attika

    gegliederte Architekturen mit einem fest definierten Wandaufbau. Wie gezeigt, lassen sich dabei zwei verschiedene Typen unterscheiden: einer mit ge-bschtem und ein anderer mit lotrechtem Aufbau der Mauer.

    Schon Karl Kbler hatte in seinem Aufsatz Der attische Grabbau von 1949 auf die Traditionslinie hingewiesen, die die sptklassischen Grabbezirke mit den Grabbauten aus Lehmziegeln verbindet, die vom frhen 7. Jh. bis in die Mitte des 5. Jhs. v.Chr. errichtet wurden51. Zwei Beispiele mgen gengen, dies zu verdeutlichen: Bau K im Athener Keramei-kos und der Grabbau von Vourva52. Merkmale, wie die aufragende Wand und der gebschte Dachrand sind dort bereits vorgebildet. Man darf annehmen, dass die Steinumfassungen der spteren Grabbezir-ke hier anknpften. Freilich gibt es auf der anderen Seite grere Unterschiede zwischen beiden Grab-malformen. Diese beschrnken sich nicht nur auf die Stelenausstattung und die Mehrfachbelegung mit Bestattungen, die sptklassische Anlagen kenn-zeichneten. Hinsichtlich der Architektur ist es vor allem der gegliederte Aufbau ihrer Mauern, der die-sen Unterschied ausmacht und hier im Mittelpunkt stehen soll.

    Seit langem ist bekannt, dass unterschiedliche Bauaufgaben unterschiedliche Mauerkonstruktio-nen erfordern53. Aber auch bei gleichen technischen Anforderungen unterscheiden sich die Mauern in ihrem vertikalen Aufbau in der Folge von Profilen: Tempelwnde ionischer Ordnung, wie z.B. die des Niketempels auf der Akropolis54, zeigen regelmig den gegliederten Wandfu mit Anlauf, Rundstab und darber ansetzenden Orthostaten, wie er an der Umfassung des Hierokles-Bezirks in Rhamnous wiederkehrt (Abb.6)55. An keiner Grabbezirksmauer findet sich jedoch das fr Tempelwnde charakte-ristische obere Abschlussprofil. Einen anderen cha-rakteristischen Aufbau zeigt auch der gut erhaltene Sockel der Sdstoa im Heraion von Argos aus dem spten 5. Jh. v.Chr.: ber der bruchrauh belassenen Euthynterie folgt ein sauber gegltteter, niedriger Toichobat und nach einem Rcksprung die Ortho-statenreihe mit fein gespitzten Spiegeln. Die obers-te erhaltene Schicht bildete ber den Orthostaten schlielich eine niedrige Plinthenlage, die wiederum um einige Millimeter vorspringt56. Noch mehrere entsprechende Beispiele lieen sich aufzhlen.

    Sucht man in der griechischen Architektur nach Vergleichen fr den Maueraufbau attischer Grabbe-zirke, so finden sich bemerkenswert deutliche ber-einstimmungen mit dem Typus der Temenosmauer. Dieser ist seinerseits von der Bauforschung bis dato nur unzureichend wahrgenommen und definiert worden, weshalb im Folgenden einige Beispiele angefhrt seien: 1989 hatte Hans Lauter auf die er-haltene Nord-Ost-Ecke des klassischen Peribolos im Poseidon-Heiligtum von Sounion aufmerksam ge-macht57. Die einschalige Mauer aus grauem, witte-rungsanflligem Poros ist hier ber einer Euthynterie aus dem gleichen Material noch zwei Schichten hoch erhalten. ber der Ausgleichsschicht liegen Toicho-batblcke mit gleicher Tiefe. Darber erhoben sich Orthostaten, die beiderseits um etwa 10cm schmaler sind als der Wandfu. Unter Bercksichtigung wei-terer, heute verlorener Schichten sowie des obliga-torischen Decksteins muss diese Mauer mindestens zwei Meter Hhe erreicht haben. In Material und Maen stimmen die Quader des Peribolos mit de-nen der brigen klassischen Porosbauten des Heilig-tums, den Hallen und dem Propylon berein, sodass von ihrer gleichzeitigen Entstehung auszugehen ist. Dieses Beispiel einer attischen Temenosmauer in Quadertechnik zeigt einen charakteristischen unte-ren Wandaufbau mit Euthynterie, Toichobat, Ortho-staten und mindestens einer Luferschicht.

    In der Sdwestecke der Agora von Athen wur-den Reste des hypthralen Heiligtums des Aiakos aufgedeckt58. Anhand der Fundamentierung und eines in situ erhaltenen Quaders aus Burgkalkstein konnte John Camp der Einfassungsmauer weitere Werkstcke zuweisen, die in der Umgebung gefun-den wurden. Auf dieser Grundlage rekonstruierte er 1995 ber einem flachen Feldsteinfundament eine einschalige, auf beiden Seiten auf Sicht gearbeitete Temenosmauer (Abb.8). Gegenber dem untersten, toichobatartigen Quader springt die zweite, hhere Lage auf jeder Seite um vier Zentimeter zurck, be-vor mit einem weniger deutlichen Rcksprung eine dritte Schicht folgt. Die Hhe der Mauer ist unklar, doch wurde sie mit Decksteinen abgeschlossen, die auf beiden Seiten ein geschwungenes Soffittenprofil zeigen und ca. 15cm ber die Wand vorkragten. An einigen Stellen hat sich ein Putzberzug erhalten, der in der Soffitte eine Blattwelle in den Farben Rot und Grn zeigt. Auch in Eleusis wurde ein Deckstein

    51 Kbler 1949, 722. 52 Grabbau K: Kbler 1959, 5355 Taf.3, 2; Vourva: 1890, 318329 Taf.9; Kbler 1949, 11. 53 Kockel 1991, 797; Orlandos 1968, 122126 Abb.141. 144. 54 Giraud 1994, Taf.216. 228231. 55 1999, 387399 Abb.286297. 56 Amandry 1952, Taf.68 ac. 57 Lauter 1988, 15. 1719 mit Anm.34. 38. 41 Taf.1 a. 2 a; Goette 2000, 2326 (mit Lit.) Abb.2426. 58 Camp 1995, 99103 Abb.1. 2. 6. Zur Identifizierung als Aiakeion: Stroud 1994, 19 bes. 69.

  • 37Jan Breder Zur Architektur attischer Grabbezirke klassischer Zeit

    dieses Typs mit beidseitig abgeschrgter Oberseite und Soffitten gefunden, den Travlos dem Peribolos des Kallichoros-Brunnen zugewiesen hat59.

    Aufgrund der geringen Zahl von erhaltenen Beispielen in Attika steht die Rekonstruktion eines verbindlichen Typus fr Periboloi noch auf einer schmalen Grundlage. Daher mssen exemplarisch auch Temenosmauern aus anderen Landschaften Griechenlands zum Vergleich herangezogen wer-den, um die bisherigen Beobachtungen zu berpr-fen.

    Zuerst sei ein Peribolos aus der Zeit um 430 v.Chr. angefhrt, der das Dionysos-Heiligtum auf Thasos in der Nordostgis umgab60. Die freistehende Mauer kann nach Westen im Anschluss an das Propylon und auf einer lngeren Strecke im Sdwesten ver-folgt werden. Sie steht ber einer Ausgleichsschicht von Gneisplatten, die nicht auf Ansicht gearbeitet war. Der Toichobat darber besteht aus niedrigen Plinthen und zeigt regelmig gespitzte Ansichts-seiten. Die darber aufgehende Mauer ist etwas we-niger tief und zweischalig aus Luferschichten gebil-det. Die gleichmig gespitzten Steinoberflchen der Quader haben gefasste Kanten, whrend die Spiegel zustzlich mit einem Saumschlag umgeben sind.

    Aufschlussreich sind auch die sptarchaischen Periboloi des Aphaia- und des Apollon-Heiligtums auf Aigina. Die Einfriedung des Aphaia-Temenos bestand aus Lehmziegeln ber einem Steintoicho-

    bat mit Orthostaten. Zahlreiche in der Umgebung gefundene Tonziegel lakonischen Typs drften zur Abdeckung der Mauer gehrt haben. Peribolos und Terrassenmauer sind nicht nur in ihrem Material unterschieden, sondern auch der Aufbau ist von an-derer Art. Die Sttzmauer ist durch Abtreppung um jeweils 4cm gebscht, wobei die Schichthhen kaum variieren61. Der Peribolos zeigt dagegen im erhalte-nen Teil mit seinem vorspringenden Toichobat und den Orthostaten einen Aufbau wie die Einfriedun-gen von Sounion und der Agora.

    Von der sptarchaischen Temenosmauer des Apollon-Heiligtums von Aigina Kolonna ist zwar nur ein Deckstein aus Poros erhalten. Er entspricht aber typologisch demjenigen, der beim Kallichoros-Brunnen in Eleusis gefunden wurde62.

    Decksteine, deren vorkragende Vorder- und Un-terseite mit einem Geisonprofil versehen waren, sind freilich nicht exklusiv den Temenos- und Grab-bezirksmauern vorbehalten gewesen. Ein Beispiel liefern die erst krzlich im Zuge der Neurestaurie-rung des Athener Dionysos-Theaters wieder zuge-wiesenen Bekrnungen der Parodos-Sttzmauern. Ihr oberer Abschluss zeigt die gleiche geisonartige Konfiguration, wie die Mauerkronen einiger Peri-boloi und Grabbezirke. Die Oberseite dieser Deck-steine ist zur Parodos hin abgeschrgt und luft zur Vorderkante in einer Leiste aus. Die Unterseite trgt ein Soffittenprofil mit Kyma und Traufleiste63. Die-

    59 Travlos 1988, 94 Abb.156; vgl. Noack 1927, 73f. 60 Bernard Salviat 1959, 290294 Abb.1. 56. 61 Schwandner 1970, 5471 Abb.1517. 62 Hoffelner 1999, 132 Abb.138. 63 Auf diesen Befund machte mich dankenswerter Weise Giorgos Despinis aufmerksam.

    Abb. 8Peribolos des Aiakeion nach Camp

  • 38 Attika

    se Parallele ist indes fr die verfolgte Fragestellung von groer Bedeutung, da geisonartige Decksteine offenbar als reprsentative Mauerabschlsse im Zu-sammenhang verschiedener ffentlicher Bauten er-scheinen knnen. Entscheidend fr die spezifische Funktion und Bedeutung einer Mauer ist jedoch ihr gesamter Aufbau vom Fundament bis zur Ober-kante. Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt das Analemma im Dionysostheater aufs Neue und vergleicht den Wandaufbau mit dem des bekann-ten Lakedaimoniergrabes im Kerameikos64, dessen Oberflchengestaltung eng verwandt ist, so tritt der Unterschied deutlich zu Tage: Mit einer leichten B-schung von etwa 2cm pro Schicht, die bereits ab der obersten Lage einsetzt, jedoch ohne die fr Periboloi und Grabbezirksumfassungen so charakteristische Stufung im Sockelbereich, die auch am Lakedaimo-niergrab zu beobachten ist, steigt die Sttzmauer des Theaters undifferenziert ber der Wegtrasse auf65. Obwohl die Parodosmauer mit dem oberen Ab-schluss und der Gestaltung der Quaderoberflchen Gemeinsamkeiten mit den Grabbezirksmauern auf-weist, handelt es sich doch aufgrund des fehlenden Wandfues um einen anderen Mauertypus.

    Der berblick ber die verschiedenen griechischen Heiligtumsmauern und der Exkurs zum Auftreten geisonartiger Mauerkronen haben gezeigt, dass frei-stehende Einfassungsmauern griechischer Heiligt-mer archaischer und klassischer Zeit einen charak-teristischen Maueraufbau aufweisen, der von unten nach oben dem Aufbauschema von Euthynterie, Toichobat, Mauerflche und geisonartigem Deck-stein folgt und genau dem der spteren Grabbezirks-mauern entspricht. Ferner wurden diese Mauern gem ihrer Funktion in ihrer ueren Erscheinung, d.h. in Mauertechnik und Oberflchenbehandlung, charakterisiert. Die Kombination von Maueraufbau, Mauertechnik und Oberflchengestaltung wurde demnach nicht willkrlich angewandt, sondern war vielmehr spezifisch fr die Funktion und die Bedeu-tung einer Mauer.

    Vergleichbare bereinstimmungen im Mauer-aufbau lassen sich schlielich auch fr die oben als Analemmata-Typus beschriebenen Grabbezirke mit Polygonalmauern und gebschten Wnden aufzei-gen, wie wir sie am Beispiel der Grabterrasse von Vari kennen gelernt haben (Abb.2). Ihr kann gleich-sam als Vorbild die Sttzmauer des Heiligen Hauses in Eleusis gegenbergestellt werden66. Mit strker betonten Bossen wiederholt die Grabterrasse ansons-ten das polygonale Versatzsystem des gut 200 Jahre lteren Analemmas des Heiligen Hauses im Westen des eleusinischen Telesterions. Monumentale Blcke wechseln sich mit kleineren Polygonen ab. Strecken-weise sind mehrere Steine wie in einer Lage ver-setzt, bis diese Ordnung unregelmig durch groe schichtbergreifende Elemente durchbrochen wird. Andere Grabbezirke, wie die des Lysimachides67 oder der Potamier im Kerameikos von Athen, lassen sich hier als Beispiele anschlieen, die in kleinerem Mastab bei gleicher Konstruktion die polygonale Gestaltung der Heiligtums-Analemmata nachahmen.

    Auch die wohl schnste griechische Sttzmauer, das Analemma der Heiligtumsterrasse von Delphi68, mit dem geschwungenen Mauerwerk lesbischen Typs, findet einen spten Nachhall am Bezirk der Antidosis im Kerameikos69.

    Dass fr die Umfassungsmauern von Grabbezir-ken zwei verschiedene Konstruktions- und Aufbau-schemata, und zwar diejenigen von Temenosmau-ern und Sttzmauern von Heiligtmern adaptiert werden, fhrt zu der Frage nach dem Zweck dieser Differenzierung, den man nach den bisherigen Be-obachtungen nicht mehr in reiner Willkr der Bau-herren sehen mchte. Wie eingangs am Beispiel des Herakleiotenbezirks gezeigt, waren viele Grabbezir-ke ursprnglich nicht bis zur Maueroberkannte ver-fllt, so dass eine Quaderfassade im Aufbauschema eines Peribolos hier auch inhaltlich sinnvoll ist, da sie die innere Disposition auf der Auenseite gleichsam visualisiert. Noch deutlicher wird dieser Zusam-menhang bei einem Rundgrab auf Kap Kolonnes im Sden der Insel Salamis (Abb.9)70. Der Rundbau

    64 Knigge 1988, 160f. Nr.63 Abb.156. 158; Wrede 1933, 19f. 51 Abb.49. 65 Zum unteren Wandaufbau der Parodosmauer des Dionysostheaters vgl. Papastamati-von Moock 2007, 297 Abb.5. 66 Wrede 1933, 10 Nr.2425; 1937, 4252 bes. Abb.13; Lauter 1985a, 163169; Travlos 1988, 93f. Abb.120.

    133; Mazarakis-Ainian 1997, 150153 Abb.172176; Boehringer 2001, 6064. Die sptarchaischen und jngeren Nutzungsphasen sind nur unzureichend dokumentiert. Entscheidend sind hier vor allem die Abbildungen bei Wrede und - (1937, Abb.1. 3) und Travlos 1988, Abb.120. 133, in denen die Auenschalen der Sdwest- und Sdostmauern sowie eine bersicht gegeben sind.

    67 Brueckner 1909, 8385; Wrede 1933, 37. 43. 5758 Abb.103; Ohly 1965, 332. 334. 347349 Abb.18. 3637; Knigge 1988, 126 Nr.24. 68 Courby 1920; 142172; La Coste-Messelire 1943, 320f. Abb.5054; Bommelaer 1991, 150153 Nr.329. 69 Kbler 1932, 189191; Wrede 1933, Nr.101; Scranton 1941, 34; Knigge 1988, 140 Nr.39. 70 2001, 129158 Abb.127; Dekoulakou 2003, 5161 Abb.110. Die Aussagekraft dieses Befundes fr Attika wird

    durch seine Lage in der Kleruchie Salamis nicht eingeschrnkt, da die Typologie der auf Salamis gefundenen Grabbezirke und -reliefs den attischen voll entspricht. Ferner wurden auch in Attika vergleichbare Rundbauten entdeckt, die indes schlechter er-halten sind (in Rhamnous: 1999, 352 Abb.247; 349351 Abb.244246).

  • 39Jan Breder Zur Architektur attischer Grabbezirke klassischer Zeit

    mit 10,70m Durchmesser ist teilweise bis zur Mau-eroberkante erhalten und zeigt dabei den blichen Maueraufbau des Temenos-Typus mit Deckstein, Toichobat und Euthynterie. Die Sarkophage stehen unterhalb des Laufniveaus in Schchten, die in den anstehenden Fels gehauen wurden. Dass der Innen-raum nicht verfllt gewesen sein kann, zeigt das bis zum Trsturz erhaltene Portal auf der Nordseite der Anlage. Auch hier korrespondiert der lotrechte Wandaufbau mit der Funktion der Architektur.

    Umgekehrt lsst sich bei den als Analemma mit polygonaler Versatztechnik gestalteten Grabbezir-ken beobachten, dass ihre Innenfllung schon zum Zeitpunkt ihrer Errichtung bis zur Oberkante reich-

    te. So inkorporiert die Grabterrasse von Vari einen Tumulus archaischer Zeit, der im Steinplan noch als halbrunde Struktur eingezeichnet ist71. Die Erd-massen des lteren Grabhgels im Verbund mit der Gelndesituation am Hang von Lathouresa machten demnach die Konstruktion als Sttzmauer erforder-lich.

    Bei der Grabanlage der Potamier im Kerameikos standen ltere Grabanlagen in diesem Bereich hoch an. Der Nord-Sdschnitt bei Kbler zeigt, dass die Oberkante des im 5. Jh. v.Chr. bereits verscht-teten Lehmziegelbaus O aus dem 6. Jh. v.Chr. das Laufniveau des spteren Potamierbezirks markierte (Abb.10)72. Bereits im 5. Jh. v.Chr. wurde auf der von

    71 Wrede 1933, Nr.98; 1966, 95f. Taf.89; 90, 1. 2; 91, 1; Garland 1982, 173 Nr.U1; Lauter 1985b, 6365 Abb.9; Travlos 1988, 447 Abb.578; Lohmann 1993, 187.

    72 Kbler 1976, 128135 Beil.54, 1 Taf.55. 56, 1 und Abb.8587.

    Abb. 9Rundgrab auf Kap Kolon-nes nach Dekoulakou

  • 40 Attika

    der Strae abgewandten Seite im Norden eine erste Sttzmauer aus Feldsteinen errichtet. Gleichzeitig mit dem Bau der polygonalen Fassade entstand in diesem Bereich eine neue Erweiterungsmauer, die das Plateau nach Norden hin ausdehnte. Ein wei-teres Indiz dafr, dass die Grabanlage der Potamier von Beginn an den Charakter einer Terrasse hatte, liefert ferner der Befund der Stelenbasen. Sie wa-ren nicht wie beim Herakleiotenbezirk oder bei den Monumenten der Eckterrasse tief fundamentiert, sondern standen ber niedrigen Feldsteinbettungen unmittelbar auf der Terrasse73. Die Anwendung des polygonalen Mauerwerks war demnach auch hier nicht beliebig, sondern den Erfordernissen der Ge-lndemorphologie geschuldet.

    Diese Beispiele mgen gengen, um deutlich zu machen, wie konsequent die Funktion eines Baus in den Formen seiner Architektur nachvollzogen wur-

    de. Demnach war auch die Entscheidung, die Um-fassungsmauern der Grabbezirke im Peribolos- oder im Analematypus zu errichten, nicht beliebig. Viel-mehr trifft das Aussehen der Mauer eine Aussage ber Art und Funktion des umschlossenen Raumes.

    Die strukturelle Verwandtschaft der Grabbezirks-mauern mit den Sttz- und Umfassungsmauern von Heiligtmern lsst sich ferner bis in die Details der Charakterisierung ihrer Steinoberflchen verfolgen. War der Rillendekor einiger Grabbezirke in Rham-nous und Sounion bislang nur als formale Wieder-holung nach dem Sockel der um 350 v.Chr. ent-standenen Erweiterung der Sttzmauer von Eleusis aufgefallen74, bekommt diese Oberflchengestal-tung vor dem Hintergrund eines generellen Zusam-menhangs von Heiligtums- und Grabbezirksmauern eine semantische Dimension.

    Fr unser Verstndnis der attischen Sepulkralkultur des ausgehenden 5. und des 4. Jhs. v.Chr. hat die Analyse der Architektur der Grabbezirke klare Er-gebnisse erbracht. Es ist zunchst festzuhalten, dass sich bei den Umfassungsmauern dieser Grabanla-gen zwei feste Typen des Maueraufbaus unterschei-den lassen. Der erste Typus entspricht konstruktiv und formal dem Schema von Sttzmauern, der zweite dem Vorbild freistehender Einfriedungen. Die Auswahl des einen oder anderen Bauprinzips korrespondiert dabei mit der inneren Beschaffenheit der Anlage und richtete sich in erster Linie nach der Hhe ihrer ursprnglichen Verfllung.

    Wesentlich bedeutsamer ist jedoch, dass die Ge-staltung der Mauern nicht allein funktionalen und konstruktiven Anforderungen entsprach, sondern dass darber hinaus beide Typen von Umfassungs-mauern in ihrer vertikalen Gliederung jeweils einem festen Schema folgen, das seine Vorbilder in den Te-menos- bzw. den Sttzmauern bekannter Heiligt-mer hat.

    Dieses Ergebnis erlaubt sowohl auf das klassische Verstndnis von Architektur als auch auf die spezi-fisch attische Konzeption privater Grabsttten wei-terfhrende Rckschlsse:

    Obwohl die Grabbezirke in der Qualitt ihrer Mauern nicht immer das Niveau der groen Archi-tektur erreichen, handelt es sich doch um hochwer-tige Steinmetzarbeiten, die weit ber das hinausge-hen, was in Athen und Attika im gleichen Zeitraum an privater Wohnhausarchitektur bekannt ist75. Die Tatsache, dass an Grabbezirken im Speziellen und

    73 Brueckner 1909, 108112 Nr.19 Abb.68. 74 Wrede 1933, 29 Nr.71. Marmorfassaden mit auf Lcke gesetztem Rillendekor begegnen in Rhamnous bei folgenden Bezirken:

    Bergemann 1997, Nr.M8; M9; M2; Sdattika: Bergemann 1997, Nr.*Y1; Kap Pountazeza: Lauter 1993, 80f. Taf.22; Lohmann 1993, 193 Anm.1314 Taf.115; Goette 2000, 66. Im westlichen Attika und im Athener Umland fehlt dieser Dekor vollstndig.

    75 Vgl. Lauter-Bufe Lauter 1971, 109124; Hoepfner 1999, 239245.

    Abb. 10Grabbezirk der Potamier im Kerameikos whrend der Ausgrabung

  • 41Jan Breder Zur Architektur attischer Grabbezirke klassischer Zeit

    in der griechischen Architektur im Allgemeinen bestimmte Aufbauschemata mit charakteristischen Profilabfolgen angewandt wurden, zeigt deutlich die gleichsam architektonisierte Denkweise der Athener. Vergleichbare Phnomene sind bisher nur in der Keramikforschung beobachtet worden, wo sich seit langem die Erkenntnis etabliert hat, dass sich am Profil einer Vase nicht nur ihre Funktion, sondern auch ihre Bedeutung ablesen lsst. Als Bei-spiele seien nur die Panathenischen Amphoren76 oder bestimmte Kultgefe, wie die eleusinischen Plemochoen77, genannt. Beides sind Geftypen, die ber ihre Funktion als Behlter hinaus, ideell mit be-stimmten Wettspielen oder einem bestimmten Kult verbunden werden konnten. Dass sich die Grabbe-zirke in ihrer architektonischen Gestalt ausgerech-net an Heiligtumsmauern orientieren, ist sicher kein Zufall, da die Ausfhrung sepulkraler wie religiser Riten und die damit verbundenen spirituellen Vor-stellungen gleichermaen ber den Bereich des All-tglichen hinausfhren78. Wir greifen hier eine se-mantische Ebene architektonischer Formen: Ebenso

    wie die Periboloi der Heiligtmer grenzen auch die Grabbezirksmauern einen rituellen Bereich bzw. die Sphre des Ritus gegenber der Sphre der Auen-welt ab. Durch ihr unverwechselbares Erscheinungs-bild kennzeichnen diese Mauern den Grabbezirk als Temenos und boten so den Lebenden die Mglich-keit, die Grabsttten ihrer Toten im Habitus einer Kultsttte zu prsentieren.

    Bonn Jan Breder

    AnschriftJan BrederUniversitt BonnInstitut fr Kunstgeschichte und ArchologieAbteilung Klassische ArchologieAm Hofgarten 21D 53113 [email protected]

    76 Bentz 1998, 1822. 77 Brommer 1980, 544549. 78 Schwarzmaier 2003, 119128.

    Abbildungsnachweise: Abb.1: Nach Brueckner 1910, Abb.12. Abb.2. 4. 5: Aufnahme Verf. Abb.3: Nach Lauter 1985b, Abb.9. Abb.6: Nach 1999, 389 Abb.288. Abb.7: Nach Ohly 1959, Abb.7. 8. Abb.8: Nach Camp 1995, Abb.6b. Abb.9: Nach 2001, 134 Abb.68. Abb.10: Nach Knigge 1988, 138 Abb.131.

  • 42 Attika

    Amandry 1947/48 P. Amandry, Chronique des fouilles en 1946, BCH

    71/72, 1947/48, 382402Amandry 1952 P. Amandry, Observations sur les monuments de

    lHraion, Hesperia 21, 1952, 222274

    Bentz 1998 M. Bentz, Panathenische Preisamphoren. Eine atheni-

    sche Vasengattung und ihre Funktion vom 6.4. Jahr-hundert v.Chr., AntK Beih. 18 (Basel 1998)

    1966 N. K. , , ADelt

    21 B1, 1966, 9597Bergemann 1997 J. Bergemann, Demos und Thanatos. Untersuchungen

    zum Wertsystem der Polis im Spiegel der attischen Grabreliefs des 4. Jahrhunderts v.Chr. und zur Funk-tion der gleichzeitigen Grabbauten (Mnchen 1997)

    Bernard Salviat 1959 P. Bernard F. Salviat, Nouvelles dcouvertes au Dio-

    nysion de Thasos, BCH 83, 1959, 288335Boehringer 2001 D. Boehringer, Heroenkulte in Griechenland von der

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